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Full text of "Europäische annalen"

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in ber 3. S- Sotta'ſchen Buchhandlung, 
1815, 


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Sieben te Stuͤck 


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zz übingen 
in ber 3. ©- Sotta'ſchen UN 
1815 


Inhalt. 


I. Dee euffifhe Feldzug nach Eugen Labaume, Haupt: 
mann der Geograph⸗Ingenieure, vormaligen Ordonnanz- 
Offizier des Prinzen Eugen. (Korti.) ß 

I. Spanien zu Ende des Jahres 1808, oder: Carl IV. 
und Godoy. (Aus fpaniihen Nachrichten.) : 

Ill. Spanien am Unfange des Jahres ıgıa, oder: Ferdi: 
nand VIl. und die Cortes. (Aus dem Manujcript eines 
Spaniers.) . A 

IV. Borjtellung an Seine Majeität Ludwig XVII. von 
€ 


obbet. ©. 

V. Carnot. Zugleih Hauptzüge feiner Denffhrift an 
den Konig von Sranfreih. Eine biographiſche Stizze. S. 
VI. Buonapartiana, oder Anekdoten über Napoleon 
aus verfhiednen Zeitichriften gefammelt. S. 


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Codex diplomaticus. 


24. Bittfhrift, Sr. k. k. Majeſtaͤt dem Kaifer von Deft 
reich am 22. Dft. 1814 von einer Deputation der 
Standesherren in einer Audienz übergeben. S. 

25. Note der heſſiſven, berzoglih: ſachſiſchen 
und naſſauiſchen Bevollmaͤchtigten, an die kaiſerlich— 
oͤſtrelchiſchen und koͤniglich-preußiſchen erſten Bes 
vollmaͤchtigten, enthaltend den Antrag, Mainz fuͤr ei— 
nen Waffenplatz und eine Feſtung des deutſhen Bundes 
zu erklaͤren, datirt Wien den 25. Okt. 1814. ©. 

26. Patent, wodurd der Aurfürt von Hannover feine 
Annebinung der Föniglihen Würde befannt macht, 
datirt Sarlionhoufe den 25. Dft. 13813. : 

27. Ludwig des XVIII. Proflamation an die Franzofen 
vom 1. Febr. 1814. . 

28. Des Grafen von Artois Proflamation an die Franzo— 
ſen, vom 21. März 1814. i 

29. Erklärung des Senatd vom 3. April, wodurh Napo: 
leon des Throns verluftig erklärt wird. ©. 

30. Vorläufige Konftitution Frankreichs, die Ludwig den 
XVII. frepwillig zum Throne beruft, vom Senat entwor: 
fen am 6. April 1814. ; 

31. Erklärung Ludwig des XVIII. am 2. May, worin er 
Frankreich eine neue Konititution verjpricht. ; 

32. Kouſtitution-Urkunde von Ludwig dem XVII. Frank⸗ 
reich gegeben den 4. Juni 1314. | ©. 

33. Bekanntmachung wegen leberreihung und Prüfung 
der Vollmachten der für den Kongreß bevollmächtigren Mt: 
nifter, Abgeordneten und Gefhaftsführer, datirt Wien 
den 1. Nov. 1814. ; 

34. Nebtsverwahrung des Königs von Sachſen ge 
gen die töniglihspreußifh«proniforifde Beſitz— 
nehmung ſeiner Staaten, und gegen jede Verfuͤgung 
über dieſelben, datirt Friedrichsſelde (bey Berlin) 4. No: 
vember 1814. ©. 


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eutffifhbe Feldzug 
nad 


Eugen Labaume, 
Hauptmann der Geograpb:ängenieure, vormallgen DOrdom 
nanzgsöffizter des Prinzen Eugen, 


(FBortfegung) 


VL Malo-Jaroslawez. 


- Die Ankunft einer fiegretchen franzoͤſiſchen Armee in ber 
alten Hauptftadt der Czare, in der reichſten Stadt im Mit: 
telpuntt Rußlands, die bie jetzt nah einem religidfen Glau⸗ 
ben für heilig und geweiht galt, war eine der auferordents 
lichſten Begebenheiten der neuern Geſchichte. Wohl hatten 
unfre vorbergehenden Eroberungen Europa gewöhnt, die ums 
faffendften und überrafhendften Feldzugpläne mit Erfolg ges 
frönt zu feben. Aber von allen unfern Unternehmungen hatte 
keine einen (6 hohen, für das Wunderbare glühende Seelen 
verführerifihern Anſchein von Größe als dieſe; Feine konnte 
wegen ihrer Schwierigkeit unfre Thaten dem Außerordents 
lihften, was Perfer, Griechen und Roͤmer vollbrachten, 
mehr gleichſtellen. *) Die amifgen Paris und Moskau, 


*) Höhft intereffant find uns — Aeußerungen des Verfaſſers 
votzelvmmen; denn fie geben den eigentlichen Begriff, wie 
auch rein und edeidenkende Franzofen ſich für die, die Eins 
Bildung höchitergreifenden, Unternehmungen Napoleons, 
fo niederbrädend für die Menfchheit, und fo unglädihwanger ' 
für Gegenwart und Zufunft fie auch waren, leidenfchaftlich 
bingeben konnten. — Daß übrigens die jüngfte Weltuͤber⸗ 
fhwemmung der Sallier nit von Dauer fepn würde, war 


Europ. Annalen, zied Stud. 1315. 1 


4 Der ruſſiſche Feldzug 





ungefähr derjenigen zwiſchen Alexanders und Darius Haupt⸗ 


fiädten gleihe, ‚Entfernung; — 'die Eigenthuͤmlichkeit des 
Landes und des Klima’s, did als unnahbar für europäifhe 
‚Armeen galten; — das Andenfen Karls XII., der bey 
einem ähnlichen Vorhaben Smolensf richt, zu iberfreiten 
wagte; — ber Schreden ber afiatifhen Stämme, bie mit 
Erftaunen bie fliehenden Europäer bey fih anfonımen fahen; 
— mit Einem Wort, Alles vereinigte ſich, den Fortſchritten der 
großen Armee ein Anfehen von Wunderbarkeit zu geben, 
die an die angeffaunteften Zeldzüge des Alterthums erinnerte. 
Dies war die Farbe des Gemähldeß vom feiner ſchoͤnſten 
Seite; ließ uns aber die Hefunde Vernunft in die Zufunft 
blicken, fo fand man nichts mehr, als das Büfterfte Kolorit. 
So wie es die Moskowiten auf das unerhörtefte Aeußerſte 
hatten fommen laffen, ward deutlih, daß mit einem alfo zu 
den allergrößten Opfern entfehloffenen Volk nit mehr unters 
handelt werben koͤnne, und daß ber eitle Ruhm, einen Frier 
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uns perſoͤnlich auch noch in ihrem Culmination⸗Punkte wenig 
zweifelhaft geweſen, da dieſes Volk geſchichtlich petiodiſchem 
uUferaustreten unterworfen ift, von Brennus Zügen an bie 
zu der nicht en passant gemachten Eroberung Konftantinopels, 
Verſtuͤnden die Franzoſen übrigens. fremde Voͤlker in ihrem 

. Sitten, Sprabe und Herfommen zu laffen, und fo zu bes 
herrſchen, fo würde, es ihnen leichter, theuer erworbne Er⸗ 
oberungen zu behaupten ; da ſie aber aus unpolitiſcher Natlo— 
nal⸗Eitelteit die unmbüchtein fremde Vbiker in Franzoſen 


umzuwandeln, verſuchen, ſo machen ſie ſich verhaſſt, und un⸗ 


terhalten dadurch dem Gaͤhrſtoff, der ihnen dann, ſobald die 
- Umftände die Gelegenheit herbeyfuͤhren, jederzeit verderb⸗ 
lich geworden iſt. Man kanm es freylich als eine Art Edel⸗ 
muth anſehen, daß fie tim innigen Gefühl der ausſchließlichen 
Wortrefflichkeit, mit det fie von der Natur begabt zu ſeyn 
. Überzengt find, die Eroberten zu fi heraufzuziehen wuͤrdi⸗ 
— gen, ſtatt fi zu beauägen, fie als einen in 
Stamm von oben. herab zu ——— * 


* 


nach Eugen Labaume. 5 








densſoluß in Moskau zu unterzeichnen, einen Brand ange⸗ 
zündet habe, ber feine Verwüflungen (2) uͤber ganz Europa 
verbreiten, und dem Krieg einen folden Grad von Bitterkeit- 
geben würde, daß er entweder nur dur den völligen Unters 
gang eines hochherzigen Volks, ober. dur den Fall des bi: 
(en Genius, den Gott in feinem Zorn zur. Zühtigung der. 
— wie einen neuen Wuͤrgengel *) geſchaffen zu ha— 

ben ſchien, endigen würde. 

Auch faben verfiändige, mit einfichtvollem Geifte — 
te, Männer nur mit Schrecken die Zerſtoͤrung einer Stadt, 
bie jeit fünf Tagen ein Raub der Flammen war, und deren 
Stein jeden Abend unfer Lager befeuctete. Welches konn— 
ten, nad ihrer Meinung, unfre Hoffnungen feyn, geſetzt 
aub, wir blieben immer Sieger? War nidt befannt, daß 
nah der Einnahme von Moskau wir Petersburg anzugreifen 
beftimmt waren? Ja, follten wir ung aub von ganz Ruß: 
land bemeiftern, wäre. dann nicht wieder die Ausſicht einer 
Unternehmung nad dem Enuhrat.oder dem Ganges vorhan— 
ten? Abt wenn ein Fürjt nur durch ungeſtuͤmme Tapferkeit 
belebt iſt, ohne fie durch Weisheit zu mäßigen, fo macht ihn 
ber Glanz feiner Waffen nur jenen unheilbringenden Geftir: 
nen äbnlih, die der Erdfugel nur erfheinen, um Schreden 
ga verbreiten. 

Wie groß auch der Verluſt der Ruſſen durch die Zerfid: 
tung von Moskau ſeyn mochte, fo war er denno unendlich 
siel empfindlicher für uns, da er unfern Feinden die Gewiß— 
beit gab, allen Bortheil, den fie fih von der Härte ihres 
Kimss verforaben, zu ziehen. Umfonft wandte man bey 
und ein, die Verbrennung diefer Hauptſtadt fey uͤberfluͤſſig, 





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7 Bie ten ſelbſt, aber als teufliſcher Schmeichler, einer feiner 
‚legten drekonſuln im einer durch die Schlacht von Fere Cham; 
penoiſe und die Einnahme von Paris in der Geburt erſtickten 
Proflamation zu nennen für ſchͤn fand, = 


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6 Der ruͤſſiſche Feldzug 


und die franzöfifche Armee folle im Gegentheil froh ſeyn, fi 
von einer ımgeheuern Bevoͤlkerung, derem eifriges und fas 
natiſches Naturell gefährlibe Aufftände gedroht hätte, entler:_ 
digt zu fehen. Aber nach vielem Nachdenken habe ih mich 

uͤberzeugt, daß bey dem verſchlagenen, verfuͤhrungkundigen 
Charakter unſers Anfuͤhrers die ruſſiſche Regierung zu bes: 
fürchten gehabt hätte, daß eben dieſe Bevoͤlkerung, weit ent: 
fernt, gegen uns aufzufiehen, vielmehr ein Werkzeug unfrer 
Vorhaben geworden wäre, und daß die Großen durch ein fo 





. gefährliches Beyſpiel fortgeriffen, oder durch glänzende Vers 


- 


* 


ſprechen verfuͤhrt, ſich dem Beſten des Vaterlandes entfrem⸗ 
det hätten, Wohl war ed um dieſes Ungluͤck zu verhuͤten, 
daß Graf Roftopfhin fein ganzes Vermögen opferte, 
‚indem er Mosfau anzänden ließ, überzeugt, daß dieſes 
große Benfpiel das. einzige Mittel fen, die-Spannfraft des 
Adels zu beleben, und beym Wolf den heftigen Haß, der es 
gegen uns, ald den Gegenfland feines Abſcheues, aufftehen 
machte, zu unterhalten. Da übrigeng dieſe Stadt mit Bors 
rath von Lebensmitteln für acht Monate verfehen war, würbe 
ihre Befeßung die franzöfifhe Armee in Stand gefeist haben, 
die Ruͤckkehr des Frühlings zu erwarten, und alfobald zus 
gleih mit den zu Smolensk und am Niemen lagernden Res 
ferve:Armeen in’s Feld zu rüden; fobald man aber Moskau 
verbrannte, zwang man ung im Gegentheif zu einem übereil: 
ten Rüdzuge, mitten in der härteften Jahreszeit. Die auf 
diefe Berechnungen gegründeten Hoffnungen [dienen zweifels 
108; denn unfre furdtbare Armee, wiewol fie während ber 
ſchoͤnen Jahreszeit gefommen war, hatte nur allein durch die. 
Schnelle ihres Marſches das Drittheil ihrer Leute verlox 
ren; *) es war auch nicht zu befürdten, daß wir irgendwo 





*) Das vierte Korps war beym Abmarfh von Glogau unge: 
fähr 48.000 Mann ſtark, während es, als wir Moskau vers 
liefen, nur noch 20,000 Maun zu Fuß: und 2000 Meiter 


mach Eugen Labaume. | 2 





eine Stellung faſſen koͤnnten, da der Mangel an Mannes 
zacht alle unfre Eroberungen in eine Wüfte verwandelt und 
die Unvorfühtigteit unſers Führers nichts gefchont hatte, um 
unſte Rüdktehr zu erleichtern. Genug, um die Schilderung 
unfrer hülfiofen Lage, mitten bey unfrer anfheinenden Sieg— 
kaftigkeir, vollſtandig zu machen, reihe e3 bin, zu fagen, 
daß die ganze Armee muthlos und des Marſchierens müde, 
und bie Reiterei dem Verderben nahe war, fo wie aud bie 
dur ſchlecbte Nahrung erfhäpften Artilleriepferde die Stüde 
kaum mehr ziehen fonnten. Obſchon die klaͤglichen Opfer 
ber Verbrennung Moskau's, koͤnnen wir uns doch nicht ent: 
balten, dieſe hochherzige Hingebung zu bewundern, und den 
Einwohnern biefer Stadt Gerechtigkeit widerfahren zu lafs 
fen, indem fie fib, glei den Spaniern, durch ihren Muth 
und ihre Ausdauer zu dem hohen Grad von Ruhm gefhwuns 
gen haben, der die Größe eines Volks bezeichnet. h 

Erinnert man fib der Befhwerlichkeiten, die wir auds 
geſtanden hatten, und des Verluſts, den. ung nur die Ermüs 
dung allein verurfadhte, ehe wir Mosfau erreichten, und 
jwar dies in einer Jahreszeit, wo die Erde, mit ihren Err 
jeugniffen bededt, und reichliche Huͤlfmittel darbot, fo iſt es 
{hmer zu begreifen, wie Napoleon verblendet und ſtarr⸗ 
finnig genug ſeyn konnte, Rußland nicht zu verlaffen ;. beſon⸗ 
bers fobald er fah, daß die Hauptfladt, auf bie er gezählt 
batte, vernichtet war, und daß der Winter nahte. Um fih 
einer ſolchen Augenfheinlichfeit zu entziehen, muß ihn ber 
Himmel, um ihn wegen feines Uebermuths zu beftrafen, mit 
Thorbeit befangen haben, fonft hätte er ſich nicht vorftellen koͤn⸗ 
nen, das diefelben Männer, die den Muth gehabt hatten, ihr 
Baterland zu zerſtoͤren, gleich darauf die Schwachheit haben 


zählte. Die 15te Diviſion, die bey Eröffnung des Feldzugs 
ſich auf 13,000 Mann belief, war auf 4000 gebracht. 
Anm. d. Verf. 


’ 
8 Der ruſſiſche Feldzug 


würden, feine harten Vorſchlaͤge anzunehmen, und den Frie⸗ 








den auf den rauchenden Trümmern ihrer Hauptftadt zu un⸗ 


terzeichnen. Auch fingen die Kurzſichtigſten an, unfer Ungluͤck 
vorherzufagen, und ging man bey den Mauern des Krenilins 
vorbey, fo war: es, als hörte man die prophetifhen Worte, 
bie eine himmliſche Stimme Mebufadnezar mitten in ſei⸗ 
nem Gluͤcksſchwindel zurief: „Dein Königreich wird dir ger 
„nommen werden, man wird did vor den Leuten verſtoßen, 
„du wirft in der Verbannung und Erniedrigung leben, bar 
„mit du erkenneſt, daß ber Hoͤchſte Gewalt hat über der 
„Menfben Koͤnigreiche, und giebt fie, went er will.” 

Am Tage unfers Einmarſches im Moskau zogen fih die 
Ruffen auf der Heerſtraße von Wladimir zurücd, dann -aber 
kehrte der größte Theil ihrer Arniee um, und folgte dem 
Laufe der Mostwa, um nah Kolomna zu rüden, wo er 
längs dem Flüffe eine Stellung faſſte. Man erzählt 'hiers 


über, daß diefe Armee und hinter ihr eine. ganze flüchtige 


Bevoͤlkerung, zwey Tage nah unfrer Ankunft, unter den 
Mauern von Moskau, waͤhrend die Stadt no in Flammen 
find, voruͤberzogz ver Glanz des Brandeffleuctete ihr; ja, 
ba der Wind mit Heftigkeit blies, trieb er- Trümmer des in 
Aſcho verwandelten Vaterlandes bis in ihre Reihen, und ver: 
fündete. den Einwohnern, daß jie eine Wohnftätte mehr 
haͤtten. Ungeachtet fo-ungeheurer Ungluͤcksfaͤlle unterhielten 
dieſe Truppen sie größte Ordnung, und beobachteten ein ties 
fed Schweigen. Eine‘ ſolche Hingebung beym Anblick eines 
10: ſchmerzlichen Scauſpviels gab dieſem Marſche ein ehrwuͤr⸗ 
diges, wirklich religidfes, Anſehen. 

Waͤhrend dem 'niertägigen Aufenthalt (am 17. 18. 19. 
und 20. Septbr.), den. wir in der Nähe des nur eine Vier: 
telftunde von Moskau entfernten Faiferliben Schloffes Pe: 
terstkoe machten, ſgauerte der Brand der Stadt unaufhoͤrlich 
fort. — Unterdeſſen fiel der Regen in Strömen; ba fi 
nun nur wenige Haͤuſer in der Nachbarfhaft des Schloffes, 


—— 


nad Eugen Labaume. | 9 


im Verhaͤltniß der großen hier gelagerten Menge, befanden, 
war es äußerfi ſchwierig, ein Obdach zu finden. Menſchen, 
Perde und Wagen mufften daher mitten auf dem Felde bir . 
penacquiren. Die Stabs Offiziere, die fib um die Schlöffer 
ker aufhielten, die ihre Generale inne hatten, befesten bie 
englifhen Gaͤrten, und nahmen ihre Wohnung in den Grot: 
ten, ben Sommerbäuschen, den Kiosks oder in den Garten: 
lauben, während die an den Afazien oder Linden angebunde: 
nen Pferde durd Laubgaͤnge oder Rabatten abgefondert mas 
ren. Diefes wirklich mahleriſche Lager ward es noch mehr 
dur das neue Koftüm, das fi die Soldaten benlegten. 
Die Meiften, um fi vor der übeln Witterung zu bewahren, 
hatten die nämlihen Kleidungen über fich gezogen, die man 
neh fürzlib in Moskau fah, und die in dem Bafar diefer 
Stadt die anziehendfte Mannichfaltigkeit hervorbradten, 
So fab man in unferm Lager einige Soldaten in tartariſcher 
Kleidung, andere in Pofafifher, wieder andere in chinefis 
fiber herumwaudeln; diefer trug die polniſche Muͤtze, jener 
die bobe rerfifhe, andre die der Baskiren, der Kalmuken 
u. ſ. w. — Mit einem Worte, unfre Armee ſtellte das fer 
bendige Bild des Karnevals dar, ein Umſtand, der nad: 
ker zu gen veranlaffte, daß unfer Ruͤckzug mit einer Mas⸗ 
Perade angefangen, aber mit einem-Leichenbegängniß geendi⸗ 
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Der Ueberfluß, deffen die Armee genoß, ließ jeßt die 
Strapazen vergeffen. Man tröftete fib, den Regen auf dem 
Rüden, und die Füße im Koth zu haben, durch die gute 
Keft un durch den Gewinn, den Jeder aus dem Schachern 
mit den aus Moskau gebraten Gegenftänden 309. Denn 
wiewol es verboten war, in die Stadt hineinzugehen, vers 
legten die Soldaten, durch den Gewinn angelodt, den Be: 
febL, und kamen beftändig mit Lebensmitteln und Waaren bes 
laden zurüd, Unter dem Vorwand, aufs Marodiren aus: 
zugehen, begaben jie ſich in die Gegend des Kremlind, wo 


- 


10 Der ruffifhe Feldzug 


fie die Brandſtaͤtten durchſuchten, und häufig unverlegte Mas; 
gazine mit Waaren aller Art der Fülle vorfanden. Unfer 
Lager glich daher nicht mehr dem einer Armee, fondern einer 
großen Meffe, wo jeder Soldat, in einen Kaufmann verwans. 
beit, um einen Spottpreis bie koſtbarſten Sachen verkaufte ;, 
auch, wiewol in freyem Felde gelagert und allem Ungeſtuͤmm 
der Witterung blosgeftellt, aßen fie, zum fonderbaren. Abſtich, 
von Porzellan-Tellern, tranten aus jilbernen Gefäßen, und 
befaßen Alles, was der Luxus Koſtbarſtes und Gefhmadvolls 
fles zur Bequemlichkeit des Lebens erdacht hat. 

Da der Aufenthalt, von Peterstoe und feiner Gärten. 
eben ſo ungefund als unbequem war, kehrte Napoleon. in 
ben ‚nicht abgebrannten Kremlin zurück, worauf. auch bie 
Garde und gefammter Generalftab-Befehl erhielt, wieder in 
bie Stadt zu kommen (20. und 21. Septbr.). Nah der 
Yufnahme, die die Geygraph : Ingenieure anfertigten, war 
ein Zehntheil der Käufer übrig geblieben, die Quartierweis 
unter die verfehiednen Korps ber großen Armee vertheilt wurs 
den. Wir erhielten daffelbe, das wir Anfangs inne hatten, 
nämlich die Petersburger MWorfiade! - _ | 

Diefesmal waren wir nicht in Werlegenheit über bie 
Wahl unfrer Wohnungen. Go wie wir den Fuß wieder im 
die Stadt fegten, fühlten wir eine Herzbeklemmung, feine 
Spur der Prunfgebäube wieder zu finden, die wir Anfangs 
befegt hatten. Alle waren den Boden gleih. Ihren noch 
rauchenden Trümmern entfiiegen, den Horizont wie Wolfen: 
Überziebende, Dünfte, die die Sonne verbunfelten, und ung 
Ihre Scheibe roth und blutfarb zeigten. Man konnte die 
Richtung der Strafen nicht mehr, erkennen, nur die feiner: 
nen Paläfte behielten noh Spuren ihres vorigen Weſens. 
Zwiſchen Kohlen: und Aſchenhaufen hervor gliben bdiefe 
durch den Brand gefhbmwärzten Ueberbleibfeln einer modernen 
Stadt, Ruinen aus dem Altertum. 

Jeder ſuchte eine Wohnung, aber felten fand man einige 








nah Eugen Labaume, 12 








beyeisanderftebende Häufer, fo daß, um ein Paar Komvas 
guien unterzubringen, man eine weite Strede befegen muffs. 
te, die nur bie und da ein Gebäude darbot. Da die Kirchen, 
ald weniger verbrennlih noch einiges Dachwerk behalten hat: 
ten, wurden jie im Kafernen und Ställe verwandelt, Alſo 
traten das Gewieher der Pferde und die ſchrecklichen Fluͤche 
der Soldaten an die Ötefle der gottgeweihten Gefänge, bie 
Pürziih nech diefe Hallen erfüllten, 

Begierig zu fehen, in welchem Zufland fs das Haus 
befäude, im dem ich gewohnt hatte, hätte ich. es vergeblich ges. 
ſucht, wenn nicht eine benachbarte, noch vorhandene, Kirche 
mich geleitet hätte. Sowie es zugerichtet war, Ponte id 
es kaum erkennen, ganz verbrannt blieben nur noch die vier, 
überall durch die Heftigfeit des Feuers zerfpaltenen, Mauern. 
Ich betrachtete mit Entjegen diefe Verwuͤſtung, da famen die 
unglädlichen Bedienten aus der Tiefe eines Keller hervor; 
abgemergelt, durch Ruß entfiellt, ſchienen es Geſpenſter. 
Ungleich ſchmerzlicher aber war mein Gefühl, da ib meinen 
geweienen Hauswirth uuter diefen Aermſten erkannte, in 
Lumpen gehullt, die ihm feine Bedienten geliehen hatten; 
er lebte jest wie fie, das Unglück hatte die Stände ausge: 
glihen! Ben meinem Anblick Eormte er fib der Thräs 
nen nicht enthalten, .befonders da er mir feine halbnaften, 
vor Hunger fierbenden, Kinder vorzeigte. ein ſtummer 
Schmerz prägte ſich tief in meine Seele. Durch Zeichen gab 
mir ber Unglüdliche zu verfiehen, daß, nachdem bie Soldas 
ten fein brennendes Haus ausgenländert, fie ihm aud die 
Kleider vom Leibe gerijfen hatten. Ich war innig von feis 
nem Stidfal ergriffen, fuchte feine Leiden zu mildern, aber 
befürdtere, ihm nur leeren Troft anbieten zu Pönnen; aber 
derfelbe Mann , der mid einige Tage vorher mit einem gläns 
zenden Mahle bewirthet hatte, nahm jegt mit Dankbarkeit 
ein Stüd Brot von mir an, 

Wiewol die Bevoͤlkerung von Moskau eigentlih ganz 


*8 


12 | Der rufjifhe Feldzug ' 


verſchwunden war, fo blieb doch noch eine Menge jener Un-- 
glücklichen, die das Elend alle Begebenheiten mir Gleichguͤl— 
- tigkeit anfehen läfft. Diefe durchliefen die Kragen mit den 
Soldaten, machten ihre Bedienten, und fanden fi glücklich, 
die Effekten, die diefe verfhmähten, zum Lohne zu erhalten. 
Auch viele oͤffentliche Dirnen waren geblieben, die "einzige 
Klaffe, die einigen Vortheil von ber Zerfidrung Moskau's 
309. * Denn da Seder‘begierig war, fib mit einem Weibe zu 
verſehen, fo wurden diefe Geſchoͤpfe mit Vergnügen aufge: 
nommen; nit fobald waren fie aber in unfre Häufer einge: 
zogen, fo fpielten fie den Meifter, und pußten Alles weg, 
was die Flammen übrig gelaffen hatten- Leider waren aber. 
auch folde vorhanden, die durch ihre Erziehung und mehr noch 
durch ihr Ungluͤck wirklichen Anſpruch auf Achtung gehabt haͤt⸗ 
ten, die die eignen Mütter, von Hunger und Elend getrie— 
ben, ung felbft darbrachten. Aber dergleihen Schaͤndlichkei⸗ 
ten brandmarfen eigentlich nur diejenigen, bie barbarifch ges 
nug waren, um von einer folchen Lage Gebrauch zu machen, 
um ihre viehiſchen Lüfte zu befriedigen, und die die Molluft 
auf einem von Hunger entfärbten Munde pfluͤcken konnten. 
Unter diefen Schlachtopfern war feines bedauernswürs 
diger, als die junge Paulowna, deren Geſchichte wir 
oben erzählten, und die, durch anfheinenden Edelmuth hin— 
tergangen; ſich hatte verleiten laſſen, dem, der fie. aufgenome 
men hatte, ihr ganzes Zutrauen zu ſchenken. Durch emfige 
Dienfibefliffenheit und erheucheltes Mitleid gelang es dieſem 
Manne, die Unerfahrenheit feiner Gefangenen zu bethös 
ren. Er-benußte die Unmöglichkeit, die Eltern Paulo w⸗ 
na’s zu erforſchen, um fi ihr als den Befbäger und Freund 
barzuftellen, deffen fie benöthigt ſey, um ihre Ehre zu retten. 
Die Unglüdlihe, nachdem fie mehrere Tage in Trauer und 
Thränen zugebracht hatte, baute auf diefe -Betheurungen, 
und glaubte der reinen Abſicht ihres neuen Liebhabers. Aber 
ah! fie war fHredflich betrogen, denn der General war ver: 


— 


nad Eugen Labaume. 13 





beirathet, und fie nur noch die entehrte Sclavinn deffen, 
deffen Gattinn fie fich wähnte. 

Noch befand jih in Moskau eine Klaffe Menſchen, bie 
veräßtlihfte son allen, ba fie ihre Verbrechen durch neue 
noch arößere erfaufte, ed waren die Galeercen : Sclaven, 
Mährend der ganzen Zeit, daß der Brand währte, zeichnes 
tem fie ſich durch die Kühnheit aus, mit der fie die Befehle 
vollzogen, die jie empfangen hatten Mit phosphorifcen 
Feuerzeugen verfehen, zuͤndeten fie das Feuer überall, wo es 
zu verlöfhen ftien, aufd Neue an, und fiahlen fih in die 
Häufer, die noch bewohnt waren, um fie anzufteden. Meh— 
sere dieſer Bermorfnen wurden mit der Fakel in der Hand ers 
griffen. Aber ihre übereilte Hinrichtung brachte wenig Wire 
tung bersor (24. Septbr.). — Das Volk, das jederzeit 
feine Sieger verabfiheut, betrachtete diefe Hinrichtungen als 
eine Berechnung unfrer Politik; diefe Schlabtopfer waren 
in det That zur Büßung eines ſolchen Frevels zu unbedeus 
tend, und da es befonders ihrem Prozeß an Feierlichkeit fehlte, 
warf er kein Liht auf die ungeheure Begebenheit, und war 
unzureibend, uns auf eine glänzende Weife in den Augen 

der Welt zu rechtfertigen. *) 

Viele in den benachbarten Waldungen verſteckte Mos: 
Fauer, da fie den Brand aufhören fahen, dadten nichts mehr 
zu befürdten zu haben, und kehrten in die Stadt zurüd. Ei: 
nige ſuchten vergeblih ihre Häufer, Andre wollten jih in die 
Kirchen flähten, und fanden fie. entweiht. Einen che 


*) Es liegt im diefer ganzen Stelle des Berfaffers eine Art Wis 
deripruc mit feinen frühern Heußerungen, denn man kann 
doch nicht zugleih eine Sache groß und edel, nud die Werk: 
zeuge fo unbedingt ſtrafbar finden; — und wieder etwas 
Mätbieldaftes, deionders in der letzten Bemerkung. Möchte 
fie ſich Bebl darauf beziehen, daß viele Einwohner Moskau's 
zum Theil in der Meinung fchwebten, der Brand. ey nicht ein 

Merk der Ruſſen jelbft, fondern der Franzoſen geweſen? 


14 Der ruffifhe Feldzug » 








Anblick boten die Spaziergänge; bey jedem Schritt flieg man 
auf Leihname, an mehrern halbverbrannten Bäumen waren 
‚die Körper gerichteter Mordbrenner aufgehangen. Mitten 
unter diefen Schreckniſſen erblickte man die ungluͤcklichen aller 
Zuflucht beraubten Einwohner, die das Eifenbleh, womit 
' die Dächer bedeckt gewefen waren, auflafen und fih in ent: 
fernten Stadtvierteln oder in verwäfleten Gärten Hütten 
Aufritgteten. Da fie nichts zu effen hatten, durchgruben fie die 
Erde nad den Wurzeln des Gemüfes, das die Soldaten abs 
gefhnitten hatten, oder fie durchwuͤhlten die abgekühlten 
Brandftätten, um die nicht ganz vom Feuer verzehrten Mad: 
rungmittel herauszufinden. Blaß, abgemergelt, und faft 
naft verrieth ihr matter Gang ihre gränzenlofen Leiden. Eis 
nige, die fib erinnerten, daß mit Getreide geladene Schiffe 
verſenkt worden waren, taucten unter, um bad in Gährung 
getretene Getreide, daß den efelften Geruch verbreitete, zu 
ihrer Nahrung aus dem Fluß zu fiſchen. 

Waͤhrend die Haupttheile der ruffifchen Armee verſchied⸗ 
ve Stellungen beſetzten, benutzten bie Herrſchaften der Mos⸗ 
kau umgraͤnzenden Provinzen die Erbitterung, in welche der 
Krieg die Bevoͤlkerung verſetzt hatte, um ſie aufzuregen und 
zu bewaffnen. Viele machten auf ihre Koſten Aufgebote, 
und ſtellten ſich an die Spitze ihrer Bauern-Aufſtaͤnde. Dieſe 
mit den Koſaken vereinigten Streitkräfte fingen auf den Heer: 
firaßen die ung beftimmte Zufuhr auf, Ihr Hauptzweck aber 
wär, unfre auf's Futterholen ausgefhickten Abtheilungen zu 
necken, und befonders ihnen alle Hülfmirtel, die noch in den 
umliegenden Dörfern zu holen waren, wegzunchmen. 

Nachforſchungen unter den Ruinen Moskau's lieffen oft 
Zuder:, Mein: und Branntwein:Vorräthe auffinden. Aber 
diefe Entdeckungen, die in beffern Zeiten koſtbar gewefen wäs 
ten, fruchteten wenig bey einer Armee, die alles Gemuͤſe 
vom Feld aufgezehrt hatte, und im Begriff fund, fein Brot 
und Pein Sleifh mehr zu haben. Der Mangel an Futter 


* I’ 
j 


nah Eugen Labaume, 18 








— — 


mathte unfer Vieh abfallen, und um ſich andres zu verſchaf⸗ 
ſen, muſſte man fuͤr jetzt immer nachtheilige Gefechte liefern; 
denn bey einer fo großen Entfernung vom Vaterland war und 
der geringfie Merluft immier fehr empfindlich. 

Unfer wirkliches Elend verbarg ſich hinter einem ſchein⸗ 
baten Ueberfluß; wir hatten weder Brot noch Zleifh, dafür 
ſtrotzten unfre Tiſche von Eingemahtem und Zucermwerf. In 
Porzellan: uder Kriftall: Gefäßen aufgetragener Kaffee, Thee 
und Wein aller Art bewiefen, wie nahe bey uns der Luxus 
an die Armuth gränzte. Die Größe unfrer Beduͤrfniſſe 
brachte den Werth des Geldes faft anf Nichte herab; dies 
veranlafjte Entftehung eines Tauſchhandels; wer Tuch hatte, 
bot es fir Wein, für Pelzwerk konnte man viel Zucker und 
Kaffee eintaufben. 

Napoleon hegte immer noch die läherlide Hoffnung, 
dur fade Proflamationen diejenigen zuräczubringen, die, 
um fih feinem Joch zu entziehen, ihr Vaterland in eine uns 
ermefflihe Brandftitte verwandelt hatten. Sie zu verfuͤh⸗ 
ren und ihnen Zutranen einzuflößen, hatte er den Weberreft 
der Stadt in Quartiere eingetheilt, für jedes einen Kons 
mandanten ernannt, und Magiftrate eingefegt, um den wer 
nig übrigen Einwohnern Net zu fpreben. Der zum Gene 
ral-Gonverneur von Moskau ernannte General-Konſul Left 
fep3 erließ eine Proklamation, die den Eimvohnern bie 
säterliden Abſichten Napoleons verkündete, aber 
diefe großmüthigen und wohlthärigen Werfpre: 
&ungen gelangten nicht einmal an die Mostauer; ja, wären 
fie ihnen auch zugefommen, fo hätten fie bey ſolchen Umftän: 
ben nur al® der biutigfte Spott betrachtet werden koͤnnen. 
Mebrigens hatte ſich der größte Theil hinter die Wolga ge— 
fluͤchtet; die Andern waren mit der Armee, wo fie, von ges 
rechtem Hafie befeelt, nur Rabe athmeten. _ 

Fuͤrſt Kutuſow, der unterdeffen den größten Theil 
feiner Streitträfte nach Lectaskowo zwiſchen Moskau und 


16 Der ruffifhe Feldzug 
- — ———— 


Kaluga gebracht hatte, um die mittaͤglichen Provinzen zu 
decken, hielt Napoleon in moͤglichſter Enge, fo fehr, 
daß dieſer, ungeachtet feiner verſchiednen Manduvres, ſich 
nicht aus ſeiner peinlichen Lage herauszuwinden vermochte, 
und ſich immer genoͤthigt fand, ſich auf ſich ſelbſt zurädzuzies 
hen. Es war ihm unmoͤglich, gegen Petersburg aufzubrer 
gen, obne die ruſſiſche Armee in feinem Rüden nachzuziehen, 
* und unfre Sicherheit zu führden, da alle Berbindung mit 
Polen Hätte aufgegeben werden müffen. Wieder Ponnte er 
niht auf Jaroslaw und Wladimir vorrüden, ohne ſich durch 
ein folches weiteres, Vordringen in's innere Rußland noch 
mehr zu ſchwaͤchen, und von feinen Hälfquellen zu entfernen. 
Folglich war nichts Kritiſcheres, als die Lage der franzoͤſiſchen 
Armee, die, auf den Straßen von Twer, Wladimir, Raͤzan 
und Kaluga gelagert, ſich beſtaͤndig gezwungen ſah, in Mog- 
fau zu bleiben, einem mephitifben Aufenthalt, der nichts 
mehr als Ruinen enthielt, und deffen Umgegend ganz oͤde 
ſtund, mit Ausnahme der Bauern und der Koſaken, die das 
Land durchſtrichen, unfre Zufuhr anffingen, unfre Kouriere 
wegnahmen, und die Futtergänger zuſammenhieben, mit eiz 
nem Wort, ung unerſetzlichen Schaden zzfuͤgten. Von nun 
ward unfre Lage unabläffig mißlicher, täglich der Mangel und 
das Mißvergnuͤgen der Soldaten größer, und, um dag Webel 
vollftändig zu machen, der Frieden bey allen Einſichtvollen 
außer aller Wahrſcheinlichkeit. 

Es waͤre merkwuͤrdig, alle die — Projet 
te aufzuzaͤhlen, die bey dieſen Umſtaͤnden in die Armee— Be⸗ 
fehle geſetzt wurden; die einen ſprachen davon nach der Utrai— 
"ne, die andern gegen Petersburg zu ruͤcken, während alle 
geſcheidten Leute nicht aufhörten, zu wiederholen, daß man 
(bon lange nah Wilna hätte zurückehren follen. . Map os 
leon hingegen, durch Schwierigkeiten immer nod eigenfins 
niger gemacht, und für Alleg außerordentlich leidenſchaftlich 
eingenommen, verbarrte dabey, fih in einer Einoͤde halten, 

zu 





1 


nad Eugen Labaume. 17 








zu wollen, und glaubte, indem er fih anftellte,.als ob er 
bier zu überwintern gedaͤchte, den Feind zu ſchrecken. Die: 
fer laͤherlichen Kriegslift zufolge fhuf er den Plan, den 
Kremlin zu bewaffnen, und aus dem großen, in dem Pe: 
teröburger Stadtviertel gelegenen, Zuchthaus, Dftrog ge: 
nannt, das wir das vieredige Haus biegen, eine Citabelle 
zu bilden. Endlich, zum legten Zug, gab er, jeßt, wo Alles 
erf&öpft umd nichts mehr zu leben da war, den Befehl, 
und mit Vorrath auf zwey Monate zu verfehen. Mährend 
jedoch man fih über allen diefen Sirngefpinnften den Kopf zer: 
brach, befonders aber, wie man Moskau ohne irgend eine 
Huülfquelle verproviantiren wolle, füllten Friedens-Geruͤchte, 
bie (dom deswegen leiht Glauben fanden, weil jie unfern 
lebhafteften Wuͤnſchen entſprachen, unfre Herzen mit Wonne, 
und lieffen uns hoffen, daß alle diefe unausführbaren Pro: 
jefte von ſelbſt fallen würden. Jene Nachridt ſchien durd 
das gute Vernehmen, das zwifben den Kofafen und ben 
Borpoften des Königs von Neapel herrfhte, atı Befland zu 
gewinnen. Ihre Unthätigfeit und gegenfeitiges ruͤckſichtvol— 
les Verfahren gab der Muchmaßung Raum, daß Hoffnung 
zur Ausfdbnung beyder Kaifer vorhanden fey. — Zu dem 
kam noch, daß man wuflte, daß General Laurifton in’ 
Sauptquartier des Zürften Kutuſow gefickt worden, und 
daß in Zolge feiner Unterredung mit diefem Obergeneral ein 
Kourier nad Petersburg geſchickt worden war, um über 
Krieg ober Frieden zu entf&eiden. — 
Indeſſen hielt Napoleon ohne Unterlaß mit feiner 
angebornen Thätigkeit‘ Mufterung über feine Truppen, und 


zwang durh ſcharfe Prüfung die Oberften, ihre Regimenter ” 


in der firengften Haltung zu handhaben. Das Wetter blieb 

zu unferm großen Erflaunen fortdauernd prächtig, und trug 

viel bazu bey, diefe Mufterungen zu einem eindrudsvollen 

Schaufpiel zu erheben. Eine fo feltne Witterung in der bes 

reits vorgerüdten Jahreszeit war für die Mosfauer, die ges 
Europ. Annalen. zted Stüd. 1815. 2 


18 Der ruſſiſche Feldzug 





wohnt ſind, vom Monat October an Schnee zu ſehen, eine 
Art Naturwunder, das ſie mit Erſtaunen betrachteten. Das 
zum Aberglauben geneigte Volk, das laͤngſt den Winter als 
ſeinen Raͤcher erwartete, fing an, an der Huͤlfe der Vorſe— 
hung, zu verzweifeln, und ein ſolches Wunder als eine Wir—⸗ 
tung des offenbaren Schußes, den Gott Napoleon ver- 
leihe, zu betrachten. Diefer anfheinende Schuß war aber 
gerade die Urſache feines Verderbens, und. fleigerte feine 
Verblendung dahin, daß er ſich zulegt einbildere, das. Klima 
von Moskau gleihe dem von Paris; im feiner thoͤrichten Ei⸗ 
telfeit wähnte er den Jahreszeiten eben fo zu gebieten, wie 
den Menſchen, und durch einen Mißbraud feines Gluͤcksſterns 
‚glaubte er, die Sonne von Aufterlig würde ihm bie 
an den Pol leuten, oder dieſes Geftirn würde auf feine 
Stimme, als eines neuen Yofua, ftille ftehen, um feinen ir⸗ 
ren Lauf zu. befhügen. 

Während man von Unterhandlungen ſprach, ward je— 
doch Alles zum Wiederbeginnen des Kriegs vorbereitet, hin— 
gegen nichts gethan, um fi gegen bie Härte des Winters zu 
ſchuͤtzen. Und doch war die Zukunft fürdterlih, fo wie je= 
der Tag, den wir länger in Moskau vermweilten, unfre Lage 
verfhlimmerte. Nah Maßgabe, als wir die zunächft gele= 
genen Dörfer erſchoͤpften, mufften wir immer entferntere 
Drte auffuhen. Dies machte unfre Unternehmungen dahin 
eben fo.gefährlih als ermädend; die Futtergänger, wiewol 
fie mit der Morgenröthe aufbraden, Fehrten felten vor Nacht 
zuruͤck. Dergleichen täglich wiederholte Ausflüge ermuͤdeten 
die Mannfhaft:, und waren der Reiterei, vorzüglich: aber 
ben Artillerie-Geſpaͤnnen, durchaus. verderblid. Ye banger 
unſre Lage war, und’ je furdtfamer uns unfre Erſchoͤpfung 
machte, je kühner wurden die Kofafen. 

Sie gaben eine Probe davon, indem fie-in der Mad: 
barfhaft von Moskau einen, unter Anführungvon zwey Mas 
jors von Wiaſma fommenden, Artilleriezug anhielten. Na⸗ 


mad Eugen Labaume. 19 


— — 


poleen betrachtete dieſe beyden Offtziere als ſchulbig, und 
befahl einer Kommiffion, ihr Betragen zu unterſuchen. Der 
Eine, vermuthlich mehr wegen des Schimpfes, feine Stüde 
serleren zu haben, als weil er ſich für firafbar erachtete, 
ſchoß fh eime Kugel vor den Kopf. Dergleiben Verluſt 
vorzubeugen, erhielt die Divifion -Brouffier and bie 
leichte Reiterei unter Graf Ornano Befehl, fib in bie 
Nachbarſchaft des Schloſſes Gallizin, zwiſchen Moſchaisk 
und Moskau, hinzubegeben. Dieſe Truppen befreyten bie 
umliegende Gegend von der Gegenwart ber Kofaten, die 
immer dag Zufammentreffen mit jenen vermieden. Aber die 
geringfie Züden, die unfre Truppen lieffen, wurden, auf der 
Stele von diefen Tartarenhorden befeßt, die jeden Vortheil 
der Örtliben Lage benugten, um die a ara Streiche 
aus zufuͤhren. 

Sie erneuerten ihre Unternehmungen durch den Angriff 
eines andern, unter Befehl des Major Vivés aus Ira: | 
lien getommenen, Artilleriezuge, Man erzählt hievon, daß 
die Bededung die Flucht ergriff, und die ganze, ihrem Schuß 
anvertraute, Artillerie den Koſaken überließ. Graf Drna: 
no, von diefem Angriff benachrichtigt, fey dem Feind nachge— 
fest, und habe ihn mitten in den Waldungen erreicht. Beym 
Anblick unfrer Reiterei hätten die Kofafen die Flucht ergrif⸗ 
fen, und die ganze Frucht ihres Siegs ohne Widerſtand zu⸗ 
ruͤckgelaſſen. Major Bives follte ebenfalls vor ein Kriege: 
gericht gezogen werben, aber unfer Abmarf& und die nachhe— 
rigen weit größern Unglüdsfälle zwangen Nap oleo n, von 
feiner gewöhnlichen Strenge nabzulaffen. 

Zur Zeit, als die 14te Divifion die Straße von Wias— 
ma fiherte, befand ſich die Igte Divifion auf derjenigen von 
Twer. Sie hatte gute Kantonnirungen inne, als Nachricht 
einging, Graf Saltikow, Günftling des Kaiferd Ale: 
sander und Herr des Dorfes Marfino, nahe bey Dimi⸗ 
trow, babe alle feine Bauern bewaffnet, und halte in eben 








20 Der ruffifde Feldzug 
nn — — — — 
dieſem ſeinem Schloß mit mehrern andern Herren Zuſammen⸗ 
kuͤnfte, um den Plan eines groͤßern Aufſtands auszubilden. 
Ein ſo gefaͤhrliches Beyſpiel in der Geburt zu erſticken, und 
der Ausfuͤhrung zuvorzukommen, erhielt eine Brigade der 
13ten Diviſion ben Auftrag, ſich nach dem Schloß Marfino 
zu verfügen. Der fie befehlende General machte genaue 
Nachſuchungen, um ſich zu überzeugen, ob Zufammenrottuns 
gen hier ftattgehabt hätten, aber durchaus ohne Erfolg. 
Nichtsdeſtoweniger befand fih diefer General, laut den innes 
babenden Befehlen, gezwungen, diefen mit Recht ale einen 
der ſchoͤnſten in Rugland berühmten Palaft den Flammen 

preiszugeben. Das Vorgeben biefer unerwiesnen Zufams 
menrottungen veranlaffte ben Verdruß gegen Napoleon, 
er habe bey diefer Unternehmung feinen andern‘ Zwei ge: 
habt, als fih ‘an dem Grafen Saltifow, beffen verfänlis 
her Feind er nur wegen ie Treue gegen feinen Souverain 
war, zu räden. | 


Die verfhiebnen Ausflüge, die unſre Armeekorps nach⸗ 
einander machten, beſtaͤtigten die Unmoͤglichkeit, in der wir 
uns befanden, uns laͤnger in unſrer Stellung zu erhalten. 
Alles deutete auf unſern bevorſtehenden Abzug, ein Ver— 
dacht, der ſich in Gewißheit verwandelte, als man die Rei— 
terei der italieniſchen Garde ihre guten Kantonnirungen in 
der Nachbarſchaft von Dimitrow verlaſſen ſah, um nach Mos⸗ 
kau zuruͤckzukehren, und von da aus (den 15. October) die 
Stellung von Charopowo, einem kleinen, ſechs Stunden von 
Moskau auf der Straße von. Borowsk gelegenen, Dorfe zu 
beſetzen. Zu gleicher Zeit ließ der Vicekoͤnig die 13te Divi⸗ 
ſion zuruͤckkehren, und die 14te nebſt der Reiterei des Gene: 
rals Drnamo gegen Fominskoe, wohin das ganze vierte 
Korps feine Richtung nehmen zu follen ſchien, vorrüden. 
Die Kofaten, von bdiefer Bewegung benachrichtigt, erfahen 
den Augenblick, wo die Packwagen unſrer leichten Reiterei 


nad Eugen Labaume. 21 





nur eine ſchwache Bedeckung hatten, um ben Zug in der Ges 
gend von Oſighowo anzufallen; wie fie.aber die Ankunft der 
Divifion Brouffier gewahr wurden, lieſſen fie einen 
Theil ihrer Beute im Stib, und entzogen ſich, ünter Bes 
günftigung der Wälder, der Nachſetzung unfrer Soldaten, 


Man erwartete mit Tebhaftefter Bangigfeit bie Rüds 
Punft des nah Petersburg abgefertigten Kourierd. In ber 
Ueberzeugung einer günftigen Antwort bewadte fih unfre 
Armee ſchlecht, und überließ fih der vollfommenften Sicher: 
beit. Der Feind benugte dieſen Fehler, um (den 18. Oct.) 
die Reiterei des Königs von Neapel bey Tarutina anzugrei: 
fen, und einen Park von 26 Stüden aufzuheben, den er 
fertführte. Diefer im Augenblick, wo unfre Reiterei im Be: 
griff Hund, aufs Futterholen auszugehen, auf fie gemachte 
Angriff war diefer Waffe in ihrem ohnedies ſchon fehr zerrüt- 
teten Zuftand hoͤchſt verderblih. Aber es ift falſch, daß un: 
fre Armee die Flucht ergriffen habe. Der König von Nea: 
pel, der im Augenblick des Ueberfalls ſich zu Fuß befand, 
ſas auf, und begab fih mit feinem Stabe mitten in’s Ges 
febt, das er mit Unerſchrockenheit leitete, während unfre 
Reiterei fih bildere. Die Kofaten, zu fliehen gezwungen, 
überlaffen die 26 Kanonen; bie ruffifhe Infanterie rüdt 
alfobald vor, um fie zu unterflügen, und nun wird das Ge: 
feht allgemein. Beyderſeits wird mit Wuth gefochten. Die 
Karabiniers und einige Polnifhe Regimenter, die weniger 
als die übrige- Reiterei abgemattet waren, trugen bey, bie 
Ehre unfrer Waffen zu raͤchen, und erwarben fih an diefem 
Tage einen ihrem Ruf entfprehenden Ruhm. General Bas 
gamout, Befehlshaber des zweyten ruſſiſchen Korps, wurde 
im Xreffen getödtet; ‚General Beningfen erhielt eine 
Schußwunde. Unfrer Seits hatten wir über zweytaufend 
Mann zu bedauern. Beſonders fhmerzhaft war der Verluſt 
des Generals Lery, Adiutanten des Könige von Neapel, 


h 


22 Der’ ruffifibe Feldzug 


der bey allen Gelegenheiten Beweife eines großen Muths 
and tiefer Einſicht gegeben hatte. *) 

Der Raifer. war eben im Kremlin mit Truppen: Muftes. 
rung befhäftigt, als er diefe unerwartete Nachricht befam. 
Er gerieth in Wuth,. und fhrie in feinem Zornausbrub, es 
fey eine Verrätherey, eine Infamie; man habe den König 
von Neapel zum Troß aller Kriegs-Geſetze angegriffen; nur 
Barbaren könnten fo alle Verträge verlegen. **) Sogleich 
ward die Parade aufgehoben, alle Friedens: Hoffnung entzo: 
gen, und denfelben Abend noc der Befehl zum Abmarſch ges 
geben. Alle Korps follten Moskau verlaffen, und fi auf 
die Heerfirage von Kaluga begeben. — Man hoffte, daß 
man nad der Ukraine gehen würde, um unter einem mildern 
Himmel weniger verheerte und weit frudtbarere Gegenden 
zu fuhen. . Aber folhe, die beffer unterrichtet fhienen, ver: 
fiherten, daß unfre Bewegung gegen Kaluga nur ein ſolches 





*) Auch bey diefem Treffen, fo wie bey allen Erzählungen von 
Marfentbaten verliert der Verfaſſer die Unparteplichkeit, die 
ihn bey feinen politiſchen und philantropiihen Benrerfungen 
fonft fo ruͤhmlich audzeichnet. Es iſt doch wohl felbft aus dem 
Stuͤckwerk, das er über dieſes Treifen liefert, nicht zu vers 
fennen, daß bier die Kavallerie des Könige von.Neapel nach 
dem trivialen franzoͤſiſchen Kriegs: Ausdrud eine Frottee be: 
fam, übrigens unbeſchadet ihrer Tapferkeit. A. d. eb, 


**) Die Wahrheit ift, daß nie ein Waffenſtillſtand zwiſchen beys 
den Armeen beftund, nur hatten Miloradomwitih’$ Vor⸗— 
poften denen des Könias von Neapel ihre Wünfche und die 
Hoffnungen, daß der Friede abgeſchloſſen werden würde, mits 
getheilt. Ale diefe Voripiegelungen machten ung irre, und . 
veranlaflten unfre Generale. zu glauben, daf man die Ruͤck⸗ 
kunft des nah Petersburg abgefertigten Kouriers erwarte. 
Dieſer Kourier follte den. 20. Det. eintreffen. Die Ruſſen 
uͤberfielen ung den 18., daher der Anlaß zu dem Vorgeben, 
als hätten fie und drep. Tage vor Verfluß des Waffenſtillſtands 
angegriffen. Anm. d. Verf. 


nah Eugen Labaume. 23 





Mandeuvrre fey, um dem Zeind unfer Rüdzugs: Vorhaben 
auf Smolenst und Witepsk zu verbergen. , 

Wer den Ausmarfh ber franzöfifhen Armee aus Moss 

kau nit gefehen hat, kann fih nur einen fehr ſchwachen Be: 
griff von dem Zuſtand der griechifhen und römifhen Heere 
im Augenblick, da fie die Ruinen von Troja und Karthago 
verliefen, machen. Das Unfrige gab die treue Wiederho: 
lung eben der Auftritte, die Virgil und Titus Living 
fo eindrucksvoll fhildern. Drey⸗ bie vierfabe Wagen:Rei: 
ben, mit der unermeifliben Beute beladen, die unfre Sol: 
baten den Flammen entriffen haften, erſtreckten fih auf meh- 
rere Meilen weit. - Mostomitifhe Bauern, zu unſern Be: 
bienten ummwanbelt, fiellten und die Öchaven bar, die die Al: 
ten in ihrem Gefolge ſchleppten. Andre, die Weiber, Kin: 
der oder Mädchen mit fih nahmen, erinnerten an die Kries 
ger, benen weiblidhe Gefangene zu Theil geworden waren. 
Mehrere mit Trophäen beladene Proviant: Wagen, worun⸗ 
ter jib die aus den Gewoͤlben des Palaſts der Ezaare entnom: 
menen tuͤrkiſchen und perfifhen Fahnen, befonders aber das 
berühmte Kreuz des heiligen Iwans befanden, fdloffen 
ruͤhmlich den Mari einer Armee, die, ohne die Unvorfich: 
tigkeit ihres Anführers, *) einft ſtolz gewefen wäre, bey⸗ 
nahe bie Gränge Europa's erreicht, und den Völkern Afieus 
ben Denner eben des Erzes, das an Herkules Säulen wies 
derballte, Hören gelaffen zu haben. !!! 

Da man fehr fpät fortgefommen mar, fo hatten wir ein 
fdle&tes, nur eine Stunde von Mosfau entferntes, Dorf 
zur Lagerſtelle. Die Neiterei der italienifhen Garde, bie 
bis jetzt noch immer zu Charopowo geblieben war, brad den 
folgenden Tag (19. Dctbr.) von da auf, unb vereinigte fich 
zu Batutinfa mit ung, ohnfern des Schloffes Troitskoe, wo 
Napoleon fein Hauptquartier hatte. Faſt die ganze Ar: 


2) Gott ſey Danf! 


24 | Der ruffifbe Feldzug 








mee fand fib auf diefem Punkte verfannmelt, mit Ausnahme 
ber Reiterei, die voraus war, und der in Moskau ,. um un: 
fern Marſch zu fließen, zurüdgebliebenen jungen. Garde. 
Auch empfand man viele Schwierigkeiten wegen der Nahe 
rung, doch konnte man noch bivouacquiren, und bie Wagen, 
bie jeder Offizier mit fi führte, lieferten Vorrath. 

Folgenden Tags füllte fib die Reiterei der koͤniglichen 
Garde auf Charopowo richten, und ihr das ganze vierte 
Koros folgen., Aber im Augenblick des Aufbruchs wurde fie 
zurücgerufen, und erhielt vom Prinzen den Befehl, auf der: 
felben Straße, wie geftern, fortzurüden. Die Pafra warb 
bey Gorfi paffirt; diefes (höne Dorf war verfhwunden; ber 
Schutt der verbrannten Häufer hatte die Gewäffer des Fluf: 
fes verfblämmt und ſchwarz gefärbt. Oberhalb befand fich 
das ſchoͤne, jeßt ganz verheerte, Schloß Krasnoe, aber nody 
bildete der edle Bau einen mahlerifhen Abftich mit der rohen 
Natur der Hügel, von denen es emporragt. An diefem 
Punkte machten wir Halt; eine Stunde hernach verlieſſen 
wir bie.große Heerjiraße, um einen Durchweg rechts zu ſu— 
den, der uns nah Fominskoe brachte, woſelbſt fib General 
Brouffier nebft unfrer Reiterei feit vier bis fünf Tagen 
im Angeſicht des Feindes befand. Unſer Marſch auf diefem 
wenig betretenen Weg war fehr mühfam, verſchaffte uns aber 
jedob den Wortheil, einige, wiewol verlaffene, doch wenis 
ger ale die auf der Hauptfiraße zerfißrte Dörfer anzutreffen. 
- Man übernabtete zu Inatomo, wo fib ein Schloß auf ei: 
ner Anhoͤhe befand, die die Gegend, dur bie wir gefommen 
‚waren, beberrfct. 

Wir verfolgten unfern Marſch immer in der Abſicht, in“ 
ben Weg von Charopowo zu-treffen, was und aub endlich 
bey dem Dorf Buifafowo gelang. Dieſe geographifbe Um: 
ſtaͤndlichkeit wird nicht überflüfjig feinen, da fie nothwendig 
ift, die Schwierigkeiten, die wir in unfern Overationen em: 
pfanden, fühlbar zu mahen. Wir hatten nur unzureichende 


nad Eugen Labaume. 25 





Karten, marfcbierten ohne Wegweifer, und fonnten unfern 
Dolmetiberm nicht einmal die Namen der Dörfer ausſprechen, 
bie mir auf jenen Karten verzeihnet fanden. Endlich was 
ren wir fo glüdlib, einen Bauer zu entdeden, wir bemäds 
tigten ung feiner, und behielten ihn zwey Tag über; aber er 
war fo dumm, daß er nichts ale den Namen feines Dorfs 
Pannte. Und doch mar biefer Marſch ſehr wichtig für den 
Kaifer, der mit dem NHauptbeftand der Armee ung folgen 
ſollte. Auch lieg mich ber Prinz jeden Tag die Reifefarte 
zeichnen, umd ſchickte fie an den General:Major. 

Endlich, nabdem wir alle bieje Schwierigfeiten übers 
wunden batten, gelangten wir auf die alte Straße von Ka: 
luga. Eine Stunde nachher erreihten.wir Fominskoe. Die 
Divifton Brouffier lagerte in der Nahbarfhaft dieſes 
Dorfe; die Reiterei, bie ſich vorwärts befand, muffte dem 
Ricetönig folgen, der, ohne fib aufzuhalten, die Höhe auds 
juferfsen ging, die die Koſaken inne hatten. Aber bey ſei— 
nem Anblick zogen fie ſich zurüd, und lieffen fo den Prinzen 
ten Boden durdblaufen, wo wir ung zu fhlagen gedachten. 

Die Stellung von Fominstoe wäre in militärifher Ruͤck— 
fit vortheilhaft für die Ruffen gewefen, wenn fie fie hätten 
sertheitigen wollen. Mitten dur das von einem Hügel be: 
herrſchte Dorf fließt die Mara, die auf diefem Punkte dur 
eine Berengung des Thals einen Beinen See bildet, mit mo: 
raftiger Umgränzung. Die ganze Armee muffte dur diefen 
Pas ziehen, wo fib nur eine einzige, unzulänglich erachtete 
Brüde fand. Mean bebielt fie für die Wagen vor, und er: 
ribtete eine andre, ausdrücklich für die Infanterie beftimmte. 

Diefe Arbeif auszuführen, und einen Theil der Armee 
hinäberzieben zu laffen, erhielten wir einen Raſttag (22. 
Detbr.). In der Zwiſchenzeit marfhierten bie Polen unter 
Anführung des Prinzen Poniatoweki auf Wereja, wo 
fib Heitmann Blato mit feinen Kofaten befand. Folgte 
Napoleon mit feiner gewähnligen Begleitung, augen: 


- 


26 Der ruffifhe Feldzug 


— — — — — nn 
blicklich war das Dorf mit Menſchen, Wagen und Pferden 
vollgepfropft. .. Doch, Dank der getroffenen klugen Maßre— 
regeln, ging Alles ohne Verwirrung vorüber was nicht obs 
ne Staunen gefhah, denn Zerres Haufen *) hatten 
nie mehr Gepäd als wir. 


Noch denfelben Tag meldete Hauptmann Evrard, der 
fh einer Sendung nad Charopomo geſchickt worden war, daß 
er aus der Gegend von Moskau einen entfegliben Knall ge: 
hört habe; wir erfuhren bald die Urfahe, das Losbrennen 
der Mine, die den Kremlin in die Luft forengte. Die Zer: 
ſtoͤrung diefer berühmten Gitadelle und der ſchoͤnen Gebäude, 
bie fie enthielt, wurde durch bie junge Paiferlihe Garde, un: 
ter Anführung des Marſchalls Mortier (Herzog don Tre: 
Bifo), vollzogen. Diefer Marfball erhielt, im Begriff, 
Moskau zu verlaffen, den ausdrüdliben Befehl, Alles zu 
forengen, was die Flamme verſchont hatte. So endete diefe 
berühmte Stadt, von Tartaren **) begründet, von Franzo: 
fen zerftört! Mit allen Gluͤcksgaben Äberhäuft, in der Mitte 
des feften Landes gelegen, erfuhr fie nur allein durch die Leis 
denſchaft des zu berühmten Infulaners Alles, mas der Schid: 
ſals⸗Wechſel Klägligfted erzeugen fann! Es wird bey biefer 
Beranlaffung dem Geſchichtſchreiber nicht entgehen, daß der: 
felbe Mann, der vorfhügte, er opfere und zum Beften der 
Fortſchritte der Kultur, ſich in ſeinen Buͤlletins uͤber den 





*) Ausdruͤcke Napoleons von den oͤſtreichiſchen Armeen in 
feinen Buͤlletins ded Feldzugs von 1899. Anm. d. Verf. 


. **) Bey den Franzofen find und bleiben nun einmal die Ruſſen 
Zartaren, fo wie ohmedied die Kofafen. — Unbegreiflic, 
daß felbft den Franzoſen, die Rußland und Polen mebr als 
zuviel durchwandert haben, die Slaviſche Stammbruͤderſchaft 
ber Muffen und Polen, und ihre gänzliche Verſchiedenheit von 
ben Tartaren,. die man ihre Stammfeinde nennen könnte, fo 
ganz entging! 


nach Eugen Labaume. 27 








ruffifsden Feldzug rühmt, daß er fie auf feinem Striche für 
hundert Jahre zurüdgefhoben habe. 


Moskau ward durch die Ruſſen nicht mit gewaffneter 
Hand wieder genommen, fondern von der jungen Garde ges 
räumt, beren rüfgängige Bewegung mit unferm Operations 
Plan zjufammenbing. General Winzingerode, ber den 
Dberbefehl über das Korps führte, weldes Moskau waͤh— 
rend unfrer Beſetzung beobadtete, wagte fi mit folder Ue⸗ 
bereifung hinein, daß er mit feinem Abdjutanten, dem jungen 
Marifbfin, gefangen wurde. Beſchaͤmt über feine Un: 

- serfihtigkeir fühlte er fih in einer ſolchen Verlegenheit, daß 
er vorjbügte, er wäre als Parlamentär gefommen. Wie 
tennte man aber als ſolchen einen Dbergeneral anerfennen, 
der, mur feine Soldaten anzufeuern, ſich ohne vorhergegans 
gene Mitrheilungen und ohne die üblihen Zeichen vorge: 
wagt harte? — Bekanntlich wurden beyde Gefangene in 
der Gegend von Minsk durch Czerniſcheff, der eben mit 
feiner Koſaken-Abtheilung vorbeyzog, um General Witt: 
senfein aufzufuhen, und ihn von der Bewegung des Admi⸗ 
rald Zibitfhagow in Kenntniß zu feßen, wieder befreyt. 


Nachdem ein Theil der Armee bereits über die Nara 
geſetzt hatte, folgte auch das vierte Korps ben 23. Detober 
gegen 5 Uhr Morgens, und nahm feine Richtung auf Bo: 
rewsk. Der Feind lieg fih den ganzen Tag über nicht bli— 
den, die Kofaten waren vor ung geflohen, vermuthlih dem 
Dbergeneral zu melden, daß wir feine Wachſamkeit betrogen - 
batten, indem wir ihn auf der neuen Straße von Kaluga 
liefen, während wir die alte, die über Borowsk geht, * 
ſchlugen. 


Soebald ber Feind über unfern Marſch benachrichtigt 
war, verließ er fein verfhanztes Lager bey Lectasfowa, ließ 
uns aber in der Ungemwißheit, ob er uͤber Borowsk oder Ma: 
lo: Jarosiawecz hervorbrechen würde. Napoteom befegte 


28 Der ruſſiſche Feldzug 





erſtere Stadt, die auf einer von der Protwa in einem tiefen 
Bett umfloſſenen Anhoͤhe liegt. 

Der Vicekoͤnig, der in einem kleinen Dorfe rechts der 
Straße, eine halbe Stunde weiter als Borowsk, gelagert 
war, ließ die Divifion Delzons auf Malo: Jaroslamecz 
marfbieren, mit Befehl, diefe Stellung zu befegen, ehe die 
Ruſſen fih derfelben bemädtigten. Da biefer General fie 
ohne Vertheidigung fand, nahm er mit zwey Bataillonen ru⸗ 
higen Beſitz davon; feine ganze übrige Divifion blieb in ber 
Ebne ruͤckwaͤrts. Demnach bielten wir ung biefer Stellung 
verfibert, als wir den folgenden Tag (24. Det.) bey Dim: 
merungs Anbruc vorwärts und eine flarfe Kanonade ertd: 
nen hörten. Der Vicekönig, der die Urſache muthmaßte, 
{aß fogleih zu Pferd, und jagte im Galop mit feinem Gene: 
ralftab gegen Malo-Jaroslawecz. Wie wir uns der Stadt 

-näherten, verdoppelte jih der Kanonendonner; von alle 
Seiten vernahm man die Plänkler; endlich erblidten wi 
deutlich die ruſſiſchen Kolonnen, die von der neuen Stra 
von Kaluga kamen, um ſich auf derjenigen, aaf der wir x 
befanden, aufjuftellen. 

Am Füße der Anhöhe von Malo- Jaroslawecz eilte 


neral Delzons dem Vicekönig entgegen, und berk De 


ihm, daß, nachdem er geſtern Abends ruhigen Beſitz & Diet 
Stellung genommen, er heute Morgens gegen vier AS N der 
einer zahlreihen Infanterie angegriffen worden fey; 


twwvon 
gleich die beyden Bataillone zu den Waffen gegen Dip ſo⸗ 


aber durch überlegne Macht zuruͤckgedraͤngt und — haͤtten 
worden wären, die Anhoͤhen und Malo-Jaroslaw RS Somuner 
laffen. *) Der Bicefönig, der die Wichtigkeit — N ju ver; 


Tefeg Wer: 


*) General Delzons hatte fib Flug und feing 
Vorſchriften gemäß betragen, indem er nur N fer 

aufftellte. Die Brüde uͤber die Lucza, die J Haltern J 

Jaroslawecz vorbeyfließt, war abgebrochen, 


 Dataı Mor 
N 
— —— 
Wire e 





— un 


nach Eugen Labaume. 29 





luftes fühlte, beorderte den General, feine ganze Divifion 
marſchiren zu laffen. Jetzt entſpann fih ein hartnädiges 
Gefecht. Die Ruffen, durch frifhe Truppen verftärft, draͤng⸗ 


ten die Unfrigen einen Augenblid zurüd. Sogleich warf ſich 


General Delzons mitten in’d Handgemenge, um bie Geis 
nigen anzufenern. Während fo mit Hartnädigfeit um den 
Stadt:Eingang gekaͤmpft ward, ſchoſſen hinter einer Kirch: 
hofmauer verfhanzte Plänkler auf ihn; eine Kugel traf ihm 
die Stirn, und ſtuͤrzte ihn leblos nieder. ‚Die Nachricht des 
Verluſtes diefes ſchaͤtzbaren Generals fhien den Vicekoͤnig 
fehr zu betruͤben. Er ſchickte fogleib General Guillemi- 
not, ihm zu erfegen, und befahl.der ıgten Divifion, in die 
Linie zu ruͤcken, um biejenige, die fbon,fo lang im Treffen 
flund, zu. unterflägen. Unfre Soldaten nahmen wieder den 
Angriff, ald es neuen ruſſiſchen Kolonnen, die befländig auf 
dem Wege von Lektaskowa anrüdten, gelang, fie überall zu 
werfen. Wir fahen fie fogar mit Haft den Hügel herabkom⸗ 
men, und gegen die Brüde laufen, wie um über die unters 
halb der Anhöhe fliegende Lucza zuruͤckzukehren. 

Aber angefeuert durch Obriſt Foreftier, und unters 
fiägt durch die Jäger und Grenadiere der koͤniglichen Garde 
unter Generals Lechis Anführung, nahmen bald unfre Tas 
pfern ihre gemohnte Haltung wieder, und fliegen abermals 
gegen die Stellung hinan. Indeſſen urtheilte der Vicefd: 
nig, daß wegen ber großen Anzahl Berwundeter, die das 
Schlachtfeld verlieffen, und befonders wegen der Schwierig» 
Peit, fih in Malo:Jaroslamerz zu behaupten, es nothwendig 
feyn würde, noch andre Truppen gegen die fi immerfort er 


unzweckmaͤßig geweſen, eine ganze Divifion über den Fluß zu 
fegen. Ueberdies hatte General Delzons wegen der Um 
gewißheit, mo der Feind hervorbrechen würde, die Weifung, 
ſich auf und zurüdzuziehen, wenn er eine Kanonade aus det 
— @egend von Borowsk hören. würde. . Aum. d. Verf, : 


! 


30 Der ruſſiſche Feldzug 


neuenden, die der Feind in das Treffen brachte, aufzuſtellen. 
Die Diviſion Pino, die ſchon während des ganzen Felb— 
zugs die Öelegenheit gefuht hatte, den Eifer, von dem fie 
glühte, zu erweifen, eilte,. die Befehle des Prinzen zu 
vollziehen. Sie rücdte, unter Freudengeſchrey, im Sturme 
ſchritt auf die Höhe, und es gelang ihr, fib auf allen Stel- 
len, von denen uns ber Feind: verdrängt hatte, feſtzuſetzen. 
Diefer Erfolg wurde theuer erfauft; eine bedeutende Anzahl 
muthiger Italiener fielen ald Dpfer ihres Wetteifers: mit der 
franzöfifhen Tapferkeit. So erfuhren wir mit Bedauern: den 
Tod des Generals Levie, dem das Geſchick nur acht Tage 
lang den Genuß feines neuen Ranges ließ. Anh Generaf 
Pino fahen wir mit Befümmerniß ganz blutig zurüdtehren; 
doch ihn felbft fnmerzte feine Wunde weniger, als der Tod 
eined Bruders, der an feiner Seite gefallen war. Indeſſen 
wütheten bie feindlihen Kanonen unabläfjig. Die Kugeln 
f&lugen bis in die Reihen ber in Referve ftehenden koͤnigli⸗ 
den Beliten, und unter die Gruppen, die der Generalfjiab 
des Prinzen bildete. Um diefe Zeit warb ber durch große 
Verdienſte und : eine feltne Unerfhrodenheit ausgezeichnete 
Beneral Giflenga dur eine Zlintentugel in die Kehle ge; 
troffen, und gezwungen, das Schladtfeld zu verlaffen. 

Der Erfolg des Tags war bereits entfhieden ‚.. bie 
Etabt und alle Höhen waren von ung befegt, als die fünfte 
Divifion des erfien Korps herbeyfam, und eine Stellung auf 
unſter Linken einnahm; die dritte Divifion beffelben Korps 
kam ebenfalls nab dem Treffen, und befegte einen ung zur 
Rechten liegenden Wald. Bis neun. Uhr Abende. hörte das 
Schießen unfrer Batterien und Fußvolks, in fehr geringer 
Entfernung vom Feinde, nicht auf. Nur Naht und Muͤ— 
digkeit endigten zuleit dieſen hartnädigen Kampf. Erſt ge: 
gen zehn Uhr Abends Fonnten ſich der Wicekönig und fein Ge: 
neralftab der nad ſolchen Anftrengungen benöthigten. Ruhe 
überlaffen. Wirlagerten unterhalb Malo-Jaroslawecz zwi: 








nad Eugen Rabaume. 31 








fen der Stadt und Lucza. Die Truppen bivouacquieten in 
den Stellungen, die fie fo rähmlich erfämpft hatten. 

Den folgenden Tag erfannten wir, daß die Hartnädigs 
keit, mit.der die Ruſſen den Befig von Malo:Jaroslawecz bes 
firitten,, in der Abficht lag, ihre Bewegung auf unfrer Rech⸗ 
ten zu volljieben, und vor uns nad Wiasma zu kommen, ih 
der Ueberzeugung , daß unfer Marfh nah Kaluga nur ein 
Mandusre fen, um unfern Rädzug zu maskiren. *#) Gegen 
vier Uhr Morgens faß der Vicekoͤnig zu Pferd. Wir durch⸗ 
ritten die Höhe, auf der wir gefochten hatten, und ſahen die 
Ebene mit Kofaten bedeckt, deren leichte Artillerie auf unfre 
Truppen feuerten. Auch erfannten wir auf unfrer Linken 
drey große Schanzen. Geftern waren fie mit fünfzehn bie 
zwanzig Kanonen befegt geweſen, und vertheidigten ben red: 
ten Flügel Kutuſow's, falld man von diefer Seite feine 
Stellung hätte umgehen wollen. Gegen zehn Uhr vermirs 
derte ih das Feuer, Mittags hörte es ganz auf. 

Das Innere von Malo:Faroslawecz zeigte das gräßlids 
ſte Shaufriel. Im Hineingehen fahen wir mit Schmerz bie 
Stelle, mo General Delzons gefallen war. Auch fein 
Bruder batte, indem er ihn dem Feind entreißen wollte, eine 
taͤdtliche Wunde erhalten. Etwas weiter war General Fon 
tane verwundet worden; unterwärts der Anhöhe fahen wir 
bie Grenabiere des 53ften Regiments ihrem Obriften die legte 
Ehre erweiſen. 


' 


” @s it wohl unverkennbar, daß der ruffifhe Angriff auf Mar 
lo⸗Jaroslawecz, fo hartnädig er auch war, nur einen falfchen 
Angrif bezwedte, um den franzöfifhen Feldheren zu amüfls 
ren, und unterdeffen einen ftarfen Worfprung auf Wiasma 
zu gewinnen. Auch ſcheint deutlich, daß bie Rufen beftdns 
dig im Borbepgehen neue Divifionen in's Treffen ſchickten, fo 
baf immer die legtern die frühern ablöfeten, die dann weiter 
zogen. Labaume bat dies mit den Bülletind gemein, daf 
man ihn muß zu lefen verſtehen. 


32 Der ruſſiſche ‚Feldzug 


Die Stadt felbft war verfhwunden; man erfannte bie 
Richtung der Straßen nur dur die zahlreiben Leichname, 
mit denen fie überfäet waren. Ueberall erblidte man zer: 
freute Gliedmaßen, und burd die darüber gefahrnen Artille- 
rie zuͤge zerſchmetterte Köpfe. Die Käufer bildeten einen 
fortlaufenden Schutthaufen, umer den rauchenden Trüm- 
_ mern erblichte man halbverbrannte Menfben:Gerippe. Auch 
Kranke und Verwundete hatten fih aus dem Gefechte in die 
Häufer geflüchtet gehabt. Die Wenigen derfelben, die fich 
aus den Flammen retteten, zeigten fib uns mit geſchwaͤrztem 
Gefibt, verbrannten Haaren und Kleidern; ihr Pläglicheg, 
mit erfierbender Stimme hervorgeftoßenes, Geſchrey -war 
herzzerreißend. Ihr Anblick muffte den roheften Menſchen er- 
greifen, und ihm Thränen erpreffen. Jeder erbebte bey fol- 
ben Auftritten über die Uebel, dem der Despotismus uns 








- blosftellt; man glaubte fih in jeme Zeiten verfegt, wo nur 


Menfgenopfer auf biutigen Altären die Götter verfühnen 
2onnten. 


Nahmittage traf Napoleon ein; kaltbluͤtig 
durchritt er das Schlahtfeld, ungerührt hörte 
er das Schmerzgefhrey der unglädliden Vers 
wundeten, die um Huͤlfe riefen. — Diefer Mont, 
wiewol feit zwanzig Jahren an die Kriegs-Uebel gewöhnt, 
für die er die finnlofefte Herzens: Neigung hegte, konnte 
doch nicht umhin, bey feinem Eintritt in die Stadt ob ber 
Muth, mit der gefämpft worden war, zu erftaunen. Selbſt 
vorausgeſetzt, daß er auf Tula und Kaluga hätte marfieren 
wollen, fo würde ihn die dur dieſes Gefecht hervorgegan— 
gene Erfahrung davon abgebrabt haben. Ben diefer Gele: 
genheit war feine Fühllofigkeit gezwungen, denen Gerectig: 
keit widerfahren zu laffen, die fie verdient hatten. Er gab 
davon einen glänzenden Beweis, indem er die Tapferkeit des 

u vier: 


nad Eugen Labaume. 33 





sierten Korps belobte, umd dem Bicekänig fagte: „Der 
Kubm diefes ſchͤnen Tages gehört Ihnen ganz allein.”*) 

Während man mit dem Feind handgemein war, um bie 
Stellung von Malo-Jaroslawecz zu behaupten, ſtuͤrzten fich 
über ſechstauſend Kojafen auf das Hauptquartier des Kaifers 
bey Ghorodnia, und bemädtigten ſich ſechs unfern dieſes 
Derfs parfirter Kanonen. Sogleich eilte Marſchall Befe 
fieres (Herzog von Iſtrien) mit der Garbe:Reiterei im 
Salor herbey, und nahm die erbeutete Artillerie wieder. 
Die Kofaten, mit Säbelhieben begrüßt **) und zerftreuf, 
zogen ſich zuruͤck; aber im Fliehen griff eine ihrer zahlreihen 
Abrheilungen das Gepäf des vierten. Korps an, und. würde 
es erbeuter haben, wenn die italienifhe Garde-Reiterei fie 
nit mit eben ber Unerſchrockenheit, wie die faiferlihe Gar: 
be, empfangen hätte. Der Ober: : Kriegsfommiffär Jou⸗ 
bert zeichnete ſich bey dieſer Gelegenheit durch feine Kaltbluͤ⸗ 
tigteitaus; er hatte nämlich die Geiftes: Gegenwart, nit 
aus der Kalefhe herauszugehen, in. der er fi befand, fons 
dern den Degen zu zieben, und fih fo lange gegen die Kofas 
fen, die jeine Kutſche umgaben, zu wehren, bis man ihm zu 
Huͤlfe fam. 

Seit der Eröffnung des Feldzuge war ber Sohn bee 
Kofaten : Hermanns Platow ber getreue - Waffengefährte 
feines Baters gewefen; auf einem prädtigen ufrainifchen 


=) Da ich leßterdings zu Mantua war, börte ih Sir Robert 

Bilion, Augenzeugen des Treffens bey Malo⸗-Jaroslawec; 
fagen, daß an diefem Tage Prinz Eugen mit 20,000 Mann 
ben Anfall von neun rufjifhen Divifionen, jede von 10,000 
Mann, aufgehalten babe. Anm. d. Berf. — (Ein Beleg 
nnfrer obigen Ar merkung.) | 

*) Mir fonnten und nicht überwinden, das bier gebraudte 
ort sabre mit zufammengefäbelt zu überfepen, weil wir es 
nicht glauben, und auch die Folge nicht ſehr damit übereims 
fkimmt. Es ift ein. Ausdrud aus dem Buͤlletin⸗Lexikon. 

Gutsp. Unnaien. ztes Stüd, 1815. 3 


34 Der ruſſiſche Feldzug 


Schimmel ritt er beſtaͤndig an der Spitze det Koſaken, und 
machte ſich durch feine Tapferkeit und Unerſchrockenheit bey 
unſern Vorpoſten bekannt. Dieſer ſchoͤne Juͤngling war der 
Abgott ſeines Vaters, und die Hoffnung des kriegeriſchen 
Volks, das ihm einſt gehorchen ſollte. Aber das Schick ſal 
hatte fein Loos geworfen; feine Stunde ‚hatte geſchlagen. 
Bey einem heftigen Reiterei-Angriff, der bey Wereja zwis 
ſchen dem Fürften Poniatowski und dem Hetmann Pla: 
tom flattfand, ſchlugen ſich die Polen und Nuffen, voll hef⸗ 
tigen Haſſes, mit Erbitterung. Durch die Hige des Ge: 
fechts gereizt, ſuchte einer bem andern dem Todesſtoß zu ge: 
ben, und von allen Seiten fielen Zapfere, die bie jegt die 
größten Schlachten gefhont hatten. J 

Platow, ber unter, den Hieben der Polen feine beften 
Soldaten fallen fah, vergaß die Gefahr, und ſuchte mit un- 
ruhigem Blicke feinen Sohn; ah! bie Erfahrung erwartete 
ihn, dag nur zu oft das Leben nichts als ein großes Ungluͤck 
iſt. Der Gegenſtand aller ſeiner Zaͤrtlichkeit kam aus dem 
heftigſten Gedraͤnge zuruͤck, und bereitete ſich zu neuem Kam: 

pfe, als er von einem Polniſchen Uhlanen eine toͤdtliche 
Wunde empfing. In demſelben Augenblick erſcheint fein Va— 
ter, ihm zu Huͤlfe eilend, und ſtuͤrzt auf ihn zu. Der Sohn 
erblickt ihn, er ſeufzt tief, will ſprechen, und ihm noch ein⸗ 
mal ſeine Liebe ausdrucken, aber, wie er den Mund oͤfnet, 
war der Athem entflohen. 

Platow, der Thraͤnen nicht maͤchtig, zog ſich in ſein 
Zelt zuruͤck, ſeiner Wehmuth den Lauf zu laſſen. Das Le⸗ 
ben, das Licht war ihm zur Laſt. Den folgenden Tag erba: 
ten die Hauptleute ber Kofafen, vol Schmerz, die Erlaub: 
niß, dem Sohn ihres Hetmanns die Ehre der Beftattung 
zu erweifen. Jeder derfelben beym Anblick bes Juͤnglings, 
der auf einer Baͤrenhaut ausgeftredt lag, kuͤßte ebhrerbietig 
die Hand des erflarrten Krieger, der, ohne diefen voreilis 
gen Tod, durch Tapferkeit und hohe Anlagen zu einem aus— 





nad Eugen Labaume! 35 





gezeichneten Heerführer beſtimmt fhien. Nachdem die Haupt: 
leute nah ihrem Kirchengebrauch inbrünftige Gebete für die 
Ruhe feiner Seele gethan hatten, entfernten fie den Leis 
nam aus dem Anblicke des Vaters, um ihn feyerlih auf eis. 

nen mit Cypreſſen (?) bepflanzten Erdhuͤgel gu tragen, wo er; 

‚beerdigt werden follte. Die Kofaten, bie ringsumher in 
Schlachtordnung aufgeftellt waren, beobachteten ein religid: 
fes Stillſchweigen, 'neigten die Köpfe voll Trauer. Im Aus 
genblick, wo fie auf immer vom Sohn ihres Anführere ge: 
trennt: wurden, feuerten fie alle zugleich ihre Musketen ab. 
Hierauf zogen Alle, die Pferde an der Hand führend, am 
Grabe vorbey, indem fie die a er nn gegen | die‘ 
Erbe fenften. *) 4 


*) Bir haben dieſe mit Gefühl geſchriebene Stelle genau nach 
dem Verfaſſer uͤbertragen. Sie ſcheint aber duraus etwas ro⸗ 
mantiſirt; der Verfaſſer wollte ſeinen Priamus und Hektor nicht 
ermangeln. — Im Original iſt etwas zwendeutig gegeben, 

dev wen die Koſaken⸗Hauptleute um die Erlaubniß der Beer⸗ 
digung nacfuchten, fo daß man ungewiß wird, ob fie nicht 
den Zeihnam bey den Franzoſen erbeten mufften. Was aber: 
nachkoͤmmt, zeigt, daß dieſes Geſuch beym beflagensmwärbis. 
gen Vater gefhah. — Befinden fi Cypreſſen in diefer mörds 
lichen Breite? Wohl nit. 


(Die Fortfegung folgt.) 





Spanien zu Ende des Jahres 1808, 
* oder: 


Earl IV. und Godoy. 
(Aus ſpaniſchen Nachrichten.) 





Die Schlacht von Jena hatte ———— Ein⸗ 
fluß auf das Schickſal der ſpaniſchen Monarchie, und war die 
Urſache des Sturzes des Bourbon'ſchen Hauſes. — 

Der Friedensfuͤrſt, zu den hoͤchſten Würden des Staa: 
tes gelangt, Beherrfher der ſpaniſchen Monardie unter 
dem Namen des ſchwachen KarlsdeslVren hatte endlich 
zu begreifen angefangen, ‚daß der Krieg mit England und die 
Aufhebung aller Verbindung mit ben Kolonien fein Vaterland 
anf. den Gipfel des Elends gebracht: hatte. : Die Furcht! vor 
einem Ausbruch von Unzufriedenheit von Seite des Volkes, 
das (dom feit langer Zeit und bey zahlreihen Gelegenheiten 
zu erfennen gegeben hatte, wie überdräffig es des Joches 
war, das es drückte; die Hungersnoth, die bereits Zufam: 
menlauf und Aufſtand erregt hatte; ſein eigner Wunſch end» 
lich, feine Groͤße und Macht auf eine feſte Baſis zu ſtuͤtzen, 
machten, daß er im Jahre 1806 den Entſchluß faſſte, ſich 
England zu nähern, und Theil an dem Buͤndniſſe zu neh⸗ 
men, das fih damals gegen Frankreich bildete. Der Mans 
gel an Geld, den der Staat litt, und ber es ihm unmöglich 
madte, die großen Summen ‚zu liefern, die fih Spanien 
verpflichtet hatte, an Frankreich monatlich ald Subfidien zu 
zahlen; die Hoffnung, den Angelegenheiten Spaniens eine 
gluͤckliihe Wendung geben zu Binnen, vielleiht auch ber 
Wunſch, durch militärifhe Bewegungen den innerlihen Un: 


Spanien zu Ende d. 3.1808, oder Carl IV. u. Goboy. 97 





suben zuvorzufommen; die Ausficht, durh Theilnahme an 
dem Bunde von zwey großen Mäßten, fih der herrifchen 
und gefährligen Uebergewalt Frankreichs zu entziehen „ und 
durch geringe Mitwirfung große Vortheile zu erlangen ; bie 
chimärifgen Hoffnungen endlih, eine, Koͤnigskrone zu tras 
gen, beflärften ben Friedensfuͤrſten in dem Entſchluß, fig 
gegen Frankreich zu erklären. Unentſchloſſen, aͤngſtlich und 
beforgt, wie es immer ſchwache Beifter find, wollte er jedoch 
nit Alles auf das Spiel fegen, die Empfindlichfeit des 
franzöfiisäh Kaifers nicht ohne die Gewißbeit reizen, nad 
Erlangung feiner geheimen Abſichten derfelben ſpotten zu 
Finnen. Daher gab er ein. Manifeft heraus, worin er die 
ganze Nation aufforderte, ſich gegen ben Feind des Vaters 
lanbes zu bewaffuen; — feine Anſchlaͤge gegen Frankreich 
aber verfhwieg er, in der Meinung, daß Jedermann feine 
Diane errathen und freudig auf ‘feinen Ruf fi unter. bie 
Waffen fielen würde. Schlecht kannte ser feine Landsleute 
und ben Ruf,:den er fih unter ihnen erworben. Spanier 
bätte ehne Zweifel zu jener Epoche auf »eine vortheilhafte 
Weife für das allgemeine Intereffe aller Staaten durch ent⸗ 
ſchloſſenes, offnes, thätiges Handeln wirffam feyn Pönntt 
So aber verlor es ſich, und verfehlte den edelften Zweck den 
es je haben fonnte, indem es nur halbe und ſcheibaro, 
zaghafte und krafloſe Maßregeln nahm. Noch ‚Mg bet 

Friedensfuͤrſt feft an feinem Entſchluß, als er dir Nachcicht 

von dem unglücklichen Ausgang der Schlacht von sena bekam 

Erfäroden über eine’fo unerwartete Wendung?! Dinge ſah 

ber feige Günſtling in dieſem erſten Unfalle en Sturz aller 

Monarchien voraus, und. glaubte nichts Beſers thun zu koͤn⸗ 

nen, um fein Heil zu ſichern, als feinengethanen Schritten 

einen andern Beweggrund zu geben, geen Frankreich Erge⸗ 

benbeit zu heucheln, und ſich zu den nierigfien und entehrend⸗ 

fien Gefälligteiten für Napoleon zu verfiehen. Inner⸗ 
ih lächelte er ſich Beyfall zu, durg jenes doppelſinnige Ma⸗ 


38. Spanierizu Ende des Jahres 1808, 








nifeſt ſich vor der Rache Frankreichs ſicher geſtellt zu haben, 
— und alle ſeine Handlungen, all' ſein Beſtreben ſchienen 
don dieſem Augenblick an darauf gerichtet zu ſeyn, dem Kai— 
fer jedes Mißtrauen in die Freundſchaft und AnhänglibPeit 
Spaniens zu benehmen. Mazerano, dazumal Gefandter 
in Paris, erhielt unaufhörlih Befehle, Aeußerungen in die: 
fem Geifte gegen Napoleon zu maden. 

‚Der franzoͤſiſche Kaifer, fbarffinniger und volitifher , 
als Manuel Godoy, hatte die geheimen Umtriebe des 
fpanifben Hofes durchſchaut, und befien Untergang geſchwo⸗ 
ren. In Berlin’ gefundene geheime Staatspapiere hatterr 
ihm die Plane, die das Madriter Kabinet geſchmiedet hafte, 
enthuͤllt, und er glaubte es nothwendig für die Feſtigkeit ſei— 
ner Monarchie, die Gelegenheit ergreifen zu muͤſſen, um 
feine Macht zu erweitern "und die Treuloſigkeit feines 
- Mabbars zur ſtrafen. Vielleicht wirkte in ihm auch ber 
Wunfh, das Bourben’fhe Haus gaͤnzlich ans ber Lifte 
der: herrſchenden Fürften zu ſtreichen; genug, er entſchloß 
Ki, mit Spanien die Zahl ber gedemuͤthigten Staaten zu 
vermehren. Befehle ergingen fogleih, daß die'große Armee 
Doitſchland verlaſſen, und eiligft in das Innere — und 
von nach Bayonne ziehen ſollte. — Doch fey es, daß 
er ſfich icht verhehlte, wie gewagt es ſey, Spaniens Un: 
terjochum blos der Uebermacht feiner Waffen anzuvertrauen, 
Öder daß Anicht in einem Angriffs-Krieg feine Heere ſchwaͤ⸗ 
den wollte ‚Yder dag er ſchon dazumal Plane gegen Defter: 
reich hatte, Haug; "er wollte auf andern als auf offnen Wer 
gen zu feinem Wecke gelangen. Falſche Meinungen über 
den Charakter, dr Sitten, die Denkungart — und befon: 
ders die Bigotterieder ſpaniſchen Nation, waren zu jener 
Zeit, wie noch jetzt) allgemein herrſchend. Auh Nano: 
leon irrte fi hierin, und er glaubte einen wichtigen Schritt 
zur Erreichung feiner gereimen Abfihten zu thun, wenn er 
der’ geiftlihen Macht und des Anfehens des Papſtes fih ver: 


ober Sarl IV. und Goboy.  “ 39 





ſicherte. Pius der VIIte wurde aufgefordert, in ein 
effenfives und defenſives Buͤndniß mit Frankreich zu treten. 
Dod das Haupt ber chrifilihen Kirche vereitelte den Wunſch 
Napoleons, indem es erflärte, daß es ganz gegen feine 
Grundfäge, und unverträglid mit dem heiligen Amte eines 
Dieners des Friedens fey, in ein offenfives Buͤndniß zu tre⸗ 
ten. Der franzöfifhe Kaifer wollte das ganze Bourbon’; 
ſche Haus mit einem Hiebe vernichten, und, um bie Fanrlie 
auf Einem Punkte zu verfammeln, wurde die Königin von 
Etrurien, (Tochter Karls des IV ren), entthront, und 
ihr angedeutet, fih nah Madrit zis begeben, in Erwartung 
der Euntſchaͤdigung, die ihr zugefagt worden. Dieſe von 
Franfreib genommenen Maßregeln und bie Forberung von 
einem Kontigent von 14,000 Mann von den erlefenften Trup⸗ 
pen, um nah Hamburg, Holftein u. f. w. geſchickt zu werben, 
gaben dem Friedensfürften das Maß der Gefahren, welde 
ſich über Spanien zufammenzogen, und die Gefinnungen des 
franzöfifiben Kaifers zu erfennen. Er glaubte, das Gewit: 
ter nur dur NMacgiebi-Peit und unermüblide Schickung in 
den Willen des Kaifers beſchwoͤren zu Binnen. Izquierdo 
wurde eiligfi nah Paris geſchickt. Viele Mühe Hatte diefer 
außerordentliche Gefandte, eine Audienz vom Kaifer zu er- 
langen, um fich feines Auftrags zu entledigen. : Sie wurde 
ihm enbli bewilligt, und ber geheime Traftat von Fontaine: 
bleau fam zu Stande. Es ift bemerkenswuͤrdig, daß alle 
diefe Begebenheiten fi in dem kurzen Zeitraum vom 7. Juli, 
wo der Tilſiter Frieden geſchloſſen ai — * — Di. 
äugetragen haben. 


Der franzöfifhe Kaifer lieg nun 40,000 Mann glei in 
bad Innere von Spanien marfhieren, und ihr.Eintritt wurs 
de in ber Halbinfel bald als ein Durbmarfh, um nah Pors 
tugal zu geben, bald um in Afrita Eroberungen: zu unter: 
nehmen, angemeldet. Die, Regierung) ließ dies Gerücht 


. 


40 Spanien zu Ende bed Jahres 1808, 


— rer —O — j— 





— — 





Serbreiten, und ihre offiziellen Papiere betheuerten es der 


Ration.. | 
Vom franzöfifben Hofe wurde B. Beauharnais ale 
Gefandter nah Mabdrit geſchickt. Diefer unmwiffende Mann, 


der Raͤnke für Politik hielt, war von feinem Hofe nicht von 


den geheimen Abfihten auf Spanien unterribtet worden. In 
dem Wahn, daß die Beſchwerden, die der Kaifer. fein Herr 
zu raͤchen wuͤnſche, blos den -Zriedensfürften beträfen, fing 
er bey feiner Ankunft an, diefem Günftling in Allem zuwider 
zu. haudeln, und die ſchimpflichſten Gerüchte gegen ihn zu ver— 
breiten. Er glaubte, ganz in dem Geiſte der Plaue und 
Wuͤnſche feines Hofes zu handeln, je mehr er jenen in der 
Öffentlihen Meinung verderben würde. Zu dieſem Behufe 
drängte er ſich an-den Prinzen von Afturien, den anerfannten 
Feind Godoy's. Diefer junge Fürft, der gute Eigenſchaf⸗ 
ten «mit einem fhwaden Geifte verbindet, hatte gerechte 


Gründe. gegen ben Sriedensfürften erbittert zu feyn. Er 
war von. ihm gewiffermaßen zu jeder Zeit gemißhandelt wor: 


den; er fannte.in ihm den Mörder feines vielgeliebten Wei— 
bes, und; ergriff daher-freudig die Öelegenheit, fih und fein 
Baterland am einem ehrgeizigen Verbrecher zu raͤchen. Er 
lieh willig ſeine Hand dem franzöfifhen Gefandten, und auf 
fein Anrathen fhrieb er jenen Brief an Napoleon, worin 
er ihn um eine Prinzeffinn zur Oattinn bat. Dies fam zur 
Kenntniß des Friedensfürften, und Angfilih über diefe gefahr« 
drohenden, Verhältniffe wandte er fib an f;inen Freund, den 
Herzog von; Berg, mit dem er feit dem Jahre .I8O6, wo 
biefer fib an ihn um die Erlangung des goldenen Vließes ge: 
wenbet hatte, in vertraulibem Briefwechſel geftanden. Dur 
ihn wollte er fih der Gefinnungen des Kaiferd in Hinſicht 
Spaniens verfihern. Von diefem Tage an bediente fi 
Napoleon bdeffelben Weges, um im Anfange den Mabri- 
ter Hof zu beruhigen, und im der Folge, um feine Plaue 


auszuführen Napoleon beging einen großen Fehler, ine 


oder Gar! IV. und Goboy. - al 








dem er einen Mann wie Beauharnais auf einen fo wich 
tigen Poften, als Madrit war, ſchickte; einen noch größern, 
indem er ihn nicht mit feinen geheimen Anfhlägen auf Spa: 
nien vertraut machte. Auch wirkte fehr nachtheilig für die 
Dane des franzoͤſiſchen Kaifers jene raſche, unpolitifhe und 
widerrechtlide Behandlung des Papftes. Wenn er zu einer 
Zeit glaubte, durch den Beytritt ber geiftliben Macht des 
Vapſtes — denn feiner weltliben fonnte er fehr entbehren 
— bie Geifter der Spanier zu gewinnen, fo durfte er nicht 
fo raſch gegen jene damals herrſchenden Gefühle anſtoßen. 
Welchen Eindruf in der That muffte auf die katholiſchen 
Spanier die authentifhe Thatſache der Miphandlung Pius 
des VIIten und die allgemein verbreitete Nachricht her: 
vorbringen, daß fib Napoleon gleich den englifhen Mos 
narchen des ı6ten Jahrhunderts ald Haupt der Kirche ausrus 
fen laffen wollte; eine Nachricht, die durch Napoleons 
Reife nah Mailand einen Anfhein von Wahrſcheinlichkeit bes 
fam, obgleich beffer unterrichtete Politiker der Meinung was 
ren, daß jene Reife blos die in Italien durd die Entthro— 
zung der Königin von Etrurien nöthig- gewordenen Einrich— 
tungen betroffen, und außerdem zum Zwecke gehabt habe, 
bie Aufmerkſamkeit Europas von dem wahren Punkte feiner 
Plane abzuziehen. Was konnte fib Spanien von Frankreich 
peripreden, als es in feiner Hauptftadt die entthronte Koͤ— 
nigin von Etrurien, die dur die engfien Bande an feinem 
Monarchen hing, ankommen ſah? Welche Hoffnung, wel: 
be Meinung konnte der aufgeklärte und weifedentende Theil 
der Nation von dem Bünbdniffe des franzoͤfiſchens Hofes mit 
dem fpanifhen ſich machen, nachdem ber. franzöfiihe Kaifer 
durch männihfaltige Handlungen und durch einige Artikel des 
Vertrags von Fontainebleau, der zwar geheim bleibe follte, 
aber es nicht blieb, das Vorfpiel der in der Folge — 
teu Ereiguiſſe eroͤffnete? 

Der Friedensfuͤrſt, beunruhigt von allen dieſen — 


2 Spanien zu Ende des Jahres 1808, 


ſtigen Verhältniffen, unfähig, dem nahen Ungewitter die 
Etirne zu bieten, voll Furt vor einem gewaltfamen Aus: 
bruc von Seiten des Volks, das in der North und dem Elen= 
be Muth zu den entfloffenften Handlungen ſchoͤpfen, und 
- auf die Unterftüßung des größten Theile des Adels und ber 
zahllofen Menge von Feinden des Friedensfuͤrſten rechnen 
Tonnte, von dem Wunſche hingeriffen, fi auf irgend einem 
Throne ber Unabhängigkeit zu erfreuen, bald vertrauend 
bald mißtrauifh in bie Verfpredungen bes Kaiſers, wanfte 
zwifhen Entfhlüffen. Das gemwiffefte Mittel, feiner Macht 
wenigftens Sicherheit zu verfhaffen, fhien ihm zu feyn, das 
Pöniglihe Haus zu überreden, dem Beyſpiel des Portugieft> 
fben zu folgen, und jenfeits der Meere ben Ausgang der 
drohenden Gefahren zu erwarten. 

Zu diefer Zeit ereignete fib eine Begebenheit, welde 
bie Quelle der ſpaniſchen Staats-Umwaͤlzung geworden. Dex 
Sriedensfürft, unermübdet in Verfolgungen gegen den Prin: 
zen von Afturien, in dem er feinen unerbittlihften Feind und 
das Hinberniß feiner Größe ſah, unterftügt in feinen verrä- 
therifhen und ſchaͤndlichen Nänfen dur die Königin, war 
durch feine Spione, die alle Schritte und Handlungen des 
jungen Prinzen belauſchten, von dem Dafeyn einiger Papiere, 
die man gegen ben Friedensfürften gefehmiedet hatte, und von 
+ dem Briefe, den der Prinz dem Kaifer gefchrieben hatte, um: 
terrihtet worden. Eiligſt flog er zur Königin, und mit ih: 
‚ rem Benftande überzeugte er ben ſchwachen Karl, daß ber 
Prinz eine Verſchwoͤrung gegen den Staat und ihn angezet: 
telt habe. Der Prinz wurde von feinen Föniglihen Eltern 
(im October) vorgeladen. Mit Seelengröße, Muth und 
Stärke firafte er feinen Ankläger Lügen, geftehend: „daß er 
„des Friedensfürften Feind fey, weil er in ihm den Feind ſei— 
„nes Vaterlandes und feiner zufänftigen Unterthanen ſehe; 
‚mie aber habe er gegen das Intereffe feiner Eltern, die er 
‚zu fehr ſchaͤtze und ehre, zu handeln gedacht; er wolle ſich 


oder Carl IV. und Goboy. 43 





„einer geſetzlichen Kommifjion unterwerfen, um über feine 
„Aufführung Rechenſchaft zu geben.” 
Während feiner Gegenwart, vor feinen koͤniglichen El: 
tern, wurde dur die Agenten des Friedensfürften und ber 
Königin in fein Gemadh gedrungen, alle Papiere unterfucht 
und unter ihnen zwey gefunden, welde fogleih, als no ber 
Prinz ſich vor feinen Eltern vertheidigte, dem Könige über: 
bradt wurden. Das Eine war eine Anklage gegen den Fries 
densfürften; das zweyte ein Dekret, in den Worten: Wir 
Ferdinand ıc. ernennen ben Herzog von Infans 
tabo zum Generaliffim der Armeen zu Lande 
und Meer ıc. — Ih der König. Es war mit einem 
Keiheftegel befiegelt, das Datum aber unausgefült. Der 
junge Prinz erflärte: daß er die Anflage gegen ben Friedens: 
fürften als von ihm aufgefegt anerfenne, und fie zu dem 
Bebufe gemacht habe, um feinen Eltern die verbrecheriſche 
Aufführung Godoy's zu enthüllen; die Errnennung bes 
Infantado ſey blos eine Vorfiht-Mafregel, um in dem Fall, 
wo ſein Vater ploͤtzlich ſterben ſollte, den Friedensfuͤrſten zu 
hindern, daß e feine Macht nicht zu Erreichung feiner ehr: 
geizigen Abſichten benutze, und in den erſten Augenblicken 
der Beſtuͤrzung die Regierung an ſich ziehe. Er wiederholte, 
bag er jib der Entfbeidung eines Tribunals unterwerfen 
wollte, und wurde unmittelbar in Berhaft gebracht. Der 
Sriedensfürfi überredete das königliche Paar, daß es für ihre 
perfönlihe Sicherheit unumgänglich nothwendig fen, dem Prin: 
zen durd eine geſetzliche Kommiſſion Rechenſchaft abzufordern. 
Eine befondere Kommiſſion, zu der der M.v. Caballeros 
gehörte, wurde ernannt, um Ferdinand zu richten. Der 
Friedensfürſt hoffte, durch feinen Einfluß, fein Anfehen und 
feine Matt die Richter zur Verbammung bed Prinzen zu ge: 
winnen. Der Prinz erfbien vor jenem Tribunal, und mit 
maͤnnlichem Anftand erklärte er, daß er nicht ald Richter Per: 
feuer anerkennen koͤnne, welhe durch die Geſetze und bie 


* 
® 


44 | Spanien zu Ende des Jahres 1 808. 





Berfaffung des Staats nicht berechtigt wären, ihm als Prin: 
zen von Afturien Rechenſchaft über feine Handlungen abzufor⸗ 
bern. Geruͤhrt von.der einfahen, gemäßigten Sprache, 
und den unwiderleglihen Gründen des Prinzen erfannte bie 
Kommiſſion felbft, daß fie nicht befugt fey, ben Zwed ihrer 
Ernennung zu erfüllen. Nah der Verfaffung des Staats 
konnte Ferdinand, nur. durd den Rath. von Kaftiliem ge- 
richtet werden. . Seine Anklage wurde diefem Rath überlie- 
fert. Der Zriedensfürft, außer fih über den mißlungenen 
Ausgang diefes Verſuchs gegen den Prinzen, betrogen in der 
Erwartung, bie, er fih von der-Ergebenheit und, Gefaͤlligkeit 
‚ ber Mitglieder jener Kommifjion gemadt hatte, fah- mist 
Schrecken den Sieg feines Feindes, do tröftete er ſich ‚mit 
der Hoffnung, durch den Rath von Kaftifien an das Ziel fei- 
ner. Wuͤnſche zu gelangen. Seine elende, verborbene, Seele 
glaubte, daß die Duͤrftigkeit, in der bie Glieder. jenes 
Staats ſchmachteten, fie gefhmeidig machen würde, den 
Wuͤnſchen des mähtigen Günftlings zu Gefallen zu handeln. 
Wie ſchrecklich muffte daher die Nachricht für ihn feyn, dag 
auch dieſer Rath, deffen Urtheile nicht ‚verborgen bleiben 
durften noch konnten, den jungen Prinzen frepgefproden 
. habe. Das Gefühl von Geredtigkeit und Billigkeit, wel⸗ 
ches die Mitglieder des Raths von Kaflilien bey diefer-Gele- 
genheit an den Tag legten, ‚kann nicht ale eine gewöhnliche 
Handlung der Pflicht betrachtet werden. Diefe Erflärung, der 
Unfhuld des Prinzen von Afturien fonnten nur große Seelen 
geben, in dem Falle, wie die Sachen hitr ſtunden. Wed’ 
ſchreckliche Verfolgung ‚hatten die rechtſchaffenen Richter. von 
der Rache bes in feinen Hoffnungen betrogenen Zriedeusfür: 
fien nicht zu erwarten?. Man erzählt, daß der groͤßte Theil 
von ihnen feit mehrern Monaten ihren Sold nit. erhalten, 
und doch die Beftechungen des Friedensfürften ausgefhlagen 
haben, und daß fie fih beym Auseinandergehen umarmten 

und fih Lebewohl fagten, ‚weil fie von den Verfolgungen des 


j 


oder Carl IV: und Goboy. 45 








Friedensfürften befürdteren,-fih nie wieder zu fehen, und mit 
dem Leben oder der Eregbeit vor muthige — u 
zu müffen. won 

Diefe Begebenheit: ——— die Revolution von Escus 
rial, an der zwar das Volk keinen thätigen Antheil nahm, 
und bey der fein Blut vergoffen wurbe, die aber keinen gerins 
gen Einfluß auf die Reihe vom Ereigniffen hatte, die darauf. 
folgten. Der allgemeine Haß des Volks gegen den Fries 
densfürften wuchs durch feine ſchaͤndliche Verrätheren gegen 
den Prinzen von Afturien, den Gegenftand der Liebe und 
Hoffnungen der Spanier, der durch Handlungen und ia 
nungen ihre Kerzen gewonnen hatte. 

Mit Shreden fah der Friedensfürft den — 
Abgrund, der ihm drohte. Die Stimmung der ganzen Na⸗ 
tion Ponnte ihm nicht entgehen, um fd mehr, da ein großer 
Theil derfelben feine Gefinnungen nicht verbarg; die Kraͤn⸗ 
tungen, welde er durch Beauharnais empfinden muffte, 
lieffen. ihn auch, ungeachtet aller ſchmeichelhaften Verſiche⸗ 
zungen Mürats, Miptrauen in den Schuß des —— 
faſſen. 

Er beſtaͤrkte ſich * ſeinem Entſchluß, der nahen Gefahr: 
durch Flucht mir dem koͤniglichen Haufe zu entgehen, und traf 
Magregeln, feine Schäge zu retten. Ein Fuhrmann, del 
Mio. unter Anderm, follte viele Millionen nah Coronna 
bringen; die englifhe Bank barg einen andern überaus grofs 
fen Theil. Leiche gelang ed Godoy'n, die koͤnigliche Fa⸗ 
milie zu überreden, nach Amerika zu fliehen, und alle Ans 
falten wurden gemacht, um aufs Eiligſte Spanien zu ver: 
laffen. Deffentlid meldete man, daß der König, um ein 
milderes Klima zu genießen, fi mit feinem ganzen Kaufe 
na Anbalufien begeben wollte; von da dachte man leicht nach: 
Amerifa zu entfommen, und man war auf dem Punkte, den 
Entwurf auszuführen, als ein neues Ereigniß der Lage der 
Sachen eine Wendung gab, bie aller, Scharffinn\der tiefden- 


46 — Spanien zu Ende des Jahres 1808. 








kendſten Politiker nicht. vorausſehen konnte. Doch bevor wir 
davon ſprechen, müffen wir auf jenes, was das franzöfifche 
Kabinet unter der Zeit that, zuruͤckkommen. 

Napdleon hatte noch ein großes Kriegsheer nah Spa= 
nien marfchieren laffen, und ein Theil davon hatre die Gräns 
zen Spaniens ſchon überfhritten, und die durch den geheimen. 
Vertrag von Zontainebleau ihm eingeräumte Zeflungen eins 
genommen. . Doc hiermit begnügte man ſich nicht, und bie 
franzoͤſiſchen Generale, den Befehlen ihres Herrn gemäß, 
bemaͤchtigten ſich durch Verrath und Lift mehrerer andern, und : 
fegten fih fo in den Befig der Haupt: BVertheidigung: Punfte 
Spaniens, ohne irgend einen Verluſt. Darmagnac 
nahm Pampeluna mit Schneeballen ein. Die übrigen Fe⸗ 
flungen wurden dur ähnlihe Mittel, bie meiften ohne ir⸗ 
gend einen Widerftand genommen. Der Gouverneur von 
Barcelona, Erpaleva, wollte allein fih widerfegen, und 
erließ ein Manifeft, worin er bag treulofe oder unfinnige Bes 
tragen der fpanifhen Regierung anklagte; ein Manifeft, def! 
fen in der. Folge fib Napoleon als Anklage-Punktes ges ı 
gen das Pöniglihe Haus bediente, und ald Beweisftüd: von 
vorgeblichen verrätherifhen Planen des fpanifhen Hofes auf- 
wies. — Alle diefe Umftände Ponnten in der Hauptſtadt, ſo 
wie in den Provinzen des Königreichs nicht verborgen bleiben, 
und. dienten dazu, die Gährung, die fhon im Stillen um fich 
gegriffen, noch mehr zu befhleunigen. Die Einwohner Ma⸗ 
drits und der umliegenden Gegenden hatten befonders Anz 
theil an dem Ereignig von Escurial genommen. Die Geiz 
fter waren erbittert, der Funken fehlte nur, der bie brenn⸗ 
baren Stoffe in Flammen fegen follte. 

Hätte fih Beaubarnais zu dieſer Zeit dem gehei: 
men Öefinnungen des. Kaiferd gemäß betragen, fo würde er 
“aus allen Kräften den Plan der. Flucht, den die königliche 
Familie gefafft harte, unterftägt haben. Hätte erft einmal 
die Pöniglihe Familie die Halbinſel verlaſſen, fo wäre es 


oder Earl IV. und Godoy. 47 


nicht zur dem franzoͤſiſchen Haufe, ſondern dem erſten beten, 
der zur Hand gewesen wäre, leicht geworden, fi die Herr⸗ 
ſchaft über die fpanifchen Staaten anzumaßen. Beaubar: 
nais, immer in dem Wahne, daß der Friedensfürft allein 
bad Opfer der Nabe feines Herrn werden follte, entfernte 
fib von jenem Brundfage einer gefunden Politif. Ja, er 
wuͤnſchte ib Gluͤck, die Gelegenheit gefunden zu haben, den 
Sriedensfürjten in ben Augen ber Nation durch bie Entdeckung 
und Bereitlung jener Reife:Anftalten verderben zu Pönnen, 
und arbeitete fomit aus allen Kräften dem Intereſſe feines 
Heren entgegen. Eiligſt begab er ſich zu dem Prinzen von 
Aflurien, und indem er ihm das Schaͤndliche, Entehrende und 
Gefährlide eines fo verzweifelten Schrittes ſchilderte, und 
ibn verfüherte, wie fehr Eränfend es für feinen-Freund und 
Bundsgenoffen, den Kaifer Napoleon, feyn würde, 
drang er in ihn, fich dem Willen feiner Eltern zu widerfegen. 
Zugleich fuhte er die Eitelkeit des Oberſten der Waloner 
Garde durch die Borftellung, dag Karl alle Garben, auf 
fer dem Regiment, das er fommandirte, zu feiner Beglei— 
tung beflimmt hätte, zu reizen, und gegen den König aufzu= 
bringen Unterdeffen ſchickte er Kouriere nah Paris, um 
Napoleon von einer Begebenheit Bericht zu erfintten, von 
der er fihon frühere Kenntniß erhalten hatte. 

Der Tag fam endlich heran, wo die koͤnigliche Familie 
bie vorgewandte Reife nach Andaluſien antreten ſollte. Des 
Abends beym Nach hauſekehren will man den Prinzen von 
Aſturien zu einem der Gardes duͤ Corps fagen gehört haben: 
Heute, ih verlaffe mih auf Euch. Als der Prinz 
aufgefordert wurde, ſich mit feiner Familie zu vereinigen, 
bie bereits reifefertig wäre, und er antworten ließ, daß er 
in feinem Fall ſich entſchließen fönnte, ihr zu folgen, war die 
Beflürzung bey Hofe überaus groß. Der König, die Koͤui— 
sin jandten Boten über Boten, um den Prinzen nad ihren 
Binfgen zu flimmen; Alles umfonft. Der grledensfuͤrſt 


— 


48 Spanien zu Ende des Jahres 1808, 


nn — — 
machte den unſinnigen Verſuch, den Prinzen zum Gehorſam 


gegen die Befehle ſeiner Eltern zu bewegen, und natuͤrlich 


konnte es dem geſchwornen Feinde Ferdinands am min— 
deſten gelingen, den Willen des Prinzen zu beugen. 


Unnterdeſſen trug ſich ein neuer Umſtand zu, ber bie Ent⸗ 


wicklung der Staats:Umwälzung Spaniens beſchleunigte. 


* 


Hier bewaͤhrte ſich wieder der ſo oft wahrgewordene Satz: 


daß aus kleinen Urſachen oft große Ereigniſſe entſtehen. — 


Ein Gardekorps bekommt Streit mit einem Soldaten vom 
ber Leibwachẽè des Friedensfuͤrſten. Ein Piſtolenſchuß fällt. 
Soglei läuft das Volt herbey. Die Nahriht von dem 


Entſchluß der koͤniglichen Familie zur Flucht hatte es laͤngſt 


erbittert, und dur den Wiberftand des Prinzen von Aftu- 
rien glaubte es fih berechtigt, diefen Schritt zu hintertreiben. 
Am fiherften hoffte ed zu feinem Zweck zu gelangen, wenn 
es den aus dem Wege räumte, ben es als Urheber jenes 
Entſchluſſes anſah. Es fehlte nur an einem Vorwand, ſich 
zu verfammeln ;' jener Streit gab ihn plöglih an die Hand. 
Seit einiger Zeit hatte man fhon, wenn Godoy ausritt, 
einzelne Stimmen Beleidigungen gegen ben Günftling, und 
unter Anderm den Schimpfnamen Choripro ihm zurufen 
gehört. Jetzt fhien der Poͤbel fih aber nit mehr mit biefer 
geringen Rabe begnügen ‚zu wollen, fondern er verlangte 
Blut. Alles ſtuͤrzte alfo in das Schloß des Friedensfürften, 
und da man den, welcher aufgeopfert werben follte, nicht 
fand, fo trat an die Stelle des Blutdurftes die Zerftörung- 
fuht. Alles wurde zerbroden, zerfhmettert, und vernichtet; 
und erft, ald man damit zu Ende gefommen, und bie Wa— 
ben von allen Theilen berbeygeeilt waren, um den Zuſam— 
menlauf zu zerfireuen, zogen fich die erbitterten Bürger nad 
und nad in ihre Häufer zurüd. Das Volk hatte den Günft: 
ling entwifeht geglaubt; doc in der That war es ihm gelun: 
gen, fih auf dem Boden hinter einigen Säden zu verfteden, 


und da fih vor dem Angriff feiner Zeinde fiber zu halten. 
Er 


oder Earl IV. und Godoy. 49 





Er bradte fo die ganze Naht zu, als er aber des Morgens, 
ermäbet von jener unbequemen Lage und vom Hunger übers 
wältigt, wieder ſich zeigen muffte, ward er von Neuem von 
der Rachgier des Volks angefallen. Dem Hofe konnte der 
Tumult, den dies zuwegebrachte, nit entgehen; aͤngſtlich 
fdidte er Boten an den Prinzen, und zahlreibe Wachen, 
um ben Günftling zu retten. Zwiſchen den Gfliedern ber 
Soldaten ward er nad einer Hauptwache geführt, und ents 
ging zwar glädlih dem peinlihften Tode, der gewiß fein 
2008 geworden wäre, aber nicht ben ſchmerzvollſten Demiüs 
thigungen und Befhimpfungen. Steine flogen von allen 
Seiten auf den erniedrigten Oünftling; jeder Mann beeiferte 
fi, den Waffen zu trogen, und Godoy’n ein Paar Stöße 
bevzubringen. Bon Blut überfloffen, gelähmt, an einem 
Auge verwundet, erlangte er endlich dag finftere Wachthaus, 
welches er zu bewohnen fich jegt glüdlich ſchaͤtzen muſſte, nach⸗ 
bem er zu einer andern Zeit bie pradtvollften Paläfte nicht 
würdig fand, ihn zu behaufen. So unbeftändig ift das 
menſchliche Gluͤck! Go iſt faft allgemein das Ende der nicht 
durch Tugenden und wahre Verdienſte, fondern durch Lafter 
und Miedrigfeit erworbenen Gluͤtksguͤter. Der Aufftand, 
den das Volt gemacht, die Gefahr, in welcher der Günftling 
geſchwebt, enthüllten dem Könige das ganze Maß der Stim: 
mung des Bolfs und feiner Nichtigkeit auf dem Throne. In 
einem Anfalle von Zorn und Veberdruß, und aufgereizt von 
ber Königin, die, um ihren Freund zu retten, feinen Preis 
zu hoch fand, entſchloß fih der König, der Krone zu entfar 
gen, und fie den Händen feines natürlichen Erben zu überlie: 
fern, ber zum Boraus dag Wohlwollen und die Liebe des 
Volks gewonnen hatte. Er trat alfo Ferdbinanden bie 
Krone ab. Der Prinz machte einige Einwendungen, ergab 
fih aber endlich den dringenden Bitten feiner Eltern, Man 
würde fib kaum erflären können, wie eine Entfagung auf die 
koͤniglichen Rechte mit dem Ehrgeiz der Herrſch- und Ders 
Europ, Unnatem 7tes Stüd. 1315: 4 


so Spanien zu Ende des Jahres 1808, 





ſchwendungſucht der Königin verträglih war. Folgendes 
wird diefes Räthfel loͤſen. Mit beyfpiellofer Liebe an ihrem 
Sreunde hangend, glaubte fie nichts fparen zu dürfen, um 
- ihn zu retten; zu gleicher Zeit wuffte fie, daß das einzige 
Mittel, biefen Zwed zu erlangen und die Wuth des Volks 
zu befänftigen, nur in der Abtretung der Pöniglihen Krone 
zu Gunften Ferdinands gefunden werden koͤnne; und fie 
muffte um fo mehr Vertrauen in diefes Rettung: Mittel fes 
gen, ald Ferdinand feyerlih das Verfpreden gegeben, 
zwar den Friedengfürften den Gerichten zu überliefern (weil 
er ed nicht mehr Ändern Fonnte), aber beffen Todesurtheil zu 
verhäten. Ein Aandrer nit minder wichtiger Antrieb, ihre 
ehrgeizigen Leidenſchaften zu unterbrüden, war, daß ber 
Sriedensfürft den Briefwechſel, den er mit ihr gepflogen, 
und- Papiere in Händen hatte, die von nichts Minderem ge: 
handelt haben follen, als den König, den Prinzen von Aftu: 
rien und noch andre Perfonen aus der Welt zu ſchaffen, um 
fih den Weg jum Throne zu bahnen. Wenn dieſer letztere 
Umftand, den glaubwärdige Perfonen betheuern, und der 
durch mannigfaltige Umftände fehr wahrfheinlih wirb, au: 
thentiſch iſt, ſo wird man leicht einfehen, warum Maria 
Louiſa (die Königin von Spänien) fih in einem fo hohen 
Grade für Godoy interefjirte ind für ihn ihr theuerftes Gut 
aufopferte. Wielleiht berechnete fie auch (dom zum Voraus, 
dag jene Thron:Entfagung in der Folge widerrufen, und 
Alles in den Stand gefegt werben Pönnte, in dem die Sachen 
vor der Revolution von Aranjuez geftanden. Dem Könige 
kann es nicht viel Meberwindung gefoftet haben, einer Krone 
zu entfagen, die feit langer Zeit ſchon eine Laft für ihn ge: 
wefen. Einzig den Freuden der Jagd zugethan, war biefe 
YAufopferung nichts minder ale ſchmerzhaft für ihn. Waͤh— 
end bes Tumults rief er mehreremal aus: „Undankba— 
„res Volk! Anglädfelige Krone! Nein, id 


oder Gar! IV. und Goboy. st 








„mag niht mehr regieren! Sb überlaffe fie 
„meinem Sohne. Möge er gluͤcklicher feyn!”*) 

Den Tag darauf war Eercle bey Hof, und obgleich alle 
auswärtigen Minifter bereits von der Entfagung des Königs 
berichtet worten, fo erklärte Carl hier nochmals, daß er 
bie Krone Epaniens dem Prinzen von Mfturien abgetreten 
bärte. Er nahm ven B. v. St., ..... Minifter, bei Seite, 
und fragte ihn freundſchaftlich: „was er glaubte, dag fein 
„Herr von diefem Schritte denen, und ob er ihn billigen 
„wuͤrde?“ Der Minifter antwortete: „er glaube den Kl: 
„nig verfidern zu koͤnnen, daß fein Kerr diefe edle Entfas 





4) Beaubarnais hatte einen großen Antheil an dieſer Mevos 
Intion, während welcher er ſich allenthalben verkleidet zeigte, 
und die Flamme des Blutdurſtes und der Rache anblies. Carl 
der IVte fagte, von diefem Umſtande fprehend: „Ich has 
„de ibn mit meinen Jdgeraugen geiehen, bie 
„ien Beaubarnaid. Ich träge mich nicht. Ich has 
„be ibn in Mitte des Zumults gefehen.“ Der 
Gefandte rähmte ſich in der That in derfelben Nacht unter 
lauten Frendens: Bezeugungen den Friedensfürften verbors 
ben zu haben. 

Heun diefed Betragen Beauharnais's nicht in dem Geis 
fie der Plane Napoleons war, fo muß man gefteben, daß 
fie auf keine andre Art beffer gefördert werden fonnten, Sobald 

das franzdüfhe Kabinet gegen ben Friedensfürften arbeitete, 
und ihn der Rache des Volks opferte, muffte es fich ein grofs 
ſes Recht auf die Anhanglichkeit deflelben erwerben, und ber 
Erlangung feiner Abfihten auf den fpaniften Thron näher 
räden, Beauharnais handelte nicht aus diefem Gefichtes 
punkte, und darf Daher wegen feines Betragens auf feine Vers 
zeihung von Seiten feiner Regierung Anſpruch machen, aber 
ein außerordentliher Iufammenfluß von außerordentlichen 
Umpftänden machte, daß die Verfolgung feines Syſtems vors 
theilbaft für das franzöfiihe Kabinet geworden if. Ein Bas 
weis, wie fehr der Iufall die beften Combinationen in der Pos 
litif vereiteln, und die falicheften begünftigen kann. 


54 Spanien zu Ende des Jahres 1808, 








„gung gewiß nicht mißbilligen würde, befonders da fie zi 
„Gunſten eines Prinzen gefchehen, der die Liebe und Hoff 
„nung des Volks und alle guten Eigenfchaften befäße, un 
‚einen fo würdigen Water zu erfegen; baß um fo wenige: 
„dieſer Schritt etwas enthalte, was dem Freunde und Bunde 
„genoffen Sr. Maj. mißfallen könnte, als zu einer Epoche 
„wo fo viele Staaten umgewälzt, und ihrer Unabhängigkei 
„beraubt worden, Spanien eines Monarchen bedürfe, bei 
„mit allen andern erhabnen Eigenfhaften auch bie der ju 
Zgendlichen Kraft vereinigte.” Der König fhien durch diefi 
Verſicherung befriedigt zu ſeyn. 

Wenn man diefe unbeftreitbaren Thatſachen neben einan 
der hält, fo ergibt fih daraus, daß jene Fabel, die nachher 
in Umlauf gebracht worden, auf feine Glaubwürbigfeit An: 
ſpruch machen darf. Die Kenntnig der Perfonen, die zu 
dieſer Veränderung beygetragen haben, wird deutlich vom beı 
Nichtigkeit jener in der Folge angebrachten Befchuldigungen 
überweifen. 

Der neue König begab fich fogleich nach ber Hauptfladt, 
wo er bie Huldigung des Rath von Saftilien und aller übri: 
gen Staate:Behörden erhielt. Er beeilte fih, fogleich einen 
außerorbentlihen Botfchafter an den Kaifer von Frankreich 
zu fenden, um ibm Nachricht von feiner Thronbefteigung zu 
geben. 

Napoleon hatte, wie gefagt, feine Truppen in Spa; 
nien einrüden laffen; fie waren nun bis an die Thore Mas 
drits gelangt. In San: Martin war das Hauptquartier von 
40,000 Mann. Prinz Mürat, ber fie befehligte, war 
faft denfelben Tag mit Ferdinand in Madrit angekom— 
men. Er äußerte das größte Erftaunen über die vorgefallene 
Beränderung in der Regierimg Spaniens, und wollte fid 
durchaus nicht verfiehen, Ferdinand als König anzuer: 
fennen. Er machte felbft feine Vifite dem Könige, Der 
ſchwache Ferdinand hatte die Güte, den Prinzen Mi 


\ 


oder Earl IV. und Godoy. 53 





rat zu beſuchen. Mürat empfing ihn nicht, und trieb feine 
Beradtung gegen ihm fo weit, daß er bey einem Spazierritt, 
wo er fib mit der Pracht eines Diftatorg zeigte, dem König, 
ben er reiten tommen ſah, fogleih auswih, Indem er auf 
die entgegengefeßte Seite ritt. Den andern Tag war Au— 
dienz bey Hof. Muͤrat hatte die Schlauheit, feine Aus 
dien; zu derfelben Stunde anzufegen, in welcher die des Ko: 
nigs gehalten werben füllte. E8 fanden fih daher bey biefer 
legtern blos drey der dusmwärtigen Minifter ein. Zu diefen 
lestern gebörte der oben angeführte... Der Holländifce, 
Saächſiſche Geſandte u. fe w. waren nicht ber Ferdinand 
angefahren. Mürat, unterridtet, daß der oben ange: 
führte ſich noch nicht bey ihm eingefunden hätte, verſchob die 
Audienz, bis Jener angefommen war. Er bezeugte ibm fo: 
dann auf eine ziemlich unanfiändige Art fein Mißvergnügen, 
den Minifter eines Freundes und Bundsgenoffen des franzd: 
fifden Kaiſers Fer dinanden als König anerfennen zu fe: 
ben, und erlaubte fih mehrere Bemerfungen, bie aber mit 
fö vieler Kraft beantwortet wurden, *) daß er verlegen wur: 
de, wie er der Unterredung eine andre Wendung geben follte. 
PM ürat erflärte fodann, gleichſam als Nebenſache, daß er 
teineswegs eine Entfagung anerkennen koͤnne, welde in ol: 
ge der fhändlihften Ränfe und Umtriebe gegeben worden 
wäre. 





*) Diefer Minifter wurde in der Folge von feinem Hofe für fein 
Betragen auf eine fehr ſchmeichelhafte Art gelobt, 


54 





| II, | 
Spanien am Anfangedes Jahres 1814 


oder; 
Ferdinand VII. und die Cortes. 


(Aug dem Manufcript eines Spanierg.) 





Mihi Galba, Otho, Vitellius neo beneficio nec injuris 

cogniti, 

Die erfte Handlung Ferdinands als Föniglicher Ric: 
ter hat Beftürzung bey allen fühlenden und rechtlichen Men— 
fhen erregt. Ob diefe Beflürzung blos Folge ber verhäng: 
ten Strafe, ob fie Folge des Abſcheus vor Ungerechtigkeit fey, 
wollen wir in Kürze unterfuben; vielleiht gelingt es ung, 
wichtige Anfihten über den Gang ber Füniglihen Regierung 
zu verbreiten, 

Der aufmerffame Beobachter der fpanifhen Nation muß 
geftehen, daß die Maffe derfelben noch nicht auf der Höhe 
ber liberalen Ideen war, worauf die neuen Gefeggeber (bie 
Cortes) ihre Regierungform gründen wollten; daß ihre Win: 
fhe nah Verbefferung mehr aus dem bittern Gefühle erlitte: 
ner Ungerechtigfeiten und Drangfale, als aus der Plaren An: 
fiht der Nothwendigfeit entfprangen, fünftigen Mißbräucen 
durch eine feftfiehende Ordnung der Dinge zuvorzufommen; 
daß die Gefeßgeber zu vorſchnell metaphyſiſche Säge der un: 
gefhickten Beurtheilung eines unwiffenden Wolfe vorlegten, 
das unter dem Druck der Tyranney und der Finfterniffe fein 
Gefühl erworben haben fonnte für den Reiz einer Glüdkfelig: 
keit, die erſt aus weiter Ferne erfhien. Die Konftituenten 
glaubten, das gefellfhaftlihe Gebäude vollendet zu haben, 
und gaben ihm zum Dade, was feine Grundlage härte ſeyn 


Spanien am Anf. d. 3.1814, od. Ferdin. VII. u.d. Cortes 55 








feyn follen. „Vom Jahre 1830 an’ fagt der 2te Artikel 
der Konftitution) „muͤſſen Alle, welche in die Rechte des 
»r Bürgers eintreten, leſen und fhreiben koͤnnen.“ ine fole 
che fundamentale Anordnung beweist deutlich genug das Ans 
verhältniß zwifhen dem Syſteme ber Eortes und dem Grabe 
der Aufklärung der fpanifhen Nation, Ungeduld, das Gute 
ſchnell zu wirfen, trieb jene Verſammlung; ftatt fiufenweife 
und langfam vorwärts zu ſchreiten, eilte fie auf ein ideales 
Ziel mit al der Heftigkeit und Gemalthätigkeit eines fanatis 
ſchen Eifers zu. Das Vergeffen der einfachften Grundfäge 
gefetgeberifher Klugheit war mehr ale irgend etwag bie 
Duelle der Berirrungen der fpanifhen Konftitution; es wäre 
die größte Ungerechtigkeit, verbrecerifher Abfihten Mäns 
ner zu befhuldigen, die ihren perſoͤnlichen Wortheil, ihr 
Leben felbit der Taͤuſchung opferten, ein chimärifhes Inte: 
reffe zu begründen; die mit vollem, redlichen Gemüthe fi 
yerführerifhen Spekulationen hingaben. 

Kann man fie aber deswegen verbammen, Bann man ihs 
nen einen Vorwurf machen, Gefege gegeben, und eine Vers 
faffung entworfen zu haben? Die proviforifhe Regierung, 
welche die Cortes zufammenrief, ift fhuldiger als diefe, aber 
aus dem Grunde, den man angab, ale man das Dekret, 
welches die Cortes zufammenrief, vernichtete. Jene Regie: 
rung beging blos darin einen unverzeihlihen Fehler, daß fie 
nicht von allem Anfang an jene Schnelltraft entwickelte, wel: 
he die Weisheit ihr zur Pfliht madte, um bie Uebereiluns 
gen, Mißgriffe und falfhen Magregeln zu verhindern, bie 
nothwendig aus der Vereinigung der gefeßgebenden Wer: 
fammlung in eine einzige Kammer entfpringen mufften. Die 
Deputirten ber Cortes Pannten fi nicht, fie hatten nicht Zeit 
gehabt, ſich gegenfeitig aufzußlären, als fie gleich in der erften 
Zufammentunft als Staatd:Grundgefeg bie Souveraines 
tät des Volks aufftellten, und fie von Jenen befhwören 
fieffen, die noch am Morgen nichts Fannten als ihren Eid, 


* 


36 Spanten am Anfange des Jahres 1814, 





den ſie dem Koͤnige als uneingeſchraͤnkter Souve— 
rain geſchworen hatten. Damals beſtanden noch keine 
Klubbs, keine jener Vereinigungen außer der geſetzgebenden 
Verſammlung, welche in der Folge auf ihre Berathſchlagun— 
gen fo großen Einfluß ausuͤbten. Warum befämpfte der Re— 
gentſchaft-Rath, der damals noch ausſchließlich über die öffent: 
liche Meinung und über die bewaffnete Macht verfügte, nicht 
gleih vom Anfang an jenen gefährlihen Eingriff des Neues 
rung:eiftes in die Vorrechte des Thrones? Hr. Lardis 
zabal (fpäterhin Werfaffer der Erklärung, bie der König 
am 4. May 1914 zu Valencia erließ) war damals noch Re: 
gent, hat aber nicht das Beyſpiel feines Kollegen, des Bi: 
ſchofs von Drenfe, nabgeahmt, ber fih laut gegen jenen 
Grundſatz erklärte. In der Folge har er in der Apologie ſei— 
ned Betragend (Manifesto de D. Miguel Lardizabal , 
Alicante 1811) befannt gemadt, daß er am Eröffnungtage 
der Gortes, an jenem Tage, wo fie, flärfer ale je in ber 
Folge, in unüberlegten und gefährlichen Aeußerungen aus— 
ſchweiften, den Plan gefafft habe, fie mit gewaffneter Hand 
aufzulöfen. Er würde beffer gethan haben, biefen Entfhlug 
gleich auszuführen, ald durch deffen fpätere Aeußerung eine 
Verſammlung zu reizen, bie mit unbefhräntter, wenn gleich 
vorübergehender, Macht bekleidet war, und Gewaltftreiche 
führen muffte, um fi zu halten. _ | 
Jene Bereinigung der gefeßgebenden Macht in eine eins 
zige berathſchlagende Verſammlung ward bald hier, wie früs 
ber bey der Fonftituirenden Verfammlung in Frankreich, die 
Quelle zahllofer Unordnungen. Sich felbft überlaffen, Hers 
ren ber. Einbildungfraft einer Purzfihtigen Menge, begingen 
die Reformatoren furcht- und zwanglos die Unvorfichtigkeir, 
Snftitutionen, welche Erfahrung, Gewohnheit und Vorur— 
theil geheiligt hatten, zu vernichten oder zu verlegen. Bes 
benfe man nun bierbey den Ueberlegung:Geift, den ernften 
Charakter, die Hochachtung für von ber Zeit ehrwuͤrdig ges 


oder Ferdinand VII. und die Gortes. 57 





madte Meinungen, woburd der Spanier fi auszeihnet! 
Daher fam es, daß die Cortes, nach den erften Augenblicen 
eines gemeinfhaftlihen Schwindels, ſich in Parteyen theils 
ten, die dur ihre Gegenwirfung, ihre Seftigkeit, ihre 
Verachtung aller Drobungen, ben Triumph der Unmoralität 
und Unflugbeit hinderten. Doch war die Dppofition auf den 
Umfreis der Berfammlung felbft befhränft, und man muß 
den Umfiand wohl bemerken, daß jene Dppofition Peine Ers 
Örterungen hervorbrachte, an denen das Volt als Schieds— 
ricter einen thätigen Antheil nahm. Wäre Ferdinand 
damals der National: Berfammlung gegenüber geftanden, fo 
hätte vieleigt fein Widerfiand diefelben Wirkungen hervorge⸗ 
bracht, bie in Frankreich die bald übertriebene, bald zaghafte 
Miderfeglihkeit der Minifter des unglücdlihen Ludwigs 
gegen die konftituirende Verfammlung erzeugte. 

Eine proviforifhe Regierung, wie der Regentfchaft: 
Rath war, Ponnte feine haltbare, Ehrfurdt gebietende Op: 
pofition gegen eine zahlreihe Werfammlung aufjiellen, fo 
bald fie diefer erlaubt hatte, fih der Macht und der Einbil: 
dungPraft des Volks zu bemeiftern. Der Mangel an äufier 
rem Widerftande warb damals ein wahrer Gewinn, und ver: 
binderte den Anwuchs bes Uebels, das nothwendig durch Wi: 
derfprud und Widerſetzlichkeit der vollzichenden Macht weiter 
um ſich greifen muffte, und wobey es alsdann ein Leichtes ge: 
weien wäre, legtere ald eine wefentlihe Feindin der Freyheit 
zu verlfäumden. Go aber nahm die Unentfhloffenheit in dem 
Mage zu, als der Widerſtand abnahm, und die Kraft der 
Ausdehnung erfhlaffte, weil es an einer zuruͤckſtoßenden 
Kraft fehlte. \ 

Eine kurze Ausfhweifung dürfte bier an ihrem Plage 
feun. Wäre Napoleon in den Charakter und Geiſt der 
Spanier weiter eingedrungen; hätte cr fih nigt von feiner 
Macht fo übertriebene Vorftellungen gemacht; und wäre er 
in feinen Ufurpation: Entwürfen wahrhaft tief gewefen, fü 


58 _ Spanien am Anfange des Jahres. 1814, 





hätte er Ferdinand gleih nah Eröffnung der Cortes zu: 
rruͤckgeſchickt, und den Krieg gegen ihn fortgefegt, den er 
ſo ungeſchickter Weife gegen die Nation geführt, und den 
diefe ald ihre Sache anfehen muffte. Es ifi nur zu wahr- 
fheinlih, daß Ferdinand in diefem Falle die Unterjodung 
feiner Unterthanen verurfaht oder getheilt haben würde, 
und Napoleon folglich eine Wahrfheinlihfeit mehr gehabt 
hätte, fein Vorhaben glüdlih durchzufuͤhren, ohne fo viele 
Furcht nußlos erregen zu dürfen, 

Zu ben bereits angeführten Gründen, welde glüdlicher 
Weiſe dem Neuerung: Geifte Schranken festen, muß man 
auch noch den Umftand fügen, daß die Aufklärung in Spanien 
nur über Wenige verbreitet ifl. In Frankreich hatte, zur 
Zeit der Revolution, bie Geiftes:Kultur alle Klaffen in eis 
nem hohen Grade durchdrungen; bie abfirakteften und ver; 
wiceltfien Ideen waren der Gegenftand der allgemeinen Er: 
Örterung; die fpisfindigfien Fragen der Metaphyjit mad: 
ten, fo zu fagen, einen Theil des Öffentlichen Unterrichts aus. 
Da waren die Gefeßgeber, die nah Ruhm und Auszeihrrung 
dürfteten, freylich gendthigt, neue Grundfäge und ausfhwei: 
fende Behauptungen aufzuftellen, und eine Ordnung der Dins 
ge einzuführen, wie fie vorher faum gedacht worden war, 
Die fpanifhen Gefeggeber hatten Feiner fo großen Anftrens 
gung nöthig, um zu glänzen; ihre Eigenliebe konnte fi mit 
Nahahmung der Mufter befriedigen. Daher ward auch bie 
neue Verfaffung Spaniens auf weifere, mehr gemäßigte, 
beffer geprüfte Grundfäge gebaut, als jene waren, welche 
ber franzöjifhen Konftitution von 1791 zum Grunde lagen. 

Ich hätte nicht daran gedacht, biefe beyden Godere mit: 
einander zu vergleihen, wenn man ed nit vor mir gethan, 
wenn nicht insbefondere Hr. Lardizabal mit fo vieler 
Selbfigefälligfeit jene Vergleihung in den Mund Sr, fatho: 
liſchen Majeſtaͤt gelegt hätte. Bey einiger Prüfung jener 
koͤniglichen Erklärung (vom 4. May) wird man den Verfaffer 


oder Ferdinand VII. und die Cortes. 59 





derfelben entweder der Untenntniß oder der Unaufrichtigfeit 
befhuldigen, und vor allem Andern fagen, daß es dem Mans 
ne, der im Namen des Königs das Wort führte, nicht zus 
tam, Vergleichungen zu machen, bie, felbft wenn fie richtig 
wären, nur kleinliche Leidenfhaften und Aufwallungen des 
Haffes verratben. Sodann wird man die Bemerkung ma: 
oben, bag bie fvanifhe Konflitution der erften franzäfifchen 
gleiht, wie diefe der englifhen Carta magna, Nothwens 
dig müffen gewiffe erprobte Grundfäge fih in allen gleichfoͤr⸗ 
mig befinden, und dies beweist nichts gegen ihre Güte. Aber 
nicht in Hinfiht der Grundfäge, welche den Intereffen der 
Nationen angemeffen find, hat Hr, Lardizabal die beyden 
Eodere verglichen, fondern in Rüdjiht ihrer Fehler, ihrer 
Bolgelofigkeit, ihrer Unftatthaftigfeit. Man könnte ihm 
hierauf antworten, daß die Erflärung der Rechte des 
Menfben, welde der franzoͤſiſchen Verfaffung zur Grund: 
lage diente, und das Zeihen zur Anarhie, zu Volle: Aus: 
(Hweifungen, zur Entheiligung aller görtliben und menſchli— 
den Geſetze gab, ſich nicht in der fpanifhen Konftitution 
befindet, weder ald Grund: noch als Folgeſatz. Beyde Kon: 
fiitutionen gefiehen zwar dem Könige das verfhiebende Veto 
zu; allein die franzöfifhe entzog dem Könige das Recht, bey 
Yuffiellung der Berwaltung:Gefege einzufbreiten; die fpani: 
ſche ſtellte den fünftigen gefeggebenden Berfammlungen foldhe 
Schranfen, welche die heilfame Dazwiſchenkunft der vollzie: 
benden Macht bey Abfaffung der Gefege einleitete, Erftere 
nahm, Lestere gab dem Könige das Begnadigung-Recht, und 
besing au& nicht mehr den Irrthum, den Deputirten den we: 
fentlihften Antheil am Nedte: Krieg und Frieden zu erfläs 
ren, einzuräumen. So weichen Beyde von einander aud in 
ber Onaden: Verleihung, in der Ernennung ber 
Aemter, inder Verfügung über die bewaffnete 
Macht, in der Leitung der Minifterien, kurz, 
vielleicht in zwey Drittheilen ihrer organifgen Grundſaͤtze ab, 


60 Spanien am Anfange ded Jahres 1814, 


und dennoch hat fie der Verfaſſer der Löniglihen Erflärun 
alle mit demfelben Anathema belegt. 

Kann man den fpanifhen Gefeßgebern vorwerfen, an 
bie Spitze ihrer Konftitution nicht den Grundfag einer herr— 
fbenden Religion gefegt zu haben? — Leider ift oh— 
nedies die Unduldfamkeit in diefem Punkte noch ganz im Ver: 
hältniffe mit der Volks-Aufklaͤrung. Hätten fie blos den ge: 
genwärtigen, und nicht ben möglihen, künftigen 
Zuftand ihres Landes berädfichtigt, fo hätten fie ed gethan, 
und koͤnnten nun jeder Verläumdung, jeder Anklage trogen. 
ber fie durften bey ihrer Geſetzgebung nicht auf Umſtaͤnde 
Ruͤckſicht nehmen, welde nicht mehr beftehen können, fobald 
die Nation auf die Höhe der Geiftes: Bildung andrer Voͤlker 
binauffteigt. 

War aber gleich die fpanifhe Verfaffung weniger fehlers 
haft als die franzöfifhe, fo folgt daraus doch nicht, daß fie 
den Dertlichkeiten und den Intereſſen der Nation vollfommen 
entfprab. Indeſſen muß man auch geftehen, dag man ihre 
nicht die Zeit ließ, Ihre Haltbarkeit und "ihren innern Werth 
durch die Anwendung zu erproben und zu bewähren. Gelbft 
während ihrer Dauer Fam fie nur fehr unvollfiändig in Auge 
übung. Der Orund lag in Folgendem: Die Cortes feßten 
in ihrer Konflitution den proviforifh mit der voll: 
ziehbenden Öemwalt beauftragten Perfonen engere 
Gränzen, ald der Gewalt des Monarden felbfl. Es war 
ein Fehler, aber er entforang aus dem Drange der Umſtaͤnde. 
Die Cortes waren nämlich eiferfühtig auf eine Autorität, 
von der fie waren zufanımenberufen worden, und lieffen fie 
nunmehr feine andre Majeftät und Ueberlegenheit ausüben, 
als die fie ihr zu übertragen für gut fanden. - Auf der andern 
Seite war diefe Autorität, — beraubt der moralifhen Ei: 
genfhaften und des Nimbus, die zum Weſen der vollziehen« 
den Macht gehören, — eben dadurd auch außer Stand ge: 
fest, ſelbſt heiſſame Verbefferungen und neue Einrichtungen 





oder Ferdinand VII. und die Gortes. 61 








mit Erfolg durdzufegen; der Ungehorfam hielt gleichen 
Schritt mis dem ſchwankenden Betragen und der Einfluglofig: 
Peit der vollziehbenden Perfonen, auf deren Stimme 
Alles ſich bewegen, Alles gehorhen und fih unterwerfen 
follte. 

Da alfo bie Cortes felbft nicht alle Triebfedern anfpanın 
ten, um ihre Konftitution in die vollfte Ausübung zu brin— 
gen, fo fragt ſich, ob der König, wenn er fie nah Vor 
ſchrift der Verfaſſung in’s Spiel gefegt hätte, vielleicht mehr 
im Stand gewefen wäre, mit Würde, Nahdrud und Si: 
cherheit zu regieren. 

Dan Panır diefe Frage unter einem doppelten Ge: 
ſichtspunkte unterſuchen, weil aud bie Mittel, welde ber 
koͤniglichen Regierung zur Vereinigung der Intereffen des 
Throns und der Nation mit den Ausſopruͤchen der Konſtitu— 
tion zu Gebote fiehen, doppelter Art find. Die ei— 
nen liegen in der budhftäbliben Befolgung der Kon: 
flitution, bie andern in der Auffaffung ihres Gei— 
flieg, mo esndthig ift, den übeln Wirkungen der buch ſtaͤb⸗ 
lich en ‚Auslegung vorzubeugen. 

In Hinſicht der Mittel erfirer Art bin ich der Met 
nung Sener, die behaupten, daß die Konflitution die Grund: 
fieffe ihres Todes bereits im fih trug, weun man fie buch— 
ſtaͤblich befolgen wollte. - Die fpanifben Gefesgeber ha: 
ben zwar nicht, wie die franzöfifhen, Anſpruch auf Unfehle 
barkeit gemacht, fondern eigens Borforge für die Möglich: 
keit künftiger Nevifion ihrer Arbeit getroffen; allein man 
hätte fo viele Artifel umändern und wegſchneiden miüffen, 
baß am Ende das Uebel nur dur eine gänzliche Auflöfung der 
Konftitution zu heben gewefen wäre. 

‚Ein fold’ verzwäfelter Ausweg konnte von Niemanden 
gebilligt werden, der, fich erinnernd, daß die Nation fo eben 
aus einer heftigen Krifis hervorging, nicht ohne Grund fürds 
tete, daß eine neue Desorganifation auch neue Erfihäfterums 


62 Spanien am Anfange des Jahres 1814, 








gen und Unruhen nach fi ziehen koͤnnte. Man muffte daher 
wuͤnſchen, daß bie Negierung zu ben Mitteln der zwe y— 
ten Art ihre Zuflucht nahme; daß fie dem UWebelftande ei=- 
ner buchſtaͤblichen Auslegung durch Auffaſſung des Geiſtes 
der Konſtitution abhuͤlfe. Unter dieſen Mitteln ſteht oben 
an die Leichtigkeit, welcher die vollziehende Macht genießt 
durch Austheilung von Gnaden und Aemtern den Willen ei— 
ner großen Zahl zu gewinnen, za leiten. Dieſes Mittel 
wird um fo wirffamer bey einem gefeggebenden Körper, deſ⸗ 
fen Glieder, um wählbar zu feyn, nicht nothwendig Eigen= 
thum befigen müffen; wo die Mehrheit der Stimmen bey 
Abfaffung der Gefege entfbeider, und wo die Dauer der Ver: 
richtungen eined Geſetzgebers auf zwey Jahre befhränft ift. 
Gewährte ſchon die fpanifhe Verfaffung der Regierung bie: 
fen einen Ausweg, den fie mit andern repräfentativen Regie: 
rungen gemein gehabt hätte, und legtere mit vielem Nugen 
anwenden, fo bot noch insbefondere die Zufammenfeßung der 
Cortes einen andern dar, der mit nicht weniger Erfolg er: 
griffen werden Fonnte. Die Deputirten der amerikaniſchen 
Befigungen wären, ber weiten Entfernung und der innern 
Gährung jener Provinzen wegen, auf lange Zeit hin nicht 
zu erneuern geweſen; ihre Erfegung durch Stellvertres 
ter oͤffnete folglid der Regierung ein weites Feld, ihren 
Einfluß auszuüben. Ueberdies haben die Deputirten ‚der aſia⸗ 
tifben und amerifanifhen Befigungen oft Intereffen zu ver: 
theidigen, welche denen der europäifben Spanier entgegen: 
gefegt find; die Regierung hätte fib demnach mit Vortheil 
jener bedienen fönnen, um gegen die, ihren Maßregeln wis 
derſtrebenden, europäifhen Revräfentanten ein Gegengewicht 
aufzuftellen. Die Zahl der Deputirten aus den Befigungen 

über Meer wog beynahe jene des europäifben Spaniens 

auf, und muffte fie in Friedenszeiten uͤberſchreiten. Endlich 

gewährten die Vorurtheile und die Nemterfucht der Spanier 

einen neuen Grund, zu hoffen, daß ein Monarch, der ſich 


oder Ferdinand VII. umd die Cortes. 63 





wit aler Majeftät feiner Macht umgeben hätte, leicht jeden 
Willen unter den feinigen gebeugt haben würde. 

Nach dieſen Betrachtungen, welbe es außer Zweifel 
fielen, daß die Konftitution vom Könige ohne Nactheil 
bätte benbebalten werden Pönnen, gehen wir ju dem Entſchluß 
uͤber, welchen die koͤnigliche Regierung ergriffen. 

Man muͤſſte uͤber die gefuͤhlloſe Strenge des Koͤ— 
nigs erſtannen, wenn manſnicht wuͤſſte, daß er feinen Rath 
und feine Umgebungen ausfhließlih aus Männern zufammenz 
gefest, die von den Cortes entweder mit Grund oder aus 
Partevgeift verfolgt worden waren. Bey Erwägung diefer 
Thatſache ergeben fib folgende Zweifel! 

Ob bie Raͤthe Sr. May. nicht beffer gethan hätten, ihm 
zu dienen, fiatt ihm gefällig zu feyn; ob fie nicht ihre 
perfönlise Empfindlichkeit der Pflicht hätten aufopfern follen, 
ihm alle Herzen geneigt zu machen? 

Ob die legte Verfammlung ber Cortes bie Verfolgung 
verdient, welde kaum gegen die erfie (die Fonfiituirende) 
verzeiblid gewefen wäre ? 

Ob nad al den Eidbruͤchen, al’ den Geſetz-Entheili— 
gungen, all’ ben Sitten:Berberbniffen, welde ber feindliche 
Einfall mit ſich gebracht hatte, man auch noch jene neue Eid: 
verlegung fib erlauben durfte: jene Losbindung nämlich von 
dem Schwure, der von Madrid bis Lima der neuen Konftis 
tution geleifiet worden; ob man nicht bey Vervielfältigung 
ſolcher Geſetzwidrigkeiten zu befürchten Urfache hat, es mid: 
te jenes Volk, das vor Kurzem noch das abergläubifchfte war, 
nun das fittenlofefte werden ? 

Ob es ein gutes Beyfpiel war, die Provinzen ber Pflicht 
zu überbeben, ſich für ihre Deputirten, für diefe mit ihren 
heiligſten Iutereffen betrauten Männer zu verwenden; und 
ob man fi nicht der Gefahr ausfegte, daß fie es dennoch 
thun Pönnten? — ’ 

Db es politifh war, Männer, die einer unermefflichen 


64 Spanien am Anfange des Jahres 1814, 
ge — — 
Popularitaͤt genoſſen, mit dem vollen Zauber der Verfol— 
gung zu umgeben, und es ihrer Leidenſchaftlichkeit zu über: 
laſſen, ob fie die Zeiten der Padilla und Lanufa wieder auf: 
leben machen wollten ? 

Db es weife war, die Nation zu fpalten, um bie Ver: 
fiedenheit der Meinungen beyzulegen; ob man neuen Anlaß 
zur Trauer in die Familien bringen durfte, die ſchon durch 
die treuloſe Geſchicklichkeit Napoleons genug zerriſſen 
worden? — | 

Ob es Hug war, die Konftitutien und bie Cortes als 
der Nation verhafft darzuftellen, naddem Napoleon vor 
ganz Europa gefagt hatte, daß das Verſprechen, fie aufrecht 
zu halten, als Mittel dienen könnte, die Nation zu ge: 
winnen. *) 

Ob man nicht der koͤniglichen Regierung in den Cortes 
die Ausflucht hätte offen laffen follen, auf diefe die ganze Laſt 
der finanziellen Pladereyen und al? der Nachwehen zu wäl: 
zen, die nad fo langem und fo tief eingedrungenem Natio⸗ 
nal⸗-Ungluͤck nun ganz allein auf Rechnung der Regierung ge: 
fegt werden dürften ? 

Db alle Welt bereit ſeyn werde, ben oͤffentlichen Unge: 
horſam blos der Konftitution zuzuſchreiben, während beyde 
nur die Folgen einer und derfelben Urſache find, der unglüd: 
lihen Lage, in der fih die Nation befand ? 

Ob man zu fo vielem Stoff des Mißvergnuͤgens auf 
noch die Verlegung jener Eigenliebe hinzufügen muffte, die 
fih durh das populäre Syſtem der Munizipal: Wahlen ge: 
fhmeidelt fand ? 

Db man die Unternehmungen des Handels durch gänzli- 
ben Umfturz des von den Gortes aufgeftellten Fiskal- und 
Staats-Kredits-Syſtems in Unruhe fegen durfte ?° 


Ob 





*) Briefwechſel zwiſchen dem Miniſterium Napoleons und 
Lord Caſtlereagh 1812. 


oder Ferdinand VIT. und die Cortes. 65 








Ob man nicht befürdten muffte, das Mißvergnuͤgen in 
Amerika durch Vernichtung einer Konftitution verdopveln zu 
feben, welche den Anfprühen jener Gegenden günftig war, 
und fie gleichſam volljährig erflärt hatte 7 

Ob der Umftand als geringfügig angefehen werden durf⸗ 
te, daß die Konftitution von jenen Mächten war anerkannt 
worden, die am meiften zur Freyheit Europas beygetragen, 
und fo ebelmüthig in die Ausdauer der Spanier vertraut has 
ben; ob man nicht einigen Anftand hätte nehmen follen, die 
Diplomatit der ruhmvollften Epode Spaniens zu zerreißen ? 

Db man hinlänglich in Erwägung gezogen, daß der Ums 
ſturz der Konftitution die Anſpruͤche der ausmärtigen Politik, 
befonders jene, die auf die Thronfolge in Spanien Bezug 
haben, wieder aufleben maben könne ? 

Ob die koͤnigliche Regierung nicht ſtufenweiſe das Uebel, 
was die Neuerer dur ihre Erfbütterung verurfahten, hätte 
. gut maden , und ausbeffern ftatt zerfidren ſollen? 

Endlib, ob der König, da er doc felbft in feiner Ers 
klaͤrung die Nothmwendigkeit anerkannte, der Nation eine, 
den Kortfhritten der Aufklärung in Europa angemeffene, 
Konftitution zu geben, nicht die von den Cortes aufgeftellten 
Grundfäge hätte beybehalten Pönnen, da man doch nicht um⸗ 
bin fann, fie anzuerfennen und in Wirkſamkeit zu feßen; ob 
er nicht auf diefe Art die Ueberlegenheit einer Autorität härte 
entwiceln koͤnnen, die gefegmäßig, Mug, weife und erhal: 
tend, es nicht verſchmaͤht, mit den Mißbraͤuchen fib abzufins 
ben; die nichts übereilt, und nicht lieber das Dafenn der Nas 
tion auf das Spiel fegen, als auf einige Orundjäge verzichs 
ten will. 

Man zählt vielleicht mit zu großer Sicherheit auf bie 
Zufammenberufung neuer Cortes; wann werden fie ſich vers 
ſammeln fönnen, da die Einberufung: Befehle vorläufig den 
Provinzen über Meer. die man bey der Bildung der 
neuen Nationai:Revräfentarıon mitbegreifen will,  mirges 

Europ. Annalen. zted Sıud. 1815, * 


66 Spanien am Anfange des Jahres 1814, 








theilt werden follen? Und will man die Konftitution 
der vergangenen Jahrhunderte beybehalten?" Aber ein Wort 
ohne Sinn ift der Name einer Sache, die nie in Spanien 
beftanden bat. Wenn die konſtituirenden Cortes in ihrer 
Einleitung gefagt haben, daß ihr Konftituiion:Ents 
wurf nichts enthalte,- was ſich nicht fhon in den verfhiebnen 
fpanifhen Geſetzbuͤchern fände, fo bemeifet diefe Stelle bie 
Schwierigkeiten, mit denen jede vorübergehende Macht zu 
tämpfen, und die Kunftgriffe, die fie nöchig hat, um ihren 
Befehlen Ahtung zu verfhaffen. Im Angefiht der herrſchen— 
den Vorliebe für eine repräfentative Regierung; im Augen 
blicte, wo das dumpfe Geräufb (le bruit sourd) von 
dem Meder ſprach, ber allgemeine Ruf geworden ift, 
und leicht in ein allgemeines Lofungwort übergehen koͤnnte, 
will man es über fih nehmen, die Spanier mit einer Natios 
nal:Repräfentation zufrieden zü fielen, aus einer Pleinen 
Zahl Prokuratoren beftehend, die, unter bem unmittelbaren 
Einfluß des Souveraind erwählt, von Zeit zu Zeit die Bes 
{werden ihrer Provinzen zu ben Füßen des Thrones nieder: 
legten? Oder will man die Volks-Wahlen aufrecht erhals 
ten? Aber läuft man im legterm Falle nicht Gefahr, daß 
mehrere Städte und Provinzen die Deputirten der aufgeldds 
ten Cortes wieder wählen? Die Maßregel der Auflöfung, 
obgleich durch die Rechte anerkannt, dürfte dennod nicht oft 
mit Erfolg wiederholt werden fönnen. 

Des Königs Raͤthe müffen doch aud die Bemerkung ges 
macht haben, daß die Erſchuͤtterung, in der die Welt ſich befin= 
det, unter die Regierungen eine neue Art von Nebenbuhlerey 
gebracht habe, und einen neuen Beweggrund, fi gegenfeis 
tig zu beargwähnen und zu beobachten, auf baß nit eine 
liſtige Politit das Korn der Zwietracht zwiſchen Zürften und 
Unterthanen ausftreue. Se. Maj. hat zu laut geflanden, 
daß fie die Wiedererlangung ihrer Vorrechte dem Deere und 
den privilegisten Klajfen verdanke; wäre es nicht möglich, 


oder Ferdinand VII. und die Cortes. 67 











daß jie fih zwar den Anfprüchen des Volks entzogen hat, 
aber dafür die Sclavin der bewaffneten Macht und der Pris 
vilegien zu werden beftimmt ift? 

Gegen alle dieſe Betrachtungen, bie von einer gewalt⸗ 
thätigen Auflöfung der Lonftitutionellen Regierung hätten abs 
halten follen, führe man den allgemeinen Willen an. 
Diefes Wort täufht Niemanden mehr. Es ift eine geſchmei⸗ 
bige, dehnbare, fantaftifhe Aegide, die ſchon zu viel Wer 
breben, Greuel, Ungereimtheiten gededt hat. Der Klang 
ber Waffen und die Proferivtion: Tafeln machen den allge 
meinen Billen bald den Weg einfblagen, den ihm die 
Gewalt und bie Leidenfbaften vorzeihnen. Wäre es auf 
die allervortrefflichſte Konftitution geweſen, welche die Gors 
tes gegeben, fie hätte dennoch auf Peine allgemeine Beyſtim⸗ 
mung, auf feine allgemeine Wertheidigung rechnen können. 
Eine folde Huldigung ift nur das Vorrecht von Inftitutionen, 
bie mit Hülfe der Erfahrung oder der Gewohnheit der Ges 
genftand der Verehrung oder des Vorurtheild geworden. 

Man führt an, das Volk habe die Dentmale zertriim- 
mert, die man zu Ehren der Konftitution errichtet. ber 
fo lange jenes Volt, das Godopy beftrafte, feinen Une 
willen nist gegen lebende Weſen, gegen die Profcribirten, 
baut werden laͤſſt, fo lange wird es erlaubt zu zweifeln, ob 
es der Zertruͤmmerer war, 


— r r—r — 


Man hat die Cortes, beſonders in einigen engliſchen 
Blättern, mit ſchwarzen Farben gemahlt. Das Obenſtehen⸗ 
de iſt für unbefangene Männer geſchrieben, die unterſuchen 
und prüfen, che ſie verdammen. 





- 


| 68 Spanien am Anfange bes Jahres 1814, 





Proklamation des Koͤnigs von Spanien, aus 
Valencia vom 4. May 1814. 


Da jener hoͤchſtanziehende Aufſatz großentheils fih um 
die von Sr. Fatholifhen Maj. aus Valencia unterm 4. May 
1814 an bie Spanier erlaffene (von Hrn. Larbizabal ab: 
- gefaffte) Proflamation herumdreht, fo liefern wir, zur bef: 
fern Verſtaͤndniß jenes Auffages, diefe merkwuͤrdige, mod 
in keinem Blatte vollftändig erfhienene, Urkunde. hiermit 
dem Publitum. Sie gehört mit zu den Stimmen ber Zeit, 
die, von Seiten der Beherrfhten und von Seiten ber Herr: 
ſcher fih erhebend, gegenwärtig fo gewaltige Diffonanzen 
bilden. Wann, wo und wie fi er Mißtoͤne in Harmonie 
auflöfen werden? — 


% % %* 


Der König. 

Seit jenem Zeitpunfte, wo bie göttliche Fürfehung, 
in Folge der freywilligen und feyerliben Thron : Entfagung 
meines erlauchten Waters, mich auf den Thron meiner Väter 
fegte, zu dem ich nach den alten, von den in Corte verei- 
nigten Volks-Repraͤſentanten aufgeftellten, Geſetzen und 
Gewohnheiten bed fpanifhen Volks berufen bin; feit jenem 
gluͤcklichen Tage, wo ih in die Hauptſtadt einzog, begleitet 
vom Zuruf meines getreuen Volks, deffen Freude und Liebe 
die unter Freundes:Larve mich umgebenden franzöfifchen Fein: 
be außer Zaffung brachte, und ihnen ein Vorgefühl gab- von 
dem, was ein heroiſches Volk, beyfpielgebend allen übrigen 
Provinzen des Reihe, für feinen König und feine Ehre in 
der Folge unternehmen würde: — feit jenem Tage habe ih 
den feften Entſchluß ergriffen, um fo viele Proben von Treue 
und Redlichkeit zu erwiedern, und bie einem guten König ge: 
gen fein geliebtes Volt obliegenden Pflichten zu erfüllen, alle 
meine Zeit und alle meine Talente auf Gutmachung ber Webel 


oder Ferdinand VII. und die Cortes. 59 





zuvermenden, die der verderblihe Einfluß eines Guͤnſtlings 
unter der vorigen Megierung ihm verurfaht hatte. Als ich 
zum erſten Male den Zügel der Regierung ergriff, war mei⸗ 
me erfte Hantlung: verfbiedene Magiftrate und Staate:Be: 
amte, die man ihrer Stellen beraubt hatte, wieder einzus 
feßen; allein die ungluͤcklichen Zeitumftände und die graufame 
Zreufofigteit Bonaparte’s, gegen bie ich vergeblich meine 
Bölfer durch meine Reife nah Bayonne zu fhügen fuchte, 
hinderten mich, mehr zu thun. Als die ganze koͤnigliche Fa: 
milie in jener Stadt verfammelt war, beging man gegen bie 
felbe und gegen meine Perfon ein fo abfdeufihes, in Neben: 
umftänden und Folgen fo beweinenswärdiges Verbrechen, 
daß die Geſchichte gebildeter Voͤlker kein Benfviel eines aͤhn⸗ 
lichen aufweifen ann. Man verlezte das heiliafte Voͤlker⸗ 
Rebt, beraubte mich meiner Krone und der Megierung mei— 
ner Reiche. Man brabte mich, meine Brüder und meinen 
Ohbeim in ein Schloß, das uns ſechs Jahre zum Gefaͤngniſſe 
biente. In Mitte diefer Trübfal blieb die Liebe und Treue 
meiner Unterthanen meinem Gedanken immer gegenwärtig; 
am meiften aber betrübte meine Seele die Worftellung ber. 
Drangfalen, benen fie vreisgegeben wären, von Feinden um: 
rangen; obme Mittel zum Widerftande; ohne König; ohne 
eine Regierung, die, früher aufgeftellt, die Nationalfräfte 
hätte zufammenziehen, die Staare:Hülfquellen hätte benugen 
tönnen, um bie fürdterliben Heere zu befämpfen, die in je: 
nem Yugenblide die Halbinfel uͤberſchwemmt und ſich ber 
wichtigſten Fefiungen dur Treulofigkeit bemädtigt hatten. 
In einem fo traurigen Stande ber Dinge, umgeben von 
Machen und Auffehern, fertigte Ib, in ber einzigen mir da> 
mals mögliben Form, und als das einzige mir übrig gebliebe: ‘ 
ne Mittel, das Dekret vom 5. May 1808 aus; ich richtete 
es an den Rath von Gaftilien, oder in feiner Ermanglung an 
jene Reichs-Behoͤrde, die noch frey wäre, auf daß die Cor⸗ 
tes zufammenberufen würden, Diefe follten fi ein: 


zo Sranien am Anfange bes Jahres 1814, 











zig mit den Mitteln befhäftigen, Geldbeyträge zu erheben, 
und die Streitfräfte zur WVertheibigung des Koͤnigreichs zu 
organifiren; fie follten in fortbauernder Gigung bleiben, 
um jeden neuen Bebürfniffe nab Drang der Umftände abzu- 
helfen. Aber unglüdliver Weiſe wurde mein Pinigliches 
Dekret damals nicht befannt, und als es fpäter befannt wur- 
be, hatten die Provinzen, auf die erſte Nachricht von ber 
am 2. Man zu Madrit von dem franzsfifhen Heerführer ver- 
anlafften Kataftrophe, bereits für ihre eigne Regierung mit- 
telſt Aufftellung von Provinzial: Suntas Vorfehung gethan. 
In jener Zeit fiel die ruhmvolle Schlacht von Bayten. Die 
Franzoien flohen bis Vittoria. Alle Provinzen und bie 
Hauptſtadt riefen mich aufs Neue zum König von Kaftilien 
und Leon aus, in der feit meiner erlauchten koͤniglichen Ahnen 
Zeiten herkoͤmmlichen Form; eine Thatfabe, die offenfundig, 
durch die damals gefchlagenen Dentmünzen beurfundet, und 
durch jene lauten und einmürhigen Beweiſe von Liebe beftätige 
worden ift, die ih von meinen Voͤlkern auf meiner Rüdreife 
aus. Franfreih aller Drten empfing, welde bie ganze Em- 
pfindfamkeit meines Herzens aufregten, und die in mein Ge⸗ 
daͤchtnis für immer gegraben bleiben werden. Hierauf bil: 
bete fib eine Sentral:Funta aus den Abgeordneten der Pro= 
vinzial-Juntas. Jene Junta übte in meinem Namen bie 
fouveraine Macht vom Sentember 1808 bis Jänner 1810 
aus, Zu diefer Zeit wurde der erfte Regentfhaft:Rath auf- 
geftellt, der die fouveraine Macht bis zum 24. Sertember 
deffelben Jahre ausübte, Sodann wurden in der Inſel von 
Leon die allgemeinen und außerordentlihen Cortes zufam= 
menberufen, Dieſe Cortes beftanden aus 104 Abgeordneter, 
nämlih 57 Eigenthümern, und 47 Stellvertretern. Sie 
leifteten einen Eid, dur& den fie fhwuren, mir als ihren 
Souverain alle meine Staaten zu erhalten; diefe Akte iſt 
durb D, Nicolas Maria de Sierra, Staats:Sefre: 
tair der Gnaden ‘und der Gerechtigkeit gefertigt, Uber, 


oder Ferbinand VII. und die Cortes. 97° 





trog dem förmlihen Befehle der Gentral:Junta, wurde weder 
ber Adel noch die Geiftlihfeit zu diefen außerorbentli: 
hen Eortes berufen; überhaupt wurden Legtere nicht auf 
jene Art verfammelt, die in den ſchwierigen und ſtuͤrmiſchen 
Zeiten der Minderjährigfeit der Könige gebräubli war, wo 
man immer bie Gewohnheit hatte, eine größere Anzahl von 
Abgeordneten zu berufen, als zu den ordentlihen Cortes. 
Man bemühte ih, dem Regentfhaft:Rarhe das Dekret ber 
Eentral-Junta geheim zu halten, wodurch jenem Rathe der 
Borfis im den Eortes zuerfannt wurde; ein Vorrecht ber 
Souverainetät, welches die Regentfhaft nit der neuen 
Berfammlung überlaffen haben würde, wenn fie Kenntniß 
von jenem Defrete gehabt hätte. So wurde denn Alles ber 
Wilfür der Cortes überlaffen, deren erfte Handlung — am 
Zage ihrer Einfegung felbft — gewefen, mid der Souve: 
rainetät zu berauben, die furze Zeit vorher diefelben Abge: 
ordneten, als meiner Perfon anflebend, anerkannt. hatten. 
Zwar theilten fie, dem Namen nah, diefe Souverainetät 
bem Bolte zu; allein bas war nur ein Vorwand, um die: 
felbe ſich felbit zuzueignen. Unter dem Schutze biefer Ge: 
mwaltthätigfeit gaben fie Spanien bie willfürlihften Gefege, 
uud verpflihteten es, eine neue Konftitution anzunehmen, 
bie fie, ohne eine Vollmacht weder von den Provinzen, noch 
von den Voͤlkern, noch von ben Provinzal:Funta’s zu haben, 
ohne bie ftellvertretenden Abgeordneten von Spanien und den 
beyden JIndien in Kenntnig zu feßen, befretirten, ſanktionir⸗ 
ten und 1812 verfündeten. 

Diefes erfie Vergehen gegen die Vorrechte des Throne 
— Folge eines firafwürdigen Mißbrauchs des Namens ber 
Ration! — war gleihfam nur das Vorfpiel und die Quelle 
ber nachfolgenden. Trotz ber Widerfegung einer Anzahl, oft 
der Mehrheit der Abgeordneten, bewirkten bie Drohungen 
und bie Heftigteit des auf den Tribunen verfammelten Wolfe 
die Annahme von Gefegen, die man ©rundgefeße nannte, 


72 Spanien am Anfange bed Jahres 1814, 








was in der That weiter nichts als das Merf einer Partey 
war, wurde als der Ausbrud des allgemeinen Willens vers 
kuͤndet; und doch war es nichts ale der Wille einiger Aufruͤh— 
rer, bie Anfangs zu Gadiz und dann zu Madrit die guten 
Bürger durch Schreden im Zaum hielten. Diefe Thatiaben 
find fo weltbefannt,, daß fait Niemand fie nit kennt; die 
Zagblätter der Cortes ſelbſt koͤnnen jie beftärigen. 

Diefe dem fpanifben Volk fo fremde Art von Gefeßge: 
bung brachte jene Gefege in Vergeifenheit, die es einft fo 
glücklich und fo geachtet gemadt hatten. In der That wur: 
den alle Grundlagen der alten monardifcen Konftitution 
umgeftoßen, und indem man die revolutionären und demo— 
kratiſchen Grundfäge der franzsfifben Konftitution von 1791 
nabahmte, und felbft jene der in Cadiz entworfenen aus— 
ſchloß, fanftionirte man die Grundgefege — nicht einer ge: 
mäßigten Monardie, — fondern einer Volks-Regie— 
rung, deren Oberhaupt weiter nichts als ein Beamter, aber 
nicht ein König wäre; man gibt ihm zwar den Titel: König, 
aber blos um unvorjichtige und argwohnlofe Menfben zu ver: 
führen. Die Gewalt allein erzwingt ed, daß man diefer 
Konſtitution ſchwoͤrt; man weiß, was dem ehrwürdigen Bi: 
ſchof von Drenfe begegnete; man kennt die Drohungen, bie 
man gegen Jene fi erlaubte, welche den Eid verweigerten. 

Um die Gemüther zu bewegen, ohne Mißtrauen fo ges 
fährlide Neuerungen aufzunehmen, als befonders jene wa: 
ren, bie auf meine Perfon und auf die Vorrechte des Throne 
Bezug hatten, bedient man ſich der Öffentliben Blätter, an 
denen feibft mehrere Abgeordnete mitarbeiten; man bemüht 
fib, die koͤnigliche Macht verhafft zu machen, indem man des 
Thrones Rechte Desvotismus nennt, die Worte König und 
Desvot für gleihbedeutend erflärt, und alle Könige Tyran⸗ 
nen ſchilt. Mean verfolgt zu gleicher Zeit auf die graufamfte 


Art Ale, die den Muth haben, diefe Neuerungen zu be: 


kaͤmpfen, und fib jener anarchiſchen und aufrührifhen Spra— 
che zu widerfegen. Meberall hängt man Demofratismus zur 


oder Ferdinand VII. und bie Cortes. 73 





Shaun aus; man ändert Alles, was an den Namen des Kb: 
nigs erinnert; bie Deere, die Anflalten, die feit fo langer 
Zeit durd den Titel koͤniglich fi geehrt fanden, werden 
national genannt; und fo betrügt ‚man das Wolf, dag, 
trotz biefer treulofen Umtriebe, feine natürliche Redlichkeit und 
den Übel feines Charakters beybehalten bat. 

Ich erfuhr alle diefe Umſtaͤnde feit meiner glüdlicen 
Kuͤckkehr in's Vaterland dur eigne Beobahtung und aus 
den Öffentliben Blättern, in die man ohne Scham fo grobe 
und fo niederträhtige Auffäge über meine Zuruͤckkunft und 
meinen Charakter eingerüdt bat, daß ſie, abgefehen von 
meiner Perfon, im Hinficht jeder andern, ſchwere, der 
firengfien Zühtigung wuͤrdige, Beleidungen wären. Solche 
anerwartete Unbilden haben mein Herz mit Bitterfeit erfüllt; 
nidts fonnte mich tröften,, ald die Beweife von Liebe meiner 
gerreuen Untertanen, die nad meiner Ankunft feufzten; 
hoffend, meine Gegenwart werde den Leiden und der Unter> 
drüdung ein Ziel fegen, unter welchen Iene ſchmachteten, 
die das Andenken arı meine Perfon und den Wunfh nah dem 
wahren Glüd des Waterlandes bewahret hatten. Ich ver; 
forehe und ſchwoͤre euch, aͤchte und. redlibe Spanier! daß, 
(0 wahr ih Mirleiden trage mit Euren Leiden, ihr in euren 
Hoffnungen nicht getäufht werden follt. Euer Souverain 
will ih für eub ſeyn; ich feße meinen Ruhm bdarein, der 
Souserain eines heroiſchen Volks zu ſeyn, das durch unfterbs 
lite Thaten die Bewunderung aller andern erobert, und 
feine Frerheit und Ehre bewahrt hat. Ich haffe, ich verab- 
ſcheue den Desvotismus; eriftweder mit der Aufklärung noch 
mit der Ausbildung ber Voͤlker Europas verträglib. In 
Eranien waren die Könige nie Despöten; weder die Gefege, 
noch· die Verfaffung des Reichs haben je ben Despotigmus bes 
rehtigt, obgleich man ungluͤcklicher Weife dafelbft, wie überall, 
Mißbraͤuche der Macht geſehen, die feine menſchliche Vers 
faffung je ganz wird Kindern können, weil Alles, was 


74 Spanien am Anfange des Jahres 1814, 





menſchlich, Mißbraͤuchen unterworfen ifl. Hat ed nun in 
Spanien welde gegeben, fo ift das nicht die Schuld feiner 
Verfaſſung, fondern die der Perfonen und der Umftände. 

Sndeffen, um jenen Migbräuden, fo weit es menfdh- 
licher Klugheit möglich ift, zuvorzufommen, und zugleich die 
Ehre der Pöniglihen Würde und ihre Rechte zu erhalten, 
(denn fie hat die ihrigen, fo wie das Wolf die feinigen, Die 
gleihermweife unverleglich find,) werde ih mit, den Abgeordnne- 
ten Spaniens und der Indien unterhandeln in regelmäßig 
verfammelten Cortes, die ich aus beyden Reichstheilen zufam: 
menberufen will, fobald id die Ordnung und die weifen Ge: 
wohnheiten des Volks, die mit feiner Zuſtimmung die KR: 
nige, unfre erlauchte Vorfahren, eingeführt haben, wieber 
bergefiellt haben werde. Man wird alsdann Präftig und ge: 
feglih Alles in Ordnung bringen, was. zum Mohlfeyn mei: 
ner Reiche beytragen kann, auf daß meine Unterthanen glüd: 
ih und ruhig unter dem vereinigten Schuße einer einzi: 
gen Religion und eines einzigen Souveraing 
leben mögen; dies find die einzigen Grundlagen ber 
Wohlfahrt eines Könige und eines Reihe, die vorzugsweife 
ben Ehrennahmen katholiſch führen. Alsdann wird man 
fid mit den beften Maßregeln zur Zufammenberufung der 
Cortes befhäftigen, welche, wie ich hoffe, das Wohl mei: 
ner Unterthanen beyder Hemisphären auf feftem Grunde Bes 
gründen werben. 

Die Freyheit, bie perfönlihe und eöniglice 
Sicherheit werden dur Gefege verbürgt werden, welche, 
die oͤffentliche Ordnung und Sicherheit ſchuͤtzend, allen mei: 
nen Unterthanen jene weife Freyheit laffen werden, wodurd 
fi$ eine gemäßigte Regierung von einer despotiſchen unter- 
fheidet, Allen wird es frey ftehen, durch die Preffe ihre 
Gedanken und Ideen fich mitzutheilen, wobey fie fih in je: 
nen Schranfen halten werden, welde die gefunde Vernunft 
ihnen vorfpreibt, damit jene Freyheit nicht in Zügellofigkeit 


sber Ferdinand VII. und die Cortes. 75 











ausarte, denn man darf vernünftiger Weiſe in Peiner gebilde: 
ten Regierung es bulden, daß man die der Religion ıfnd der 
Regierung fauldige Ehrfurdt oder die Ruͤckſichten verlege, 
weiße fi die Menfchen untereinander ſchuldig find. 

Um allen Verdacht über Verſchlaͤuderung der Staats; 
Einkünfte zu entfernen, wird der oͤffentliche Schatz die Gel: 
der, welde für meine Perfon und meine Familie beftimmt 
find, von jenen trennen, welde die Ausgaben der allgemei- 
nen Verwaltung decken follen. 

Die Geſetze, denen in der Folge meine Unterthanen 
gehotchen follen, werden mit Beyftiimmung der Gortes abge⸗ 
fafft werten. 

Die Grundlagen, die ic hier aufftelle, geniigen, um 
meine önigliben Gefinnungen bey der Regierung, womit 
id mich belaften will, zu erfennen zu geben. Gewiß, das 
find nicht die Gefinnungen eines Despoten oder Tprannen, 
fontern eines Königs, eines Waters feiner Unterthanen. 

In Folge diefer Betrachtungen; nach eingeholter Bey: 
ſtimmung von Männern, die ſich eben fo dur Kenntniffe 
wie dur ihren Eifer empfehlen; in Erwägung der Vorftel- 
lungen, bie mir aus verfbiednen Theilen des Reichs über die 
dußerfie Abneigung der Spanier gegen die Annahme einer 
von den allgemeinen und außerordentliben Cor— 
tes defretirten Konftitution und andrer neugeſchaffnen politis 
(hen Einrihtungen zugekommen find; entfchloffen, die Uebel 
zu heben, die fie ſchon verurfachten, und die noch mehr an: 
wahlen würden, wenn ic jene Konftitution durch meinen 
Eid fanttionirte; geſinnt, mich nach den eben fo gerechten 
als wohlgegrändeten Aeußerungen bes Gemein: Wil: 
lens meiner Völker zu benehmen — erkläre ich, daß 
meine koͤnigliche Geſinnung dahin gehe, nicht zu beſchwoͤren 
und anzunehmen weder jene Konſtitution, noch irgend ein 
Dekret, es mag von den allgemeinen und außerors 
dentligen, oder yon den orbentligen gegenwärtig 


76 Spanien amt Anfange des Jahres 1814, 





verfammelten Corte erlaffen ſeyn; und ausdrädlic nicht 
jene Defrete, welde die Rechte und Vorzüge meiner Som 
verainetät antaften, die dur die alte Konftitution und die 
fo lange meine Völker begluͤckenden Gefege aufgeftellt wur— 
ben; ich erfläre ferner jene Konftitution : und jene De: 
frete als nichtig und wirfunglos für die Gegenwart und bie 
Zufunft; alle meine Unterthanen, weld’ Rang und Standes 
immer, follen nit gehalten feyn, fie zu beobachten, und 
alle Jene, die ſuchen würden, ſich gegen meine koͤniglichen 
Gefinnungen in diefer Hinficht aufzulehnen, follen ald Wer: 
greifer an den Vorrechten meiner Souverainetät und an dent 
Wohl des Volks angefehen werden. 

Ich erkläre der beleidigten Majeftät fhuldig, 
und als folcher in die Todes-Strafe verfallen, Be: 
den, der es wagen wird, durch Thaten, Schriften oder 
Worte wen immer zur Beobachtung und Vollziehung jener 
Defrete und Konftitution aufznfordern ober anzuleiten. 

So lange die Ruhe und die vor Einführung der Neue: 
rungen im Reihe beftandene Drönung der Dinge nicht wieder 
bergeftellt ift, und damit die Handhabung der Gerechtigkeit 
nicht unterbrochen werde, if es mein Wille, daß die Ge: 
richtshoͤfe und andern Behörden ihre Amts:-Verrihtungen big 
zu jenem Zeitpunfte fortführen, wo nah gepflogenem Ein 
vernehmen mit den Gortes, die ih zufammenberufen werde, 
bie Regierung meines Reichs dauerhaft begründet feyn wird; 

Am Tage, wo dieſes Dekret befannt gemacht, und dem 
Präfidenten der gegenwärtig verfammelten Corte g mitge- 
theilt wird, werden ihre Sißungen gefhloffen; ihre Wer: 
bandiungen und Berathſchlagungen, die fih in ihren Archiven 
befinden, werben von ber mit Vollziehung. diefes Dekrets 
beauftragten Perfon in Empfang genommen, und im Stadt: 
baufe von Madrit unter Siegel gelegt werden. Die Bücher 
ber Bibliothek der Cortes werben im die Pöniglihe Bibliothek 
übertragen. Ich erkläre Jeden, ber fich der Vollziehung 


\ 


ober Ferdinand VII. und die Cortes. 77 





dieſes Defrets, auf was immer für eine Weife, widerfegen 
wollte, ald Verbrecher gegen die Majeftät, und 
als ſolchen bes Todes fhuldig. Jeder vor den Gerichs 
ten des Reichs in Folge einer Verlegung der Konftitution ans 
bängige Prozeß wird von diefem Tage an aufhören. Alle 
aus gleihem Grunde verhafteten Perfonen- werden unmittel- 
bar in Freyheit gefeßt. Das ift mein Wille, der dem Wohf 
und Glid des Volks angemeffen ift. 
Gegeben zu Balencia den 4. May 1814. 
Ih der König. 
Peter v. Macan na, Sekretar des Könige, 





IV. 
Borftfellung 
an 
Seine Majeftät Ludwig den XVII. 
von Cobbet, *) 





Den 30. April 1814. 
Sire, 


Nach langen Jahren gaͤnzlicher Vergeſſenheit wird Euer 
Majeftät in London mit Glädwünfhen, mit Jubel und 





*) Diefer Aufiag ift aus der Fortfeßung des Cenſors über 
ſeht worden, welder gegenwärtig unter dem Titel! Obser- 
vations sur divers actes de l’autorite eto eto. ericheint, Die 
Heranögeber, Hr.. Comte und Dunoyer, zeigen an, daß 
er aus einem engliihen Journal gezogen, und in den Lettres 
philosophiques,, fo mwie fie ihn liefern, abgedrudt fen. Gr 
bat in Yaris fehr viel Aufieben erregt. Wir bezweifeln jes 
doch mit ziemlicher Gewißheit, daß er von dem engliichen 
Publiziten Cobbet berrühre, befonderd wenn wir das Das 
fum befielben mit den darin befindliben Anfpielungen auf 
mehrere jpäter erfolgte Ereigniffe vergleichen, 


78 Vorſtellung an Se. Maj. Ludwig XVII. 








Jauchzen aufgenommen. Sie genießt der beſondern Ehre; 
den Pinigliben Wagen zu befteigen, und von acht Staats: 
Pferden gezogen zu werben, ein prädtiger Zug begleitet Sie 
vorn und hinten; ber Prinz Regent und feine Großwärden: 
"träger find in Ihrem Gefolge; eine Ehrenwache dient Ihr 
zur Bedeckung; ein zahlreiher Adel umringt Sie; mehrere 
Taufende der ſchoͤnſten Kutſchen befinden fih auf Ihrem We: 
ge, der mit Blumen beftreuet ift; Qunberttaufend Stimmen 
feyern Ihren Triumph; auf allen Punkten begegnen Ihre 
Blicke weißen Fahnen; kurz, Alles, was die lebhaftefte 
Sreude zu bezeigen vermag, Alles, was die hoͤchſte Achtung, 
die tieffte Ehrfurdt und die aufritigfte Freundſchaft augzu= 
drücken im Stande ift, wird an Euer Majeſtaͤt in demfelben 
Lande verfhwendet, wo man Ihr mehrere Jahre hindurch 
erlaubte, in WVerborgenheit zu leben. Diefer Abfland bar 
in Dero Gemüth eine fonderbare Wirkung erzeugen müffen ; 
und wenn es erlaubt wäre, darin zu lefen, fo würde man 
gewiß darin finden, dag Euer Majeftät, dur eine lange 
Erfahrung gereift, den wahren Werth diefer aͤußern Ads 
tung: und Freundfchaft: Bezeigungen zu fbäßen gewuſſt; 
man würde fehen, daß Sie fi erinnert, wie das Volt diefer 
nämliben Hauptſtadt nah bem Frieden von Amiens von dem 
Magen des Gefandten Bonaparte’s die Pferde abfpann: 
te, um ihn im Triumph einige Meilen weit fortzuziehen. 
Euer Mageftät kehrt zu einem Volk zuruͤck, welches fi 
ſehr von dem unterſcheidet, was Sie verlaffen hatte. Vor 
ber Revolution waren die Franzofen für ung ein Gegenſtand 
bes Spotts; wir nannten fie Sclaven. Slie haben diefen 
Schimpfnamen abgewaſchen; ohne durh Könige, Adliche 
noch Priefter regiert zu werden, haben fie uns Achtung, und 
felbft Furcht abgezwungen. Eine folbe Veränderung ift durch 
eine Revolution (Staate:Ummandlung) nicht zu theuer erfauft 
worden. Wenn die Schriftiteller, die das Gewerbe treiben, 
bem eiteln Stolz unfers Pöbels zu fhmeiheln, das Elend 


von Cobbet, 79 


—— —— —— —— — — — — 
und die Erbaͤrmlichkeit zu ſchildern haben, werden ſie nicht 
mehr die Kleidung und den Namen eines Franzoſen dazu 
brauchen können. 
Wenn Euer Majeftät beſchloſſen hat, Sranfreich eine 
freyfinnige (liberale) Regierung: Verfaffung zu geben, fo 
wird feine Wiederherftellung ein Gluͤck für die Welt feyn; 
wo nit, fo wird Sie vergebens neues Elend auf altes haͤu— 
fen, denn früher oder fpäter werden die Grundfäge der Frey. 
beit triumphiren; der menfhlihe Geift kann nicht ruͤckwaͤrts 
gehen; was der Menfch gelernt hat, das kann er nicht vers 
lernen; und fein einziger unterrichteter Menſch in Europa, 
felbft nidt unter den kriechendſten Hofleuten, glaubt im feir 
nem Herzen und Gewiffen, daß die Nationen um der Könige 
willen da jind. Euer Majeftät wird eine Nation wiederfes 
ben, bey welcher die entgegengefegten Grundfäge tiefe Wurz 
zeln geſchlagen haben; es ift in der That eine ganz neue Nas 
tiou, über welche Gie regieren wird, und die Geſchichte 
lehrt, dag Wiederherfiellungen eben fo wenig als unredts 
mäßiger Befig gegen bie Streiche der oͤffentlichen Meinung 
gefihert find. | 
Ich befürdte, daß Euer Majeftät auf Leute floße, bie - 
Ihr anrathen, aus Ihrer Wiederherftellung die Wiederein- 
führung aller Mißbraͤuche zu machen, welche die erfte Urſache 
der franzöfiigen Revolution waren. Gie werden Ihr fagen, 
daß bie alte Regierungform fih mehrere Jahrhunderte bins 
durd erhalten bat, ohne von VBolfd:Bewegungen erfhüttert 
zu werben, und baß fie folglih die tauglichſte Form ift, eis 
ner andern Revolution vorzubeugen; nah freyfinnigen 
Grundfägen regieren wollen, würde fo viel heißen, als die 
Jandlungen der Republikaner und Königsmörder billigen, 
und fie im Anſehen erhalten; daß die wahren und einzigen 
Zreunde Euer Miajeftät diejenigen find, die ſich Aechtkoͤni— 
glichgefinnte nennen; daß es Undanf gegen fo getreue Unter: 
thanen fep, wenn Euer Majeſtaͤt grogmüthig denen verges 


80 Borftellung an Se. Maj. Ludwig XVIII. 





ben wollte, die das koͤnigliche Anfehen zerftört, oder die Zer⸗ 
flörung zugelaffen, denen, die einen Theil Ihrer Familie hie 
gewürgt haben. Wenn Euer Majefiät in Ihrer verfönlis 
hen Kraft die Mittel hätte, dreygig Millionen Menſchen 
zu vernichten, fo wäre wenigſtens etwas Vernuͤnftiges in dies 
ſem Rathe; aber vorausgefegt, daß Euer Majeftät ed Wil⸗ 
lens wäre, fo ift ed ausgemacht, daß Sie nicht dazu die Ges 
walt bejißt. 

Das franzöfifbe Volk, welches noch von der Beränbes 
rung betäubt ift, die fib bey ihm zugetragen hat, werden 
Euer Majeftät dienfifertige Leute fagen, ſcheint zur gänzlie 
hen Wiederherftellung der alten Ordnung der Dinge geneigt; 
aber wenn Euer Maieftär fib fo fehr taͤuſchte und glauben 
könnte, daß ein Volk freywillig fih wieder Feffeln anlegt, 
fo würde Ihr das Ende der Scene Ihren Irrthum enthüllen, 
wenn ihm nit mehr abzuhelfen wäre. Das franzöfifche 
Volk hat gefoftet, was Freyheit ift; es bat bie Gewohnheit 
angenommen, zu grübeln; es hat gefehen, was es leiſten 
konnte, es ift von der hoͤchſten Verachtung für alle ariftofras 
tiſche Anmaßungen durbdrungen; es weiß aus Erfahrung, 
daß es fi gegen ganz Eurora ohne Beyhülfe angeerbter Tar 
Iente und erblichen Muthes vertheidigen Fonnte. Das eins 
zige wirffame Mittel, über ein folbes Volk friedlich zu re— 
gieren, ift, feine Zuneigung zu erwerben; es zu überzeugen 
durch kluge Mapregeln, daß es bey dem Sturze Bonapars 
te's etwas gewonnen bat; das heißt, ihm vielmehr durdh 
Thatſachen ale durch Verſprechungen fühlbar maben, daß es 
nit in den Zuftand wieder verfegt wird, den ed 1789 vers 
laffen hat; ihm durch fireng beobachtete Geſetze beweifen, 
daß es die. Früchte feiner Arbeit und feines geiftigen Fort- 
f&reitens genießen wird; fein Gebiet unverlegt erhalten; es 
mit einem Wort überzeugen, daß die Miederheritellung feis 
nem Ruhm und feinem Intereffe nicht nadtheilig wird. 


Es 


von Gobber; 81 

ö— — — — — —— 
Es gehört ein hoher Grad von Weisheit dazu, um ein 
foldes Bolt zu leiten; bie alte Regierungform ift ihm durchs 
aus nicht zutraͤglich; — hat ſie zu fehr verabſcheuen gelernt. 
Die Meine Zahl derer, die noch für diefe Verfaffung Anhängs 
Iiöteit Gaben, nähert fi dem Ende ihres Lebeus; die Scene 
ift voll neuer Schaufpieler, deren Geift bios für eine thätis 
gere und freyfinnigere Drdnung ber Dinge geftimmt if, Die 
Lage Frankreichs war vor der Revolution dergeftalt, daß dere 
jenige, der nicht eine Nenderung wünjhte, ein Schafskopf 
feyn muffte. Es gibt jedoch ſolche Menfhen, und felbft in 
England; aber fie werben ſich in ihren Koffnungen betrügen ; 
fie werben das Leidweſen haben, Zufhauer zu feyn, wie die 
Sranzofen ein freyes und gluͤckliches Wolf werden, Sie 
möchten Euer Majeftät bewegen, fie zu Sclaven zu machen; 
ihr Haß ift noch heftiger gegen bie Freyheit ale gegen Frank⸗ 
reich; fie find wüthend darüber, daß cine Revolution fi fo 
hat endigen koͤnnen, daß fie einen Vortheil über die Tyran⸗ 
ney errungen. Diefer Vortheil ift nicht fo fhnell erlange 
worden, ald es die Feinde der Unterdrücdung wuͤnſchten; 
aber wenn Euer Majeftät unter den von Ihr zugeftandenen 
Bedingungen den Thron befteigt, fo wird, Sranfreih einer 
größern Freyheit genießen als wir... Es hat einen zwey und 
zwanzigjaͤhrigen Krieg ertragen, es hat große Dpfer gebracht, 
ben edelften Theil feined Bluts vergoffen; aber es hat der 
Welt ein Beyfviel gegeben, was ein Volk vermag, wenn ed 
feine Ketten zerbrechen will; und, bey alle dem, hat es Rechte 
erobert, die einen hundertzährigen Krieg ausgleihen können, 
Das Syftem der Volksvertretung ift dafelbft eingeführt wor: 

den, und die Staats: Berfaffung ift durch den Eid verbürgt,. 
ben Euer Majeftär geleiftet hat. 
Dur die Zulaffung der Staatsbürger zu — buͤrgerli— 
chen und militaͤriſchen Aemtern, ohne Unterſchied der Reli— 
gion, begeht Euer Majeſtaͤt eine eben fo gerechte als ſtaats⸗ 
Huge Handlung. Der Glauben an die Lehre vom heiligen 

Europ. Annalen, zred Stuͤct. 1315 | 6 


82 PRorfiellung an Se. Maj. Ludwig XVII. _ 


— — — — — — —— —— ——— 
Abendmahl hat nicht die mindeſte Gemeinſchaft mit der Ab⸗ 
faſſung eines Vertrags, mit der Richtung einer Bombe oder 
mit der Auflöfung einer Rechtsfrage. 

Was die Geiftlichkeit betrifft, fo bedarf Euer Majeſtaͤt 
der ganzen Zeftigkeit Ihres Charakters, wenn Cie, wie ich 
hoffe, nicht mit dem Zehnten alle andre Immunitäten wieder 
herſtellt; Sie wird durch heimliche Raͤnke, teufliſche Schliche 
and kindiſche Schreckniſſe belagert werden. Die Kirchenguͤ— 
ter zu behalten, wird man Ihr als eines der abſcheulichſten 
Verbrechen darſtellen. Man wird bie Zuruͤckgabe, bey Ge: 
fahr, die Krone zu verlieren und die Qual der Hoͤlle ſich 
zuzuziehen, fuͤr nothwendig erklaͤren. Was die geleiſteten 
Eide betrifft, ſo wird man ſelbige fuͤr nichtig erklaͤren, ſo— 
bald fie ſich im Widerſpruch mit dem befinden, was Euer Ma: 
jeftät die Ruhe jenfeits des Grabes unfehlbar fibern fol. 

Aber die Hauptfeinde Ener Majeſtaͤt find diejenigen, 
welche ben Verſuch machen werden, Sie zu Aeußerungen des 
Despotismus und der Rache zu bewegen. Es Pann Ihr nicht 
entgangen feyn, daß es unmoͤglich war, ein ausſchließliches 
Vertrauen in die Sprößlinge derjenigen zu feßen, die mar 
ehemals vorzugsweife durch den Namen, adelibes Blut, 
auszeihnete. Wenn der Adel zar rechten Zeit einige Opfer 
gebracht hätte, fo wären die Gemüther nicht auf Aeußerſte 
getrieben worben, und Ihr erlaudter Bruder hätte feinen 
Thron behalten; aber weil er nichts abtreten wollte, fo ver: 
lor er am Ende Alles; darauf verlieffen die Adelihen ihre 
Heimath, und ruften Fremdeiherbey, um ihr Vaterland zu 
verheeren. Sie find ſcharf dafür befiraft aber keinesmegs 
gebeffert worden; und jeßt haben fie die Hoffuung, fi da: 
durch zu raͤchen, daß fie fie reizen, die Freyheir der Nation 
zu zerftören. In diefem Falle werden fie Ihr beftändig wie: 
berholen, daß Ihr Bruder das Opfer feiner Schwaͤche ward, 
und daß folglih Euer Majeſtaͤt durchaus nicht nachgeben muß. 
Sie werden ſich hüten, Sie an die wahren Urſachen diefes 


von Cobbet. 83 


ſchreckchen Auftritte, namentliö an ihre verderbliden Rath⸗ 
gebungen und ihre Selbfifubt,; zu.erinnern. Diefe für. fie 
ſchimrflichen Urfaben werden fie mit Stillſchweigen uͤberge⸗ 
ben; fie werden Sie blos auf die beweinenswuͤrdigen Folgen 
aufmerffam machen, um Ihr Mitleiden zu erregen. Wenn 
Euer Majeſtaͤt fortdauernd den Staats-Vertrag beobachtet, 
fo laͤſſt ib Beine Combination erſinnen, welche Sie verhin: 
bern Pönnta, der mädtigfie, das heißt, der geliebtefie Mo: 
narch auf der Welt zu fenn. 


Sie haben geſchickte Generale um ſich, Sie befigen. 
Männer, deren bloßer Name den Wunfh rege maben wird, 
friedlih mit Ihnen zu leben. Die Kriegs Gefangenen allein, 
melde Euer Majeftät zurücerbält, Eönnten ein Heer bilden, 
welches hinreichend wäre, Sie gegen die ganze Welt zu ver: 
theidigen. Die Nation ift aufgeklärt; der Ackerbau und die 
Künfte blühen bey ihr; fie hat nicht, wie wir, eine unge: 
heute Schuld, melde den Staat in Verlegenheit und Ver: 
wirrung fiürzt; die Bank bezahlt ihre Zettel mit baarem Gel: 
Be; fein ausſchließliches Privilegium hemmt den Kunftfleiß; 
ber Boden und das Klima find die fünften von der Welt; 
das Volt iſt dad tapferſte und geiftreichfte; die Mönde find 
aus der Gelehrten: Renublif heraus, wie aus ihren Klöftern. 


Es ift der Staatsklugheit Euer Majeftät gemäß, jeden 
Staat nah feiner eignen Weiſe ſeine Einrichtungen treffen 
zu laſſen. Frankreich muß ſich im Schoße bes Friedens aus- 
ruhen, ſein Volk das Gluͤck genießen, was es ſo ſehr ver— 
dient bat, mögen diejenigen, bie ſich vornahmen, es zu de— 
mütbigen, es zu zerfiüdeln, es um ein Jahrhundert zuruͤck— 
zufegen, ihre Angelegenheiten in Ordnung bringen, fo gut 
fie Pönnen; wenn fie es nur im Zrieden laffen, fo wird bald , 
ber übrige Theil von Europa, dur den Erfolg belebt, ſich 
beftreben, ibm nach zuahmen. 


Ich ſehe mit Bergnügen, daß bie republifanifigen Ge⸗ 


84 Borfiellung an Se. Maj. Ludwig XVIII. 








nerale in der neuen Ordnung der Dinge die ausgezeichneteften 
zu feyn feinen; das find.die Männer, welden Euer Mas 
jeftät ein vollfommenes Zutrauen ſchenken mug. Ein entare 
teter Adel, welcher die Flucht ergriffen, und fi bey Annaͤ⸗ 
herung der Republikaner in alle Winkel von Europa zerſtreut 
hat, taugt nichts für bie gegenwärtigen Zeiten. Mögen dieſe 
Ritter fih mit ihren Bändern ſchmuͤcken, und ihre alten Pers 
gamente und Wappen muftern; aber es ift zu wuͤnſchen, daß 
Euer Majeftät ſich huͤte, ihnen Ihre Armeen anzuvertrauen ; 
daß Sie fortfahren, Ihre Offiziere nah Verdienſten zu bes 
fördern; dag Sie fie nicht fragen, wer ihr Vater gewefen 
iſt; derTapferſte und Geſchickteſte ift derjenige, der Ihnen dies 


nen und von Sshnen belohnt werben muß. Eine der vorzüglichs 


fien Urfachen der erftaunend glücklichen Erfolge Bonaparz 
te’ 8 war, daß er feine Generale aus den Reihen herauszog; 
jeder einzelne Soldat konnte fi mit gleiher Hoffnung ſchmei⸗ 
deln; das wahre Verdienft war oft ber Gegenftand feiner 
Belohnungen und feines Lobes. Glüdliherweife für Frauk⸗ 
reich untergrub er es nicht, fondern griff es mit Sturm an; 
Euer Majeftät wird ſowol das Eine ald das Andere verwerz 
fen, um fo mehr, da Sie keine Anfhläge der Dligardie zu 
fürdten hat. Der neue Abel hat Peine Familie; ich will fas 
gen, jene Verhältniffe, die, durch Familien: Verbindungen 
entftanden, fih in's Unendlihe ausdehuten, und fih wechſel⸗ 
feitig unterftüßten, un das Unterdrüdung: Recht im Gange 
zu erhalten, find nit da; er kann jenen fhädlihen Einfluß 
- nicht uͤben, welcher die Menſchen durch Habſucht leitet. Der 
alte Adel iſt in der naͤmlichen Lage; die Zeit hat ihn ſo zer⸗ 
ſtreut, daß er keinen Körper mehr ausmacht, der fähig iſt, 
durch einen und benfelben Antrieb zu wirken; er wird feine 
« Gewalt über den Geift des Volks haben, der jeßt außer aller 
Gefahr if. Euer Majeftät wird alfo genehmigen fünnen, 
dag die Wuͤnſche Ihres Volks aufgenommen werden, denn 
wenn gleich die Art und Weife, wie es bey den Wahlen her: 


\ 


von Cobbet. 85 





geben wird, nicht ganz fo iſt, wie ich es gewünfct hätte, fo _ 
wird das Volk doch wenigſtens etwas babey zu fagen haben; 
es wird einiges Gewicht in der Wahl derer haben, denen fein 
Antereffe anvertraut werben wird. Auf die Art, wie bie 
Einrihtung getroffen worben ift, können die Wahlen, im 
firengfien Sinne genommen, frey feyn; fie werben alfo nicht 
mehr ein bloßes Spielwerf, ein Schattenfpiel feyn, um den 
Unmiffenden zu täufhen; ober ein Anſchein von Zrepheit, 
welcher vie Mittel, den Despotismus geſetzlich einzuführen, 
verhuͤllen fol. Gluͤcklicherweiſe find Sie der Nothwendigs 
Leit entbunden, von der Beflehung Gebrauch zu machen, 
und Sie werden ſich forgfältig hüten, ſich derfelben zu bedie⸗ 
nen; denn von dem Augenblid an, wo Euer Majeftät fi 
eines folden Mittels bediente, würde Ihr Ungläd zugleich 
mir dem Ihres Volks beginnen. Go lange ald Euer Maje- 
flär die Beftehung abwendet, und Ihre Regierung auf bie 
Wahrheit gründet, fo lange wird fie in Ihren Wahlen frey 
feyn, anf die Anhänglihfeit Ihrer Diener rechnen können. 
Im entgegengefegten Falle wirb fie felbft zum Sclaven be: 
rer werden, die von Ihr beſtochen worden find. Blos dieſe 
Menſchen und ihre Gefhöpfe werden Sie umgeben; bie 
Schamloſigkeit, der Blödfinn diefer Olygarchie werben über 
Sie herrfhen; um ihre Einwilligung zu den gerechteſten Ge: 
fegen zu erhalten, wird Sie das: Volt ihrer Plünderung 
preisgeben müffen. In diefer Lage der Dinge würde das 
Bolt blos deshalb arbeiten, um neue Mönde zu ernähren, 
die unverfhänter und zahlreiher als die ehemaligen feyn 
würden. Eine Meuge Schmaroger, von der Verderbniß 
erzeugt, würde fih über die Staats: Einfünfte herwerfen, 
wie eine Schmeißfliege über ein Has. Man würde Schwär: 
me männliger und weibliber Blutigeln entfiehen, fi ver: 
vielfältigen und immer mehr und. mehr einwurzeln ſehen, die 
über das arme Volt herfallen, es ausfaugen, über feine 
Beſchwerden fpotten, und ihm mit Hohn fagen würden, daß 


86 Borftellung an Se. Maj. Ludwig XVIII. 





ed diefes Opfer nicht ‚bedauern dürfe, ‚weil e8 um diefen 
- Preis feine Freyheit habe. 

Menn Euer Mazeftät einige Perfonen findet, die Ihr 
ein ſolches Syſtem anrathen, fo hoffe ih, daß die Gefahr 
Ihrer Einfiht nicht entgehen, und daß Sie noch geneigter 

feyn wird, ein folbes Syftem zu entfernen, als ben Apoftel 
“ einer- offenbaren Tyranney, die minder verderblih für die 
Sitten und das Antereffe des Volks, und für den Fürften 
weniger ſchimpflich iſt. Unter einem unverftellten Despotig: 
‚mus find die Menfben feine Heuchler; fie unterwerfen ſich 
der Gewalt, und verfuchen nicht, ihre Unterwerfung zu ver: 
hehlen; was Einem zu Theil wird, wird Allen zu Theil; ber 
Zürft braucht keine untergeordnete Desvoten; er beleidigt 
-Niemanden, weil er Niemanden ohne Ausnahme als einen 
freyen Menfhen anfieht. Wenn aber Euer Majeftät dur 
die Beftehung regieren-wollte, fo würde Ihr unglückliches 
Volk nichts weiter ald ein Haufen durch Spigbüberey herab: 
gewürbigten Geſindels feun; Jeder würde fih an ben Meift: 
‚bietenden verkaufen’; es wuͤrde ein allgemeiner Kampf ent: 
fiehen, wer den beften- Theil in der Plünderung davon tragen 
würde; eine ekelhafte Niedertraͤchtigkeit wuͤrde der Qaapt- 
u des Nationalcharaktere werben. 
Wenn Sie mit Geredtigfeit und Mägigung walten; 
; wenn Euer Majeftät ein wahfames Auge auf die Ehre und 
das Intereffe Frankreichs richtet, wenn. Sie zu Ihrem Belt 
mit einem Geifte 'zurädtehrt, der jeden.Gedanfen von Ahn— 
dung und Rache aufgegeben bat; befonders wenn Sie ſich 
entfhloffen zeigte, das Volk in feinen Rechten zu erhalten; 
‚nfo. bin ih gewiß, daß die nämlihen Schriften, die jetzt Aber 
. Ihre Wieberberfiellung jauchzen, Sie .in wenigen Monaten 
tadeln werden. - Die Werfaffer diefer Schriften find meer 
s Euer Majeftät, noch Dero Familie, noch dem Intereffe Der: 
rfelben zugethan. Sie»fahen, daß Sie das Dberhaupt einer 
Nation feyn würden, welche groß ſeyn muffte, weil fie „wicht 


von Gobbet. 87 





(oma feyn koͤnnte; dieſe Elenden haben aufs Neue die 
Hofnung‘gefafft, die fie im Jahre 1793 hatten, Frank; 
seih die Flügel zu befhneiben; fie hoffen, dag 
Euer Majeſtaͤt alle Mißbraͤuche der Gewalt wiederherftellen 
wird, bie damals fattfanden; daß Sie von Köpfen und Ste: 
letten Schaffote errichten, ihr Volt in bärgerlihen Zwiefpalt 
zu verwideln gefonnen ift; dag Frankreich auf folde Art abs 
gemartert, mehrere Jahrhunderte hindurch unfähig feyn wird, 
irgend eine Machthandlung auszuüben; daß Euer Majeftät 
erniedrigende Bedingungen vorfhlagen; daß Sie Ihr Kde 
nigreib fo zerfißren, verwüften, die Sittlichkeit dafelbft fo 
verderben wird, daß man es fünftig für eine Schande halte, 
darin zu leben; vorzuͤglich aber hoffen fie, dag Sie das Wort, 
ja fogar den Gedanken an Frepheit tödten werden, wovon 
der Keim früh oder fpät auf dem ganzen Erdboden fruchten 
muß. 

Sch habe das Vertrauen, daß fie fib in allen dieſen ab: 

ſcheulichen Erwartungen täufben; alsdann wird das franzoͤſi⸗ 
ſche Bolt das Mufter aller Nationen werden. Seine Spra: 
che iſt die ausgebreitetefte; es ift in den Wiffenfhaften am 
meiſten bewanbdert; es befißt im hoͤchſten Grade die -Künfte; 
es bat den fruchtbarften Boden; es lebt unter dem ſchoͤnſten 
Kimmelsfirihe; die Erzeugniffe, die es von der Natur er: 
bält, ober dur feinen Kunftfleiß bervorbringt, find bie 
manricfaltigften und bie geſuchteſten; fein Charakter ift lies 
benswürbig, und feine Tapferkeit übertrifft die aller Völker 
anf dem Erdboden. Alles, was ed vornimmt, muß von ei: 
nem großen Gewicht in der Welt feyn, und Alles, was es 
unternehmen wird, hängt größtentheils von Euer Majeftät 
ab, Deren Jntereſſe von dem. feinigen unzertrennlich ift. 
Srantreih kann nicht wirklih groß werben, ohne wahrhaft 
frey zu feyn. 

Der Schmerz, den Euer Majeftät ſich nicht enthalten 

faun zu empfinden, wenn Sie über das nachdenkt, was waͤh⸗ 


= 


—2 


ss Borftellung an Se. Maj. Ludwig XVII. 
u —— 

rend Ihrer Verbannung vorgegangen, kann Sie jedoch nicht 
ſo ſehr verblenden, daß Sie die Verbeſſerungen verkennen 
ſollte, die waͤhrend dieſer Zeit in Frankreich bewirkt worden 
ſind. Dieſes Koͤnigreich hat ſich aus dem Labyrinth heraus⸗ 
gewunden, worin ſich die Finanzen im Jahr 1789 befanden; 
feine Münze wird ohne Verluſt auf allen Märkten in der 
ganzen Welt angenommen; zahlreihe und nuͤtzlihe Manu— 
fakturen find daſelbſt in Thaͤtigkeit; der Unterricht iſt allge⸗ 
mein verbreitet, das Bettelweſen vermindert, das Eigen- 
rhum beffer vertheilt; der Kunftfleiß erfegt die Mönhs-Fauls 
heit; alle ausſchließliche Vorrechte find abgeſchafft; der Weg, 
zu Ehrenftellen und zu Vermögen zu gelangen, ſteht Allen 
- offen; die Armee ift unterrichtet und hat eine gute Manne: 
zucht; der angeborne Muth der Einwohner kann Frankreich 
gegen das vereinigte Europa vertheidigen; und ·was ben Han⸗ 
del betrifft, ſo iſt ſeine Wiederherſtellung das Werk eines 
| Monats, oder vielmehr eines Augenblicke. 

Euer Majeftät wird nicht das Intereffe Ihres Volks 
der Habſucht der benachbarten Staaten in der Abfiht aufs 
opfern ,- ſich ihre Freundſchaft zu erhalten.*) Ihre Erfahr 
rung kann ben Werth diefer Freundſchaft ſchaͤtzen, und ich 
bin gewiß, daß fie Ihr zurufen wird, daß Ihre Unterthanen 
Ihre beften Freunde find, Einer unfrer elendeſten Zeitungs 








*) Ein Theil des Publikums denft, daß die Föniglihen Minl⸗ 
nifter andrer Meinung find, So hatte der Finanz: Minifter, 
Baron Louis, die Einfuhr des raffinirten Zuderd vorges 
ſchlagen, wodurch unfehlbar die anfehnlichen Suderfiedereyen 
in Frankreich einen bedeutenden Schaden erlitten hätten. 
Die Kammer der Deputirten hat jedoch diesmal, den 23, No⸗ 
vember, ‚infofern gefiegt, daß dieſes Geſetz erſt uͤber's Jahr 
zut Sprache lommen wird. Der Finanz-Miniſter ſoll den 

Deputirten feinen Unwillen hierüber nicht auf die glimpflichſte 
Art geaͤuhert haben. Die Engländer, welche dieſer Sitzung 
beywohnten, verlieſſen ſie auch nicht mit den beſten Launen. 


von Eobbet. 89 





* fhreiber empfiehlt Ihnen, ja nit die Handlungen gewiffer 
revublitanifber Generale zu vergeffen; hat Euer Majeftät 
aber nicht andre Gegenftände in Ihr Gedaͤchtniß zuruͤckzuru⸗ 
fen? Gibt es nicht einige Perfonen, die wohl wuͤnſchten, 
dag Sie das Gedähtniß verldre? Die republifanifhen Ge: 
nerale befisen die Achtung der Nation, die Liebe des Solda— 
sen und die Bewunderung der Welt; fie: allein find fähig, 
bie Macht Euer Majeftät zu erhalten, und Sie auf dem 
Thron zu befeftigen; fie find die Feftungen, welche dem außs 
veärtigen Feinde Schrecken einjagen; ihre Namen allein find 
Armeen mwertb. Euer Majeftät muß fih alfo feft überzeus 
sen, daß Sie ihnen Ihre Gunft im Verhältniß des Grades 
von Haß ſchuldig ift, welchen die auswärtigen Schriftfieller 
auf fle zu wälzen ſuchen. 

Ich glaube, Euer Mazeftät hat nicht ermangelt, Ihre 
Philoſophie an der Art von Xheilnahme zu üben, welche Ihre 
Langen Leiden den Bewohnern diefer Stadt eingeflößt haben. 
Sie ift jest vollfommen überzeugt, daß der gemeine Haufen 
sicht der Perfon, fondern der Macht Weihrauch ftreut, und 
Daß, um biefe Macht um fo fiherer zu bewahren, man bie 
Liebe des Volks gewinnen muß, über welches man regiert. 

Ich will nicht fhließen, ohne Euer Majeftät zu bemer: 
ten, daß, indem Sie aus den Händen Ihrer Unterthanen 
der Zitel, König von Frankreich, annimmt, Sie das aus: 
ſchließliche Recht erwirbt, felbigen zu tragen. Diefer Titel 
war, vor der Revolution, eine von den Practbenennungen, 
die ſich unfer gnaͤdigſter König beylegte, welcher die Lilien: 
Blume in fein Wappen pflanzte, und der vor dem Vertrage 

von Amiens glaubte, ihn verachten zu muͤſſen, weil, wie 
man fagte, es entehrend für ihn wäre, ſich Koͤnig über ein 
fo böfes Belt zu nennen. Dbgleih diefer Einwurf nicht 
mehr vorhanden ift, fo iſt es jedoch wahrſcheinlich, daß Euer 
Majeftät im alleinigen Beſitz diefer Eigenſchaft bleiben wird; 
das ift ein Bortheil, den Sie jener Revolution verdankt, bie 


/ 


90 Sarnot. Eine biogtaphifhe Skizze. 


En — — ——— ——— 


durch Verbrechen beſudelt wurde, deren Wirkung aber ſeyn 
wird, das Schickſal des menſchlichen Geſchlechts zu verbeſ— 
fern, vorzuͤglich das des franzoͤſiſchen Volks und feines Mo: 
narchen. 





vs 
| Carneot. 
Zugleich Hauptzuͤge ſeiner Denkfſchrift an den 
König von Frankrteich. 


Eine Diograpbife Skizze.“ 





Unter allen hiſtoriſch— wichtigen Männern, die in der 
franzsfifgen Revolution eine mehr oder minder glänzende 
Rolle gefpielt haben, ift wohl Carnot derjenige, der ſich 
in feinem öffentlien Leben und in feinen Privat:Berhäftnif: 
fen immer am meiften gleich geblieben ift, und daher in Frank— 
reich ſowol ald im Ausland niemals die Achtung verloren bat, 
welche man Menfben von entfhiedenem Charafter und un: 
wanbelbarer Zeftigfeit, auch wenn man ihre volitifhen Anſich⸗ 
ten und Meinungen nit theilt, ſtets zollt, um fo mehr, 
wenn, wie bey Carnot der Fall ift, diefe Eigenſchaften 
mit feinen Talenten, mannihfaltigen Kenntniffen und großer 
Uneigennuͤtzigkeit und Redlichkeit gepaart find. Da neuere Er: 
eigniffe die.allgemeine Aufmerkfambeit wieder, freylich in.an: 
derer Hinfiht als ehemals, auf diefen Schöpfer des franzöfi: 
fhen Veititärfpftems während der Revolution gelenkt haben, 
fo mag im gegenwärtigen Augenblid eine gedrängte Ueberjiht 
feiner bisherigen Verhältniffe nicht ohne Intereſſe ſeyn. 

Carnot, der Abkoͤmmling einer angeſehenen, obgleich 
nicht ſehr bemittelten, Familie in Burgund, hatte unmittel: 
bar nach Beendigung feiner akademiſchen Studien die militaͤ— 
riſche Laufbahn gewaͤhlt, und war als Offizier in das Genie— 
korps eingetreten. Als ſolcher beſchaͤftigte er ſich, außer ſei⸗ 


Carnot. Eine biographifhe Skizze. gI 





nen Berufs-Geſchaͤften, mit mathematifben und hiſtoriſchen 
Wiſſenſchaften, und zur Erholung mit den Hafjifben Werken 
der Grieben und Römer, und den Dichtern neuerer Zeit. 
Als Shriftfieller mahte er fih dur mehrere, von Kennern 
vorzüglich geſchaͤtzte, Memoires über verfhiedne Zweige der ' 
höheren. Matbematit und durch eine vortrefflihe Lobſchrift auf 
Bauban bekannt, die mit intereffanten philofophifhen Be: 
merfungen durchwebt ift, und von der Akademie von Dijon 
gekrönt wurde. Verſchiedne, in den Parifer Mufen:Alma: 
nah und in andere Sammlungen eingerücte, poetiſche Ver: 
ſuche erwarben ihm einen gewiffen Ruf als Dieter. Die 
Akademien von Dijon und Arvas und das Parifer Mufeum 
nahmen ibn. zu einem Mitglied auf. Während der Revolus 
tion wurbe er Mitglied.der erften Klaffe des National:$n: 
ſtituts bey der Errichtung deffelben; die von biefer gelehrtem 
Ynftalt herausgegebenen Memoires bezeugen die Thätigkeit, 
mit der er während ihrer bereits nennzehnjährigen Dauer zu 
ihren Forſchungen und Arbeiten mitgewirkt hat. — Die in 
ben lezten zehn Fahren von ihm herausgegebnen größern ma: 
themathiſchen und militärifben Werke fegen ihn, dem ein: 
flimmigen Urtheil aller Kenner zufolge, im die erfie Reihe 
der franzöfifhen Schriftfieler, die über dieſe Faͤcher ge: 
ſchrieben haben. 

Beym Ausbrud der großen Revolution erklärte er fie 
mit Feuereifer für die Grundfäge derſelben, und vorzüglich 
‚für das republitanifde Syftem. Dieſen Grundfägen ift er 
während der langen Dauer feiner politiſchen Laufbahn nie: 
mals untreu geworden, ohne deshalb jemals ein Apologift 
anarchiſcher Zügellofigkeit. zu feyn, die er fiets mit Nachdruck 
befämpfte. Er bat diefe Grundfäge. unter den verſchie den⸗ 
fien und ungleichartigfien Regierungformen;- die. Frankreich 
- feit 1789 zu Theil wurden, ſtets mit Waͤrme und — 
vertheidigt. 

In der Legislatur, — im Herbſt des Jahrs — 


‚92 Carnot. Eine biographifge Skizze. 





bie Ponftituirende National: Verfammlung erfegte, trat er 
zuerft ald Staatsmann auf. Er fpra und wirkte hier in der . 
Reihe ber entfhiedenften Repubfifaner. Unmittelbar nach 
dem verhängnißvollen zehnten Auguft (1792) wurde er, als 
Kommiſſaͤr der National: Berfammlung, zur Rheinarmee ab: 
gefickt, um diefelbe zur Ablegung des Eids der Trene für 
die Nation zu vermögen. - Seine Mifjion war bey ben da= 
maligen Werhäftniffen ſchwierig; allein die Vollziehung der⸗ 
felben gelang ihm, und unmitelbar nad) feiner Ruͤckkehr nach 
Daris erhielt er eine neue Sendung zur Pyrenden:Armee, 
die fih damals im Pläglichften Zuftand befand, während fie 
taͤglich von einem Angriff der Spanier bebroht war, die bes 
zeit in geheimen Verbindungen mit der damaligen Koalition 
flunden, obgleih der Krieg zwifhen Frankreich und Spanien 
damals noch nit erklaͤrt war. Er organifirte länge der fpa= 
nifhen Graͤnze zweckmaͤßige WVertheidigung : Anftalten, und 
eilte dann nad Paris, um feine Stelle im neugebildeten Was 
tionalkonvent einzunehmen, in ben ihn fein Departement 
(die Eöte d’or) erwählt hatte. 

Hier widmete er ſich ausſchließlich den militärifhen Ans 
gelegenheiten.. Es wurden ihm nadheinander mehrere wich: 
tige Miffionen- bey den Armeen übertragen, die er zur grofs 
fen Zufriedenheit des Konvents vollzog. Bey der Nord: Ars 
mee war er im Feldzug von 1793 beſonders thätig eingrei= 
fend. Zuweilen ftellte er fih fogar an’die Epige ber Trup⸗ 
pen, und leitete in feinem Amts-Koſtuͤme ihre Bewegungen. 
Er war der Führer der franzoͤſiſchen Armee in der berühmten 
Schlacht von Wattigny (im Detober 1793), wozu er den Plan 
felöft entworfen hatte. - Sein Angriff und feine Eroberung 
der oͤſtreichiſchen Berfhanzungen mit dem Bajonet entſchieden 
den zweytägigen flarf beftrittenen Kampf, ber die Aufhebung 
der Belagerung von Maubeuge zur unmittelbaren Folge 
hatte. — 

Seine großen Verdienſte um die Organiſation der Ar⸗ 


Carust. Eine biographiſche Skizze. 93 





meen hatten den Mationalfonvent veranlafft, ihm zum Mits 
glied des Wohlfahrt: Ausfhuffes zu ernennen. Hier übers 
' nabm er allein die Leitung der militärifhen Wartey, und 
entwarf tie Plane zu dem benfwürdigen Feldzug von 1794, 
ber ben ganzen Krieg entfhied, fo wie er alle Operationen 
der verfhiednen Armeen (ed waren deren damals nicht wenis 
ger als vierzehn), von feinem Kabinet aus, organifirte. Der 
glänzende Erfolg derfelben ift allgemein bekannt. 

Mit den innern Angelegenheiten Ponnte er fih damals 
nicht befihäftigen. Dazu hatte er Feine Mufe, denn die Dis 
rektion des Kriegs und bie damit verbundene ungeheure Kors 
refpondenz erhielten ihn in ununterbrochener Thaͤtigkeit. Man 
bat ibm in der Folge Vorwürfe gemacht, daß er viele graus 
fame und verderblihe Befhlüffe des Wohlfahrt⸗Ausſchuſſes 
mit unterzeichnet hatte. Allein feine Vertheidigung gegen 
diefe Vorwürfe ift ganz einfach, „die Menge der Gefchäfte, 
womit der Ausſchuß überhäuft war, hatte zur Folge, daß 
jedes feiner Mitglieder nur für diejenigen Aften verantwort= 
lich babe ſeyn Pönnen, die von feinen befondern Bureaur aus⸗ 
gingen; die Unterſchrift ber übrigen Mitglieder fey eine 
bloße, durch das Gefeg vorgefhriebene, Foͤrmlichkeit gewe— 
fen, ohne melde die Befhlüffe des Ausſchuſſes nicht haͤtten 
können in Bollziehung gefegt werden. Diefe Mitglieder 
müfften für die ihnen fremden Befchlüffe als bloße Maſchinen 
angefeben werden, und Pönnten dafür fo wenig verantwort: 
lich ſeyn, als der Beamte in einem Stempyel:Bureau es für 
bie Verfälfhung feyn Pönne, die auf dem Papier ftattgehabt 
babe, das er zu fiempeln beauftragt fey. Er felbfi babe in 
feinem Departement wohl die meifte Arbeit gehabt, denn, ob 
er glei kein langfamer Arbeiter wäre, fo ſey er doch in 
demfelben jeden Tag volle achtzehn Stunden. befhäftigt ges 
wefen.’’ 

Uebrigens ift Thatfahe, daß er mit Robespierre 
und deſſen Kollegen im Keilausfhuß niemals harmoniren 


f 


4 _ Sarnot. Eine biographiſche Skizze. 





fonnte, und feinen Abſcheu Über viele Maßregeln fo unges 
fheut zu erkennen gab, daß Robespierre ihm den Tod 
geſchworen hatte. Es. ift fogar ein Brief diefes Letztern an 
einen feiner Freunde befannt geworden, worin Robes- 
pierre ganz unverholen fagt: „Wir brauben Carnot 
noch für den Krieg, fobald wir ihn entbehren können, wird 
auch fein Kopf fallen.” ‚ 

Wie dem aub fey, fo — doch Carnot wohl ‚Eis 

nen Vorwurf nicht befeitigen, den nämlih, daß er für den 
Tod des gutmüthigen, ſchuldloſen Ludwigs des XVIten 
geftimmt, und dadurch beygetragen hat, den Nationalkonz 
vent in den Augen der Zeitgenoffen und der Nachwelt zu 
brandmarken. Alle Sophismen, die er aud noch in ſeinem 
neueften Werke zur Entſchuldigung diefes an der Menſchheit 
veruͤbten Verbrechens mit vieler Kunſt auseinanderfegt, find 
nicht geeignet, dieſen Frevel zu beſchoͤnigen, der ftets ein 
Flecken in feinem Leben, fo. wie in dem Leben einiger andrer. 
fonft ausgezeichneter Volks-Repraͤſentauten bleiben wird, 
die in diefen wichtigen Prozeß, fo wie Carnot, gefimme 
haben. 
Auch nah Babessiere und feiner Genoffen Sturz 
blieb Carnot noc eine geraume Zeit an feinem Poften im 
Wohlfahrt: Ausfhuß, und war fortdauernd (bis, zu Anfang 
des Jahre 1795) mit der Direktion der Kriege:Operatiorien 
beauftragt. Die Ueberſicht diefer Operationen bat er feibit 
in tabellarifher Form bekannt gemadt. Sie führt den Ti- 
tel: „Campagne des Frangais depuis le 22. Fructidor de 
Yan premier, jusqu’au ı5. Pluviöse de l’an trois de la 
Republique frangaise (8. Septembre jusqu’au 3. Fevrier 
1705) par Garnot. Parisan III. de la Repubdlique.“ 

Die Partey der fogenannten Thermidorianer, an deren 
Spige Tallien und Freron ftanden, - bewirften endlich 
die Entfernung Carnots aus dem Wohlfahrt-Ausſchuß, 
und feine Erfegung in der Leitung. der militärifchen Geſchaͤfte 


Carnot. Eine biographiſche Skizze. 95 


durch Aubry. Von nun an trat Erſchlaffung an die Stelle 
der vormaligen Thaͤtigkeit, und die, Wirkung davon war in 
dem veränderten Bang, ben die Zührung des Kriegs nahm, 
und in deu zwedlofen Maßregeln, wodurd ſich der Feldzug 
von 1795 auszeihnete, fogleih fihtbar. Mehrere Nieders 
lagen waren das Refultat der ſchlecht fombinirten Plane der 
Bamaligen Macthaber. 

Nach ber Einführung der neuen Konftitution des dritten 
Jahrs und der Aufidfung des Nationalfonvents wurde Cars 
not in den Rath der Alten des gefeßgebenden Koros von 
Volke erwählt. Allein wenige Tage nah feinen Eintritt in 
diefe Berfammlung ernannte ihn die Legislatur (im Novems 
ber 1795) zum Mitleid des neuerriteten Direftoriumsg, 
im welchem er beynahe zwey Jahre bis zum berüchtigten acht⸗ 
zehnten Aructidor des fünften Jahre (September 1797) eis 
ner der Regenten Frankreichs war. Dies war unflreitig die 
ſchoͤnſte Evoche feiner öffentliben Laufbahn. Aub hier war 
zwar das militärifde Departement feiner unmittelbaren Leis 
tung anvertraut, und die berühmten Feldzüge von 1796 uud 
1797 bewielen zur Genüge - daß diefe Leitung nibt wohl im 
beifere Hände bätte fallen können; allein er hatte außerdem 
auch · hinreichende Muße, in die andern Zweige der üffentlis 
ben Verwaltung raſch einzugreifen, und in Departementen, 
die ibm anfangs.ganz fremd zu ſeyn ſchienen, fehr thätig zu, 
feon. Er bewährte fib bier als Mann vorn großer Umſicht, 
von reifen, Zalenten, von entf&hloffenem Charakter und firen: 
ger Redlichkeit. - Er wuffte die beyden feindlichen Parteyen 
der damaligen Regierung, die Royaliften und Anardiften, 
mit gleider Feftigkeit im Zaum zu halten. Viele zweckmaͤſ— 
fige Maßregeln des Direftoriun; jind ihm vorzüglich zuzus 
fhreiben. Noch jeßt find die großen Dienfte, die er damals 
feinem Vaterland feiftete, nit vergeffen. Wir fönnen hier 
in Peine Erzählung der intereffanten Vorgänge jener, Epoche 
eingehen. Wichtige Auffpläffe darüber enthält” Carnots 


X 


96 Carnot. Eine biographifge Skizze. 








eigne Vertheidigung » Schrift gegen Bailleuls Anfchuldis 
gungen: „Reponse de L. N. M. Carnot, citoyen 
francais, l’un des fondateurs de la Republique et mem- 
bre Constitutionnel du Directoire executif, au rap- 
port fait sur la Conjuration du ı8. Fructidor au Con- 
seil des Cing Cents par J. Ch. Bailleul, au nom 
d’une Commission speciale ; publie le 8. Floreal de l’an 
VI.‘ und befonders die, Äußerft lehrreiche, trefflide Mare: 
sialien für die Geſchichte jener Zeit liefernde „histoire du 
Directoire Constitutionnel, comparee à celle du Gou- 
vernement qui lui a succede jusqu’au 3o. Prairial an 7, 
contenant en abrege celle de la Republique Frangaise 
pendant cette memorable epoque, enrichie de notes 
curieuses et secretes, par un ex -representant du peu- 
ple. gr. 8. Paris an 8,‘ für deren Verfaffer man allges 
‚mein Sarnot gehalten bat. 

‚Der Haß, der Neid und die Rachſucht feiner drey Kol: 
legen, Reubel, Zareveillere:-Lepaur und Barras, 
flürzten ihn am 18. Fructidor mit dem edeln Bartheles 
my. Nur durch eine Art von Wunder entging er dem Tode; 
er follte in feiner Wohnung im Direktorial:Palafl, und, wie 
man glaubt, auf Barras befondern Befehl, ermordet 
werden. Er wurde am folgenden Tag auf die von der deci— 
mirten Legislatur entworfene Profeription:Lifte eingefhrieben 
und zur Deportation nad Sayenne verurtheilt. Allein er eut: 
kam glüdlih aus Frankreich, und hielt ſich, während der Wer: 
bannung aus feinem Vaterland, abwechfelnd in der Schweiz 
und in Oberfhwaben im firengfien Inkognito beynahe dritts 
halb Jahre auf. 

Als Bonaparte nah feiner Ruͤckkehr aus Egypten, 
am 18. Brumaire (Movember 1799), das Direktorium ges 
ſtuͤrzt, und ſich felbft als erfter Konful an die Spizze der Dies 
gierung geftelle hatte, wurde mit andern bisherigen Profcris 
birten aub Carnot nah Frankreich zuräcdberufen, und 

anfangs 


Carnot. Eine biographifche Seizze. 97 





anfangs zum General : Infpeftor der Mufterungen, bald 
naher aber, als der bisherige Kriegs: Minifter Bertbier 
den erften Konful bey dem Zuge der Refervearmee über den 
Bernhardsberg nah Italien begleiten follte, zum Kriegs; 
Minifter ernannt, (Frühling 1860). Freplich hatte Gar: 
not in diefer Stelle unter einem fo beroifhen Dbern, wie 
Bonaparte, bey Weitem nicht den Wirfungkreis und ben 
Einfluß, den er zuvor im Wohlfahrt-Ausſchuß und im Dires 
torium gehabt harte, allein er Ponnte denn doc zur Beförder 
rung der Kriegs-Operationen auf’s Thätigfte mitwirken, und 
beſonders den General Moreau, damaligen Oberbefehls— 
baber der Rheinarmee, mit dem er fiets die freundſchaftlich— 
ſten Berbältnigfe unterhalten hatte, aufs Kräftigfle unter: 
fügen. Er muffte jedbod, als Berthier mit Bonas: 

parte nah der Schlaht von Marengo und der Konvention 
son Aleffandria nah Paris zuruͤckkehrte, jenem die bisher 
gewiſſermaßen mur interimiftifh bekleidete Stelle wieder 
überlaffen, und fi fogar, da er fib mit Berthier ent: 
jwent hatte, von den militärifhen Gefbäften zurädziehen. 
Jedoch ernannte ibn der Senat bald nachher zum Mitglied 
des Tribunats. In diefer Stelle wuffte er feine Unabhäns 
gigfeit zu erhalten. Er buhlte nicht, wie fo mande Andere, 
um die Gunft der Regierung, und fuchte, wiewol vergebens, 
die Freyheit des Volks gegen ben entſtehenden Despotismus 
zu ſchuͤtzen. Bonaparte. fürdtete den entfbloffnen Mann, 
auf den weder Ehrenbezeigungen, noch Geld, noch glänzende 
Ausfihten zu wirken vermochten. Seine höcite Erbitterung 
erregte aber Carnot, als er mit Lebhaftigkeit Bonapars 
te’ s Ernennung zum Konful auf Lebenszeit und in der Folge 
(im Zahr 1804) — der Einzige unter allen Mitgliedern des 
Zribunats — bie Abfbaffung der Republik und die Errids 
tung des Kaiſerreichs mit großem Nachdruck betämpfte. Sei» 
ne Ungnade war nun entfdieden. Und als bald nachher das 


Europ. Unnalen. ⁊tes Stiid. 1815, 7 


— 


98 Sarnot. Eine biographifhe Skizze. 








Tribunat aufgelöst wurde, blieb Carnot ohne Stelle und 
ohne allen Einfluß. Er bezog feinen andern Gehalt, ‚als 
den eines Bataillon: Chefs vom Genieforps, nebft der ge: 
ringen Befoldung, welde bie Mitglieder des National-In: 
ſtituts erhielten. Es war in ber That auffallend, bag ber 
Mann, der als Chef das. Kriegswefen im Wohlfahrt-Aug- 
ſchuß, als Mitglied bes Direktorium und ale Kriegs: Mini- 
fter zu allen militärifben Stellen ernannte, fi felbft feinen 
höhern Grad ertheilr hatte, ald den er im den erfien Fahren 
der Revolution bekleidete, und daß Bonaparte, der doch 
wohl das militaͤriſche Verdienſt zu wuͤrdigen verſtand, aus 
Animoſitaͤt und Rachſucht die Befoͤrderung eines der talent⸗ 
vollſten Offiziere unterließ, dem er, ſelbſt als Obergeneral 
der italieniſchen Armee in den Feldzuͤgen von 1796 und 1797, 
untergeordnet geweſen war. | 
Da inzwifhen der, für feinen und feiner Familie Un- 
‚terhalt fehr geringe, auch bey der ſtrengſten Dekonomie faum 
I hinreihende, Gehalt fehr unregelmäßig ausbezahlt wurde, 
f6 verfant Carnot, der bey den glänzendflen vormals von 
ihm verfehenen Stellen, wo ungeheure Summen zu feinem 
Gebot ftanden, fib niemals bereihert hatte, in wirklich drü- 
gende Armuth. Der Kriege: Minifter Clarke, der wäh: 
rend der Revolution mit Carnot immerfort in fehr freund— 
ſchaftlichen Verhältniffen geftanden war, und ihm aud jegt 
noch, ſo viel es fih immer thun ließ, Beweiſe feiner Ach⸗ 
tung und Zuneigung gab, verwandte ſich aus eignem Antrieb 
öfters bey Napoleon um ‘eine Penſion für Carnot. 
Mehrere abfhlägige Antworten ſchreckten ihm nicht zuruͤck. 
Endlih bewillige Napoleon jährlich 6000 Franks. Al— 
fein Sarnot wollte die Penfion nur unter der Bedingung 
: annehmen, daß er dem Staat Dienfte leiften fönne. Da 
erging an ihn aus dem Kabinet der Auftrag, ein Werk über 
die Theorie der Befeſtigung-Kunſt, durch praftifhe Bey- 


Carnot. Eine biographifhe Skizze. 99 





foiele erläutert, zu entwerfen; jedoch waren die Grundzüge 
beffelben, wie man fagt, von des Kaifers eigner Hand vors 
gezeihnet. Carnot bearbeitete dad Werk, indem er, fo 
siel möglih, die vorgefihriebenen Grundzüge befeitigte, und 
fo entſtand feine klaſſiſche Schrift: ‚„„De la defense des pla- 
ces fortes,“ die ſogleich im erſten Jahr ihrer Erfheinung 
drey Auflagen erlebte. Won nun an bezog er zwar die ihm 
ertbeilte Penſion, allein er blieb nihtsdeftoweniger mit Na— 
goleon in den vormaligen geſpannten Berhältniffen. So 
fehr der Kaifer auch feine neuefte Arbeit fhäste und zun Stus 
dium empfahl, fo Fonnte er es denn doch ihrem Verfaſſer 
nicht verzeihen, dag er ihm nicht huldigen, und daß er feine 
Unabhängigfeit behaupten wollte. Ä 
Die für Napoleon fo unglüdliben Erkigniſſe des 
Feldzugs von 1813 und die Fortſchritte der verbündeten Heere 
in Franfrei feit ihrem Rhein-Uebergang liefen den Kaifer 
für feine Lieblings-Feftung Antwerven, auf die er fo unge: 
beure Summen verwendet hatte, Alles beforgen. Ein th: 
tiger, entf&leffner , talentsoller und unbeftehliher Befehle: - 
baber ſchien ihm zur Erhaltung diefes feften wichtigen Platzes 
unentbehrlih. Inden er Carnot zu diefer wichtigen Stelle 
ernannte, war er genöthigt, ungeachtet ihrer befannten Ber: 
bältniffe, den Berdienften des Mannes .zu huldigen, den er 
bis dahin mit feinem Haß verfolgt hatte. Eben deshalb war 
auch diefe Ernennung der ausgezeichnetfte Beweis von ber 
Öffentlihen Anerkennung diefer Verdienſte. Allein einem 
bloßen Bataillons:Chef des Geniekorps Fonnte man ein fo eh: 
venvolles Kommando nicht übertragen. Napoleon war 
daher gezwungen, ihm zum Divifion: General zu befördern, 
Earnot fah in diefer Beftimmung, zu ‘der er gewiffermaßen 
durch bie damalige Lage der Dinge berufen war, nur eine 
Gelegenheit, feinem Vaterland wichtige Dienfte zu leiſten; 
er nahm daher feine Ernennung ohne Bedenken an, und eilte 


4 
\ 
‘ 


100 Carnot. Eine biographifche Skizze. 








um fo mehr, ſich auf feinen Poften zu begeben, da bereits 
‚alliirte Truppen in der Nähe von Antwerpen angekommen 
waren und bie Blofade der Stadt vorbereiteten. Nur mit 
genauer Noth gelang es ihm, am Worabend der Einfelief 
fung in Antwerpen einzutreffen, und dafelbft feine Gouver— 
ueurd:Ötelle anzutreten. Der Berfaffer des gehaltvollen 
. Werks: „De la defense des places fortes, “ follte aljv 

. bier, bey der damals wichtigen Feftung des franzoͤſiſchen 
Reichs, feine eigne Theorie in Vollziehung fegen. Er konnte 
davon zwar feinen Gebraub machen; ed fam zu Peiner regel: 
mäßigen Belagerung von Antwerpen; allein er bewährte ſich 
nichtsdeftoweniger während der viermonatlihen Blokade bie: 
fer Feſtung als Krieger von. Einfiht, von Kraft und Thätig: 
keit. Während er die Einwohner mit der moͤglichſten Scho: 
nung behandelte, fest er die Blofade:Truppen durch wieder: 
holte Angriffe in ununterbrochener Bewegung, und thut ib: 
sen allen mögliben Abbruch. Während er in Perfon bie 
Vertheidigung: Mittel des Pages eygänzte und auf ver: 
ſchiednen Punkten neue zweckmaͤßige Werfe anlegte, ließ cr 
durch detaſchirte Korps die glänzendfien Ausfälle veranftalten. 
Diefe gelangen fo vollfommen, daß Abtheilungen. der Be: 
fagung nicht allein die Blofade:Truppen aus der Nähe. der 
Feſtung vertrieben, fondern Streifzüge dur ganz Flandern 
unternahmen, Brüffel und andre bedeutende Städte in Bra: 
bant bedrohten, und ſtets mit erbeutetem Gefhäg, mit 
Transporten von Lebensmitteln und Vieh und mit zahlreis 
hen Gefangenen in die Feſtung zuruͤckkehrten. Durch feine 
unermuͤdete Sorgfalt war Antwerpen in einen folden vor 
trefflihen Wertheidigungftand gefegt worden, daß es allge: 
mein für unmöglih gehalten wurde, die Stadt mit Gewalt 
einzunehmen, und, bey ber ungeheuern Berproviantirung, 
die nach dem glädlihen Ausfällen fiattgehabt hatte, auch 
durch Hunger zu bezwingen. Daß alle die vortheilhaften 


Y 


⸗ 


Carnot. Eine biographiſche Skizze. 101 





Vorſclaͤge, die wegen Uebergabe dieſes Platzes an ihn ge: 
langten, Beinen Eingang finden konnten, war von feiner 
Ebrliebe und feiner Ergebenheit für fein Vaterland wohl nicht 
anders zu erwarten, und daß das Anerbieten von acht bie 
zehn Millionen Franks, das ihm nach Verſichernng des Her: 
audgebers feiner Denkſchrift an den König, wovon wir fü: 
gleich fpreKen werden, für die Weberlaffung der Stadt an bie 
verbündeten Truppen gemacht wurde, mit Verachtung abge: 
wiefen ward, fonnte von dem uneigennüßigen, von Pflicht⸗ 
gefühl und der Würde feines hohen Berufs durddrungenen 
Mann wohl nicht anders erswirtet werden. 

Als er von der in den erften Tagen Aprils ftattgehabten 
Regierungveränderung offizielle Nachricht erhielt, unterwarf 
er fib ohne Schwierigkeit den Verfügungen des Senats und 
den Befehlen der proviferifhen Regierung: Der Sturz 
Napoleons war ihm angenehm; er hatte ihn längft fon 
voraus gefagt; man verfihert fogar, er fey von Malers, 
im Det. 1812, zur Reife gediehenen, Unternehmung, um die 
Abſchaffung der kaiſerlichen Regierung zu bewirken und eine 
republikaniſche Verfaſſung herzuſtellen, unterrichtet geweſen. 
Wenigſtens iſt jetzt mit Zuverlaͤſſigkeit bekannt, daß Car: 
not zum Vicepraͤſident der proviſoriſchen Regierung, die 
bamals, infofern Malers Verſchwoͤrung gelungen wäre, 
errichtet werden follte, beftinnmt war, und alfo nebft feinem » 
Freunde, dem General Moreau, der bereits zum Präfis 
denten diefer proviſoriſchen Regierung erkoren warb, eine 
Hauptrolle bey der Ummwandluhg des damaligen Gouverne:. 
ments gefvielt haben wuͤrde. | J— 

Die Unterzeichnung der Parifer Konvention vom 23. 
Arril, worurh Antwerpen defl alliirten Truppen übergeben 
wurde, hbemmte feine fernere Thätigfeit ald Gouverneur bie: 
fer Stadt. Er kehrte nah Paris zurüd. Die Einwohner 
son Antwerpen bezeigten ihm ihre ungeheuchelte Achtung und 


! 


102 Carnot. Eine biographifche Stipe. 








ihren Dank wegen der Milde, mit der er fie während der 
ſchwierigen Epode, da er als Gouverneur mit unbefhränt: 
ter Vollmacht in ihrer Stadt regierte, behandelt hatte, Nach 
Verfiherung öffentliber Blätter haben fie fogar feitdem 
dur das Geſchenk eines foftbaren Degens, den fie ihm nad 
Paris uͤberſchickten, ihm ihre Erfenntlichfeit beweifen wollen. 

Der Gang ber Öffentlihen Angelegenheiten feit der 
Ruͤckkehr Ludwig bes Achtzehnten auf den Thron fei: 
ner Vorfahren erfüllte Carnot mir Beforgniffen, und be: 
wogen ihn zu dem Entſchluß, eine Denffhrift an den König 
zu entwerfen und diefem Monarhen im verfloffenen Juli 
durch den Generalpolizey:Direftor, Graf Beugnot, über: 
reihen zu faffen. Das Unternehmen war unftreitig kuͤhn, 
denn Carnot konnte wohl. fein Zutrauen von Seiten des 
ebeldentenden Monarben erwarten, ba er für den Tod ſei— 
nes unglücliben Bruders geftimmt hatte, und diefe Saite 
nun ziemlich fhonunglos berührte. Man verfihert, der König 
habe die Dentfchrift mit vieler Aufmerkſamkeit durchgeleſen, 
und. einige Stellen derfelben förmlich mißbilligt, die au, wie 
ber Herausgeber derfelben verjibert, nicht abgedruckt wor: 
den find. Carnot wurde, wie £8 heißt, aufgefordert, bie 
Schrift nicht befannt zu maben, und muffte deshalb ein fürm: 
liches Verfpreben unterzeihnen. Sie ift nihtsdeftomeniger 
feitdbem unter folgendem Titel erſchienen: 

‚ »Mömoire adresse au Roi en Juillet 1814, par 
M.‘Carnot, Lieutenant-general, Chevalier de l’or- 
dre royal et militaire de St. Louis, membre de la lé— 
gion d’honnesur, de V’Institut de France etc. ““ .mit dem 
Motto. von Racine: „Bientöt ils vous diront, que les 
plus saintes loix, maitresses du vil peuple, obeissent 
aux Rois‘* chez tous les libraires, ı814. 

.», Der Heransgeber meldet in der Vorrede, er habe biefe 
Denkſchrift auf feine Gefahr drucken laffen, und dabey nur 


Carnot. | Eine biographiſche Skizze. ‚103 


das öffentlibe Intereffe zu Rath gezogen; Hr. Carnot 
babe zwar der Regierung verſprochen, fein Werk nicht durch 
den Drud befannt zu machen, allein durd diefes Verſprechen 
babe er Andere nicht verpflibten können, die vor Ablegung 
deſſelben Abſchriften der Denkſchrift erhalten hätten. 

Einige Buchhändler find befanntlih wegen des Verkaufs 
bieies Buchss in Verhaft genommen worden. Der Druder 
deifelben fol daſſelbe Schicfal gehabt haben. Die Sade 
wurde ber gerictlihen Behörde übergeben, und Sarnot 
bey der Unterfubung felbfi als Zeuge abgehört; *) allein 
nac deren Beendigung find allg Theilnehmer an der Bekannt: 
madung der Schrift wieder in Freyheit gefegt worden; biefe 
iſt nun in Umlauf, und wird in gauz Sranfreih gewiffer: 
maßen mit Heißhunger verfhlungen. Die fänmtlichen Pari: 
fer Journale, mit Ausnahme des Moniteur, haben fie an: 
gezeigt, und, in mehr oder minder heftigen Ausbrücden gegen 
den Berfaffer,, zu widerlegen gefuct. Mit einer Arc von 
Wuth find die ER und Gazette de France über 
Carnot bergefallen. Der ruhigſte und billigfte Aufſatz iſt 
der von rn. Salgues im Journal de Paris. 

‚Eben wegen der außerordentlihen Seuſation, welde 
diefe Denkfarift in Frankreich erregte, wird es den Lefern 
der Annalen nicht unmwillfommen feyn, die Hauptzüge derfel- 
ben zu kennen. 

Nah einigen allgemeinen Bemerkungen — die Natur 
der Staats-Verhaͤltniſſe, ſagt Carnot: „Bey der Ent— 
ſcheddung son Streitfragen über die Beſchaffenheit der gefell: 
fhaftligen Verhältniffe beruft man fih gewöhnlich ‘auf bie 





*) Schmweizerblätter verfibern, er babe bewieſen, daß fein 
Bruder, nachdem er erfahren, dag man heimlih am Drude 
dieſes Memoirs arbeitete, der Megierung davon Anzeige 
gemadt babe, er folglich aus der Schuld ſey, daß das Me: | 
moire dennoch erſchien. 


104 ° Garnot. Eine biographiſche Skizze. 





Ausfhweifungen, welde beynahe immer durch abfirafte Theo: 
rien veranlafft werden. Die franzäfifbe Revolution Liefert 
den fünftigen Generationen hinreihende Beweife bavon. Sie 
wurde durch eine Menge rein philoſophiſcher Schriften vorbe- 
reitet. Der Geift der Menſchen, durd die Hoffnung eines bis 
dahin unbekannten Gluͤcks entflammt, erhob fich pJöglich in 
die Regionen der Einbildungkraft,; wir glaubten, das Fantom 
des Nationalgluͤcks ergriffen. zu haben; wir glaubten, es 
fey möglih, eine Republit ohne Anarchie, eine unbegränzte 
Freyheit ohne Ungrönung, ein volltommenes Gleichheit-Sy— 
ſtem ohne Faktionen zu erhalten. Die Erfahrung bat ung 
aufs Graufamfte geräufht. Was bleibt uns. bon fo vielen 
fruchtlos verfolgten Chimaͤren noch übrig? Reue, Zweifel an 
dem Spyftem der Vervollfommnung; ein gefunfener Muth 
vieler rechtliber Menſchen, welche fih überzeugt haben, daß 
alle ihre Anftrengungen fruchtlog gewefen find. 

„Die Männer, die frey feyn wollten, find unterlegen; 
alle Verbrechen werden ihnen daher aufgebürbet; fie find 
Schuldige, denen man proviforifh vergeben will, jedoch uns 
ter der Bedingung, daß fie fi wieder in ihre frühern Ketten 
fhmiegen, die dur einen fo lange erniedrigten Stolz druͤ— 
ckender gemacht und, im Namen des Himmels, in den Geift 
ber Rache getaucht worden find.’ 

Gegen diefe Schrift von Carnot erhebt ſich der durch 
mehrere verdienſtvolle Werke bekannte Salgues, als 
Hauptredakteur des Journal de Paris, desjenigen aller 
erfheinenden Parifer Tagblätter, das ſich durch liberale 
Grundfäge und Unparteylichkeit am meiften oder vielmehr 
allein auszeichnet. Wir halten es für unfre Pflicht, den 
Leſern der Annalen einige der Bemerkungen diefes Schrift: 
ſtellers über Carnots Werk mitzutheilen, indem fie ung 
die befte Widerlegung mancher ‚unridtiger und gewagter Be: 
bauptungen Caruots zu enthalten feinen. Freylich muß 


Carnot. ine biogravhifde Skizze. 105 


babe» auch nicht vergeffen werden, daß bie Redaktion des 
Journal de Paris, fo wie die der andern Parifer Journale, 
zur Miderlegung von Carnots Dentfhrift vom Seiten ber 
hoͤchſten Behörde aufgefordert worden waren. 

„Was für ein Genius von Verwirrung und Zwietracht 
f&eint denn neuerdings in unferm Waterland herrſchend wer: 
den zu wollen! Wenn alle Stürmg der Revolution zerftreut 
find und ber Horizont von Zranfreid endlich rein und fledfen: 
(08 erſcheint; wenn alle Herzen von denfelben Gefühlen der 
Eintracht und des Iffentlihen Gluͤcks belebt find; wenn der 
tugendhafte und weife Fürft, der Gegenftand aller Wuͤnſche, 
des allgemeinen Zutrauens und der allgemeinen Liebe, aufs 
Severliäfte die Vergeffenheit aller vergangenen Uebel proffa: 
mirt; wenn feine väterlibe Stimme alle Kinder feiner grof: 
fen Familie einladet, als Brüder zu leben; wie fommt es, 
dag Kain noch Nachahmer findet? Und welcher böfe Dämon 
befeelt diejenigen, welche neuerdings die Parteyen erweden, 
Haß extflammen und Unordnungen erregen wellen ? 

„Seit den erften Augenblicken unfrer glüdliben Re: 
fiauration febe ich eifrige Verrheidiger der Moral und der 
Geſetze die Heiterkeit unfrer ſchoͤnen Tage trüben, fi gegen 
die feyerliben und wohlthätigen Verſprechungen des Monar: 
ben erheben, die Autorität ihrer Schriften der Aurorität fei: 
ner Defrete entgegenfegen und durch unerwartete Beforg: 
niſſe Verwirrung verbreiten. ..... Unvorſichtige Freunde 
der Gerechtigkeit, „feht ihr denn nicht, melden Brand ihr 
neuerdings erregt. Ihr wollt den Grundfügen nichts verges 
ben. Iſt es denn nicht ein Hauptgrundfaß, fein Vaterland 


zu lieben, deifen Gefege zu ehren, und den Willen feines 


Fuͤrſten zu achten? ..... 

„Ein Ritter erſcheint mit vorgehaltener Lanze in den 
Schranken. Er iſt berühmt in der Kunſt der Gefechte. 
Sein Rame erinnert an große Talente und an fürdterlide 


106 Carnot. Eine biographifge Skizze. 





Ereigniffe. Wir hätten und gerne nur feiner Talente erinz 
nert; allein er will felbft, dag wir und mit diefen Ereigniffen 
befbäftigen. Und welde Sache vertheibigt er? Die, bey 
der wir ſtets an die Worte eines klaſſiſchen Schriftſtellers den: 
ken follen: Excidat ılla dies etc. 

„In den Zeiten der Naferey und Anardie, wo ber 5a: 
natismus der Freyheit einen Theil der Franzofen verirrt, wo 
die Kuͤhnheit der Faktionen die heilfame Autorität der Geſettze 
erfegt hatte, wo man duch eine Verwirrung aller Grund: 
füge einen großen Monarden durch feine Unterthanen vor 
Gericht gefhleppt fah, hatte Carnot das Ungluͤck, gegen 
feinen Fürften mit einer ſchwarzen Kugel zu flimmen. Dies 
ſes fuͤrchterliche Urtheil erfüllte ganz Europa mit Entfegen; 
das Andenken daran ift noch tief in unfere Herzen eingegras 
ben. Lange Zeit hindurch fhien der Thron der Bourbons 
für immer umgeflürzt zu feyn. Allein große Ereigniffe ha: 
ben ihn wiederhergeftellt, und ber Erbe Ludwigs des 
XVIten zeigte fi feinen Unterthanen mit bem Teſtament 
feines Bruders. Seine Regierung ift eine Regierung ber Ber: 
geffenheit, der Eintracht und des Friedens. Seit dem Anfang 
unſrer bärgerliben Unruhen haben wir noch Beine fo ruhige 
Tage verlebt, als feit fehs Monaten. Und doch fehen wir 
unrubige Geifter ſich ſelbſt Fantome fhaffen; fie find ermuͤ— 
det, daß jie fich nicht über die Gegenwart beklagen können, 
und ſchmieden daher Waffen für die Zukunft; ja fie belagern 
fogar den Thron mit ihrem Schrecken. Wir fragen dagegen 
Hrn. Carnot: wozu diefe Klagen, dieſe Denkſchriften, 
diefe Bemerkungen ohne Gegenftand?- Statt fih auf das 
Wort des Monarchen zu verlaffen, bemüht man fih, ein 
Urtheil zu rechtfertigen, das nichts zu entf&buldigen vermag. 
Mir welben Gründen ift denn wohl das ungluͤckliche Votum 
in dem nur zu merkwuͤrdigen Prozeß Ludwigs des 
XVIten zu unterfiügen? Ihr feyd Richter gewefen, fagt 


Carnot. Eine biographifhe Skizze. 107 


ihr, ihr babe nad eurem Gewiffen geforohen und daher 
fein Gefeg verlegt. Und ih fage euch dagegen ohne Haß, 
ohne Leidenfbaft — ihr habt alle Gefege verlegt. Ihr 
habt jie dadurch verlegt, daß ihr ohne Auftrag, ohne Auto: 
rifation von Seiten eurer Kommittenten, aus eigner Auto: 
rität euch zu Rihtern Ludwigs des XVIten aufgewor: 
fen habt. Ihr habt fie dadurch verlegt, daß ihr vorläufig 
erfannt babt, euer Urtheil fey in lester Inftanz ohne Appel: 
lation an das Volf gegeben, von dem ihr doc alle eure Ge: 
walt hattet, deffen Syuverainetät ihr fo laut proflamirtgt, 
um euern republifanifhen Thron zu unterftüßen. Ihr habt 
fie verlegt, Ba ihr, ungeachtet der Konftitution, die den Mo: 
narchen für unverleglich erflärte, ihn vor Gericht ſchlepptet, 
ibn zwanget, ſich von euch verhören zu laffen, und fi, glei 
jebem andern Angetlagten, zu vertheidigen. Ihr habt fie 
verlegt, da ihr zu feinem Nactheil die Verfügungen des Ges 
ſetzes abfhaffter, das drey Fünftel der Stimmen für die Ver— 
urtheilung eines Angeklagten erforderte, und ihn mit einer. 
bloßen Majorität von fünf Stimmen zum Tod verurtheiltet. 
Ihr habt fie verlegt, da ihr, ungeachtet aller Borftellungen 
mehrerer achtungwuͤrdiger Deputirten, verbotet, auf die Up: 
pellation des Königs an die Nation NRücfiht zu nehmen, 
Ihr hattet fie ſchon früher verlegt, da ihr nach eurem eignen 
Butdünfen die Monarchie abfhafftet, und die Republif des 
Pretirt habt. | 

„Und mer hatte euch denn beauftragt, eine Republik zu 
errihten? Hatten bie Franzofen eine Republik verlangt? 
Nein! ibr wollter eine Republik, weil fie euch für eure Pro: 
jefte vortbeilhaft ſchien Ic.” 

„Ihr tagt, Ludwig der AV Ite konnte nicht. mehr 
leben , .febald fein Thron umgeftürzt war; fein Tod fey noth: 
wendig geweſen, um’die Parteyfüctigen im Zaum zu halten, 
Was heigr ihr denn-Partepfüchtige? Sind es wohl diejeni- 


108 ,  Garnt. Eine Viograsfifse Skizze. 








gen Franzoſen, die uͤber die vielen Verbrechen, die man in 


ihrem Namen beging, erbittert waren; oder diejenigen, bie, 


dent Throne ergeben, eure Xyranney hafften? Warum habt 
ihr nicht, nachdem ihr die Republif defretirt hattet, die Mas 
tion um Rath gefragt? Ihr hättet dann euch leicht überzeue 
gen koͤnnen, wer die Parteyſuͤchtigen waren. 

| „Ihr wollt ung die Verurtheilung Ludwigs als das 
Reſultat des Nationalwillens barftellen, und, um eure Mei: 
nungen zu unterftügen, beruft ihr euch auf die zahllofen 
Adreffen der Gemeinden. Spricht Hr. Sarnot wohl ernſt⸗ 
Ih? Wie} Er, der die ganze Revolution durdlaufen hat, 
der alle Gcheimniffe derfelben kennt, will und überzeugen, 


daß Adreffen der Ausdruck des Natianalwillens find? Neint 


— 


Es waren nicht die Nation oder die Gemeinden, die euch die 
Adreſſen ſchickten; es waren eure Volks-Geſellſchaften; es 
waren Menſchen ohne Gewiſſen, ohne Grundſaͤtze und ohne 
Bildung, welche von eurer Jakobiner-Geſellſchaft die Im⸗ 
pulſion erhielten. Die Gemeinden ſchwiegen entweder, oder 
widerſetzten ſich dieſen Adreſſen. 

„Möge doch Hr. Carnot aufhören,-einen Irrthum zu 
vertheidigen, den man vergeffen fann, von dem ihn aber 
nichts frenzufsreben vermag. Seine Kenntniffe, feine Tas 


lente, die großen Dienfie, bie.er dem Vaterland als DireP: 


tor leiftete, flößten ung Intereffe für ihn ein. Man bes 
dauerte, den Mantel des Weifen mit: einigen Flecken vom 
Blut des Lamms bededt zu fehen. Möge er ung nicht nö: 
thigen, auf diefe wohlwollenden Gefinnungen Verzicht zu 
leiften; möge er ung immer geftatten, in ihm nur den großen 
Mathematifer, den gefhichten Taktiker, den redlichen und 
nneigennügigen Mann zu fehen. 

„Hr. Carnot klagt über die Minifter, über einen 
Theil der Franzofen, fogarüber den Thron... M- ım man 


mit den Unruhen des Staats in Verbindung fland, wenn 


R Earnot. Eine biographiſche Skizze. 109 





man bie Verirrungen der Faktidnen getheilt hat, ift man 
wohl berechtigt, neuerdings auf der Bühne zu erfcheinen ? 
Muß man nicht beforgen, felbft wenn man feinen Haß gegen 
die Faktionen erflätt, den Anſchein zu haben, als wolle man 
die Faktionen wieder erweden? | 

„Man muß fib daher wundern, daß Hr. Sarnot 
alle Borfäriften der Klugheit hintanfest, um fich den bitter: 
ſten Anklagen zu überlaffen, fi zum Ritter der Freunde der 
Revolution zu erflären, Andern die Fehler zuzurechnen, die 
man jelbft begangen hat, und durch beleidigende Ausbräde 
ihren Daß auf fih Zu ziehen. 

„Auf der andern Seite muß man aber auch eingeftehen, 
daß fr. Carnot oͤfters feinen Gegnern gerechte Vorwürfe’ 
madt und nad Berdienft die Menfben wärdigt, die ftolz 
aufbas, mas fie während unfrer bürgerlihen Unruhen nice 
getban haben, mit Anmaßung von ihrer Standhaftigkeit, 
ihrer Treue und ihrer vorgebliben Reinheit ſprechen. 

„Allein was will wohl Hr. Carnot erwiedern, wenn 
man ibn fragt: Was waren Sie beym Anfang der Revolution ? 
Welden Rang hatte Ihnen Ihre Erziehung und Ihr Vermoͤ— 
gen gegeben? Sie waren Kapitän im Genieforps; ein 
Prinz aus koͤniglichem Geblät hatte Sie mit feiner vorzüglie 
Ken Proteftion beehrt. Sie hatten dem Monarden den 
Eid der Treue geleiftet. In welchem Stand konnte wohl der‘ 

Monarch hoffen, eifrigere Vertheidiger zu finden, als in der 
Armee und unter ben Offizieren? Sie find mit dem Ludwigs— 
kreuz geziert, und wenn ich mich nicht irre, fo hatten Sie 
baffelbe aus Ludwigs des XVIten Hand emfangen. 
Und dennoch hat ein Ludwigsritter den Abkoͤmmling von Lud⸗ 
‚wig dem Heiligen zum Tod verurtheiltl 

„Muß man Sie an das erinnern, was ie in der zwey⸗ 
ten Rational:Berfammlung gethan haben, die feinen andern 
Zweck hatte, als den Thron umzuflärgen? Muß man den 


110 Carnot. Eine biographiſche Skizze. 





Leſern Ihrer Denkſchrift ſagen, daß Ihre erften Abſtimmun⸗ 
gen in dieſer Verſammlung gegen die franzoͤſiſchen Prinzen 
gerichtet waren? Daß Sie die Meinung derjenigen unter— 
ſtuͤtzten, die darauf antrugen, dieſe Prinzen in Anklagzu— 
ſtand zu verſetzen; daß Sie ſehr eifrig mithalfen, die Armee 
zu desorganiſiren; daß Sie aus den Militaͤr-Reglements 
den Grundſatz des paſſiven Gehorſams der Soldaten gegen 
ihre Offiziere ausſtreichen lieſſen; daß Sie die Verfertigung 
von 300,000 Piken begehrten, um bamit eben fo viele Rau: 
ber zu bewaffnen? Muß ich von dem ſchrecklichen Wohlfahrt: 
Ausfhuß des Nationaltonvents ſprechen, deſſen blutige Pro: 
feriptionen Sie wenigftens gelitten und unterzeichnet haben? 

„Allein wir miüffen nun unfern Blick von allen diefen 
traurigen Bildern ablenken; Alles fordert uns auf, fie in 
Vergeffenheit zu begraben. Allein auch Sie müffen aufhoͤ— 
ren, Beforgriffe unter den Bürgern, Miptrauen und Wer: 
dacht in unfern Armeen zu verbreiten. 

„Bon feinem Throne herab fordert ung die vÄterfice 
Stimme unferd Monarchen zum Frieden und zur, Eintradt 
auf; wir mäffen alfo nit fein Herz mit traurigen und zweck— 
loſen Distuffionen erfüllen. 

„Die Freunde der Freyheit forbre ich auf, fich nicht uns 
nügen Beforgniffen zu überlaffen,, gegen welde fie durch den 
erklärten Willen und den edeln Charakter unſers Monarden 
geſchuͤtzt find. 

„Die ausfhlhieglichen — des Throns frage ih, 
warum verbreitet ihr Beforgniffe durch eure hochmuͤthige Ans 
ſpruͤche, durch eure unfluge Schriften, durch eure ausneh— 
mend leihtfinnige Reden? Glaubt ihr Freunde bes Throns 
zu feyn, wenn ihr und neue Geſetze, eine neue Ordnung ber 
Dinge verfpreht? Wenn ihr ung in geheimnigvollen Wor 
ten ‚auffordert, noch einige Zeit. zu warten, um Jedermann 


Garnot. Eine biographifche Skizze. | III 





fein Recht widerfahren zu laffen? Wenn ihr affeftirt, einen 
Unterſchied zwiſchen den auswärtigen Royaliften und den Ro: 
paliften des Innern einzuführen? Wie, wenn ſchon dag 
Droblem entfbieden wäre, ob die Emigration der Monardie 
gedient bat, und ob es beffer war, den Thron aus der Ferne 
zu vertheidigen, ale in der Nähe deſſelben zu kaͤmpfen? Ihre 
rühmt eure Ergebenheit, eure Opfer und Leiden. Haben 
wir euch denn feine Ergebenheit, Dpfer und Leiden entgegen: 
zuftellen? Befanden wir und im Jahr 1793 aufRofenberten ? 

„Benn ihr ald Sieger mit den Waffen in der Hand zu: 
rüdgetommen wäret, und die Faftion, die uns in Ketten- 
bielt, erdruͤckt hättet, könntet ihr den Preis eurer Siege 
verlangen. Allein das Gluͤck hat euern Muth nicht beguͤnſtigt. 
Ahr empfangt nun Mohlthaten, welde eure Gefahren und 
eure Arme euch nicht verfhafft haben. Die Franzofen des 
Innern haben euch zurücdberufen; ihnen feyd ihr die Rückkehr 
in euer Vaterland fhuldig. Die Franzofen des Innern, 
die von Bordeaur und Paris find es, die zuerft ihrem König 
das Lebehoch zugerufen haben.” ' 


112 — 





VI. 
Buonapartiana, 
oder: 


Anekdoten über Napoleon 
Aus verſchiednen fremden Zeitſchriften geſammelt. 





Sine irä et studio. 


Nicht der folgende Tag na dem Sturz eines fo außer: 
ordentliben Menfben, wie Napoleon Buonaparte, 
kann es fern, wo eine weife und unparteyifhe Geſchichte ihn 
richtet. Die Urfaben feines ſchnellen Emporfommend, und 
feiner noch fhnelleren Unfälle, därften nur dann erjt vollkom⸗ 
men erfannt werben, wenn die Zeit durch alle Unterfuchungen 
und Dffenbarungen folhes moͤglich macht. Indeſſen darf man 
fbon jetzt fih mit dem Sammeln der Materialien eines Les 

benslaufs befaffen, der in ſich felbft allein alle Lehren der 
Geſchichte vereinigt. Wir find keineswegs gefonnen, bie ges 
ſtuͤrzte Macht zu befeidigen; wir wollen diefe Blaͤtter nicht 
durch verächtlibe Beſchimpfungen oder kalte Spötteleyen bes 
fleden. Hiſtoriſche Wahrheit foll einzig unfer Zeitftern feyn. 


I. 


In der deutfhen Sammlung der europaͤiſchen An: 
nalen von Poſſelt befindet fih der buchſtaͤbliche Tert ei: 
nes Schulzeugniffes, welches Napoleon Buomaparte 
aus der Milirärfhule zu Brienne nah jener von Paris 
brachte. ‘Er lautet (deutſch überfegt) fo: 

„Note vom Jahr 1784, ertrahirt aus dem Standbuch der 

ME des Könige, welche nad ihrem Alter für den 

Dienft 


oder Anekdoten über Napoleon. 113 








„Dienft fähig, oder nod nad der Schule zu en zu 
„bringen ſind.“ 


„Buonararte (Napoleon) geboren den 15. Au: 
„gut 1769, 4 Fuß, Io Zoll, 10 Linien groß, hat fein vier⸗ 
„tes Schuljahr zurüdgelegt, befigt gute Leibes-Konſtitution, 
„fürtrefflibe Gefundheit, beſcheidnen Charakter, ift. ehrbar 
„and erfenntlib. ‘Derfelbe hat fi immer in den matbemas 
„tiſchen Wiſſenſchaften befleißiget :und ausgezeichnet. In 
„Geſchichte und Geographie ift er ziemlich bewandert; doch 
„At derfelbe in den Uebungen des Angenehmen und im Latein 
„nicht ſtark, worinnen er blos die: vierte Klaffe gemadt hat; 
— Bird ein treffliher Seemann werden.” #) . 


Diefe letztete Vorausſetzung ‘ging nie in Erfüllung. 
Es ſcheint, Napoleon habe fi alsbald für den Artillerie: 


*) Unparteplichfeit bleibt des Gefbichtfcreibers fchönfte Zierde! 
Die franzöftiche Nation, welche ihten gefallnen Gößen früher 
bin in den Himmel erbob, macht ibm jetzt, um mwenigitens in 
ber Inkonſequenz fonfequent zu bleiben, feinen Taufnamen 
und fein Geburtsjahr ſtreitig. Sie tauft ibn, da er ihr heilt 
liger Napoleon nicht mehr ſeyn fann, zum Nifolaus um, 
und läfft ihn 1768 auf die Welt kommen. — Poſſelt, der 
verftebenden Aufſatz in einen der erfien Jahrgaͤnge ber Anna⸗ 
len aufnahm ‚fböpfte immer aus richrigen Quellen, und bleibt 
uns Deutichen ein fompetenter Richter. Es iſt demnach wohl 
nicht wabriceinlih, daß der Anabe Buonaparte, der im 
11ten Jahr die Echnle zu Brienne bezog, und fie im ı5ten 
Sabr feines Alterd (1784) wieder verließ, fein Schickſal ſchon 
folte geahnet und die Intrigue mit feinem Geburtjabr und 
Ramensverwechslung follte geipielt haben? ... Daß er ji 
fpäterbin unter die Heiligen verfeßen ließ: dieſes mögen jene 
Auserwäblten dermaleinft an einem dritten Ort mit ihm aus; 
machen; die lebende Welt will ihn durchaus nicht Fanonifiek 
wiſſen. | Yuin, d, un 


Eure. Annalen. 7ted Stie. 1815, ß 


114 Ä Buonapartiang , 





Dienft beftimmt, bey welchem er — der Revolution 
als Unterlieutenant diente. 


Es iſt im hoͤchſten Grabe Er wie‘ — Zei⸗ 
tungen aus den: Regiſtern des Civil-Etats, Paris, Reg. 2, 
Munizipalität des ten Bezirks No. 290, vom 19. Ventoſe 
Van IV. die Heirathakte Mapoleons mit Joſephinen, 

worin feine Geburt auf den 5. Febr. 1768 gefegt ſeyn folle, 
anziehen fönnen, während vorfiehendes Schulzeugniß in ei= 
nem Rapport enthalten iſt, den der: Inſpektor der Militär- 
Säulen, Graf Keralio, an den Orafen Segur, Mar: 
fhall und Kriege: Minifter, 1784 erftattete. In der Folge 
wurde der Rapport, der. die Form eines livret hatte, mit 
mehrern Büchern aus des Minifters Bibliothef auf Befehl 
des National: Convents an’ den Buchhändler Royer ver- 
tauft, und fpäter von Ludwig Buonaparte für 600 Fr. 
erftanden. Das Journal general de France v. 13. Nov. 
und la Quotidienne v. 11. oder 12. .beftätigen die Aechthett 

des Zeugniffes und der angeführten Umſtaͤnde. 


' II. 

Der franzöfifbe Emigrant, Hr. Barre, gab im Jahr 
1805 ein in englifber Sprache gefhriebenes Bub unter dem 
Zitel heraus: Anfang, Fortfhritte, Sinken und 
Gall der Regierung Buonaparte’s. Das Ende 
diefer Schrift enthält weiter nichts, als eine fehr gewagte 
Prophezeiung, indeffen es finden fich einige belehrende Auf: 
ſchluͤſſe darinnen, auch etliche Gegenjtände, deren Glaub: 
würbigfeit ber Verfaffer behaupten will. Eins dieſer Stuͤcke, 
welches am mehrſten reizen duͤrfte, iſt der folgende von 
Buonaparte im Dec. 1793 geſchriebene Brief: 


‚„‚Bürger:Repräfentanten! 
‚Auf dem Felde des Ruhms und im Blut ber Verräther 


3 


oder Anekdoten über Napoleon. 115 





„watend kuͤndige ich Ihnen mit Freuden an, dag Ihre Be: 
‚fehle vellfiredft find, daß Frankreich. gerät if. Weber 
„Alter noch Geſchlecht bat Schonung erhalten. Rene, welde 
„von den Feuerfblünden der Republik verfhont wurden, find 
„durch's Schwert der Freyheit nnd durch die Bajonette ber 
„Gleichheit befeitiget worden. Gruß und Bewunderung!’ 


Unterz. ‚„Brutns Buonaparte,. 
„Bürger Sans-eulotte.“ *) 
„An die Volks-Repraͤſentanten 
„Rebespierre den Juͤngern, 
„örerom ıc. 20.” 
m. 

Man hat Vieles über ben Heldeumuth ıgeforoden, den 
Buonaparte beym Uebergang über die Brüde bey Lo di 
entwidelte. Eine jüngfihin in England unter dem Titel: 
Genealogie de. Napoleon. Bonaparte .etc, erſchienene 
Särift gibt über diefe Begebenheit Aufklärung, die, wenn- 
fie wahr ifi, den Glanz jener vu perſoͤnlichen Dies ſehr 
vermindert: 

„Es ifiwahr, daß Buonaparte allein — zu Pferb 
die Brüde bey Lodi in dem Augenblick überforitt,. wo feine, - 


*) Died beit doch wohl auf gut deutſch: Ohnbehof’ter 
Bürger? Ein Sterbliher, der es aus diefem Zuftand der 
Vatur, feit dem Jahr 1793 bis zu unfern Tagen, zur Stufe 
enumihränfter Herrſchaft eines großen Volks gebradt. 
batte, ein ſolcher hätte fich doch wohl fum Frieden und zur 

» Gnügfamkeit neigen folen! .... Allein! leider, trug das 
Land der unbehof’ten Bürg er, (und trägt wahtiheinlih. 
in Emigkeit fort!) jener Art zerftörender Keime gar viele, die 
in unferm deutihen Vaterlande nicht Glüdieligkeit verbreiten, 
fondern fib durch unfeligen Naub dem Sand:culottis 
maus entteifen wolten. — Anm. d, Web, 


116 Buonapartiana , 
Soldaten ſich weigerten‘, vorwärts zu geben, und dag er am 
andern Ufer des Fluffes im Angefiht des Feindes die Sahne 
eines ſeiner Regimenter aufpflanzte. Aber dieſe von ihm ge—⸗ 
waͤhlte Fahne war — beynahe ganz weiß; der Feind hielt 
fie. für die eines Parlamentaͤrs, und that nicht einen Schuß 
darnach. Diefer fo berühmte Zug von Muth war drum wei: 
. ter nichts. als Geiftes: Gegenwart: eine wohl durchdachte 
Kriegstift, die gluͤckte.“ 
| We 

Nach der Angabe eines englifhen Journals ſoll folgen⸗ 
der Umſtand die Grundurſache der Ermordung des 
Herzogs von Enghien ſeyn: Der General Mo: 
red befünd-fich während feinem berühmten Ruͤckzug im Sept. 
1796 mehrmals bey der Oräfinn von Dberwdorf, ber 
Gemaͤhlin des Prafidenten des Herzogthums Neuburg. Das 
Haus’viefer , durd gebildeten Geift und liebenswuͤrdiges Bes 
tragen ausgezeichneten, Dame war der Vereinigungort ber 
franzöfifiben Generale!" Eines Tags drüdte fid General 
Moreau, im Beyſeyn Bandamme’s, Gaint: 
Eyr’e und mehrerer Stabe:Dffiziere, über die revolutionäre 
Regierung frepmüthig Aus? „Glauben Sie, meine Dame! — 
„ſagte er — daß wir Achtung tragen für bie gegenwärtige 
„Ordnung der Dinge oder die Perfonen, welche an ber Spitze 
„der Regierung ſtehen? Kommen Sie von dieſer Meinung 
„Juruͤck. Wir find genoͤthigt, ſo zu ſcheinen, denn die frem— 
„den Maͤchte wollen mit unſern Heeren nicht unterhandeln; 
„wollten ſie dies auch, es wuͤrde zwiſchen der Armee und dem 
„Direktorium ein Buͤrgerkrieg ausbrechen. Doch,“ fuhr Mo— 
reau fort, indem er eine in der Hand tragende Reitgerte 
ſchwang, — „laſſen Sie ung nur nad Frankreich zuruͤckkeh— 
„ren... Cine Militär: Revolution wird ausbreden. .... 
„Die Republik pafft nicht für Frankreich; wir bedürfen eines 


oder Anekdoten über Napoleon. 117 | 





„tonftitutionellen Monarchen. .... Die Armee zaͤhlt ſtark 
gauf einen jungen Prinzen, welcher bereits 
„mititärifbe Achtung erworben bat, und bes 
„Blutes des großen Condé's wuͤrdig ift, dag 
„in feinen Adern fliegt.‘ 

Diefe Aengerumg vom General Moreau wurde ent: 
weder dem Direktorium oder dem General Buonaparte 
durch einen ausgezeichneten Spion, deffen Namen wir ums 
geben wollen, auf der Stelle beridter. — Furcht, Mo: 
reaus Wuͤnſche erfüllt zu ſehen, machte ben Ufurpator un— 
erbittlih über das an bes ungluͤcklichen Herzogs von 


Engkien. i 


V. 

Sobald Napoleon mit ſich uͤbereingekommen war, 
ben kaiſerlichen Purpur zu tragen, ſagte ihm fein Bruder, 
der Erminifter des Innern und Mitglied vom Erhaltung: 
Senst, Lucian Buvnaparte, alle Schwierigkeiten zum 
Boraus, die er bey Gründung feiner neuen Dynaftie zu bes 
fieben hätte. — . Napoleon ſuchte feinen Bruder zur 
Eheſcheidung von einer geliebten Gattinn, Mutter mehres 
rer Kinder, zu vermögen; aber Lucian zog ſich nad der 
reizenden Billa Nemori bey Albano, vier Stunden von 
Rom, zuruͤck, die er ald Eigenthum von der Familie Bars 
barini erfauft hatte, In diefem Aufenthalt gab er fid 
dem unfhuldigen Reiz der ſchoͤnen Künfte hin, und den Freu: 
den der Studien. Bald hernach beruft ein Befehl des fais 
ferlihen Bruders feinen Sohn Carl und feine beyden Altes 
fien Töchter an den Hof der Zuilerien. Lucian fenbet 
blos feine fiebenzehnjährige Tochter Charlotte dahin ab, 
welche, eben fo wie ihre vier Schweftern und zwey Brüder, 
bie fergfältigiie- und glängendfte Erziehung erhalten hatte 
Rah einem Aufenthalt von zwey Monaten verfäwinde 


/ 


— 


118 Buonapartiana, 





Charlotte ploͤtzlich vom Hofe ihres Oheims; fie kehrt zu⸗ 
ruͤck, Zuflucht unter dem väterlihen Dad.gegen Verfolgung 
einer ganz neuen Art zu ſuchen. Man will-fie gegen 
ihren Willen, zu einer Prinzeffin maden.... 

Seit diefem Augenblick fheinen beyde Brüder unver: 


ſoͤhnlich zu ſeyn. Luzian, die beftigften Maßregeln gegen 


ſich befürbtend, ergreift die Wahl, fib nad den vereinigten 
Staaten zu flühten. Aber, wie kann er den von engländi: 
{ben Flotten uͤberdeckten Ozean durdfluten ? Er eröffnet einen 
Briefwehfel mit Hrn. Hill, dem englifhen Gefandten .amı 
Hofe von Sardinien, und bittet ihn um Päffe von der eng» 
ländifhen Regierung nah Amerita. Ar. Hill laͤſſt ſich's 
zu eifrig angelegen feyn, Luzian nah Öarbinien ein: 
zuladen. — Der Londoner Hof, irgend gine Hinterlift vers 
muthend, verweigert den Reiſepaß. — Lu zian hatte ſich 
beeilt, nah Sardinien zu fommen, wofelbft er aber nicht 
einmal die Erlaubnig erhalten kann, zu fanden. Er-befand 
fib fomit in der größten Verlegenheit; zuräd darf er nicht, 
will er fi nicht dem ganzen Zorn feines Bruders ausfegen. 
Hr. Hill felbft weiß den Knoten nit zu Idfen. Gluͤckli— 
cherweiſe nimmt es ein andrer Geſandter Englands, Hr. 


 Mbair, der über Sardinien nah Konftantinopel geht, auf 


fih, Luzian fo fange nah der Inſel Malta zu fenden, bie 
eine neue Beſtimmung des Londoner Hofes eingetroffen iſt. 
Da diefer Hof die gewiffe Verfiherung erlangt hat, dag Lu— 
zian weiter nichts ſuche, als ein ruhiges Afyl, fo erlaubt 
er ihm, fi unter der Bedingung nad England zu begeben, 
daß er dort ald Kriegs:Gefangener auf le Ehrenwort und 
unter Auffiht leben foll. 

Den 13. Dec. 1811 landete er, von der Fregatte der 
Präfident, mit,fener Gattinn, fieben Kindern und ei: 
nem Gefolg von fünf und drepßig Perfonen, im Hafen zu 
Plymouth. Graf Powis bietet ihm fein Shlog Stone 


ober Aneftoten Äber Napoleon. 119 








houſe, nahe bey Ludlow, zur Reſidenz an. Seit jener 
Zeit bar er dieſe Wohnung gewechſelt, und fein letzterer Auf: 
enthalt war in der Nähe von Worcefter. Ein englifher 
Obriſt ift für Luzian perſoͤnlich, und deffen Briefwechfel 
verantwortlid. — Er theilt feine Zeit zwiſchen Spazierens 
gehen und dem Studieren. Juͤngſthin ift von ihm ein epiſches 
Gediht erfbienen, betitelt: Carl der Große, in 22 
Gefänge, die 16,000 alerandrinifhe Verſe enthalten. — 
Englifbe Tagblaͤtter verfiberten vor Kurzem, Fräulein 
Charlotte Buonaparte würde einen jungen Engländer 
von angefehener Familie heirathen, welder — im Vezirt 
von Worceſter beſitze. — 
a U er Ü 

£uzian ift nit ber einzige von Buonaparte’g 
Brüdern, der genöthigt war, ber anmaßenden Tyranney 
des Erkaifers fih zu entziehen. Der ehemalige König von 
Holland, nachdem er feines Königreichs war beraubt worden, 
mo er insgeheim Handel und Schiffahrt begünftigte, und fi 
dadurch fehr beliebt machte, — glaubte keineswegs im uners 
meffliden Reihe Napoleons ein zufriebnes Leben führen 
zu können; er bat Deftreih um eine Zufluchtflätte. Die 
Statt Gräg in Steyermarf, berühmt durch ihr zartes Ges 
flägel und ihre ſchoͤnen Töchter, wurde bie Refidenz des 
Ermonarden, Dafelbft fhrieb er einen Roman, der den 
Titel führt: Marie, in welchem er, mit wahrhaften Tas 
lent, ein Gemaͤhlde holländifher Sitten entwirft. — Als 
er im Beginnen des gegenwärtigen Kriegs Defterreich vers 
ließ, kam er nad der Schweiz, und beſuchte die berühmte 
Frau von Montolieu wie ein anfpruchlofer Öelehrter. 


—W vn 
Es war im May 1806, daß Deputirte Ihrer Hoch⸗ 
Mögenden nad Paris kamen, an einer Verfaſſung ihres 


— 


120 Buonapartiana, oder Anekdoten über Napoleon. 








Baterlandes zu arbeiten, und fi den Bruder des franzoͤſi⸗ 
ſchen Kaifers zum König auszubitten. Napoleon ‚geftand 
ihnen denfelben in einer feyerliben Audienz zu, und begab 


ſich, nach Endigung der kleinen, mit aller Kunft.durdgeführe 
ten, Komödie vergnügt in feinen Salon, wo er die Söhne 


feines Bruders Ludwig fand.» Er nahm den älteften, fei- 
nen iebling, bey der Hand, und fragte ihn: „wie viel Fa: 
bein er auswendig wife?” — Fünfzehn, Onkell:— 
„Sage mir bie, ‚die du am beften in — Und ver 


Kleine begann: | er 


Les grenouilles se lassant — 
De l’etat démocratique Eh | 

Par leurs clameurs firent tant Ä 

Que Tupin les soumit au pouvoir monarchique u, f. w. 


35. Bekanntwachung ber kaiferlibsrufftfhen Hebers 
gabe der oberiten Verwaltung des Königreichs Sad; 
fen an Preußen, datirt Dresden den 27. Oktober (8. 
Nov.) 1814. S 

36. Bekanntmachung ber koͤniglich-preußiſchen pro; 
viſoriſchen Beſitznehmung des Königreichs Sachſen, datirt 
Dresden den Io. Nov, 1314 ©. 108 

37. Note confidentielle de la Russie A PAutriche et 

ala Prusse. ©. 109 

38. Note der bevollmäctigten Abgeordneten neun und 
zwanzig deutfber fouverainer Kürften und 
Städte, an den kalferlih:H ftreihifchen Staats; und 
Gonferenz » Minifter ıc., Herrn Kürften von Metter 
nid, und anden koͤniglich-preußiſchen Staatskanzler, 
Herrn Fürften yon Hardenberg, datirt Wien den 16. 
Nov. 1814. | ©. 1m, 


Io7 





Stuttgart und Zübingen; in der 3. G. Eotta'fhen Buchhand⸗ 
[ung if erſchienen: . 
Allgemeige deutſche Juſtiz⸗ und Polizep » Fama, herausgegeben 

von Hartleben. 1815. Map. 





Morgenblass 
für gebildete Stände 1815. Map. 


Inbhalt. 

Die Sucht zu glaͤnzen, oder gekraͤnkte Gitelleit. . — Gas 
gen und Kunden des Morgenlandes. Das Paradies. Salomon. 
— Dbe auf Geine Köuiglihe Hoheit, ben Aronpringen von 
Württempderg. Von Viſcher. — Kleine Gedichte. Bon Welfs 
fer. 1. Schlimme Zeiten. 2. Warnung. 3. Tod und Reben. — 
Die beutfche Volkstragt. Un W. A. — Die Winterblumen, Von 
Fr Rapmann, — Ausflug aus Hamburgs Trümmern im Herbfl 
2814. 10. Loccum. Das Kloſſer. Die Hora. Der Kıofterhain, 
Der Abſchied. Die Heimtehr. — Dem Ccribler Afot. Bon Ag. — 
Der blühende Baum. Bon Karı Lappe. — Ws dem Helden 
B. ein Sohn geboren ward, Bon H9 — Freye Nacbildungen 
aus dem Almanach des Muses pour l'an 1815. Die Rofe und 
die Stechpalme. Der Gärtuer und die Fliege, Der Charlatan und 
der Philoſoph. Der Herzogiun von Augouléme in Montargis. 
Fenelon. Bavs Li. Frage. As Laura Mundfchentiun war. ms 
fhrift für einen Badeſaal mit erotifhen Gemählden. Bon Hg. — 
Der Geizige und fein Diener, Bon Weiſſer. Brudfiäd aus 
den Mährchen, Erzählungen und Anekdoten des Verfaffere., — Die 
Cpielbäufer in Paris, Bon Theodor v. Haupt. — An Pfvcha: 
rion. Bon Hg. — Henriade und Iliade. Bon Ebd. — Zur Ges 
fhichte der Kıteratur in Baiern, — Mittel gegen die Traͤgheit. — 
Shafefpear und kein Ende: L. Shbarefpear als Dichter übers 
baupt, II. Shakeſpear, verglichen mir den Alten und Neuiten. 
Bon Goethe. — Shakeſpear's Lob. Aus einem Luftfpiele 
Garrids Bon Hg — Die an Weltington Bon Viſcher. 
— Gödg von Berlichiugen nad) der neuern Bearbeitung von Goethe 


und beffen Aufführung im Dresdner Hoftbeater am 18. Mär, 1315. 
Bon B. — Schweitzer Anekdoten. — Kleine Gedichte. Bon Weifs 
fer. 1. Größe im Unglüd. 2. Kıage und Troſt des Henkere. 3. 
Der Nehmer. 4. Pigers Anerbieten. 5. Vergeltung. — Nachleſe. 
— Die wenig erwogene Gefahr, die beyden Herrſchaften Walern 
unb Lizelberg in ber Berloofung am fünftigen 30. Jany biefes 
Jahrs zu gewinnen — in einem Briefwechfel zwifben dem Rektor 
Seemaus und mir, (Bon Jean Paul.) — Dbe an Blüger, 
Bon Viſcher. — Einladung aufs Land, Bon Neuffer — 
Scherz im Ernft, und Ernſt im Scherꝛ. Von Weiffer. Das Reis 
men. Der ungenießbare Schmaroger. Gegen die Faulen. Großmuth. 
Glauben. Die Weltweifen. Die Verhaßtern. Religions: Kriege, 
Eitte, Der Liebhaber. Der Mägtige. Narren: und Weiſen-Gluͤck. 
Reimreich. Benennung ber Dinge. Böfewichter und Narren. Boͤſe 
Frauen. Das Pulver, Der Tadler. Der Selbfimörder. Au ben vers 
ächtlihen Niger. Befteidenbeit, Verbrecher. Flucht vor den Das 
men: Der begeifterte Trinfer. Daß vergeffene Wert, Auf gewiſſe 
Schriftſteller. Die Käffigen. Diebeklage. Xhorbeiten. Gegen ben 


Selbſimord. — Don’ Eiccio, Bon G. — Math an Tiro. Bon 
Hg. — Analekten. Bon Cz. — Die Schriftftellerinn im Stillen, 
Bon Hg — - Kumrigedihte. Von Karl Lappe. J. Dem 


Frühlinge 1813. 2. Im Sommer 1813.— Der Freundfchaftdienft. 
1. Der Freier zwev. 2. Der Bormund, 3. Die Briefpof. 4. Zwey 
Donnerwetter. 5. Triumph ber Kunft. 6. Der Mittelmeg. 7. Der 
Yrgwohn. 8. Der Walzer, 9. Sleicher Zweck. 10. Ein Flaͤſchchen 
noch! ırm. Das Gluck der Freundſchaft. ı2. Wo ift der Freund? 
13. D Hoffnungen! — Hiſtoriſche Mitzellen, Bon Prof. Kahſer. 
— Etwas von deutfcher Art und Kunſt. Bon Albano. — Ur 
theile der Engländer über Bonaparte's Iehtes Unternehmen, — 
Europäifhe Kameelzucht. . K. R.:., 2. 9.: mn W. ©... 
Wallfahrt nah dem fogenannten Garten (Jardin) des Montblanc. 
Im Auguft 1817. — Deutſcher Charakter. Bon Jar, Sammer 
lander, von Mainz, um 1535. — . Kleine Gedichte. Bon Weifs 
fer. 1. Harpagon negen den Virgil, 2. Der reimende Taugenichte. 
3. An eine fhöne Schwägerinn. 4. Die Mißpeiratb, 5. Der alte 
Dichter an feinen neuen Verbeſſerer. Aus Sismondis Wert 
über die Literatur des mittägliven Europa, 1. 2. Karakter der frans 
zbſiſchen Dichtkunſt. — Lehre. Von Hg. — Slück der Haͤßlichkeit. 
Von Hg. — Die Methodiften in England, — Beytrag zur Ger 
ſchichte bed Unteribiebs des Geldwerthe in verichiednen Zeiten. (Aus 
bein Montly Repertory 1813.) — Der Frühling. Freye Nagëg bil⸗ 
dung eines franzoͤſiſhen Liedes vom 3. 1574: (SG. Sommaire de tous 
recueils de Chansons. A Lyon.) Bon Ya. — Korreſpondenz⸗ 
Nachrichten aus Berlin, Bresiau, Caſſel, Frankfurt an Mapır, 
Kopenhagen, London, Miinchen, Petersburg, Prag. Wien, — Char 
raden, Logogryphen und Raͤthſel und deren Auflöfung. 





— ⸗ 


Europaͤiſche Annalen 
Jahrgang 1818. 


Achtes Stuͤck. 


0— — 


Tuͤbingen 
in der I. G. Cotta'ſchen Vuchhandlung. 
1813. 


yon a! et 


— ——— —— 


I, Norwegen Im Jahr 1814. (Aus den Norwegiſchen Schrif⸗ 
ten, Zeitungen und den Hauptprotofollen des Storthings 
gefammelt.) Geſchluß.) ; 

11. Rede des Grafen Wedel-Jarlsberg, gehalten im norwe 
piigen Storthing am 20, October 1314. ©. 

III. Geheime Nachrichten aus Napoleons Leben, ©. 

IV. Der König von Polen und-die ſchweizeriſhe Eidgenoſ⸗ 
ſenſchaft im Jahr 1772. " ©. 

V. Ueber das Verhältnig des deutihen Adels zu feinen 


Mitfiänden in Bezug auf die Berfaflung. ©. 
VI. Kleine hiftoriihe Denkwuͤrdigkeiten,. ©. 
Einiges Über Spantens Finanzen, S. 

% * 


Codex diplomaticus. 

39. VBerbalsNote des herzoglih:braunfhweigifhen 
Abgeordneten, Herren Geheimen Raths von Schmidt ge: 
naunt Phiſeldeck an den koͤniglichhannoͤveriſchen er 
ften Bevollmädtigten, Heren Staats: und Cabinets:Mis 
niiter, Grafen von Münfter, batirt Wien den 16. No 
vember 1814. ©. 

40. Note der bevollmächtigten Abgeordneten neun und 
zwanzig deutiher fonverainer Fürſten und Städte 
an den fönigl. großbrittanniih:hbannöverifben Herrn 
Staats; und Gabinets: Minifter auch Erblandmarſchall, 
Grafen von Münfter, mit Ueberiendung ihrer, unter 
dem 16. Nov, 1814 an die Bevollmächtigten der Höfe von 
Wien und Berlin erlaffenen Note, datirr Wien den 16. 
November 1514. ; 

41. Antwort des koͤnigl. großbrittanniſch-hannöveri— 
{ben Herrn Staats; und Sabinetd-Minijters und erjten 
Bevollmächtigten, Grafen von Müniter, an die Abs 
geordneten neun und zwanzig deutſcher fouverainer 
Fürften und Städte, auf diejenige Zuſchrift, womit 
fie ihm ihre an die Höfe von Wien und Berlin gerichtete 
Note vom 16. Nov. 1814 überfender hatten, datirt Wien 
den 25. Nov. 18134. ©, 

42. Note des aroßherzoglich-badiſchen bevollmäctigten 
Gefandten an dem Wiener Hofe, an den kalferlibsofter: 
reichiſchen Staats: und Conferenz-Miniſter, aub Mi: 
nifter der auswärtigen Ungelegenheiten, Fürften von 
Metternich, datirt Wien den 16. Nov. 1814. 2 

43. Note der königlih - württembergifden Bevoll: 
mäctigten an die übrigen Mitglieder der Comite für bie 
deutfhen Angelegenheiten (Deftreich, Preußen, Bayern 
und Hannover), datirt Wien den 16. Nov. 1814. & 

44. GegensMote des kaiferl. dfterreibifhen Staats: 
und Conferenz: Minifters ıc. Herrn Fürften von Mets 
ternich; auf vorftehende foniglih-wurttembergiide 
Note, datirt Wien den 22. Nov. 1814. ©. 

45. Erwiederungs:Note der föniglib-wärttember: 
gifhen Bevollmäctigten an den faiferlib:öfterreibis 
{ben erften Bevollmaͤchtigten, darirt Wien den 24. No: 
vember 1814. ©. 

46. Note der großherzoglih⸗-badiſchen und heſſiſchen, 
daum herzoglich-nafſſauiſchen Bevollmaͤchtigten, an den 


21 


IL: 





Se]: 2; 
Norwegen im Jahr 1814. 


(Aus den Norwegiſchen Schriften, Zeitungen und den Haupt: 
pretofsllen_ded Storthings gefammelt,) 


(Betitfdy Iu WW 





15. Detober. Kapitän Raeder gab einen Vor: 
f&lag ein, um dem Staaterdth den Dank des. Storthinge 
darzulegen, weil es die Gefege aufrecht erhalte ,. indem. es 
die Mititär-Perfonen in Anſpruch genommen babe, die man 
au dem legten unglüdlihen militärifben Begebenheiten ale 
fAauldig anfäbe, und von dem fommandirenden General 
Nacricten über die Chefs der Korn einzöge, die die Ehre 
der Kation und ihre eigne in dem Grabe vertheibigt hätten, 
daß jie den Dan? der Nation und ded Storthings verdienen 
koͤnnten. Die Sache ward ausgefegt. Es wurden wieder 
Enbicriptionen aus Hademarfe, Drontheim ıc. im Fall eine 
Krieges vorgelegt. 

Den 18. warb der Vorſchlag des Kapitän Raeder 
erwogen. Graf Wedel Jarlsberg bemerkte, daß noch 
keine Militär: Perjon zur Verantwortung gezogen, aber eine 
Dbertriegstommifjion niedergefegt wäre, um zu unterfuchen, 
eb Jemand verantwortlih fey, Die Sache warb mit 57 
Stimmen ausgefegt, und dann an's Doelöthing, und hierauf 
an’s Lagthing verwiefen. 

Me Sekretär Ehriftie wurde mit 58 Stimmen wicber 

zum Präfidenten erwählt; Graf Wedel Jarlsberg hatte 

nach ihm die meiften Stimmen. Darauf wurden mehrere 

Säörefben verlefen: 1) eine Anzeige der Schwedifhen Kom: 

mitfarien, dag Freyherr von Platen ihnen beygeordner 
Europ. Annalen. Sted Stud. 1815. 9 


* 


— 


122 Noorwegen im Jahr 1814. 





— — ———— 
ſey; 2) ein Schreiben vom Kommandeur Kapitän Faſt ing, 
worin er den Kommandeur Fabricius an feiner Stelle als 
Beygeordneten im Staatsrath vorfhlug, da fein Poften als 
Chef der See:Defenfion feine perſoͤnliche Gegenwart erforde: 
re; 3) Bericht wegen eines in Drontheim errihteten freywil: 
ligen Jägerforps. Ein Worfihlag des Pafter Abel, ben 
Drontheimern den Dank des Storthings für ihre freywilligen 
Beyträge zum Beften des Staats. darzulegen, warb ausgefegt. 
Da bie niedergefegten Kommiffionen zur Unterfuhung bes Zu: 
flandes des Reichs und zum Empfang der Mittheilungen von 
den Schwedifhen Kommiffarien am andern Tage ihre Be: 
richte einreichen follten, fo befhlog man einftimmig, daß das 
Storthing. morgen feine Bigung bey verſchloſſenen Thuͤren 
halten ſolle. 

Den 19. Der Vorſteher des Committé zur Unterſu— 
hung des Zuftandes des Reihe, Kapitän Mapfeldt, ver: 
las ben Bericht, betreffend die Streitkräfte des Landes, bie 
Verforgung der Armee, ihr Meditinalwefen, die Verpro— 
viantirung und das Geldwefen des Reis. *) Dberft:Lieu: 
tenant von Krabbe bemerkte, daß man aus diefen Berich— 
ten nicht erfahren koͤnne, ob die Armee mit ben gchörigen 
Schneeſchuhen verfehen ſey, **) und der Präfibent, daß ber 
Belauf der freywilligen Beytraͤge nicht mit berechnet fey, 
Konful Konow, Probft Herzberg legten ſchriftliche Vor— 
ftellungen ein, und Paſtor Tybring hielt eine Rede (die 
nicht befannt gemadt ift). Etatsrath Treſchow ald Wor: 
mann bed andern Commite legte muͤndlich Beriht ab, 
fowol in Rücfiht der vorgefchlagenen Veränderungen im 
Orundgefege, als der Bedenken bet Kommiffarien in Rüd: 


*) Siehe die Einleitung dieſes Aufſatzes, wo ſich dieſe Reſul⸗ 
tate befinden. 

*) Stier; ed gibt in Norwegen eigene Korps Schneeihuhläu: 
fer, ——— 


Norwegen im Jahr 1814. or 123 





ficht der Rorwegifben Flagge und des Norwegiſchen Geld: 
weiens. Kapitän Matzzfeld und einige Andere fragten, 
ob die Mittheilungen der Kommiffarien an das Committe ihr 
Ultimatum ausmachten? Das Committé erklärte, wiewol fie 
nicht als Ultimatum abgegeben wären, fo müffe man fie doch 
als folde betrachten, bis die Hauptfrage abgemadt fey. 

Zandridter Nanfen legte einen Vorſchlag zu einem. 
Friedens:Traktat mit Schweden vor, der zum Protofoll ges 
legt warb. Etatstath Trefbow flug vor, den Haupt: 
gegenfiand der Berufung des Storthings fogleich vorzuneh: 
men, da ber Ablauf des Waffenftillftands nahe fen. Dem— 
zufolge ward beſchloſſen, diefen Gegenftand morgen wieder 
bey verihloffnen Thüren zu verhandeln. . Hierauf ‘zeigte 
ber Präsident den Empfang zweyer Schriften über die Vers 
einigung Schwedens mit Norwegen an, einer anonymen 
und einer von Dberfi Rabe, welbe dem Sommitte überges 
Ben wurden. Ein Gefuch des Räpitänd don Mannabach 
um feinen Abſchied ald Major und ein anderes von S. D, 
Prinz Chiftian Friederich Marimilian zu Sayn— 
Wittgenſtein Berleburg wegen feines Abſchieds als Oberft: 
Leutenant wurden ausgeſetzt. 

Den 20. Die verſchiednen von Treſchow gemachten 
Vorſchlaͤge wurden in Erwägung gezogen, und nad der Ein: 
fegung bes Präfidenten auf folgende beyde Fragen reducirt: 
1) Kann bag gegenwärtige außerordentliche Storthing ſich für 
befugt halten, auf Veranlaffung der von König Chriftian 
Ereberit überlieferten Abdikation: Akte, in Ruͤckſicht der 
neuen Koͤnigs-Wahl, jede Beftimmung, welche es will und 
für das Reich heilfam erachtet, feſtzuſetzen? Bey der Votirung 
nah namentlihem Aufruf warb die Frage bejahend beant: 
mwortet, fo daß nur Eine Stimme entgegengefegter Meinung 
war. 2) Soll Norwegen unter gewiffen Bedingungen mit 
Shweben unter Einem Könige vereinigt werden? Das 
Storthing ward vorläufig einig, daß die Frage durch Plura: 


124 Norwegen din Jahr. 18174. 








litaͤt abgemacht werden koͤnne, ohne daß zur Annahme einer 
folhen Vereinigung $ der Stimmen erfordert würden, unb 
ehe die Votirung in Ruͤckſicht diefer Frage vorgenommen warb, 
fuhte Bifhof Bed, Treſchow, Bifhof Soͤrenſen, 
Aabll, Reierfen, Lanze, Schultz, Weidemann, 
| Sarg, Landrihter Nanfen, Stege, Schmidt, Tide: 
mand,:Sodemann, Möller, Paftor Dahl, Koren 
und Graf Wedel-Jarlsberg in Reden an das Stort: 
hing die Gründe zu entwiceln, welhe bey diefer Frage in 
Betracht zu ziehen find. *) Nun ſchritt man zum Abſtim— 
men durch Namen-Aufruf; 72 der gegenwärtigen Mitglieder 
antworteten mit Sa, und 5, nämlich Affeffor Hagerup, 
Konſul Konow, Artillerie: Kapitän Matzfel dt, Sefre: 
tair Chriſtie und Paſtor Dahl mit Nein. Das ausge— 
bliebene Mitglied, Profeſſor Krogh, lieferte ſchriftlich ſei— 
ne bejahende Stimme ein — Hagerup ließ ſeinem Vo— 
tum im Protokoll⸗Folgendes beyfuͤgen: Mit Ruͤckſicht anf 
dasjenige, was bie meiſten ſtimmfaͤhigen Einwohner der 
Stadt Bergen mir ausdruͤcklich zu erkennen gegeben haben, 
als einer ihrer Repraͤſentanten bey dieſem Storthing halte ich 
mich verpflichtet, ſo zu votiren: Rorwegen ſoll nicht mit 
Schweden unter Einem Könige vereinigt werden: Konſul 
Konow, Matzfeld, Chriftie (alle drey gleihfalls De: 
putirte der Stadt Bergen) flimmten diefem bey, fo wie Par 
for Dahl, in Betreff der Einwohner des Amts Norb: 
Bergenhuus. 

Ein bedingtes Ja — ab: Raeder Ja, weil ich 


*) Dis jetzt iſt nur die merkwuͤrdigſte dieſer Reden, die des 
Grafen Wedel, bekannt gemacht worden; wir geben fie in 
den folgenden Abſchnitt; die übrigen ſollten erft in den voll: 
ftändigen Hauptprotofollen in der Folge berausgegeben mers 
den, und ih werde fodann ihren Hauptinhalt lurz nachfolgen 
laſſen, infofern er entweder im fich oder durch die darin ent: 
baltenen Aufſchluͤſſe merkwuͤrdig ſeyn folte, 


— 


Norwegen im Jahr 1814. 125 








nad der reiflichſten Ueberlegung finde, daß man unter ben 
gegenwärtigen Umfländen nichts Andres thun könne; um daß 
Land vom größten Unglüd zu retten, Moegleftie unter 
der Bedingung, daß Norwegen ein felbftftändiges Reich blei- 
be, von eignen Gefegen regiert, und ohne Beyflimmung bes 
Storthings Beinen Veränderungen unterworfen werde, feine 
eigne Flagge und National: Gerehtfame behalte; Oberft“ 
Krabbe unter einer ähnlihen Bedingung und dem Zufage, 
dag Schweden fo fhnell als möglich feine Truppen aus Nor: 
wegen herausziehe, weil das Gegentheil Mißtrauen gegen 
die Nation anzeigen würde; Abel Ja, als Folge der 
Nothweundigkeit und auf ehrenvolle Bedingungen heilſam; 
Reierfen im Wefentlichen eben fo; Schul mit der aus— 
drifliden Bedingung, daß Se. Schwedifihe Maj. es dem 
Storthing überlaffe, die nothivendigen Veraͤnderungen in der 
Konflitution ohne Ruͤckſicht auf die. Vorfhläge der Kommlſ— 
farien zu machen. Boͤgvaldt, Bruun, Sörenfen, 
Sodemann, legterer, wie Schul, bie brey erften unter 
der Bedingung der völligen Selbfiftänbigkeit, Oberft Heger: 
mann: Unter gegenwärtigen Umftänden halte ich bie Vereini- 
gung, fowie bie Aunabhme der Schwediſchen Succeſſion⸗Ordnung 
vom 26. April 1810 für eben fo heilſam als nothwendig unter 
folgenden Hauptbedingungen: 1) daß man genan bey dem 
Raturalifation:Syftem nach der Eidswolder Konftitution vor 
19. Mai 1814 halte; 2) dag die Schwebifchen Truppen bie 
in Norwegen befesten Diftrifte und Feftungen, fo wie fie 
diefe beſetzten, als Zeichen gegenfeitigen Zutrauend und ge: 
geufeitiger Achtung verlaffen, 3) daß Norwegiſche Truppen 
wiemals aus dem Reiche beordert werben, als zur Verthei— 
bigung ber Gränzen ber fcandinavifhen Halbinfel; 4) baß 
die’ geringen zur Bereinigung erforderliden Veränderungen 
in der Eidswslder Konftitution doch immer ihren Geift unge: 
kraͤnkt behalten. — Wiewol ih Sören Tybring Norwe— 
gend Vereinigung mit Schweden. nit für wuͤnſchenswerth 


726 Norwegen im Jahr 1814. 





halte, ſo ſtimme ih doch, durd die Zeit-Umftände veranlafft, 
für diefe Verbindung auf die Bedingung, daß Schweben bie 
Veränderungen im Grundgefege annehme, die das Storthing 
für nothwendig Hält; Holter wie Paflor Tybring; 
Aall unter der’ Bedingung völliger Selbſtſtaͤndigkeit bes 
Reihe; Korem unter der Ausdrüdlihen Bedingung, daß 
Norwegen fih jest verpflichtet, durdaus nichts anders mit 
Schweden gemein zu haben, als Einen König, dieſelbe Suc: 
cefion: Ordnung, gemeinfhaftlihe Wertheidigung gegen. ans 
dre Mächte, und die Beftimmungen, welche das Storthing 
demzufolge in der Konftitution für nothwendig erachten moͤch⸗ 
tey Holtenberg. unter der Bedingung der Selbfiftändig: 
keit; Paftor Anzell und Etatsrath Kengen (von Dront: 
heim) ‚eben fo, da die Notwendigkeit die Verbindung mit 
Schweden gebiete; Garmang unter der Bedingung. ber 
Selbſtſtaͤndigkeit. — Die dritte Frage war; full der König 
gleich gewählt werben? Paſtor Dahl hielt eine Rede; 47 
Stimmen gegen 30 befiimmten, daß die Könige: Wahl nicht 
eher vorzunehmen fey, bis man über die Veränderungen im 
Grundgefege einig geworben wäre, — Der Präfident ver- 
las nun ein Schreiben des Staatsraths, betreffend die Au— 
falten zum ungehinderten Gang der NRormegifben Poften 
durch Schweden, und ein anderes, betreffend die geheimen 
Vollmachten, womit der eine oder andere Repräfentant vers 
fehen ſeyn möchte, 

“Den 21, wieder bey offnen Thüren, Es:ward beſchloſ⸗ 
fen, fernerhin die Abfehriften der Verhandlungen im Blatte 
Tiden (jet Norwegiſche Reichs:Zeitung) bekannt zu machen. 
Kin Gefuh des dänifhen Rittmeifters Schack Theftrup 
um bie Naturalifation ward ausgefeßt. Dann wurden bie 
Schwediſchen Konmiffarien eingeführt, und der Staatsrath 
Rofenblad hielt eine Rede, bie fich in den deutfchen Blät: 
tern befindet. Der Präfident erwiederte: Mit beftändiger 
Rüdfiht auf das Wohl des Vaterlandes und dad Gluͤck der 


Norwegen im Jahr 1814: . 127 





fcandinasifhen Halbinſel werden Norwegens Repräfentanten 
unablaͤßlich in der Erwägung und Beftimmung der Verände: 
rungen im Grundgefege, welde die Vereinigung von Nor 
wegen und Schweden nothwendig madt, fortfahren. Die 
Kommiffarien verliefen darauf die Verfammlung. Kapi: 
tän Matzzfeld serfas einen Bericht über den Punkt, in 
wie weit die Armee mit Schneefihuhen verfehen fey. Der 
geftern ausgebliebene Sektion⸗Chef Teis Lundegaarb 
beantwortete die Frage wegen Vereinigung bender Reiche be: 
jabend. Am 14. und 21. erwählte das Odelsthing, beffen 
Verhandlungen bis weiter ausgefegt wurden, ben Sekretaͤr 
Chrifiie zum Präfidenten, 

Den 22. ward bag Odelsthing gehalten, und man be: 
ſchloß, den Staatsrath zu befragen, wie weit er mit der be: 
foblenen und mir dem Wunſche der Nation übereinftinunenden 
Unterfuhung des Benehmens verfhiebner Perfonen im legten 
Feldzug fortgefchritten fey. - | 

Am 24.DOctober wurde mit Pluralität von 69 Stim: 
men beſchloſſen, daß feine andre Veränderung im Grundge: 
feße als diejenige, die wegen der Vereinigung von Schweden 
und Mormwegen nothwendig wäre, bey. diefem Storthing in 
Ermägung zu zieben fey. Zerner beſchloß man einfiimmig, 
daß, wenn das Storthing in Ruͤckſicht ber. vorgefchlagenen 
Beränbderungen im $. 25, 26 und 75 bes Grundgefekes 
einen Beſchluß gefafit habe, auch die übrigen zu erwägen wä- 
ren. Der Präfident verlag ein Schreiben bes Staatsraths, 
megen der vom Generalstieutenant Harthauſen nachge— 
ſuchten Erlaubnig, auf furze Zeit zu verreifen. — Etats: 
rath Treſchow ſchlug eine Danfadreffe an König Chri: 
ſtian Frederik in Rüdfiht der. Dienfig vor, die er dem 
Reihe geleiftet babe. Der Vorfhlag wurde audgefeßt. 

Den 25. Schulg, Koren, Major Sibbern und 
Doftor Möller hielten Reben über die vorzunehmenden 
Beränderungen im Grundgefege, welche noch nit bekannt 


N 


128 Norwegen im Jahr 1814: 








gentacht find. Darm ſchritt man zur Verhandlung über dieſe 
Veränderungen. Bey $. 25. fhlug Doktor Neumann 
den Zufag vor, dag Norwegen nie gegen Dänemark in ei- 
nen.offenfiven umd eben fo wenig in einen befenfiven Krieg 
gezogen werben möchte, wenn es nicht in feinem eignen Laube 
von Dänemarf angegriffen würde, worüber er eine Rebe 
hielt. Konful Konow bradte auch einige Erinnerungen 
gegen bie vorgefhlagenen Veränderungen vor. Kapitän 
Matzfeldt fhlug folgende Veränderung bed $. 25. vor: 
Der König führt den hoͤchſten Befehl über die Land: und Sees 
Macht des Reihe; fie darf ohne Einwilligung bes Stor: 
things weder vermehrt noch vermindert werden. Gie ift nit 
in den Dienft einer fremden Macht zu überlaffen, und fein 
fremdes. Kriegevolf, ausgenommen Huͤlfstruppen gegen feind⸗ 
lihen Weberfall, find ohne Einwilligung des Storthings im 
Reiche zuzulaffen. In Friedens-Zeiten dürfen nie andre als 
Norwesifhe Truppen in Norwegen, und feine Norwegiſche 
in Schweden feyn, aber wenn. Schwedens Graͤnzen oder Küs 
fen angegriffen werden, foll die Hälfte der in Norwegen or: 
ganifirten Landmaht Schweden zu Hülfe fonimen, und wenn 
Norwegen angegriffen wird, fo foll ihm Schweden mit fo 
viel Landmacht zu Hilfe kommen, als die Hälfte der Norwes 
gifhen ausmacht. Größere gegenfeitige Hälfe fol von Nor: 
wegen ohne Einwilligung des Storthings weder ertheilt noch 
angenommen werden; auch dürfen Norwegiſche Truppen ohne 
. Einwilligung des Storthinzs nicht außerhalb ven Schwebi: 
(den Gränzen gebrandıt werden, Er gab dabey zu erkennen, 
daß er unter organifirten Truppen nit allein geworbene, 
fondern auch -die nationalen verſtaͤnde, jedoh fo, daß bie 
Landwehr, Freybataillone, bürgerlihe und Freykorps nicht 
mit darunter begriffen wären. Raeder, Biſchof Sörem 
fen, Aall und Bygvaldt hielten bey dieſer Gelegenheit 
Reden. Doktor Neumann nahm feine Motion, betrefe 
fend einen Krieg gegen Dänemark, zuruͤtt, wann Map: 


Norwegen im Jahr 1814. 129 


feldts Vorſchlag angenommen werden follte, da fich daran 
ergäbe, daß der König ohne Einwilligung des Storthings 
feinen Anariffd:Krieg beginnen koͤnne, und er glaube, daß 
dieſes die Gefühle für Norwegens altes Bruderland tbeile, 
welche feine Motion an den Tag lege. Landrichter Nan— 
fen ſplug vor, daß die Norwegifbe Seemadt ihre Werften 
in Norwegen babe, und in Friedend-Zeiten in Normegend 
Gränzen bleiben fell, fo daß nie mehr als die halbe Macht, 
ausgenommen für Norwegens eigne PVertheidigung, ohne 
Bemilligung des Storthings ausgerüfter werden und auslau: 
fen ſolle. Doch wollte er diefen Antrag nur in Ruͤckſicht der 
Ruderflotile verfianden wiffen. Koren glaubte, daß Nor: 
wegiſche Matrofen nicht als Befasung auf Schwediſche Schiffe 
fommandirt werden müfften. Ueber die Veränderung von 
$. 75. redeten Nanfen, Matzfeldt, Koren, Sarg, 
Aall, Bren, Sörenſen und Sodemann. Hierauf 
ward wieder Chriftie mit 62 Stimmen zum-Präfidenten 
auf 8 Tage gewählt; nad ihm hatte Wedel die meiffen 
Stimmen. Generaltieutenant Harthaufen zeigte durd 
ein Schreiben an, daß er feine Reife bis weiter ausſetze, fo 
daß diefer Punkt abgemaht war. Der Präfident zeigte ein 
Shreiben des Staatsrathe, befreffend den Abmarſch ber 
Sawediſchen Truppen, einen Vorſchlag des Kapitaͤns Lund 
wegen einer neuen Rorwegifhen Flagge und einige Erkennts 
niffe in Wahlſtreitigkeiten an. 

Den 26. Das Sommitte,:welhe mit den Schwedi⸗ 
ſchen Kommiſſarien unterhandelte, ward in Ruͤckſicht ihrer 
vielen Geſchaͤfte mit 5 Mitgliedern vermehrt, naͤmlich Kapi⸗ 
tan Matzfeldt mit 71 Stimen, Biſchoff Sörenſen, 
Juſtiztath Diries, Graf Wedel und Schultz. In 
Verbindung mir dem Vorſchlag des Etatsraths Treſchow 
betreffend eine Dantadreffe an Se. Maj. Chriſtian Fre: 
berif, verlas Biſchof Beh einen Vorſchlag wegen einer 
jaͤhrlichen Apanage für denfelben, und Konful Konow 


139 Norwegen im Jahr 1814. 











fhlug vor, . ein Marmor: Monument zum Andenfen an Ge, 
Maj. zu errichten. Diefe Vorſchlaͤge wurden ausgefeßt. 
Kaufmann Holtenberg verlas den Antrag, daß eine ge: 
wiſſe Anzahl Kanonenböte immer in den Rorwegifben Häfen 
verbleiben, und dasjenige der Reihe, welhes die Krieges 
Macht des andern wuͤnſche, dieſe unterhalten und befof: 
ben folle. 

27. Detober. Holtenbergs Antrag ward — 
tirt. Kapitaͤn Raeder ſchlug vor, dag ein Gommitte den 
Einfluß des Staatsrathe und der hohen Militär« Perfonen 
auf die legten Kriegs-Ereigniſſe unterfuhen folle, ehe das 
Storthing einen Befhlug in Nüdfihe der Vorfhläge von 
Konow, Beh und Trefbomw über Zeihen ber Erkennt; 
lichfeit an Se, Maj. König Chriftian Frederik faffte. 

Vom 28. Detober bis 4. November war dad Storthing 
jeden Vormittag, und an einigen Tagen auch, um den Gang 
der Verhandlungen zu befhleunigen, am Nahmittage ver: 
fammelt, Seine Hauptbefbäftigung war die Beflimmung 

der nothwendigen Veränderungen im Eidswolder Grundge: 
feße (melde unter Andern in ben letzten Stuͤcken bes politi: 
fhen Journals 1814 und Januar 1815 enthalten find). Nach 
gegenfeitig vorgenommenen und anerkannten Mobifitationen 
war das neuc Örundgefeg am 4. November fertig. Außer 
biefem beſchaͤftigte ſich dag Grarehins mit folgenden Gegen: 
ſtaͤnden. 

Den 28. October verwies bad Storthing die Frage 

über die Regeln, nah denen die Repräfentanten ihre Aus: 
gaben beym Storthing erjegt halten follten, an den Staatss 
rath mit Beziehung auf $« 65. 
Den 29, Major Hegermann flug vor, daß dag 
Storthing in einem befondern Akte Se. Mai. den König von 
Schweden erfuchen follte, den Kronprinzen zum Vicekoͤnig 
in Norwegen und zum Chef eines geworbenen REN zu 
ernennen. 


Morwegen im Jahr 1814. 131 





Den 31. verlag man den Bericht des Amtmanns Elfter 
über die Gründe, aus welden die NRepräfentanten der Mord: 
ande nit bey diefem Storthing erſcheinen konnten. Dies 
Säreiben, datirt Nordland den 27. September, berichtete, 
daß das Reicript Sr. Maj. vom 16. Auguft wegen Berufung 
eines außerordentlihen Storthings ihnen erft am 26. Ser: 
tember zu Händen gefommen fey, und die Lofalität des Lan 
des es unmoͤglich made, die ftimmfähigen Einwohner, von 
denen überdies viele \auf der Fifherey in Finnmarken wäs 
sen, zufammenzuberufen; er babe alfo die Amts-Verſamm— 
(ung auf den 8. Dec. ausſetzen müffen, und das Amt müffe 
auf die Theilnahme an den Verhandlungen des gegenmärtis 
gen Storthings Verzicht leiften, welche es, befeelt von ben 
innigfien Gefühlen und Wuͤnſchen für das Mohl.des Vater: 
landes, mit dem volltommenften Vertrauen der Klugheit und 
Baterlandsliebe der Repräfentariten der andern Stifter übers 
laſſen. 

Den I. und 2. ER beſchaͤftigte fi 6 das Stors 
thing mur mit den Borfhlägen ber Committe, 

Den 3. nahm der Präfident die Motion des Landrichs 
ters Manfen vor, nämlib Sr. Maj, König Chriſtian 
Erederif eine Erklaͤrung darüber auszuftellen, daß die Na: 
tion feine Entfagung auf Norwegens Krone angenommen ha⸗ 

be. Die Pluralität des Storthings beſchloß, daß eine ſolche 
Erklärung Allerhoͤchſt Denenſelben zugeftellt werden foll, 

Am 4. November verlas Biſchof Beh das Con 
cept der gefiern beftinimten Erklärung. Das Storthing be 
ſchloß, daß fie von ſaͤmmtlichen Mitgliedern zu unterfchreiben 
und durch den Präfidenten dem Staatsrath zuguftellen fey, 
um fie böhftbemeldetem Könige zu überfenden, Diefe Erklaͤ⸗ 
rung lautet folgendermaßen: 

Ew.M. haben Allergnäpdigft geruht, am 10. d. M. Nor: 
wegens außerordentlichem damals ſchon verſammelten Stor⸗ 
thing die Erklaͤrung zuzuſtellen, daß Ew. Maj. ſich bewogen 


132 Norwegen im Jahr 1814. 


gefunden hätten, Norwegens Krone nebft, der ausübender 
Macht für fih und Ihre Nahfommen und ohne Vorbehalt 
in die Hände des Volks niederzulegen. Weberzeugt, dag Ew. 
Mas. Norwegens Krone nur zum Gluͤck des Volks tragen 
wollten, und nur aus Sorge für deffen Wohl das große und 
ſchmerzliche Opfer gebracht haben, eine Ihnen ſo freywillig 
angetragene Krone niederzulegen, und die Nation ihres Ei: 
des der Treue gegen Ew. Mat. zu entbinden, find wir vers 
pflihtet, im Namen des Volks unterthänig die Annahme der 
hoͤchſtbemeldeten Abdifation anzuerkennen, und Ew. Mai. von 
dem Eide zu entbinden, den Sie der Konftitution von Nor: 
wegen gefbworen haben. Mit dem gerührteften Herzen und 
den aufrichtigſten Wünfchen für Ew. Maj. ferneres Wohl ift 
diefe Akte ausgefertigt, und in Norwegens außerordentlichem 
Storthing unterſchrieben worden. Ehriſtiania, 4. No⸗ 
vember 1814. 

Juſtizrath Diriks zeigte — an, daß die Sewe 
diſchen Kommiſſarien Norwegens Grundgeſetz mit den Ver— 
aͤnderungen angenommen haͤtten, welche das Storthing darin 
nach gegenſeitiger Deliberation angenommen habe. Daher 
ward auf den naͤmlichen Nachmittag eine außerordentliche 
Sitzung zur Koͤnigswahl beliebt. Um 5 Uhr Nachmittags 
wären alle Mitglieder, mit Ausnahme von Inſpektor So— 
demann und Paſtor Weidemann, verfammelt.- Ein: 
fiimmig ward Earl XII. von Schweden zu Norwegens 
konſtitutionellem Könige erwähle, und jedes Votum im Pro: 
tokoll aufgeführt. Diefe Wahl ward darauf durch Deputa: 
tionen dem Staatsrath und den K. Schwedifhen Kommiffus 
rien befannt gemacht, und das Storthing beſchloß, daß bie 
Wahl Sr. Maj. dem Könige von Schweden und Norwegen, 
oder Sr. 8. H. bem Kronprinzen, imAllerhöchftdero Namen 
befannt gemadt, die Devutation vom Präfident ermählt 
werden und den andern Tag die Reife antreten folle. Der 
Praͤſident wählte. folgende 7 Mitglieder: Graf Wedel 


Norwegen im Jahr 1814. | 133 


Jarlsberg als Wortführer, Bifhof Soͤrenſen, Mas 
jor Hegermann, Oeneralpolizey : Direktor Dirits, 
Konſal Konemw, Lehnsmann Forſaeth und den Land: 
mann Sandvig. 

Am 5. Nosember war mur das Ddelsthing verfams 
melt; Chriſtie ward wieder zum Präfidenten erwählt. 

Am 7. ward das Storthing, nach der Abreife der ge- 
dachten 7 Mitglieder, gehalten. Dee Präfident verlas 1) 
ein Schreiben des Staatsraths vom 5. d. M., wodurd bag 
Storthing unterrihter ward, daß dem Staatsrath C. Ans 
ker, der fih in Staats-Angelegenheiten zu London befinde, 
angezeigt worden, daß feine Sendung beendigt fey; wobey 
der Staatsrath ben dem Storthing anführt, in wie weit ed ans 
gemeffen ſeyn möhte, in Betreff der Aufopferungen, welche 
der erwähnte Staatsrath für fein Waterland gemacht hat, 
ven Seiten der Nation gegen Regreß an feinem biefigen 
Lanteigenthum für die Schulden von 6000 bis 8000 Pfund 
Stering Kaution zu feiften, die er in London niet berichtigt 
babe, und die feine Ruͤckkehr nah dem Vaterlande und zu 
feinen Gefhäften verhindern würde. Die Sabe ward an’g 
Odelsthing verwiefen. 2) Ein Schreiben des Staatsraths 
mit der Nachricht, daß Kommandeur Kapitaͤn Faſting wer 
gen vergefallenen Unruhen auf den Kriegsbriggs babe nad 
Sreberifssaern abreifen müffen. Paſtor Weidemann fen: 
dere fein Votum zur Königewahl ein, welches mit den übri: 
gen übereinftimmte, 

Den 8. warb Chriſtie wieder zum Präfidenten er— 
wählt, Wedel hatte naͤchſt ihm die meiften Stimmen. Die 
Sitzung ward auf den folgenden Morgen um 12 Uhr ausge: 
feßt, um die Seremonien beym Empfang S. K. H. des Kron— 
Prinzen zu beftimmen. Die Refultate der weitern Verhand: 
lungen und die früher gehaltenen Reden werden in der Folge 
aus den Hauptprotofollen erfihtlih feyn; die oͤffentlichen 
Blätter, namentlich die Reichs-Zeitung, enthalten nur die ein— 








134 Norwegen im Jahr 1814. 





jenen’ Beftimmungen. — Die Proklamation des Stor: 
things an das Wolf und die Reden ber Schwebifchen Kommif- 
farien find aus oͤffentlichen Blättern erſichtlich; eben dafelbft 
findet man ausführlih die Ankunft ©. K. H. des Kronprin⸗ 
zen in Chriſtiania und bie Auflöfung diefes auferordentlichen 
Storthings befhrieben, in welcher Rückfiht ich nur * Zu⸗ 
ſammenhangs wegen Folgendes bemerke: 


Am 5. des Morgens ging die Deputation bes Stor- 
things von Chriftiania nad Frederikshall ab, fam dort am 6, 
Abends fpät an, und Graf Wedel hielt am folgenden Mor: 
gen folgende Anrede an ben Kronprinzen (welcde fih nicht in 
beutfhen Blättern befindet): Hocdgebohrner Fürft, Schwe: 
dens und Norwegens Kronprinz, gnädigfter Herr! Das 
Storthing des Königreihs Norwegen hat ung bie angenehme 
Pfliht auferlegt, E. K. H. die Nachricht zu überbringent, 
daß die Revräfentanten des Norwegifhen Volks am vierten 
Tage d. M. König Carl XIII, fo wie deffen Nachkommen 
in Webereinftimmung mit der SuccefjioneDrönung vom 26. 
September 1810 einftimmig zu Norwegens konftitutionellem 
König erwählt und anerkannt haben, So find denn die beyden 
alten Königreihe der feandinavifhen Halbinfel, melde ber 
Herr der Natur vereinte, welche aber menfhlihe Vorurtbeile 
and Leidenfhaften trennten, wieder durch unauflöslihe Bande 
verknüpft, und die glückliche Zeit gefommen, wo Normäns 
ner und Schweden einander als Brüder, die einen gemein: 
fbaftliben Vater baben, umarmen und darin wetteifern koͤn— 
nen, biefem gemeinfbaftliben Vater ihren Gehorfam, ihre 
Treue und Ergebenheit zu bezeugen. Diefe glüdlihe Ver: 
einigung war fhon vor Jahrhunderten der Gegenftand ber 

Wuͤnſche der aufgeflärten Schweden und Normänner, aber 
es war Sr. Maj. König Carl XI. und Ihrem würdigen 
Sohne vorbehalten, dies herrliche Werk zu vollenden. Der 
Ruf der vÄterlihen Regierung Sr. Maj. über das Neih Ih: 


Norwegen im Jahr 1814. 135 








ter Vorfahren und der Wiederhall der Bewunderung Euros 
pas wegen ber auggezeichneten Tugenden und Heldenthuten 
E. 8. 9. entfernen die Hinderniffe, welche ungluͤckliche Er: 
eigniffe dagegen berbengeführt hatten. Indem wir innigft 
bedauern, dag die ſchwache Gefundheit Sr. Mat. Sie vers 
bindert, Fhre neuen Unterthanen in diefer Jahreszeit durd 
Ihre Gegenwart zu erfreuen, erlauben wir ung, E. K. H. 
im Namen unfrer Mitbürger und unfern eigenen den aufride 
tigen Wunfh darzufegen, dag Sie und Ihr hoffnungvoller 
Sohn gnädigft geruhen mögen, in Norwegens Hauptſtadt 
das Pfand der unserbruͤchlichen Treue und unerfhütterliden 
Ergebenheit des Norwegiſchen Volks für deffen neuen König 
und fein Föniglihes Geflecht anzunehmen, und ung zugleich 
badurd Gelegenheit zu geben, in E. K. 9. in der Nähe den 
Zürften zu bewundern, deffen feltene Eigenfhaften Ihn bes 
fimmten, Norwegens und Schwedens vereinte Kronen zu 
fragen, wenn S. M. des Tages müde, und geleitet von den 
Segnangen Ihrer Unterthatren an der Seite Ihrer großen 
Ahnen zur Ruhe gegangen find.” Die Antwort des Kron- 
prinzen (die fi bier franzöfifch und ſchwediſch befindet) ift 
auch aus deutfhen Blättern befannt. Die Devutation ward 
bey S. K. 9. zur Tafel eingeladen, und brachte den Abend 
ber S. €. dem Grafen Effen zu. Am 8. traf der Krone 
Prinz zu Mog, am 9. in Chriftiania ein, wo die Stade illus 
minirt war, und mannichfaltige Feſtlichkeiten und Ehrenbe— 
jeugungen veranftaltet waren. Am 10. begab fih der Kron: 
prinz in’s Storthing, und hielt eine franzöfifhe Rede, die 
Prinz Oſcar auf fhwebifh vorlas, und Rofencranz 
auf norwegiſch dem Präfidenten überreichte. Dann folgte 
die Eidesleiftung, Die Feyerlicfeiten der folgenden Tage 
und die Profamationen und Verfügungen, welche die Ein: 
feßung der neuen Regierung veranlaffte, find ebenfalls aus 
den Öffentliden Blättern zu erfehen, und am 26. Nov. hob 
der Kronprinz das Storihing durd eine franzöfifhe Rede 


36 .. Norwegen im Jahr 1814. 





— — — — 


auf, die Prinz Oſcar in norwegiſcher Sprache vorlas, und 
der Praͤſident Chrifiie beantwortete. 

So endeten die Verhandlungen des iss 
Storthings (heißt es im Tiden), deren Gegenftand das Schick⸗ 
fal von Altnorwegen für die gegenwärtigen und fommenden 
Zeiten war, unb deren Folge die Wiederherſtellung friedlis 
her Einigkeit auf ber fcandinavifhen Halbinfel wurde. Die 
Folge wird lehren, wie heilbringend diefe Vereinigung für 
beyde gothifhe Wölkerfhaften werden wird, und kemmende 
Gefchlehter werden — fo hoffen und beten wir zu Gott — 
die That der redligen Männer fegnen, die hier für das ge: 
liebte Vaterland geredet und gehandelt haben. 

Am 2gften November verließ der Kronprinz Ehriftiania, 
und traf am 5. December Abends 10 Uhr in Stodholm ein, 
eine Deputation von 7 Mitgliedern mit dem Präjidenten 
Chriſtie als Wortführer, und beftehend aus 4 Deputirten 
von jedem Stifte und 2 Bauern, Fam am 7. Dec. eben ba= 
felbft an, und ward am Ig. von dem Könige feyerlih im 
Reichsſaal empfangen, wie die Stockholmer Blätter und aug 
ihnen auc die deutſchen ausführlich fhildern. Inzwiſchen trat 
Graf Effen als Statthalter an die Spiße der Regierung, 
welche aus 6 Departements beftand, 1) für den öffentliben 
Unterricht unter dem Staatsrath Trefhow, 2) Rechts— 
pflege, Sommerhjelm, 3) Polizey, Diriks, 4) Ca— 
meralwefen, Pollett, 5) Finanzen, Graf Wedel 
Sarlsberg, 6) Kriegs:Adminiftration, General Hegers- 
mann. SKammerherr Peter Anker ward Staatsmini— 
fter in Stockholm, Profeffor Krogh und Kapitin Mag: 
feldt gingen ald Ötaatsräthe eben dahin, Graf Effen 
ward Kanzler der Univerfität, Seneral:Major v. Ahren— 
feldt General : Lieutenant, Kommandeur Fabricins 
Sontre: Admiral, Graf Effen-Feldmarfhall, Schloßvogt 
Holft Staats:Secretair. So waren die wichtigſten Bolten 
unter der neuen Regierung befegt. Am 26. konſtituirte das 

ı . Stor— 


Rorwegen im Jahr 1814: 137 





Storthing auf Vorſchlag bes Königs eine Committs in drey 
Abrtheilungen, nämlich eine für die Finanzen, eine für's Mili⸗ 
tär und eine für die innere Defonomie. Die Kontrolle über 
das Münzwefen follten alle drey gemeinſchaftlich führen, und 
ſich nöchigenfalls mit einer ebenfalls ernannten Geſetzgebung⸗ 
Committe in Verbindung feßen.. Das, nädhfte. ‚ordentliche 
Storthing wird ſich am erfien Wochentage im Juli 1815: vers 
fammeln, und außer den ihm durch die Reichs-Verſammlung 
son Eidswold beſtimmten Gegenftänden fih vornehmlich mit 
Geſetzen uͤber die Ordnung der Koͤnigswahl, die Muͤndigkeit 
des Könige, Beſtimmung der Wehrpflichtigkeit, des Indige⸗ 
natrechts und einer eignen Kauffahrteyflagge beſchaͤftigen. 
Einige dieſer Punkte, namentlich der des gegenſeitigen Its 
digenatrechts iſt auch ein Gegenſtand derVerhandlungen des 
Sawediſchen Reichstags, der in dieſem Jahre eroͤffnet wor⸗ 
den iſt. — Manche Verfuͤgungen der neuen Regierung ſind 
ſchon in oͤffentlichen Blättern enthalten; eine vollſtaͤndige 
Ueberfiht derfelben werben wir in ber Folge mit ben Wen 
bandhıngen des nächjten ordentlihen Storthings liefern. 





4* 


Das iſt Alles, was ſich mit Gewißheit über ben Aus— 
gang der Epoche ſagen laͤſſt, welche eine gaͤnzliche Umwand⸗ 
fung in der Innern und aͤußern Lage des Nordens herbey⸗ 
führt, Abſichtlich habe ih mich aller Bemerkungen und aller 
Erzählungen von der Stimmung bed Norwegiſchen Volks, 
den Unruben in Ehriftiania und der fhnellen Ummanbluttg 
ber Anfidten ind Gefinnungen enthalten, weil bas, was fich 
im Allgemeinen darüber fagen laͤſſt, ſchon aus der allgemei: 
nen Ueberſicht der Ereigniffe feit dem Kieler Feieden klar iſt, 
die befondern Umftände aber, melde dies Urrheil noch mehr 
motiviren, für den Augenblick noch nicht zur Publifation ge: 
eignet fepn bürften. Ueber feine der wichtigen Begebenheis 


ten der letztern Jahre hat man fo viele widerſprechende und 
Cetey· Annalen. zies Stud, 1815 io 


1} 


138 "Norwegen im Jahr 1814. 





ungegründete Nachrichten verbreitet, als über. die neueſte 
Periode von Norwegen, und der Grund lag in den Um⸗ 
fländen. Wenn man-in andern Ländern mit lebhafter Theil: 
nahme. die dortigen Begebenheiten betrachtete, und die zahl 
loſen Geruͤchte, welche ſie betrafen, ald Wahrheit annahm, 
fo. folgte dies aus der. fhönen Ueberzeugung, dag die heilige 
Flamme der Freyheit und Waterlandsliebe, welhe in deut: 
ſchen, ſpaniſchen, englifhen Herzen Hlühte, auch in ihrem 
alten nordiſchen Urfige nicht erlofhen ſey, felbft eine‘ britti- 
ſche Diterin, Charlotte Wardle, .befang ben Prins 
zei Chriſtian. Die Proflamationen deffelben, der all 
gemeine Enthuſiasmus, der feyerliche Eid des ganzen Volks, 
Blut und Leben für die Selbftftändigkeit des Vaterlandes 
-aufzuopfern, fhienendiefe Erwartungen zu rechtfertigen. Da 
wurde der unerwartete Ausgang des furzen Kriegs bekannt, 
und offenbarte, nad dem flarken Ausdruck zweyer Normaͤn⸗ 
ner *), daß der Enthufiasmus ihrer Landsleute in einem 
wichtigen Hurrah am Schenktifhe verflogen fey, und (nad 
Profeffor Hersleb Schrift) die That ein Zwerg, der 
Mund ein Riefe fey. . 

Daß dieſe Berichte unglaublih ſchienen, und ganz ent: 
gegengefegte Berichte verbreitet und. geglaubt wurden, ift 
ganz natürlich; weil es dem Auslande ganz an allen andern 
Nachrichten ald den ſchwediſchen Bülleting fehlte, welche im 
Zone der Napoleon’fhen gefchrieben zu feyn ſchienen. Selbft 
unter dem franzöfiihen Eroberung: Kriege. war man, trotz 
der Wachſamkeit der geheimen Polizey, dennob immer von 
der wahren Lage der. Dinge unterrihtet. Die oͤſterreichiſchen 
und ruffifhen Kriegs:Berihte waren in ganz Deutſchland be: 
Fannt, wenn fie auch nicht Öffentli producirt werden durf: 
ten, und bie'englifhen Zeitungen fanden über Helgoland 
Eingang, aber Norwegen war zur See und zu Lande fo fireng 


| *) Ranfen:in ber angeführten Rebe. - 
. ® 4 


Norwegen im Jahr 1814. 139 








bloquirt, daß man ſelbſt in England nichts Gewiffes über 
die dortigen: Begebenheiten wuſſte, daß das benachbarte Däs 
nemark, deſſen Regierung den Verkehr. mit Normegen felbft 
bey Todes⸗Strafe unzerfagt hatte, durch unbefwiffte Meere 
‚von. ihm getrennt ſchien. In Ermanglung wirkliher Nach⸗ 
eihten erfreute man ſich an Geruͤchten, welche fo oft Moͤg⸗ 
lichkeit in Wahrſcheinlichkeit, Wahrfheinlikeit in Gewiß⸗ 
beit verwandeln — man ließ Amazonenu:Korps von neuen 
Schildjungfrauen auftreten, große Siege bey Moß und Lier 
erfechten, und die deutſchen Blätter waren voll von biefen 
Nachrichten. Darum habe ich.mich nur auf die Mittheilung 
des Aktenkundig⸗ Gewiſſen befchränft, und werde dies auch 
bey der Darftellung. der frühern Begebenheiten dafelbft bes 
folgen, indem ih die noch unbefannten Publikationen und 
Berichte einfende. Eine Ueberfiht der Verhandlungen des 
Storthings ift auch deshalb wichtig, weil fie einen Begriff von 
diefen ganzen neuen Einrihtungen und ihren Werhältniffen 
zur Lage und zum Charakter bes Wolke gibt, und zu welchen 
intereffanten Bemerkungen gibt nicht auch eine Vergleihung 
der Adußerungen der Nation im englifden Parlamente mit 
benen ‚der beutfhen Stände, der franzoͤſiſchen Deputirten, 
bes ungarifchen und bes ſchwediſchen Reichſtags und bes. nor: 
wegifhen Storthinge Veranlaſſung. Auffallend bleibt es, 
daß in.einer fo gewichtigen Periode, wie bie verfloffene, kei⸗ 
ne ausgezeichneten Männer in Norwegen auftraten, wäh: 
rend fo viele großen Charaktere ber legten 25 Jahre eine 
Geburt der Zeiten waren. Schon bied beweist, daß bie 
Idee der Selbſtſtaͤndigkeit als eigne Nation nicht eine innere 
war, und die ganze Nation durchdrungen hatte; überhaupt 
muß man Norwegen nicht ald ein gefhloffenes und organis 
ſches Ganze betrachten ; dort hat der Handelsftand mittelbar 
‚eben fo viel Gewicht, als in Schweden unmittelbar der Adel, 
und diefer Handelsftand, von dem ein großer Theil des 
Volks abhängt, befteht in den Städten Chriftiania, Chriftians 


ij 


0 Norwegen im Jahr 1814. 


— — — — — — — — 
ſand, Bergen, ja ſelbſt in Drontheim aus vielen Ausläns 
dern, denen ihr merkantilifhes Intereffe zunächft am Herzen 
liegt. Die Landleute, unter denen die Bewohner von Thränz 
belag (im Drontheimifhen) den Kern der. Nation ausmachen, 
welche Jahrhunderte lang: unter einer fremden unumfhränfe 
ten Herrfhaft einer Freyheit genoffen, bie-aus der Beſchaffen⸗ 
heit des Landes feldft folgt, und wenigen Europäern in. benz 
Mage bekannt ift, dachten nie daran, daß es eine andre 
Berfaffung gäbe, deren onftitutionelle Rechte fie gerne ih⸗ 
zen ſchwediſchen Nachbarn goͤnnten, wenn fie diefe unter bemz 
Joche bes dortigen Adels fahen; und wenn jie in ber That von 
diefer Idee ganz durchdrungen gewefen wären, fo waren fie 


durch die Ausdehnung bes Landes und die Schwierigkeiten der 
Kommunikation zu fehr getrennt, um für einen großen Zweck 


zufammenwirken zu ‚Binnen — in allen biefen Ruͤckſichten 
hatten die fpanifhen und Tiroler Infurgenten große Vor⸗ 
züge. Rechner man hinzu, daß bas fornarme Land ben Aufz 
ferften Mangel litt, dag die Einwohner fih nad fiebenjährie 
gen Entbehrungen nah enbliher Ruhe. fehnten, bag es am 


“Geld, an Proviant, an Munition, an Kriegsfgiffen ge= 


brach, daß im glädlichften Falle noch ein Krieg mit allem 
Hauptmähten Europas bevorſtand, wenn nidt eine günfti= 


‚gere Wendung der politifhen Lage von Europa erfolgte: Bes 


ruͤckſichtigt man endlih den Zuftand bes Reichs, wie ih ihn 
im Anfang diefes Auffages ſchilderte, fo Äberzeugt man ſich 
leiht, daß hier faum ein feltener Genius etwas auszurichten 
vermocht hätte, und der Ausgang jedem unbefangenen Beobs 
achter Klar feyn muffte. Aber das Faun man mit Recht ruͤ— 
gen, dag die Nation auf diefe Art mit Eiden fpiddte, dag 
eben die Krieger, die Blut und Leben für die Selbftftändigkeit 
hinzugeben gefbworen hatten, einige Wochen nachher bie 


ſtaͤrkſten Feftungen übergaben, ehe ein Schuß gefallen war, 


und nah dem Verluſt eines Dffizierd und einigen wenigen 


Soldaten Viele zum ‚Feinde übergingen, und die Konven« 


Norwegen im Jahr 1814. — 141 





tion von Moß die Aufloͤſung des groͤßten Theils der Armee 
reranlaffen konnte; auch das verdient geruͤgt zu werden, daß 
Biele (aut über Werrätheren fhrieen, und einige der angefer 
benften Männer befeitigten, aber dennoch Keiner, auf die 
wiederholte Aufforderung der Unterfuhung:Kommiffton, den 
Namen eines Verräthers angeben fonnte oder wollte; daß 
ferner eben die Männer, welde am heftigften gegen die Vers 
einigung geeifert hatten, fie nun laut priefen und mit Freu⸗ 
den Zitel und Orden annahmen (denn Wenige handelten immer 
mit der männlihen Würbe von Ehriftie und Soertrup); 
auch das ift auffallend, daß nach ben langen und lebhaften 
Betbeurungen ber Ergebenheit gegen das vorige Koͤnigshaus 
Öffentlich im Storthing Reden, wie die des Grafen Wedel, 
gehalten wurden und-gehalten werden konnten — Purz, daß 
bie Normänner, ſich auf eine Art äußerten, welche dem Fuͤr⸗ 
fien, dem jie ſchmeicheln ſollten, nicht ſchmeichelhaft ſeyn 
konnte, weil ſie den Werth ſeiner Eroberung herabſetzten; 
dahin gehoͤren die Sophismen, mit denen ſelbſt Nanſen 
in feiner Rede behauptet: „daß der Eid durch die Wereinir 
gung nicht verlegt wäre, indem bey berfelben die durch eine 
Konftitution geſicherte Selbftftändigkeit des Reichs erhalten 
würde, und man nichts Andres befhworen habe ; '’ eine Be: 
bauptung, bie um fo auffallender ift,. da der Kronprinz und 
der König von Schweden ben Normännern bekanntlich gleich 
nad dem Kieler Frieden diefe Setbftftändigfeit mit einer ſelbſt⸗ 
gegebnen Konftitution zugefihert hatten, und der Krieg alfo 
nur für eine Sache geführt worden wäre, die man ſchon be: 
ſaß. Dabin gehören die Anſpruͤche, welche fpäter in Nor: 
wegen befaunt gemacht und felbft von der ſchwediſchen Re: 
gierung verworfen wurden, dahin vor allen die Rede von 
Wedel, den ſchon fvecielle Rädfihten der Dankbarkeit 
hätten abhalten follen, Dänemarf.mit eben fo äberflüffigen als 
unrichtigen Befguldigungen zu überhäufen, deren Unwahr⸗ 
beit ſich auf den erften Weberblid ergibt — er behauptet, 


142 Norwegen im Jahr 1814; 


a ne — — — — — — — 
Norwegen ſey durch daͤniſche Verordnungen regiert, bey deren 
Abfaſſung ſelten oder nie ein Normann mitgewirkt habe, und 
gerade derjenige, der alle Verordnungen fuͤr Norwegen unb 
die wichtigſten fuͤr Daͤnemark abfaſſte, war der kuͤrzlich verſtor⸗ 
bene geborne Normann Eofbidrfen, aus einem beruͤhm⸗ 
ten alten Norwegifchen Geſchlechte — er behauptet, Nor: 
wegen fey verarmt, indem ber Ueberfhuß der Staats-Ein⸗ 
nahmen nad Dänemarf gezogen fey, und bekanntlich wurde 
Norwegen in den legten Jahren mit den größten Aufopfes 
rungen allein von Dänemarf verproviantirt und erhalten — 
er behauptet, Norwegen entbehre einer Gelegenheit zu wifs 
ſenſchaftlicher Bildung, und ein Jahr vorher wär die neue 
Univerfität errichtet, welche die Nation allein durch freywil⸗ 
ige Beytraͤge errichten wolfte, und zu der der König doch 
ans feinen Mitteln bey Weitem den größten Theil beytrug — 
er behauptet, der Bauer habe den größten Theil feines Le⸗ 
bens bis zum gsften und zoſten Jahre unter dem Militärs 
Zwange zubringen muͤſſen, und doch ift es befannt, daß bie 
normwegifhe Armee nicht allein unverhältnigmäßig Pleiner ale ' 
bie dänifhe war, fondern auch mie, glei jener, außer dem 
Lande gebraubt, ja nicht einmal in eine fremde Provinz vers 
legt wurde, und daß bie fehsjährige Dienfizeit (hoͤbſtens 
durch einen fehsjährigen Krieg um ſechs Jahre verlängert) 
nit dem 2rſten bis. 24ften Jahre begann. — Er behaups 
tet, der Schwediſche Adel ſey nicht Zu fuͤrchten, da der daͤni⸗ 
ſche, der daͤniſche Leibeigene tyranniſirte, den norwegiſchen 
Bauernſtand nicht unter das Joch der Herrſchaft habe brin: 
gen können — und doc: tft: alle Leibeigenfhaft ſchon unter 
Ehriftian VII, aufgehoben, doch hat der dänifhe Adel 
ſchon unter Friederich Ill. 1660 alle feine Privilegien 
verloren, doch gibt es in Norwegen faft gar feinen einheis 
mifhen Abel, dba alle alten Geſchlechter ſchon vorlängft in ben 
Innern Unruhen untergingen — er behauptet, die verderb⸗ 
liche Charakterloſigkeit der Dänen habe die Normänner alle 


Norwegen im Jahr 1814. 148 





zufehr befleckt, ihr Kleinigkeitgeift allzuviele Spuren unter 
ihnen binterlaffen,, und diesmal hat er wenigſtens nicht in 
Anfehung der Normänner Unrecht, wie feine eigene Rebe, 
gehalten im öffentlihen Storthing, und ber ganze Krieg be: 
weifet, während die Dänen bey allem Unglüd ber frühern 
Jahre doh in der Schlacht vom 2. Xpril 1801 und vielen 
Treffen zur See, im Gefeht von Sehſtedt, dem Rüdzuge 
der Fütifhen Dragoner und andern Anftritten zu Lande zeige _ 
ten, daß fie wenigſtens nicht von Öeiten der Normänner dies 
fen Zabel verdienten — er behauptet endlih, daß Normwes 
gen burd Schwedens Vermittlung von der unumfchränkten 
Herrfhaft des Könige von Dänemark befreyt worden fey, 
und diefe Behauptung bedarf nicht erfi der Widerlegung, 
weil alle frübere Aeußerungen der Norweger dagegen reden. 
Unter ben Scriftfiellern, die ſich über die letzten Bege⸗ 
benheiten geäußert haben, ift Stroͤn befonders für, und 
Profeſſer Hersleb gegen die WVereinigung gewefen; ber 
Inhalt der Schrift des Legtern, welche auch dadurch merk: 
würdig ift, dag fie erft im November nad der Erklärung bes 
Storthings erfolgte, befindet fih im Januarſtuͤck 1815 bes 
politifden Journals angezeigt, auf welches ich daher in dies 
fer Ruͤckſiht verweiſe. Der 7ojaͤhrige Biſchof Bruhn, 
der anfangs am heftigſten gegen Schweden war, wurde nach⸗ 
ber zum Kommandeur vom Nordſtern ernannt, und erklaͤrt 
zwar in ber Bergener Zeitung, daß er fein Wort yon dem 
Geſagten zurüdnehme, aber mit der weifen Cautel, daß es 
ihm immer heilige Pflicht gewefen fen, zum Gchorfam gegen 
den Hööfigebietenden zu ſtimmen, und daß Norwegen jetzt, 
naͤchſt Gott und den Plugen Unterhandlungen- der Stor⸗ 
things: Männer, ehrenvolle Selbſtſtaͤndigkeit unter einem 
ſchwediſchen Koͤnige erhalten habe. Die uͤbrigen Schriften, 
vorher eben fo heftig gegen als ſpaͤter fuͤr Schweden, find 
bie Geburt des Augenblids, mit dem fie verfäwinden, und 
die legten eriunern an bie erfte Proklamation ber Schweden, 


⸗ 


144 Norwegen im Jahr 1814: 





welche ic in meinem frühern Aufſatze *) eingefendet habe. 
Im Ganzen entfprach in allen’poetifhen und proſaiſchen Pro⸗ 
dukten diefer Periode das Wort der That. Indem ich mich 
auf die bald nachfolgende Darftellung des Norwegiſchen Kriegs 
"beziehe ; bemerkte ih nur noch, daß unter allen Nachrichten 
über denfelben allein der fünfte Artifel im politifhen Journal 
1814 October (S. 900 — 908) von einem Augenzeugen bers 
rührt, gegen deffen oft übertriebene Anſichten ſich aber um fo 
mehr Mandes einwenden läfft, da weder der vormalige Rös 
nig noch irgend ein Individuum der Nation irgend einen Bes 
amten der Verrätherey befhuldigt haben, unb der Ausgang 
daher mehr der Totalität als Einzelnen zuzuſchreiben iſt, wie 
auch die oben angefuͤhrten Thatſachen beweiſen. 
Gegen die Volks-Repraͤſentanten beym letzten Stor⸗ 
thing bemerkt Sebbelow, es ſey ganz unrichtig zu behaup⸗ 
ten, daß die Repraͤſentanten von der Nation gewaͤhlt waͤren; 
die Wahleinrichtung nah Falſens Projekte habe der Na⸗ 
tion dieſe Freyheit benommen; als Wähler könne er ſelbſt aus 
Erfahrung reden, denn hier faͤnde keine Ueberlegung zwiſchen 
den Waͤhlern Statt, die blindhin auf 2 unter 400 notiren 
ſollten, wovon die Folge ſey, daß die Repraͤſentanten mit 
2 oder 3 Stimmen gewählt wuͤrden. Ob man dies die allge⸗ 
meine Wahl nennen Pönne? Ben diefen Wahl: Verfamm: 
lungen fey es doch wohl aͤußerſt nothwendig, zu fragen, was 
im Storthing verhandelt werden foll, und welche Perfonen 
inder Gemeinde zu diefem Gefhäfte geſchickt wären, und 
doch Pönnten wohl,. der Vermuthung nah, auf feinem 
Reichstage wichtigere Angelegenheiten als auf diefem Stors 
"thing verhandelt werden, obwol man davon durdans nicht 
"unterrichtet fey. — Ein großer Mangel war übrigens auch 
die Beſchraͤnkung ded Lokals, welches mur EB, 160 Dils 
‘fete für die Zuhörer auszutheilen. 





) Geſchichte des Nordens im Jahr 1813 bis zum Kieler Frieden. 


Norwegen im Jahr 1814. 145 





Zur Beurtheilung der innern Einrihtung diefes Stor: 
things dient übrigens auch das folgende Reglement deffelben, 
welches ih daher im Auszug mittheile. $. 1. Die Mitglie: 
der zeigen ihre Zutrittcharte beym Eingange vor. $. 2. Die 
Berhanblungen beginnen jeden Wochentag um 9 Uhr, nach⸗ 
dem der Präfident darauf gefehen hat, daß bie im $. 73. 
erforderte Anzahl zugegen ift. $. 3. Die Verhandlungen 
bauern gewöhnlib bis 3 Uhr Nachmittag. $. 4. Der 
Präfident ſieht darauf, daß fein Unbekannter fib einfinde. 
$. 5. Die Secretaire in Lag-Thing, Odels-Thing und ver: 
fammelten Storthing führen 2 Protokolle: a) ein Verhand⸗ 
fung: Protokoll, wo die Verhandlungen abbreviirt und b) ein 
Hauptprotokoll, wo fie in extenso aufgeführt werden. Beyde 
werben vom Präfidenten autorifirt und unterfiegelt, und bie 
legten am folgenden Zage verlefen, und von Präfident und 
Secretair unterſchrieben. $. 6. Am Ende der Verhandluns 
gen werben die Hauptprotofolle von allen Mitgliedern unter: 
ſchrieben und durch eine Committe zum Druck befördert. $. 8; 
Wer reden will, verlangt das Wort vom Präfidenten; er muß 
fih an die Sache halten und beleidigender Ausdruͤcke enthals 
ten. $.9. Verlegt Jemand biefes Gefeß, fo wird er vom 
Präfidenten zur Ordnung verwiefen, und wenn er nad ber 
dritten Warnung die Ordnung verlegt, fo überläfft es ber 
Präfident der Botirung, ob dieſes Mitglied für diefen Tag 
von den Verhandlungen abzuweifen ſey. 9. 10. Jeder Vor⸗ 
ſchlag wird dem Praͤſidenten ſchriftlich eingereicht, der ihn am 
Tage vor der Deliberation verleſen laͤſſt. Er darf nicht meh⸗ 
rere verſchiedne Gegenſtaͤnde betreffen. F. 11. Verlangt 4 eine 
längere Bedenkzeit, fo wird der Vorſchlag gedruckt, und nad 
3 Tagen vorgenommen. $. 12. Alle Fragen, die dur Ja 
oder Rein entſchieden werden Pönnen, werben burd naments 
lihen Aufruf abgemacht, wenn nicht # fhriftlibe Votirung 
verlangt. $. 13. Jeder Repraͤſentant darf dann feine Gründe 
im Protokoll hinzufügen, $. 15. Alle acht Tage wird ein 


146 Rede des Grafen Webel:Jarlsberg. 








Praͤſident erwählt, doc: kann ber nämlihe aufs Neue ge 
wählt werden. $. 18. Sind die Stimmen gleih, fo ent: 
(beider der Präfident. Geſetzes-Vorſchlaͤge werden in bie: 
fem Fall zwey Tage, und wenn die Stimmen dann wieder 
glei find, ganz hingelegt. $. 21. Lärmende Aeußerungen 
von Beyfall oder Tadel bey den Verhandlungen oder ben Res 
den einzelner Mitglieder dürfen nit flattfinden. 





1. . 
oe. Rebe,” 
des Grafen Wedel⸗Jarlsberg, 


gehalten im norwegiihen Storthing am 20. Dctober 1314. 


—Herr Präfident, hoͤchſtgeehrte Landsleutel,. 

- In diefer Verfammlung von Norwegens audermählten 
Männern trere-ich nicht ohne Furcht auf, um über bie wichti⸗ 
ge Angelegenheit, die ung heute befhäftigt, meine. Meinung 
zu äußern; ich fühle volltommen, wie ſchwach meine Kräfte, 
und wie unzulängfich meine Kenntniffe find, um fo, wie ih 
follte und wuͤnſchte, den hohen Beruf zu erfüllen, den mir 
das Zutrauen meiner Mitbürger-gegeben. Nie habe ich leb⸗ 
bafter als heute gewuͤnſcht, dir Beredſamkeit eines De: 
moſthenes, die Stimme eines Stentors zu befigen, 
um mit einigem Erfolg von einer Sache zu fpreben,, die über 
das Wohl und Web, nit bloß ber. gegenwärtigen Genera⸗ 
tion, fondern unzähliger ungeborner Geſchlechter entfcheibet, 
und auf deren Ausgang es beruht, ob Friede, Freyheit und 
Selbfiftändigfeit auf unſrer norbifchen Kalbinfel wohnen, 
oder ob diefelbe die Beute des Kriegs, der Sclaverey und 
der Faktionen werden fol, — Wen aber, hoͤchſtgeehrte 


Rede des Grafen Wedel:Jarlsberg. 147 





Landsleute, meine Kräfte und Einfihten der Wichtigkeit der’ 
Sade und der Feierlichfeit des Ortes bey Meitem nit gleich‘ 
fommen, fo könnt Ihr doch überzeugt ſeyn, dag die Liebe 
für Freyheit und Vaterland nie wärmer in dem Bufen eines 
Mannes glühte, und daß jedes von mir gefagte Wort aus 
einem reinem normwegifben Herzen ſtroͤnt! — Aufgewach⸗ 
fen in einem Zeitalter, in welchem bey der mädtigfien Nas 
tion Eurovens die Freiheit: Flarıme hoch aufloderte, und 
geößtentheifs unter einem edelm Volk erzogen, das feit Jahr: 
hunderten auf feine freye Konftitution ftolz war, lernte ich 
früh die Rechte der Menſchen Pennen und ſchaͤtzen, und eine 
gefeglide Freyheit lieben. — Sowol von väterliber als 
von mütterliber Seite aus einem norwegifhen Geſchlechte 
ſtammend, durch eine zärtlihe Gattinn, einen ehrwuͤrdigen 
Schmwiegersater, liebenswürbige Kinder, geliebte Verwandte, 
vortrefflibe Freunde, endlich dur bedeutende liegende Güter 
am mein Baterland gebunden, ift NorwegensWohl mein 
Wohl — Norwegens‘ Unglüd das meinige — Norwegens 
Ehre meine Ehre — Norwegens Schande meine Schandel 
— Ich kann baher nichts Andres wollen, als das, was mei: 
ner Ueberzeugung nad zur Sreyheit, zum Gluͤck und zur Ehre 
Norwegens beytragen fol. — | 
"Mit diefer Weberzeugung und mit freundlicher Nachſicht 
wird, hoffe ib, diefe geehrte Verſammlung dasjenige anhds 
ren und beurtbeilen, was id bier aufhheen werde, um foli 
gende Fragen zu beantworten: 
1. Iſt ed wuͤnſchenswerth, daß Meran ein iſolitter 
Staat unter einem eignen Koͤnig werde? 
2. Kann Norwegen unter den gegenwaͤrtigen aͤußern 
und innern Verhaͤltniſſen ſich dieſe iſolirte Lage erkaͤmpfen? 
3. Wenn die iſolirte Lage Norwegens weder zu wuͤn⸗ 
ſchen noch zu erkaͤmofen iſt, ſollen wir dann nicht die und an: 
gebotene Gelgenheit ergreifen, um als ein freyes ſelbſtſtaͤn⸗ 
diges Bolk uns unter einem und demſelben Könige mit dem 


* 


148 Rede des Grafen Wedel⸗Jarlsberg. 


— — — —— — 
ebenfalls freyen und ſelbſtſtaͤndigen de Volk zu ver» 
i einigen? ? 

4. Wie vorzüglich wird nicht in bieſem Falle die Ver⸗ 
faſſung von Norwegen ſeyn, in Vergleich mit jener, die es 
unter Dänemarf hatte. u 

1) In Hinſicht der erften Frage fey es mir erlaubt, vor: 
läufig zu bemerken, daß alle Nationen, wie alle einzelne 
Individuen, mehr oder weniger Eitelkeit befigen?: es kann 
alfo meine Landsleute nicht beleidigen, went ich vorausfeße, 
dag die norwegifche Nation aud ihren Theil davon befiget, 
und daß der Eifer, mit welchem fie ſtrebte, eim ifolirter 
Staat. unter einem eignen König zu werden, groͤßtentheils 
von demfelben entfprang. Ich geſtehe, daß auch ich meiner 
Mativnal:Eitelkeit bey diefem Gedanken geſchmeichelt fühle; 
dennoch habe und werde ih nie mein Ohr der Wahrheit: vers 
ſchließen, welde mir die Vernunft nach reifem Nachdenken 
kräftig zuruft: daß Norwegen als ein ifolirter Staat, unter 
einem eignen König ſchwerlich, ja unmöglich — ſeyn 
koͤnne. — 

Norwegens lange und ſchmale Form und feine geogra⸗ 
phiſche Lage, welche daffelbe gleichfam wie eine Schale-über 
Schweden binzieht, geben ihm eine ausgedehnte Graͤnze, 
eine ungeheure Seeküfte zu vertheidigen; bie geringe, faum 
auf eine Million fih belaufende, Volks-Menge ift auf einen 
betraͤchtlichen Flaͤcheninhalt vertheilt, das Land felbft ift von 
hohen ganz unbebauten Gebirgsketten durchſchnitten, es kann 
daher die Population des einen Diftrikts nur mit vielen Be: 
ſchwerlichkeiten und fehr Tangfam den andern Diftriften zu 
Hülfe eilen. — Unter folhen Umftänden, welche die noth: 
wendigen Anftrengungen zur Wertheidigung bes Landes, für 
wol von der Land: als von der Seeſeite, beträchtlich vermeh 
ren, müffte Norwegen als ein ifolirter Staat ftets zum Kan: 
vfe gegen feinen Nachbar Schweden geräftet ſeyn, beffen-De 
eölterung und Huͤlfquellen zu jenen Norwegens ſich verhalten, 


\ 


Nede des Grafen Webel:Yarleberg. 149 





wie 24 zu 1. — Schweden hat nämlich nah dem Verluſt 
von Finnland ohngefähr 24 Millionen Einwohner, wo ins 
gegen Norwegen faum eine Million befigt. — Als ifolirs 
ter Staat müffte Norwegen außer einer Landarmee, die der 
ſchwediſchen gewachſen wäre, fih auch eine Seemacht vers 
ſchaffen, und diefeibe unterhalten, dieſe Seemacht müffte eis 
nigermaßen jener von Schweben und von Dänemark gleich 
kommen, weil fonft biefe benachbarten Mächte, bey jeder ein- 
„tretenden Streifigfeit mit Norwegen, deffen Macht vernich⸗ 
ten und deſſen Häfen verfperren könnten. — Wie unbebens 
send diefe Seemädte aub in Vergleich mit derjenigen find, 
die der Belt Gefege vorſchreibt, fo haben fie doch Liniens 
ſchiffe und Fregatten, nebft den nöthigen Arfenälen, Doden 
u. f. w., bie zur Erbauung und Unterhaltung derfelben gehoͤ⸗ 
zen. — Alles dieſes müffte fib Norwegen erft verfchaffen. — 
Zügt man nun hinzu, dag Norwegen allein einen König, 
eine königlibe Familie, einen Hofftaat, Gefandte und Kon⸗ 
fuls in fremden Staaten unterhalten mäffte, fo wird man 
leicht einfehen, daß unfre Pleine Nation ben größten Theil 
bes Lebens unter dem Zwange des Militärftandes zubringen, 
und die Buͤrde unendlich drüdender Schäßungen und Abgas 
ben würde tragen müffen. — Doch aud aller biefer über: 
mäßigen Anfirengungen ungeachtet würde unfer ſchwacher ifoe ' 
lirter Staat nur dem Namen nad felbftftändig feyn, er wäre 
nur ein Efpenlaub, das die geringfie Bewegung in der polis 
tifhen Atmosphäre zum Zittern brädte, ein Ball in den 
Händen ber mädtigern Staaten. — 

. Dag ein folder Zuftand dem Volt kein Gluͤck — 
wuͤrde; glaube ich, iſt einleuchtend; man muͤſſte denn anneh— 
men, daß Aushebungen, Steuern, ewige Kriegs-Unruhen, 
Einquartirungen, Fuhren-Requiſitionen ic. ic. ein Volk 
gluͤcklich machen. 

Sollte aber demungeachtet Jemand der Meinung ſeyn, 
daß alle dieſe Laſten, die Ehre, einen iſolirten Staat unter 


f 
' 


.150 Rede des Grafen Wedel. Jarlsberg. 


— — — — 
einem eignen Koͤnig zu bilden ‚ nicht aufwiegen, fo frage ich 
ferner: | = 

2) Kann Norwegen bey den gegenwärtigen dußern und 
innern Umftänden fi diefe ifolirte Lage erfämpfen? 

Wir wiffen Alle, daß diefer Zuftand einen Krieg mit 
Schweden, welches von den größten Mächten Europens.un: 
terftügt wird, mit ſich führt. — Großbritannien, Ruß: 
land, Preußen und Deftreih haben Gejandte nah Chriftia: 
nia geſchickt, um, wo möglich, die von biefen Mächten be: 
ſchloſſene Vereinigung der Königreihe Norwegen und Schwe⸗ 
den friedfih zu bewirken. — Rah der feyerlihen Erkläs 
rung diefer Gefandten und nad ber Entwidlung ber europaͤi⸗ 
ſchen Politik kann man nicht bezweifeln, daß der Krieg mit 
Schweden für Norwegen nothwendig .einen Krieg mit bem 
größten Theil von Europa zur Folge habe. Die ſchwediſche 
Armee fieht im Lande, fie hat bereits betraͤchtliche Vortheile 
erkaͤmpft, und ift im Befige der beyden erftern Feſtungen des 

Ksonigreichs. Ihre im Krieg geübte Schaaren, an beren 
‚Spise einer der berühmtefien Helden Europens ſich befindet, 
find bereit, beym erſten Winte vorzuräden, während ber 
größte Theil der norwegiſchen Armee ſich zu Haufe in weit 
entlegenen Provinzen befindet. — Bor dem Waffenſtill⸗ 
ſtande wurde die Anzahl der ſchwediſchen Truppen gegen 
Norwegen auf 30,000 Mann berechnet, nebft 10,000 Mann 
Reſerve an der Oränze. Won diefer Armee befinden fi be 
teitd 17,000 Mann in Norwegen ſelbſt. — Die norwegi⸗ 
ſche Macht an der Demarkationlinie, die Befagungen von 
Chriſtlania und Kongswinger eingerebnet, beträgt kaum 

. 10,000 Mann, und därfte in Zeit von fünf Wochen ſucceſſive 
ju 21,000 Manıt anwadfen. Dies ift, zufolge der ung ge 
fiern von der Unterſuchung⸗ Kommiffion gegebenen Auskunft, 

das Verhaͤltniß zwiſchen den Streitkraͤften zu Lande. It 
Hinſicht der Seemacht haben wir gleichfalls erfahren, daß 
die ſchwediſche Flotte beym erſten Angriff auf die Halbinſel 


Rede des Grafen Webel:Jarlöberg. 151 








aus 4 Linienfhiffen, 3 regatten und 75 großen. Kanonen⸗ 
Schaluepen, außer mehrern andern Fahrzeugen befanden 
babe; daß hingegen die norwegifhe Flotte,” die in dieſem 
Spätjahre in Aktivität gefegt werben Fonute, nur aus 6 
Kriegsbriggs, 4 Kanonen⸗Schooner und 36 Kanonier-⸗Scha⸗ 
Inppen beftebe, dag fih außerdem noch in Drontheim 10 Kas 
nonier:-Schaluppen, und in Bergen 2 Schooner befinden, bie 
aber nit mit in Anſchlag koͤnnen gebracht werden, da fie 
som Kampfrlage fo fehr entferntsfind; bag die Kanonen: 
Sotten, wovon fih mehrere in Friedrichswaͤhrn und‘ Chris 
ftianfand befinden, in diefer Jahreszeit nicht Binnen gebraucht 
werben; baß die ſchwediſchen Kriegs:Fahrzeuge theild ſchwe⸗ 
reres und befjeres Geſchuͤtz, wie auch befferes Pulver haben 
als bie normegifhen. — In Hinfiht der Proviantirung- 
und Bekleidung der Armee, der Spitäler und der Kriege: - 
Borräthe haben wir,erfahren, dag von den Magazinen, die 
tief im Lande und nörblih von Chriftiania amgelegt worden 
find, und nod angelegt werden fullen, eine Armee von 
20,000 Mann faum zwey Monate erhalten. werben kann, 
wenn man aud annimmt, daß die Kornvorräthe noch zur 
‚zeiten Zeit in Mehl und Brot, wovon nur wenig vorhan: 
den ift, berwandelt'würden; wir wiffen, daß bie ergiebige 
Erate und die häufigen Zufuhren wohl. erlauben, im Lande 
felbft davon größere Vorräthe aufzutreiben, daß es aber faft 
unmöglich fey, diefelben zur gehörigen Zeit an Ort und Stelle 
zu bringen. — Wir wiffen, daß für die Armee zwar ein bes 
dentender Vorrath an Kleidungftücen vorhanden fey, daß 
aber bie zu einer Winter-Campagne unentbehrlihen Kleidung: 
ſtuͤcke gänzlih mangeln; wir wiffen, baß zwar die Armee er: 
trägliche Lazarethe und Medikamente, hingegen Mangel an 
braudbaren Bunbdärzten habe, daß fie einigermaßen mit At: | 
munition für die Gewehre verfehen fey, daß aber nur wenis 
e für das Geſchuͤtz und für die Feftungen vorhanden fey. — 
berdies wird. der größere Theil. diefer Ammunition. in. der 


152 Rede des Grafen Wedel⸗Jarlsberg. 

— — — — — — — — — — — 
Feſtung Aggershuß aufbewahrt, welche, aller Wahrſchein⸗ 
lichkeit nach, gleich nach Ausbruch der Feindſeligkeiten der 
ſchwediſchen Armee in die Hände fallen dürfte. — Das Res 
fultat von allem diefem ift, baß wir von der Geefeite mit 
einer Macht, die nicht halb fo ſtark ift wie die ſchwediſche, 
ihr. Widerftand leiften, und. daß wir zu Lande mit ungefähr _ 
20,000 Mann ſchlecht gefleideter und ſchlecht genährter Trups 
pen einer wohlgeübten Armee entgegen follen, bie fih durch 
Hülfe der brittifhen Subfidien im beften Stand befindet, die 
. eine vorzüglide Kavallerie, eine vortreffliche Artillerie bes 
fit; und die vom Kronprinzen von Schweden felbft ange 
führt iſt!! Der Ausgang eines folhen Kampfes ift leicht 
zu berechnen. — Unfre geringe dermalen verfammelte Macht 
wird fich glücklich preifen müffen, wenn fie, ohne allzugroßen 
Berluft und ohne von ihren Magazinen und Reſerven durch 
eine über Kongswingen eindringende Kolonne von 8 bie 
10,000 Mann abgefihnitten zu werden, bie Ebene erreichen 
kann. — Hier wird fie dann durch Fleinere Angriffe und 
durch ausgeftreute Gerüchte beyfammen und in Bewegung ges 
halten werben, bis die Vorräthe und Magazine aufgezehrt, 
und die Gemeinden der ewigen Geboten und Requifitionen 
überdrüßig werben, dann mäffen. die Leite entweder nad ih⸗ 
ren Heimathen entlaffen werden, vder fie muͤſſen ſich nach ben 
Stiftern Bergen und Drontheim zurüdziehen, wo ven 
muthlich unterdeifen einiger Vorrath därfte gefammelt 
werben können. Dort werden biefe Refte der Armee in Ruhe 
verbleiben, bis die Herannahung des Sommers eine See: Er 
pebition moͤglich macht. 

Diefe Darfiellung des wahrfheinlihen Ganges der Be 
gebenheiten ruht auf der Vorausfegung, daß die Armee cl: 
nigermaßen von einem und bemfelben Geiſte befeelt fen; man 
erlaube mir aber, die Vermuthung zu äußern, daß bie gute 
Aufführung der ſchwediſchen Truppen, die Mäßigung, mit wel: 
&er der Kronprinz feine errungenen großen Vortheile benugte, 

ur bie 


Rede bes Grafen Wedel. Jarlsberg. 153 








die Abreiſe des Königs Chriſtian Friedrich aus Nor— 
wegen, und fiebenzährige beſtaͤndige Unruhen und Leiden, eis 
nem fehr großen Theile der Armee alle Luft genommen haben, 
ſich, wie Einige es zu wuͤnſchen feinen, in einen fo wenig 
verfprebenden Kampf einzulaffen. — Diefer Unwille fann 
einem Mangel an Much und Kraft nicht beygemeffen werden, 
denn biefe Eigenfhaften fehlen nie einem wohlgeführten nor: 
wegiſchen Heere; die Urfache davon liegt darin, daß die Leute 
wiſſen wollen, zu welchem Zwede fie aufgeopfert, das Was 
terland verwuͤſtet werden ſolle. — Die Begebenheiten des 
festen kurzen Feldzugs feinen: diefe Vermuthungen zu bes 
flärfen, des Unwillens der Gemeinden gegen alle fernern Ro: 
bothen nicht zu erwähnen, welcher nur zu bald militärifhe 
Zwangsmittel nothwendig maden würde, deren Folgen leicht 
zu berechnen find. — | 
Aber, meine Herren, diefe Schwierigkeiten, fo groß 
fie auch wirklich find, find doch nicht die größten. . Aus dem 
Finanzen, dieſer Buͤchſe Pandorend , geht ein neuer 
Schwarm von Sorgen und von Ungläc hervor. Wir haben 
gefiern vernommen, daß die Reichsbank in Chriftiania Bank 
noten für 20 Millionen Reihsbantrhaler Nennwerth audges 
geben hat, dag ungefähr 14 Million R. B. T. N. ®. in 
norwegifhen Afjignation= Briefen und dänifhen Courantzet⸗ 
teln eirfaliren; daß die ganze Maffe oͤffentlicher Geloreprä- 
fentative folglid 214 Millionen R. B. T. N. W. betragen. 
— Ungefähr 3 Millionen davon find zu Darlehen an Pri⸗ 
vatleute verwendet, es bleiben alfo dem Staate noch 184 Mil: 
lionen zur Laſt. — Der Grund, auf dem der Grebit dieſer 
184 Millionen ruhet, naͤmlich die durch bie Verordnung vom 
5. Januar 1813 der Reichsbank gegebene Hypothek von 6 
vr. ©. auf alles feſte Privateigenthun beträgt gegen 44 Mil: 
lionen Reichsbankthaler, in Silber (1,200,000 Dufat Holl.). 
Diefe geben nah den durch die Reihe: Berfammlung zu Eide: 
wold ein für allemal feſtgeſetzten Evurs per 200 R. B. X. 
Eursp. Unnaten. 3ted Stu, 1815, 11 | 


154 Rede des Brafen Webel:Iarleberg; 





in Silber gegen 375 R: B. T. in Papier, ungefähr 84 Mil- 
fionen R. DB. T. Nenn: Werth. — Es bleiben alfo von 
der erwähnten Summe von 184 M. 10 Millionen R.B. X. 
welche eine zwar garantirte, aber doch ganz unfundirte Schuld 
bilden. Unter fothen Umftänden wird man leicht einfehen, 
bag der bereits fehr gefunfene Werth der Geldrepräfenta- 
tion beym Ausbruche neuer Feindſeligkeiten noch beträdtlicher 
fallen muß, wenn aud die Fabrikation derfelben nicht fortges 
fest würde; follte fie aber, wie bisher, fortgefegt werden, 
fo. wird dies Papiergeld bald als bloßes Makulatur:Papier 


_ + innen angefehen werben ‚ und als ſolches das Schidfal der 


franzöfifhen Affignaten theilen. — 

| Wenn diefe ung von der -dänifhen Regierung zum Erb: 
theil hinterlaffene eingebildete Reihthumd: Quelle zu-fließen 
aufhört, werden auch die Mittel zur Befoldung derArmee und 
zur Herbeyſchaffung ihrer Bedürfniffe aufhören. — Wir haben 
gehört, daß ein Kriege: Monat ungefähr. 3 bis 4 Millionen 
Reichsbankthaler koſtet, wogegen die ordentlihen Staate: 
Einkünfte kaum 200,000 R. B. T. betragen, wenn nämlich 
der Krieg den Handel und die Schifffahrt hemmt. Splite 
der Krieg alfo fortgefegt werden, fo mäfften. die Laften und 
Abgaben wenigftens zwanzigmal größer ſeyn, als fie es jegt 
find. : Ich frage aber: kann und will die Nation diefe Laften 
tragen? ..... Dies mag ein Jeder ſich felbft beantworten. — 

Ib halte es für überflüffig, ein Mehreres zum Beweis 
anzuführen, daß Norwegen ohne Vereinigung: Punkt, ohne 
Alliirte, ohne geübte Generäle, ohne Handel, ohne Schiff: 
fahrt, ohne Geld..... . feinen Krieg mit Schweden füb- 
ren kann, wenn dies übrigens noch von allen großen Mäd: 
ten Europens unterftüßt wird. — 

3) Ift folglich der ifolirte Zuftand Norwegens weder 
wuͤnſchenswerth noch erreihbar, fo müffen wir nothwendig 
an deſſen Vereinigung mit irgend einem andern Reiche 
deuten! | 


Kebde des Grafen WebehJarleberg 155 





Mit. Dänemart?...... Kaum wird irgend ein 
Normann im Ernfte den Gedanken einer Wiedervereinigung 
mit Dänemark nähren, mit diefem Staate, beffen politifches 
Syſtem dem Intereffe Norwegens fo ganz entgegengefegt, 
befien Regierung: 5orm despotiſch iſt, wo allein. des Koͤnigs 
Bille die Gefege ausmacht GHGvor Kongen er Lorens 
Begyndelſe og Ende), deflen geographifche Lage alle 
wechfelfetige Huͤlfe unmoͤglich macht, deſſen zu Grund, gerichs 
tete Finanzen fängt: (dom zum Spfruͤchwort geworden find, 
deffen verwideltes Kollegialwefen allen Geift erfiickt/ deſſen 
verderbliche Charatterlofigkeit uns nur zu fehr amgeftect, und 
deſſen Kleinigkeitgeiſt leider! nur zu viele Spuren: unter ung 
gelafien hat. — Nicht zu erwähnen, daß die Mächte, bie 
bie Trennung bewirkt haben, auch wiffen würden, eine, Wie; 
bervereinigung zu verhindern! zoo 12 on er 

Mit Rupland?..... Märe auch Rußland eine 
von jenem Mächten, "die die Vereinigung Norwegens mit 
— unter einem und demſelben Koͤnige garantirt ha⸗ 

‚ fo glaube ich doch, daß die Geſetze und die Verfaſſung, 
u welchen dies Land regiert wird, von jenen, bie wir has 
ben, und die. wir mit Recht zu. behalten wünfhen, zu fehr 
verſchieden find, . als daß nicht jeder Gedanke an eine Vereiz 
nigung mit dieſem Reiche verfhwinden follte. — --  - 

Mit-Erpgbritannien?..i.. Gehörte nicht = 
diefer. Staat zu jenen, welde Norwegens Vereinigung mit 
Schweden garamtirt haben, ſo dürfte vielleiht beym erften 
Aublid eine Bereinigung mit. demfelben wünfhenswerth ſchei⸗ 
nen. — Beym genauerem Nachdenken wirb man aber bald 
einfehen, daß Spraben, Sitten, Religion, Gefege, Ein: 
richtungen dort von dem unfrigen zu ſehr verſchieden find, ald 
daß biefe Bereinigung gluͤcklich ſeyn koͤnnte; und daß bie 
Macht und der Reihthum Englands in Vergleih mit Nors 
wegen fo unermeßlich groß find, daß Letzteres nur als eine 
Kolonie des Erftieruangefehen werben koͤnnte, and ſich dem⸗ 


1) 


is 


156 Rede des. Geafen Wedbel. Jarlsberg 


ö—— Bi —— — 
nach einer nie heilbringenden Kolonial; — unterwer⸗ 
fen muͤſſte. — —— 

Wir muͤſſen bemnach — — auf un⸗ 
fern Nachbarn Schweden wenden, und die ums angebote: 
ne Gelegenheit ergreifen‘, um als ein- freyes, ſelbſtſtaͤndiges 
Volk uns mit der freyen und ſelbſtſtaͤndigen ſchwediſchen Na: 
tion zu vereinigen. — Fuͤr die ſe Vereinigung ſpricht die geb⸗ 
graphiſche Lage; es iſt unmöglich, einen Blick auf die Karte 
zu werfen, ohne ſich Ju wundern, daß die ſeandinaviſche 
Halbinſel 4 zwey Staaten getrennt iſt; das norwegiſche und 
fa wediſche Volt haben eine gemeinſchaftliche Herkunft, ge 
meinſchaftliche Religion, Sitten und Gebraͤuche, * 
Tapferkeit und Vaterlandsliebe, gleiche Einrichtungen und 
Sprache, welche die Schweden reiner und unberdorbener er: 


halten haben als bie Rorweger, ve Bei und: Hat: 


* Intereſſe — ul ar 

Die Einwendungen, die — — au er Bereink 
* gehoͤrt habe, ſind: 

4) Daß Norwegen den ſowediſcen Aber: zu — ha⸗ 
bei — Ich frage aber, worin eigentlich dieſe ſo ſehr furdt: 
baren: Gerechtſamen des ſchwediſchen Adels -beftehen?. . 
Seit den im ben Jahren 1800 und 1809 vorgefallenen Ber: 
änderungen beftehen fie einzig im Namen und. Wappen, um 
im dem’ Rechte, als ein befonderer Stand auf dem Reichstag 


Zzu erſcheinen, da alle Familien-Häupter in dem Rirterhauft 


Sig nehmen, und zufanmen gleih dem Priefter:;, dem Bir: 
ger: und dem Bauernflande nur eine Stimme haben. Wie 
alfo diefe Gerechtſame des ſchwediſchen Adels für Norwegen 
eigentlich gefährlich werden koͤnne, begreife ich nicht, beſonders 


da ſie von unſrer Konftitution ausgeſchloſſen it. — Hat der 


daͤniſche Adel, der uͤber daͤniſche Leibeigene tyranniſirte, den 
norwegiſchen Bauernſtand nie unter das Joch der Gutsbeſitzer 
beugen »Innen, ungeachtet Norwegen damals auch nicht der 
Schatten einer konſtitutionellen Verfaſſung beſaß, warum 


* 


Rede des Grafen Wedel⸗Jarlsberg. 157 





follte denn der ſchwediſche Adel für Norwegen gefährlich wer: 
den, welches jest, Gott fey Lob! fi eine freye Konſtitution 
gegeben hat, nachdem es mit Schwedens Huͤlfe fih von ber 
abfoluten Herrſchaft der bänifhen Könige befreyt. — 

b) Die zweyte Einwendung-ift: daß man die Luft der 
fhwedifhen Regierung zu glänzenden Kriegsthaten und neuen 
Eroberungen nicht ohne Grund zu befürdten habe. — Man 
kann nicht ohne Grund läugnen, daß bie Gefhihte Schwes 
dens mehrere folder Regenten aufweist, die biutige Lor: 
berfränze trugen, als ſolche, die .die friedlihe Palme vor: 
zogen; mehr von folhen großen Königen, die das Land in 
Armuth und Trauer geftürzt haben, um fi einen Krieges 
ruhm zu erwerben, als von folden, die burh ben holden 
Frieden Wohlſtand, Gluͤck und Zufriedenheit erzeugten. 
Man muß aber annehmen, daß die Regierung durch bittere 
Erfahrung Plüger geworden ift, und dag Schweben, nad: 
dem es von allen Seiten das Meer zur Gränze erhalten, 
nachdem es alle feine Befigungen in Deutfhland verloren 
bar, fi auf feine eigne Bertheidigung befhränfen werbe. — 
Unläugbar ift ver Gedanke an Finnlands Wiedereroberung fo 
mandem Schweden lieb, ſchwerlich aber, wenn man nur ei⸗ 
nen Seitenblick auf. die ungeheure Macht und auf die Huͤlf— 
quellen Rußlands hinwirft, wird er im Ernte. bey: irgend ei⸗ 
nem aufgeklaͤrten Kopfe Benfall finden. Ueberdies flieht es 
ja in unfrer Macht, die unglüdlihen Zolgen eines Erobes 
rung= Kriegs von unferm WBaterlande abzuwenden, indem 
wir die. Verwendung unfrer Truppen auf die Vertheidigung 
ber ſcandinaviſchen Halbinfel befhränfen, nicht zu erwähnen, 
baß, vermöge unfrer Konftitution, es vom Storthing allein 
abhängt, der Regierung Geld zu bewilligen, ohne weldes 
ein Krieg ſchwerlich könnte geführt werden. — 

c) Die dritte Einwendung ift: Man müffte befürchten, 
bie ſchwediſche Regierung werde ihre. Macht zur Unterdrüdung 
Rorwegens migbraugen. Hierauf antworte ih, daß wir 


i 


| 158 Rede des Grafen MWebel: Jarlsberg. 





die Garantie dagegen in unſrer eignen Kraft und in der 
Freyheitliebe der ſcwediſchen Nation ſuchen muͤſſen. Dieſe 
. wird jeden rechtlichen Schweden abhalten, die moͤglichen Wer- 
ſuche der Regierung gegen die Freyheit Norwegens zu unter: 
ſtuͤtzen, da fie nicht wünfchen kann, dag die Regierung in 
Norwegen eine Macht erhalte, die fie nachher zur Unterbrü- 
Kung der konſtitutionellen Freyheit Schwedens mibdrauchen 
koͤnnte. 

d). Die vierte Einwendung wird von dem angeblich zwi: 
fihen den beyden Nationen befiehenden Natidnalhaß berge: 
holt. — Es iſt nicht zu laͤugnen, daß int Allgemeinen be: 
nachbarte Nationen einander haffen, ohne eigentlich ſelbſt zu 
wiſſen, warum?’ Daß aber ein ſolcher unvernürftiger , uns 
chriſtlicher Haß dur vernünftiges Nachdenken, durd näbere 
Bekanntſchaft, durch die Zeit/und gute Behandlung nicht 
follte gehoben werden Finnen, ift unwahrfheinlic. 

Hy Nachdem ich folbermaßen gefucht habe, die drey er: 
ftern von mir aufgeworfnen Fragen fo furz als möglich zu 
beantworten, fo wollen wir ſchließlich noch einen vergleichen: 
dem Ueberblick auf die Verfaffung Norwegens unter der dä: 
niſchen Herrſchaft und unter jener werfen, bie wir unferm 
Vaterlande durch deffen Vereinigung mit bem freven ſchwedi⸗— 
ſchen Volk bereiten Pönnen. Unter der dänifhen Herrſchaft 
mufften wir einem uneingefchränften Monarchen geboren, 
der nah Millfür mit unferm Leben, mit unfrer Freyheit, 
mit unferm Eigenthuni ſchalten Fonntee — Mit Schweden 
vereinigt gehorchen wir einer freyen Konftitution, die dem 
Volk das Recht zufichert, felbft ſich Geſetze zu geben, felbft 
ſich zu beſteuern, felbft für die Sicherheit feines. Eigenthums, 
feiner Perſonen zu forgen. — Unter der dänifben Herr: 
ſchaft wurde unfer Handel, Schifffahrt und andre Nahrung: 
Wege von verhafften Monopolien gedruͤckt und eingeſchraͤnkt. 
In dieſer Hinſicht brauche ich nur auf den Handel nach Oſt⸗ 
ud Weſt-Indien, Jsland und der Inſel Faͤrbe hinzudeuten. — 


Rebe des Grafen Webel:Jarleberg. 159 





Mormwegen ward durch bänifhe Verordnungen zegiert, zu des 
ren Abfaffung felten, ja nie ein Normann, der Norwegen 
Pannte, mitgewirßt hatte. — Norwegen warb von bänis 
(hen Banknoten überfhwemmt, die es für feine foliden Er: 
porte erhielt. Da fat Feine einzige Öffentlihe Anftalt in - 
Norwegen war, fo wurde dadurch, daß der Leberfhuß ber 
Staate-Eintünfte nah Dänemark gezogen wurde, das Land 
verarmt. Mormegen hatte keine Mittel zur wiffenfdaftlis 
hen Bildung; wegen ber feindliben Stellung beyder Länder 
gegen Schweden muffte der nordifhe Landmann den größten. 
Theil feines Lebens, ja bie zu feinem 45ſten und soften Jahr 
unter dem Joche bes Militär-Standes zubringen. — Mit 
Schweden vereinigt, zerfireut unfre eigne Konftitution alle 
brüdende Monopolien ; Geſetze und Anordnungen werben 
den Staatd:-Bedürfniffen angemeffen, da bie Deputirten ber 
Nation ſolche verfaffen, und ein Staatsrath, aus norwegis 
{den Männern gebildet, fiets den Thron umgibt. 

Norwegen erhält fein eignes Geldweſen, feine eigne 
Bank, es kann alfo nicht mehr mit fremden Banknoten übers 
ſchwemmt werden. Alle öffentlihe Staats : Einrihtungen 
bleiben innerhalb feiner Gränzen, Norwegen kann alfo nicht 
mehr dadurch verarmt werben, daß die Abgaben und Scha⸗ 
zungen außer Land gebrabt werden. — Der Ueberfhuß 
der Staats: Einnahmen wird zur Vervollkommnung der oͤf⸗ 
fentliben Einrichtungen verwendet werben können, die bie 
wiffenfcbaftlibe Bildung einer Nation, auf welder allein ihre 
wahre Selbfiftändigfeit beruht, zum Zwecke haben. Die 
Erfahrung lehrt, daß ſtets von ben gebildeten Nationen 
den wenig gebildetern Gefege gegeben wurden. — Gries 
chenland, obwol von den Römern bezwungen, gab doc feis 
nen Siegern griebifhe Sitten und Gebräude, und fo drans 
gen die, von den Barbaren bezwungenen, Römer auch jenen 
ihre Sprade und ihre Sitten auf. 

Aus biefer vergleihenden Ueberſicht will ih blog bie 


166 Nede des Grafen Wedel-Jarlsberg. 


Schlußfolge ziehen, daß, wenn auch die Vereinigung Nor: 
wegens mit Schweden nicht in aller möglichen Hinfihr den 
Wuͤnſchen des Normanns entfpricht, fo hat dadurch das Va: 
tetland unendlih gewonnen. Somit habe ih denn, meine 
Herren, und Landsleute, mit aller der Freymüthigfeit und 
Palten Ueberlegung, die ih der Wichtigkeit der Sache, mei: 
ner Ehre und meinem Gewiffen fbuldig bin, meine Mei: 
nung bargeftellt! Eurer Weisheit gebührt ed nun, -zu ent= 
ſcheiden: ob ihr durch die Vereinigung Norwegens mit Schwer 
den-unter einem Könige, mit Vorbehalt der Konftitution von 
Eidswold und der Konvention von Moß, die Freyheit und 
Selbjiftändigkeit Norwegens befeftigen wollt, ober ob das 
Vaterland dem unglädliden Schickſal fol ausgefegt werben, 
durch die Waffen unterjocht zu werden, und der Willfür dee 
Eroberers zu unterliegen? — Ob Norwegen nad fieben lan= 
gen fummervollen Fahren, in welden ed nad Frieden feufzte, 
Ruhe, Handel, Schifffahrt, Nahrung: Wege, Ueberfluß er: 
halten ſoll, oder ob es allen Gräueln und Plagen, bie 
Krieg, bürgerlihe Unruhen, Mangel und Hungersnoth mit 
fih bringen, foll preisgegeben werden? — 

Mer Krieg wählt, bedenke, wie vieler Unglüdlihen 
Seufzer in der legten fürdterliben Stunde fein Gewiffen 
drücden werben, wie Vieler Verwänfhungen ihm im Grabe 
folgen; er bedenke, ob er es vor dem Richterſtuhle des alls 
mächtigen Gottes wird verantworten koͤnnen, bag er heute 
bad Todes-Urtheil über Taufende von Unfhuldigen fpriche, 
bie ald Opfer eines zweckloſen Krieges fallen ſollen. 


16I 





II. 
Geheime Nahridten 


Rapyoleond EZebdben 


Aus den — secrets sur Napoleon Buonaparte, eerits 
ar un homme, qui ne l’a pas quitte depuis —J ans; 
Eis suite au Préois historique *) publie par le 
meme auteur, et dont on vient de mettre en vente la vi- 
xieme edition. 2 Tomes. Paris ehez Mathiot ı8ı4. 


1. Rapoleon — Janitfharen:Aga? 

Nach der Belagerung von Toulon wurde Buonapatrs 
te, ald wir diefe Stadt wieder erobert hatten, verfolgt; 
man legte ihm einen wätenden Terrorism zur Laft, und ging 
damit um, ihn aus der Artillerie in die Infanterie zu ver: 
fegen. Er reiste nab Paris, um diefem Plane entgegen: 
zuarbeiten, und erhielt Verfprehungen, die aber ohne Er: 
folg blieben. Er wandte fih an den NRepräjentanten Aubry, 
der mit der Direktion des Militär: Departements beauftragt 
war; allein auch bier fanden die WVorftellungen des jungen 
Korfen Beinen Eingang. Durch feine fruchtloſen Schritte er: 
bittert, beſchloß er, in dem Ungeftüm feines Charakters, 
fein Vaterland zu verlaffen. Er lernte einen jungen Eng: 
länder von Stande, Blinkhamm, tennen. Ich traf Beys 
de im Cafe de la Republique; Buonaparte Pannte 
mich genau, und redete mich an; feine Lage erregte meine 


*) Diefes Meine intereffante Werkchen iſt den Lefern durch die 
Ueberſetzung im zten Stuͤck der Europ. Annalen 1815 unter 
dem Xitel: Fragmente zur Charakteriftif Napo— 
leons, bekannt, Anm. d. Ueb. 


162 Geheime Nachrichten 





Theilnahme; Kummer und Unzufriedenheit ſprachen aus al: 
len feinen Zügen. Er brad in fo unvorfihtige,Aeußerungen 
gegen das Gouvernement aus, daß ih zu feiner und meiner 
Sicherheit die Bemerkung, dag wir Auffehen erregten, noth—⸗ 
wendig fand. Er 309 ung mit fih in den Garten des Pas 
lais Royal. Hier fuhr er fort, fib in Schmähungen gegen 
verfhiedne Behörden und Staats:Beamte zu ergießen, umb 
theilte und endlich feinen Entfhluß mit. Ich fragte ihn, ob 
er fib ſchon für irgend ein Land beftimmt habe, und nannte 
ihm England. „Die Engländer, war feine Antwort: 
„ſind Seeleute; das bin ih nicht; überdem find fie aus: 
„gebildet, und bedürfen Niemand; nie machte ein Auslaͤnder 
„dort fein Gluͤck. In Deutſchland finde ich zu viele Kontur: 
„renten. Spanien allenfalld würde mir zufagen, es bat, 
‚mit einen wahren Kriegsmann.“ — Der Engländer 
fbien, während unſers Geſpraͤchs, fehr aufmerffam, unb 
forac fein Wort; es war kalt; er führte ung nach dem Cafe 
de Foy. „Hier fprad Buonaparte lange über Spanien. 
Viele feiner Gründe waren von anſcheinender Wichtigkeit; 
einige fogar fehr triftig; das Oanze aber war romanhaft, 
und befonders mit den Reffourcen des Sprechers im Mißver: 
haͤltniß. Der junge Engländer bemerfte es, und dußerte: 
„mein Freund, Spanien ift nit für did. Da du glaubft, 
„man lajfe dir in Frankreich feine Gerechtigkeit widerfahren, 
„und da du entſchloſſen bift, es zu verlaffen, fo will ih dir 
„ein Rand nennen, in dem du deine Kenntniffe geltend ma- 
„sven kannſt. Bleibe niht in Europa, gehe nad Konſtan—⸗ 
„tinopel. Ich werde dich meinen dortigen Verwandten em: 
„vfehlen, die durd ihren Handel mit vielen Perfonen des 
„Serails in Verbindung find. Ich verfprede dir, daß mei: 
„ne Familie, auf meine Verwendung, dir bald Konnerionen 
„verſchaffen wird, du wirft dort vielleicht ein zweyter Bons 
„neval. — Antworte, ift dir der Vorſchlag genehm, 
„ſo ſchreibe id morgen, und denke über England bald eine 


aus Napoleons Leben. 163 





‚„Mntwort zu haben.” Buonaparte, ercentrifhb in Als 
lem, vermochte feine Freude über feines Freundes Vorſchlaͤge 
nicht zu mäßigen; Beredſamkeit ift zwar nicht die glaͤnzendſte 
unter feinen Maturgaben, aber das, was er und damals 
fagte, wird mir ewig ımvergefflih ſeyn; feine damaligen 
Worte beffimmten unmiderruflih meine Meinung, über ihn. 
Sie fhilderten ihn ganz; ed war dad Bild feines Charakters, 
feines Gemürhs und feiner Begierde nah Ruhm. 

„Lieber Blinkhamm,“ erwiederte er freudig: „Sie 
„haben Redt (er dugte ihm nicht), ja, Sie haben Redt — 
‚‚Konftantinopel — ja, die Türken. — Wo hatte ih denn 
‚meine Sinne? — Ich bin fo unglüdlih, dag ih nice 
‚mehr denke; Sie erzeigen mir (hier ergriff er feine Hand 
„mit euer) einen wahren, einen 'fehr großen Dienſt; 
„Blintbamm, ib gehe nach der Tuͤrkey — die Türfen 
„sad in allen militärifhen Beziehungen am weiteften zuräd; 
‚Abre wenigen Kenntniffe in diefem Fade verbanten fie vers: 
‚folgten, gleich mir, unglüdlihen Sranzofen. Ein Gallo: 
„Korſe wird fie verfeinern und verheirathen (fein 
„eigner Ausdruck); mit der Taftit Europas werbe id fie auf 
„drey Jahrhunderte hinaufwirbeln, um fie andern Nationen 
„gleich zuſtellen; ihr Aufruhrgeift und ihr Mangel an Mannss 
„zucht ſchrecken mich niht ab. Ih laffe zehn Regi: 
„menter fpiegen, wenn es feyn muß, um eing 
„Gehorſam zulehren. Ihre Ignoranz wird meinen Pla: 
„nen dienen; wären fie aufgeklärter, fo würde ih mehr Kinder: 
„niſſe finden. Erwecke ib mir Neider, ſehe ib, daß ich Arg— 
„wohn einflöge, dann laffe ih den Sturm nicht anfıhwellen ; 
„ich werde immer fürdten, ihn nicht mehr beſchwoͤren zu koͤn⸗ 
„men; ic behalte mir immer im Hinterhalte Mittel, meine 
‚‚Berbannung in irgend eine Provinz diefed um 
„gebeuern Reichs zu bewirken, und. biefe Verban: 
„nung wird der erfie Schritt zu einem Gluͤcke 
„ſeyn, von dent ib mir immer ein verführeri- 


164 Geheime Nachrichten 





„bes Bild entwarf. Dune ame, ih werbe Ih⸗ 
„nen Alles verdanken.“ 

Er ſchwieg; fein Geſicht firalte von frohen Hoffnungen; 
„ich werde,‘ feste er hinzu, „um bie Erlaubniß, 
‚nah Konftantinopel zu geben, anfuden.” Er 
verlangte folhe wirklig einige Tage — ſie wurde ihm 
verweigert. 

Dieſe Thatſache iſt ungezweifelt; die wißtigften Staates 
Beamten damaliger Zeit können fie bezeugen. Dhne den 
dreyzehnten Vendemiaire, ober vielmehr, hätte er 
bie gebetene Erlaubniß erhalten, fo lieffe diefer junge Krie= 
ger, vor deffen Thaten der Erdkreis zitterte, vielleicht 
an den Ufern bes Bosphorus Janitfharen ma: 
nöupvriren. 

In den Worten, bie Buonapya rte damals zu Blink: 
ham fprab, mahlte fib fpredend der Despot, ber Frank: 
reich zwanzig Jahre hindurch Geſetze gab; es athmete in ih⸗ 
nen feine Unmenſchlichkeit und das ganze gräglihe Syftem, 
das fo lange die Welt entvoͤlkerte. — „Ic laffe zehn 
„Regimenter fpießen, um eins Gehorfam zu 
„lehren. Liegt nicht barın das ganze- Geheimniß feiner 
Taktik und feiner Siege? Heißt ed nicht eben ſo viel ale: 
„ib laffe zehn franzöfifhe Regimenter nieder: 
„meßeln, um eind mit Ruhm zu frönen?” Jene 
Worte rechiferrigen die Behauptung, die ein Schriftſteller 
achtzehn Jahre fpäter wagte: Buonaparte mollte die 
Voͤlker in jene Zeiten der Unwiffenheir und der Barbarey 
zurädführen, wo die Könige nur Anführer ihrer Soldaten 
waren. 

Er wählte fih die Ignoranz der Kinder bes Propheten 
zum Stüßpunfte, und hatte Recht; er wuffte, daß die So: 
libität der Tyranney mit der Aufklärung ber Voͤlter im um: 
gefehrten Verhältniffe fteht. 

Buonaparte bat, zum uUngluͤck für die Voͤlker Eu: 


aus Napoleons Leben. 165. 





rovpas, einen Theil feiner Plane auf Aſien gereistfertigt; als 
lein glüdliperweife hat er die, in den legten Worten feiner 
Rede liegende, Hoffnung nicht realifirt. In dem Eril, das 
er {ih wählen lieg, wird er jenes Gluͤck nicht finden, von 
dem er fich immer ein verführerifhes Bild entwarf. .- Er hat 
dies Gluͤck bersite genoffen; aber, ſchwacher Menſch und vers 
unglüdter Tprann, ließ er es ſich mit Huͤlfmitteln entreißen, 
die jedem>Andern zum — einer — genuͤgt * 
ben würden. 

Wenn der unbedeutende Darger von acc die Erlaubs 
niß, mad Aſien zu gehen, erhalten — wenn er dort gleiches 
Gedeihen, wie in Frankreich, gefunden hätte, was wäre 
jest Europa, was wäre die Welt? — Schickſal ber 

Matiowen, an wie feinen Saden Sande beine 
dunfeln BEIRRSEN! ' 


21 EG 





2: Der Dür b’Enghien., 

Zu Anfang Februars 18064 ließ der, bey dem damaligen 
engliſchen Minifter Drafe- zu Sruttgart affreditirte, Bar 
taillon:Chef Rofey dem erſten Konſul benachrichtigen: dies 
fer Geſaudte unterhalte, vermittelt feiner Agenten auf bem 
rechten Rheinufer zu Weißenburg ind Offenburg, unter de: 
men befodiders die Baroneffe von Reich bezeichnet war, 
Berbindungen in Frankreich. — Gewandte Kundſchafter 
würden ſogleich, ohne Zeitverluſt, auf das rechte Rheinufer 
abgeſchiceet; ſie hatten die Weiſung, ſich indie; Zirkel der 
verſchiedn ı Agenten des engliſchen Gouvernements einzuni⸗ 
ſten, oder | * wenigſtens in dieſelben Eingang zu verſchaffenz 
Roſſey follts hnen in ihren Aufträgen insheim behuͤlflich 
ſeyn. Am 2. May händigte man Buonavarten den 
Brief eines Spion. ein, ber ſich im die Zirkel der‘ Baroneſſe 
von-Keih einzufipleihen gewuſſt hatte... Er enthielt, 


v 


166. \ Geheime Nachrichten 


außer: einigen weitläufigen Details über. die Baroneffe und 
ihre Kommittenten,. folgende unſelige Notizen: 








2, Am-Dienfiag, Abend war ich bey der Baroneffe; ‚die 


„Geſellſchaft war zaͤhlreich; ich machte meine Partie: mit 
„Hrn Stelaubenz; man firitt lebhaft. uͤber die Siege des 
„erften Konſuls. Einige ſchrieben fie-feineg ausgebreiteten 
Kenntniß ber Kriegstunft, zu ;. Anbreiwiderlegten-diefe Er⸗ 
„klaͤrungweiſe; ein Individuum aͤußerte; um biefe,ärage zu 
"„entfbeiden, muͤſſe man gehört haben, was ein ſehr bebeu= 
„„tender Dann, der befonders zu, Beurtheilung ‚folder Ges 
genſtaͤnde geeignet fey, darüber denke;, „Buomanarte’s 
„„Thaten,“ fagte mir dieſer ‚tigfblifende, Kopf, „beweifen 
„„ſehr wenig: für fein militärifhes Talent; ic kenne (dom 
„„lange das Geheimniß feiner Taktik und, feiner,Giege; ‚er 
„„verdankt feine Triumphe nur feiner, Geringfbägung für 
„„das Leben feiner Soldaten. So lange ihm bie andern 
„„Maͤchte Fein gleiches Kriegs-Spftent entgegenftellen, koͤn⸗ 
„„nen fie nur auf Niederlagen rechnen. Ja, meine Herrn,’’ 
„ſetzte er binzuw:? ;,‚diefer- vorgebliche große Feldherr ſtuͤrzt 
„„ganze Bataillone in die Saͤbel der feinblihen Kavallerie, 
„„und zählt die Todten und VBerwunderen: niit ;: fo ifk es 
„„ihm gelungen, Europa dub; ben a feiner. Waffen 
„„zu blenden.““ Du FE TTEER HN U BETT 
„Alles ſtaunte ob biefer, Rebe; 3 man: fragte madı deu 
„Namen diefes Mannes, der dieſes Urtheil gefällthabe; ber 
„Erzähler blieb unerbittlich; eriwerfhmwieg feinen Namen, ’- 
„Ich ſpielte :bereits ſeit einer; Viertelſtunde nicht mehr; 
„ich hatte meinen Mann wohl in’s Auge gefafft und verließ ihn 
„nicht mehr: Wir knuͤpften ein Geſpraͤch an ;; ich aͤußerte ent: 
„‚fernt den Wunſch, die Perſon zu kennen, die über das mili: 
„tärifhe Genie des erſten Konſuls ein fo. beſtimmtes Urtheil 
„gefaͤllt habe. Mein Verlangen blieb unerfuͤllt; ich bemerkte 
„ſogar, daß meine Bewerbungen mißfielen; ich brach alfo, 
„um Verdacht zu vermeiden, abi — : Am andern Tage zog 


aus Napoleons Leben. | 167 








‚Ad über meinen Mann Erfundigungen ein; anfänglich er: 
„fuhr id nur unbedeutende Details; aber am zweyten Tage. 
„erzählte man mir: er fey bey dem Duc d’Enghien wohl 
„gelitten, und habe felbft drey Wochen zu Ettenheim ges 
„wohnt. Ein Lichtſtral für mi; ich müjfte mid nad einie 
„gen, freylih ſchwachen, Anzeigen fehr irren, wenn nicht 
„der Duc d’Enghiem der Ürheber jener Worte wäre. — 
„Die Baroneffe von Reich ift der Eentralpunft aller Ein= 
„verſtaͤndniſſe in Zranfreid. — Pellier wirb die Webere 
„ſicht der andern Details liefern. Die der Partey M. und 
„L. find auf dem weißen Blatte, das zum Umfchlag dient; 
‚das Ganze bedarf des erwärmten Cylinders.“ 

Diefer geheime Rapport machte auf Buonaparten 
einen überrafhenden, furchtbaren Eindrud. Er ſchloß fi 
‘in fein Kabinet ein; eine Stunde nachher ſchickte er nad 
Miürat, damals Gouverneur von Paris; er kam; Buos 
navarte ſprach fehr lebhaft, Muͤrat feste fib an ein 
Bürcau, und zeihnete eine gute Biertelftunde lang verſchied— 
ne Noten auf; dann ging er weg. Der erſte Konful bfieb 
allein, und fiellte ſich an's Fenfter; im Garten war es fehr 
lebendig. Er begab jih dann wieder-in fein Kabinet, und 
verlangte nad feiner Gemahlinn. Als fie fih entfernte, war 


fie biaß und fehr traurig. Buonaparte ſprach zu ihr: . 


„aber bedenfen Sie — es ift das einzige Mit: 
„rel. — Er blieb ſtehen; Joſephine ging wieder mit 
ihm nad dem Kabinette, aber fie traten nicht ein. „Beru— 
‚‚bigen Sie ſich,“ äußerte Joſephine. — „Aber id 
„bin rubig, fehr ruhig; überdem habe ich die Sache reiflich 
‚überlegt. Leiſer, oder laffen Sie uns lieber wieder ein- 
„treten.“ — ‚Mein, ib bin zu fehr bewegt, ich gehe. 
„Ich werde Ihnen fhreiben, mein Gemahl, um des Hims 
„mels willen, übereifen Sie nichts.“ — Noch an bemfel: 


berr Abend begab fie fih nad Malmaifon, wo fih am andern 


Tage Eambaceres einfand. 


o 


168 - Geheime Nachrichten 





Als Buonaparte feine Gemahlinn verließ, fiellte 
er fih wieder an das Gartenfenfter. Seine Stirne hatte fi 
aufgeheitert; ein ſchwacher Schimmer von Freude war in feis 
nen Zügen. ‚Mehrere große Staatd:-Beamte warteten ihm 
auf; fie wurden alle mit Sanftmuth und Ruhe empfangen. 
Um acht Uhr fuhr der Konful nah dem Schaufpiel; er blieb 
nicht lange; ſchon um halb zehn Uhr war er zurüd. Der Ges 
neral Beffieres wurde vorgelaffen, und trug ihm bie Bes 
| ſchwerden einiger Fourniffeurs vor. Bald ftellten fib auch 
der General Lannes und Düroc ein, das ©efpräd wurs 
be allgemein; der Konful gab ihnen Ordres für eine, auf 
den 18. Bentofe beftimmte, Revuͤe. 


Am andern Morgen bemerfte Buonaparte unter 
verſchiednen Perfonen, die ihm Ihre Aufwartung machten, 
einen Er:$akobiner von Einfluß, den er ſchon frühers 
hin für fein Intereffe gewonnen, und mit der Erforfbung 
der Sefinnungen feiner ehemaligen Partey, über feine Abſich⸗ 
ten auf .die Krone Frankreichs, beauftragt hatte. „Ich 
„babe mit Shnen zu ſprechen,“ fagte er ihm leife: 
„Saffen Sie die Menge fib verlieren.” — Kaum: 
waren fie allein, fo unterfaffte ihn Buonaparte, und 
wanderte, immer im Gefpräch, lange mit ihm auf und nie— 
der. Endlih brab er aus: „Sie follen fib überzeu: 
„gen, fommen Sie mit mir;“ er 309 ihn mit fi fort 
in fein Kabinet, fie blieben lange dort. — Gambacereg 
wurde gemeldet; er fam gerade von Malmaifon, und übers 
reihte dem Konful einen Brief. 


„Bon meiner Gemahlinn,” ſprach Buonaparte, 
ihn annehmend, ohne ihn zu erbrecben, „ich wette, ich weiß 
„den Inhalt, aber Alles, was man mir eimvenden mag, 
„iſt umſonſt; mein Eutfhluß ſteht feſt; Alles gebietet — 
„ia, Alles gebietet ihn.” — Cambaceres ſtand mit 
dem Ruͤcken gegen bad Kamin gekehrt; er erwiederte nichts. 

— Beyde 


aus Napoleons Leben. 169 








Beyde gingen; der Konful harte den Brief in feine def 
taſche geſteckt. 


Seitdem, bis zum 19. Ventoſe (10. Maͤrz), wurden 
täglich in dem Kabinet des Konfuls geheime Konferenzen gs 
halten. Nur wenige, und immer diefelben Perfonen, wa— 
ren zugelaffen. Ein großes Projeft war im Werft; Alles 
fbien Buonaparten nah Wunſch zu gehen, und die Sir 
&e muffte ihm von der größten Wichtigkeit feyn; eime duͤſtre, 
aber unverfennbare, Freude blickte, aller feiner Anftrengims 
gen, fie zu verbergen, ungeachtet, aus allen feinen Mienen. 


In ber Naht vom 10. auf den 11. März wurden der 
Gouverneur von Paris, der Brigade:Öeneral Hhlin und 
ein anderer Militär in das Kabinet bee Konſuls gefuͤhrt. 
Eine Viertelſtunde nachher kam Muͤrat mit einem verſie— 
gelten * heraus. Das Paket wurde zum Polizey:Mis 
Nniſter geibidt. Muͤrat ging wieder in das Kabinet; bald 
nachher entfernte er fih mit San und dem andern Mis 
litär. 


Zwey Tage darauf fam Madame Buonavarte von 
Malmaifon nab Paris. Sobald es ber Konful erfuhr, | 
nahm er einige Papiere zuſammen, und machte ihr einen 
Beſuch. 

In ſeinem Kabinette, wo id einen Rapport — 
hatte, fand ih, unter mehrern Aktenſtuͤcken von Wictigkeit, 
einen Brief Joſephinens anihren Gemahl, der über die 
Auftritte der legtern Tage einiges Licht verbreitete; fie ſprach 
in diefem Meifterftäcde von Vernunft und Zärtlichkeit, mit 
Zeuer für das Intereffe und den Ruhm ihres Gatten, und 
für einen Prinzen, beffen Name nicht genannt war, In 
dem ganzen Briefe war übrigens nur von deffen Einfperrung 
in ein Staatsgefängniß die Rede. — Er enthielt unter ans 
bern diefe Stelle: „waͤre ich nicht überzeugt, daß biefe Hand: 
„lung Ihren Ruhm befleten wird, feyen Sie verſichert, ic 

Europ. Unnalen. Std Stud. 1815. 12 


170 Geheime Nachrichten 
‚‚bätte geſchwiegen, und Ihnen den Kummer nicht verurſacht, 
„unſre Meinungen im Widerfrrude zu feben. | 
Unter allen Perfonen von Bedeutung ſchien diefer Brief 
"am wenigften den Düc d’Enghien geltemzu können. Er 
lebte feit drey Jahren zu Ettenheim; er hatte, ehe er ſich 
dort niederließ und anfaufte, die Genehmigung des Kurfuͤr⸗ 
ſten von Baden verlangt, und dieſer hatte, bevor er ſie ihm 
zugeſtand, bey Buonaparte daruͤber angefragt, der auf 
den guͤnſtigen Bericht des Kurfuͤrſten dieſe Niederlaſſung bil- 
ligte. Außerdem hatte der, zu den engliſchen Miniſtern 
nad Stuttgart geſend ce, Bataillonschef Rofey, der ind: 
geheim den Auftrag erhielt, den Prinzen zu beobachten, oder 
beobachten zu laffen, am 20. Zanuar Folgendes über ihn ges 
fgrieben: „Der Düc d'Enghien lebt in der tiefften Ab=_ 
„geſchiedenheit; alle Berichte über ihn ſtimmen dahin über- 
„ein, daß er an allen politifden Ereigniffen durchaus feinen 
Antheil nimmt; alle feine Handlungen bezeichnen einen Pri⸗— 
„vatmann, der’die Vergangenheit vergeffen hat.” — Konns 
te man vermuthen, daß nah einem folgen Rapport dem 
Duͤc Gefahr drohte? en 

Am ır. März (26. Ventofe) um eilf Uhr Abende wur: 
de derſelbe Militär, der einige Tage vorher mit Mürat 
und Huͤlin dagewefen war, in das Kabinet bes Konſuls 
gefuͤhrt; dieſer war allein. — Er behielt ihn ungefaͤhr eine 
ſtarke Viertelſtunde bey ſich; dann verabſchiedete er ihn mit 
den Worten: „vor allen Dingen Schnelligteis!“ 
Diefer Militär war der General Ordener. 

Wier bis fünf Tage nachher lieg Madame Buona- 
parte um einige Augenblicke Audienz bitten. „Sie mag 
„kommen,“ antwortete er laut, „iſt es aber das, was id 
„vermuthe, fo verfihern Sie ihr, daß ihre Bemühungen 
„fruchtlos find.” — Sie erfhien kurz darauf. Der Kom: 
ful empfing fie in der Thür des Kabinets, die er abſichtlich 
offen ließ, um’ zu hindern, ſich laut zu erklären; fie ſchloß 


aus Napoleons Leben. 171 


felbfi die Thür. Nach einem halblauten Geſpraͤche von 
ungefähr zehn Minuten entfernte fib Iofephines ihre 
Wangen uͤberſtroͤmten Thränen, denen fie freyen Lauf ließ. 
Ihr Gemahl befahl mir, ihr in die Antibambre zu folgen, 
und ihm zu beridhten, was ihre Damen darüber fagen wär: 
den: Madame Buomaparte.hatte viel geweint, und ſich 
dann zu Bette gelegt; ihre Danıen wufften nur, fie habe ib: 
ren Gemahl um eine Gnade gebeten, und eine abfclägige 
YAutwort erhalten. Als man dem Konful den Zuftand feis 
ner Gemahlinm fhilderte, fuhr er auf: „es ift ihre Schuld, 
„der Düc-bat fein Loos verdient? die ganze Welt kann ihn 
„nicht retten. Ich babe es ihr zwanzigmal gefagt, und doch 
„laͤſſt fie nicht nah.” Dann faffte er fih und ſprach: „ich 
„weiß wahrlich nicht mehr, was ich fage; es macht mich ver: 
„wirrt.” — Erfah auf feine Uhr: „in einer Stunbe will 
„ich ausfahren.” — Nun ftellte er ſich an's offne Fenfter, 
und ſorach halblaut, aber unverftändlih, mir jich felbft. 
Diefer Düc alfo follte fterben; die ganze Welt follte 
ihn nit’ retten? — Der Düc d'Enghien, das war 
nun nicht mehr zweifelhaft. — Und doch rühmte fih Bu: 
naparte fo gewaltig, feine Hand nicht in dad Blut Lud⸗ 
wig XVI. getaucht zu haben? — Die Ungewißheit war 


nicht von langer Dauer. Am ıg. März brachte ein-Kourier 


die Nachricht: der Düc d'Enghien ſey nur noch ſechs und 


— 


dreyßig Stunden von der Hauptſtadt; am andern Morgen 


berichtet ein zweyter: ber Prinz werde foäteflens Abende 
fünf Uhr an der Barriere St. Martin eintreffen... Ein an: 
drer Kourier wird ihm entgegengeſchickt; er empfängt bie 


Ordre, deu Bagen länge den Mauern hinfahren, und den. 


Düc nah dem Thurm von Vincennes bringen: zu laffen. 
Buonaparte’s Adiutant muß fogleih zum Gouverneur 
von Paris mit der Drdre eilen, augenblidiih einen Kriegs— 
rath von fieben Mitgliedern, unter dem Vorfi bes Geuerals 
Hülin, zu verfammeln; dieſer Kriegsrath folle fih Abends 


172 ‚Geheime Nachrichten 





zehn Uhr nah dem Schloß von Wincennes begeben, um 

einen Berfhwärer gegen bie Sicherheit bes 
Staats und gegen bie Perfon des erftien Kon: 
fuls zu richten. Keine der Drdren enthielt den Namen 
des Düc d’Engbhien. 

Mehrere Perfonen waren in dieſer Macht bey dem Kon: 
ful verfammelt; um zwey Uhr Morgens überreicht ihm ein 
Kourier von Vincennes einen Brief. Er begibt fih in fein 
Kabinet, bleibt einige Zeit darin, ruft dann einen Abjutanz 
ten und händigt ihm ein Schreiben mit dem Befehl ein, nad 
Bincennes zu eilen, und nicht ohne Antwort zurädzufoms 
men. Dann verfügte er fih wieder in den Zirkel; aber, als 
ler Meberwirdung unerachtet, war es ihm unmoͤglich, an der 

Unterhaltung Theil zu nehmen. Um fünf Uhr Morgeng 
trifft der Adjutant wieder ein; ber Konful erbricht das Siegel 
feines Schreibens, und bricht laut in die Worte aus: „wahr— 
„lich, fon lange genug, ich werde denn endlich einmal nichte 
„mehr davon hören.’ | 
Am andern Tage wuffte das ganze Schloß: der Duͤc 
d’Enghien fey in den ®räben des Schloßthurms 
von Bincennes erfhoffen worden. | 
Es ift unmöglid, den Eindrucd zu fhildern, ben Ens 
ghiens Tod auf beynah alle gewähnlihen Umgebungen 
Buonaparte's machte. Alles um ihn wurde duͤſter und 
‚zurückhaltend; Einige bemuͤhten fih fo wenig, ihr Mißvers 
gnüägen zu verbergen, daß er es bemerkte. Er ſprach zu eis 
nem der damaligen Minifter C. .... ganz Öffentlih: „Ich 
„glaube, Bürger Minifter, Sie würden beffer thun, mir 
„ſchriftlich mitzutheilen, was Sie mir zu fagen haben, Sie 
„erſparten fih bann wenigſtens die Mühe, mit mir zu fpr2= 
„Sen; denn ich fehe feit einigen Tagen, baß es Ihnen zumie 
„der iſt, und daß Sie ſich mir nur mit Widerwillen mitthei⸗ 
„len. — Sind halbe Mafregeln Ihr Geſchmack, dann, 
„Bürger, ift died Jahrhundert nicht für Sie.’ — C..... 


- 


aus Napoleons Leben. 173 





erwiederte: „Es gibt Verhaͤltniſſe, Bürger Konſul, in de: 
„nen ber Menſch es nicht über ſich vermag, Jedem angenehm 
zu ſeyn, ohne darum deu Wunſch zu hegen, irgend Jemand 
„zu nahe zu treten.” — Diefer Auftritt blieb ohne Folgen. 
— Buonaparte war innig überzeugt, daß Enghieng 
Zod ihm viele Herzen entfremdet habe, und bemühte fi fih nad 
Kräften, diefen Eindruck auszutilgen. Es war die wahre 
Zeit der Gnaden; beynah Jeder, der um etwas nadhfuchte, 
war der Gewährung gewiß. — Wenn Macht und Gewalt 
unter ber Larve ber Sauftmuth und KHerablaffung erfheinen, 
wibderfteben ihnen nur Wenige. i 

Map glaubt irrig: Caulincourt habe die Verhaf: 
tung des Prinzen birigirt; er war in die geheime Sendung 
des Generald Drdener nit eingeweiht. Diefer reiste 
am 20. Ventofe 12. J. von Paris ab,,und erft am 21. def: 
felben Monats gab der Kriege: Minifter, Berthier, Cau— 
lincourt bie Ordre, fih nah Strasburg zu begeben, um 
die Erbauung der, gegen England beftimmten, Flotte zu bes 
treiben. Zugleich follte er jih mit Mehôe über die Ver: 
baftung der Baroneffe von Reich bereben. i 

Die Ermordung des jungen Prinzen war bald durd eis 
nen Theil Derer vergeffen, die fie empört hatte; feile, vers 
aͤchtlide Säriftfieller ſuchten ſogar dieſe Graͤuelthat zu recht⸗ 
fertigen. | 

Zwey Haupturfahen von Enghiens. Tob waren ber 
unglüdfihe Rapport der Agenten Buonaparte’s, und 
vorzüglich fein Wunſch, fih den von ihm gefürchteten 
binern zu nähern. Jene, dem Prinzen vielleicht faͤlſchlich 
zugefriebenen Aeußerungen hatten Buonaparte’s Ei— 
genliebe toͤdtlich verwundet. Wuͤthend, ſich durch einen 
Mann entlarvt zu ſehen, der einſt die andern Mächte zu Be: 
muBung feiner Entdeckungen veranlaffen ea (wur das 
Ungeheuer feinen Tod. 





174 Geheime Nachrichten 


—t — —ñ—eJ—n ——— — 





3. Der General Moreau. 


Enghiens Ermordung befriedigte Buonaparte's 
Rachſucht und ſeinen Ehrgeiz. Das Blut des Geopferten 
errichtete zwiſchen ihm und den Bourbons gine diamantne 
Scheidewand; allein dagegen erwarb ihm dies Verbrechen den 
Beyfall der Jakobiner, und beſeitigte das wichtigſte Hinder— 
niß ſeiner Thronbeſteigung, des einzigen Ziels ſeiner Wuͤn— 
ſche. Indeſſen exiſtirten noch zwey Männer, die er, wenig— 
ſtens eben ſo ſehr wie die Jakobiner, fuͤrchtete. — Mo: 
reau und Picegruͤ. Jener wirklich große Feldherr, guͤ— 
tig, beſcheiden und vom Volk und der Armee geliebt, hatte 
gegen Buonaparte' 8 Arroganz und Grimaſſe eine Wer: 
abtung, die er zuweilen nicht genug verbarg. Der Konful 
hatte ihm zwey Spione zugefellt, die ihm, unter der Maske 
der Freundfchaft, immer fehmeicelten, "und ihrem Patron 
die unbedeutentdften Handlungen des Generals hinterbrachten. 
Folgendes ift der getreue Auszug eines ihrer Rapporte: 


„Bir fpeisten geftern bey Moreau; FZreniere, 
„Moreaus Bruder, Valubert, Desbordes, La: 
„martilliere und Pichon waren dba. Das Gefpräd 
„kam auf die franzöjifhe Marine. Lamartilliere bes 
„hauptete: er werde nie das Vergnügen genießen, unfre 
„Marine in einem refpeftabeln Zuftande zu fehen. — Wie 
„wäre es auch möglih,“ feste er hinzu: „wir haben nicht 
„Einen Seemann. — Wie follten wir einen haben,’ fiel 
Pichon ein: „alle Blicke hängen an der Erde? — „Und 
„„doch ficht man auch da nichts,’ erwiederte Valubert 
„ſcherzend. — „Salt, meine Herrn, nidt ganz fo,‘ be: 
„gann Moreau: man will behaupten, in Kurzem würden 
„bie Korfen herzlich lachen. — „Wie das?” — Ganz 
„matärlih; fie werden fagen; Frankreich wollte ung 
„einen König laffen; wir find ehritber, wir 
„geben ihm dafür einen Kaifer „Man ſcherzte 


aus Napoleons Leben: 175 





„während des Nachtiſches über den Einfall des Generals, 
„Desbordes preffte eine Drangeufcale, der Saft furigte 
„ihm in’d Auge.” — „Parbleu,“ rief er-aus: ih wuff: 
„„te es wohl, man gewinnt nichts. dabey, wenn man-den, 
„„Korſen (Vecorce) prefft; oft fhmerzt es ſogar.“ — 
Mean belachte. das Salembourg.. „Sagen Sie das nice 
„anderswo,“ bemerkte der ‚General: „‚erführe es. der, 
„„große Korfe, er würde nicht laden. — 


So hatte Moreau in feinen — Ssenſale⸗ 
die feinem Feinde Alles, was er im Innern ſeiner Familie 
that und fagte, wieder erzählten. Einer dieſer Elenden mir! 
in der Folge bey der ſpaniſchen Armee angeftellt, und: weinen 
von ben Bewohner Saragoffa’s gehentt. J 


Es bedurfte Weniges, um Budbnavbarten gegen ei⸗ 
nen Mann, deſſen Ruf und Talente ihm Argwohn erweckten, 
unverſöͤhnlich zu erbittern; eben fo unmenſchlich als eiferſuͤch⸗ 
tig wollte er ſich feiner entledigen. Allein er ſuchte in feinen 
Sturz einen General zu verwideln, den er, nict allein we⸗ 
gen feines militaͤriſchen Genies, ſondern noch mehr wegen 
feiner unbefiegbaren Anhänglihkeit an Ludwig XVI., 
haſſte; es war Pichegruͤ. 


— Gewandte Emiſſaͤrs erhielten Befehl, fih nad Englanb 

zu begeben, mit den dorthin geflüchteren Royaliften Werbine 
dungen anzufnüpfen, und fie zu überreden ‚- daß Frankreich 
nur ein Signal erwarte, um gegen die Ehrfuht Buonas 
parte’s aufzuflehen, ber fih, den Thron zu beſteigen, bes, 
reitete. Im Innern hatte fib ein Schwarm geheimer Polis 
zey:Agenten in die, dem Könige ergebenen, Familien einges 
ſchlichen; diefe gefährliden Menſchen heuchelten, glei. gifz 
tigen Kamaͤleons, die wärmfie Anhänglihteit an die Bour- 
bons. Sie überredeten viele Individuen, es eriftire in ale 
len Verwaltungen und in den erfien Staatd:Behörden eine 
Menge Menſchen, die bereit ſeyen, fi den Planen des 


176 Geheime Nachrichten 








Ufnrpators zu widerfegen; Alles ſchweige aber noch, aus: 
Mangel eines Vereinigung: Punktes. 

“- Mehrere der erften Staats: Männer errötheten nit, 
fiö den Spionen der Polizey beyzugefellen, und ihre Lügen 
zu unterftügen. — Diefed Manduvre hatte den gewuͤnſchten 
Erfolg. — Dierüber die Lage der Dinge getäufhten Royali⸗ 
ften im Lande glaubten den günftigen Augenblid für das Inte⸗ 
reife des Königs erſchlenen; fie fhrieben an ihre Freunde im- 
Auslande, und diefe, glei ihnen verführt und betrogen, gin— 
gen ‚in die Falle. Die Polizey an den Küften und im In» 
nern hatte Befehl, die Korrefpondenz zu ignoriren, und fie. 
ſelbſt zu befoͤrdern. Dieſe ſcheinbare Nacläfjigkeit wurde fo- 
weit getrieben, daß man ſogar eine Zeitlang das Domizil 
mehrerer in Paris eingetroffener Verſchwornen nicht wuſſte. 

Pichegruͤ, durch einige ungluͤckliche Verhaͤltniſſe fruͤ⸗ 
herhin mit Moreau geſpannt, hatte mit feinem ehemali— 
en Maffenbruder einige Zuſammenkuͤnfte. Ein Mitglied 
des damaligen Gouvernements benadrictigte Buonaparte 
öffentlich, und felbft Früber, als die Spione ,. die Moreay 
verfolgten. Er ſchrie vor Freude laut auf; feinen Rippen 
und Mugen entfhlüpfte ein Laͤcheln, das fih nicht beſchreiben 
läfft, ein Lächeln, das Schauder erregte. Eine Stunde 
machher brachte man ihm diefelbe Nachricht offiziel. — 
„Mehr bedarf es nicht,“ fagte er Palt; es war wirk⸗ 
lid Allee, was er verlangte, um feine beyden berühmten 
Feinde zu verderben. Mürat und der Großridter 
erhielten fogleih Befehle, die Spürhunde der Polizey war⸗ 
fen nun die befohlne Larve ab; fie wurden theild Antläger, 
theils Sbirren. Der Verlauf des ungluͤcklichen Prozeffes ift 
allgerrein befannt; allein mandes Intereffante und Wichtige, 
das nicht zur —* gelangte, verdient eine naͤhere Be⸗ 
leuchtung. 
Der Jury allein fland das Recht zu, die angeblichen 
Verbrecher zu richten; der Konful wollte es nicht; Gefhworne 


ans Navoleong Leben. 177 | 


laſſen ſich nicht leicht verführen. Man muffte zu diefem Ende 
zu zahlreiche und zu Pomplizirte Triebfedern in Bewegung 
fegen, und beforgen, Abſichten blicken zu laffen, die dem 
Publitum verborgen bleiben follten. Es wurden alfo Richter 
ernannt, um in diefer großen Criminalſache ein Urtheil zu 
fällen, dad Buonaparte in feinem Kabinette bereits ges 
foroden hatte; Hemart wurde zum Präfidenten des Ge: 
richte beſtimmt. 

Am Borabend der Verhandlunger wollte Buonas 
parte, ber an die Liebe und Achtung des Volks und der 
Soldaten für Moreau nicht glauben mochte, fih davon 
überzeugen, indem er der Polizey die Drdre gab, der oͤffent⸗ 
lien Meinung feinen Zwang anzulegen; Jedem die freye 
Heußerung feiner Oefinnungen zu geftatten, und dem Groß» 
richter Alles genau zu berichten, der ihm dann die Rapporte 
vorlegen follte. Das Refultat aller diefer widerforechenden 
Berichte Äberzeugte Buonapatten, daß Moreau, 
Durch feinen unermeffliben Kredit in der Armee, und dur 
das Intereffe, dad er dem Volk einflößte, ein hoͤchſtgefaͤhr⸗ 
fiber Zeind ſey. — Man follte glauben, der Enthufiass 
mus der Soldaten für ihren General hätte den Konful mehr, 
als das Intereffe des Volks, beunruhigt — man irrt. Er 
hatte alle Mittel ergriffen, einen entfheidenden Schlag von 
Seiten des Militärs abzuwenden, und (ed mögen Mande, 
die von dieſer Sache, deren Details immer geheim waren, 
und immer geheim bfeiben werben, gar nichts wiffen, immer: 
bin das Gegentheil behaupten) amı Vorabend von More aus 
Verhaftung war Buonaparte im Befiß bes ganzen Ge: 
beimniffes der Militär: Verfhndrung. Sie beftand aus Dfe 
fizieren aller Grade, an die fih eine bedeutende Zahl von Uns 
teroffizieren und Soldaten, Alles zuverläffige und verfchwies 
gene Männer, angefhloffen hatten, auf deren Muth und 
Unerfhrodenheit man zählen Ponnte. Der Konful muffte 
fogar, daß in Deytfhland und in Italien geheime milis 





\ 


178 Geheime Nachrichten | j 








taͤriſche und bürgerlibe Verbindungen eriftirten, bie mit der 
Maffe der Verſchwornen in Frankreich zu dem großen Ziele 
mitwizten follten; ihr einziger-Zwed war für den Augen= 
blick, Moreau, wenn ihn feine Richter zum Tode verdammt 
baben würden, mit gewaffneter. Hand zu entführen. Er 
follte nit bey feiner Hinführung zum Richtplage, wie. ein 
Unmiffender behauptet hat, fondern aus dem Gerichtsſaale 
felbft, jm Augenblick des geſprochenen Urtheils gerettet wer= 
7 Die Mapregeln waren unfehlbar., ‚Die Verfhwor: 
nen, zu Verhuͤtung jedes Verdachts, verkleidet, follten mit 
Dolben und Piftolen bewaffnet feyn; im Innern bed Ges 
richts-Pallaſtes follten. Gensdarmen, Wahen und Polizey- 
Agenten auf einmal, jeder durch wenigftend jwey Mann, 
fefigehalten werden. Im Fall eines erufihaften Widerftands 
follten fie fterben; allein biefer Musweg war ausdruͤcklich, 
nur auf den aͤußerſten Nothfall, vorbehalten, Außerhalb 
follten mehrere Haufen das Volk für den, von ihm beklagten, 
General gewinnen, und. ber allenfalls som Gouvernement 
gebrauchten Gewalt entgegenwirken. Andre follten fih in 
bie Straßen und Carrefours vertheilen; in den Kafernen was 
ren Dffiziere bereit, bie Truppen, deren fie beynabe fiber 
waren, anzufeuern., Zwey Wagen ſollten, der eine auf der 
Place Dauphine, der ‚andere auf dem Marche neuf hal⸗ 
ten; zwey und neunzig Pferde waren an. verfdiednen Orten 
bereit, und die Uniformen der Verfbwornen befanden ſich 
fünfhundert Schritte von dem Juſtiz-Palaſte. — Aeußerſt 
merfwiürbig bey diefem Komplott war der, allgemeine Befehl, 
fo viel möglih in den, während der Ausführung des Plans, 
zu haltenden, Reden ven Namen des erften Konfuls nicht zu 
nennen, und befonders das Wolf nicht gegen das Gouvernes 
ment aufzureizen. Der Zweck diefer Vorſicht ſey gemwefen, 
welcher er wolle, fie erbitterte Buonaparten im hoͤchſten 
Grabe, und ermedte bey ihm fiarfen Verdacht, es feyen 
mehrere Mitglieder des Gouvernements in die Verſchwoͤrung 


aus Napoleons Leben. 179 


— — 





serwidelt;- dieſes iſt aber nicht wahrſcheinlich — Der Kon— 
ſul theilte einem ſeiner Miniſter das ganze Komplott mit; 
dieſer fragte ihn: ob More au ſeine Zuſtimmung gegeben 
habe? „Im Gegentheil,“ erwiederte der Konſul, „ich 
„ſehe aus einer Note von Lajolais, daß er ihm über dies 
„fen Gegenftand nur unbedeutende Antworten gegeben, und 
„ibm jelbfi eine Carte blanche mit feiner Unterforift ver: 
„weigert bat.” — Bey bem Ärtifel, ber den Verſchwor⸗ 
uen verbot, den Namen bes Konfuls bey bem, von der Ver: 
ſchwoͤrung unzertrennliden, Auflaufe zu nennen, und bag 
Bolt nit gegen dad Gouvernement aufzureizen, war der Mis 
nifter ebrlih und fühn genug, zu erklären: „er ſehe in Allem 
„nur ein lebhaftes Intereffe für Moreau; Lajolais. 
„Note beweiſe, daß der General feine Abfihten gegen die 
„Berfon des Konfuls habe, und. daß die Verfhwornen den 
„Sturz des Gouvernements nicht bezweckten.“ — „Gut,“ 
verſetzte Buonaparte, durch des Miniſters Antwort fraps 
pirt, aber nicht aufgebracht, „was denn aber zu thun?“ — 
Dieſer rieth ihm ohne Bedenken ‚bie Hauptſtadt und Frank⸗ 
reich augenblicklich ͤber Moreaus Schickſal zu beruhigen, 
vorzůglich unter den Verſchwornen — vor Allem aber unter 
dem Militär die Nachricht, fein Leben fey nicht in Gefahr, vexs 
breiten zu laffen; und die Eriftenz des Komplots moͤglichſt zu 
verheimlihen. „Ganz gut,‘ war des Konfuls Antwort; 
„aber Sie werben erflaunen, wenn ich Ihnen fage, daß bie 
v‚ Berfbwörung feine Entdeckung der Polizey iſt; einer meiner 
‚Agenten in Deutfhland hat mir den Plan und die Detailg 
„dirett mitgetheilt, indem er bhinzufügte: fragen Sie nicht, 
„Bürger Konful, von wem: ih dieſe Entdeckung habe. Als 
„les wurde meinem Bedienten von einer Dame mittlern Al: 
„ters eingebändigt, die, um unentdeckt zu bleiben. meine Abs 
„weſenheit benugt hat. Ich habe Alles aufgeboten, diefe Da: 
„me oder die Namen einiger Berfhmwornen aufzufinden, aber 
„ich erhielt durchaus Feine 'befriedigenden Reſultate.“ — 


Zn 


A 


180 Geheime Nachrichten 

— — — — — — — — — 
„Wie,“ fragte der Minifter: „nur anonyme Mittheiluns: 
„gen?“ — Der Konful unterbrad ihn — „id weiß, mas 
„Sie fagen wollen ; als ich die Nachricht erhielt, dachte ich, 
„vie Sie; allein, von mir befohlne Nabforfhungen haben 
„mich diefen Morgen überzeugt, daß die Verſchwoͤrung wirt: 
„lich eriftirt, deswegen glaubt mich aber doch Niemand in 
„Frankreich von der Sade unterrichtet.” — Das Komplot 
feßte den Konful durdaus nicht in Furt. Selbſt die niedre 
Polizey wurde mit inftruirt; fie erhielt keine Befehle gegen 
bie freye Aeußerung aller Meinungen, fondern nur'die Wei- 
fung: fi allenthalben hin zu verfügen, wo Unruhen entfiehen 
würden, und die Anhänger des Gouvernements zu unterftügen. 
Die obern Agenten wurden an bie-gefährlichften Stellen beor: 
dert; es wurde ihnen fireng anbefohlen, im Innern’ des Zu: 
ftiz: Palaftes, den Fall offener Gewaltthätigfeiten ausgenom: 
men, Niemand zu verhaften,; Militaͤr-Detaſchements wurden 
in die Nähe des Palaſtes beordert. : Außer allen diefen Vor: 


ſicht-Maßregeln traf Buonaparte eine, bie, wie er es 


vermuthet ‚hatte, vom beften Erfolg war; er lieg heimlich 
bas Gerücht verbreiten, Moreaus Leben fey nicht bedroht. 
Die Verſchwornen bauten indeffen nicht darauf, und Änder: 
ten feine ihrer Anordnungen. Das Komplott hatte den. Ron: 
ful etwas beunruhigt; feine dagegen getroffenen Berfüguns 
gen beruhigten ihn volltommen. Er war fehr ruhig, als eis 
her von ben verlangten verfhiednen Rapporten der Polizey⸗ 
Agenten feine Anfiht beynah änderte, Er war. um fo merf: 
würdiger, dba er nicht mit ben gezwungenen und zweybentigen 
Wendungen eines Spione, ber nicht Alles, was er. ſah und 
hörte, zu fagen wagt, verfafft war. Hier ifterv. 
„Seit zwey Tagen habe ich die Umgebungen des Juſtiz⸗ 
„Palaſtes nicht verlaffen. Inner: und außerhalb in den 
„Straßen drängt fih und ftrömt Alles zu, um etwas vom 
„Prozeſſe zu erfahren; es fheint nur ein Angeblagter zu eri⸗ 
„ſtiren, die andern find ganz vergeffen. Der Mame des 


aus Napoleons Leben. 181 








„Generals Moreau (man nennt ihn nie Moreau ſchlecht⸗ 
„weg) ift in jedem Munde; das Intereffe, das er erregt, 
„iſt in jedem Herzen; auf allen Gefihtern mahlt ſich das le: 
„‚benbige Verlangen, ihn losgefprochen zu fehen. — Ich has 
„be mich in viele Gruppen gefhlihen; jie beftanden aus allen 
„Volksklaſſen; vom Kröfus bis zum Bettler nur Eine Stim: 
„me. Die Militärs vorzäglich fteigern das Intereffe, das 
„alle Belt an dem AngePlagten himmt. — Unter das Volk 
„gemiſcht, ſprechen diefe von der Güte und Milde des Genes 
‚als; Andere erzählen feine Schlachten, feinen berühmten 
„Ruͤckzug, feine Siege, und preifen ‘feine Befcheidenheit; 
„noch Andre weinen. Ich fah einen Marechal:de:Logis von der 
„leichten Artillerie wie ein Kind in Thränen zerfliegen. — Ich 
„trat in das Cafe Desmoulins, "dem Palaft gegenüber, ein. 
„Zwey Kavallerie:Dffiziere und drey Bürger tranfen an dem: 
„ſelben Tiſche; ih weiß nidt, wovon die Rede war; aber 
„ploͤtzlich ſprang der ältefte Dffizier auf, erhub fein leeres 
„Glas, und zerfhmetterte es mir den Worten auf dem Tis 
„fe: ‚mom d’un Dieu, Moreau auf dem Delinquenten- 
„„Stuhle, es ift eine Schande; ich halte mich nicht mehr; 
„„laſſt und gehen!’ — Der andere Dffizier hielt ihn zu: 
„eh, zwey der Bürger flimmten ihm bey, und bemerkten 
„dem Militär, er fee fih Gefahren aus. „Was — Ib,” 
rief er entruͤſtet, „mich arretiren? Ich fümmere mich den 
„„Teufel drum, ih ſchaffe erſt ihrer Zehne aus der Welt. 
„„Siehſt du?“ — (Hier riß er aus feiner Weftentafche zwey 
„Terzerolen, von denen ber Hahn ber einen gefpannt war; 
‚man bemerfte es ibm; er feste ihn in Ruhe.) Seine 
„Freunde beruhigten ihn etwas und forderten eine neue Flas 
‚Abe Bier; fie tranken allein; er weigerte ſich, zu trinfen. 
‚Bald nachher gingen fie nah dem Palaft, und miſchten ſich 
„‚in’s Gebränge; ich verlor fie, und vermochte fie nicht wie- 
„Derzufinden.” 

Der Berfaffer diefes Rapports war, unerachtet er Be> 


— 


182 Geheime Nachrichten 

— — 
fehl hatte, genau die Wahrheit zu berichten, ſehr kuͤhn; 
ſolche Rapporte ſind unter ſolchen Umſtaͤnden aͤußerſt ſelten. — 
Hatte dieſer Mann die Abſicht, den Konſul fuͤr den Ange⸗ 
klagten zu intereſſiren, oder wollte er ihn, durch Andeutung 
der mit Moreaus Tod verknuͤpften Gefahren, ſchrecken, 
dann verdient er Lob; allein er wuſſte nicht, daß die von ihm 
gebrauchten Mittel, einen großen Mann zu retten, gerade 
ſeinen Untergang beſchleunigen muſſten. 

Buonaparte war allein, als man ihm das, vom 
Großrichter uͤberſendete, Paket einhaͤndigte. Er hieß mich 
ihm den Rapport vorleſen, und nach den erſten Zeilen mich 
noch einmal anfangen. Er ſtand vor mir, ſtuͤtzte das Kinn 
mit der Linken, und hörte mit der gefpannteften Aufmerkſam⸗ 
feit zu. Als der Lefer zu Ende war, rief er and: „nein, 
„das ift ſtark! — ber ift es wahr? — Keih Zmeifel; ich 
‚habe befohlen, man folle mir nichts verbergen, und die ges 
„naue Mahrheit verlangt; ein Einziger fagt fie mir ohne 
„Winkelzuͤge; ic muß ihm glauben; denn ih bin gewiß, er 
„vergrößert nit, er kennt feine Gefahr dabey. — - Er 
„bat wohl gethan; es ift fein Gewerbe. — Ich danke dem 
„Minifter, daß er mir biefen Rapport nicht vorenthalten 
„hat; legen Sie ihn in diefen Carton, und fehreiben Sie, 
„Moreau, darauf.” — Dann fprad er mit ſich ſelbſt: 
„Dieſer Moreau! — Madame ſagte es mir wohl; aber 
„wer glaubt fo etwas? — Bolt, Soldaten; u ift nie er- 
„lebt... ber es ift no immer Zeit — —” — Man 
meldete Chaptal und Lebrunz er En 
mit ihnen. — Am andern Zage Pam diefer, ber fib am 
Abend nicht eingeftelle hatte, fehr frühe, und entſchuldigte 
ſich mit einer Unpäfflichfeit, an der ernod leide. „Wir ba: 
—„ben noch nichts geendigt,“ redete ihn Buonaparte am: 
„aber es eilt nicht — Sagen Sie mir doch, dieſer Mo: 
„reau macht vieles Nuffehen.” — „Bey dem Pübel der 
un, Borftädte und in einigen Wachtſtuben.“ —- „Weit ge: 


\ 


aus Napoleons Leben. 183 





„fehlt — es ift wirklich, wie ich ſage.“ — „Sie vergroͤſ⸗ 
„„ſern ...“ — „Ich vergroͤßern?“ — Er ließ ſich jenen 
Rapport holen; „da, leſen Sie,’ ſprach er zu Fourcroy, 
„Aeſen Ste, und ſagen Sie mir, ob das nicht deutlich und 
„beſtimmt iſt?“ — Fourcroy las, und fragte dann: 
. „aber was bemeist das? Nichts, als daß etwas mehr Ruf 
‚das Volk etwas mehr mit- ihm, als mit Andern, beſchaͤf— 
„tigt; in acht Tagen fpridt man von etwas Anderm.”’ — 
„Dem ift nit fo,’ erwiederte der Konful: „die Sache ifl 
„ernfthafter, und es wäre unverzeißlih, wenn id den Re 
„‚fultaten nit zuvorkaͤme!“ 

Moreau ſchien verloren; der Gerichtshof hatte, vor 
Inſtruktion der Prozedur, den Befehl erhalten, ihn zum 
Tode zu verurtheilen, um dem Konful das Vergnügen feiner 
Begnadigung zu überlaffen. — Hätte fi das Gewiffen der 
Richter nicht gegen diefe ſchaͤndliche Zumuthung empört, und 
hätten fie an Buonaparte’s Großmuth geglaubt, fü - 
wurden fie zu Mitſchuldigen eines abſcheulichen Verbrechens, 
und Moreau hätte feine glorreihe Laufbahn unter dem 
Eifen der Builotine geendet. Umſonſt hatte der Konful zu 
feiner Gemahlinn gefagt; „da ich mir das Recht, ihm zu be: 
„gnadigen, vorbehalte, wer fagt Ihren, daß bdiefes nicht 
„ein Mittel zu unfrer Annäherung fey? Ich -verfibere Sie, 
„es wird nur an ihm liegen.‘ — Diefe geheuchelten Vers 
ſorechungen hatten nur ben Zweck, ihn der tägliben Verwen⸗ 
dungen für den Angeklagten zu entledigen. Indeffen lief 
Madame Buonaparte'die Gattinn des Generals insge— 
heim von den Gefinnungen des Konfuls benadrichtigen, und 
forderte fie,auf, ihren Gatten zu einigen entgegenfommens 
den Schritten zu bewegen. Madame Moreau bot Alles 
auf, den General zu erweihen; Bitten, Thränen und Lieb: 
Pofungen waren fruchtlos. Moreau blieb unerbittlic. 
„Meine Liebe,’ fprac er zu ihr, ihre Hände ergreifend, 
„ich Siebe did von ganzer-Seele, mehr ald mein Leben, abet 


— 


184 Geheime Nachrichten 

— — 
„noch mehr liebe ih die Ehre. Was du verlangſt, iſt uns 
„möglich; ich wärde mih mit Schande bededen.” Madame : 
Moreau wurde ohnmädtig, man muffte nah Hälfe rufen. 
Als fie wieder zu ſich kam, erneute fie ihre Bemühungen; der 
General verfprad ihr endlih, um fie zu beruhigen, dem er: 
ſten Konful zu fhreiben. Er that es wirklih am andern 
Morgen., Sein Brief ift befannt; er enthielt das Verlan⸗ 
gen einiger Formalitäten, und bie edle, einfahe Betheurung 
feiner Unſchuld; die Antwort des Großriters, auf Bu os 
naparte’s Befehl, ift eben fo bekannt. 

Der Konful erfuhr die Bemühungen der Madame Mo: 
reau bey ihrem Gatten; den zweyten Tag nachher erzählte 
er dem Gouverneur von Paris alle Details diefer Scene. 
Diefe und mehrere andere Berichte, mit dem tödtlihen Kaffe 
Buonaparte’s- gegen den General vereinigt, hatten ihn 
ungezweifelt beftimmt, ihn ſterben zu laffen, hätte das Xri- 
bunal, durd ſein Berfprechen verleitet, unglüdlicherweife 
fein Todes: Urtheil ausgefproden. — Beweife für biefe 
Behauptung liegen in Folgendem. 

Als man dem Konful das Urtheil mittheilte, weldes 
den General ſchuldig, aber zu entfhuldigen erklär 
te, und ihm nur eine Porreßtionelle Strafe zuerkannte, vers. 
mochte er feinen Verdruß und Grimm. nicht zu bemeiftern. 
„Furchtſame und charafterlofe Richter,“ fagte er öffentlich: 
„find das Verderben der Gouvernements; ic ziehe ihnen ges 
„ſchickte Rechtsverdreher vor.” Er war — Tage der ums 
ertraͤglichſten Laune; ein fondexberes Ereigniß erbitterse ihn 
noch mehr. 

Er flieg eines Tags in den Wagen, um nad Saint: 
Cloud zu fahren; ein Unbetannter überreichte ihm ein Paket; 
er nahm es an, und übergab es feinem Bruder Louis, ber 
im Wagen faß. 

Nie liebte ein Fuͤrſt mehr, ale Buonavarte, Pris 
vatſchreiben, fie mochten unmittelbar, an ihn gelangen, ihm 

| heim⸗ 














# 


aus Napoleons Leben. . 185 








beimlih zugeſteckt, oder ihm durd feine Minifter, wenn fie 
es für gut fanden, mitgetheilt werden. Diefe Neigung be: 
weist unwiderruflih, dag Gefühllojigkeit, Despotism und 
' Ebrfudt mit ihrem ganzen wütenden Gefolge in feinem Her: 

_ zin tiefe Wurzeln gefafft hatten, und daß Nichts ihn zu 
friedlidern Gefinnungen hinzuleiten vermochte. In einigen 
biefer zahlreichen Schriften ertheilte man ihm weife und ge: 
mäßigte Rathſchlaͤge ohne andern Zweck, als fein perfünlis 
bes Gluͤck und feinen Ruhm — dieſe brachten ihn am mei; 
fien auf. — Andere zergliederten feine Handlungen, feine 
phyſiſchen and moralifhen Eigenfhaften, und warfen ihm 
feine Zebler und dje Unhaltbarkeit feiner Einrichtungen vor. 
Diefe belätelte er Palt, oder gerietiy darüber zuweilen im 
beftigen Zorn. — Noch andere endlich. überfihritten alle 
Schranfen, überhäuften ihn mit Shmähungen und Schimpf: 
werten, und prophezeiten ihm ein fihreckliheres Loos, ale 
das, weldes ihn in unfern Tagen traf. Gegen biefe erfün: 
fielte er eine Verachtung, die nicht in feinem Herzen war. 

Indeſſen ließ er nie nad den Verfaffern forfben; dies wäre 
auch beynah unmöglich gewefen, da ed ganzen Haufen geftat: 
tet war, fib an ihn zu drängen, und ihm ihre Bittfchriften - 
zu überreiden. Zudem hatte er auch feine guten Gründe, 
die Urfahen nicht laut werden laffen, die allein ſolche Nach— 
forf&ungen und die Beftrafurfg motiviren Ponnten; in Ruͤck— 
ſicht auf feine erflärte Geringfihägung gegen Menſchlichkeit 
und Menfhenfeben war er in diefer Beziehung alferdingg 
-tolerant, 


Am Abend durchging Buonaparte das Pater, das 
man ihm bey feiner Abfahrt nah Saint:Cloud überreiät 
hatte; fünf bis ſechs Perfonen waren um ihn. Es ift bey: 
nah unmoͤglich, ſich eine Idee von der gaͤnzlichen Verwand— 
lung feiner Züge, waͤhrend des Durchleſens, zu machen. 
Als die Geſellſchaft fi entfernt hatte, begann er von Neuem 

Turop. Annalen. gred Stud. 1815, 13 


186 Geheime Nachrichten 





zu leſen. — Folgendes ift die Ware Abſchrift des ihm 
uͤberreichten Aufſatzes: 


„Buͤrger Konſul, 
„Indem ich Ihnen dieſen kleinen Aufſatz, die Frucht 
„meiner Liebe für das Staats-Wohl und meines eifrigen In: 
„‚tereifes für Ihre erhabene Perfon, widme, habe ich Peine 
„andre Abſicht, ald dem Schwalle von Befhwerden und Bes 
„ſchuldigungen, die ſich der unbefheidne Pöbel, verblendet 
„und parteyifh, gegen Sie und gegen den Gerichtshof, der 
„den Muth hatte, den größten Feldherrn des Jahrhunderts, 
‚den berühmten Moreau zu zweyjaͤhrigem Gefüngniffe zu 
„perurtheilen, erlaubt, einen undurchdringlichen Damm ent= 
„gegenzufegen, 
„Benn ih, Bürger Konful, das Publikum zu gerech- 
„tern Gefinnungen gegen Sie zurädführe; wenn ich es von 
„der Unparteylichkeit, befonders aber von der Großmuth, 
„mit der Sie Sic bey diefer Gelegenheit benahmen, zu über= 
„zeugen vermag; fo wage ih ed, zu glauben, und, Gie bes 
„zweifeln es fiber auch nit, Bürger Konful, dag ich dann 
„ein fhwieriges Unternehmen ausführe. — Es iſt nicht 
„minder ſchwierig, wenn es mir gelingen fol, zu beweifen: 
„daß der Gerichtshof nur fein Gewiffen und die Gefege der 
„Billigkeit zu Rathe gezogen habe. 


„Geruben Sie, Bürger Konful, meiner Arbeit den 
„Glanz Ihres Ruhmes, und die Ehre Ihrer Protektion zu 
„verleihen; dann darf ih an ihrem glädlichften Erfolg nice 
„zweifeln. 

„Ich bin, unter allen Sranzofen, Ihr treugehorfamfter 
„Diener und Unterthan \ 

Manaffa, 
Publiziſt und Rechtegelehrter. 


aus Napoleons Leben. | 187 








Mectfertigung bes Urtheils gegen den Gene 
ral Moreau, oder unmwiderlegbare Beweife, 
daß er unparteyifh, gereht und von Rechts— 
wegen verurtbeilt worden. 


Zwey Sonnen dürfen die Erde nicht erleuchten: sie würden fie 
aufbrennen, Daurp, von Bourges. 


„Hat Moreau fi gegen den erſten Konful ——— 

„ren? Ja, ich werde es beweiſen. 
Erſte Beſchwerde. 

„Morean hatte ſich, mit allen großen Feldherrn-Ta⸗ 
„lenten ausgeſtattet, in Frankreich und im Auslande einen 
„Ruhm erworben, der den des erſten Konſuls verdunkelte. 

Zweyte Beſchwerde. 

„Moreau, von Natur einfach und beſcheiden, ein Feind 
„der Charlatanerie und der Prunkſucht, war an und fuͤr ſich 
‚Are beißendſte Kritik aller Handlungen des erften Konſuls. 

Dritte Beſchwerde. 

„Moreau, menfblih, gefühlvoll und leutfelig gegen. 
„den Soldaten, war von ihm angebetet; er fah in feinen 
„jungen, aber unerfhrodenen, Kriegern ein koſtbares Blut, 
„das dem Vaterlande erhalten werden muffte, 

„Buonaparte, von Natur fireng, und überzeugt, 
„‚baß bey erbabnen Stellen Sanftmuth und Leutfeligkeit nur 
„Beratung zur Folge haben, lächelte nur dann den Sol: 
„daten zu, wer ihr Muth verbreyfacht werden follte; er 
„rechnete zur Erfämpfung eines, wenn auch unnüßen, Sie— 
„ges Menfsenleben für Nichts. Daber bie kalte Gleichzuͤl— 
„tigkeit der Truppen, die beynah immer nur in ihm einen 
„Herru fahben, dem man geboren muffte. 

„Moreau ließ lieber zweytaufend Oeſtreicher 
‚und ſechs Kanonen fi entgehen, ald daß er viertaus 
(end Franzoſen ovferte, um das Defilee zu nehmen, 
‚in dem fi die Defireicher verſchanzt hatten. 


* 


188 Geheime Nachrichten 





„War dieſe kleinmuͤthige Schonung nicht eine fchweis 
„gende Anklade gegen den erſten Staats-Beamten, der in 
„ſeinen Feldzuͤgen in Italien vier franzoͤſiſche Regi— 
„menter vor Goͤrtz zuſammenhauen ließ, um fünf 
„Kanonen, acht Wagen alter Gewehre und eini— 
„ge Marketenderinnen zu erobern? 

„Was vermag Moreau auf dieſe allgemein bekann— 
„ten Thatſachen zu erwiedern? Nichts — es wäre denn, 
„daß die zweytauſend Deftreiher, die er nicht 
„mit dem Blute von viertaufendb Franzofen er 
„kaufen wollte, fi am anbern Zag, obne eis 
‚men Schuß, ergaben. Bey ihm war diefes ein bey- 
„nah unbefarmter Vorfall; für den erften Konful wäre es 
„ein blutiger, glängender Sieg gewefen; die 
„Journale hätten feine berrlühen Talente un— 
„erfhöpflih bewundert! Freylih hätten fünf bie 
„ſechsſtauſend Mann diefe Lorbern mit-ihrem Leben bee 
„jablt; aber wie wenig gilt das Leben von ſechstauſend 
„Menſchen gegen, die Vergrößerung des Krieger: 
„Ruhms, und gegen bie Waffen: Ehre einer Ras 
„tion! 

‚Aus allen diefen Thatfahen erhellt, daß Moreau 
„Ab gegen ben erften Konful, wenn aud nicht gegen fein 
„Leben, doch wenigfiens gegen die Macht, mit der er ſich 
„bekleiden ließ, und gegen die großen Plane, über denen 
„er brütet, verfhworen hatte. Ä 

Vierte Beſchwerde. 

„Es ift fattifh, daß der General Moreau durch feine 
„Hochherzigkeit, fein®enie, feine Sanftmuth, feine Beſcheiden— 
„heit, feine Redlichkeit und Uneigennügigkeit, immer Vergleis 
„chungen zwiſchen ihm und dem erſten Konſul veranlaſſt hat; 
„dieſe Parallele iſt aber um fo ehrenrühriger und ftrafbarer, 
„da ihre Refultate die Achrung und Bewundrung ſchwaͤchen, die 
„jeder Sranzofe dem Staats-Oberhaupt blindlings ſchuldig ift. 


aus Navoleons Leben, 189 








„Moreau Lonnte, allgemein geachtet und von der 
„ganzen Armee geliebt, der großen Beftimmung des erften 
„Konſuls entgegenarbeiten, und Franfreih und Europa dag ° 
„Schauſpiel entziehen, einen Kleinbärger von Yjac: 

„‚cto auf dem Throne Heinrichs IV. zu ſehen. Welches 
„glaͤnzende und ſchreckliche Muſter haͤtte er dem Ehrſuͤchtigen 
„vorenthalten! um welche Lehre haͤtte er die Welt gebracht; 
„welchen Stoff haͤtte er der Geſchichte geraubt! — Nein; 
„Voͤlker der Erde; nie, ich ſchaudre, nie haͤttet ihr dieſe 
„furchtbare erhabene Phraſe geleſen. — Die Franjo: 
„ſen haben ihren König ermordet, aber Keiner 
„von ihnen wagte es, ſich auf ſeinen Thron zu 
„ſetzen. Ein Korſe hat fie an Kuͤhnheit uͤber— 
„troffen, und fünf und zwanzig Millionen zit: 
„tern unter feinen Geſetzen. 


„Wohlan, Anhaͤnger des Siegers bey Hohenlin— 
„den, was habt ihr gegen dieſe Thatſachen anzuführen? — 
„Entkraͤftet fie, wenn ihr es vermögt; Jhr habt leife ge: 
„murrt; ic fage leife; denn ich laſſe euch Gerechtigkeit wis 
„derfahren; br feyd Unzufriedne, aber feine Aufrührer; 
‚br babt leife gegen das Urtheil über euern Abgott gemurrt 
„— worum? Weil ihr ganz ehrlih glaubtet, ar ſey wegen 
„‚einer oder zwey Zufammenfünften mit Pichegruͤ und La: 
„jolais vor Gericht gefiellt und. feiner Freyheit beraubt 
„worden — ihr ſeyd im Irrthume. Diefe Zufammentünfte, 
„die nicht einmal gehörig erwiefen wurden, waren nur ber 
„Vorwand, den man ergriff, um wichtigere Vergehen zu ri: 
„sen. Ih habe euch diefe Vergehen zergliedert, und ihr 
F„ſeyd gewig mit mir überzeugt, daß fie eine wirklide große 

„Strafbarteit begräuden. So hat aud der Gerichtshof vor 
„Gott und den Menſchen entſchieden. 


„Es eriſtirt noch eine andre Beſchwerde gegen Mo: 
‚„reau; ich werde fie nur oberflählih berühren; die That: 


199 Geheime Nachrichten 





„ſachen gegen ben Angeklagten find ſchon zu zahlreich, und 
„‚belaften ihn fhon zu fehr. 

„Waͤre Moreau durch den Gerichtshof nicht in die 
‚Unmöglichkeit verfegt worden, die gigantifhen Fortſchritte 
„des erften Konfuls aufzuhalten; wenn Moreau, wie die: 

„ſes geihehen Eonnte, ihn gezwungen hätte, feine weitums 

»- „faffenden Plane aufzugeben; was wäre dann aus ber 
„Schaar von Menfhen aller- Klaffen geworden, die ſchon ſich 
„an ſeinen Triumphwagen zu ſchmieden beginnt, und ſeinen 
„Adlerflug zu begleiten ſcheint? — Wuͤrden Viele von ih— 
„nen ohne Genie, ohne Reſſourcen und ohne andre Gaben, 
„als eine eherne Stirne und viele Geſchmeidigkeit, gegen: 
„waͤrtig auf dem Ozean einer glaͤnzenden Shure einher: 
„ſchwimmen? — Ich breche ab; die unermeffene Tiefe der 
„‚tommenden Zeiten ſchreckt mich; ich will das Unrecht des 
‚Angeklagten nicht vergrößern‘; ed genügt mir, die Unge: 
„rechtigkeit des Murrens gegen den erften Konſul und gegen 
„die Unvarteylichkeit des Gerichtshofes, der den Sieger bey 
„Hohenlinden in Zeffeln fihmiedete, unwiderleglih barges 
than zu haben,” 

Bee y # 


Man ſteht leicht ein, daß der Verfaſſer dieſes Aufſatzes 
der bitterſte Feind des erſten Konſuls und ſeiner ehrgeizigen 
Plane war. Seine Prinzipien verdienen Beyfall; aber der 
Weg ihrer Mittheilung an einen Tyrannen, der ihn mit der 
grauſamſten Härte dafür ſtrafen konnte, verdient Tadel. Er 
wurde nicht entdeckt, aber er erweckte Verdacht gegen Un: 
ſchuldige, die ſechs und Achtzig Tage lang in Ketten ſchmachte— 
teten, und die nur der Unmoͤglichkeit, die Teichtefte Muth— 
maßung verdäctiger Gefinnungen gegen fie aufzufinden, ibr 
Leben verdankten, Er kann ſich ſchmeicheln, wenn diefes an- 
genehme Gefühl ihn über das angerichtete Unheil zu tröften 
vermag; ja, er kann ſich fhmeicheln, den herrſchſuͤchtigſten 


aus Napoleons Leben. 191 





und boshafteſten Mann ſeines Jahrhunderts auf einige Mi— 
nuten in die ungluͤcklichſte Stimmung verſetzt zu haben. 
Buonaparte ließ, als er den Aufſatz durchgeleſen hatte, 
mic die kurz vorher geöffneten Zenfter wieder fließen. Jetzt 
vergaß er plöglic feine Menfhen: Natur; er vergaß, daß er 
an feinem erhabnen Poften auf Haß und Widerwärtigfeiten. 
gefaſſt ſeyn müffe, daß er vor feinen Umgebungen fi felbft 
zu ehren habe; er wurde plögli vor Zorn und Wuth flams 
mend-roth, flug die geballten Fäufte zufammen, rannte 
auf und nieder, und zerbrab, mit Gefahr fi zu verwunden, 
einen Pafjinifben Globus. Diefe Schredens:Scene begleite: 
teten Drohungen und Fluͤche, bis er endlich, durch diefe fon: 
vulſiviſchen Bewegungen ganz erſchoͤpft, fich nicht mehr aufrecht 
zu halten vermodte. — Er lieg fih in einen Seſſel fallen, 
und bedeckte fein Gefiht mit beyden Händen. — Endlich wurde 
er etwas rubiger, und fiand auf. Seine Farbe war nidt 
mehr Purpur; ein Grüngelb war an die Stelle getreten; 
dide Schweißtropfen verlten von feinen Augenbraunen; er 
verlangte ein Glas Waffer, und leerte es in einem Zuge. 
Ich geſtehe es, ih weinte. — „Sie weinen,’ fprad er 
zu mir: — ‚ad Sie find_glüdlid — das würde mid er: 
„leichtern — ih habe vielen Kummer — diefe Menfchen 
zyuälen mich fo ſehr — ich werde mid frey maden, dann 
„werde ich meiner Herr feyn — ih werde ihr Opfer. nicht 
„mehr ſeyn. — Deffnen Sie die Fenſter!“ — Er feßte 
fi® ruhig zum Schreiben nieder; einen Augenblick nachher 
ſprach er zumir: „Sie haben gefehen ... ſchweigen 
„Sie, darum bitte ich.” Dieſes lernte Wort über: 
rafhte mid; allein, auffallender war ed mir, ihn fo ſchnell 
aus der heftigften Gemüths: Bewegung zur nollfommenften 
Ruhe übergeben zu fehen — Zwanzig Andere Härten ſich zu 
Bette gelegt; ein Beweis feiner robuften Konſtitution. Am 
andern Tage erzählte er Dd..... „damals feinem Liebling, 
die Geſchichte; diefer verfegte: „An Ihrer Stelle hätte id. 


192 Geheime Nachrichten 

u — 
„das Paket verbrannt, und nicht weiter daran gedacht.“ — 
„Sie haben Recht,“ antwertete der Konful: „allein ges 
„wiſſe Dinge bringen ung durd ihre Freiheit ganz aus uns 
„ferm Gleiſe.“ 

Man wird leicht glauben, daß fo Vieles zu Moreau's 
Gunften in dem Herzen des Konfuls den Haß vermehrte, den P 
er fbon fo lange,gegen ihn nährte. Indeſſen zählte er felbft 
in diefem Haffe fehr auf feine Redlichfeit und auf feinen Ab» 
ſcheu gegen jedes Verbrechen: er hielt ihn für unfähig, ihm 
nad dem Leben zu trachten. Am Tage nad Zällung des Ur: 
theils fragte er mich: „Sie kennen diefen Moreau?” — 
„Nicht perfönlih,‘ antwortete ih: „aber nad dem oͤf⸗ 
„fentlichen Rufe ſcheint er mir ein Mann von Verdienſt.“ — 
„Das Publitum ift eine Kanaille und Moreau ein unrus 
„higer Starrfopf. An wen liegt es, daß Alles vergeffen 
‚werde? — Bollen wir immer ſchwanken; foll die Unruhe - 
„immer dauern? — Es iftgefhehen. — Er mag überle: 
„gen.. .“ Der Konful ſprach noch Mehreres unverfiänd: 
lich, da er immer auf und ab föritt. 

Einige Tage darauf wurde der Senator F. ... beauf: 
trägt, Moreau Vorfihläge zu einer Annäherung an ben er: 
fien Konful zu machen, ohne ſich indeſſen merken zu laffen, 
daß biefer, die Schritte einleite. Moreau blieb unbemegs 
lich. — „Mein Loos,’ antwortete er denen, die im ihn 
drangen, „iſt den des Ujurpators vorzuziehen; es wird den 
„Grimm der Nationen nit aufreizen, deren Gewicht den 
„Ungluͤckſeligen, früh oder fpät, erdrücen muß.” 
| Als der berühmte Profcribirte nach feinem Verbannungs 
Orte abging, erhielt der zu feiner Begleitung befiimmte Dfe 
fijier von Mürat ausgedehnte Inftruftionen. Er hatte 
Befehl, Moreau unterwegs beyzubringen: fein Urtheil 
fey nit anwiderruflich; er fen bereit, auf feine eigne Ges 
fahr die Beforgung eines Briefs an den Kaifer zu überneb: 
men. — „Ich kenne keinen Kaifer in Frankreich,“ mr 


aus Napoleons Leben. 193 








Moreaus Antwort:- „ih danke Ihnen.” Regnaud 
fage, was er wolle, hätte Moreau nur dem kleinſten Theil 
feiner- Grundſaͤtze aufopfern wollen, er wäre bald eine der 
erften Perfonnagen geworden. 





4. Der General Picegruͤ. 

Mit Pichegruͤ verhielt es fib andere. Obgleich we— 
niger ald Moreau berühmt, und weniger vom Wolf und 
der Armee geliebt, fürdtete ihn Buonaparte mehr als 
diefen, und hatte längft diefem ausgezeichneten Ropaliften 
den Tod gefhworen. Er wuflte, Pichegruͤ fey jeder Zu: 
ruͤckhaltung unfähig; er fuͤrchtete feinen Ungeftüm, feine 
Rebnergaben und feine ſeltne Unerfhrodenheit, die wichti— 
gen Gegeimniffe, die er über den 13. Vendemiaire, 18. 
Fructidor ıc. beſaß, machten ihn ihm noch furdtbarer. — 
Diefe Gebeimniffe fompromittirten den Konful im höhften 
Grabe; ihre Bekanntmachung muffte ihm verderben. Pis 
Segrü war fo unbefonnen gewefen, in England zu fagen: 
wenn er, nad feiner Ruͤckkehr nah Frankreich, 
Gelegenheit fände, Sffentlih zu ſprechen, fo 
wolle er den ®Berräther, der feinem Lande Ges 
feßge gebe, fo entlarven, daß man ihn fleini- 
gen folle. Diefe Reden wurden Buonaparten burd 
zwey feiner berüdtigtften Spione in England, M...... 
un M...... d, mitgetheilt. Diefe beyden Menfhen find 
fehr zu beflagen, wenn fie für, jede Schandthat, die fie be: 
gingen oder veranlaffen, täglich nur ein Gewiſſensbiß quält. 
Nach ſölchen Berihten war es natürlib, dag Buonnavars 
te, ald er feinen Feind in feiner Gewalt ſah, nit anftand, 
ihn aus dem Wege zu fhaffen. Er beforgte fo fehr, ihm zu 
verfeblen, daß feine Verhaftung:Drdre die Worte enthielt: 
wenn er fih widerfegt, fo tödte man ihn. Die 
Wichtigkeit der Geftändniffe, die man von ihm erwartete, 


’ 


" 
‚194. 5 Geheime Nachrichten 


— — —— —— — —— 


vermocten nichts gegen dieſen unmenſchlichen Befehl; haͤtte 
der Beſieger Hollands ben geringſten Widerſtand ge— 


leiſtet, ſo wurde in den Kerkern der Conciergerie fein ſcheuß⸗ 
liches Verbrechen begangen. 

Als Pihegrü, damals noch Subalternoffizier, A 
zu Lyon aufhielt, hatte er mit Mapdemoifelle ®.. 
Bekanntſchaft gemacht Unerwartete Verhältniffe — 
fie; Mademoiſelle B.... hatte ſich verheirathet; allein die⸗ 
ſes Eheband that ihrer Freundſchaft keinen Eintrag; ſie gas 
ben ſich in ihrer geheimen Korreſpondenz davon oft die zärt= 
lichſten Beweiſe. Dieſe Dame war einige Zeit vor Entde— 
dung der Verſchwoͤrung, in die Pichegruͤ verwickelt war, 
nah Paris gefommen; als ihr Freund bereits verhaftet war, 
ſuchte fie bey dem Großrichter um die Erlaubniß, ihn zu be= 
ſuchen, an; fie wurde ihr verweigert. Sie hatte feine Vers 
bindungen in Paris, und wollte, dus irgend einer unbekann⸗ 
ten Urſache, ſich nicht an die Familie Pichegruͤ wenden; 
auf dieſe Art iſolirt, und ganz ohne Protektionen, ließ ſie 
den erſten Konſul um eine Audienz bitten. Sie erhielt Bez 
fehl, fib bey ihm einzufinden. Bey ber erſten Erwähnung 
Pichegruͤ's runzelte der Konful die Stirn, und unters 
brad die Supplifantinn. „Was kann ih für Sie thun, Mas 
„Dame? — Welches Intereffe nehmen Sie an Pide: 
„ri? — Wer find Sie?” — „Ich bin feine Freun: 
„din; ich ſollicitire wicht für ihn; ich bitte nur um die Er— 
„laubniß, ihn zu beſuchen; fie wurde mir allenthalben ver: 
„weigert. — „Ihr Schritt iſt Außerft unbefonnen; er 
„kann traurige Folgen haben. ’— ‚Ib habe fie berechnet.“ 
„— Ihr Freund, Sie wilfen es, ift ein Verſchwoͤrer.“ — 
„Ich weiß nicht, ob er an der Verſchwoͤrung Theil bar, 
„und erbitte mir jene Erlaubniß nicht, um es zu erfah: 
„ren — ,Wie, Sie wilfen nichts von feinen Projek: 
„ten? — „Nicbts, durdaus nichts. Ich erführ feine 
„Ruͤckkeht und feine Verhaftung an einem und bemfelben 


\ 


” 


aus Napoleons Leben. 195 
„Tage.“ — „Was wird Ihnen aber dieſe Zufammen: 
„kunft fruchten?“ — „Ich werde das Vergnügen genießen, 
‚ihn zu fehen, und einen Augenblick feinen Kunimer zu 
„lindern; ih werde ihm rathen, fih dem Uriftänden zu file 
„gen, feinen ungeflümmen Charafter zu mäßigen, und fid 
„mit felbft zu verderben. — „Sie fennen Ihren Freund 
„ſehr genau; und wenn Sie aufrichtig feyn wollen, fo muͤſ— 
„fen Sie mir gefiehen, daß Sie von Ihren Bemühungen, 
„ihn zur Mägigung zu bewegen, J wenigen Erfolg ver— 
„ſprechen? 

Buonaparte ſchwleg einige Augenblicke, dann hieß 
er die Dame niederſitzen, und ging in fein Kabinet. — Er 
blieb einige Zeit dort; dann kam er mit zwey Billets in ber 
Hand, deren eines verfiegelt war, heraus. Er gab nur leife 
den Befehl, dieſes an den Großrichter zu beforgen. Die 
Dame vermutbete ungefähr den Inhalt, und hatte den Muth, 
dem erfien Konful zu fagen: „wenn Sie fih meiner Perjon 
„verſichern wollen, fo ift jeder bießfalfige Schritt überflüffig. 
„Ein Wagen erwartet mich auf dem Garouffelplage ; beftim: 
„men Sie den Drt meines Aufenthalts; ich werde ber Be: 
„‚gleitung, die Sie mir dorthin geben wollen, folgen.” — 
„„Beruhigen Sie fihb, Madame,” war Buonaparte’s 
„‚Antwort: „man wird Ihre Freyheit nicht antaften; ich 
„bitte im Gegentheil den Grofribter, zu Ihren Gunften, 
„eine Ausnahme von ben ihm gegebenen Befehlen ftattfin: 
„den zu faffen. Er wird: Ihnen morgen eine Erlaubniß, 
„Ihren Sreund zu beſuchen, einhaͤndigen; das andre Bil— 
‚tet, das Sie bier ſehen, kann Ihnen, wenn es Ihnen 
„gelingt, ihn zu deffen Unterzeichnung zu bemegen, biefe 
„Gunſt auf fo lange fibern, als Sie Ihrer geniegen wol: 
„ten. Diefe Schrift fompromittirt Ihren Freund auf feine 
„Weiſe; fie enthält nur eine Gerectigfeit, die er mir 
„ſchuldig if; und es wird nur an ihm liegen, daß davon 

‚mie gefprogen werde; fein Schweigen über diefen Punkt 








a 


196 Geheime Nachrichten 


c— 





„wird ſtets der Buͤrge des meinigen * Hoͤren und ent: 
„ſcheiden Sie ſelbſt.“ 


„Ich, Pichegruͤ, erklaͤre, daß der General Buos 
„naparte in ber Affaire vom 13. Veademiaire 4. J. ſich 
„als wackerer Militaͤr und hochherziger Bürger benommen, 
„und daß er nichts Andres gethan ‚hat, als was jeder Andre 
„an ſeiner Stelle gethan haben wuͤrde; daß ferner, wenn 
„ich in Frankreich oder im Auslande uͤber dieſen Gegenſtand 
„anders geſprochen habe, dieſe Aeußerungen nur eine Folge 
„meiner Zwiſtigkeiten mit ihm, und der Verſchiedenheit un— 
„ſrer Meinungen waren; daß nichts mich zu Ablegung dieſes 
„Geſtaͤndniſſes zwingt; daß ich ſolches der Wahrheit und 
„meiner Gewiſſens-Ruhe ſchuldig bin; und daß endlich in 


„Zukunft jede, dieſer Erklaͤrung widerſprechende, Handlung 


„oder Aeußerung als nichtig und als die Wirkung eines neuen 
„Grolles gegen den General zu betrachten iſt.“ Strasburg 
den 15. Nivoſe 5. I. 


Die Supplitantinn war, während, der Vorlefung diefes 
Auffages, erblafft; aus ihren Blicken fprab ihr Mangel an 
Hoffnung, ihren Freund zu deffen Unterzeibnung zu .bewe: 
gen; der Konful muffte es bemerken, hätte er die Dame in 
diefem Augenblid firirt. Sie wuffte fi indeffen zu Sammeln; 


38' 


das Verlangen, zu Pichegruͤ durchzudringen, und ihm 


vielleiht das Leben zu retten, ließ fie augenblicklich bie 
Schwierigkeiten vergeffen, die ſich der Erfüllung von Bu o— 
naparte’s Wünfhen entgegenftellten. — „Ich nehme 
„den Auftrag an,’ ſprach fie zu ihm: „die Freundſchaft 
„wirkt zumeilen Wunder; id werde Alles anwenden, mei: 
„men Zwed zu erreichen.“ — “„Gut; hier iſt das Biller; 


„es verficht fih, daß es keiner Seele zu Geſicht fommen 


— 


„darf; bedenken Sie die Gefahren, denen Sie die kleinſte 


„Sndiferetion über diefen Punkt ausfegen würde. Auf 
„keinen Fall kann mir übrigens der Aufſatz haben; er if 


B 


aus Napoleons Leben. 197 








„wicht von meiner Hand.’ —ı Eine Unwahrheit; er 
batte ihm felbft geſchrieben! | 

Als die Dame fih entfernt hatte, traten verſchiedne 
Derfonen ein. — Man follte billig über den Leichtſinn er: 
ftaunen, mit dem Buonaparte eine fo wichtige Schrift 
von feiner eignen Hand einer Fremden anvertraute; Fonute 
Pichegrü“s Freundinn feinen ſchlimmen Gebrauch davon 
machen? Konnte fie nicht der Angeklagte felbft vor Gericht 
produciren? Welcher Beweis für feine Behauptung, von 
der er den Gerichtshof und das Publifum überzeugen wollte: 
Buonaparte fey ein feiger Ufurpator und ber 
niedrigfte Intriguant! — Wie fehr würde man irs 
sen; der Konful war der Mann nicht, feine Beute fo ent— 
fSlüpfen zu laffen. — Die Dame, deren Adreffe man nicht 
einmal verlangt hatte, wurde beym Eintritt in ihre Woh: 
nung von zwey, fie bergiss erwartenden, Poligey : Agenten 
arretirt. Sie erſuchten fie, mit ihnen in einen bereitftehen: 
den Wagen zu fieigen, wo ſich fhon eine andre Dame befand, 
die der Öefangenen zur Gefellfihaft am Tage und bey Nacht 
beftimmt wurde — — bie Polizey war damals, das muß 
man geſtehen, äußerst höftih und zuvorfommend. Diefe 
Gefellfhafterinn war freylih in der Folge nicht diskret; fie 
erlaubte ſich ſogar Erdichtungen, wahrſcheinlich, um fi -für 
die Zurädhaltung ihrer Geſellſchaft zu rähen. Sie erzählte 
vergebens ber Sreundinn Pihegrä’s eine erfonnene Fabel; 
vergebens. fagte fie ihr: fie fey, gleich ihr, ein Opfer ber 
Berfolgungen des Gouvernementd. Diefe, von Natur et: 
was ungläubig, beſtand immer darauf, im ihr nur eine treu⸗ 
gehorfame Magd der geheimen Polizey zu fehen, und war 
deswegen aͤußerſt auf. ihrer Huth. Indeſſen hatten ſich beyde 
Damen nit zu beflagen; fie waren zwar unter Schloß und 
Riegel, aber nicht in einem Kerfer, fondern in einem Pris 
Bathaufe der Rue Vaugirard, das eines der Mitglieder der 
Beueral:Infpektion zu dieſem Zwecke hergegeben hatte. Die 


* 


— 


198 | Geheime Nachrichten 








beyden, von ihnen bewohnten, Zimmer hatten feine Unan- 
nehmlichkeit, als eine gänzlihe Iſolirung und die Verwah⸗ 
sung der Fenfter mit Eifenftangen. 

Am folgenden Tage famen zwey bedeutende Perfonna= 


gen von ber Konfülar:Ingquifition in zwey Wagen, 


um die beyden Gefangenen abzuholen. Der eine diefer bey: 
den Herren 'ergoß fib in einen Schwall von Entfhuldigungen 
gegen Pichegruͤ's Zreundinn; er bedauerte unendlih, daß 
Verbhältniffe das Gouvernement nöthigten, fie auf einige 
Tage ihrer Frepheit zu berauben ; allein die ihrem Geſchlechte 
gebührende Achtung und ihr weniger Antheil an ber Strenge 
diefer Magregeln würden nicht wenig: beytragen, ihre Ge— 
fangenfbaft erträgliher zu machen. Während diefes Polis 
jey:Organ feine aufgetragene Rolle bey der eigentliden Ge: 
fangenen fpielte, die Fein Wort von Allem glaubte, figurirte 


ihre Gefellfafterinn in einer Art von Drama mit dem ans 


dern Alguazil, der fie abzuholen vorgab. „Was will man 
„mit mir?‘ fragte fie. „Wohin will mar mic ſchleppen? 
„Bas ift mein Verbreden? Will man meinen Tod? Ich 
„wuͤnſche ihn; aber um Gotteswillen, nur feine fangen For: 
„malitaͤten! Ich habe Alles, wad man nur hoffen konnte, 
„geſtanden; ich habe es Allen, die es hören wollten, erklärt, 
‚und id wiederhole ed hier noch einmal; ja, die Bour: 
„bons find mir theuer. Ich werde mit dem heißeſten Ver: 
„langen, fie wieder auf dem Thron ihrer Ahnen zu ſehen, 
„fterben.” Hier floffen ihre Thränen; dann weigerte fie 
ſich, ihrem Führer zu folgen. Er hatte ganz natürlih feine 


Ordre, fie zu fbonen, und fuhr fie mit erfünftelter Härte 


an: „Madame, ich habe Ihnen Peine Rechenſchaft abzulegen, 
„und bin Ihnen ſchlechterdings Peine Details ſchuldig; fol: 
„gen Sie mir ohne Auffehen; fonft fehe ib mich, Gemalt 
„zu gebrauchen, gensthigt; erfparen Sie mir diefes unange: 
„nehme Extrem.” — Gie folgte endlich nab einigen Gri— 
maffen ihrem Begleiter — es war ihr Herr Gemahl. 


4 


\ 


f 


aus Napoleons Leben. 199 





Pihegrä’s Freundinn ſah fie ohne Bedauern weg— 
fahren, ſie hatte ſich keinen Augenblick durch dieſe Komoͤdie 
taͤuſchen laſſen; fo natuͤrlich fie auch geſpielt wurde. Der 
andre Polizeymann wartete die Entfernung des erſten Wa— 
gens ab; er hatte der Gefangenen noch nicht geſagt, wohin 
er fie führen wolle; ‚ie beftagte ihn darum. „Madame,“ 
erwiederte er: „Sie genießen eine Gunft, die viele Andre 
„fruchtlos nachgeſucht haben, ih führe Sie zum General 
„Piche gruͤ.“ — „Der erſte Konful hatte mir diefes als 
„lerdings verforoden, aber nah dem Vorgegarfgenen rede 
„nete ich nicht mehr darauf.” — ‚Wenige Menfben halz 
„ten ihr Wort fo heilig.” — Die Gefangene folgte dem 
heuchleriſchen Berräther nad der Conciergerie; fie wartete 
eine Zeitlang in einem Zimmer, dann holte man fie zu dem 
berühmten Angeklagten ab, *) 


*) Diefe Detalls wurden dem Verfaffer der Memoires, wie er 
erzählt, von Pihegrü’s Freundinn felbft mitgetheilt, die 
er bey Buonaparte’8 Reiſe nah Dijon, in dem Haufe 
feines Schwagers, kennen lernte. Diejer, der ihr ganzes 
Bertrauen befaß, hatte ihr oft über feines Schwagers Anfic: 
ten von dem neuen Kaifer geſprochen. Sie wurden näher bes 
taunt Er bat fieum Mittheilung der nähern Umftände der 
unglüdlihen Geſchichte, in die fie verwidelt gewefen war. 
Sie weigerte fi lange und ftandhaft; fie fürctete, ſich zu 
fompremittiren. Ihr Verdacht beleidigte den Neugierigen ; 
fie bemerfte ed. „Gut,“ erflärte fie ihm: „es liegt nur 
„an Ihnen, daß wir Bepde gerecht gegen einam 
„der feyen. Ihr Schwager hat mir gejagt, Sie 
„baben Bemerkungen über Buonaparte anfges 
„zeichnet; theilen Sie mir einige mit; Ihr Ver 
„ttanen bat das meinige zur Folge.’ — Der Ver— 
faſſer gab ihr einige Notizen aus feiner Schreidtafel; mehr 
bedurfte es nicht, um diefe ganze umſtaͤndliche Erzählung von 
ihr zu erhalten; fie fügte felbft die Details ihrer Zufammens 
Zunft mit ihrem unglüdlichen Freunde hinzu, Dieſer bedurfte 


200 Geheime Nachrichten, ur 





Folgendes iſt die Erzählung der Zuſammenkunft Pis 
hegrä’s mit feiner Freundinn, nach den Noten des Ste: 
nographen und andrer aufgeftellten Späher, die alle Details 
aufzeihnen muffter. Wenn ihr zuweilen die genaue Ber: 
bindung fehlt, die man fonft von einem Napport fordert, fo 


muß der Lefer erwägen. daß jie eine Kr ie von dem ift, was 


durch die Individuen, die Alles durch in den Mauern anges 
brabte Kommunikationen, oder auf andre Art, anhoͤrten, 
aufgezeichnet wurde; in einem ſolchen, beynah mit der 
Schnelle der Worte felbft niedergefhriebenen, Berichte laͤſſt 
fih durchaus nichts Ändern, übrigens hatte der erfte Konfuf 
die firengfte Drdre gegeben, von Allem, was in diefer Zus 
fammentunft gefagt oder gethan würde, kein Wort zu vers 
lieren. 


Diefes find die Worte der Spione. 


„Vor der Ankunft der Dame ging Pihegräjin ſei— 
„mem Gefüngniffe auf und nieder; er fah einige Zeit durd 
„das Eifengitter; dann fegte er fih zum Tifhe, um zu fhreis 
„ben; es lagen weißes Papier und zwey bis drey bejchriebene 
„Blätter daranf. Er fann einige Minuten nah, hierauf 
„begann er zu fhreiben; feine Arbeit ſchien ihm zu gefallen; 
„er las jede Phrafe leife nah. Jetzt raffelten die Schlüffel 
„in der Thür; er ſtand ſchnell auf, rollte feine beſchriebe— 
„nen Blätter zufammen, breitete fie in fein Halstuch, und 
„ſchlang es um. Er war böchft überrafbt, als er hinter 
„den Schließern die Dame erblickte, bie er fogleih erfannte. 
„wie, Madame, Sie hier? Welcher Gott bat Ihnen 
„feine Macht verlichen, um Sie bis zu mir zu führen ?” — 
„Die Dame war, zu heftig ergriffen, ohnmaͤchtig niederges 
ſunken. 


der Verfaſſer nicht; er hatte ſolche nach den Noten des Ste⸗ 


nographen ꝛc. kopirt. Indeſſen war es ihm angenehm, bepde 
Erzählungen übereinftimmend zu finden, 


aus Napolgond Leben, - 201 





„funten. Sie waren allein; man harte die Thür wieder 
„verſchloſſen. Pichegruͤ wollte nach Hülferufen; die Das 
„me erholte ſich, und hielt ihn zuruͤck. Sie ſtuͤrzten ſich in 
„die Arme; die Worte verfagten ihnen. Als jie etwas rubis 
„ger geworden waren, rief die Dame aus; „Endlich fehe ih 
„„Sie wieder!” — „Dies Glaͤck iſt ſo uͤberſchwenglich, 
„„daß es mir beynah ein Traum ſchien. Aber wer, ſagen 
„„Sie mir, wer hat Ihnen die Erlaubniß, mich zu beſuchen, 
„„ausgewirkt, ba fie felbjt meiner Familie verfagt iſt?“ — 
„„Kann man'und nit behorchen?“ — „Ich glaube nicht; 
„„die diden Mauern... . indeffen nähern wir ung der Thür 
„„nicht!“ — „Sie fragen, wer mir die Erlaubniß, hie— 
„„her zu kommen, bewirkt haben fann? — Ich hatte fie 
„„vom Großrichter verlangt; er verweigerte fie mir.” — 
„„Das glaub’ ich gern; feine Befehle find fo fireng; übers 
„„dem iſt er ein feines von ihm gefhmeiwhelten Herrn wuͤrdi⸗ 
„„ger Diener.” — „Ich wuſſte feinen Ausweg; ich wollte 
„„Sie um jeden Preis wiederfehen; und ſo wagte ich es, 
„„den erſten Konſul um eine Audienz zu bitten. Ich er: 
„„hielt ſie; nachdem ich ihm mein Anliegen vorgetragen, 
„„und ibm verſchiedne Fragen beantwortet hatte, gab er mir 
„„die gebetene Erlaubniß.“ — „Unmoͤglich, Madame; 
„„der Elende kennt die Gefühle der Freundſchaft nicht! Da 
„„ſind Verſprechungen, Bedingungen; er iſt dabey interef: 
„„ſirt.“ — ,Spreden Sie leiſer; ich werde Sie von Als 
„„lem unterrichten; aber fagen Sie mir fuͤr's Erſte, wollen 
„„Sie gar nichts thun, um ſich aus der ungluͤcklichen Ges 
„„ſchichte zu ziehen? — „Madame, man ſcreitet im ſei— 
„„nen Meinungen nie ruͤckwaͤrts; bie meinigen find bekanut; 
„„welches Loos auch meiner warte, ich werde mich immer 
„„gegen den liſtigen Charletan erklaͤren, der ſchon zu lange 
„„das Ungluͤck meines Vaterlandes und ganz Europas iſt.“ — 
„„Ich bin nicht gekommen, ihre Anſichten zu beſtreiten; Sie 
„„wiſſen, ic habe mir über ſolche ©egenftände immer Still⸗ 
durey, Yanalen, Ztes Erük, 1815. 14 


002 Geheime Nahrihten 





„„ſchweigen auferlegt; ih komme nur, Sie zu fragen,’ ob 
in, Sie fih nicht entſchließen koͤnnten, einige Schritte bey 
,, „Ihrem Feinde zu thun?“ — ‚Wer, ich?“ — „Sachte, 
„„mein Freund; ich ſchlage Ihnen nichts vor; ich Fenne Ihre 
,„®tundfägel: aber erlauben Sie wenigftens der Freund: 
a, fbaft, wenn fie auch am Gelingen verzweifelt, Ihnen ei— 
„„nige Auswege zu zeigen.” — „Madame, für mid gibt 
„es keine in dem Sinne, in dem Sie ſprechen. Wie — 
—„ich? Um ein Daſeyn, das enden muß, auf einige Tage 
„Ju verlängern, follte id in einer Stunde ein fledenlofes 
„und“ vorwurföfreyes Leben ſchaͤnden; ich follte im Ange: 
„„ſicht der Welt das Mitleiden eines Verräthers anfleben, 
„Zden ich ihr als den gefährlicften und niedrigften aller 
rn Menfben bezeichnet habe? Ich’ glaube, Madam, Sie 
„„waren immer gerecht gegen mich, und haben mid nie ei— 
„„ner ſolchen Unwuͤrdigkeit faͤhig geglaubt. — Meine Liebe 
„„fuͤr mein Vaterland, die Ehre und meine Grundſaͤtze ha⸗ 
zr, ben: zwiſchen mit und Buonaparfen eine eherne 
n,,Sihrante erbaut; eriwill mein Blut; ich verabfheue ihn. 
ne bezweifelt. es nicht; aber Eins weiß er nicht; er muß, 
„„um dies Blut’, nach dem er dürfter, "zu vergießen, mich 
„„durch Henker, wie er, -verurtheilen: laſſen. — Wohnt 
„„in den Richtern, in den Wachen, in den Zuhoͤrern, wohnt 
„„ſelbſt in feinen Satelliten noch ein Funfe von Menſchlich— 
„„keit und Vaterlandsliebe, dann bürge ih für meine Sache, 
„„und feine feste Stunde hat gefhlagen. Hier,’ rief er 

„aus, indem er fein Halstuch -abriß, und die darin ver: 

„borgnen Papiere entfaltete: „hier ift fein Todes:Urtheil. 

„„Hier ift die ganze Maffe feiner feit der Belagerung. von 

„„Toulon bis zu diefem Tage in Ktalien und Frankreich be: 

— „gangenen Schandthaten verzeihnet. Im verfammelten 

„„Gerichte will ich den Mörder entlarven; ich werde meine 

„„Beredſamkeit verdreyfachen; dann werden aus ihren Grä- 

„„bern Erotte, Hoche, d'Enghien und Kleber 


aus Napoleons Leben. 203 








„„erſtehen: jenen ließ er unter dem Vorwand einer Zuſam⸗ 
„„menkunft erwuͤrgen; den zweyten vergiften; den dritten 
„„meuchelmorden, und ben legten an einem Dolcftoße fter: 
„„ben. Zu diefen vier großen Schlachtopfern werden fid 
„„die unglüdligen zu Lodi, zu Pavia, zu Bene: 
„„dig und in den Marten erfhoffenen Einwoh: 
„mer gefellen; in ihr Sterbegeheul wird fi das Win: 
„„ſeln der auf den Stufen von Saint:Rod nie 
„„dergeſchmetterten Franzofen milden. Ich wer: 
„„de die Zuhörer in die zahllofen Gefängniffe und 
„„Kerker der Hauptftadt und des Koͤnigreichs führen; 
„„wird man ohne Schaudern und ‚ohne für ſich felbft zu zit: 
unten, bie Scharen von Unſchuldigen erbliden, 
„„die das Ungeheuer dort aufſchichten läft? — Wein, 
„Madame, folde Wahrheiten reißen die Menge hin, und, 
„„wer fie mit Feuer vorzutragen weiß, ift immer bes Tri: 
ah gewiß.” — „Glauben Ste, man werde Sie fpre: 
„„chen taffen? Buonaparte follte Ihren Plan nit vor: 
„„ausgeſehen, und die nöchigen Befehle gegeben haben 2’ — 
„„Er kennt mein Projekt nibt; man hat mir acht Bogen 
„„Pabier gegeben, die ich freylich, beſchrieben oder unbe: 
„„ſchrieben, immer vorzeigen muß, aber ib habe mir an: 
„„dres zu verfhaffen gewuſſt.“ — Fuͤrchten Sie nicht, 
„„bdaß man Sie darchſuche; daß man Ihre Effekten viſitire?“ 
„— Man bat diefe Unterfuhung ſchon vorgenommen; in 
„„edem Falle foll man mir eher das Leben, als dieſe Schrift 
entreißen.“ — „Aber wenn es, che es bis auf das 
„„MAeußerſte kommt, Mittel gäbe’ ..... „Der General 
‚stand ſchnell auf, und ergriff die Hand feiner Freundinn: 
„„Sie zaudern umfonft, meine theure Freundinn; Gie has 
„„ben mir etwas mitzurheilen; man hat Sie nicht ohne Be: 
„dingungen zu mir gelaffen; man läfft uns ohme Zeugen; 
„„die Thür wurde, um uns nicht zu geniren, wieder ge: 
„„ſchloſſen; das ift mehr, als es zu. meiner Weberzeugung 


204 Geheime Nachrichten 








„„bedarf, daß Sie mir etwas zu fagen haben. Verbergen 
„„Sie wir, darum bitte ih, verbergen Sie mir nichts; 
„„Ihr Auftrag fey, welcher er wolle, id fordre Sie auf, 
„„ihn zu erfüllen.” — „Ja, mein Freund, weil ih es 
„„denn geftehen foll, ich habe-Ihnen etwas einzuhändigen; 
„„aber ſchwoͤren Sie mir bey Ihrer Ehre, daß Sie mich ru: 
„„hig anhören; daß Sie mich nicht unterbreden; daß Sie 

„„das Billet, das ih Ihnen geben werde, durchleſen, und 
„„es mir dann unterzeichnet oder ohne Unterſchrift zurüdge: 
„ben wollen.” — „Ich ſchwoͤre Ihnen auf meine Ehre 
„„Alles zu, was Sie verlangen, da Sie mir die. Freybeit 
* — zu unterzeichnen oder meine Unterſchrift zu verwei⸗ 
ungern.’ — Mein Freund, ih bin felbft Staatsgefan: 
„„gene; ich muſſte es erwarten, indem ic die Erlaubniß, 
„„Sie zu befuchen, verlangte; diefes Kleine Unglück wird aber 
„„durch den fügen Genuß diefer Stunde weit überwogen. 
„„Ich habe diefe ausgezeichnete Begünftigung einzig uur une 
„„ter der Bedingung erhalten, Ihnen dies Billet einzuhäns 
„„digen, und Sie zu deffen Unterzeihnung zu bewegen. ' 
un Man rechnet ftarf auf meine Bemühungen bey Ihnen, 
mund auf unfre alte Freundſchaft. Ich verfprab Alles; 
jr aber mein würdiger Freund, ich beſchraͤnkte mich darauf, 
„„Ihnen diefen Auffaß zu übergeben, une füge kein Wort 
„„fuͤr ober wider hinzu; folgen Sie meinem Beyſpiele; 
„„Sie haben es mir. gefhworen.” — Pichegrü ergriff 
„das Billet, lief ed mit einen verachtenden Laͤcheln durch, 
„und gab es dann feiner Freundinn zurücd, indem er ausrief: 
sm Madame, weldes Beleg zu meinem Memoire; es ift 
„„ſeine Schrift; es wäre ein Todesftreih! Doc die Freund: 
„„ſchaft verbeut mir, es zu behalten; ich würde Sie in's 
„„Verderben ſtuͤrzen!“ — „Und fib mit, mein Freund; 
„„denn man würde zum Aeußerſten greifen, um Ihren ein 
„„ſo wichtiges Aktenſtuͤck zu entreißen.” — „Dh, der 
„„Feige; er bat mich nach fih beurtheilti” — „Ihr 


aus Napoleons Leben. - 205 





„„Schwur, mein reund!... Ich brede den meinigen 
„„nicht.“ — „Sie haben Redt; und Sie, meine Freuns‘ 
„„dinn, um meinetwillen auch Ihrer Frepheit beraubt!” — 
„„Dieſes neue Ungluͤck. ..“ — „Welches Ungluͤck? Ich 
„„vbin Ihnen hundert Stunden näher; rechnen Sie dies für 
„„mnichts?“ „Edles Weib! Sagen Sie mir, mie werden 
„„Sie ihm ſein Billet zuruͤckgeben?“ — ‚Niemand, als 
„„er felbit, wird es von mir erhalten; feine Befehle feyen 
„„alſo, , welde fie wollen, fo werde ich immer Gelegenheit 
„„haben, ihn felbft zu ſprechen; vielleicht erwirke ich etwas; 
„„die Umftände werden mich begeiſtern.“ — „Sie haben 
„„Recht; Ehre, Much und Hoffnung follen mein 
„„Wahlſoruch ſeyn.“ — ‚Mein tbeurer Freund rich vers 
„„laſſe Sie.” — Thränen glänzten in feinen Augen. Sie 
„klopften an der Thür, man öffnete; fie ſchieden.“ 


Der Wahrheit getreu, D. B. V. 


Derfeibe Infpekteur, der Pihbegrü’s Freundinn 
nad der Conciergerie geführt hatte, brachte fie nad ihrem 
Gefängniffe in der Rue Vaugirard zurüd. Dort wartete 
ihrer eine Scene andrer Öattung; fie fand ihre angebliche 
Unglüdsgefährtinn. „Madame,“ jammerte diefe: „wie 
„ſehr beflage ih Sie, wenn man Sie, wie mich, gemartert 
„hat! Die Graufamen! Ib habe ihnen Alles, was fte 
„verlangten, gefianden; ihre Unmenſchlichkeit ift noch nicht 
„befriedigt; fie wollen, ih fol Männer von Ehre, die ich 
„mar als treue Diener des Könige fenne, Pfompromittiren; 
„aber nein, Madame, ih ziehe den Tod der Schande vor. 
„Sie betlagen mich nit, das fehe ih; Sie haben einen 
„Werdacht gegen mi , den die abſcheulichen Kunſtgriffe, de: 
„‚ren fi das heutige Gouvernement bedient, um eine Menge 
„rechtliber Perfonen zu verderben, vielleiht rechtfertigen. 
„Sie find gegen mich nit gerecht, und rauben mir das füße 


J 


206 Geheime Nachrichten | 
—— mm — — — — — — — 
„Vergnuͤgen, meinen Kummer in den Buſen einer wahren 
„Freundinn zu ergießen, um mich von ihr getroͤſtet zu ſe— 
„hen.“ — Pichegruͤs Freundinn, der dieſes Poſſen— 
ſpiel laͤſtig zu werden anfing, antwortete ihr trocken: „mein 
„Kummer, Madame, iſt nicht mittheilbar; den Ihrigen fu: 
„che ich nicht zu ergruͤnden;“ dann entfernte fie ſich in das 
ihr angewiefene Zimmer. — Wahrſcheinlich ſchrieb die ge: 
fährlibe Schaufpielerinn an ihre Chefs: fie fey au ihrem Pos 
ſten unnüg; denn am andern Tage holte man fie, unter dem 
Vorwand, fie in ein andres Gefängniß zu bringen, ab. 
Diefe Anekdote ift eine koͤſtliche Lehre für die Werfonen, die 
ihr Schickſal in Staatsgefängniffe führt; fie beweist ihnen, 
wie Ponfeqguent man dort in feinen Verbindungen, und wie 
zuruͤckhaltend man in feinen Mittheilungen feyn müffe. 


- , Anm Tage nad der Zuſammenkunft mit Pihegrü ka⸗ 
men ©. und D., die Dame im Wagen abzuholen, und bradıs 
ten fie nad Saint:Cloud. Sie wurde zu dem erfien Konful 
in fein Kabinett geführt. 2 | 


Kaum war fie/ringetreten, fo fragte fie Buonaparte 
mit einem fardonifhen Läheln: „Nun, Madame, bat Sie 
„Ihr Sreund durch einige Gefülligkeiten für den Verluſt Ib: 
„rer Freyheit entfbädigt? — Hat die Freundſchaft Wun: 
„der gewirkt?“ — Es herrſchte in diefen beyden Fragen 
ein giftiger Hohn und eine fhneidende Verachtung, die die 
arıne Dame ganz außer Faffung brachten. 


„Wie,“ fuhr Buonaparte fort, „Sie antworten 
„nicht? Ich fehe fhon, Sie bringen Feine gute Nachrichten; 
„beruhigen Sie ſich; Ihr Freund rhat mir nie etwas zu Ge: 
„fallen; es ift wahrlich ein Ungluͤck für ihn, — Was hat 
„er Ihnen gefagt? Verſchweigen Sie mir nichts; ich bin ar 
„feine Lobſpruͤche gewöhnt,” — Statt aller Untworr gab 
fie ihm fein Billet zuruͤck. Er nahm fi die Mühe nicht, es 


‚aus Napoleong Leben. 207 





zu Öffnen, und warf es auf. fein Buͤreau. — Jetzt vergaß 
er, was er feinem Range, und die Achtung, bie er dem Uns. 
glück ſchuldig war, und. fuhr fort, Pihegrä’s Freundinn 
auf das Unmürbdigfie zu höhnen. „Wenn Gie: in Ihrer Aus 
„gend,“ foöttelte er: „nicht mehr Gewalt über das Herz 
„Ihres Freundes hatten, fo zmweifle ih, ob er den Kummer 
„verdiene, den er Ahnen verurfaht; es gibt wahrhaftig 
„Menfhen, bie ganz unbegreiflih undankbar find. — Doc 
„ih vergaß, Sie zu fragen, haben Sie meine, oder viel: 
„mehr feine und Ihre Sache gut verfochten? — Aber wie, 
„Sie find verfeinert; follte Sie diefer Menfh ungeftüne 
„behandelt baben? — Vielleicht find Sie ein andres Mal 
„gluͤcklicher.“ — Damit beurlaubte er fie. — Durd die 
Ironie des Konfuls tief verwundet, feufjte das arme Meib 
nur nad dem Augenblicke, wo fie ohne Zeugen ihren Thraͤ⸗ 
nen freyen Lauf laffen koͤnnte. Miemand folgte ihr; fie 
glaubte ih ſchon frey; allein bald verfhwand diefe Hoffnung; 
kaum war jie in dem erfien Hofe, fo bot ihr elender Begleis 
ter ihr mit einem gleißnerifh fügen Tone den Arm; fein Ans 
blick machte auf fie einen fo ſchmerzlichen Eindruck, daß fie eis 
nen Schredenslaut nicht zu unterdrüden vermodbte. Der 
Heuchler fuchte fie zu beruhigen; fie kehrte fih veraͤchtlich von 
ihm weg. Im Wagen überließ fie fih ganz ihrem Schmerz; 
ihre Thränen floffen in Strömen. — Ein neuer Gedanke 
vermehrte ihre Beforgniffe: “wohin führte man fie nun? Was 
wollte man mit ihr beginnen? Als man aber bey der Anz 
kunft in Paris den Weg nach den Boulevards einſchlug, und 
nad der Rue Vaugirard fuhr, wurde fie etwas ruhiger: 
In ihrem Gefängniffe fand fie eine nee Erfheinung; eine 
Jungfer von ungefähr dreißig Jahren war zu ihrer Bedie⸗ 
nung befiimmt, Diefe Perfon war gut, fanft und einfach; 
während der fieben und vierzig Tage, die hindurd 
Pihegrü’s Freundin in diefem Haufe zubrachte, war fie 
immer mit ihr ſehr zufrieden; fie ift noch zu Puy-en-Velay 


208 | Geheime Nachrichten ‘ 





ihre Kammerjungfer; als diefe Dame das Gefaͤngniß la 
Force, wo-fie:dreyzehn Monate lang, unter einem 
fremden Namen, verhaftet blieb, verließ, nahm fie dag: 
Mädchen mir ſich. on 


J 


Am Abend der Zuſammenkunft Pichegruͤ 8 mit feiner 

Freundinn hatte Buonaparte bereits die verlangten De: 
taild ihrer Unterredung; erhalten; . fein Adjutant überlieferte 
ihm eine Abſchrift, in der man alle beleidigenden Ausdruͤcke, 
- deren eb Pichegruͤ bediente, gemildert hatte. Der Kon: 
ſul bemerkte es, weil das Papier rein, die Phrafen geord— 
net-und ohne Abkürzungen waren, „Das ift nicht,‘ fagte 
er zu dem Adjutanten, „das Driginal; es ifi nicht die Note 
„des Stenographen; gehen Sie gleich wieder. zum Großrids 
„ter, und fagen Sie ihm, ich wolle das Driginal und nicht 
„feine Arbeit.“ — Nach einer halben Stunde kam der Ad⸗ 
jhtant mit der verlangten Note zuruͤck. Der Konful war mit 
Muͤrat eingefhloffen; er hatte mir Drdre gegeben, ihm 
bas Paket, fo wie es der Adjutant bringen würde, fogleich 
zuuftellen; er theilte es Muͤr at nicht gleih mit. — Am 
andern Tage wurde geheimes Conſeil gehalten, den nur brey 
Merfonen, C., M. und M,, bevwohnten. Es wurde darin 
befhloffen, Pichegruͤ nicht vor Gericht zu fiellen, indem 
feine Kühnheit, feine Beredſamkeit und feine feltene Unerz 
fhrodenheit ven erften Konful und die Sicherheit des Staats 
fompromittiren koͤnnten; es ſey daher dringend, das Uebel 
von der Wurzel aus zu vertilgen. Pichegruͤ wurde ein— 
ſtimmig verurtheilt, im Kerker zu ſterben; die Todes— 
Art ſetzte die Mörder in einige Verlegenheit. Buonas 
parte zerhieb den Knoten, indem er erklärte: „Meine 
„Kern, es genügt mir Ihre Entſcheidung, daß diefer Vers 
„ſchwoͤrer, zum Beſten des Staats, nicht oͤffentlich durch die 
„Hand bes Henkers fierben fol. Ich werde auf Mittel dene 
„ten, ſich feiner Insgeheim und ohne Auffehen zu entledis 


# 


- 
\ 


aus Napoleons Leben, 209 








„zen — ©. und M. bemerkten: man muͤſſe die Sache 
moͤglichſt ſchnell beendigen; denn von einem ſolchen Manne 
ſey Alles zu fürchten; der Legtere befonders beftand darauf, 
die Anftalten fo einzurichten, daß das Publitum überzeugt 
werden möge, Pihegrü habe fi felbft entleibt. „Noch 
„mehr,“ fiel Buonaparte ein: „ih will, daß ein Ver: 
„balprozeß den Selbfimorb Ponftatire, und daß ganz Paris 
‚ihn unverzüglih erfahre,” 


Am andern Tage berieth fih der Konfal mit ©. und M. 
über die Mittel, den geftrigen Plan auszuführen. ©. flug 
vor, vier Geusdarmen auszuwählen, und fie reichlich 
zu bezahlen; um Mitternacht verfüge man fi dann nach Piz. 
hegru’s Gefaͤngniß, und führe ihn, unter bem Vorwand, 
ihn in ein andres Lokal zu bringen, in die ifolirteften Gänge; 
dert fließen ibn die. Gensdarmen mit. einem Mal nieder., 
Dann trüge man ihn im fein Gefängniß, und ließ sinen mit 
feinem Blut gefärbten Dolch neben ihm liegen, um feinen 
Selbfimord ſcheinbar zu machen. M.... verwarf diefe Mei: 
nung lebhaft, er verfiberte: daß nie eim Gensdarme fih zu 
diefer Erefution hergeben würde. — ©. führte dagegen. 
Enghiens Hinridtung an. — „Das wan ein Andres,’ 
verfegte M.... „Dieſe Hinrihtung war eine militärifhe 
„Exekution nach geforodenem Urtheile; fie wurde en Peloton 
„durch einen Dffizier fommandirt. Ein ſchleichendes Gift 
„ſcheint mir zweckmaͤßiger.“ Der Konful hatte ihnen ſchon 
lange nicht mehr zugehoͤrt; er ging nachdenfend auf und nie> 
ber; dann Bam er wjeber zu ihnen und ſprach; „Suchen Gie 
„wicht länger; Pichegruͤ wird diefe Nacht erdroffelt, bie 
„Leute zur Eretution habe ih ſchon auserfehen. Ich wette, 
„Keiner von Ihnen erräth fie.” — Bie geflanden: fie 
wäfften nicht, wen fie auswählen ſollten. — „Ic fihide 
„ihm vier Mamelufen,‘ fiel’ er ein: „ich habe gerade mehs 
„rere, die feine Splbe franzöfifh ſprechen; übrigens werde 


W 


210 Geheime Nachrichten 
— —— —— e — — 


„ich ihnen ſchon den Mund ſchließen.“ — Die zwey elen⸗ 
den Schmeichler zollten der ch ae Graufamteit bes 
Konfuls ihren Beyfall. | 


In derſelben Nast um ein Uhr wurden vier robufte 
Mamelufen, mit vier Satelliten der hohen Polizey an ihrer 
Spitze, Außerft geheim in das Innere der Conciergerie ge: 
führt; man hatte von dem Drt der gräßliden Exekution Al: 





les, was den Lärm hätte hören und hinzueilen können, forgs 


fältig entfernt. Die Meudelmörder en chef hatten die Aug: 
gänge befegt, und harrten des Erfolge, | 


Kaum wurbe die Thür von Pihegrä’s Kerker ge— 
Öffnet, fo ſtuͤrzten die vier halbberauſchten Mamelufen über 


„ben Unglüdlihen her. Er war beym Raffeln der Riegel 


aufgefprungen; er fhlief in Unterhofen; um feinen linfen 
Schenkel hatte er das, feine Foftbaren Papiere enthaltende, 
Halstuch gewickelt. Obgleich burch feine Mörder überfallen, 
mwälzte er fih mit ihnen verfhlungen am Boden umher; ee 
gelang ihnen nur mit ber äußerften Mühe, ihm den Knoten 
um den Hals zu ſchlingen; der Ungluͤckliche ſchrie kaum ein: 


"oder zweymal auf, fo hatten ihn feine Henker fhon erwuͤrgt. 


— Jetzt erfibienen die Chefs; ale fie ſich überzeugt hatten, 
bag er verfhieden war, warfen fie den Leichnam auf bag 
Bette, bemaͤchtigten fi) des, die Papiere enthaltenden, 
Halstuchs, und durchſuchten Alles genau, Endlich wanden 
ſie daſſelbe Halstuch in eine Art Strick, ſchlangen es dem 
Leichnam um den Hals, und drehten es mit Macht, vermit: 
telft eines Stuhlbeing, zufammen, ale habe fi der Gemor: ' 
dete felbft erdroffelt. — An andern Tage erſchrak der Thür: 
fhlieger, der nicht in das Geheimniß eingeweiht war, hef: 
tig, als er den General erwuͤrgt auf feinem Bette erblidte. 
Er benachrichtigte eilig den Goncierge von dem Vorfall. 
Diefer ftellte fih hoͤchſt erſtaunt, und meldete die Sache Leu: 
ten, die fie fo gut, ald er, wuſſten. Das Ereigniß wurde 


aus Napoleons Leben. : | 211 





durch einen Werbalprozeß, den man vorher in geheimer Kon: 
ferenz entworfen hatte, konftatirt, und an demfelben Tage 
lad ganz Paris in den Journalen: der General Piche— 
grühabe ſich in feinem Kerker vermittelft feines 
zufammengetnebelten Halstuchs erdroſſelt.“ — 
So ſtarb der Beſieger Hollands! — Vier elende Afrikaner 
kuͤrzten das Leben eines Mannes ab, deſſen Muth und Ge: 
nie Sranfreich und feinem Könige würdig dienen fonnten. — 
Hr.von ®.... behauptet, die vier Mameluken feyen in der 
folgenden Naht in der Ebene von Grenelle erfhoffen wors 
den. Allerdings erklärte ein Lieutenant ber Kompagnie: es 
fehlten ihm feit abt Tagen fieben Mann; mehr 
wuffte er nit; jede weitere Nachforfhung wäre aͤußerſt un⸗ 
beſonnen geweſen. 


Als Buonaparte ſich ſeines gefaͤhrlichen Feindes ent⸗ 
ledigt hatte, ſchien er viel ruhiger; er konnte aber ſeinen 
Grimm gegen die Verfaſſer des Verbalprozeſſes nicht be— 
meiſtern. — „Ihre Agenten,“ äußerte er gegen D....... 
„muͤſſen die ſtupideſten und unwiſſendſten Menſchen ſeyn; 
„die Art wie fie den Selbſtmord erzählen, beweist feine 
„Unmöglichkeit. Wie mag man der Welt glauben machen 
„wollen, ein Menſch könne fih felbft ein Halstuh um ben 
„Hals tnebeln, und fi fo erdroffeln? Sobald der Knebel’ 
„die Keble zufammenfhnürt, entgeht, das ift bewiefen und 
„außer Zweifel, dem Menſchen die Kraft, das Erdroſſeln 
‚za vollenden. *) — War es nicht einfacher, bekannt zu 





Der befannte romiſche Held des Theatre des Varietes, 
Brünet, erlaubte fi einige Zeit nah Pihegrü’s Ers' 
mordung, die für ganz Paris Fein Geheimniß war, in der 
Pofle: Le desespoir de Jocrisse, einen Einfall, der ihm eine 
dreuwöchentlibe Gefängnißftrafe und einen derben Verweis 
einbradte, Nachdem Joorisse verfchiedne Todes: Arten vers 
fucht hat, um jeinem erbarmlichen Leben ein Ende zu mas 


2312 Der König von Polen 





„maden, er habe ji in feinem Gefängniffe erhenkt? — 
„Hat diefer plumpe Mißgriff böfen Willen zum Grunde, 
„dann werbe ich ed, das verfihese ich Sie, erfahren.“ | 


So entledigte ſich —— der drey Haupthins 
berniffe feiner ehrgeizigen Plane auf Frankreichs Krone; 
nah Enghbiens Ermordung, Moreaus Verban: 
nung in die neue-Welt und Pichegruͤ's Erwär: 
gung fland feinen Riefenprojeften nichts mehr im Wege. 





chen, knebelt er fein Halstuch mit einem Stuplbeine zuſam⸗ 
men, und bemuͤht ſich, auf dieſe Art ſich a la Pichegru zu 
erdroſſeln. Er überzeugt ſich von der Unmoͤglichkeit des Ex⸗ 
periments, und ruft jammernd aus: Non, non, cela n’est 
par possible! On.ne s’etrangle pas avec sa cravatte! 





— 


IV. 
Der König von Polen 


und 


bie ſchweizeriſche ENGER DATE im Jahr 1772. 





Es find das nachſtehende Schreiben des Koͤnigs Sta⸗ 
nislaus, der die Verwendung und Dazwiſchenkunft der 
Schweizer zu Abwendung der erſten Theilung ſeines Koͤ— 
nigreichs anrief, und die Antwort der Eidgenoſſen bis— 
her noch nicht oͤffentlich bekannt geweſen, und ſie verdienen 
demnach hier als Vervollſtaͤndigung des diplomatiſchen 
Coder der folgenreichen Begebenheiten eine kleine Stelle. 





und bie ſchweizeriſche Eidgenoffenfhaft im 3. 1772. 213 

nn 
! I. 

Stanislaus Augustus, Dei gratia Rex Polonie, magnus 

Dux Lithuanie, Russie, Prussie, Masovis, Samogitie, Kyo- 





vie», Volhynie, Podoli@, Podlachie, Mivonie, Smolenskie, 
Severi®, Czernikovizque. 


Celsis et Prapotentibus Dominis Federatis Reipublice 
Helvetiorum Cantonibus Amieis nostris multum caris salutem. 


Celsi et prepotentes Domini, Amici nostri multum cari. 


Quantus sit Rerum politicarum Europæ nexus, quamque 
gentis unius prospera ve) adversa fortuna in alias derivetur, 
non est cur hic ob eculos celsitudinum vestrarum ponamus. 
At possumus ne vel exinde conjicere, quin celsitudines vestra 
luctuosam ad præsens sortem hujus Reipublica sterili duntaxat 
dolore prosequantur, non autem ad ferendam ei quam primum 
opem, se etiam atque etiam semtiant commoveri? Pervolavit 
jam universam Europam fama periculi, in quo Respublica 
hæc versatur. Non latet celsitudines vestras procul dubio, 
quod Aule, Viennensis, Petropolitan® et Berolinensis, inito 
nuper secum consilio, nulla previa Juris sui pretensi denun- 
tiatione, nullisque ad litem si que subesset dirimendam, ex 
prescripto mutuæ pactionis, adhibitis Arbitris, nobilissimas 
Br, provincias armis OO0mparint;, distraxerint et eripuerint. 


De nostra quidem hio re agitur, sed que ad universi Or- 
bis tranquillitatem, omniumque Provinciarum securitatem at- 
tinet. Opprimimur enim vero a vicinis Aulis contra solemnia 
Olivie, Velavie, Mohuæ, Varsovie inita federa, contra per 
plures earundem Aularum de servandis in integro finibi# no- 
stris declarationes. Si ad hano nobiscum agendi rationem . 
sufficiat, quod retundend® armis fortiorum potentis impares 
simus, qu® tandem sors manet cætera Regna, -Respublicas 
et Provincias, nemo est qui vel exinde non videat! Sunt Cel- 


214 Der König von Polen 








situdinibus vestris pre oculis, prout nulli dubitamus, Deula- 
rationes memoratarum Aularum ministerio nostro et.Reipubli- 
coæ mense.nuper elapso porrect, nostrumque ad &as ex Sena- 
tus Consulto Responsum.. Detraheret mirum in modum vertræ 
aapientiæ et æquitati quisquis dubitaret, quin vel mature re- 
lectis iis duntaxat Causam nostram et Reipublice probetis. 
Restat, ut eadem Cordi vobis sit, feratis opem Oppressis, 
interpositione officiorum in Aulis Viennensi, Petropolitan® et 
Berolinensi, ut ablata nobis ex æquo restituant, et perinde 
fixis in juribus, et legitimis possessionibus relinguamur, Hoc 
est, quod a vobis preter congruum inter Nos et Rempublicam 
vestram necessitudinem, indissolubilemque negotiorum politi- 
corum Turopæ nexum cum officia Christianorum, tum ipsa Hu- 
_ manitalis ratio deposcit. 


Hoc: est, quod Nos etiam, et Reipublica * immortali 
memoria recolemus. De cetero supremum Numen precamur, 
ut Celsitudines vestras omni solatiorum — oumulatas, .in- 
eolumesque servet. rn 


— Varsovie Die XXVII. Mensis Octobris Anno 
Domini MDCCLXXII. Regni vero nostri IX. Anno, 


J Cellitudinum Verirarum 
Bonus Amicus 


Stanislaus Augustus Rex. 
" Modziciusti, 
* 





e} 


Serenissime ac Potentissime Rex, Domine Clementissime, 
Cum ante communi fama allatum ad Nos est de tristi for- 
tuna Poloniz, tum vero multo magis in quanto et quam lu- 
etuosa rerum omnium perlurbatione varietateque durissimo- 


und bie ſchweizeriſche Eibgenoffenfhaft im 3. 1772. 215 





rum temporum Regnum vestrum Resque Publica Polonorum 
et adhuc versata esset, et cum maxime jactaretur, intellexi- 
mus ex litteris a Regia Majestate vestra ad nos haud ita pri- 
dem benevolentissime datis, quæ simul non obscuram ejus vo- 
kuintatis vestre significationem habebant, ut et nos ad levan- 
dam tristissimorum casuum acerbitatem ac molestiam interpo- 
sitis officiis nostris ac studiis operam conferremns. Ac sane 
illee littere, ut humanissime honorificentissimeque script® ita 
maximarum calamitatum nunliz, effecerunt, nos ut, pro sum- 
ma nosira erga Regiam Majestatum Vestram observantia ao 
eultu, graviter ao magnopere doleremus, animorumque no- 
strorum uberrimum‘ Tecum, Rex Augustissime, moerorem et 
sgrimoniam partirentur. 


Ceterum cum et ad nostrarum Civitatum rationem, et ad 
Majorum nostrorum morem institütumque aliquod, quod qui- 
dem constantissime illi semper tenuerunt, ut et secum habila- 
rent, nec magnarum remolarumque tempestatum alienis Aucti- 
bus sese committerent, respiceremus, in eam senientiam ad- 
ducti sumus, ut statueremus, nos ab eo Instituto Majorum, 
quod esset sanctissimum, reoedere inprzsentiarum neo debe- 
re, nec per Rerum Publicarum nostrarum conditionem ao sta- 
tum, si vel maxime velimus, ullo modo posse: ut adeo ami- 
eitie Sincere summzque observantie erga Rem Publicam Po- 
lonorum afflictam studio officioque nostro satisfacere nunc, 
nisi Ejus vicem vere et ex animo dolendo merendoque plane 
nequeamus. Quod cum facimus, tum ab ipso imanortali Deo 
precibus omnibus atque votis petimus, ut is res Polönie nimis 
jam diu misere perturbatas, vexatas ac labefactatas Providen- 
tia sua erigat, stabiliat, ac Justentet, omninoque omnia ad 
eum’‘tandem exitum perducat, qui et ad Regie Majestatis 
Vestræ securitatem ac quietem, et ad publicum omnium salu- 


tem atque incolumitatem’ maxime pertineat, Denique sic ve: 


216 Der Koͤnig v. Polen u. d. ſchweiz. Eidgen. im 9.1772. 


limus sibi persuadeat Regia Majestas Vestra habeatque cer- 
tissimum, omnia et studia et. ofhcia. summ» erga Ipsam obser- 
vantia, maximis altissimisque virtufibus debite, ila Ipsi ano- 
bis promta esse ac parata, ut gratissimum simus habituri, 5 
si nobis occasionem aliquam, quæ quidem nostre sit faoulia- 
tis, fortuna obtulerit, per quam nostra erga Regiam Vestram 
Majestatem voluntas eximia et animus devotus perspici liquido 
possit. In qua sincera observantissimi animi adseveratione 
. desinimus ex animo voventes, ut, mox redeunte solide ‚pacis, 
‚concordis atque otii tranquillitate ea, qus sua .dulcedine et 
hilaritate omnem hujus iristitiam temporis,soletur ao penitus 
tollat, Vitam Regia Majestas Vestra omni felicitate cumula- 
tam agere, leteque ac felici Reipublic® praesse diutissime 
possit. . 


Datz et communi nostro Nomine sigillo — 
nobis Ciyitatis Tigurine munite, so Die Mensis Januarii 
1779. 2 | 
| Regie Majestatis Vestr® 


observantissimi ac deditissimi 
Consules, Sculteti, Landammanni ao Senatores 
Cantonum Helvetiæ confvderatorum. 


217 





V. 
Ueber das 


Verhaͤltniß des deutichen Adeld zu feinen 
Mitſtaͤnden 
in Bezug auf die Verfaſſung. 





— | 
Einleitung. 

Db und wie die Verfaffung, welche Deutfhland von 
ben Verhandlungen bes Wiener Kongreffes erwartet, über 
das fünftige Loos des Adels entfheiden wird, ift eine Frage, 
welche mit den Verhältniffen aller andern Klaffen und der ein: 
zelnen Staaten felbft in einem fo engen Zufammenbhange 
fteht, daß die Erwartung jenes Ausſpruches eine wahre Nas 
tional-Angelegenheit geworden. 

Bis zu diefer Epode ift die Sache für und gegen den 
Adel .größtentheild nur von den zunaͤchſt betheiligten Par: 
teyen geführt worden, fo baß feine Freunde gegen neue, feis 
ne Gegner gegen alte Anmaßungen ſich fdügen zu müffen ges 
glaubt haben. 

Ueber diefen Streit ift nun ſchon eine ganze Generation 
faR alt geworben, ohne. daß er zu Ende gefommen wäre, 
Er Ponnte nit zu Ende fommen, theils weil bey allem ih— 
rem Dinkel feine Zeit fi felbft, und wag fie eigentlih will, 
weniger verfianden hat, als die umfrige, daher es ihr auch 
durchaus nit und in Peiner Sache gelungen ift, weder dag 
Alte ganz auszulöfhen, noch ein Neues ftatt deffen hervor: 
zubringen, theild (und hierin liegt eigentlih der Grund des 
eben Gefagten) weil fie durchaus in jeder Sache nur die naͤch— 
fien, ihrer Natur nach auch vorübergehenden, Intereffen zu 

Europ. Annalen, gres Stuͤck. 1815, 15 


218 Ueber d. Verh. d. deutſchen Adels zu ſeinen Mitſtaͤnden 





Rathe gezogen, und jede a zum Gefgäfte der 
Darteyen geftemvelt hat. 

Es iſt wirklich fonderbar, und nur aus dieſem einfeiti- 
gen Anhängen an wandelbare Intereffen, welde mit dem 
Blicke auf das Allgemeine gar nichts gemein haben, zu er= 
Plären, wie fehr in der Streitſache des Adels in einer Reihe 
von wenigen Jahren die Gefihtspunfte und die Gegner ge- 
wechfelt haben. 

Als die franzöifhen Revolution: Männer den Schwins 
del einer betrüglihen Srepheit durd Europa trugen, um ge: 
taͤuſchte Völker defto leichter im Taumel überfallen zu koͤnnen, 
glaubte der fogenannte ‘dritte Stand in dem Adel nur einen 
- Ufurpatör unerträgliher Privilegien, und ein Werkzeug der 
Unterdrückung zu erkennen; wer Adel hinwieder ſah in dem 
lodernden Aufftreben diefes Standes nur den gefaͤhrlichen 
Feind feiner Eriftenz, die Mißgunft feiner wohlerworbenen 
Rechte, die Nichtachtung des gefeglih begründeten Eigen: 
thums, und er meinte, fih und die Öffentlide Ruhe dur 
ein engeres Anſchließen an feinen Fürften ſchuͤtzen zu müffen; 
bie Räthe ver Fürften glaubten, daß es mehr ald je nöthig 
fey, den Adel, welchen man von jeher für die Stäge ber 
Thronen gehalten hatte, mit allem Nachdruck gegen die Ans 
fälle des‘ Zeitgeiftes aufrecht zu erhalten, damit nicht die 
Drönung der bürgerlichen Einrichtung und die Kronen felbft 
zu wanfen begännen. 

Kaum war der Schwindel befhwidtiget, indem die Nas 
tion, welde bie Freyheit gepredigt hatte, uuter den militäs 
rifhen Befehl eines ihrer Generale fih beugte, und die bes 
trognen Völker Europas die Falle erfannten, welche man ibs 
nen bereitet hatte, kaum zeigte der franzäfifhe Scepter, daß 
die Gährung der Nationen nicht mehr zu fürdten jey, ſo 
ftellte fih auch die Lage des Adels in einem ganz andern Lichte 
dar. Er, welcher kurz vorher für das Werkzeug der Unter: 
drücung galt, wurde verdächtig, einen Geiſt der Freyheit zu 


in Bezug auf die Verfaffung. 219 








naͤhren, weiber nicht mehr zu der neuen Ordnung der Dinge 
paffte; die Voͤlker, welche an einen neuen Geift der Regie: 
rung fib zu gewöhnen hatten, follren in der Gleichftellung 
des Adels ihre Beruhigung finden, auf deffen Privilegien fie 
nun nicht mehr eiferfüdhtig waren, weil ganz andre Erfah—⸗ 
rungen fie bef&äftigten, die Fürften mufften die Vorrechte 
des Adels, welche ihr erft zur Stüße der Thronen gemacht 
baben, als unanftändige, mit ihrer Würde unvereinbarliche, 
Eremtionen ihrer Herrfbaft betradten. 
Sao entgegengeſetzte Wirkungen wollte und bradte der . 
Hauch des franzöjifhen Geiſtes, welder unter all’ diefem 
Wechſel allein fi gleich geblieben, und mit dem Peine andre 
Weränderung vorgegangen war, als die Wanderung feines 
Wohnjiges von Verfailles nah St. Cloud. 

Auch in diefem Spftem war Deutfchland nad der Eigens 
heit feiner Gefcäfte mit der fihulgerechten Mühe der Aus: 
führung noch nicht zu Ende gefommen, als die eben entfals 
tete Kaiferwürde des Kabinettes von St. Cloud denfelben ein 
neues Beduͤrfniß erzeugte, den Glanz feines Thrones mit 
den Strahlen eines neuen Adels zu umgeben, und ihm wies 
der Vorrechte zu verleihen, welche man unlängft dem alten 
entzogen hatte. Der April d. 3. bat die Probe gegeben; 
wie fehr der Machthaber auf die Wirfungen feiner, mit den 
Gütern fremder Völker ausgefpendeten, Munifizenz und auf. 
den Schuß diefer neuen Leibwache zählen konnte. 

Die Veränderungen folgten zu fehnell aufeinander; 
Deutſchland, welches wenigftens die Scham der Inkonſe— 
quenz hinderte, fein Vorbild fo eilig zu erreihen, war noch 
bemüht, den wechſelnden Kindern franzöfifher Mode, wie 
immer, das Gewand eines Syſtems umzuhängen; fo traten 
die Kataftrovhen von Moskau und Leipzig ein, und während 
Frankreich fib (dom wieder mit einem neuen Syſtem beſchaͤf⸗ 
tigt, feinen alten Adel fo viel möglich in den ehemaligen Fuß 
einzufegen, arbeiten wir noch an ber Verdauung der Prife, 


- 


220 Weber d. Verb. d. deutſchen Adels zu ſeinen Mitſtaͤnden 


womit wir ihn haͤtten verſchlingen ſollen. Es war lange Zeit 
unſre Beſtimmung, wie der fliehende Schatten die Stelle zu 
bezeichnen, welche das wandelnde Urbild ſchon verlaſſen hatte, 
oder wie ein Landjunker noch hartnaͤckig an der Mode zu kle⸗ 
ben, welche in der Hauptſtadt ſchon ſeit Jahren verlacht wird, 
und unſre Raͤthe, welche die fluͤſſigen und leichten Pariſer 
Ideen in Syſteme gießen muſſten, hatten die Stelle eines 
Schneiders, welcher immerfertig die fremden Damen erwar— 
tet, um ihnen ſogleich bey ihrer Ankunft die neuen Kleider 
anzumeſſen. 

| Es war wohl nicht zu wundern, daß, bey diefen bes 
fländigen Umkehrungen, der Bürger, welder in denfelben 
felbft fo wenig Erleichterung empfand, gegen die Befhrän- 
fung des Adels fo gleichgültig wurde, als er ehedem eifer= 
- fühtig gegen feine Vorrechte war, daß er anfing, ihn mehr 
zu bedauern, als zu beneiden, ja daß er in biefen Stand, 
als. den Arm des Despotism bezeichnet, nun durch gemein 
ſchaftliche Erfahrungen verbunden, die Hoffnung ſetzte, in 
ihm einen freymuͤthigen Sachwalter der buͤrgerlichen Freyheit 
zu finden. | 

So haben in einer Reihe von wenigen Jahren in einer 
und berfelben Sache Gefihtspunfte und Gegner fih einander 
abgelöst, und immer ihrem eigenen Beginnen entgegengear⸗ 
beitet. 

Indeſſen geht der deutſche Adel herum, abgezehrt und 
ſeiner Huͤlle entkleidet, daß man billig zweifeln muß, ob 
das Geſicht fuͤr einen lebendigen Leib, oder fuͤr das Ge— 
ſpenſt eines ſchon Abgſchiedenen zu halten ſey, und man ſucht, 
weil die Wirklichkeit fo arm an Stoff iſt, den Streit wenig⸗ 
fiens über feine vormaligen Verdienfte oder Verfhuldungen 
fortzuführen. Noch feben die Einen das Ueberbleibſel des 
deutſchen Adels als ein Monument einfliger Größe, ale ein 
Grabmal berrliben Ritterthums an, während die Andern es 
wie die Trümmer zerfiörter Raubſchloͤſſer betrachten. 


“ 


in Bezug auf die Verfaffung. 221 





Auch bier Parteyliebe und Einfeitigkeit. Wer wird 
widerfprehen, daß ber Adel es war, an deffen Vorbilde einft 
die heilige Flamme des deutſchen Volksſinnes, der Freyheit 
und Ehre, der Viederkeit und Tapferkeit fih genährt hat; 
aber wer mwirb es vergeffen, dag aud von bdiefem Stande 
nachher die eitle Sudt nah dem Undeutfhen und Fremden, 
das Streben nah Scheinehre, das höfifbe Schranzenmwefen 
und die weihlibe Selbfifuht ausgegangen fen? Wer wird 
läugnen, daß der Bürger noch lange feine alte Schlihtheit und 
feine treue Ehrlichfeit bewahrte, als der Adel ſchon von dem 
Einfluß des Fremden und der Höfe verdorben wurde, und bie 
Höfe verderben half; aber wer wird es vergeffen, mit wel: 
der Emſigkeit und eitler Aefferey naher der Bürger fi der 
ebrenhaften Eigenthümlichkeit feines befheidnen Standes zu 
entwinden gefuht, wie er feiner würdigen Eingezogenheit 
und Beftiimmung fib ſchaͤmend nah dem Scheine ber ver: 
meintlihen höhern Kreife hinausgeftrebt, und mit der Aneig: 
nung ihrer Verkehrtheit, Lüfternheit und Selbftfuht feinen 
urfprünglihen Stand zu vermummen getradtet hat. - Es ift 
fonderbar, daß der Menſch die Schuld feiner Thorheiten fo 
gern auf fein Vorbild fhiebt, obwol gerade die Werirrung 
deB Vorgängers dem Nachahmer zur Warnung gereihen follte. 

Biel Gutes und viel Schlimmes fagen ung die Annalen 
von der Geſchichte des Adels, jo daß man zweifeln möchte, ob 
man lieber das Erftere vermiffen möchte, bamit auch bag Leg: 
te nicht geſchehen wäre, oder wohl gar das Schlimme, als 
noch Gewinn zu achten fey, um des Guten willen. Aber 
ſchlagen wir die Chronifen unfrer Städte und Länder auf, fo 
finden wir fo viele Benfpiele herrliber Bürgertugend und 
Größe unter den übrigen Klaffen, aber auch fo viele Züge 
von Unrecht, Gewaltfamfit und Ausgelaffenheit, daß nad 
reiffiher Abwiegung wohl fein Stand den andern an Tugen— 
den oder Zeblern überbieten dürfte. Aber dad Lobenswür: 
dige, wie die Flecken‘, werden an demjenigen, welcher hoͤher 


222 Ueber d. Verb. d. deutfchen Adels zu feinen Mitſtaͤnden 





geſtellt iſt, leichter ſichtbar, als an jenen, die ſich unter der 
Menge und in dem verborgenern Kreiſe des haͤuslichen Le— 
bens verlieren. 

Es iſt gerecht, daß die Nation an den Stand der Ed— 
len, welchen ſie Jahrhunderte durch mit ſolchen Vorzuͤgen 
von Macht, Anſehen und Unabhängigkeit ausgeſtattet hat, 
auch mehr als gemeine Forderung für ihr allgemeines In— 
tereſſe macht, und die Sünden, welche er am deutfhen Sinne 
begangen hat, mit firengem Richterblicke abwiegt; aber ver: 
geffen dürfen wir, wenn wir richten wollen, nit, daß wir 
ihn dur diefe Worzüge felbft der Gefahr preisgegeben ha: 
ben, von ihnen verführt und mißbraudt zu werden, indem 
wir ihm die Mittel genommen haben, fie na feinem Berufe 
zu gebrauchen, indem wir eine Verfaffung haben einſchleichen 
laffen, welche ihn zu einem müßigen, gefhäftslofen Gliede 
der Nation gemacht hat, welchem nur ber lodende Genug, 
aber kein Beruf mehr übrig gelaffen wurde, ber ihn durch 
die Würde der Pflicht an die Würde feines nationellen Ber: 
bältniffes hätte erinnern koͤnnen. Wergeffen dürfen wir als 
gerechte Rihter eben fo wenig, daß der Bürger, welder bie 
Maife des deutſchen Mannes bildet, welcher durch feine Le: 
beris:Berhältniffe auf die chrbare Zucht der Häuslichfeit be: 
ſchraͤnkt, welder der Verführung des eitlen Scheines und 
lockender Vorzüge minder ausgefegt ift, und burc eine weit 
unmittelbarere und vielfahere Berührung mit den Dingen 
und Verhältniffen des Lebens ein Präftlicheres deutlicheres 
- Gefühl von ihrem Werthe und von dem wefentlihen-und wah⸗ 
ren Bedürfniffe erhält, — daß diefer Stand es eigentlich iſt, 
welder die Zucht und die Kraft des deutfhen Volksthums 
zu bewähren gehabt hätte, und diefes anvertraute Kleinod 
der Nation nicht minder leihtferfig und lüftern für die Gans: 
Peleyen des Tages und fremder Neffereyen hingeworfen hat. 
Wer will bier den Stein aufheben? Ein Adel, wel: 
der, wie ber deutfhe, mit ber Geſchichte der Nation aufs 


in Bezug auf bie Merfaffung. 223 





gewachſen iſt, ift nur die hervorragende Verzweigung ihres 
Stammes. Die Zweige tragen die Blüthen des Volks und 
der Zeit; ift der Baum noch gefund, und die Jahrszeit ges 
deihlich, fo bringen fie frifhe und labende Früchte, wie wir 
weiland in alten Zeiten noch genoffen haben; -aber ift ein 
Berberben in das Volt und das Zeitalter gefommen, fo zeigt _ 
es ſich zuerfi in den Begünftigten, welde das Schickſal über 
die andern Klaffen vorausgetrieben hat. Aber was ift der 
Geift der Zeit, von wannen fommt er, und wer trägt bie 
Schuld feines verzehrenden Hauches? 

Umfonft fuben wir'Einer dem Andern die Schuld in den 
Bufen zu fbieben, und Alle reißt derfelbe Etrom mit fi 
fort. Es ift afbern, zu glauben, daß derjenige feine Bewe— 
gung verurfahe, welden er vor uns dahin ſchwemmt, und 
wer ber Wirbel der Welle am rafheften ergriffen hat, dem 
begegnet es am leichteſten, zu glauben, daß die Webrigen 
ruͤckwaͤrts hinter ihm dahintreiben, weil die Schnelligkeit 
feines eignen Laufes ihm nicht geftattet, ihrer gewahr zu 
werben. | . 

Darum bleibt es uns auch unmöglih, und einander . 
felbft zu beurtheilen, und der gerechte Richterſpruch, welchen 
bie Geſchichte einft Über die gefammte Rechenſchaft des Adels 
zu ertheilen hat, fällt nothwendig über unfern Zeitpunft hin: 
aus, und einer fpätern Nachwelt anheim, weil die Akten 
über den Werth einer hiftorifhen Erſcheinung erft dann ge: 
fhloffen find, wenn fie ihre Laufbahn ganz vollendet hat, 
und mit allen ihren Verhältniffen und Wechfel: Wirkungen auf 
immer zu Grabe gegangen ifl. Wie weit wir noch von bie: 
fer Evdche entfernt find, foll ung die Weränderlichkeit ber 
Anfihten, welche wir in diefer Sache bewiefen haben, bie 
Abwechslung der. Parteyen, welche fih dafür oder dagegen 
erflärt haben, und die Lebhaftigkeit des Streites felbft hin: 
länglich begreiflich machen. Darum ift wirklich unfre Zeit 
weniger, als irgend eine frühere oder fpätere, geeignet, 


224 Ueber d. Verb. d. deutſchen Adels zu feinen Mitſtaͤnden 





uͤber diefe Sache fih deutliche Begriffe zu bilden, oder einen 


gültigen Ausfpruch zuzutrauen. 


Dies Alles foll uns, den Abel wie den Bürger, auf: 
merkſam machen über die Blindheit, mit welcher wir fortrenz 
nen; es foll uns belehren, daß unfer ganzer Streit von bey: 
den Seiten auf eine partenlihe Theorie des einzelnen Inte— 
reffes hinausgehe, und zu nichts helfen koͤnne, weil die Ge— 
ſchichte, diefe Wage taufendfältiger und lebendiger Kräfte, 
‚anf eine ganz andre Weife entfheiden wird, als die hohle 
Theorie nach begränzten Anfihten es zu berechnen vermag. 


Zum Glüde Bönnen wir eine Unterfuhung und Abrech— 
nung über das, was eheden von ber einen oder andern Seite 
gefbehen und in Anſpruch genommen worden ift, fehr leicht 
entbehren, denn es tritt eine verhängnigvolle Zukunft zu 
ung herein, welde ung feinen Raum mehr läfft, dem Zwiſte 
bes Partey-Vortheils Gehör zu geben, fondern ung bie alte 
Frage in einer neuen Stellung und mit einer praktiſchen Noͤ— 
thigung hinlegt, vor welder das Intereffe aller Parteyen zu 
Schanden wird, weil es fich nicht mehr um ben Vorzug und 
Gewinn einzelner Stände, fondern um die Erhaltung und 
Sreyheit des Einen wie des Andern, um die Dauer und bie 
. Ehre des deutfhen Volks handelt. 


Es fragt fih nit mehr, ob der Adel für feine Vorzüge 
auch gültige Nechtstitel nahzumeifen, ob er fi gegen andre 
Klaffen, oder diefe gegen ihn ſich zu beföiweren haben, unb 
wie die Anſpruͤche und Abfihten der beyden Parteyen unter 
einander auszugleihen wären, fondern das ift die Frage, ob 
mit dem gegenwärtigen Zuftande der ganzen Nation, bey der 
-verfängnißvollen Angelegenheit des geſammten deutſchen Voͤl— 
Perfiammes, wovon alle Stände nur untergeordnete Theile 
ausmaden, überhaupt ein Adel beftehen könne oder foll, 
und, wenn biefe Frage bejahend entfdieden würde, an wel: 
ches Verhäftnig derfelbe fomol zum Staate im Allgemeinen, 


in Bezug auf bie Verfaſſung. 225 





als zu den einzelnen Klaſſen insbeſondere dee werden 
fol und muß? 

Diefes ift denn eine ganz praftifhe Frage, das heißt, 
fie ift dringend, es iſt nicht der willkuͤrliche Wunſch einzelner 
Antereffe, die fie anregen, fondern die Nothwenvdigkeit der 
Umftände, bie uns dazu auffordern, und fie nicht unentfchies 
„den Taffen können, — fie ift umfaffend, denn fie geht aus 
dem Bebürfniß des Ganzen hervor. | 

Dies find überhaupt die Charaktere einer praftifhen 
Aufgabe.” Eine ſolche aber ift auch noch nie anders, als aus 
dem praktiſchen Standpunfte, nämlich aus jenem des Be: 
dürfniffes und ber Ausführbarkeit entfhieden worden. Diefe 
Entfbeidung ift der Weg der Geſchichte; jede andre Aufgabe 
oder Auflöjung gehört für die Parteyen oder für die Schule; 
fie beruht auf ber Einfeitigkeit entweder der Anfprüde, oder 
der Anfihten, fie ift, was man, im geſellſchaftlichen Sinne 
theoretiſch nennt. 

Mas nicht die Geſammtheit der Verhaͤltniſſe durchdringt, 
was nicht in das ganze wefentliche Leben der Nation einge: 
gangen, und dadurch felbft zur allwirkenden, das heißt, zur 
praftifchen Kraft geworden ift, wird nimmermehr einen bil: 
denden, fondern, wenn es fib zufällig mit der Macht verei: 


nigt, hoͤchſtens nur einen zerfiörenden und eben fo ſchnell vor · 


übergehenden Einfluß erlangen. 

Das überzeugendfie Benfpiel liefert uns die Revolu— 
tion der legten 20 Jahre, nit nur im Franfreih, fondern 
auc überall, wo fie von dort aus ihre Wirfungen verbrei: 
ter hat. Es war fein Sonnenlicht lebendiger Ideen, welches 
Mahsthum und neue Gebilde erweckt; es war ein verheeren: 
der Erbbrand todter Begriffe, welder feine bald vergängliche 
Nahrung felbft aufzehrt. Alle jene Konftitution : Verfude, 
alle jene Projekte und Inſtitute, die einander noch ungebo— 
ren verdrängt haben, alle jene verfuchten Umſchmelzungen 
der bürgerliben Berhältniffe, fie find durchaus nicht aus ir: 


— 


226 Ueber d. Verh. d. deutſchen Adels zu feinen Mitſtaͤnden 





gend einer Stimmung des Ganzen, aus dem Zuſtande des 
Volks ausgegangen, wie es bey einer wahren und zeitgemaͤſ⸗ 
fen Umftaltung der Dinge fi ereignen muß, fondern Vers 
ſuche einzelner Parteyen waren es, wie weit fie es bringen 
Pönnten; Abfihten einzelner Wolksführer waren es, welche 
die Verhältniffe der Gefellfaft nah ihrem Dünfen und zu 
ihrem Gebraude formen wollten. Darum wechſelten bie 
Verfaffungen, wie die Führer. Das franzöfifhe Volk, 
welches ſelbſt nicht wuffte, was es wollte, war nicht in dem 
Zuſtande einer Umfialtung, fondern einer bloßen Empörung ; 
durch feine Verdorbenheit der bürgerlihen Ordnung unfähig 
geworden, welche auf der Achtung des Geſetzes beruhen follte, 
und durch einen ſchwachen Köhig der Furcht des Geſetzes ent: 
‚bunden, brach es in Aufruhr gegen bürgerlibe Ordnung aus. 
Nicht in Revolution war es, fondern revolutionirt ift es wor- 
den von Jedem andere, welchem es der Zufall preisgab, und 
darum ohne wahre Revolution, ohne Umgeftaltung geblie: 
ben bis-auf diefen Tag. Denen ihre Freyheit, ober der Zu: 
fall, oder der Weberdruß des Volks an ihren Vorgängern 
die Zügel der zerrütseten Maffe in die Hände gegeben, bie 
waren es, welde die Anfprübe ihrer Parteyen oder ihre 
eignen Abfihten zu organifiren fuchten, welde denn aber ſo— 
\bald in den entgegengefegten Unternehmungen ihrer Nachfol⸗ 
ger ihr Grab fanden. Daher fommt es, daß die franzöfifche 
Nation zu ihrer eignen Schande über ihren eignen Wahnſinn 
ſchimpft, ohne bis zu diefer Stunde zu ſich felbft gefommen 
zu feyn. Daher kam ed, daß jener Zufland mit einem eifer: 
nen Joche fi geendigt hat, und dieſes Volk wie ein Tollge: 
biffener herumgeführt werden fonnte, um gauz Europa an: 
zufallen, und no den Ingrimm nicht vergeffen kann, daß 
es von feinem Joche befreyt, und in feine Schranken gefperrt 
iſt. Eine ſolche Empdrung fonnte und muffte durch eine eis 
ferne Hand unterdruͤckt, und anftatt des Zügels der Geſetze, 
den fie verfhmähte, in ben Bann bes Joches gelegt werben. 


in Bezug auf die Verfaſſung. 227 





Eine wahre Revolution, das iſt, eine neue Ordnung, id 
fage, Ordnung der Dinge, weldhe aus dem Charakter ei: 
nes Volks und feiner Zeit heranbricht, kann und wird kein 
menſchlicher Arm je unterbräden noch hemmen. 

Nicht viel beffer fann man dasjenige — 
was in Folge der franzoͤſiſchen Staats-Verwirrung ſeitdem 
auch in andre Staaten nach Umbildung geſtrebt hat. War 
es doch derſelbe Geiſt, welcher entweder durch Frankreichs 
Diktator aufgedrungen, oder von Parteyen, die in der 
franzoͤſiſchen Volksfuͤhrer und Machthaber ihr Analogon fan: 
den, adoptirt wurde, Daher dieſelbe Unſtetigkeit und Sy: 
ſtemloſigkeit in den Syſtemen, derſelbe Wechſel in Grund: 
ſaͤtzen und Einrichtungen, derſelbe Aus- und Uebergang in 
eiſerne Willkuͤr. 

Noch einmal, was nicht freywillig aus dem Geiſte des 
Ganzen geboren wird, was nicht in dem umfaſſenden Kreiſe 
der Wirklichkeit, aller Umſtaͤnde und Kraͤfte die Bedingung 
ſeines Entſtehens hat, was als ſpekulativer Begriff oder als 
ſpekulirende Abſicht in die Wirklichkeit erſt hineingetragen 
und gemodelt werden will, das iſt einſeitig, es iſt Theorie, 
ſey es der Anſichten oder der Abſichten. Alle Theorie aber iſt 
der Natur zuwider, und jedes Unternehmen, ſie ihr aufzu— 
dringen, es mag mit Blut oder mit organiſirenden Geſetzen 
geſchehen, iſt gleich gewaltſam und wahrhaft -revolutionär 
im franzoͤſiſchen Sinne des Worts, und kann nur zum Ser: 
fiören oder Mißlingen führen. a 

“ Dies find die unausbleiblihen und firafenden Folgen, 
wenn ein Volk einen Geift, oder eine Zeit feinen Sinn 
mehr in fih trägt, oder wenn er nit gehört wird von ben: 
jenigen, welche der Befit des Einfluffes reizt, an der Welt 
zu modeln, und mit ihren Begriffen und Einfällen zu / erpe: 
rimentiren. 

Zwar hat man viel Unweſen und Abgoͤtterey in unſern 
Tagen getrieben mit dem ſogenannten Zeitgeiſte, und ſelbſt 


228 Meber d. ®erh. db. deutſchen Adels zu feinen Mitftänden 





‚bie nüchternen Regierungen, welde erft Polizey gegen ihr 
halten lieffen, haben fib am Ende durch feine Wuth erſchrecken 
laſſen, und angefangen, den bifigen Dämon zu ſtreicheln, 
und ihm felbft das Befte zum Sühnopfer hinzumerfen. Gie 
follten aber endlich gefehen haben, wie fehr fie im Irrthum 


find, und wie er dur jede Nahrung, bie fie ihm geben, im— 


mer noch toller wird. Denn darin liegt der Irrtum; was 
man fo beliebt den Zeitgeift nennt, ift nichts weniger, als der 
©eift der Zeit. Es gehört aber eben zum bisherigen Cha 
rakter der unfrigen, daß fie ſich nicht einmal barinnen zu er— 
kennen vermodt hat. 


Es gehört zu dem Zwecke unfrer Unterfuhung, une 


hierüber deutlicher zu erklären. 

Wenn Voͤlker in dem Gang ihrer Entwiclung in eine 
Erode treten, wo ihre alten Lebens- und Einrihtung:For= 
men ihre Beftimmung erfüllt haben, und die Begriffe und 
Verhältniffe, welche in denfelben gewurzelt hatten, nun aus 
dem Leben zu entweichen, und dem Hiftorifer ihre erloͤſchen— 
ben Refte zu überlaffen beginnen; da erzeugt fib ein Gefühl 
der Ungemißheit, der Haltunglofigkeit und der Luͤcke im Ge— 
müthe der Menſchen, welches nah der Werfibiedenheit ihrer 
Natur und Lage den Einen zur Furcht und Klage, den An: 
dern zur Begierde und Kühnheit ſtimmt; was aber Allen ſich 
aufdringt in folber Stimmung, ift die Ahnung eines Neuen, 
welches herannaht, das Gefühl unausweichlicher und durch: 
greifender Veränderungen. Behutfam fucht der Nengftliche 
das Seinige in Sicherheit zu bringen, rafber und frei der 
Kühne das Neg feines Gluͤcks in das dunkle Meer der Zu: 
kunft auszumwerfen. Da werben Begriffe gewagt und Pro- 
jette, da werden Anſpruͤche verſucht und betrieben, es mer: 
den Grundfäße ausgeftreur und neue Worte, wie Zauberfor: 
meln, um den Geift der Zukunft für den Unternehmenden 
zu befäwören und zu verfünden. Es iſt natürlich, daß der: 
jenige aͤngſtlich ift, welchem alte Güter und Ordnung theuer 


in Bezug auf die Verfaffung. 229 








find, und ungeſchickter, weil fein fiherer Befis ihn nicht mit 
den Künften des Gewinns bekannt gemacht hat, daß die 
Kühnbeit und Gewanbtheit fi finde, wo wenig zu verlieren, 
und viel zu gewinnen ift; es ift natürlich, daß der Thaͤtige 
ben Bedähtliden, der Verwegene den Furchtſamen übereile, 
Die errungenen Vortheile gelten für Zeichen der Zeit und ih— 
res Willens, die Erfhrodenen fhliegen fih an den Siegen 
den, die Zünglinge an den Muthigen an, die Lehrer und 
Meifter ſuchen den Schlüfel zu Spftemen in den Marimen 
bes gelungenen Wagſtuͤcks, und betäubt oder taumelnd folge 
in Kurzem die Mehrzahl aller Klaffen dem Zuge, welder 
mit einem Abenteuer labender Führer begonnen. 

So entfieht eine, Theorie der Zeit, fo bilder fi eine 
Menge von neuen Begriffen und Worten, deren unartikulirs 
ter Lärm für bie Öffentlibe Stimme gilt, und unter dem 
Namen des Zeitgeiftes verehrt oder gefürchtet wird. 

Es ift aus der Art feiner Entfichung begreiflih, und 
aus den Organen, welche ihn hervorrufen, daß er nur ſchlecht 
feyn fünne und auf Zerfidrung gehend; wie der Rabe bringt 
er Unglück, und hält fib nur auf, wo er Aufloͤſung finder. 
Nothwendig gelingt es ihm daher einige Zeit lang, in das 
wirklibe Leben einzugreifen, und fib fheinbar ale dag Prinz 
zip der Zufunft zu firiren. - Aber weil es ihm an erhalfendem 
Prinzipe gebricht, fo fehlt es ihm auch an dem bildenden; 
unftät und flüchtig in fich felbfi, wie ein Irrwiſch, zerplagt 
er, wenn feine träglihe Flamme fih am hoͤchſten gehoben hat, 
und läfft die geblendeten Augen zur Befinnung fommen. Wir 
haben ein foldes Phänomen im Großen gefehen, und es ift 
zu hoffen, daß wir endlich zur Befinnung kommen, unb eins 
ſehen, daß alP der Tumult, welcher ihm noch überall in fei: 
nem Sinne nahhallt, eitler Spud ift; es ift zu hoffen, daß 
diejenigen, welde von dem fackelnden Irrwiſche nit ganz 
"blind geworben find, endlich zur Erkenntniß kommen werben, 
bag biefer Zeitgeift nichts weniger fey, als der Geiſt der Zeit. 


Y 


“ 


230 Weber d. Verh. d. deutſchen Adels zu feinen Mitftänden 


00000200000 
Ein Vorbote ift es, daß fie kommen, aber fein Zeihen, was 
fie bringen werde. Das mouffirende Geraͤuſch fagt und nur, - 
daß eine Gährung arbeite, aber fo lange diefe Dünfte und 
Blafen auffteigen, iſt fie nicht vollendet, und ber erſtickende 
Qualm hat nichts gemein mit dem ebeln @eifte, der fie bes 
reitet. 
Darum ſollen ſich die Beſſern nicht ſelbſt irre machen 
laſſen von den Schreyern, welche ſich als die Tribunen des 
Tages ankuͤndigen; ſie ſollen ſich keine unwuͤrdige Nachgiebig⸗ 
keit gegen ihren Ungeftüm abgewinnen laffen, fie follen einfes 
‚ben, daß dieſes Gelichter durchaus keine Achtung oder Ruͤck⸗ 
ſicht verdiene, weil ſie weder den Sinn der Zeit noch des 
VBolks erkennen, ſondern mit dieſem in dem Egoismus ihrer 
Meinungen erperimentiren, und bie Staaten aufbauen wols 
fen, wie Uhren, welden fie fünftlihe Federn und Gewichte 
geben, um die natürlihe Bewegung des Lebens nahzuahmen, 
und die falfiben Stunden der Zeit nad ihrer Willtür anzus 
zeigen. ! 
Menſchen find es nit, bie ba wirken, fondern bie Ge⸗ 
ſchichte, welche den Starken wie den Schwahen in ihren 
Strom zieht. Still und gemeffen ift ipr Gang, aber unab⸗ 
wendbar, und’ nur denjenigen wird e8 gelingen, Dauerndes- 
zu bilden, welche, ihr nicht zu gebieten, fondern zu dienen, 
“pen treuen Willen haben. Das aber heißt ihr dienen in 
Wahrheit und mit aufribrigem Gemuͤthe, daß man ben gan 
zen Zuftand und die Lage des Wolke, welchem mar zugehürt, 
mit liebender Umſicht umfaffe, daß man feine Eigenthämlichs 
feit ehre, und nicht glaube, was andern Voͤlkern eigen ift 
und anfteht, koͤnne darum auch für diefes ſich ſchicken; daß 
man ſeine Bedärfniffe zu ergründen fuche (ich meine hier nicht 
die des phufifden Lebens und Gewinns, fondern feines polis 
tifhen Daſeyns) und ihm nicht aufdringe, was es nicht bes 
darf, oder nicht begreift, oder wohl gar abgefhmadt findet; 
daß man ſich nicht einbilde, es koͤnnte gewinnen und beſſer 


in Bezug auf die Verfaſſung. 231 
— — — — — — — — — — — — — 
werden, wenn man es mit einer geliehenen Kultur ſchminken 
will, wie eine Buhldirne; daß man nicht mit Treibhauskuͤn⸗ 
ſten die gedeihliche Zeit feiner Reife zu erzwingen ſuche/ und‘ 
nicht glaube, es fey darum weniger werth oder fräftig, weil 
es den Standpunkt noch nicht erreicht hat, welden erft Fünfs 
tige Sahrhunderte, aber defte fiherer, vorbehalten haben, — 
mit einem Wort, daß man dem Volk die Freude laffe, zu 
ſeyn, wie es geboren und geſchaffen ift, und fi zu ent= 
wideln, wie es feiner Natur nach werden ſoll, und am bes 
ſten werben wird, wenn fein Wachsthum nicht durch unans 
ftändiges Feſſeln oder Strecken geſtoͤrt wird. 

Man muß von einem albernen Dünkel:befeffen ſeyn, und 
an einer großen Beſchraͤnktheit leiden, wenn man glauben 
kann, über eine Zeit-oder Nation, in deren Kreis jeder Ein: 
zelne, wenn er aud noch fo hochmoͤgend feine, nur als ein 
mikroſcopiſches Theilden bherummirbelt, wenn man glauben 
Tann, fage ih, über ein ganzes Zeitalter oder Wolf fo erhas 
ben zu feyn, daß man fähig wäre, es zu Hof: und zu Tanz⸗ 
meiftern nur abzurichten, wie man zur Seltenheit wol Thies 
re, oder für die Mode Pupven dreffirt, und wenn man nit 
einfähe, daß damit nichts anders zu erreihen fey, ale die. 
Menſchen, welde man am Marionetten: Drathe zieht, zur 
Schlechtigkeit, oder wenigfteng von gefunden Sinnen und Cha⸗ 
rafter zu bringen. 

Diefes mag hinreiden, um den Unterfeieb und die Fol: 
den der Tendenz zu beleudten, welde wir nad der Einfeitige 
feit ihres Urfprungs als eine theoretifhe, nad ihrer Wit: 
Pung aber ald eine revolutionäre bezeihnet haben, im Ges 
genfage zu jener Handlungmweife, welche wir die praktiſche 
genannt haben, weil fie von der Achtung und dem Gehorfam 
gegen bie Natur ausgeht, oder mit andern Worten auf das 

wahre Bedürfnig wie auf das wirklide Maß der Kräfte, auf 
dag Nothwendige und Ausführbare gerichtet ift, und eben 
darum allein auf eine dauernde Bildung hoffen kann. 


232 Ueber d. Verh. d. deutſchen Adels zu feinen Mitfkänden 








Bir haben diefe Betrachtungen nicht für uͤberfluͤſſig ge- 
halten, theild, um unferm guten Lefer zu erkennen zu ges. 
ben, wie wir endlich mit ihm zu ſprechen wuͤnſchen, theils, 
damit auch er lieber unfrer Einladung folge, in einer Angeles 
genheit, bie das. allgemeine Wohl des Waterlandes und bie 
Grundlage unfrer National-Berhältniffe für fo nahe angeht, 
jede Vorljebe fuͤr vorgefaſſte Theorien, oder für das Inte— 
reſſe der Partey in ſich zu unterdruͤcken. 


II. 


un in Deutſchland ein Adel noch ferner - 
beftehen? 

Indem wir in der Unterfuhung unſers Gegenftandes 
nah jenem Sinne zu Werke zu gehen gedenken, welden 
wir fo eben in unfrer vorläufigen Unterredung mit dem Lefer 
angedeutet haben, ſcheint nichts natürlicher zu feyn, als daß 
wir von ber vorfiehenden Frage ausgehen. Dennoch iſt ſie 
nicht die wahre. | 

Es kann fih nicht fragen, ob unter der deutfhen Nation 
noch ferner ein Adel beftehen foll, fondern ob er wirklich noch 
ift, das heißt, ob er noch mehr als dem leeren Namen nad 
beſtehe? 

Denn, beantwortet ſich dieſe Frage verneinend; ſo iſt 
jede andre uͤberfluͤſſig, weil dann die Zeit und die Wirklich: 
Peit, welhe eben nichts anders ift, als das Unvermeidliche 
und Mothwendige, ihm fhon das Urtheil gefproden hat. 
Umfonft werden wir dann Formen erfinden und Mittel, um 
ihn wieder einzuführen. Wir können wohl fonft manche Ans 
ftaften machen zu einzelnen Zweiten des Staats; wir können 
Säulen einrichten, Handels: Gefellfhaften und Afademien, 
Affeturanzen und Penfion:Vereine fliften, und neue Organe 
der Verwaltung aufftellen; aber einen Stand, das if, 


ein lebendiges, die Nation durchdringendes, von ihr anerz 
- fanntes 


in. Bezug auf bie Verfaffun: “ 2 








„tannted und empfundenes Verhaͤltniß in ihr felbft werden 
feine Konftitution :Befhlüffe je aus. dem Nicdts erfhaffen, 
noch weniger, was einmal. in feinem Daſeyn erloſchen iſt, 
zur Wirklichkeit zuruͤckrufen koͤnnen, denn fein Untergang 
ſelbſt ift der Beweis für die Unmoͤglichkeit feiner Fortdauer. 

Der Gewalt könnte es zwar ohne Zweifel gelingen, eine 
Menge von Familien neuerdings mit erbliben Privilegien 
und Auszeichnungen ded Ranges auszurüften, und dieſes In⸗ 
flitut einen Adel zu nenden; allein. der Nation werden -die 
Privilegien nicht ald Vorrechte, die Titel und Rangzeihen 
nicht als Vorzuͤge erſcheinen; fie wird Beydes als aufgedruns 
genen Schein und ungerechte Anmaßung empfinden; es wird 
die Mecfelfeitigfeit der Anerkennung fehlen, welche ein 
Verhaͤltniß zwiſchen Menſchen als ein lebendiges charakterjs 
firt; es wird eine privilegirte und ſtolzirende Klaffe, aber 
ein Abel, Bein gelehrter Stand, Fein Theil des Volks wer: 
ben; fondern außer dem Volk und. ihm gegenüber wird er ges 
ſtellt ſeyn, und fobalb die Gewalt ender, bie ihn gehalten, 
verloͤſchen, ohne eine Spur, oder-eine.Lüsfe.hinter fi zuruͤck⸗ 
zulaffen. Wir wollen eben nirht mehr entfheiden, ob dies 
wirklich mit dem wiederhergeftellten franzöfifben Adel nicht 
der Fall ſey? Aber.fehr zweifelhaft bleibt es wenigftens/ ob 
die neugeſchaffene Adelsklaſſe durch ihre ‚gegenwärtige Ver- 
ſchmelzung mit der. akteri ju Ehren und Haltbarkeit kommen, 
oder die Wiederherftellung vom biefer dur ihre Amalgami⸗ 
tung mit.der neuen vollends in Nebel zerfließen wird; 

Marche zwar werden, was wir hier fagen, nicht bes 
Hreifen oder glauben koͤnnen, weil fie fib vorftellen, daß 
es blos auf die. Macht ankomme, Einrichtungen zu machen, 
und wenn dieſe nur Plug getroffen und gehörig unterſtuͤtzt 
feyen,, die Menſchen endlich über: die Gewohnheit ihren Alk: 
forung vergeffen; allein fie ſollten fib doc erinnern, wie 
häufig es den Staaten felbft bey Arftalten von engern und 
untergeordneten Abfihten mißlinge, dieſe zu erreichen, wenn 

@urop. Unnalen, Sted Sthd, 1315: 16 


234 Ueber b. Verh. b. beutſwen Adels zu —* Mitſtaͤnden 


—— = 








das Inſtitut nice fehr glücklich mit der Natur der Lage und 
des Bebürfniffes zufammentrifft; fo daß wir eine Menge Ins 
flitute dee Handels, der Landes: Kultur, der wiſſenſchaftli— 
chen oder techniſchen Volks⸗Bildung gefehen haben, wo alle 
Dpfer und Anftrengungen der Regierung nichts Andres errei⸗ 
Sen konnten, als blos: den leeren Namen berfeiben und ihr 
unnäges Perſonal zu erhalten, während flile und Pleine, 
aber den Umſtaͤnden angemeſſene Privatunternehmungen oft 
in kurzer Zeit ohne Beyhuͤlfe des Staates zu einem ne 
len Geſchaͤfte ſich erhoben haben. 

Man hat ſich in den letzten Zeiten gewöhnt, ben Adel 

unter dem nach unſern modernen Begriffen-fo: beliebten Ma— 
men eines Staats-Inſtiturs zu betrachten; dies beweist, mit 
welcher Blindheit wir in bie Geſchichte hineingefehen haben. 
Bey feinem Volk ift der Adel je inſtituirt oder gemacht wor⸗ 
den, wie irgend eine Anſtalt,“ fondern er ift, wie alle wahren 
National⸗Verhaͤltniſſe / von ſelbſt geworden und aufgewahfen, 
allmaͤhlich durch und mit den Nationen, und eben darum kann 
fein eigentlicher Urſprung auch nirgends nachgewieſen werden. 
Man bat ihn nicht aufgeſtellt, um ihm Rechte oder Funktio— 
nen zu uͤbertragen, ſondern er hat dieſe Rechte und Funktionen 
geuͤbt, weil ſie ſein natuͤrlicher Antheil waren; er iſt z. B. 
nicht zum Krieger auserwaͤhlt worden,wie man bie Militärs 
pflichtigkeit einer Klaſſe beflimmt, ſondern er zog in das 
Feld, weil Er der eigentlichemnd ritterlihe Krieger war; es 
find ihm nicht ſtaͤndiſche Rechte verliehen worden, um irgemb 
einen Mangel der Konftitution auszufüllen, ‚oder die Frey⸗ 
beit zu begründen, fondern er war Stand, weil die Freyheit 
geherrſcht hat, und er der. Freye geweſen iſt. 

Auf diefem Wege allein hat fih. der Adel, haben fih 
National:Berhältniffe, bar ſich Alles gebildet, was je felbft 
ein bildendes, kraͤftiges Daſeyn genoſſen hat, und alle unſre 
Verſuche, eine Einrichtung, ein Juſtitut, ein Etabliſſement 
(es gibt hiezu kein beſſeres, als ein franzoͤſiſches Wort) wer⸗ 


NT 


im Bezug auf die Verfaffung. 235 








den eitel und geckenhaft bleiben, wenn wir nicht den wirkli⸗ 
ben. und wefentlihen Kern dazu ſchon in der Natur vorhans 
ben finden, oder wenn gar, wie wir ben Fall hinſichtlich des 
Adels anmahmen, der alte Stammfhon verdorrt, und feine 
jungen Keime faul feyn follten. Dies hat ja eben alle unfre 
Moth feit zwanzig Jahren herbengeführt, daß wir die Eitelfeit 
hatten, zu fragen, wie die Dinge nad unfern Theorien feyn 
follten, und nit, wie jie in der Wirklichkeit waren, und 
praktiſch fenn follten ? 

Würde unfre obige Frage, ob der Adel in der That no 
beſtehe? ſich bejahen, fo wäre jede weitere Unterſuchung, 
ob wir ihm noch beſtehen laffen follten? nicht minder über: 
flüfiig. 
Denn der Gewalt tönnte ed au alsdann zwar allers 

dings gelingen, ihn mit Stumpf und Stiel auszurotten, 
aber die tiefe Wurzel und all’ ihre unfihtbaren Fafern, wor - 
durch ein Theil mit dem Ganzen zufammenhängt und in 
neue Triebe auszufhlagen ſucht, wird fie nicht heben Finnen. 
Was einmal ald ein lebendiges Glied der Nation wirklich in 
ihr vorhanden, was in ihr ganzes Dafenn eingeflocten iſt, 
das kann fie nicht herausreißgen aus fib, ohne ihren eignen 
Körper toͤdtlich zu zerfleifhen, und die Grundfeften . ihres 
Baues gefährlich zu untergraben. Die Regierung oder bie 
Nation kann Inftitute und zufällige Formen aufheben, aber 
nit, was zur Art ihres eignen Dafeyns gehört, ohne ihre 
Berhältniffe wie ihren Charakter zu gewinnen, und den 
Standpunft, auf weinen fe beruht, bis in fein Innerftes 
zu erſchuͤttern. 

Solche Unternehmungen bleiben gewaltfam und revolu⸗ 
tionär, wenn fie auch ohne Blut bemirft werden; fie opfern, 
was theurer und dem Nationalleben wichtiger ift, als Blut; 
fie führen früher oder fpäter zu dem Zuftande, in welchem 
fih die franzöfifhe Nation befand, und no befindet. Wan 
wird zwar den greuelhaften Wahnſinn, womit die franzoͤſiſche 


' e 
236 Weber d. Verh. d. deutfhen Adels zu feinen Mitftänders 


—_ — —r — — — 
Nation in ihrer Revolution von einer Fieber: Phantafte zur 
andern berumirrte, ald einen Beweis anführen, dag dieſe 
Zerruͤttung nicht durch einzelne, übel angebrachte Maßregeln 
veranlaſſt war, welche der allgemeinen Reaktion eine bes 
ſtimmte Richtung hätten geben müffen; fondern daß bie Aufr 
Köfung aller fittlihen und bürgerlihen Verhaͤltniſſe ſelbſt bie 
Bewegurfade diefer Revolution gewefen fey, weil dag franz 
zöfifhe Wolf ingeheim ſchon lange aller bürgerliden Ordnung 
und Bande unfähig war, und no iſt. Wir können diefe 
Einwendung, weil fie wahr iſt, nit wiberfpreden; aber die 
freche Reichtfertigkeit, womit es ſchon feit langen Zeiten Als 
les, was in det Tiefe des Dafeyns oder im Grunde des Ge⸗ 
muͤths heilig ift, zum Spielzeuge gemacht, womit es durch 
feine Tages: Begriffe die Wahrheit zur Kofette verdreht, und 
die Jungfraͤulichkeit aller natürlichen Verhältniffe des Staats 
und der Gefellfhaft ohne Scheu der Mißhandlung lüfterner 
Einfälle preisgegeben hat, diefe Leichtfertigkeit war es eben, 
in welcher der Sinn und die Fähigkeit für jede. bürgerliche 
Ordnung erflict ift. Daher hat diefe Nation e& erfahren, 
und durch alle Formen hindurch im der ganzen Reihe ihrer 
Konftitution: Mahmwerke das Bekenntniß abgelegt, daß ein 
Volt, welches Feine innere und natürlide Bande mehr zu⸗ 
fammenhalten, eiferner Zwingen des Despotismus bedarf, 
um nicht auch Außerlich zu. zerfallen. 

: Daß es um und Deutfhe noch beffer ftehe, werben wir 
wol den Deutfhen nicht beweifen muͤſſen; wir laffen gegen 
die vielen Anklagen, welche ihnen zu Schulden fommen, bie 
hocherzige Begeifterung foreben, mwelda fie zum Kriege ber: 
Befreyung bewaffnet, und den Feind im Innern, nicht allein 
feines Landes, fondern feiner Seele gedemuͤthigt hat. Al: 
lein damit wir vor diefer Selbfterhebung nicht matter noch zus 
rüdjinten, als wir ſchon gewefen find, und es ung nicht end» 
ih ergebe, wie jener Nation, von welcher 'wir nicht fagen 
koͤnnen, ob fie mehr. zu bedauern oder gering. zu ſchaͤtzen fen, 


in Bezug auf die Verfaffung. 237 








fo follen wir aus diefen Erfahrungen zwey Grundfäge fernen, 
und als Warner und Führer nie aus den Augen verlieren, — 
erftens, dag wir aus uns ſelbſt fhörfen, und uns von ber 
Sucht, womit wir fo lang und leichtfertig die franzöfifchen 
Staatsformen unferm Körper, wie ihre Kleider, angepafft 
Gaben, nicht etwa jeßt verleiten laffen, auch ihre neuen Ein: 
richtungen auf uns anzuwenden, weil, was in Frankreich ſo— 
gar paffend und zeitgemäß feyn kann, für den Deutfchen bey 
dem durchgaͤngigen Gegenfage feines Weſens ſchlechterdings 
verberblih werben muß, — zweytens, daß wir feßt, wo es 
noch Zeit ift, und Fuͤrſten und Voͤlker fih kennen gelernt 
haben, ernfthaft wieder. an eine naturgemäße und gerechte 
Begründung der bürgerliben Verhältniffe in Deutfchland den: 
ten, welde unfre Drganifationluft in allgemeine Verwirrung 
gebracht hat, daß wir nicht nieberreißen, was in ber That ba 
if, oder aufbauen, was der Vergangenheit angehört, daß 
wir dem Leben und dem Tode feine Rechte laffen, dag wir 
nit, wie Franzofen, was wir zu vermiffen meinen, zu er: 
finden, fondern mit gefundem deutfhen Sinne zu gebrauden 
ſuchen, was wir finden, ich will fagen, daß mwir feine Anlas 
gen in unfre Nation und Verfaſſung hineinkuͤnſteln; fondern 
allein denjenigen, welche wirklich im ihr. vorhanden find, 
freyen Spielraum verfhaffen follen, damit fie nicht gehindert 
feyen, ihre volle Kraftübung zu äußern, und ihre Gefundheit 
zu ſtaͤrken. Ä | 

“ Darum alfo muß auch in Hinfiht unſers Gegenftandes 
vor Allem gefragt werden, nicht, ob ein Abel in Deutfhland 
feyn foll, fondern ob er ift? 





III. 
Beſteht noch ein Adel in Deutfchland? 
Diefe Frage erfheint beym erften Anblick allerdings 
ſchwieriger zu feyn, als es die Wichtigfeit des allgemeinen 


J 


238 Ueber d. Verh.d. deutſchen Adels zu feinen Mitſtaͤnden 


— — — 





Anliegens wuͤnſchen laͤſſt, welches mit einer uͤberzeugenden 
wahrhaftigen Entſcheidung derſelben in ſo enger Verbindung 


ſteht. Denn mit Recht werden die Einen ſagen, daß es hier 


nicht auf Titel und Namen ankomme, fondern auf die Sache. 
Sie werden behaupten, daß von dem Adel in der That nichts 
mehr als ein Namen übrig ſey, von welbem man feinen Be: 
griff mehr angeben könne, weil Alles, was fonft mit demfel: 
ben als eigenthümlid verbunden war, alle Freyheit und 
Selbſtſtaͤndigkeit, alle Vorrechte und jedes verfaffungmäßige 
Gewicht oder Anfehen ihm fbon wirflid genommen ift. 
Selbft die Auszeihnung, welbe er an ben Höfen noch ge: 
nieße, ober in der Gefellfhaft prätendire, fen nur ein Reft 
alter Gewohnheit, und ganz prefär, weil fie auf feiner reel: 
len Stüge mehr berube. Dies beweife eben hinlaͤnglich, wie 
vollkommen fen äußeres Verhaͤltniß erlofhen fen, 
bag er mit allen Vortheilen, melde ihm ehebem zu Gebote 
fanden, dennochſſich nicht zu retten wuffte. 

Sie werden weiters fagen, daß der Adel auch inner: 
lich oder in dem Sinne des äbten Edelmanns erlofben fer. 
Wo ift jene alte Ehrenhaftigfeit, jener freye Männerftolg 
und die ritterlibe Männlichkeit? wo ift die zarte Hoheit und 
die milde Frömmigkeit der edlen Frauen? Wir fehen, wie 


die Edelleute dem freyen Landleben entfliehen, und in der 


Gefangenfbaft der Höfe herumſchranzen; wie fie, anftatt nach 
Zhatenrubm und nah dem Spiele des Ernſtes zu bärften, im 
den fogenantten hohen Zirkeln nad dem lüfternen Genuß ber 
Muͤßigkeit und nach gecdenhaftem Scheine laufen, oder um 
eigennüßigen Gewinn und um eine glänzende Karriere ſich 
bemühen; mie die Kunft gefhmeidiger Abſichtlichkeit und das 
lebenslange Studium eines fremden bon ton und Anftriche 
jeıten treuen und wadern Geift, jenen Sinn deutſchen Stols 
zes und deutfcher Freyheit in ihnen verdraͤngt hat; wie bey fo 
wenig äußerm Gewichte und innerm Gehalt ein bobler Duͤn— 
tel die Stelle jenes ritterlihen Selbftgefühls und Hochſinnes 


in Bezug auf,bie Verfafflung: = - 299° 





eingenommen, auf welben die Nation ehedem ihren Schutz 
gegen Äußere Feinde und — und die Stuͤtze Haag 
innern Freyheit gebaut hat. 

So ſorechen die Einen, und fie — nichts TER SU 
Dagegen wenden aber: die Andern eim, daß man zwar aller⸗ 
dings auf die Sache und nicht auf,den Mamen ſehen muͤſſe, 
in der Sache felbft aber: der Schein⸗ nicht mit dem Weſen zu 
vermengen ſey. Eine ſolche Vermengung werde ſogleich of⸗ 
fenbar, wenn man 'die angeführten, wenn gleich wahren, 
ober ifolirten Thatſachen mit: dem:ganzen Zuſammenhange 
des tieferliegenden Thatbeſtandes gegeneinander hält. RL 

Denn was züvoͤrderſt das aͤußere Beſtehen des Adels bes 
treffe, welches durch die Verfügungen der Regierungen vers 
nichtet zu ſeyn ſcheint; ſo komme es hierin gar nicht auf ſein 
Verhaͤltniß zur Regierung, ſondern auf jenes zu dem Fuͤrſten 
und Volk an, wovon die Regierungen in unſern Tagen ſelbſt 
ein nicht ſehr gleichendes Abſtraktum ſeyen. Aber noch haben 
es dieſe nicht dahin bringen koͤnnen, daß die Voͤlker von der 
Rechtlichkeit dieſer Handlungen ganz uͤberzeugt waͤren, und 
wenn man fie gleich genugfam verſtaͤndigt hat, daß es zu ih⸗ 
rem eignen Gewinn und zur Herſtellung der Gleichheit geſche⸗ 
beu fey, fo laffen fie es wohl fo hingehen als eim nit uns 
sortheilhaftes Ervediens in ‚einer Zeit, wo nur immer unter 
zwey Uebeln das kleinere gewählt werden muß; aber fie wol« 
len keine rechte Freude über die Sache, und noch weniger über 
den Örundfaß haben, der auch ihnen, wie fie.glauben, mande 
unerfreutiche Früchte gebracht hat; fie haben ein dunkles Ge: 

» fühl von Gewaltfamteit bey dem Anblide diefer Dinge, und 
fie meinen, daß man ‚die Gleichheit leichter entbehren — 
wenn man mehr Freyheit genoͤſſe. 

Dies feyen keine bonmots, fahren unfre REN 
fort, fondern man frage: das Wolf, wenn man es zu fragen 
verfteht, und höre, ob es nicht die wahre und unbefangene 
Stimme feines Gefühls fep. Daher komme ed, daß ber ei⸗ 


l 


240 Ueber d. Werk, 6; deutſchen Adels zu feinen Mitftänden 





gentliche und tuͤchtige Bürger den Haß, welchen die Eos der 
franzsjifben Revolution gegen den Adel in Umlauf zu brins 
gen gefucht haben, fon lange vergeffen habe, und ihn viel: 
mehr: bedaure, ja’ daß er: moch allenthalben ihn mit einer ges 
wohnten Achtung anſehe, umd daß Viele fogar ver Meinung 
find, die Sachen würden aufıdem alten Zuße beffer gehen. 

i.: Diejenigen, fagen fie, welde ſich noch ernſthaft gegen 
die Eriftenz des Adels erklären, machen nur einen geringen 
Theil des Volks aus. Es find nämlich meiftens entweder 
ſolche, die, den Verhältniffen der Übrigen Bürger fremd, 
in Theorien leben, oder folde, die ſich ihrem eignen Stande 
entwuchſen glauben, und darum mit den Vorzügen einer an: 
dern Kaffe nit wohl'vertragen koͤnnen. Sie machen einen 
Theil des ſogenannten gelehrten Standes und des Perſo⸗ 
nals aus, welches die Geſchaͤfte der Regierungen beſorgt. 
Die Heftigkeit, womit ſie gegen den Adel zu Felde ziehen, 
beweiſe wohl am deutlichſten, daß ihr⸗Gegner noch keines⸗ 
wegs etloſchen, ſondern in ihren eignen Augen ſein Daſeyn 
noch feſt und mannichfaltig in den nationellen Verhaͤltniſſen 
gewurzelt ſey. Aber ſo wie ſie ſelbſt von dem andern Theile 
der Gelehrten und Staats-Beamten vielen Tadel hören muͤſ⸗ 
fen, fo'haben fie auch keineswegs die Meitung des Volks 
für ſich, welchen die Grundfäge, die durch fie in das Staates 
wefen gefommen find, nicht behagen wollen; felbft die Fürs 
ften feinen fie mehr aus einer Art von Nothwendigfeit, ald 
aus eignev Wahl gewähren zu laffen. 

Denn in der That, fahren unfre Spreder fort, "haben 
bie Fürften, fo wenig wie das Wolf, von der Idee des Adels 
und feines Verhäftniffes zu ihnen ſich losgefagt, Selbſt in 
denjenigen Ländern, wo er am meiften über Unterdrücfung 
klagt, wird er für. eine nothwendige und weſentliche Umge⸗ 
bung des Throns gehalten, und ihm der Beruf zu den erften 
Nemtern zugefhrieben. Gerade, daß biefe Anerfennung 
feines Standes‘ eine blos perſoͤnliche wird, weil er aller aͤuſ⸗ 


in Bezug auf die Verfaffung: ° 241 


fern Reste, die ihm Gewicht geben könnten, beraubt ift, 
und daß fie ihm zu Theil wird eben von denjenigen, welde 
die Aufhebung feiner Rechte geſchehen laffen, diefes ift ein 
Ausdruck, welcher auf Feine Weife entfcbeidender zeigen 
Zönnte, wie herrſchend und tiefgegründer die Meinung von 
diefem Stande ſey. Ja, wir fehen Fürften, welche beynahe 
in einer Art von Verlegenheit gegen den Adel, als wenn fie 
ihn wider Willen und nothgedrungen hätten ſchmaͤlern müffen, 
ihn mit defto mehr verfönliher Auszeihnung zu behandeln fus 
Ken, und einzelne Glieder feines Standes befio GER 
mit ihrer Gnade bedenken. 

So lebt der Adel und erhält fih.in dem Glauben der 
Sürften, in dem Glauben des Volks. Wer kann da fagen, 
daß er erlofhen fey?, Rechte find ihm genommen, und dufr 
fere Stügen feiner: Macht ;. aber die größte Stüge ift ihm ger 
blieben, das gründlicfte Privilegium, jenes der Meinung, 
welche flärker.ift, als äußere Macht und nugbare Rechte. 

Aud wer kann ſagen, daß diefgr Stand, wenn auch die 
Gefege ſie ihm nicht mehr fibern, nicht aud Äußere Macht 
noch übe im großen Umfange? Wer umgibt allein die Haͤup⸗ 
ter der Nation durch den ausfhließenden Befig der Hofſtel⸗ 
len? wer hat die meiften Stellen in der Armee und die wich: 
tigfien Aemter im Staate mit all dem Anfehen und Einfluß, 
welchen ſie ihm auf Gefhäfte und Untergeordnete, auf Krieg 
und Frieden, auf die Armee und die andern Stände geben? 
Und, was vielleicht wichtiger und durchgreifender, als ſelbſt 
diefer Einfluß ift, geht nit von ihm die Sitte des Hofes, 
wie des Volks aus, ift ed nicht fein Beyſpiel, — gut. oder 
ſchlecht, — welches die große Gefellfhaft, wie das Innere “ 
bes Hauſes durchdringt, nah welchem ſich die Gebraͤuche und 
Freuden, die Begriffe des Anſtandes und der Ehre, die ganze 
Aeußerlichkeit des Seyns unter den uͤbrigen Klaſſen formen? 
Und endlich, — iſt denn feine Exiſtenz und ihr Einfluß ſo 
‘bios imaginaͤr und unmateriell, iſt fie denn nicht noch auf 











242 Ueber d. Verh. d. deutſchen Adels zn feinen Mitſtaͤnden 








einen foliden und fehr reellen Boden gegründet? Man hat 
feine Vorrechte nur angegriffen, aber fein Grunbbefig wurde 
ihm gelaffen; er ift im Verhaͤltniß feiner Anzahl bey Wei⸗— 
ten der größte Grundbeſitzer im Gebiete der Nation, und 
wer die Macht des Reichthums kennt, befonders jene bes 
Grundeigenthums, wer ſich aus der. Geſchichte erinnert, wie 
die alten und neuen Zeiren Alles, was bauern follte, durch 
ben Antheil am unbewegliben Nationalbefige zu befeftigen 
geſucht haben, der mag die Bande und die taufendfältigen 
Berfhlingungen erwägen, dur welche diefer Stand au in 
die materiellen Verhältuiffe der Nation eingeflochten if. 
Nah dem Alten. kann man nicht mehr fragen, ob der 
Adel feinem Weſen nah noch Äußerlich ‚beftehe, und. hiemit 
fiheint auch ſchon bie zweyte Frage entfchieden zu feyn, obien 
auch innerfib noch fein Dafeyn behaunter habe; denn was 
von Außen, ungeachtet bed Widerſtreites, noch einen fo wirt: 
famen Beftand erprobt, das muß nothwendig auch im Innern 
noch eine erhaltende Kraft befigen. : Aber diejenigen, welche 
wir bier bisher haben ſprechen hören, ſind mit einer ſolchen 
allgemeinen Beweisftelle nicht zufrieden; fie fahren ‚weiter 
fort und fagen: | z Ä 
Was ihre Andern uns vorgeftellt habt von der innern 
Berdorbenheit des beutfhen Adels, finden wir im Allgemeis 
nen fehr gut und nicht übertrieben (Ausnahmen gebt ihr felbft 
zu), ja wir erkennen eure Mäßigung, denn manch Arges 
hätte fib mit Grund noch dazu feßen laffen. Aber auch hier 
müfft ihr euch hüten, den Schein der Sache nit mit dem 
MWefen zu vermengen. Das Mefen eines Standes aber, wie 
eines Volks, zeigt ſich nicht im Charakter der Menge oder der 
Verdorbenen, fondern der Wenigern und Beffern; denn bie 
Menge macht ja überall nur die Hülle des Kernd aus, und 
it eben barum dem Faulwerben zuerft ausgefegt, und die 
Verdorbenheit ift ja nichts als der Zuftand eines Dinges, 
worin es vomfeinem Wefen abweicht, und aus welchem darum 


in Bezug auf die Verfaffung. 243 





diefes nicht beurtheilt werden fann. Das’ Schlebte liegt 
meiftens in den Umfländen; das Beffere aber, welches fid 
noch regt, weist aus, was aud jenes unter andern Umftäns 
ben ſeyn könnte und würde, Die Beftätigung von dem, was 
wir fägen, habt ihr genug mit eignen Augen gefehen, und 
febt fie noch taͤglich; denn wollt ihr annehmen, daß ber Geift 
diefes Standes erlofhen fen, weil fein größerer Theil entar: 
ter ift, fo müfft ihr aus demfelben Grunde auch an dem Les 
ben unfrer ganzen Nation verzweifeln, weil fich leider nicht 
wider ſorechen läfft, daß diefelbe Aufldfung der Sitten zum 
allgemeinen Charakter aller Stände geworden iſt. Nicht aus 
der Allgemeinheit, fondern aus der Tiefe des Uebels ift es zu 
erkennen, ob eine Klaffe, oder eine Nation im Grunde vers 
borben fey. Wir glauben es z. B. von den Franzofen, nicht, 
weil ſie im Wahnfinn Gräuel begangen haben, — (davon _ 
ft die Geſchichte weniger Völker ganz frey); fondern weil fie 
mit Befonnenheit und kaltem Blute Schlebtes gepflegt und. 
geübt und geehrt haben feit lange zu allen Zeiten und bey jes 
dem Wechſel der Umftände, weil fie es zu keinem Ernft und 
zu feiner Ueberzeugung mehr bringen fonnten im Guten, 
fondern Alles ihnen zur Grimiaffe und Maske, und das Les 
ben feil geworben ift für ſchnoͤde Abſichten, und weil die we⸗ 
nigen Guten und Treffliben, die unter ihnen leben, ausges 
fioßen und verfümmert da fiehen, wie erotifhe Pflanzen auf 
fremdem Boden, und fein Gehör finden Finnen bey dem taubs 
geworben Volk. Darum fagen wir, daß dieſes Volt in 
feiner Wurzel verdorben fey, daß es feine Entartung nicht, 
wie etwa ein verzogenes Kind feine Unarten, ablegen könne 
unter andern Umftänden,  fondern mit neuen Generationen 
erft beginnen müffe, jenen Sinn wieder zu erlangen, welden 
die gegenwärtige unwiederbringlic verloren hat. 
Andres haben wir in Deutfchland gefehen. Ungerathen 
und verfehrt war aud hier der große Haufen, und nur Mes 
nige haben das Heiligthum ihres Gemuͤths gerettet. Aber 


\ 


244 Ueber b. Verh. d. deutſchen Adels zu feinen Mitſtaͤnden 








deßungeachtet hat das Volk die, geheime Scheu nicht unters 
drücen Binnen vor feinem.eignen Thun, und fo gern es fich 
beftrebt hätte, mit den Franzoſen über feine Gewiffenhaftig: 
keit zu laden, fo fühlte es, wie eim unartiges Kind, daß es 
auf firafbarn Wegen gegangen; es. hat, wie ed fi, auch vor 
den Franzofen darüber ſchaͤmen wollte, den Ernft der Wahr: 
heit und der Ehrlichkeit nicht los werden können in all feinem 
Beginnen, und was jene nur zum Trug und Spott benüßt, 
das hat es treuherzig aufgefafft, und zu menſchlichen Idealen 
umzubilden verfüht. Es hat ben Glauben nicht aufgeben 
koͤnnen, und nah einer höhern Hand hinaufgefehen, welde 
ba wieder retten füllte, was es in feiger Selbſtſucht und 
Stumpfheit hat untergehen laffen. So war es durchaus noch 
beffer, als es hatte feyn wollen, und mitten in ber Zerrüt- 
tung ift ihm ein warnender und ‚treuer Genius auf allen Ab: 
wegen nebenher gegangen. Es waren dies aber die Wenis 
gen, inwelden er fi bewahrt hatte, und vor welchen das 
Bolt feine Ohren nicht hat verſchließen koͤnnen, und je toͤdt⸗ 
liher der Drud und Triumph des Schlechten jede edlere Kraft 
zu erſticken drohte, defto mädtiger wurde das Regen der 
Geifter. Was erft nur in Wenigen und im bloßen Reiche 
der Ideen zu glimmen ſchien, das brang mit umfihgreifender 
Glut in die Maffe des Volks ein, und mit bangem Grauen 
fingen felbft die Unterdrüäder und Verfuͤhrer zu ahnen an, 
daß der Geift eines folben Volks nicht erlofben, und daß 
er niht aus der Menge, fondern aus den We: 
nigen, bie:ibn bewahren, zu erfennen fey. 

Da war der Zeitpunkt gekommen, welder aud bie Ah: 
nenvrobe des deutfchen Adels begehrte. Was an der ganzen 
Nation fih bewieſen, muffte auch an ihm fich offenbaren: er 
war nur ein Theil von ihr; ihre Stufe muffte auch die feinige 
ſeyn. So lange er nicht zu Thaten gefordert wurde, fo _ 
blieb ihm nichts übrig, als fih im muͤßigen Genuffe zu verzeh: 
ten; denn feine Beftimmung war von geher nicht eine geiftige, 


In Bezug auf die Verfaſſung. 245 





fondern eine politifhe. Nun aber muffte der beffere Sinn, 
welcher in der Nation fih zu regen.begann, — follte er je 
zur Kraft fib entfalten, — ein politifher werden, und im 
MWiderftreite fih üben; der Geift muffte von den Ideen ber: 
abfteigen zur wiberfpenfligen Wirklichkeit; in den Haß des 
Schlechten muffte er fih verkehren, in ber Anfeindung des 
Gegners feine Nahrung fuhen, und im der Gefährlickeit 
der Verfolgung feine Kühnheit flärfen, um ſich zu Pünftigen 
Thaten vorzubereiten. Das war der erfte Augenblick, tele 
her den Abel wieder zu feiner Beflimmung rief. Was nur 
die Wenigen als ſelbſtſtaͤndigen Ruf in eigner Bruſt getragen, 
drang auch bey diefem Stande, wie bey den übrigen, in die 
Maſſe ein; der Adel erfüllte feine Schuldigfeit, er wurde 
ber eigentlibe Kern, um welchen ber nolitifhe Haß gegen 
Frankreich fi anlegte, er war die Effe, in welder Deutſch— 
fand die Flammen feiner Feindſchaft anfachte, und ben Stahl 
zu feinen künftigen Thaten glähte. Da gab es Verhaftun—⸗ 
gen und Landes: Verweifungen, Männer wurden ih die Acht, 
und Befigungen für verfallen erklärt; die deutſche Nation 
fah ihren kleinen und unterdruͤckten Edelmann mit dem fran⸗ 
zoͤſiſchen Kaiſerreiche im Streit; die kecke Perſoͤnlichkeit der 
alten Zeit erweckte die Exinnerung alter Groͤße Deutſchlands, 
und freyer und ſtolzer fingen. die Gemüther an zu athmen, 
weil der Grimm des: Unterdrüders ihnen-den erwachenden 
Widerſtand verkuͤndigte. Es war eine wahrhaft ritrerliche 
Zeit, und herrlich zu fehen, wie die Edlen das Volk um fid 
gefammelt gegen die Dränger, wie fih gleich alten Zeiten 
Verbindungen gebildet und. Heereshaufen auf. eigne Hand, 
wie fie auszogen auf Abentener, dag große Unthier zu erlegen, 
und, da nicht das Unglüd: fehlgefhlagener Unternehmungen, 
noch Bann und Blutgerichte den ftolzen Nacken beugten, fich 
son Neuem zu erheben. Mit Freude und Dank erinnert fi 
der Deutfde ber Doͤrenberg, der Bentink, der Weſt⸗ 
phaler, Winzingerode, Braunfhweig, und, um 


\ 
u 


246 Kleine Hiftorifche Denkwuͤrdigkeiten. — 


m 
für Alle Einen zu nennen, des ritterliden Stein. & ev 
nahte und bereitete fih die Stunde der Befreyung, umd als 
fie gefommen war, und ganze Wölkerftämme Deutſchlands « 
auffuhren, fi zu waffnen, ba floffen die Aufgebote des Adels . ei 
aus allen Ländern brüderlid mit dem freywilligen Heeres⸗ 
Strome der andern Stände zufammen, und Europa fah, die , 
Feinde fühlten es, daß der Geift der deutſchen Na: hi 
tion noch lebe und ihren adliden Gefglegtern 











eigen fey. ii 
(Der Beſchluß folgt.) h 

x . M 

Ä R 

VI. J 


Kleine hiſtoriſche Denkwuͤrdigkeiten. 


Einiges über Spaniens Finanzen 


Die fpanifbe Central: Junta, welde vom Senteniber 
1808 bis Jänner: 1810 die Leitung der fpanifhen Angelegen⸗ 
heiten beforgte, madte bey ihrem Austritt und ihrer Abldfung 
durch den erfien Regentfbaftrach verfchiedne Urkunden über 
ihre Amtsführung befannt, ‚aus derien wir nadftehende Ueber: 
fit der waniſchen Poft: Einkünfte: herausheben.. Diefes 
Verfahren, weldes fo fehr mit dem der gegenwärtigen Regier 
zung abfliht, ruft folgende zwey Stellen aus dem ewig merk⸗ 
würdigen Compte rendu au:roi par Mr..Necker, au 
mois de Janvier 1781 in's Gedaͤchtniß. 

S. 3 ‚Mur in dem erſten Augenblide, wo ein großer 
„Staat in Bewegung geräth, wird das Licht, das er über 
„feine Finanzen durch Publizität verbreitet, etwas beengend; 
„aber wenn diefe Publizität Beine andre Wirkung hätte, als 
„‚fünftiger Unordnung vorzubeugen, welchen — 
„chen Dienſt hätte fie nicht geleiſtet!“ 

©. 4. „Es iſt demnach eine große Verwaltung ⸗ Aaſlcht 


Etaatd:Minifter Freyherrn von Stein, ald Vorſteher 
des oberiten Verwaltung: Departements, enthaltend, den 
An trag auf ungeſaͤumte Niederfklagung der Ariegskoften: 
Ziquidation ıc, datirt Wien den 21. Nov, 1814. ; 
a7. Mote, wodurd die Bevollmäctigten der Kürften von 
A A und Hobenzollern: 
igmaringen, dem faiferl. Fönigl, öfterreibiiwen 
' Staatd und —— ıc., Herrn Fuͤrſten von 
, Metternich, den eptritt ihrer Gommittenten zu 
Der Miote 29 deutſcher fonverainer Kürften und Städte vom 
16. Nov. 1814, erklären, datirt Wien den 24. November 
.. 1814. , 
43. 3wep, von dem Gefandten des fchmeizerifhen Kantons 
Brn dem Gongreb in Wien eingereichte Denficriften. ©. 
29. Note der großberzoglibsbadifchen Devollmäctigten 
an den k.k. vfierreibiichen Staats- und Conferenz— 
Miniſter ıc., Herrn Fuͤrſten von Metternich, und 
eben fo an den koͤnigl. preußiſchen Staatskanzler, Hrn, 
Sürftenv. Hardenberg wegen Einführung einer land; 
ftändifhen Nerfaflung,datirt Wien den 1. Dec.ıg14. ©. 143 
F- Erflärung in dem Parifer Amtsblart (Moniteur uni- 
versel) am 5. Dec, 1814, betreffend die Vereinigung 
Sachſens mit Preußen, ©, 144 


136 
37 





Stuttgart und Tübingen; in der 3, G. Eottarfhben Buchhand⸗ 
ng iſt erſchienen: 
Allgemeine dentſche Juſtiz- und Polizey-Fama, herausgegeben 

| von Hartleben, Juni 1815. 

Morgendblatt 

für gebildete Stände 1815. Juni. 

i Inhalt. 

⸗ Entſeylicher Gemahlmord. — K. R... A. H... und W. 
©... Wallfahrt nach dem ſogenannten Garten (Jardin) des Monts 
kanc. (Fortſ.) — Als dem Lord Mannefield feine Bübliothek abs 

s Itranmte, Von Hg. — Kampfgedichte. Bon Karl Lappe 3. 

. Mluf Moreau’s Fal, — 4 Unferm Sronpringen, Im October 

11813. — Stimmen aus England über Napoleons Unternehmung. 

I — Geiz. — Laura Adoprandini, — Beſuche. — Kr. Doktor 
Wol fart in Berlin. — Die Potenzirung des Affen zum Menſchen. 
Ein Brubftäd frauıdfifber Naturpbilofophie. Ans der Zoologie 
philosophique des Hrn. Lamark, Profeffor der Naturgefihichte am 
Jardin des Plantes zu Parit, Bon F. — Die Retterinn vom 
Tode, Bon F. K. Hoͤd. — Proferpina, Melodram von Goes 

’ te, Muſit von Eberwein. — Gedenfbub. Bon Weiffer, 

Die Lodpreifer der alten Zeit. Widerſpruch. An ben Romddiens 
Igreiber. Ermunterung an die Schrifttteler. Die Nachbeter. Die 
Ehrfurchtgebietenden. An die Mufen im Krieg. Frauenftärte, Der 
Liebhaber. Ungewißheit der Dinge. Un die Lobpreifer alter Se⸗ 
harte. Das gürnende Mädchen, Die Bücher. Die Kinder, Noch 
ein Wort Über Nationaltrachten, Der Ehrgeiz. Eine Wahrheit von 
der Wahrheit, Die Alıufie. Die Werftandssfeinde. Die fieben Weis 
fen, Lehre und Beyſpiel. Armen Anflaiten, Vielſchreiben. Rath 
für mid und Andere, Frage, ben Nachdruck betreffend. Große Schrifts 
fteller. Verborgene Gedanken. Schoͤne Gefuͤhle. Der erfrorene 
Weinſtock, Sroße Opfer für Pleine Zwecke. — Wanderung von Alx 


in der Provence nach Marfeille. — Deutſches Kriegstied. Bon G. 
— Spruch. Aus dem Talmıd. Bon .o. — Triolette, 1. Antios 
Triofett, Bon Gottfried Büren. 2. Das Hätten im Grünen. 
Bon Klamer E. K. Schmidt. 3 Dig Gegend am Walde. Won 
Fr. Rabßmann 4. Der Raus, Bon v. Halem. 5. An Thraſo, 
Bon Hg — Die fanelbafte altdeutſche Gefchihte Aleranders 
des Großen. — Irrlaud, mit England vereint. Bon Ha — + Der 
Blumenhügel. An meine Kinder. Won Karl Lappe. — Flucht. 
Ron Ebd. — Topia Eines Churfuͤrſil. Brandensr. Rescripti an dero 
Rath und Resident an Koͤnigl. Frangöfiihen Hoff den von Spaus 
beim. — Aualekten ans Leibnitz's Brieſwechſel. Bon J. K. 
Hd. — Dentatus. Won Hg. — Fooling. Bon Erd, — Alte 
Familienfage, vom Sabre 1765 datirt. — Kleine Gedichte. Bon 
Weiffer 1. Kenngeihen. 2. Der erwäblte Freund, 3. Der Lägs 
ner. 4. Schickſal der Wahrbeit. 5. Der Neider. 6. Der legte 
Wille — Die Schnerfe. Bon J. K. Hdd. — Amors Laͤuterung. 
Bon Hg — Die Florentiner Stropflebterinnen. (Einem Briefe 
aus Florenz vom 4. May 1513 Über die itäriänifche Landwirtbſchaft 
anthoben, der fibim Februar: Heft 1815 der Bibliotheque brittanique 
befindet.) — Die ewige Roma. Bon B. — Seltene Freunbichaft. 
Boy Neuhofer. — Klopftod und Bodmer. Klopſtock an 
Bobmer. Zuͤrich, im Detember 1750, — 2) Klopftocd an feine 
eltern. — 3) Gleim an Sulzer. — 4) Sad an Klopfod. 
— 5) Aus einem Briefe Hirzels an Gleim, vom ıjten Maͤrz 
1759. — Nachleſe. — Nagtfeyer an Theodor Körners Grab 
mal. Bon Viſcher. — Dem Andenfen meines Freundes Sins 
clair, Bon Schror. — Ueber Lord Elgin’sd griechiſche Kanſt⸗ 
fanmlungen. Bon Bbrtiger. — Gedentkbuch. Bon Weiffer 
Die Unbeltftifter. Segen die Excentriſchen. Singers Werke, Der 
rechtmäßige. Verleger an den Wachdruder einer gewiffen Schrift 
Wohlthaten gegen Feinde, SKeidenfchaften. Der Schwaͤtzer. Der 
Sonderling. Der Zrinfer. Verdienft der Schönheit, Der Tod, Welts 
Penntuts. Seſtaͤndniß. Die Schmaͤhſuͤchtigen. Verhelmlichtes Aıter, 
Die Schwaͤrmerey. Teufelolehre. Der vergeffene Poet. Die Frevs 
beit. Das Weinen. Biographie von Manchen. Aehnlichkeit und Uus 
äbnlichkeit, Die weife Jugend, Unbelohnte Verdienſte. Die heutigen 
Poeten, Langeweile, Die Geißel. Die Verbaßten. Mufterbafte 
Kecenfion, Die Meifter. Mein Entſchluß. — Ode auf Kerzog 
Ehnriftopb. Von B. — Pode in ihrem Morgenzimmer. am 
24. Febr. Bon Hor ſtig. — Gent im ſechzehnten und ſiebzehnten 
Sahrhundert. — Zn Schil lers und Jfflands Audenken. Nas 
fpiel gu den Nageſtolzen. — Literariſche Notizen aus Hamburg. — 
Dem Sieger Bellington, Lied nah ber Melodie: „Ende, nie 
geträbt von Leiden, — Wirken und Denken, Bon Horftig — 
Die an der Gränze ftehenden Schweizer an ihre aus Frankreich heim⸗ 
Behrenden Brüder, — Das Mobetl. Bon F. 8. Bährer. — 
Kotte und Lydie. Bon Hg. — Anden Grafen Perduto, Bon Ebb— 
— Ein Paar Worte üder eine Anekdote im Morgenblatte, Nro, 143. 
Bon Weiffer. — Dbe auf den Sieg vom 13. Juni 1815. Bon 
Viſcher. — Reiſe von Rom nad Amfterdam, Bon Adr. Ban 
ber Willigen. — SGeſchrieben auf Athens Trümmern, Nach 
Lord Byron. Ben Hg. — Frage und Löfung. Bon Ebd, — 
Sean Emanuel Gilibert, Bou U, — Ferner Korreſpondenz⸗ 
Nachrichten aus Aadyen, Berlin, Deffau, Düfjeldorf, Königsberg, 
Kovenbagen, Leipzig, London, Münmen, Ob ....... Koͤnigl. Bay, 
Rezat⸗Kreis, Paris, Stuttgart — Charaden, Logogryphen und Raͤth⸗ 
ſel und deren Aufloͤſung. 





Kleine hiſtorlſche Dentwürbigteiten. 247 





/ don Seiten Ew. Majeſtaͤt: bie Srlaubnig zur Beranntmas 
„chung des Zuftandes Ihrer Finanzen erfheilt zu haben, und 
„ich wünfde für die Wohlfahrt und. die Macht ‚des Königs 
„reihe, daß diefe gluͤckliche Einrichtung nicht vorübergehend 
„ſeyn möge. In der That, was iſt vum ſolch' oͤffentlicher 
‚„‚Darlegung zu fürdten, wenn — um fie zur Örundlage 
„und zur Stüße bes Staats-Credits zu machen, — es weis 
‚ter nichts bedarf, ald die einfachſten Regeln. der FZürftens 
„Moral zu befolgen; nämlib: die Ausgaben den Einfünfs 
„‚tenzanzupaffen,- und den Darlehnern, wenn der Staat in 
‚ihrem Zutrauen fich eine Külfquelle eröffnen m, ein Uns 
„tespfand anzubieten!’ 

Einnahmen der fpanifchen Poftämter vom Dezember 
1808 bis Ende Hornung 1810. j 


In Europa. Realen. Maravedi. *) 
Alicante . . nr . 159,000 — 
And ee 126,795: 6 
Val 2 He ee ..38,820 — 
Cadiz — 5 « 1,738,314 20 
Earmm 0.2 UT. 32,870 10 
Garolina a Re Se 3,000 — 
Carthagenn. 0. 33,481 17 
Cordon 0. = 63,740 _- 
Ciudad: Rodrigo . W 2,320 = 
Cie : 5; 5 4,8. 154 436 4 
Send 2 4340, 261 ı 
Jaen ..e “ A D . 22,000 — 
Mila 2 0 307, 103 U 
Manzangrez ee 3,806 — 
Mita 2 ee... 107.695 — 
Orenſe We ng 33,538 15 
Dviedo . . . er 2,000 — 
Palma de Majoreaea. 6,000 — 
Sevilaa 87, 882 16 





*) Ein Real gliit5 Sold oder 7 Kreuzer RW, 34 Maravedis mas 
den einen Real; folglich geben 5 Maravedls auf 1 Kreujzer. 


\ 


248 Kleine hiſtoriſche Denkwuͤrdigkeiten. 





— — 
Realen. Maravedi⸗ 
ut — — 
Rarraaot 00° 7,320 nn 
Koleo . . . . . 20,000 — 
Trurillo ne eh 2,431 — 
Valencia . . 265,909 ‚ı7 
Selede kon . . 0 * 13000 — 
Don dem Heerſchatz in Sevilla 1,020,000 — 
Andaluſiſche Poſtte. 2320 24 
Ertrag der Europaͤiſchen Poſteu 54424,045 23 
In Amerika — 
Moftvermaltung von ben Carracas "512,677 17 
— von den Canariſchen Infelt . - -, 49 490 — 
— — Garthagena « 160,000 — 
ee, u 12 
— — Veracruz und Meriko 13,240,000 — 
— — Montevideo. 140,000 —“ 
Ertrag der amerikaniſchen Poſten 16,737,786 29 
Hauptfumme 22161,832 20 
(oder in Reichsgeld 2,585,547 fl. 3 fr) 
auf jenes Ertraanf von . * 22,161,832 20 
waren Ausgaben angewieſen 20698,014 4 
Blieb ein Ueberſchuß von . . \1 463,818 16 


Unter den Ausgaben waren die beträchtlichften : 
Ein dem Hauptſchatz gemachter Vorſcuß 
von A 8,500,0600 
Zuichüffe zu den 6 Waffen Werfätten vor 
Cadlz, Sevilla, Tarragona. Kerej de la 
Frontera, Grenada und Giron 4878 392 
Geheime Ausgaben fuͤr Belohnungen '2,054,338 
Geheime Ausgaben für den Briefwechſel 
mit Madrid im Jahr 189 .« 1214, 8ol 
Für die reitenden Boten der Heere vom 


Centrum und Eitramadtura . "491,957 ' 


Dem Grafen d’Duate — General-Kourier 
von Spanien. BET j "208,334 


Das uUebrige ging für Verwaltung⸗ Koſten, Beſoldungen, Penſio⸗ 


Ft 


nen, Kabinets:Kouriere, fo lange ſi ie in den — der 


Heere waren, uf. w. auf. 





Suropäifhe Annalen 


Jahrgang 1815. 


Neuntes Stud 


— — ——— — — 


Tuͤbingen 
in der J. ®. Cotta'ſchen Buchhandlung, 
1815 


Inhalt. 


J. ueber das Verhaͤltniß des deutſchen Adels zu ſelnen 
Mitkäuden in Bezug auf die Verfaſſung, Geſchl.) S. 249 
II. Der Krieg in Spanien und Portugal m den Jahren 
1808 — 1814. Nah engliſchen Originalquellen. S. 294 
III. Die Kunſt des Krieges. ©. 331 
IV. Ueber den Werth der Kolonien von 3, C.2. Simon 
de die Sismondi. | | ©. 353 
V. Sapitain Mathias Flinders. in merfwürdiger 
Bevtrag zur geheimen Geſchichte von Buonaparte’s 
Herrſchaft. ©, 363 





% a * 


Godex diplomaticus. 


st. Note des bevollmäctigten Abgeordneten vieler 
deutfben fürflihen und gräfliben Käufer, 
welche durch die rheinifhe Bundes:Afte andern deutſchen 
Fürften untergeordnet wurden, an die kaiſerl. öfters 
teibifhben, königl. preußiſchen und königlichsgroßs 
britannifch » bannöverifhen erften Bevollmäctigten, 
datirt Wien den 7. Dec. 1814; betreffend die Nectsvers 
wahrung der erften gegen die Note der bevollmädtigten 
Abgeordneten 29 deutiher unabhängigen Fürften und 
freven Städte v, 16, Nov. 1814, mit Benfügung einiger 
Waͤnſche in Abſicht auf die künftige Verfaſſung des deuts 
{hen Staatenbundes und der deutſchen Länder. S. 
52. Erwiederung⸗Note ber bevollmaͤchtigten Abgeord; 
neten zı vereinigter deutſcher (ouverainer Fuͤr— 
ften und freven Städte, an den fönigl. großbritans 
nifhsbanndverifchen erften Bevollmächtigten; Staats 
und Gabinets: Minifter, Grafen von Münfter, Die 
Wiederberftellung der Kaiferwürde betreffend, datirt 
Wien den 20. Dec. 1814. S, 152 
53. VBorftellung der fürftlihen Gefammthäufer Solms 
und Wied, wegen Aufhebung ihrer Unterordnung unter 
Souveraine des vormaligen rheinifhen Bundes, batirt 
Wien den 27. Dec. 1814. : 
54. Antwortibreiben des Fönigl. großbritannifbshan: 
növerifen erften Bevollmächtigten, Hrn. Grafen v. 
Münfter, auf die unter dem 27. Dec. 1814 im Namen 
der Gefammthäufer Solms und Wied an ihn erlaffene 
Borftellung, datirt Wien den 6. Jan. 1815. S. 159 
55. Note des fürklih soranifhen und naſſauiſchen 
Bevollmächtigten, Freyh. von Gagern, an den föntgl. 
banndverifhen erften Bevollmächtigten, Hrn. Grafen 
v. Münfter, ale indivtdueller Nabtrag zu der 
an diefen, unter dem 20. Dec. 1814 von den Bevollmaͤch⸗ 
tigten der vereinigten deutſchen Fürſten und Städte erlaſ⸗ 
fenen Erwiederung: Note, datirt Wien d. 13. Jan. 1815. S. 160 
56, Memoire der Bevollmächtigten des ehemaligen uns 
mittelbaren deutfihen Reichsadels, enthaltend P 0: 
Ittifche Gründe für Erhaltung des unmittelbaren. alten 
deutſchen Reichsadels, datirt Wien den 28. Jan. 1815. S. 168 
57, Rechtsverwahrende Morftellung und Bitte 
der, durch die cheinifhe Bundes: Afte, verfhiedenen Deuts 





J. 
Ueber das Ä | 
Verhaͤltniß bes deutſchen Adels zu fine 
Mitftänden 
in Bezug auf die: Werfaffung:. 


u — — 





w. — 
Die Beſtimmung des Adels und der Abrigen 
Stände in Bezug auf die Stufenleiter der 
National» Entwidlung. | 


Es if fein Zweifel, dag ein tuͤchtiges Bolt auch * 
eine Klaſſe beſtehen koͤnne, welche durch ihre Aus zeſchnung 
ihm das Bild eines von den gemeinern Banden unabhaͤngigen 
Daſeyns gegenwärtig: halten kann. Indeſſen fegt dies einen 
Stand glüdlider Unſchuld oder hoͤherer Kultur voraus ald 
derjenige ift, beffen ſich die meiften europäifgen Stoaten, der⸗ 
malen erfreuen koͤnnen. So viel iſt aber gewiß, daß, mo 
einmal ein Adel wirklich beſteht, und. das Volk an eine Ab: 
ftufung und lebendige Wechſelwirkung dieſer Art unter ſich 
ſelbſt gewohnt iſt, kein Glied aus biefer Kette gewaltfam 
berausgeriffen werden könne, ohne den allgemeinen Körper 
zu verlegen, und eine gefährlihe Luͤcke im Zuſammen hange 
des Ganzen zu hinterlaſſen. Wir wollen nicht näher unters 
fußen, melde Folgen eine folce plögliche Unterbrechung und 
Lüde in Deutſchland aͤußern würde, ob die Menge in ‚dem 
gemeinen Sinne des Ermerbs, und in dem rohen Dünel des 
Beſitzes ſich verlieren würde, weil kein Maß außer, und kein 
weiteres Ziel über ihm fie mehr an feine Unterordnung erins 

ı nern Pönnte, oder ob die Gewohnpeit und bas Beduͤriniß 
Europ. Unnaten. 9tes Std, 1815 17 


250 Veber d. Verb. d. beutfchen Abels zu feinen Mitſtaͤnden 





eines hoͤhern Standes die Luͤcke unter andern Titeln mit 
ſchlauen Emporkoͤmmlingen/ und Menſchen des Gluͤckes ausfüls 
len wuͤrde, welche ihre gefundenen Vorzuͤge immer ſchlimmer 
und uͤbermuͤthiger ausdehnen, als ſelbſt ein entarteter Adel 
feine augebornen, oder was ſonſt etwa geſchehen moͤchte; Al⸗ 
„les biefes kann hier unerörtert bleiben, weil felbft die Gegner 
des Adels es wohl einfehen‘, daß es AiBe in ber Zeit liege, 
an feine wirkliche Auflo ſung zu denken. 

Aber ſo nachtheilig alle die Folgen — foͤrmlichen Auf⸗ 
hebung auch ſeyn moͤchten, ſo ſehen wir fein geringeres Uebel 
in der Fortdauer feines bisherigen Beſtandes. Wir leben in 
feiner Zeit, weldg ‚in gutem Gluͤcke und Gedeihen ſich unbe: 
ſorgt geben laſſen uud darauf rechnen koͤnnte, daß ſich das 
Gehsrige in allen Ding ingen felbft finden werde. Wir haben 
feit lange ein Unwefen. getrieben, daß die Natur in ihrem 
Gange irre geworden iſt. Ein Jahrhundert ber Erbaͤrmlich⸗ 
keit hat‘ unſre Einrichtüngen erſchlafft; eine Generation hat 
bdarauf an ihrer gaͤnzlichen Zerruͤttung gearbeitet. Was uns 
geblteben, iſt nur noch der Sinn fuͤr das, was wir verloren 
haben, und in Truͤmmern vor und fehen., So kann es nicht 
bleiben, wenn wir nicht verwildern ſollen in der Wuͤſte; eine 
ñeue Ordnung muß werden⸗ damit die Verwirrung nicht auch 
das tete bertifge." Auch dad äußere Gerüfte des Adels ift 
wie ein Tage vernachläſſigtes Gebäude verfallen; die Privi⸗ 
legien, welche man ihm in neuen Tagen genommen, waren 
nur das Letzte und Kleinfte; denn die eigentlihe Beftimmung 
feines Daſeyns war ihm ſchon lange entwunden. Ein folder 
Statid ift nicht blos ungluͤcklich, fondern er wird mit ber Zeit 
allch gefhrlich; was ein organiſches Giieb der Nation ift, 
bat auch feine beſtimmte Fünktlon in ihrem Leben; nehme ihm 
diefe,, und es wird auf Koften der Andern fümeigen. Nehmt 
dem Menſchen ſein Geſcaͤft, und es wird der Ernſt und der hoͤ— 
Er e Sinn in ihm erloͤſchen, den das Gefuͤhl ſeines Berufs und 

er ist ihm gegeben‘; der Muͤßiggang iſt auch im Großen 


2 en Bezug anf die Verfaffung. :- 251 








der Anfang aller: Lafter gewefen. Einen Stand im Staate zu 
dulden, der an Peinen Beruf mehr gebunden, ift gleich verberb- 
lich für ihn felbft und für alle übrige Stände, auf welche feine 
unvermeiblie Entartung fih verbreiten muß. Wollt ihr alfo, 
daß der Adel nicht zum Auswuchſe werde, der am gefunden 
Körper zehrt; wolle ihr, daß er den Sinn bewahre und pfle⸗ 
ge, den er no in unfern Zagen bewiefen; fo müfft ihr. ihm 
ein Werf auflegen, an welchem er ihn üben und prüfen koͤnne, 
Ahr muͤſſt ihm durch Pflichten feine Bedeutung fühlbar machen, 
und durch einien Beruf ihn feffeln an fich felbft, an den Etnſt 
Des Sffentlihen Lebens, und an die Freude des Wirken: 
Welche Beſtimmung man dem Adel geben fo?" Dies 
würde allerdings eine.unverftändige und-alberne Frage-Tenn, 
wen: wir fie in dem Sinne ftellen wollten, wie man etwa 
irgend eine Verwendung für einen überzählig gewordenen 
Beamten, oder fuͤr einen gefihäftslofen Praͤbendiſten ſucht. 
Es kommt hier durchaus nicht darauf an, welche Beſtimmung 
wir für ihn nach unſerm Ermeſſen erfinden, oder auswählen 
wollen , etwa weil wir,diefeg oder jenes Geſchaͤft im Staate 
noch unbefeßt ſehen, oder ihn dafür: befonders geſchickt glau⸗ 
ben; ſondern es iſt die Frage, welche Beftimmung'- ver 
Adel feiner Natur nach habe, welche Thaͤtigkeit in feinem 
Werhältniffe zw. den andern Ständen felbjt gegruͤndet fer, 
und alfo nicht ſowol, welche Wirkſamkeit wir ihm zu Aber- 
tragen, fondern vielmehr, welche wir von ihm zu forderm, 
uud Pas wir. anzuordnen haben, damit er hierin nicht‘ gehin: 
dert oder fäftig werde. Was nicht aus folder Quelle‘ gefchönft 
iſt, das führt zu eitlen Projeften und Inſtituten in franzöft: 
ſcher Manier, welche nie zu einem tuͤchtigen Beftande' gelan: 
‚gen koͤnnen; und als ein eben fo unnuͤtzes als uͤbelangebrach⸗ 
tes Geräthe nur der heilſamen und natürlichen Bene des 
Ganzen im Wege ſtehen. 
Welches nun die natuͤrliche Beſtimmung des ers ſey, 
das muͤſſte wohl im feinen ſichtbaren Beziehungen, die ei zu 


252 Ueber d. Verh, d. deutſchen Adels zu ſeinen Mitſtaͤnden 


den: andern, Ständen hat, Jedermann / offen vor Augen lie⸗ 
gen, wenn nicht in unſerm Zeitalter eben alle Verhaͤltniſſe 
durch ſtumpfe Vernachlaͤſſigung ober uͤbelver ſtandenes Umfor⸗ 
‚men zu unklar und verwirrt geworden waͤren, baß man erſt im 
ihrer vormaligen Geſtalt ihre Spur und Bedeutung wieder auf⸗ 
ſuchen muß. Man iſt daher in fo weit zwar auf ganz gutem 
Wege geweſen, ſich in der Geſchichte, wie man es gethan 
hat, darüber Raths zu erholen. Man hat aber dieſen Rath 
ſelbſt wieder in Irrthum / verflochten, indem man die Vergan⸗ 
genheit publiziſtiſch beleuchtet, und aus den: Verhaͤltniſſen, 
welche der damalige Zuſtand dargeboten, Rechts-Anſpruͤche 
fuͤr den gegenwärtigen hergeleitet hat, Ob der Adel aus dem 
Herkommen dieſe oder jene Rechte in Anſpruch nehmen koͤnne, 
gehoͤrt nicht hieher ;i das: ifk feine Privatſache, und kann auf 
Feine Weife die Idee feiner Beſtinmung, um welche es fich 
handelt, aufklären, fonbern vielmehr nur zu einſeitigen und 
unrichtigen Begriffen führen ‚weil dad Recht nothwendig im: 
mer ein. einzelnes Verhaͤltniß beſtimmt, alles Einzelne aber 
zufällig und veraͤnderlich iſt, und nur den Begriff-einer Sache 
gibt, wie fie in einem, gewiſſen Moment, nicht aber, was fie 
ihrem Wefen na und unter allen Umftänden if: Es iſt da⸗ 
‚her nicht zu wundern, wenn die. Einen: dem Adel gewiffe 
Rechte als ſehr mefentliche vindiziren, welche er in unſern 
Zeiten ſelbſt ſchon entwener ‚als unnäß und. läftig, oder ale 
unſtatthaft in Bezug auf dad, Ganze anzufehen:angefangen 
hat, und. wein bie Andern, mit ihrer Debuftion der Rechte 
zufrieden, feine Beſtimmung ganz vergeffen, oder ihm wohl 
eine folche geben; daß man erſt dad Mittelalter wieder — 
benführen müffte, um fie ausführbat-zu machen. 

"Wir. aber wollen vielmehr aus. ben. Ummandiungen,-bie 
diefer ‚Stand erfabren, das Dauernde erkennen, welches 
ihm geblieben ift, und weldes ala feinneigeritlibes: Wefen, 
ſich ſelbſt gleih, durch alles Veränderungen: der — und 
Umſtaͤnde hindurchgegangen Hl. nice mi lic 16 


* 





J 


in Bezug auf die Verfaffung. 258 








Was bie andern Geſchoͤpfe bush ihre Anlagen find, 
welche mit; dem phyſiſchen Wachsthum auch für jedes ihre 
Bollendung:erlangen, das kann der. Menfb nur durd ihre 
Entwidlung. in feiner ganzen Gattung: erreichen. Nur lang: 
fam in Jahrtauſenden und ſtufenweiſe naͤhert er fi der Bü: 
the feimes Dafeynd, dem bürgerlihen Leben, das iſt: der 
Herrſchaft bei Gefege, oder was auf den Einzelnen bezogen 
baffelbe iſt, der gefeglichem Frenhein Daß die Triebe des 
Einzelnen einem allgemeinen Willen unterworfen werden, 
ift das Ziel aller menſchlichen Geſchichte. Gehorchen muß. er 
lernen, auf daß er fih zur Freyheit bilde. Eine Herrſchaft 
muß er uͤber ſich wiſſen, und in dem Verhaͤltniſſe, wie er fie 
noch nicht durch freyen Gehorſam zu erkennen vermag, ſtellt 
fie ſich als Äußere Macht ihm gegenuͤber; Menſchen herrſcen, 
wo der Sinn fuͤr das Geſetz moch nicht gebietet. 

Dies iſt der Urſprung der Ungleichheit unter den Men⸗ 
ſchen; die Ereigniſſe, durch welche fie entſtanden, kann Nie: 
mand nachweiſen; denn wir finden fie ſchon mit: der erſten 
Geſchichte aller Volker, und nirgends hat man eine Ausnab- 
me geſehen. Nur In dunklen Sagen hoͤren wir, daß Muth 
und Staͤrke ober die Weisheit der Rathes zuerſt die Gewalt 
verliehen habe, wo ſie nicht ein Familienrecht des vaͤterlichen 
Anſehens oder der Ehrfurcht für bie an der Stämme 
gewefen ift. 

Gaft überall finden wir in dem Anfange ber Bilterge: 
ſchichten die Herrfhaft auch mit ihrem Mißbrauche fhon ver: 
bunden, Was konnte fie auch begrenzen, fo lange fie nur 
auf äußerer Meberlegenheit beruhen‘ tonnte? Mer zu ge: 
bieten hatte, hieß ein Freyer, weil, wer gehorchen muffte, 
ein Sklave war. Mber daß nicht ſowol die Gewalt der Ei: 
nen, als die Unfähigkeit für Freyheit der Andern, dieſes Ver⸗ 
haͤltniß begründet, zeigt ſich ſchon daraus, daß dieſe durch: 
aus bie Ueberlegenheit der Mehrzahl für fih gehabt hätten. 
Es war die damalige Stufe der Menſchheit, welde es nur 


254 Ueber d. Berh. d. Beutfhen Adels zu feinen Mitſtaͤnden 








Werigen:geftattete, die Ehre ihrer Natur zu genießen, und 
fo eiſern lag: diefer Geift auf jenem Zeitalter daß ſelbſt bey 
den gebilderfien Voͤlkern die vaͤterliche Gewalt auch die Kin: 
der des Freyen der, Behandlung ded Sflanen unterwarf. 

Es iſt lehrreich und troͤſtlich für die Ueberzeugung von 
dem fietigen Fortforitte des menſchlichen Geſchlechtes zu be⸗ 
merken, wie diefe Ertreme von Herrfbaft und Unterwerfung 
in unaufhaltfamem Stufengange fi gelöstrhaben. : Mit. der 
Entftehung der germanifhen Staaten trat eimmewer Abſchnitt 
in die Geſchichte der. Freyheit und. des Gefeges ein. Auch 
bier Freye, die man Adel, und. Untergebend,.die.man Leib: 
eigene nannte. ber dieſe waren, nicht, wie bey Römern 
und: Griehen, die Saben ‚fie waren die Keute und Unter: 
thanen ihres Herrn. Er war nicht: mehr der bloße Privat⸗ 
berr, beffen Privatwillen: fie mit willenlofer‘ Blindheit zu 
fürchten hatten; er war zugleid Richter und Befehlshaber, 
in deffen Ausſpruch ſie eine Stimme. des; Rechtes, und: dag 
Daſeyn seiner Ordnung ‚und: eined Gefegesii erkannten ;- fie 
"waren niet: bloß die Knete, fondern die Bauern feiner Gü- 
ter, und wenn der unmwillige Sflave des Roͤmers feinem Ges 
bieter nur durch das Net des Befiges unterworfen fich fühl« 
te, fo war ed. ihnen minder fremd, fi ihrem Gutsherrn mit. 
eigner Treue zuzuerkennen, weil fie ſahen, daß ja auch dieſer 
mit Blut und Gut der Perſon ſeines Lehnherrn verbunden 
ſey. Der Sklave des Alterthums durfte ſich nicht als Gries 
hen, ald Römer denken; nicht allein das Gefühl eines recht⸗ 
lichen Zuftandes feiner Perfon, felbft der füßefte Gedanke 
jener Zeit, der des Vaterlands, war ihm vernidtet; der Un⸗ 
tertban des beutfhen Freyen war ein Deutſcher, er dachte 
mit Stolz und Liebe. feines: Vaterlandes, und bed Mannes 
Beſtes, das Schwert, führte er für die Vertheidigung und 
Freyheit des Volks, dem.er fih angehörig fuͤhlte. Er war aber 
bie Maffe, und der-Adelrallein der freye Wille diefes Volks: 

Auf diefer Stufe fhien nun bie deutſche Nation fiehen 


ice auf die Verfaſſung. 445 


Bbleiben zu muͤſſen; denn auf dem Boden bes ganzen. Landes, 
welcher das Eigenthum des Adels war, war kein Raum mehr 
zu finden, auf welchem die perſoͤnliche Dienſtbarkeit gich hätte 
ab loͤſen kͤnmen Der Sinn der Freyheit, des Germanen au⸗ 
geborner Erbtheil, fand ihn ‚auf. einem ‚andern Felde. Die 
Thaͤtigkeit, gerabe jene, melde, bey dem Griechen und Roͤ— 
‘mer ausſchließend zur Sklaverey ‚zu eignen fhien, die Ge: 
werbfamteit, welche an feinen Boden gebunden. ift, fammelte 
Menſchen, und ſchloß einen neuen Kreis der Freyheit auf. 
Wie die Bürger und ‚ihre Städte entſtanden feyen, wiſſen 
wir eben fo-wenig .nadzumeifen, als den Urfprung des Adels; 
es war auch hier nicht ein Werk der Menfben; ſondern die 
Megung des Geiftes, der fih entbinden muſſte; wir. migfen 
nur von dem Schuge, den. ihnen die Mächtigern gegeben, 
als fie {bon vorhanden waren. Wenn man aber, wie viele 
Geſchichtſchreiber, nur ‚feine Politik in diefem Schuse ſucht, 
welche dem Abel ein Gegenwicht geben. wollte, fo wird die 
Wirkung mit der Urſache verwechſelt; der Politifer kann von 
Umſtaͤnden Vortheile ziehen, aber nicht fie erſchaffen. Die 
Achtung für die neuaufkeimende Freyheit hat den Maͤchtigen 
getrieben, ſie zu beſchuͤtzen, und weil ſie wuͤrdig war, ſich 
ſelbſt zu beherrſchen, hak ſie Antheil gefunden an der Herr— 
ſchaft des Volks. Die Privilegien, welche den Zuͤnften und 
Staͤdten das Selbſtregiment, und ſpaͤter die Stimme auf 
den Landtagen einraͤumte, haben nur beſtaͤtigen koͤnnen, was 
‚fie durch eigne Selbſtſtaͤndigkeit angeſprochen und bemeſſen 
hatten. 

Zwey Glieder waren es nun, weiße die Nation. umb 

ihre Zreybeit vorftellten, der Abel, in welcher fi fie mehr auf 
perfönlicer Unabhängigkeit und: der. Macht des Beſitzes be- 
ruhte, und der. Bürger, welcher durch die Stärke bes. Ber: 
eins und durch bie Früchte feiner Thätigfeit fie zu erhalten 
ſuchte. In dem gemeinen Wefen ver Städte bildete ſich ber 
Sinn für den Organism innerer Einrihtungen; unfre ganze 








‚956 Weber d. Verh. d. deutſchen Adels zu ſeinen Mitkänden 


GSeſetzgebung ift ihrem Getfte nach vom den Städten ausge- 
"gangen, Aber wie’ in Ihnen das Gefühl fuͤr vie. Nothwen⸗ 
digkeit des Geſetzes ſich entwicelte, ſorerhielt fich in dem Adel 
die Eiferſucht gegen den Mißbrauch derfelben: "Dies ift der 
Geift von dem Beffern‘ beyder Staͤnde noch bis auf den heu⸗ 
tigen Tag, uud wenn wir und erinnern‘, wie fie fih in ihren 
beften Zeiten und: won ihrer beſten Seite gezeigt haben, ale 
noch der wechfelfeirige Widerſtand ihre Kräfte erhob, und zu 
‚Tugenden: nöthigte; wenn wir die Einen mit den Andern 
'vergleihen, ben’ hochfahrenden Ritterſinn mit dem Stolze 
‚bürgerliher Befheidenheit, ‚ven Freyheittrotz auf den alt: 
väterlichen Burgen und: Erbgütern mit dem Gefühl billiger 
Nnab haͤngigkeit im felbfigefhaffnen Erwerbe, den kecken Ei: 
fer und den Zorn gegen Unrecht ‚mit jener gefchäftserfahrnen 
Bedaͤchtlichkeit und Redlichkeit, die wilde Unruhe und Tha⸗ 
tenluſt des Ritters mit dem tuͤchtigen Buͤrgerſinne fuͤr Fleiß 
und Vollendung; ſo ſcheint es, als wenn die Eigenſchaften 
der Einen haͤtten den Ruhm der freyen Tugend zeigen, die 
der Andern aber das Gefuͤhl ihrer Unentbehrlichkeit und Wilke 
tigkeit im Staate haͤtten erwecken follen. | 

Wie die Brepheit in ihrer Fortſchreitung durch die 20. 
tigkeit des bürgerlihen Gewerbes ſich von: der Dienfibarkeit 
der Scholle befreyte; fo fand fie fpäter noch .ein bewegliche: 
res, höheres und allgemeineres Feld in der Thaͤtigkeit des 
Geiſtes. Auf melde Weife fih dur die Pflege und Ad: 
tung der Wiffenfhaften und der Künfte, durch die Uebung 
des Gottesdienſtes, durch die Aemter des Staates, diefe neue 
Klaffe nah und nach gebildet, den Adel wird den Bürger jn 
ihr feltfam gemifht und. genähert, und wie fie ſich dadurch 
mit Recht den Namen des Mittelftandes erworben habe, 
wollen wir nicht weiter ausführen, weil wir eben in dem 
Zeitpunkte leben, wo biefe Klaffe ein überwiegendes Gewicht 
über bie andere erreicht hat, und daher, wag wir fagen koͤnn⸗ 
ten, unfern Leſern entweher aus der Rolle, bie fie im Guten 





‘ in Bezug auf die Verfaffung. 7. 487 


a a ns 
und Schlimmen ſpielt, hinlängli bekannt, oder wenn er 
etwa felbft zu ſehr imdiefer Rolle befangen it, unverfiänb: 
fi feyn mug. Zu eimem: eigentlichen Volksſtande, welcher 
eime .abgefonderte; politifhe Selbfiftändigkeit behauptete, 
hat ſich dieſe Klaffe nie erhoben, ſelbſt jegt in dem Augen: 
blicke ihrer Kulminatiom nicht, Die Urſache ift klar, denn 
erftens ift der Boden, auf welchem fie fteht, zu geiſtig, zu 
beweglich, als daß. fich ein bleibendes, aͤußeres Verhältnig 
für fie hätte bilden koͤnnen; zweytens ift-fie ihrer Entftehung 
nach gemiſcht aus Adel und Buͤrger, und darum wankend zwie 
ſchen Beyden; drittens beſteht fie ſelbſt aus fo ungleichartis 
gen Theilen, und dieſe find durch fo verſchiedenartige Beſtins 
mungen geſondert, daß ſie mehr die Natur eines Aggregates, 
als eines zuſammengeſchmolzenen Ganzen hat. Eben weil 
fie ſich blos mir geiftiger Thaͤtigkeit beſchaͤftigt; fo gibt die 
Idee feiner Beftimmung Jedem von ihnen eimen viel mehr 
divergiwenden Charakter, als z. B. die Verſchiedenheit der 
Gewerbe, welche doch in dem Ermwerbe und in der Emſigkeit 
zuſammentreffen/ dem Bürger geben können, Der Arzt fin 
det fih nicht in den Staats-Beamten, der Advokat nicht’ im 
den Künftler, der Rechtsgelehrte nicht in den Priefter oder 
Philoſophen u, f. w. 5 es ift nur die bewegliche und unruhige 
Strömung des Geiftes, rein nirgends befriebigtes Streben, 
welche Alle im Wirbel dahinfuͤhrt. War "und: ift nur dieſe 
Klaſſe wegen der’ Beweglichkeit ihres Charakters und ihrer 
Beſtandtheile nicht geeignet, eine geſchloſſene Geſammtheit im 
Staate zu bilden, und eine für ſich beſtehende Stimme in ſei⸗ 
nen Angelegenheiten darauf zu gründen; fo iſt ihre Wirkfams 
feit auf diefelben defto entſchiedener durch bie Funktionen und 
Aemter, welche fie beforgt, durch die Erziehung des Wolke, 
welche in ihren: Händen liegt, und vor Allem durch bie — 
liche Meinung, welche ſie bearbeitet. 
Groß und herrlich ſind ihre Verdienſte um Alle, un 
werden es bleiben, wenn nur bafür geſorgt wird, daß bie 


258 Ueber d. Verh..d. deutſchen Adels zit feinen Mitftänden 


eilende Schwingung‘ ihres Umfaufs und: bie vielfahe Kreu⸗ 
zung ihrer kreiſenden Bahnen fie nicht felbft und die Anbern 
ſchwindeln madts' Wir erwaͤhnen hier nicht der Würde der 
geiftigen Thaͤtigkeit und der befonderm Beftimmungen, wei ” 
den ſich dieſe Klaſſe ergeben hat, nicht des Schages der Kul⸗ 
tur uͤberhaupt, dem wir. ihr danken; es iſt ihr Einfluß auf 
das politiſche Fortfhreiten der Nation, welchen wir hieriers 

wägen. Der Streit. zwiſchen dem Abel und Bürger, wel⸗ 
cher Anfangs heilſam und norhwenbig war ;-um ihre Kräfte 
und Sinnedart zumMeife zu bringen, wiirde mit der Zeit fie 
felbft aufgezehrt haben. In der verföhnenden Einwirkung 
bes Mittelfiandes hat er fein Ende gefunden. Edelleute zo⸗ 
gen nun in die Städte, Bürger: fiedelten fih auf dem Lande 
an. Licht und fanftere Eitten werbreiteten fih von: biefem 
vermittelnden Stande nach oben und nad unten. Der Bauer 
Ternte den Werth der Frepheit kennen und ihrer fähiger zumer- 
den, der mildergewordene Adel fie ihm gönnen. : Das: Band 
ber Leibeigenf&aft-fing, am, ſich zu loͤſen; in einen geoßen 
Theile Deutſchlands iſt fie. ganz verſchwunden; wa ſie noch ge: d 
blieben, bereitete eine: ee Mäpigung: ihre Aufloͤ⸗ 
ſung vor. . 12 vr 
So waren bie Stände. Der Abel sa, in. welden ae 
höhere Lebensſtufe der Nation ſich zuerſt entwickelte; blieb 
das Vorbild der Freyheit fuͤr die Uebrlgen, und der Arm, an 
welchen fie ſich auſchloſſen, wenn ihr von innen oder von auf⸗ 
ſen Gefahr drohte. Er als der aͤlteſte Stand war es auch, 
der das Alte der Verfaſſung zu bewahren, und ihr die Ruhe 
ihres Beſtandes zu ſichern ſuchte, waͤhrend die a 
‚ber Andern für ihre Entwidlung thätig war: - 

+ Die Nation war nun in allen: ihren Gliedern zu einem 
Grade von Münbigkeit gekommen, welcher ſie wenigſtens für 
den Sinn der Freyheit und ihre wechfelfeitige-Achtung fähig 
machte. Um es aber au für ihren Genuß zu werden, muffte 
diefer Sinn, welcher einzeln leicht zu Spaltungen, zur Ab: 








* 


S — 


in Bezug Auf die Verfaſſung. "259 





fonderung und Willfür verleitet, erſt lernen, ſich einem all 
gemeinen Gefege zu unterwerfen. Diefe Schule kam ber 
Nation von einer andern Seite, — durch die Fürfter. 
Auch hier trat die Herrfchaft erſt als bloge Menſchen-Gewalt 
hervor, bis einit die geachtete Ordnung fie als Macht des 
Geſetzes ‚begründen würda; die Geſetze erfhienen als Ge: 
bote.’ Während das Gefühl der Unabhängigkeit und: bie 
Selbfiftändigkeit der Einzelnen gegeneimander dem Grade 
nach gewonnen hatte, fing fie an, in dem Umfang ihres 
Spielraums zu verlieren. An die Stelle ver Lehnsherrlich⸗ 
teit, :welde die lofen Theile nur zu einer: Gefammtheit ver: 
einigt-hielt, trat ein Regiment‘, welches fie zu leiten unters 
nahm ; die Völfer wurden Staaten, die Fürften Regenten, 
die Vaſallen und Bürger Unterthanen einzelner Staaten und 
Stände des Landes, und: wo noch Ritter und: Städte des 
Reichs ich erhalten haben, fühlten‘fie je mehr und mehr ſich 
“eingeengt von:den umfchliegenden Staaten, und in ihre 
Zwecke fih hineingezugen. Eine polizeplihe-Gewalt bilpete 
ſich neben ber ritterliden, und erinnerte taͤglich mehr, daß der 
Einzelne feine Freyheit nicht nah Willfür gebrauchen :dürfe, 
bis fie felbft zum Schatten zu werden ſchien. Selbft die Stän: 
de verloren .erfi von ihrem Einflüffe,. dann von ihren Rede 
ten, endlich. ihre Exiſtenz. Die Fürften wurden Souseraine, 
Alleinherriher. Ein Gebot und Ein Willen lenkte Alle. So 
ift endlich auch zulegt der: Stand der Fürften zur Freyheit ge: 
langt, und in ihnen die Herrfhaft der Regierung. Es wird 
ihnen nit anſtoͤßig dünfen, daß wir fie zu dem Ständen bes 
Bolts zählen; fie waren ja nicht Uſurpatoren, weldhe bie 
Nation unterwarfen, fondern Häupter, die aus ihr ſelbſt ge⸗ 
fommen find, und ihr angehören. Gie find die herrfhenden 
Zamilien- in größern Kreifen, wie es der Adel überhaupt 
einft in Pleinern war; fie find-unfre hoͤhern Edelleute, wie 
Deutfehlands Kaifer einft der erfie war. Die Frepheit der 
Regierung konnte fi vorläufig und aͤußerlich nur in der Uns 


260 Ueber d. Verb, d. deutſchen Adels zu feinen Mitfiänden 


ö— — ih 
umſchraͤnktheit der Macht zeigen. Aber fo ſehr alle Selbſt⸗ 
ſtaͤndigkeit vor Ahr zu verſchwinden ſchien, fo. wenig. fonnte 
das. Gefühl der. Unabhängigkeit rüfmärts gehen, nahbem es 
einmal in der Nation erwacht war. Unterwerfen konnte es 
fih, aber feiner felbft nit mehr vergeffen. In gleihem 
Make, als die Herrfhaft ihren Arm ausbreitete, wurde auch 
die Einfiht und das Gefühl der Nation lebhafter, dag nur 
die Würde des Gefeges dem Willen ſolche Macht verleihen, 
dag nur das Geſetz ſolche Opfer fordern könne, und daß die 
Unterwerfung nur. vorausgehen müfle, um eine. gefegliche 
Freyheit für Alle zu begründen. Die Fürften felbft ſprachen 
ſich als die erften Verwalter der allgemeinen Ordnung, als 
bie Berfünder: des nationellen Willens aus, und während 
der. rechtliche Antheil des Volks am der Regierung durch rer 
präfentirenide Glieder vernichtet ſchien, übte e8 benfelben mehr 
als je dur die Stimme feiner oͤffentlichen Meinung. Die öffent; 
liche Meinung Deutſchlands har.denjenigen gerichtet, welder 
fie wie eine Puppe zu lenken, oder wie das legte Phantom 
der Volkſamkeit wegzumwerfen, unternommen hatte,. und zum 
Zeichen ‚daß fie. in unfern Fürften nicht die Willkür des: Men: 
fhen gefürchter, fondern. das Organ des Gefeges verrechnet, 
bat fie, mit dem Blute des Volks ihnen ihre Freyheit wieder 
errungen, und die Hoffnung ‚anvertraut, durch fie auch dem 
Volk die feinige; zu erwerben. Der Sklave kennt nur: die 
Furcht, aber:nicht die Liebe; die Treue wohnt in ber Druß 
des Freyen. — — 

So iſt die Nation in einer Richtung mit der Unabhaͤn⸗ 
gigkeit, in der andern mit dem Gehorſam vertraut geworden, 
damit das Eine ſie des Andern faͤhig mache, und umgekehrt; 
ſie iſt wieder angekommen, von wo ſie ausgegangen war. 
Der Kreislauf ihrer Erziehung iſt in großen Umriſſen ges 
föloffen, und als Mann will fie üben, wozu ‘fie ſich in ju- 
gendlicher Ungebundenheit und Zucht gebildet. Sie erwartet 
von den Fuͤrſten die Gründung und das Vorbild ber geſetz⸗ 


in Bezug auf die Verfaſſung. 261 








lichen Freyheit, wofür fie fihb unterwerfen gelernt bat; die 
Herrſchaft eines allgemeinen Willens foll fie zu Einem Gans 
jen vereinen; fie begehrt eine Verfaſſung. 

Eine ernfihafte Berfaffung begehrt die beutfhe Nation; 
nicht ein franzöfifhes Konftitution: Modell, mit weldem das 
Volt im kindiſcher Einbildung eine Bewegung nachſpielt, 
woran es Beinen Antheil, und wozu es Feine Fähigkeit hat; 
eine lebendige Berfaffung will der Deutſche; wicht wie todte 
Gewichte. follen bie Glieder der Nation an ein Raͤderwerk 
gehängt werden, deren Gang ihnen fremd und unverſtaͤndlich 
iſt, fondern es fell eine Einrichtung. werden, welche jedem 
Stande die Stelle einräumt, die er feiner Natur nab, und 
als ein lebendes Drgan des allgemeinen Leibes, in, dem Zufams 
menhange und in der innert Bewegung des Ganzen auszu⸗ 
‚zufüllen reif ift. le ie er 





V. — 
Bon der Staats⸗Verfaſſung. | 
Es ift kein Wunder, wenn die Deutſchen, nachdem fie 
einmal- ben väterliben Sußnfad verloren, und felbft auf eig: 
nen: Fuͤßen und miteinander zu gehen etwas verlernt haben, 
gar fonderbar herumirren, und durcheinander wanken, fo 
daß man. es fhwer halten möchte, die Gegend ber. Heimath 
zu erkennen, welbe fie ſuchen. Allein zwey Punkte find 
deßungeachtet zu erkennen; nah welden.im Ganzen die viel: 
fach fih kreuzenden Bewegungen und Forderungen gerichtet 
find , und worüber ſie die babyloniſche Verwirrung und. Ger 
fangenſchaft im Ganzen verftändigt hat. : Einmal nämlich find 
fie zu der Einfiht gelangt, daß die Wielheit unter Einen Hut 
gebracht, und die Freyheit, fey es in einzelnen Staaten oder 
im. ganzen Reihe der. Nation, von. Einem Kaupte regiert 
werden müffe, wenn. fie nicht gefetlos ſich felbft zerſtoͤren 
fol, — und zweytens, daß die Verfaſſung der „einzelnen 


\ % 
262 Weber d. Verb: d. deutſchen Adels zu feinen Mitftänden 











- Länder, wie des ganzen Reichs auf demfelben Orundfage be> 
ruhen, daß’ fie bie Eigenthämlichfeit der Glieder achten, und 
ihren gemeinfamen Sinn und Willen an ben Tag bringen: foll, 
damit die allgemeine Verfaſſung des Reihe den befondern 
Staaten. ein Vorbild werde für bie Herrſchaft des Geſetzes 
unter dem Oberhaupte , ‚für die Stimme des Geſetzes in den 
Ständen, und. damit ein gleiches Verhaͤltniß von Fürft und 
Ständen in. ben Einwohnern der einzelnen Lande den Sinn“ 
der Treue und Zreyheit nähre, und das Bild des: Ganzen 
Ihnen gegenwärtig halte, welchem fie angehören, und deffen 
Schutz und Geiſt fie ihre bürgerlihe Wohlfahrt verdanken: 
So allein kann die Blüthe des deutfchen Volks gedeihen; 
es muß in dem befonbern Bande nichts mehr beftehen können; 
was feine. Wurzel nicht in den allgemeinen Boden binausge: 
trieben hat, und von diefem feine Nahrung empfängt. 

Daß eine ſolche Einzihtung dem allgemeinen Water: 
lande zu Theil werde, wollen wir hoffen; bier aber haben 
wir nur zu unterfuchen, welden Antheil fie den Landesftäns 
-/ den nad der Natur einer jeden Klaffe an ven — 
ten bed Landes gewähren muͤſſe· 
+2» Mie war die Weberzengung von ’ber Nothwendigkeit ber 
Fuͤrſten⸗Macht feſter begruͤndet, als in der oͤffentlichen Mei— 
nung und Erfahrung unfrer Tage; nie kann ihre Geſetzlich⸗ 
keit ——— Wen) als — eine Räntifee Wen 
faffung. | 
' Man pflegt den Werth ber —** Verfaffühgen * 
zuͤglich in die Heilſamkeit der Oppoſition zu ſetzen, welche 
ſowol die Stände‘, als den Fuͤrſten öder feine Mimſter hin: 
dert, die Schranken des Guten und der Mäfigung zu über: 
fhreiten. Allein diefer Vortheil erfeint, bey mäherer Be: 
trachtung, als etwas ganz Zufälliges; denn erſtens erftredt 
er fih nur auf folde "Fälle, wo der eine oder andre Theil 
von feiner Beftimmung ausweicht, und alfo ſchon ein Miß: 
verhältniß im Staate vorhanden iſt; zweytens fest es vor! 


im Bezug auf die Verfaſſung. 263 








aus, daß der eine Theil in einem ſolchen Augenblicke eben fü 
viel Weisheit befise, als dem andern fehle, welches aber ‚ges 
Fade dann felten eintritt, wenn eine Gegenwirkung am noth⸗ 
wendigſten wäre. Wir haben genug gefehen, "wie- fhlaue 
und entſchloſſene Volfe-Repräfentanten ihren König mit dem 
Netze ſelbſtſuͤchtiger Anſchlaͤge umſtricken, wie ein gewandtes 
Miniſterium die Staͤnde leiten oder theilen kann. Drittens, 
das Gegengewicht der Stände mag zwar vft zur guten Hals 
tung dienen, wenn eine Regierung in Gefahr iſt, durch zu | 
große oder übel berechnete Thaͤtigkeit fidh zu verirren; es 
taugf aber faft nie dazu, die Gebrehen zu erfegen, melde 
von einer mangelnden oder erfchlafften Thätigkeit der Regie 
rung fommen. Sa, die vieltünfige Berathung, welde. es 
mandmal gar nit, oft nur langfam zu :eimem Beſchluſſe 
kommen laͤſſt, wird hier und da ſelbſt einer zweck- und zeit: 
gemäßen Thätigkeit der Regierung binderlih, und fie wird 
es um fo leichter, wenn Fuͤrſt und Staͤnde ſich aus dem Stand— 
punfte der Oppoſition zu betrachten verleitet werden, welche 
ben Samen bes Mißtrauens und des Widerſpruches in ihre, 
Verhandlungen wirft, 

So trägt ein folder Organismus, welder i in feiner An: 
lage ſchon auf die Krankheit des einen oder andern Theils be: 
rechnet ift, mothmendig auch eine gewiffe Unregelmägigfeit 
und Stodung feiner Funktionen in ſich, und es ift darum 
fehr begreifih, warum Viele, da fie von jener untergeord-. 
nneten und einfeitigen Anfibt ſich leiten laſſen, im Zweifel 
ſind, ob fie die Vortheile oder Nactheile "einer ſtaͤndiſchen 
Einrichtung höher achten follen, und in diefem Zweifel lieber 

auf diefelbe Verzicht Leiften wollen. i r 
j Man führt häufig das Benfpiel der. engliſchen Dppofk 
tion an; allein dies ift ebenfalls eines der vielen Worte), 
welche man aus Gewohnheit'nahfprict, ohne ihren Sinn zu 
anterfuchen. Die englifbe Werfaffung beruht auf nichts mer 
niger, als auf einem Gegenfage zwifchen König. und Volt, 


264 Weber b. Berk d. deutſchen Adels zu feinen Mitftänden 





fo zwar, daß, wenn eine Partey bes Wider ſpruchs ſich nicht 
von ſelbſt bildet, die Regierung ſelbſt eine Oppoſition ſchafft, 
weil ſie, ſo wie ganz England, ſehr wohl erkennt, daß dieſer 
Gegenſatz nie in das Grundverhaͤltniß zwiſchen Regierung 
‚und Volk einbringen werde, noch duͤrfe. In keinem Lande 
von Europa: hat man zu Unfrer Zeit eine größere und: feftere 
Einigkeit zwiſchen dem Regenten und ber Nation: gefeben; 
als in England, und durch dieſe Einigkeit allein wurde jene 
Beharrlickeit des Syſtems bey allem Wechſel des Minifter 
riums und des Parlaments, jener unerfhütterlihe und uner: 
mefflibe Kredit, und jene ununterbrodene und ungeheure 
Anftrengung möglib, wodurch Britannien fo glorreih aus 
dem langen Kampfe. mit der attentirten ae Monarchie 
hervorgegangen iſt. 7 — 


Alſo eine ſtaͤndiſche Verfaſſung ir feyn, nicht, damit 
der Regent und die Landſchaft wie die Arme eines Wagen: 
baffens in verſchiednen Richtungen Hegeheitander druͤcken, 
denn da fehlt immer der Dritte, welchel ihnen fügen konnte, 
ob die Zunge in ber Mitte ſtehe; ſondern damit Fürft und 
Bolt in. voller, freyer Einigkeit zufäinmenfliegen mögen, 
und dem Zufammenhange eines Meltfötpers gleichen, beffen 
“Mittelpunkt, der Fürjt, feine Kraft nach allen Theilen der 
Rundung ausfireft, und deffen Maffe, das Volk, ſich wol⸗ 
bend gegen den Mittelpunkt ſentt und zuſammenſchüießt. ri 


Mir mwiffen we; daf wir, piemit ein Idesl bezeichnen, 
und daß in der Wirtlichkeit die Abweichungen oft häufiger von 
kommen, als die Regel. Allein, darum darf nicht eine: fals 
ſche Idee fbon in den Grund der Verfaffung gelegt werden, 
Wenn man nicht dadurch feibji eine Anlage der Uneinigkeit und 
Etörungen begränden will, welchen man entgegenzuarbeiten 
ſucht. Iſt nur einmal der Organismus des Ganzen gut; und 
natürlich gefhaffen; fo werten fih in der Kraft der gefunden 
Matur von ſelbſt die Gegenwirkungen finden, , welche bey 

ent: 


J 


in Bezug auf die Verfaſſung. 265 








entſtehender Krankheit des einen oder andern Theils die unge—⸗ 
börigen Stoffe ausfondern und Heilung bringen. 

In diefem Sinne fagen wir demnach, daß eine fändifche 
Verfaſſung, wenn fie bey einer zur Willfür geneigten Regie: 
rung oft heilſam werden Pönne, für einen guten und weifen Re- 
genten ein unentbehrlihes Bedürfnig fey. Es iſt ein Leichtes, 
zu regieren nad allgemeinen theorerifhen Zuſchnitten, und die 
Sammlung von Gefegen anzufüllen mit Verordnungen, wel: 
he bald zu früh fonımen, und ohne Wirkung bleiben, bald 

. mit einer ungefbickten Afjimilation alle natürliche Verhältniffe 
vermirren, und bie wichtigften Angelegenheiten liegen laffen, 
. Weil ihre Behandlung zu ſchwierig oder weniger glänzend ift; 
aber um praktiſch zu wirfen und dem Staate fürftlich zu dienen, 
um in der Kulturfiufe des Volks zu erkennen, was jur rechten 
Zeit zu fördern fey, damit man weder zu früh nod zu fpät 
komme, um in dem Grade, dem Umfange, den Befonderheis 
ten der Betriebfamkeit und der Bedürfniffe des Volks zu fins 
den, wo eingegriffen werden koͤnne, um ihm fortzuhelfen, 
oder, was meiftend noch wichtiger ift, wo man fich enthalten 
miüffe, um nicht zu fiören und zu hemmen, — endlih, um 
in Hinſicht auf die auswärtigen Angelegenheiten den Takt des 
Volks zu erforfben, zu lenfen und zu fhärfen, — wer gibt 
da dem weifen Fürfien, der fie begehrt, jene Auffelüffe 
und Mittel an die Hand, auf welhe er fibere und gluͤckliche 
Befhlüffe gründen fann? Wir leben in einer Zeit, wo dies 
feit fange einzig den Staats:Beamten überlaffen war. Sie 
ſollen die Stimme des Volks feyn. Wir fragen alle Fürften 
und Nationen, wie glüklih diefe Stimme gewefen ift. Ents 
thronte Fuͤrſten, erfhütterte Threnen, zerrüttete Staaten! 
Iſt es die Schuld der Beamten? Nein, wenigftend nicht 
der gutgefinnten; aber das ift die Schuld, daß auch fie feine 
Drgane mehr hatten, dur welche fie unmittelbar über den 
Zuftand des Volks fih hätten unterrihten, durch welde jie 
lebendig auf daffelbe hätten wirfen Finnen, Buchſtabe un 
Lurop. Annalen, gt Erüd, 1815, 18 Ä 


* 


266 Ueber d. Verh. d. deutſchen Adels zu feinen Mitſtaͤnden 





Gewalt muſſte die Stelle des natuͤrlichen Lebens erſetzen, 
und ein unwilliges Migtrauen des Volke, weil es in dem 
Sinn und den Motiven der Gefege fremd geblieben war, 
binderte felbft dad Gute, was von oben gefommen ift, und 
verbreitete eine gefährliche Neigung, zu umgehen, was nur als 
ein unverflandenes Gebot der Gewalt betrabtet wurde. Je: 
der gründliche und redlibe Staats:Beamte fühlte aber felbft 
am beften, wie fehr er von allen ſichern Mitteln verlaffen 
war, und fah ſich in der Verlegenheit, fie dur zufällige und 
kuͤmmerliche Privatnahforfhungen zu erfegen. So noth: 
wendig dem Zürften ber Beamte ift, fo unentbehrlich find die: 
fem die Drgane der Nation. Der Gang feiner Bildung und 
das Verhältniß feines Standes, welche ihn den Befbäftiguns 
gen und dem Umgange von diefer entrüden, die Menge feis 
ner Gefchäfte, melde ihm jede genaue Beobachtung erfhme: 
zen, laffen ihm im Pleinern Kreife, wie dem Zürften im gröfs 
fern, lediglich bie Fähigkeit, die Thatfaben zu erwägen, 
welche ihnen vorgelegt werben; ünd Beyde bleiben blind mit 
dem beften Gefichte, fobald es ihnen an einem Organe fehlt, 
welches bie Thatfahen aus der großen Tiefe des Volks vor 
ihre Augen bringt. Jeder gründlihe Beamte fühlt es hin: 
Jänglih, wie wenig er für fih die Verhältniffe eines Lehr: 
jungen, geſchweige einer Zunft, geſchweige aller Stände und 
des ganzen Staates zu durchfehen vermag. 

Unfer Zeitalter hat bey aller feiner Altklugheit es felbft 
endlih empfunden, und fib Handels-Kammern und tednolo: 
giſche Kommiffionen und Aderbau: Gefellfbaften erfbaffen, 
um ſich eine Krüde zu bilden. Es hat ſich ein polizeyliches 
Mikroſcop organifirt, um jede Regung der Bürger zu erfah: 
ren; es hat mit Proflamationen und gedungenen Zeitungen 
und Flugſchriften oder mit ihren Verboten, mit Dotationen 
und Legionen von Ehrenzeichen auf die öffentlibe Stimmung 
zu wirfen verfucht. Allein es war begreiflib, daß alle diefe 
Inſtitate und Mittel, wie wir es au gefehen haben, ihren 


in Bezug auf die Verfaffung. 267 


— — — — — — —— [U 
Zweck nur halb und momentan erreichen konnten. Denn 
ihre Wahl kam nicht aus dem Volk, ſondern aus den Staats— 
Beamten, welche nur jenen Geift in fie hineintragen Fonnten, 
von welchem fie felbft zufällig befeelt waren. Die Freyheit 
bat ihnen gefehlt, welche allein die Mutter der Wahrheit iſt, 
und die allgemeine Anerkennung, welde allein ihnen eine tier 
fer greifende Wirkſamkeit geben ann. 

Es ift ein ungeheurer, ein ſchrecklicher Gedanke, wel: 
cher einen Fuͤtſten, der Geiſt und Herz bat, ihn zu faffen, 





erdrücden muß, bie Bormundfhaft von Millionen Menſchen — 


auf ſich zu laden, ohne fie über ihre Wuͤnſche, über ihre Ver: 
bältniffe und Angelegenheiten fragen zu können, eine ganze 
fultivirte Nation, deren Geiftesmaffe fein einzelnes Genie 
ermeffen kann, ald unmündig behandeln zu müffen, und kei⸗ 
ne organifirte Stimme zu finden, dur welche ſie geſetzlich 
und frey ſich ihm kund geben koͤnnte. 


VI. 
Bon dem politiſchen Verhältniffe der — 
gegeneinander. 


Wenn wir das Verhaͤltniß des Fuͤrſten zum Volk, wie es 
in dem richtigen Begriffe einer Verfaſſung ſich darſtellt, durch 
Hein Gleichniß ausdruͤcken ſollen, fo muͤſſen wir es und denken, 
als die Seele mit einem lebendigen Leibe verbunden. In ihr 
liegt das fuͤrſtliche Regiment; von den Sinnen und Gliedern 
des Leibes aber erhaͤlt ſie die Bilder der Außenwelt; von ihm 
emofaͤngt ſie die Gefuͤhle des Beduͤrfniſſes; in ihm liegen 
die Organe der Bewegung, auf und durch welche ſie wirken 
kann; in ſeinem Gedeihen findet ſie ihre Kraͤfte. 

Aber ſo wie zwiſchen dem Geiſte, welcher in dem Fuͤrſten 
wohnt, und der leiblichen Geſtalt oder dem Volk nicht Qp— 
poſition und Zwietracht gedacht werden kann; ſo muͤſſen auch 
die Organe des Leibes ſich in harmoniſcher Wechſelwirkung zu 


268 Ueber d. Verh. d. beutfhen Adels zu feinen Mitftänden 





‚einem Ganzen vereinigen. Diefe Organe find bie Stände 
des Volke. Man koͤnnte den Bauer mit den zahllofer Ge: 
fäffen vergleihen, welche Nahrung und Wahsthum des Kör: 
pers durch die Säfte bereiten, welche fie verſchließen, den 
Bürger mit den beweglichen Gliedern, welche über den Kör- 
per felbft binausreiben, um die äußere Melt zu erfalfen, 
und in der weiten Bruft würde fih der Adel zeigen, welcher 
den ätherifhen Athem enıpfängt, um die Wärme und Frey: 
heit des Lebens in alle Theile des Körpers zu ergießen. 

Unſre Zeit, deren Krankheit es war, in allen Dingen 
das Eigenthuͤmliche und Wirkliche zu vernaclaͤſſigen, und 
uͤberall nur eine theoretiſche Allgemeinheit zu ſuchen, hat auch 
den Begriff der Staͤnde verloren. Sie hat in der Verſchie⸗ 
denheit der Beſchaͤftigungen oder der Lebensweiſe ber Staats: 
bürger nichts weiter gefehen, als die verfhiednen Privats 
mittel, deren Jeber gebraucht, um fein Leben zu verdienen, 
oder zu genießen, daß es aber biefe Mittel find, welche äufs 
ferlih die Nation in große Maſſen vertheilen, damit ihre 
Bildung und ihre Kräfte au innerlich fih na verſchiednen 
Stufen und Richtungen entwideln, und: ein manmigfaltiges, 
ſich felbft erregendes Leben gewinnen könnten, daß jene. Maffe 
nicht blos äußerlich bedingte Abtheilungen eines großen Amei: 
ſenhaufens, fondern in fi felbft gefhloffne und weſentliche 
Glieder eines Ganzen, daß fie nicht Klaffen, fondern 
Stände des Volks feyen, davon wollte man feinen Be: 
griff gewinnen; 

Durch diefe Anfiht war nun auch eine einfahe Metho: 
be gefunden, Verfaffungen zu fhmieden, welche bey allem 
Wechſel der Fagon, welden die Jahreszeit oder das Klima 
forderte, unfern Tann: BRATHANIEN gleihe Dienfte 
leiftete. 

Zufoͤrderſt — Bauer, ber Bürger und Adel in 
dem theoretifhen Begriffe des Staatsbürger®, und ber 
Staatsbürger in der Abftraktion des Menfhen aufgelöst, 


in Bezug auf die Verfaffung. 259 








und fo alle die Gliedmaßen des organifhen Gebildes wohl 
digerirt und fublimirt in dem politifden Mörfer zu Einem 
Brey der Menſchheit zufammengeftoßen, damit ‘fie fi deſto 
leichter in jede beliebige Form kneten lieffen, und an der gan- 
zen geſchmeidigen Maffe die Gleihheit und Affimilation zu 
fühlen war. | 
Wie fehr diefer Geift der — Zeit die 
Menſchen um das Gefuͤhl ihrer eignen Bedeutung betrogen 
habe, zeigte ſich in der allgemeinen Stimmung, womit dieſe 
Aſſimilirung- und Nivellirung-Methode aufgenommen wurde, 
und in deren Wirkungen man nichts Andres zu fehen wuffte, 
als daß der Adel von feinem Standpunkte heruntergebracht 
wurde. ber felbjt diejenigen, welche am meiften mit dieſem 
Spfteme unzufrieden waren, ſahen nit, daß fie nicht die Eins 
zigen find, welche es mit feinem Schutt überbedte, und diejes 
rigen, welche ſich am meiften barüber freuten, fahen nice, 
dag ihr eigner Stand in diefer Sandflähe mit hineingefehrt 
wurde. Ed war nicht der Adel allein, fondern auch der 
Bauer, ber Bürger, welde aus der politifhen Bedeutung 
audgeftrihen wurden, bie Stände des ganzen Volks waren 
es, welde man vertilgt, die Nation'war ed, welde man zu 
einer Menfbenheerde fublimirt hatte, am der weiter ‚nichte 
mehr, als die Zabf zu erwägen war. '- 
Nach einer fo gelungenen Abftraftion wurde es nun ein 
Leichtes, fuͤr diefe bis zu einer großen Ziffer ausgefogne 
Maffe die Formel: zu finden, wie Vielen unter ihnen es über: 
tragen werden follte, anflatt der Webrigen bey den allgemeinen 
Beiblüffen mitzufpreben, und damit ja nicht ein. geiftiges 
Uebergewict in der Diskuffion die reine Leerheit des arithme⸗ 
tiſchen Verhaͤltniſſes ſtoͤre, ſo wurde die ſtumme Ballotage 
an bie Stelle ver lebendigen Sprache geſetzt. : Das waren 
die beliebten Volks Repraͤſentationen, und nicht mit Unrecht 
‚wurde ihnen der Name von Repräfentanten gegeben, weil 
fie Niemanden mehr zu vertreten, fondern nur ein Wolf vors 


270 Ueber d. Berh. d. deutſchen Adels zu feinen Mitftänden 





zufiellen hatten, was, in dem Begriffe und Grunde feines 
Weſens aufgelöst worden war. 

Zu fpät ift man es gewahr geworden, daß die leere For: 
mel des Wolfe oder feiner Nepräfentation nichts hervorbrin: 
gen inne, wenn es ihr. an lebendigen Faktoren fehle, oder 
daß ſchlauere Rechenmeiſter ſie nur gebrauchen, um ein Facit 
durch ſie herauszufinden, welches fie ſchon früher zu ihren 
eignen Abſichten in Bereitfbaft hatten. Man glaubte diefer 
todten Mafhine ohme eignen Trieb und Ruhepunft Gang und 
Haltung zu. geben, indem man eine fünftlibe Gegenwirkung 
in ſie ſelbſt hineinzulegen ſuchte; man theilte die Stellen ber 
figurirenden Revräfentanten in die Bedächtlihkeit des Alters 
und in das Feuer der Jugend, oder fpäter in die Liebe der 
Erhaltung: und in die Kraft des Staats-Betriebs; bie trau: 
rige Farce, welche mir einem Jntriguenftücde begann, follte 
mit einem Charafterftücde fih enden. Vergebens! Die 
Weisheit und die Tbärigfeit, bie Mäßigung und die Kraft 
fonnten nicht willkuͤrlich geſchaffnen Organen aufgetragen 
werden, wie man einem die Funktionen eines Amts über: 
trägt, und das vieläligige, und vielarmige Wefen konnte we: 
ber, fein eignes Bild erfajfen, noch feiner Bewegung mächtig 


werden, weil e8 mit den. Merven des Volks nicht mehr zus _ 


fammenbing. Die Triebe, welde bewegen, welche erhalten 
ſollen, koͤnnen ſich nur an dem Herzen der Nation erwärmen, 
nationefle Funktionen können nur aus den urſpruͤnglichen na= 
tionellen Gebilden, aus den Ständen hervorgehen. 


Die Verfaffung kann ein ganzes Volt auflöfen; aber - 


Stände kann fie weder ſchaffen noch vertilgen, fie kann da 
-Keinem etwas, zutheilen noch nehmen; fondern nur daB Vers 
haͤltniß unter ihnen ausſprechen, wie fie es findet. Won eis 
nem arithmetifhen Hebergewichte, oder von einem politiſchen 
Vorrechte unter ihnen fann feine Rede feyn. Jeder ift eine 
matuͤrliche Einheit in dem Körner der Nation, Jeder hat feine 
angeborne, eigenthämlihe Stimme. Ob die Zahl der Ölie- 


% ” * 


in Bezug auf die Verfaffung. 271 








der, melde fie zur allgemeinen Aeußerung und Berathung 
erwaͤhlen, nit im Verhältniffe feyn foll mit der Anzahl der 
Individuen, aus welchen jeder Stand befteht, ift eben darum . 
eine Trage, welhe den Sinn ihres Gegenftandes vergifft; 
nicht die Individuen, fondern die Stände follen durch die Ab: 
‚geordneten vertreten werden; nicht in der Zahl ihrer Köpfe, 
fondern in der innern Wechſelwirkung ihrer Eigenthuͤmlichkei— 
ten erfennt fih die Nation. Noch weniger fann die Stimm: 
fähigkeit an die Maffe des zufälligen Vermögens, an ein ges 
wiſſes Einfommen gebunden werben! Es war dies das miß— 
Iungene Mittel einer Zeit, welche für jeden Bürger, dem 
fie Aktivität erlauben wollte, eine Bürgfchaft zu nehmen ges 
zwungen war, weil fie Jeden gefährlich gemacht hat, indem 
fie Jeden feinen natürlihften Intereffen entriffen, weil- fie 
die ganze Nationalmaffe zum Pöbel gemacht hat, indem fie 
alle gleihftellen wollte, und den Stand der Bauern und Bür: 
ger herunterwürdigte, indem fie feinen eignen Standesſtolz 
fo fehr verlöfhte, daß er glauben fonnte, durch bie Fort: 
dauer des. Adels erniedrigt zu feyn. Indem fie die beneidete 
Macht ererbter Familien:Ehre zu ftürzen glaubte, hat fie die 
verderbliche des blinden Reihthums errichtet. 

Wir hoffen, daß für Deutfhland die Zeit wieber ge: 
fommen fey, wo ber Landınann ſich mit Stolz einen Bauer 
nennt, wo ber Bürger es verfhmäht, nad fremdem Rang zu 
traten, und nicht findet, worin er den Edelmann beneiden 
koͤnnte, und wo der Adel feinem wackern Selbfigefühl feinen 
Abbruch zu thun glaube, indem er die Chrenhaftigteit der ans 
bern Stände achtet. 

Wie die verfhiednen Stände mit ihren Nebenzweigen 
ſowol nebeneinander, als in Beziehung auf das Ganze der— 
malen geftellt ſeyen, wollen wir ſchließlich mit einigen fluͤchti⸗ 
gen Zügen betrachten, und, weil wir fie lieben und die Wahre 
heit, uns nicht ſcheuen, biefe zu fagen. 





272 Weber d. Verb. d. beutfhen Adels zu feinen Mitftänden 








VII. 


—— in Bezug auf die ERRIEINER 
Stände. 


Der Landmann ift, wie die Scholle, bie er bauet, der Bos 
ben, gleichſam das mätterlihe Prinzip des Staats. Gefund 
und Präftig an Leib und Sinn dur die Mannigfaltigkeit ſei— 
ner Befbäftigungen und durch den vielfältigen Umgang mit 
den Gefegen der Natur, mehr, als ein Andrer, fein eigner 
Ernährer und aller Uebrigen, ift ihm eine anfpruchlofe Frey— 
heit eingeoflanzt, und die Einfalt der Sitte, welche nur zu 
pflegen fucht und zu erhalten, und das Schaffen und Wech⸗ 
fein der Natur allein überlaffen will. Dies ift auch fein po: 
litifper Charakter, von feinem Stande ift diefer fefter- und 
wefentliber gegründet. - Er hat, wie die Mutter, gegen 
ben Staat beynahe nur eine negative Seite, baß feine häuss 
libe Freyheit und Sitte nicht geftört werde. Friedlich in ſei— 
ner Ruhe, ungeftüm und Alles wagend, wenn fie zerfiört 
wird durch Äußere Feinde. Auf einem folden Stande allein 
Fann der Staat und der Geift des Volks ruhen. So iſt der 
Bauer noch, wo er feine Einfalt erhalten, aber zum Pöbel 
ift er geworden, wo ihn der Eigennug oder das Eingreifen 
in feine Ruhe und Freyheit zur unnatürliden Aktivität ges 
wet, und fein. Gemüth mit ftädtifcher Verfhmigtheit ge: 
mifcht hat. Da erſcheint fein Charafter, wie in den Zeiten 
bed Bauernkriegs, wo er gegen ben Drud des Glauübens, 
der Sitte und der väterlihen Sagungen, aber au in dem 
einmal erregten Ungeftüm gegen die Heiligkeit bes Rechtes 
und Befiges gekämpft hat. Selbſt der Begriff des Eigen: 
thums und die Achtung der Perfönlichkeit erlifcht in der wils 
ben Widerfpenftigkeit und Begierde. Den Anordnungen der 
Regierung fegt er fih mißtrauifh und gern entgegen, und 
Allem, was allgemein ift; faum weiß er das gemeine Bes 
duͤrfniß feines Dorfes zu beachten. j 


» 


in Bezug auf die Verfaffung. 273 








Aber man müffte den Bauer wenig kennen, wein man 
diefes Uebel für fo tief gewurzelt halten wollte. Die unge: 
beure Noth der Zeiten, welche durch die verkehrten Finanz: 
Syſteme größtentheils auf den Landmann entladen wurde, 
der Drud der Unterbeamten, die übelverftandenen Plades 
reven unfrer Polizeyluftigkeit, die fremden Rechttsgeſetze, 
das aufgedrungene und unzeitige Kultiviren, und endlich die 
Lockungen und das böfe Beyfpiel der andern Stände haben 
ihn übellaunig und mißtrauifh, lüftern und falfh gemacht, 
und ein wildes Wefen in ihn gebraht. — Die Erfahrung 
‚zeigt es, daß fem Stand leichter und gründlider wieder zu 
feinem ädten Charakter zurücgeführt werden koͤnne; aber 
feine Gebräude und Freuden, fein unbekuͤmmertes Auskom⸗— 
men und feine Freyheit muß man ibm laffen, und von uns 
felbft nicht einen fo hohen Begriff hegen, daß wir glauben, 
der Bauer koͤnnte viel gewinnen, wenn wir ihm, von unfrer 
Art zu fern, Manches einflößen und aufbringen. Wir ver: 
ſtehen es nicht, fein Dorf zu regieren; darum überlajfe 
man diefe Angelegenheiten ihm felbft, und er wird fie und 
feinen Sinn für ein Gemeinwefen mit Liebe pflegen. Diefes 
Recht, welches feine befbeidne Freyheit ſchuͤtzt, und ihn an 
bas Allgemeine bindet, gebührt ihm, und ift viellercht tur 
einzige Privileg, welches ihm die Verfaffung zu fihern hat. 

In allen Einrichtungen wählt der Bauer nur das Noth: 
mwendige; dad Entbehrlihe oder Weberflüfiige mißfällt ihm, 
oder wird ihm nachtheilig. Darum ift auch die Maͤßigkeit 
und uatürlihe Weisheit feines Rathes zu fhägen in den Vers 
ſammlungen der Stände, fo lange es fih um einfachere Ber: 
bhältniffe and um die Pflege und Erhaltung des Ganzen 
handelt. | 

Fremd ift ihm-bie vielfach fich Preuzende Betriebfamkeit 
bes Bürgers, der das Neue und das Weite zu fuchen ge: 
wohnt, und nicht leicht diefe Beyden wiffen fich zu verftändi: 
gen. Darum hat man einen Mißgriff begangen, Beyde uns 


274 Weber d. Verh. d. deutſchen Adels zu feinen Mitftänden 


— — — 


ter dem verwirrten Begriffe eines dritten Standes in einer 
Bank oder Kammer zu vermiſchen. 

- Mit leihterm Verſtaͤndniſſe und Zutrauen ſchließt er ſich 
in Dingen, melde jein eigner Geſichtskreis nicht überfhauen 
Tann, dem Adel an, welcher ihm wefentlider durch den 
“ Grundbefiß, als dem Bürger dur Kultur und Lebensweife 
verwandt ift. Der Adel ift fein natürliber Vormanı und 
Sprecher in verwickelten Lagen und bedenklichen Umftänden. 

Wir haben die Ehrenhaftigkeit und Regſamkeit des 
Bürgers fbon in unfern vorigen Unterfuhungen Parakterifirt, 
und nicht unbemerkt gelaffen, welche Wunden ihm und feiner 
Achtbarkeit der fogenannte Zeitgeift gefhlagen habe. Nur 
dann wird er fih wieder zu der würdigen Stufe erheben, wel= 
de ihm die Geſchichte und die Natur feines Standes anmweist, 
wenn er frey und in ſich felbft gegründet dafteht, daß er feine 
Wichtigkeit im Staate fühle, und dem Abel lieber feinen - 
eignen Werth entgegenfege, als mit ihm um eine täufchende 
Gleichheit buhle. 

Durch die Meinen Landftädte ſcheint fih der Bürger an 
den Bauer anzufchließen; aber es fehlt ihnen meiſtens bie 
bielfabe Beweglichkeit des Städters, wie die Einfalt des 
Landmanns; fie fheinen vielmehr nur die Mängel von Bev— 
den zu Gaben. In den Berathungen aber werden fie von 
dem Geifte der größern Srädte dahin gezogen, und biefe find 
ed, welde den eigentlihen Bürgerfinn bewahren. 

Der Bürger hat eine große Ueberlegenheit im Staate. 
Dle Geſcloſſenheit und das zufammengedrängte Leben in den 
Städten gibt ihm einen entſchiednen Gemeinfinn; der viel: 
fahe Verkehr und feine beftändige Richtung auf den Gewinn, 
eine befondere Gewandtheit und Anftelligkeit, felbft die Be: 
weglichkeit feines Kapitals verfhafft ihm ein Uebergewicht. 
Eben diefe Umftände flimmen ihn aber auch zu einer gewiffen 
Einfeitigkeit des Urtheils und des Intereffe, welche ihn nur 
um fo folgerechter feinem Ziele entgegenführt. Daraus ift 


in Bezug auf die Verfaffung. 275 





es zu begreifen, warum die Inftitute und Gefege ber meiften 
Linder die Städte und ihre Gewerbe fo unverhältnigmäßig 
auf Koften und felbft zum Drud der Landwirthſchaft begün- 
fligt haben, obwol der tiefere Blick wohl erkennt, daß dem 
Bürger felbft kein gruͤndlicher Dienft:damit geleiftet worden 
fev. Das ftädtifhe Intereffe würde auch unfehlbar nad und 
nach zu feinem eignen Verderben das herrfibende werben, 
oder mit jenem des Landwirths in Feindfihaft gerathen, wenn 
wicht zugleih in dem Adel ein Stand begründet wäre, wel: 
ber, der nothwendige Mittler von Bepben, durch feine Bil: 
dung: und Lebens: Weife fih zwar mehr dem Bürger nähert, 
nach feiner Natur und feinem Intereffe aber ſich mehr für die 
Sache bes Landmanns neigt. Durd den Bürger wird ber 
Staat zu neuem Leben angefacht, in dem Bauer ftellt fich dies 
fem die Ruhe und das Bleibende entgegen, der alte Stamm 
des freyen Adels bewahrt das nationelle Weſen, daß es mir 
dem Veränderliben nicht fortgeriffen, in feiner Entwidlung 
nicht gebunden werde. 5 
So hat die Natur der Nation dur bag urforiinglice 
Verhaͤltniß ihrer Stände geforgt, daß die befondre Anlage 
jedes Einzelnen der allgemeinen Wohlfahrt dienen müffe, in: 
dem fie ihre eigne Richtung zu verfolgen fheint. Eben des: 
wegen muß auch die Verfaffung diefes Eigne nit unterdruͤ— 
Ken; fonderm Jedem vielmehr dasjenige fibern, was. feine 
Natur anfpriht. Der Gemeingeift und die Neigung zu Ins 
nungen zeichnet den Bürger aus; darım muß es ihm aud 
gegönnt feyn, fein gemeines Wefen durch eigne Raͤthe zu ver: 
walten, und in den verſchiednen Zweigen feiner Betriebfant: 
keit durch befondre Innungen und Zünfte die Ordnung zu 
handhaben. Auch Vorrechte und Befreyungen mander Art 
follen tem Bürger verliehen werden, nicht blos, um tie Ver: 
hältniffe feiner Gewerbſamkeit zu begünftigen, fondern bamit 
er fi deſto mehr als einen Stand des Volks bezeichnet fehe, 
und in dem Umſchwung feiner wandelbaren Geſchaͤftigkeit ſich 


276 Weber b. Berh. d. deutſchen Adels zu feinen Mitſtaͤnden 





ſtets wieder an den Mittelpunkt der gemeinfamen ———— 
hingezogen fuͤhle. 

Der Buͤrger und der Bauer fi find die Stände, welde 
auf dem phyſiſchen VBedärfniffe der Nation beruhen. Sie 
bilden die Grundlage, die Maffe der Nation; fie erhalten 
ſich ſelbſt, und was im Staate ift, das fommt faft nur von 
ihnen. Es ift daher ganz natürlib, daß die Verfaffung ihnen 
auch nichts geben, fondern nur was fie find und haben, ge- 
währen könne, — ihren Befiß, ihre freye Thaͤtigkeit und 
‚ ihren ſtaͤndiſchen Charakter. 


Dieſen gegenuͤber ſtehen Andere, deren Beſtimmung 
nur aus dem rein geiſtigen, oder erſt aus dem geſellſchaftli— 
ben Bedürfniffe hervorgeht, — der Geiftlide, Soldat, 
Beamte und Lehrer u.f.w.. Was diefe find und haben im 
Staafe, kommt von der Nation, ihr Beruf und ihre Macht, 
ihr Anſehen und Unterhalt iſt ihnen vom Staate verliehen. 
Man nennt ſie zwar Staͤnde, und ſie koͤnnen als ſolche be— 
trachtet werden in Hinſicht ihrer innern Eigenthuͤmlichkeit, 
aber nicht in Anſehung einer politiſchen Selbſtſtaͤndigkeit, da 
ſie nicht Glieder, ſondern Diener des Staats ſind. Weil ſie 
bey uns keine eigne erbliche Kaſte bilden, ſo gehoͤren ſie in 
Ruͤckſicht ihres allgemein buͤrgerlichen Verhaͤltniſſes denjeni⸗ 
‚gen Ständen an, aus weldden fie ergänzt werden, und neh— 
men für ihre Perfon Theil an den Rechten derfelben. Hierin 
liegt die Antwort auf die Frage, die man mehrmalen aufge: 
worfen bat, ob aud biefen Klaffen eine befondre Stimme in 
dem Rathe des Volks gebühre? Sie fommt ihnen zu als 
Individuen eines andern Standes, fie gebührt ihnen nicht in 
Rüdfiht ihres eignen. Ihres wichtigen Einfluffes wegen 
dürfen wir nit unterlaffen, ihnen eine fluͤchtige Betrachtung 
zu widmen. 


Die Geiftlichkeit faß ehedem in ber Reihe der Stände, 
nicht als ein Glied des Staats, fondern als eine fremte und 


in Bezug auf die Verfaffung. 277 





— 





köbere Gewalt, welche außer und über ihm geſtellt war. 
Als die Kirche die Vormundſchaft der Staaten niedergelegt 
hatte, und von dem Gebiete äußerer Herrfhaft in das Reih 
der Geiſter zurüdgetreten war, behielt die Geiſtlichkeit ihren 
ſtaͤndiſchen Sig vermöge des Herfommens, ihres Anſehens, 
und ihrer Befisthümer, und fie war nun nichts anders, ale 
ein geiftlicher Adel. Diefer Standpunft war aud der richs 
tige; als Beſitzer weltliber Güter kann der Geiftlihe nad 
der Maßgabe feines Anfehens nur dem Adel oder dem Lanb: 
wann zugefellt werden, mit melden er auch dur feinen Cha— 
rafter näher verwandt ift, als mit dem zu zeitliben Getriebe 
des Bürgers. Als Pfleger der ewigen Güter aber gehört er 
dem Staate überhaupt nicht an, und liegt ganz außer dem⸗ 
ſelben. Seine geifiige Beftimmung ift von ihm felbft und 
von den Andern in gleibem Grade verfannt worden, da er 
fih als einen bloßen Beamten des Kultus hat anſehen laffen, 
und fib mit dem Mittelftande und Ötaatsdiener vermifcht 
hat. Die Politik glaubte, etwas fehr Kluges ausgeführt zu 
haben, indem jie die Geiftlihkeit in die Sphäre ihres Ge: 
biets und Intereſſes bineingezogen bat; aber fie bedachte 
nicht, wie gefährlid die Macht über bie Gemüther werden 
fönnte, wenn fie je ihre Würde fo vergeffen lernte, um fich 
zeitliben Abfihten als Mittel zu verdingen. Won diefem 
Punkte ift auch der Verfall der Beiftlihfeit ausgegangen. 
Selbjt die Beffern diefed Standes haben Scheu getragen, bie 
Würde ihrer Lehre und ihres Bekenntniffes in unverhüllter 
Reinheit und Strenge zu zeigen, und haben fie zu beſchoͤni— 
gen gefucht dur weltlihe Vorftellungarten, und zu empfch: 
len durh Gründe der Konvenienz. Sie haben die Flagge 
bes Zeitgeiftes aufgeſteckt auf. das Schiff ihres Heiligthung, 
und irdiſche Schäge darin zu führen vorgegeben, und weil fie 
nicht nach den Sternen, fondern nad den Leuchtthuͤrmen der 
Menfben fahen, weil es ihnen an dem Vertrauen gebrach, 
daß ein Sturm von oben kommen würde, um es jiher in den 


278 Ueber d. Verh. d. deutfihem Adels zu feinen Mitftänden 








ben Hafen zu leiten, fo haben die Wogen der Zeit es ergrif⸗ 
fen, und in der Irre herumgefuͤhrt. 

Es gehoͤrt nicht zu unſerm Zwecke, dieſen Verfall und 
Irrſal weiters zu beſchreiben, denn ſchaden kann die Verwir⸗ 
rung der Kirche dem Staate; aber helfen kann ihr dieſer 
nicht. Sie muß ſich aus ſich ſelbſt erneuen. Was der Staat 
gegen dieſe Uebel thun kann, beſteht einzig darin, die Abſon— 
derung der beyden Gewalten zu bewahren, und zu ai 
dag die Kirche außer ihm gelegen fey. 

Die Ereigniffe unfrer Zeit fhienen zu der Meinung zu 
berechtigen, daß der Soldat der Erſte der Stände werden 
würde. Er tonnte ed nicht werden; denn er ift nie eim ei: 
gentliber Stand des Volks gewefen, er war ein Korps durch 
einen befondern Zweck gefhaffen; Er mar nicht aus dem Volt 
hervorgegangen; ber Begriff der Ehre, welder mit der Füh: 
rung des Degens verbunden ift, wurde von dem Adel auf ihn 
übertragen, und darum hat er auch die Auszeichnung mit dies 
fem getheilt; der Geift feines Dienftes fam ihm von der 
Strenge der Zubt, und durd die Abfonderung von den ans 
dern Ständen; bie Gewalt, welche er handhabte, durch⸗ 
drang auch feine innere Einrichtung, und gab ihm Zeftigkeit. 
Seine Beftimmung war die Entwidlung der Kriegs: Verfaſ⸗ 
füng nad ihrem techniſchen und geiſtigen Charakter. Sobald 
er in ihrer Vollendung ſeine eigentliche Kulmination erreicht 
hatte, muſſte die Eiferſucht der Maͤchte, die Staͤrke, welche 
fie an taftifben Vortheilen nicht mehr gewinnen konnte, 
durch die zunehmende Vergrößerung der Heere ſuchen, und 
die Schranken öffnen, welche diefes Korps von dem Wolf ge: 
fdieden hatte. Es war die Vorbereitung zu der Rückkehr 
der Nativnal:Bewaffnung. Die Erweiterung des Militär: 
Standes fhmähte feine Zucht einerfeits durch Erfhlaffung, 
anderfeits durch Unbaͤndigkeit, welche in der Wildheit und 
dem Uebermuth eines langen Kriegs ſich erzeugte. In den 
einen Staaten fing die Achtung des Militärs zu wanfen an, 


in Bezug auf die Verfaffung. | 279 


nt 
in den andern der Ungeftüm feiner Maffe, bevenklih zu wer: 
den. Mur eine tiefe Umwandlung defjelben kannte von der 
Auflöfung retten, welde ihm oder dem Staate bevorfiand, 
’ Ganze Heere muſſten aufgerieben und zerſprengt werden, wie 
eine Rotte tolltühner Abenteurer, damit der Soldat erführe, . 
wie wenig feine Kunft und Macht vermöge, ohne Volkskraft; 
Volker muſſten geaͤngſtigt werden, um wieder Zu lernen, wie 
nothwendig ihnen die Waffen ſeyen; der Soldat muſſte wieder 
buͤrgerlich, das Volk kriegeriſch werden. Der Lauf Eines Jah⸗ 

res hat diefe Umwandlung bewerkſtelligt; es war ein Blitz 
aus der Tiefe der Finſterniß, welcher dieſen neuen Geiſt der 
deutſchen Heere entzuͤndete. 


Der Krieger ift kein Soldmann mehr, ſondern ein ges 
ruͤſteter Bürger, alle flreitbare Männer des Volks find feine 
Waffengefährten, und das fiehende ‚Heer ift nur. ihr Kerm, 
im welhem die Nation den Muth und bie Kunft des Kriegs 
bewahrt. Es iſt der Kern der wehrhaften Männer aller 
Stände, und der Sammelpunkt der Freymwilligen, welche nach 
Thaten gelüfter; den edlen Geſchlechtern geziemt diefe Bes 
ſtimmung vor jeder andern. 


Aber der Edelmann, der Bauer, der Bürger kann 
durh die Waffen: Ucbung fein Verhältniß-zu dem Ötaate, 
feinen urſpruͤnglichen Antheil an den Angelegeuheiten deffels 
ben weder verlieren noch ändern; die Streitferrigfeit fann nur 
eine Pflicht, aber feinen Stand des Volksmannes begrüns 
ben. Diejenigen, welche die Frage aufgeworfen haben, ob, 
dem Kriegäheere als ſolchem eine befondere ftändifche Stimme 
zukomme, feinen das Wefen feines Verhältniffes nicht ers 
fannt zu haben; eine folbe Einribtung würde den Krieger 
neuerdings feinem angebornen Stande entfremden, die Wa: 
tion mit ihrer eignen Macht entzweyen, und in die Gewalt, 
durch. welche jie ſich fhügen will, den Keim revolutionärer 
Gefahren legen. 


* 


280 Ueber d. Verh. d. deutſchen Adels zu feinen Mitſtaͤnden 





Noch haben wir von einer der wichtigften und achtung⸗ 
wuͤrdigſten Klaffen zu ſprechen, von dem Mittelftande. 

Er ift eine neue Uebergangs:Stufe, welche die unſicht⸗ 
bare Leiftung des Menſchengeſchlechts zur Erhebung feiner 
untern Klaffen gebildet hat, eine Erſcheinung, welde erft im 

‚ber Gefhichte der germanifhen Völker, und vor allen ber 
beutfhen Nation vollendet hervortritt. Man hat feine Wich— 
tigfeit und feine Verdienfte zu wenig erfannt, noch weniger 
bie Gefahren feines Verfalls beachtet. Wir haben feine 
Stellung, wie er war und feyn foll, im Allgemeinen, und 
die Wohlthätigkeit feines Einfluffes in »den vorhergehenden 
Unterfuhungen bezeichnet; die Mare Erfenntniß der natio— 
nellen Verhältniffe, wie fie wirklich geworden find, führt 
allein zum Zwecke, und legt un die Pflicht auf, mit gleicher 
YAufrichtigfeit, wie wir hinſichtlich der übrigen Stände es ge= 
than haben, ber. Klippen zu erwähnen, an welche er in un= 
fern Tagen gerathen ift. 

Wie die Kirche das geiftige Beduͤrfniß der Menſchheit 

| außer dem Staate, fo ift es biefer Stand, welder das Geis 
flige in dem Umfange der nationellen Sphäre beforgt. Der 
Künftler hat in den neuern Jahrhunderten feinen lebendiger 
Einfluß, wie feine eigne Lebendigkeit verloren; fein Reich 
ift beynahe, wie jenes des Beiftlihen, nicht mehr von dieſer 
Welt. Der Gelehrte ſchien feit langen Zeiten nicht weniger 
ifolirt zu feyn; die Fortſchritte und die eleftrifhe Kraft der 
Kultur öffnete feinen Syſtemen enblih den Eingang bey den 
Gefbäftsmännern. Aber es war kein Gluͤck für die Wiffen- 
ſchaft und die Erfenntniffe, noch für den Staat, bag bie 
Bearbeitung ihres Geiftes von jener ihrer Anwendung ges 

/ ‚trennt, und ber einen die Bekanntſchaft mit bem Stoffe, der 
andern die Einfiht des Sinnes entfremdet war: das Sy— 
ſtem wurbe hohl, die Praris bloͤdſichtig, bis endlich aus ihrer 
übelgerathenen Vermiſchung fih jene theoretifirende Tendenz 
erzeugte, welche gewähnt hat, die Natur der Völker meiftern 
i und 


in Bezug auf die Werfaffung. 281 








und ihre Verfaſſungen nach Formen gießen zu koͤnnen, und 
in ihrem blinden Wahne dem revolutionaͤren Egoismus zum 
Werkzeuge geworden iſt, um die Nationalitaͤt der Voͤlker 
und die Feſtigkeit der Regierungen zu untergraben. Wenn 
die neuerwachte Kraft der Regierungen und des nationellen 
Lebens die Schulen durchdringen, und in den Geſchaͤften die 
Formen wieder dem Geiſte unterwerfen wird; dann wird dieſe 
Tendenz von felbft erlöfhen, = 
Die Beihäftsmänner waren die jahfreicfte Klaffe und 
der Mutterftamm des Mittelftandes; ihre Wirkſamkeit und 
Unentbehrlihfeit hat ihm feften Beftand gegeben. Laͤnge 
\ waren fie vorzüglich in Deutſchland beynahe eine erblihe Ka⸗ 
fte, in welcher fib der Sinn für geiftige Kultur, dag firenge 
Gefühl der Amtstreue, der Unparteylichkeit, der Rechtlich— 
feit, und ein Streben, nur dem gemeinen Beften zu leben, 
von Vater auf Sohn und Enkel fortpflanzte, Als die Für: 
ften von den gefunkenen Ständen verlaffen waren; fo war es 
diefe Kaffe, welche ihnen durd ihren treuen und forglichen 
Rath noch die Stimme des allgemeinen Beduͤrfniſſes erfegte, 
fo weit ihr eigner Geſichtskreis es möglich machte. So blies 
ben fie in der verdienten Achtung von Zürft und Wolf, bie 
bie Entartung der Zeit auch fie ergriffen. Die plögliche Yıfı 
loͤſung alter Werfaffungen, welhe fo lange mit gewohnten 
und ehrwüärdigen Banden den ungenuͤgſamen Trieb des Men: 
fen mäßigte, gab ihnen den Herzensftoß, weil ihre Wirk: 
ſamkeit zunähft in diefe Erſchuͤtterungen hineingezogen wurs 
be; die Neformen und neuen Geftaltungen, an welden fie zu 
bauen hatten, haben ihren geraden Sinn verwirrt; die ums 
umſchraͤnkte Gewalt, deren Ausübung in ihren Händen lag, 
hat den Schwindel des Hochmuths und der Machthaberey, 
die Noth des Volks hat Härte erzeugt; der Wechfel der Re: 
gierungen hat die Herzen von ihren Zürften abgelöst; die 
Sprünge bes Gluͤcks haben eine Jagd nah Glüd aufgebracht: 
Berfehmißtheit und krummes Weſen brüftete ſich als Geſchaͤfts⸗ 
@ursp. Annaien. gted Erik. 1315. Ä 19 


282 Ueber d. Verb. d. deutſchen Adels zu feinen Mitſtaͤnden 








| Hugheit; auf dem Markte fah man Gefhäfte feilbieten, das 
Schlechte hohnlädelte der unbrauchbaren Ehrlichkeit, oder 
verfolgte fie. Auch in biefem, wie in den andern Ständen, 
bat das Verderben nur den "Heinern Theil verfhont; aber 
auf keiner Seite konnte es zerfiörender werben, als indem es 
diejenige Klaffe ergriff, welche die unmitrelbar wirtende im 
Staate iſt. Was vermochte die Minderzapl ihrer Reingeblie- 
benen gegen biefen reißenden Strom! Wermeffen (dritt die 
Selbfifuht und die Eigenmadt über Eitte und Verfaffung, 
über Rechte und natürlibe WVerhältniffe, über alle Zweige 
der Nahrung und die Bedürfniffe des Unterhalts bin; das 
Intereſſe von Fürft und Bolt wurde der Willtür des Be: 
Hriffes und der Abfibt zum Spiele, welde bis in die Stille 
bes Hanfes, bis zu der Freyheit des Gedankens drang; das 
Lebeu der Nation wurde in tauſendfache Feffeln eingefhnüärt, 
bie Bewegungen ber Regierung von unzähligen Formen ums 
ſtrickt, welche nur das Heer der Beamten zu einer brüdenden 
Maffe vermehrten, und jeden Eingriff des Negenten in bie 
fomplizirte Mafhine erfhwerten; — gefährlid wurden bie 
Kräfte, welhe dienen follten, weil es fie gelüftere, zu 
herrſchen. 


So hat der Geiſt der Umkehrung, welcher von Frank— 
reih ausging, fein Gift auch in den Organismus unfrer 
Staaten getragen. Das befiürzte Wolf, welches feine Wir: 
fungen fühlte, erfaunte feine Quelle nicht, und fbob auf die 
* Fürften oder ihre Minifter die Schuld feiner Leiden. Aber 
was hätten die Fürften, die Minifter gekonnt, umrungen 
von Werkzeugen, welde ſich ihnen losgewunden, und ihrem 
eignen Öotte ſich ergeben hatten! f' 


Die wenigeren Edlen, welde treu in ihrer Sorge für 
ben Regenten und feinen Staat ausgehalten, und die hoben 
Eigenfbaften ihres Standes aufbewahrt haben, beweifen auch 
bier wieder, daß nicht bie Wurzel des Standes entartet fey, 


in Bezug auf die Werfaffung. 283 








fondern daß es die Anarchie der Zeit war, — feine ober: 
flählihe Menge verborben hat. - 

Gut und tühtig, fo lange fie ſich nur als Dienerinn des 
Geſetzes betrachtete, muſſte ſie fallen, ſobald ſie den ganzen 
Staat von ſich abhaͤngig ſah, weil ſie allein ſtand zwiſchen 
Unterthanen und Fuͤrſten, wie eine Scheidewand, und kein 
Organ da war, durch welches dieſe bie Lage ihres Volks hät: 
ten vernehmen können, Darım muß bie Verfaffung bem 
Mlebel einen Damm entgegenftellen, und das Intereſſe der 
Regierung fordert es nicht minder dringend, als das der Un: 
terthanen, daß dieſen wieder in den Ständen eine gefegliche 
Stimme gegeben werde, woburd ihre Herzen, ihre Beduͤrf⸗ 
niffe unmittelbar zu ihrem Fürften fpreben innen. Dann 
wird der Regent in jenen Beamten auch die treuen und tuͤch— 
tigen Diener, und die einft fo trefflihe Klaffe in ihnen ihre 
würdigen Mitglieder wieder finden, 

Es ift das Charakteriftifhe der Mittelklaſſe überhaupt, 
daß fie keinen eignen Stand bilde, fondern allen Ständen 
‚ angehöre. Sie kann daher nie als eine volitifhe Geſammt— 
heit angefehen werden, und als folhe feinen Antheil an ber 
Stimme bes Volks erhalten; nur dem Individuum kommt 
diefer zu, infofern ed zum Bürger, zum Ebel: oder Land: 
manre zu zählen if. Noch weniger aber könnte der befon: 
bern Klaffe der Staats: Beamten ein folher Antheil zugedacht 
werben, ba ihre Eigenſchaft im Staate an ſich nur eime voll: 
ziehende,, und die Erhaltung ihrer Freyheit eben durch eine 
fländifhe Stimme außer ihr bedingt ift. 

Sie würde demungeachtet durch dad Anſehen ihres Amt: 
lichen Wirkungfreifes, durd ihre Gefhäfte:Gewandtheit und 
den Vorzug ihrer Bildung ein entfhiedenes Uebergewicht 
über den Bürger: und Bauernftand erhalten, und es ift die 
befondre Beſtimmung des Adels, durch feine Unabhängigkeit, 
dur feine Welt:Gewandtheit und durch eine gleihe Ausbil: 
bung das Gleichgewicht zu ergänzen. Daher follte der zu 


284 Ueber d. Verh. d. deutſchen Adels zu feinen Mitſtaͤnben 
ER 


frequente Uebertritt des Adels in Civildienſte nicht begünftige 
werben, weil er dadurd leicht mit feiner urfpränglichen ftän= 
difhen Beftimmung in Kollifionen geräth; wenigftens follte 
es zum Gefege gemacht werden, daß unter feine Abgeordneten 
nie über eine gewiffe Zahl folder Individuen aufgenommen 
werden Pönnten 





VIII. 
Beſchluß von dem deutſchen Adel. 


Wir haben umfiändli die Verdienfte und die Verberbs 
niß des Adels entwidelt, und gefehen, daß die legtere nicht 
feinen innern Keim, oder den noch gefunden Kern getroffen 

habe, fondern aus der müßigen Berufslofigkeit entfprungen 
fey, in welde ihn ber Lauf der Zeiten gefegt hatte, — bag 
fie geheilt werden könne, und diefes wichtige Glied nach feie 
nem urfprünglihen Gehalt der Nation wieder gegeben werden 
müffe, dadurch, dag man ihm feine Beflimmung zuruͤckgibt. 
Wir haben fein Verhältnig zu dem Ganzen und zu den einzel: 
nen Ständen in allen Beziehungen angedeutet. Wie zwifchen 
dem Bürger und dem Bauer, fo haben wir ihn wieder in die 
Mitte gefellt gefunden zwifchen dieſen naͤhrenden Ständen 
und denjenigen, deren Dafeyn und Beflimmung auf ein geis 
fiiges und gefellfhaftlihes Beduͤrfniß gegründet if. Er 
produzirt nicht, wie jene, aber er ſteht fo feft, als fie im 
bem großen Bejiße bes prodbuftiven Bodens; er ift nicht abs 
haͤngig im feiner Beftimmung, wie diefe, weil fie ihm nicht 
erft übertragen worden, fondern ihm aus der Geſchichte an: 
gefiammt, weil er nicht von der Nation beftellt, fondern zus 
gleich mit ihr und als ein urſpruͤngliches Glied berfelben ent: 
flanden ift. Er ifi daher freyer von Beduͤrfniß und Erwerb, 
als die nährenden, freyer von dem Menfhen, als die andern 
Klaffen. Auch feine Beflimmung geht auf ein geiftiges, eis 
gentlich politiihes Band. der Geſellſchaft; aber die Kräfte, 


in Bezug auf die Verfaffung. 285 





welche ihn bewegen, haben ein fefteres Selbftberuhen und 
mweriger Wandelbarkeit, weil er dur fein Dafeyn an den 
Grunbbefig und an die Vorzeit gebunden, und nicht unmittels 
‚bar in vie Thätigfeit der Wiffenfchaft oder des Geſchaͤfts vers 
flochten ift. 


Diefes Mittelnde und Verbindende, — ſein Ders 


haͤltniß zu ben andern Ständen charakterifirt, zeigt fih auch 
in feiner Beziehung zu dem Zürften. Es ift ziemlich allge: 
mein, den Adel die Stüge des Zürften und den Mittler zwis 
ſchen diefem und ber Nation zu nennen, und es ift einer der 
vielen Gemeinpläge, welche eben fo viel Falſches ald Wahres 
enthalten, und bie man wiederholt, weil man fie gehört hat, 
ohne fie zu verfiehen. Er war die Schutzwehre des Throng, 
fo lange er allein der Freye und der Mehrftand geweſen iſt; 
jeßt beftebt die Leibwache des Fürften in dem ganzen Volt; 
dem Adel aber, welchen die angeerbten Waffen vor allen 
(dmüden, ziemt es allerdings, zuerfi nab der Rüftung zu 
eilen, wenn ein Feind zu befiegen ift, wie er es auch in uns 
fern Zagen bewiefen hat. Diejenigen, welche von einer ins 
nern Schußwehr der Regierung ſprechen, fehen das Volk für 
einen unmwilligen, zum Aufruhr geneigten, Haufen an, was 
es nie gewefen ift, und erniedrigen es unter den Poͤbel. 
Der Abel kann auch niht in dem gewöhnlichen Sinne ber 
Bermittler heißen, er fteht nicht zwifhen dem Fürften und 
der Nation, fondern macht einen Theil von diefer aus. Auch 
fest die Idee einer ſolchen Vermittlung eine Vorſtellung vor: 


aus, als wenn das Intereſſe des Regenten und der Unter: | 


thanen ſich entgegengefegt, und beyde in einem nothwendigen 
Miptrauen und Mißverftändniffe gegeneinander befangen 
wären. Die Stände überhaupt find die Vermittler zwifchen 
Regierung und Unterthan, nicht, weil: fie zwifchen bdiefen 
auszugleihen und zu verföhnen hätten, fondern weil fie das 
Drgan find, dur welches fih ihr gemeinfhaftlides Ins 
tereffe und ihre Einigkeit ausſpricht. Die Stände find bie 


x 


286 ‚Weber db. Verb. d. deutfchen Adels zu feinen Mitftänden 








Stüge des Thrond, und um deswillen iſt der Adel, als ihr 
Vormann, auch feine erfie Stuͤtze, weil von. ihm vorzüglid 
der fiädtifhe Geift ausgeht. Als Vormann aber wirb er 
auch für den Angefehenften geachtet, und darum ift er der 
Perfon des Fürften am naͤchſten, und leuchtet ben Uebrigen 
durch das Benfpiel von Ergebenheit und Trene vor, 
>. Der Charakter des Bauern gründet-fi auf feinen Nah: 
rungzweig, er ift einfach, und wenig haben ihm die Gefege 
zu geben; auch ber Charakter des Bürgers geht aus feinem 
Ermwerbe hervor; vielfacher und unfteter, muß ihm das Gefeg 
fhon mehr zu Hülfe kommen, um ihn feft zu halten, und an 
das allgemeine Band der Gefellfbaft zu knüpfen, 

Wir haben gefehen, wie das ungleidartige Wefen dies 
fer Stände durch den Adel als-Mitglied in Einklang komme, 
Beyde haben zunächft nur ihr eignes Intereffe zu vertreten; 
die. Beflimmung des Adels aber ift es, kein eignes, fondern 
nur ein allgemeines Intereffe zu haben, fo wie ihm durd 
feine Natur auch Beim befondres Gefhäft eigenthämlich zuges 
wieien iſt. Er hat Peinen individuellen und äußern Antrieb, 
welcher feinem Sharafter eine befondre Richtung und Hals 
tung geben koͤnnte; fein Charakter, möchte man fagen, muß 
fih aus ſich felbft erzeugen; er beruht auf der Sitte, auf 
dem feit Jahrhunderten fortgeerbten Geifte ber Geſchlechter, 
auf dem Gefühle des politifhen Berufes; es iftsder Sinn 
. für den Werth des freven und nationellen Mannes in der Ge⸗ 
ringſchaͤtzung des perſoͤnlichen Intereſſes — wir nennen ihn 
das Gefuͤhl der Ehre. Je geiftiger diefer Sinn ift, je mehr 
der Charakter des Adelftandes nur in der Region der Idee 
und bes Gefühles wurzeln fann, und dur Fein befonderes 
und materielles Beduͤrfniß gefeffelt wird, deſto mehr bedarf 
er der .Fürforge und der Haltung der Geſetze. Mas höher 
ftebt, ſteht aud gefährlicher; Teicht verflüchtiger ſich der Geiſt, 
und läfft eine leere Form zuruͤck; dann tritt das Intereffe 
wieder an die Stelle, wo der Gemeinſinn walten follte, daun 


’ 5 | X 


in Bezug auf bie Verfaffung. 2837 








weicht der edfe Stolz feinem unaͤchten Halbbruder, der ſich an 
bie eitle Auszeichnung hängt, und in egoiftifher Hoffart fich 
gegen das Ganze kehrt. Dies ift bie Klivpe, welche von je: 
ber den höhern Ständen gefährlich geworben iſt. 

Es ift demnach zufoͤrderſt bie Sorge des Gefeßes, den 
Geift des Adels in feiner Reinheit zu erhalten, j 

E8 muß ihn binden, größtentheild auf feinen Gütern zu 
leben, damit Er die alte Sitte bewahte und den Stolz der 
Freyheit, damit er einfach bfeibe und edel, und weder bie 
Stadt ihn zum —— noch der Hof zum — 
mache. 

Es ſoll ihm — Handel und Gewerbe zu trei⸗ 
ben, damit er nicht vergiftet werde durch die Sucht des Ge: 
winns und die feile Macht des Goldes, 


Es muß den Zutritt zu dem’ fländifchen Ausſchuß fuͤr 
diejenigen ſeiner Mitglieder beſchraͤnken, welche in Civil— 
und Hofdienſten ſtehen, damit keine beſondere Beziehungen 
auf feine Stimme Einfluß gewinnen. 


Es muß ihn erinnern, daß er fein eignes Antereffe, 
fondern nur der Nation zu leben babe, und ihn binden an die 
Liebe der nmährenden Stände, welde ihre Maffe bilden. 
Darum foll die Hälfte feiner Abgeordneten gewählt werden 
von dem Stande bes Burgers und des Bauern, und er foll 
von bdiefen Privilegien erhalte, um mit Dankbarkeit an fie 
gebunden zu feyn, — — | 

Ehrengefege und Ehrengerichte aus feinem eignen Mit: 
tel follen wachen, daß die Ehre nirgends befleckt werde ohne 
Strafe, nirgendg verlegt werben Pünne, ohne gerädt zu 
werden. | 

Ein deutfher Drden der Edlen foll Made halten für 
diefe Geſetze, und ale oberfied Gericht entfheiden über Sa— 
den der Ehre, Er foll der Genfor des Adels feyn, er foll 
ausſtoßen aus biefem Stande, was unnationell, was un: 


288 Ueber d. Verh. d. deutſchen Adels zu feinen Mitftänden 








deutſch, was unedel gehandelt hat, und in feinem andern 
Stande foll der Entwuͤrdigte eine Stimme erhalten Finnen. 

Auch über den Gebraud foll der Orden wachen. 

Es muß Ehrenſache des Adels werden, daß eine deutſche 
Tracht ihn als den Nationellfien bezeihue, daß aus feinem 
Munde die beutfhe Sprache am reinften töne, daß durch ihn 
fremder Form und Mobe ber Eingang in das Vaterland ver; 
wehrt werde. Vor Allem aber müffen auch die edlen Frauen 
von diefem Geifte gefeffelt werden, daß die mütterlihe Liebe 
ihres Geſchlechts fih aud an der ganzen Nation beweife. 

Das Geſetz muß endlih für die fommenden Generatios 
nen forgen; dur Ritterfhulen, dur die Erziehung, welche 
unter der Auffiht des allgemeinen Ordens fiehen, muß es 
ben Keim ber edelften Deutfhheit, den Widerwillen gegen 
bad Fremdartige, den Haß gegen das Niedrige in bie jungen 
Seelen legen, und ihnen zur Gewohnheit maden. 

Die Erziehung muß vor Allem vaterländifh, fie muß 
deutfh feyn. Nicht dur fremde Formen foll, wie es bie; 
ber geſchehen ift, der Abel ſich vor dem vaterländifhen Wes 
fen auszeichnen, weil man das Allgemeine für gemein gehals 
ten hat; fondern das foll fein Vorzug und fein Stolz werden, 
in dem Allgemeinen und Deutfben das Ebdelfte zu geben. 
Die Sitte eines deutfhen Bauerjungens hat für uns und an 
fih nob immer mehr Werth, als die Tournure eines franzds 
fifden Frifeurs, welde die unnatärlihe Nachahmung deßun—⸗ 
geachtet kaum erreihen Ponnte. Der Erfte unfrer Stände 
fol aber nicht fo Plein vom fih denfen, daß er nicht fähig 
wäre, die reihe Natur feiner eignen Nation dur eignen 
Sinn in einem Grade. von Veredlung-barzuftellen, welcher 

die beliebten Mufter andrer Voͤlker befhämen kann. 
Die Erziehung ſey ferner eine ritterlihe. Mas bad 
Gemuͤth veredelt und ben Körper, was den Muth erhebt 
und den freyen Mauerſtolz, liegt ihr am naͤchſten. Frühe 
werde die Jugend mit männlichen Leibes- und Waffen-Uebun⸗ 


J 


In Bezug auf die Verfaffung. 289 





gen vertraut, welde mit den Kräften des Körpers jene der 
Seele entwickeln, und die muthige Luft erregen, fie einft im 
Noth und Ernft mit Ehren zu gebrauden. Bon der Wifz 
fenfhaft aber lerne fie wenigftens fo viel, um ihre Würde 
und den deutſchen Zieffinn zu achten. 

Die Erziehung muß endlih der adlihen Jugend einen 
klaren und lebendigen Blick einpflanzen in das Weſen der Nas 
tion, in den Beift des Staats und ber Verfaffung, in bie 
Verhältniffe und Bedärfniffe aller Stände, und in die Bes 
fimmung ihres-eignen. 

Diefes ungefähr wären bie Anflalten der WVerfaffung, 
daß der Adel feiner Beftimmung würdig bleibe; fie muß aber 
nicht minder forgen, daß er fie auch erfüllen koͤnne. 

Dem Adel gebührt feine höhere, fondern nur eine eigne 
und gleiche Stimme, wie den beyden übrigen Ständen. Aber 
weil er zwiſchen beyden fteht, und kein befonderes, fondern 
das allgemeine Intereffe ihn zu leiten hat; fo foll man in den 
Betrachtungen die erfte, in den Befchläffen die legte Stimme 
ibm geben, um in den einen zu rathen, in ben andern audzus 
gleichen. - 

Darum mag ber Adel wie bie übrigen Stände wohl eine 
eigne Bank in dem Rathe der Nation einnehmen; aber nur 
eine Kammer foll fie alle umſchließen, damit fie nicht für vers 
fbiedne Stufen oder Gewalten, noch minder ald getrennte 
Darteyen fib anfehen, fondern in lebendiger und perfänlicher 
Wechſelwirkung fib einigen. | 

Der Bauernftandb ift zu einem gemeinfhaftliden Sinne 
verbunden durch das gleiche Intereffe feines Nahrungzweiges, 
ber Bürger durch die Verfhlungenheit feiner Gewerbe, durch 
feine Innungen und Stadtgemeinden. Die Gemeinfhaft iſt 
die Seele der bürgerlichen Freyheit, weil fie das Gefuͤhl für 
die Gefammtheit erhält, fie iſt ihre Stüge, weil Alle für Eis 
nen ſtehen, fie ift ihre Nahrung, weil dur fie eine öffents 
lihe Meinung, ald das wahre Refultat des allgemeinen Bes 


N 


290 Ueber d. Berh, d. deutſchen Adels zu feinen Mitftänben 
: race | 








bürfniffes und Geiftes ſich erzeugt, in welcher allein das Sf: 
fentlihe Leben fih apsdrüdt, Die Vereinzelung führt zur 
Willkuͤr oder Schwäche, in jedem Fall aber zum Egoismus. 
Darum muß dem Adel, welchen kein materielles Intereſſe 
verbindet, mehr nod als den Andern ein Verein gegeben 
werden, nicht nur damit er fefter ftehe, und frever fich über 
alle Umftände erhebe, fondern damit auch ‚in feinem Stande 
eine Öffentlibe Meinung fi bilder, welche feine Abgeordnes 
ten fbüst und leitet, und das allgemeine Beſte nicht blos 
dem Muth und der Einjiht des Einzelnen anvertrauet ſey. 

Der Adel aber iſt der Bewahrer des Nationellen über: 
haupt, — des Deutfhen. So wie es in ben Angelegenheis 
ten des Landes vorzüglich feine Sorge ift, daß nicht ein uns 
tergeorbnetes Bebürfniß über das Befte des Ganzen fi her⸗ 
vordraͤnge, fo muß auch vorzüglid von ihm aus die Liebe für 
das gemeinfame Vaterland fih erwärmend verbreiten, damit 
auch die einzelnen Länder und Stämme nie den Mittelpunkt 
ihres politifhen Daſeyns vergeſſen. Der Adel gehört nicht 
blog den Ländern, fondern der ganzen Nation an; es kann 
nur einen beutfhen Adel geben. Seine Verbindung kann 
daher nicht durch Landes: Bezirke abgemarkt, fondern fie foll 
ein allgemeiner deutſcher Verein feyn, welchem bie adlihen 
Landes: Verbrüderungen als untergeordnete Smeige zugethan 
find. An der Spige dieſes Vereins ftehe der deutfhe Dr: 
ben. Der bel ift der ältefte der Freyen, er foll nach feiner 
Beftimmung auch der Freyefte feyn von Allen in Hinficht feis 
ner perfönlihen Verhältniffe, damit die Ruͤckſicht auf bie 
Menfhen feinen Einfluß über ihn gewinne. Es war daher 
eine finnvolle Verfaſſung ber alten Zeit, daß er nur vor feis 
nes Gleihen gerichtet werden fonnte, Nicht einen priviles 
girten, ſondern nur einen befondern Gerichtöftand faun man 
ed nennen, weldhen die Befonberheit des Verhältniffes for: 
bert. Wie der Soldat eines Militär:, der Kaufmann eines 
Handels: und Wechſel-Gerichts bedarf, damit dort die Zucht, 


in Bezug auf die Verfaffung. : 291 





bier die Treue bes Verkehrs erhalten werde; fo foll der Adel 
in Saden feiner Perfönlihkeit Recht nehmen und erfahren 
vor Geriht aus feinem eignen Mittel, damit er unabhängig 
von Menfhenfurbt, und im fiolzen Gefühle eigner Freyheit 
deſto treuer und muthiger and die des Ganzen vertrete, Weil 
er aber der gefammten Nation angehört; fo follen auch diefe. 
Gerichte unter dem Schuß und ber Aufjiht des Ganzen ſtehen. 

Die Vorliebe der lebten Zeiten für die Gleichmachung 
bed Gerichtsſtandes war eine Wirfung theils von jener theos 
retifhen Tendenz, welche alles Eigenthuͤmliche in einer allges 
meinen Form erflidte, theils von dem Berfall des Bürgers 
ſtandes, welcher feinen eignen Werth fo wenig mehr wahrzus” 
nehmen wuffte, daß er feine Verhaͤltniſſe für geringer geach⸗ 
tet hat, wenn’ er nicht auch dem Adel in diefelben verfegt fe: 
ben Fonnte, 

Wie von ben Menſchen, foll der Adel * —— 
ſeyn von den Beduͤrfniſſen der Nahrung. Die Geſetze ſei⸗ 
ner Erbfolge muͤſſen ſorgen, daß fein Vermoͤgen auf den Be: 
ſitz des Bodens gegruͤndet bleibe, daß der Stamm deſſelben 
nicht vergeudet, nicht in zu kleine Theile zerſplittert, aber 
auch nicht in zu große einzelne Maffen vereinigt werde; denn 
das Mägige ift die Mutter der Freyheit. Lurusgefege muͤſ⸗ 
fen forgen, daß nicht. die Ungenuͤgſamkeit Bedürfniffe ers 
zeuge; der Verſchwender ift feines Standes unwärdig. 

Abber liberal foll ver Abel leben, fowol in dem edlern Ge: 
nuffe, als in der freygebigen Behandlung Anderer, Gein 
Aufwand ift daher nach den Forderungen feiner Beftimmung 
größer, das Einfommen von feinem Vermögen Pleiner, als 
bey den andern Ständen. Er foll nit Geldgeſchaͤfte treiben, 
wie der Bürger, er kann feine Güter nicht mit eigner Hand 
beftellen, wie der Ackersmann. ine ängftlihe Mühe des 
Unterhalts foll feinen muthigen Blick in das Freye nicht zers 
fireuen noch feffeln. Darum ift es auc billig, daß die Nas 
tion ihm unterſtuͤtze, und fein relatives Einfommen berüds 


292 Ueber d. Verb. d. deutfehen Adels zu feinen Mitfiänden | 





fihtige. Eine große Kompetenz foll ihm von dem Erträgniffe 
feiner Erbgüter feftgefegt werden, für welde ihm die Be: 
freyung von gewoͤhnlichen Steuern zugeflanden würde. Bey 
einen Bedürfniffe außerordentlicer Steuern aber foll er nit 
ausgefhloffen feyn, und der Bürger: und Bauernſtand follen 
allein zu beftimmen haben, in welchem Made feine Kompes 
tenzgüter beyzutragen hätten, damit er nie vergeffe, dag ihm 
jene Befreyung nicht als ein eigenthämliher Vorzug vor dene 
andern Ständen gebiihre; fondern daß fie ihm von diefen als 
eine Verpflihtung übertragen worden fey, um ihn an die Obs 
liegenheiten feiner Beſtimmung befto fiherer zu binden, fo 
"wie aud andern gemeinnuͤtzigen Anftalten und Koͤrperſchaften 
Beguͤnſtigungen zugewendet werden, um die Erreichung ihres 
Zweckes zu befoͤrdern. Was aber auch die engherzige Anſicht 
ſogenannter Staatswirthe gegen ſolche Befreyungen einwenden 
möge, fo glauben wir nicht, daß die Nation dieſelben für ein 
zu großes Opfer halten werde, um in der Unabhängigkeit 
ihres Älteften Standes eine Pflanzſchule der Ehre, des Mus 
thes und der Zreyheit zu begründen. 

Der Adel hatte ehedem das Recht der Gerichtsbarkeit 
auf feinen Gütern, und mehrere Negierungen haben e# ihm 
noch gelaffen. Wir wollen nicht von den zufälligen Bortheis 
len und Bequemlichkeiten fprehen, die es ihm verſchaffen 
kann, dieſe liegen außer unſerm Geſichtspunkte; aber nuͤtz⸗ 
lich iſt es fuͤr den Zweck ſeines Berufs, ihm jenes Recht zu 
laſſen, weil es ihn um ſo unabhaͤngiger macht, weil die Wage 
des Rechts, fo wie der Degen, ihn vor allen andern Geſchaͤf⸗ 
ten ziert, und damit endlih der ſchoͤne Vorzug, die richters 
liche Gewalt in’ feinem Namen üben zu laffen, ihm um fo 
mehr die Würde des Rechts vergegenwärtige, auf beren, Ach 
tung alle Bürgeriie Freyheit beruht. 





In Bezug auf die Verfaſſung. 293 








Diefes find nah unferm Dafürhalten die Forderungen, 
welche die Nation an den ältefien ihrer Stände zu machen, 
die Erwartungen, welde fie von feiner fommenden Geftal: 
tung zu begen hat. Sie will feine privilegirte Klaffe, welche 
das Volt nur als eine Stufe anfehe, um fi auf: derfelben 
darüber zu erheben; aber fie bedarf eines Adels, welcher das 
volffamfte- im Bolt fey, und dag Kleinod vaterländifcer 
Ehre und Sitte bewahre, welder der Nation ihre Freyheit 
und die Blüthe ihres Wefens vorhalte, der, durch Bein eig: 
nes AIntereffe gebunden, das Vertrauen von Allen verdiene, 
der die Wage der Angelegenheiten halte zu Haufe, und ein 
gutes Schwert vortrage im Felde, melden die Feinde für ihr 
Verderben, die Fürften für ihre Stärke, die Stände für ihre 

Stuͤtze adten. 

So foll er feyn und wirken, bis endlich auch die Zeit 
einer ung unbefannten Kulturftufe eintritt, welche auch unfre 
Verhältniffe und Werfaffungen ald Formen einer vergange: 
nen Sugend:Epoche ablegt. Dann wird und mag der Adel 
vergehen mit vielem Andern, und ein rühmlihes Andenken 
in der Geſchichte zuruͤcklaſſen. 

Jetzt aber ift der Zeitpunkt ba, wo er zeigen kann, daß 
der Geiſt feiner Ahnen nur gefehlummert habe, aber nit er: 
lofhen fey. Er beweife, daß es feine angeerbte Weife fey, 
Das allgemeine Intereffe zu vertreten; er erhebe feine rathen: 
de Stimme zu den Fürften und Ordnern ber deutfhen Sa: 
he, und dur die freymwillige Webung feines ſtaͤndiſchen Be: 
rufes bey der wichtigfien aller Berathungen verdiene er (id 
wieder das Recht des Standes. 

Dies wird die Wappenprobe dee deutſchen Adels ſepn. 





294 





11. Ä 
Der Ktieg in Spanien und Portugal 
in den Jahren 1808 — 1814. 
Nachengliſchen Driginalquellen. *) 





1. 


In dent Augenblide, wo Buonaparte die fpanis 
{hen Angelegenheiten beendigt glaubte, braden in allen, 
von den franzöfifhen Heeren unbefegten, Gegenden die dro< 
hendſten Unruhen aus. Am 20. May 1808 ward die angeb- 
lihe Entfagungafte Ferdinand VII. bekannt gemacht, 
und am 27. deffelben Monats loderte in allen noch freyen 
Theilen von Spanien die Flamme des Volkszorns auf. Zu 
Valencia, Cuenca, Malaga, Cadiz, Badajoz, u. fi m, 
wurden an diefem und ben folgenden Tagen alle Gouvers 
neurs, Corregidors u. f. w., die man für Anhänger der 
Franzoſen hielt, fo wie viele Franzofen felbft, entweder er: 
mordet, oder ihrer Sreyheit beraubt. Doc bald gelang eg, 
ber Wuth des, Volks Einhalt zu thun. Zu Sevilla bil: 
bete fih eine Junta, die im Namen Ferdinand VII. die 
Zügel der Regierung ergriff. Aehnliche Juntas entfianden 
in den Äbrigen noch freyen Provinzen, und willig erkannten 
fie die von Sevilla als die oberfte an. 





*) Es find daben nicht etwa die Berichte des „Monite ur,“ 
ſondern die fhäkbaren engliihen „Annual Register‘‘ zu 
Grunde gelegt, deren ftrenge Unparteylichkeit man fofort ers 
fernen wird. Mir dürfen mit Grund behaupten, daß der 
eigentlihe Gang diefes Kriegs erft nunmehr mit volls 
lommener Wahrheit verfolgt werden Fann, 


m 


Der Krieg in Spanien u. Portugalind.V.1808:1814. 295 





Ein raftvoller Aufruf der legtern war nun das Zeichen - 
zur allgemeinen Bewaffnung; ef tönte in allen noch freyen 
Theilen von Spanien wieder, er ward in Predigten, Flugs 
ſchriften und Tagblättern wiederholt. Alfes eilte unter die 
Zahnen; Alles war mit Kampfbegierde erfüllt. Die Stu: 
dierenden verlieffen ihre Univerfitäten, die Kloftergeiftlihen 
ihre Zellen, die Bürger ihre Werfftätte, die Landleute ihren 
vaͤterlichen Herd. Selbſt die höhern und vornehmern Klafs 
fen entzogen ſich dem Öffentlihen Dienfte nicht. Ein falbungs 
voller Aufruf des heiligen Waters, ein damit verbundener 
Catechismus von den Pflihten guter Spanier, befiegelten 
das begonnene Werk. 

Während fo die oberfie Junta die ganze männliche Ber 
voͤlkerung und alle Hülfguellen des Königreichs aufbot, ver: 
gaß fie auch die volitifhen Magregeln mit Ruͤckſicht auf bag 
Ausland nicht. Schon früher hatten die Watrioten zu Gas 
diz mit den englifhen Befehlshabern zu Gibfaltar und im 
Mittelmeer Verbindungen angeknuͤpft. Eine englifbe Flotte 
unter Lord Collingwood war bafelbft eingelaufen, und 
ein englifhes Korps unter General Spencer zur Abhal- 
tung der Fra:ızofen bereit. Die franzöfifhe Flotte, die fih 
im innern Hafen von Sadiz befand, muffte fih ergeben, And 
die franzsfifben Truppen, bie von Portugal aus über die 
Guadiana in Spanien eindringen wollten, waren gezwungen, 
fi zurüdzuziehen. Der Friede mit England, Portugal und 
Schweden warb jest befannt gemacht, und Kommiffarien der 
oberften Sunta gingen nach London ab. 

Eine Devutation aus Afturien befand ſich indeſſen ſchon 
feit dem 9. Juni im diefer Hauntftadt. Wenig Tage nach 
Ihrer Ankunft hatte fie bereits eine bedeutende Unterftügung 
für ihre Landsleute ausgewirft, Es wurden 300,000 Pf. 
Sterling in Piaftern, 5000 $linten, 40,000 Piken und eine 
große Menge Munition für fie abgeſchickt, was ale die erfte 
Nülffendung von England nah Spanien anzufehen if. So» 


’ 


296 Der Krieg in Spanien und Portugal 





fort wurden auch in London, Liverpool, Briftol, Glasgow, 
Edinburgh, Dublin, Cork, Waterfood und mehrern andern 
Städten zu gleihen Zwecken zahlreihe Summen zufammen: 
gebracht; alıh boten mehrere Abtheilungen der Miliz und der 
Freywilligen ihre Dienfte dafür an. Jetzt am 5. Juli ward 
die Ratififation des Friedens befannt gemacht, woburd ber 
Enthufiasmus für Spaniens Sache noch höher flieg. Auf 
diefe Art fah die oberfte Junta ihre erften Bemühungen ‚mit 
- großem Erfolg gekrönt. Auch vergaß fie.die Kolonien niet, 
und fendete Komiffarien dahin ab. Muthig ſchloſſen fi nun 
die noch freyen portugiefifben Provinzen an die: allgemeine 
Sache an, und eine furchtbare Maffe von Kräften erhob fi 
auf einmal gegen das uͤbermaͤchtige Zranfreid. 





— | tt. 
Von ben vierzehn Provinzen, in welhe Spanien abges 
‚ theilt ift, waren bereite vier, nämlih Navarra, Bidcaja 
und die beyden Kaftilien von den Franzofen befeßt: Eben fo 
lagen auch franzsfifhe Truppen in der Citadelle von Barce: 
lona, und auf dem die Stadt beherrfhenden Mont-Juich. 
Es ift nicht zu viel gefagt, wenn man die ganze ftanzoͤſiſche 
Heeres: Macht auf wenigſtens 100,000 Mann anfclägt. 
Hiervon lagen unter Märat und Moncey 50,000 Mann 
theils in, theils um Mabrid, und 10,000 Mann unter Du: 
hesme in Barcelona; der Weberreft war in die vier genann: 
ten Provinzen vertheilt. Die Stärke des ſpaniſchen Aufs « 
gebots in Maſſe ift ſchwet zu beftimmen, weil man in jeder 
Provinz nah einem andern Mapftabe verfuhr. - Hier 
galten *ie Jahre 15 bie 45, dort 16 bie 46; in noch an? 
dern 16 bis 50. Die gewöhnlichen Angaben wichen daher 
hicht wenig von einander ab. Dabey ift aber zu bemerken, 
daß die Stärke der einzelnen Kontingente von den Juntad 
abfihtlih vergrößert ward, Man fommt vielleiht der 
Wahr: 


in ben Jahren 1808— 1814. 297 








Wahrheit am naͤchſten, wenn man zwifhen Ioo bis 150,000 
Mann annimmt. Daß hiervon nit Alles zum Felddienſt 
tauglich war, ſcheint ſich von ſelbſt zu verſtehen. Gewiß iſt 
indeſſen, daß die Spanier eine zahlreiche Armee aufſtellten, 
von der fofort die Rebe ſeyn wird. 

Die Hauptabfiht der Franzofen war vor allen Dingen 
die Eroberung von Cadiz und Valencia. Der Befig jenes 
wichtigen Platzes verfhaffte ihnen eine militärifhe Linie, bie 
alle Verbindungen zwiſchen den öftiipen und weſtlichen Pro⸗ 
vinzen abfhnitt. Die Einnahme von Valencia war ein wich— 
tiger Schritt zur Unterjohung diefer ganzen Provinz, zur 
Verbindung mit der Divifion in Satalonien, und zu weitern 
Fortſchritten an der ganzen Sübfüfte hin.” Ueberdem boten 
beyde Städte eine ungeheure Menge von Hülfmitteln dar, 
wozu denn noch der Reihthum biefer gefegneten Provinzen 
überhaupt fam. Zur erften Unternehmung ward General 
Dupont, zur zweyten Marfball Moncey beflimmt. Je— 
. der erhielt von dem theile in, theils um Madrid liegenden 
Heere eine Abtheilung von 15,000 Mann. 

General Dupont brad in den legten Tagen des Mays 
auf, und nahm fhon am 7. Juni Cordova ein. Er konnte 
felbft hier nur wenig Widerſtand finden, da das Aufgebot 
noch kaum im Werden war. Seine Soldaten plünderten 
drey Tage lang, und verfhonten felbft die Kirchen nicht, 
worauf er diefe in Ställe verwandeln lieg. Am 13. hatten 
bie Franzofen (don einige Poſten über Cordova hinaus. 
Allein drey Tage foäter zogen fie fih ſchnell von diefer Stadt 
auf Andurar zuruͤck. Dies gefhah «in Folge der Nachricht, 
daß der fpanifhe General Caſtannos mit einer flarken 
Macht im Anzuge ſey. Andurar mit dem Breiten Guadalquis 
vir in der Fronte bot dem General Dupont eine fehr gute 
Pofition dar, die er noch felbft verfiärken ließ. Er hoffte 
bier den Bleinern Theil feiner Divifion an fi zu ziehen, ber 
unter General Wedel in einiger Entfernung fland. Allein 

Eutep. Annalen. gtes Etüd, 1815. | 20 


208 ‚Der Krieg in Spanien und Portugal 











Gaftannos ſchnitt ihn durch eine geſchickte Bewegung da⸗ 
vonab. General Dupont fandte nun Eilboten über Eils 
boten nah Maprid, und bat um Verſtaͤrkung. Wirklich 
brach auch eine Divifien von 3000 Mann unter General 
Belliard zu ihm auf, und Fam in Eilmärfhen auf der 
Sierra Morena an. Bey diefer Nachricht verlieg Dupont 
feine bisherige Pofition, und 308 fib, um die Verbindung 
mit Belliard zu erleichtern, auf Baylen, mitten in den 
Gebirgen, zuräd. Mlein Caſtannos nahm feine Maß: 
regeln fo gefickt, daß er die Sranzofen von allen Seiten ab: 
ſchnitt. 

Duponts klaͤgliche Lage erhellt am Beſten aus einem 
feiner aufgefangenen Briefe an Belliard. — „Wir ha: 
ben feinen Augenbli zu verlieren,” — ſchrieb er — „um 
eine Pofition zu verlaffen, worin es uns an Allem fehlt. 
Der Soldat muß den ganzen Tag inter ben Waffen feyn, an 
Mehl mahlen und Brot backen ift nicht mehr zu denken, über: . 
dem fein Bauer weit und breit. Um Gotteswillen ſchnelle 
Verftärkung, eine fefte zufammenhängende Truppenmaffe, 
fo ſtark als möglih. Laſſen wir den Feind das Feld behaup— 
ten, dann fallen ihm alle füdlichen Provinzen imb alle Li— 
nientruppen zu. Ein entfheidender Schlag in Andalufien, 
davon hängt wahrfheinlich die Eroberung von ganz Sranien 
ab. Senden Gie mir ohne den mindeften Verzug Charpie 
und Arzneyen für die Verwundeten, denn ſeit vier Moden 
bat ber Feind Alles aufgefangen, was von Toledo für ung 
abgegangen war.“ 

Allein alle Bemühungen des Generale Belliarbd, ſich 
mit Dupont zu vereinigen, waren vergebens. Das Korps 
ber Gebirgs:Schleihhändler, 4000 Mann ſtark, verbunden 
mit andern Heerhaufen, umfhmwärmte ihn Tag und Nadt. 
Sie gaben fein Parbon, und hatten ſchon früher 506 Mann 
von Duponts Divifion zufammengehauen. Kurz, Bel: 
Iiard war gezwungen, fih mit großem Verluſt auf der 


In den Jahren 1808 — 1814:, 299 


Straße nah Madrid zurüdzuziehen. General Dupont 
faffte daher den einzigen Entſchluß, ber ihm übrig blieb. | Er 
griff die Spanier felbfl an (20. Juni), Gie waren 25,000 
Mann, wovon die Hälfte Bauern; er felbft nur ungefähr 
8000 Mann ftart, Die Franzofen fimpften mit großer Tas 
pferkeit; es war die Muth der Verzweiflung. Allein bie 
Spanier wien feinen Fuß breit, und trieben fie mit Hülfe 
ihrer uͤberlegenen Artillerie immer wieder zuruͤck. 

Zufegt ſtellte fih General Dupont felbft an die Spige, 
und zwar mitten unter dem Feuer der fpanifhen Batterien, 
So bauerte der Kampf von drey Uhr Morgens bis ein Uhr 
Nachmittags. Es fanden dabey nur die gewöhnlichen Unter: 
brechungen des augenblicklichen Zurücdziehens und neuen Vors . 
rüceng ſtatt. Eben fing nun um zwey Uhr die anfommende 

-fpanifhe Divifion Pena aus der Ferne auf bie Franzofen 
ju feuern an, als von diefen ein Parlementär mit dem Vor: 
ſchlag zu einer Kapitulation erfhien. Es ward hierauf ein 
Waffenftillftand gemacht. Da aber während beffelben die Dis 
vifion Wedel die Divifion Pena angriff, fo feßten auch 
bie Spanier unter Caſtannos wieder dem General Dus 
pont zu. Das Ganze endigte damit, baß er fih auf Die: 
Pretion zu ergeben gezwungen war. Die Divifion Wedel 
Ward mit inbegriffen, doch verfprab man ihr die Leberfahrt 
nah Rochefort. Das ganze franzöfifhe Korps war 14,000 
Mann ſtark gemefen, denn 1000 Mann hatte General Du: 
pont (don durch Krankheiten, Defertionen und einzelne 
Scharmüßel eingebüßt, Sein Verluſt in den wiederholten 
Gefechten hatte 3006 Mann betragen, den ber Spanier be- 
rechnete man auf 1200 Mann. So endigte die erfte franz 
zoͤſiſche Unternehmung auf Cadiz. 

Saft um diefelbe Zeit brach auch Marfhall Moncey 
init feiner Disifion gegen Valencia auf. Zwar wollten ihm 
tie Spanier die Gebirge: Päffe fireitig machen, allein er trieb 
diefelben zurück, und marfdirte gerade auf die Hauptſtadt los. 








* 


300 Der Krieg in Spanien und Portugal 


Am 26. Juni indeffen warb er bey dem Städtchen Bunnol von 
dem General Caro, einem Neffen des Marquis Roma: 
na, angegriffen, unb erlitt einen bedeutenden Werluft. 
Nicht beffer ging es ihm in einem zweyten Treffen zwiſchen 
den Dörfern Qvarte und Mislata, ungefähr dreyviertel 
Stunden von Balencia. Gleihmwol drang er unaufhörlich vor: 
waͤrts, und eröffnete am 28. Mittags ein heftiges Feuer auf 
bie Stadt. Unterdeffen war ihm General Caro auf dem 
Fuße nachgefolgt, und es begann ein drittes Gefeht. So 
dauerte das Feuern und der Kampf bis gegen Abend fort. 
Auch die Balencianer nahmen Theil daran. Sie hatten zu 
dem Ende Kanonen vor ihren Thoren aufgepfianzt; aud 
Ponnten fie den Franzoſen von ihren platten Dächern einigen 
Schaden thun. Endlih ungefähr um acht Uhr war Marfhall - 
Moncey gezwungen, ſich zurädzuziehen.: Hier fand er in 
feinem ſtark verfhanzten Lager zwifhen Qoarte und Mislata 
augenblictlihe Sicherheit. Da er fih aber aus Mangel an 
Lebensmitteln nicht darin halten konnte, brach er ſchon am 
andern Morgen nah Madrid auf. General-Caro verfolgte 
ihn einige Tage, und nahm ihm 1500 ©efangene ab. Im 
Ganzen hatten die Franzofen gewiß bedeutenden Verluft ges 
habt, denn fie fehrten nur 10,000 Mann ſtark, und mit 150 
Wagen voll Bleffirter zuruͤck. 





II. 


Der Lauf ber Begebenheiten führt und jeßt nach Arra⸗ 
gonien, wo die Belagerung von Saragoffa unfre Auf: 
merkſamkeit auf fi zieht. Auch die Einwohner diefer ans 
fehnlihen Stadt hatten fib Ende May’s für Ferdinand 
VII. erklärt, und Don Joſeph Palafor, aus einer der 
erfien arragonifhen Samilien, zu ihrem Statthalter ermählt: 
PDalafor hatte früher in der fpanifhen Garde gedient, war 
Ferdinand VII. nah Bayonne gefolgt, und galt für. einen 


in ben Jahren 1808— 1814. 301 








der treueften Anhänger feines Pöniglihen Herrn. Kaum 
hatte er Buonaparte’s Verrätherey durchſchaut, als er 
fih in Bauern:Kleidung flüchtete, und nah Saragoffa zurüd: 
tam. Er übernahm nunmehr den Oberfehl in einem Augen 
blick, wo er fib auf allen Seiten von den Franzoſen umringt 
fab. Bon Navarra bedrohte ihn Beffieres, von Satalos 
nien Duhesme, von Gaftilien Mürat, von der Ppres 
näenfeite, beren Päffe ganz offen waren, irgend ein viertes 
franzöfifhes Korps. Ueberdem waren feine Hülfquellen fehr 
gering. Er hatte an regulären Truppen nicht mehr ale 220 
Mann, und fand in den Kaffen nur wenig Geld. Es ift 
vollfommen der Wahrheit gemäß, daß fih die ganze Summe 
nur auf 2000 Realen (noch feine 21 Sarol.) belief. Gleich: 
wol verlor er ben Muth nicht — „Wir haben Waffen und 
Munition,” — fagte er in feinen Aufruf. — „Laſſt ung 
die gerehtefte aller Sachen verteidigen, und wir werden un: 
überwindlih feyn.” (31. May.) Diefem Aufruf war eine 
förmlihe Kriegs-Erflärung gegen Buonaparte beygefügt. 

Muͤrat hatte nicht fobald davon Nachricht befommen, 
al er eine Divifion von 8900 Mann unter dem Befehl des 
Generals Lefebre gegen Saragoffa aufbreden ließ. Zwar 
leifteten die Arragonefer zu Tudela u. f. w. den lebhaftejten 
Widerftand, allein die Franzofen drangen unaufhaltfam vor, 
und nahmen fhon am 14. Juni eine gute Pofition in gerin- 
ger Entfernung von der Stadt. Eine Peine Kavallerie:Ab: 
theilung verſuchte durch eines der Thore einzubringen, büßte 
aber fehr theuer für ihre Keckheit. Am folgenden Zage grif: 
fen die Sranzofen die arragonifhen Vorpoften am Kanal an, 
und wagten zu gleiher Zeit einen Sturm auf die Stadt. Die 
Arragonier vertheidigten fih, zwar nicht in regelmäßiger Ord⸗ 
nung, aber mit außerorbdentlider Kraft. Sie hatten Artil- 
lerie aufgefahren, und bebdienten diefelbe mufterhaft. Se: 
dermann, wer ſich in der Nähe befand, legte Hand dabey an. 
Hatten fie ihre Flinten abgefhoffen, fo nahmen fie fih nicht 


302 . Der Krieg in Spanien und Portugal ‘ 








die Zeit, zum Zweitenmal zuladen, fondern gingen mit dem . 
Bajonet oder andern Handwaffen auf die Feinde los. Wirk: 
(id wurden auch ihre Anftrengungen nad einem hartnädigen 
Kampf mit Sieg gekroͤnt. Ein Theil Franzofen, der in die 
Stadt gedrungen war, wurde niedergemacht, und Lefe— 
bre muffte fib außer den Bereich der fpanifhen Kanonen zu= 
ruͤckziehen. Bey diefer Gelegenheit nahmen ihm die Arra= 
gonefer noh 400 Mann Kayallerie und 27 Bagagewägen ab, 
Er hatte die theure Erfahrung gemacht, daß eine arragonifche 
Stadt nicht dur einen Handftreich zu nehmen ſey. 

General Palafor nahm indeffen feine fernern Maß⸗ 
- regeln mit eben fo viel Einfiht als Thätigkeit. Noch in der- 
felben Nacht reiste er von Saragoffa ab, fammelte, was fih 
von Linientruppen und Milizen in der Nähe befand, forgte 
für die Verproviantirung der Stadt, und traf auf den 
ſchlimmſten Fall Anftalten zur Vertheidigung ber Provinz, 

Er faffte hierauf den Entfhluß, durch eine geſchickte Bewe— 
gung die Franzofen im Rüden anzugreifen, ſah fi aber 
dur einen unvermutheten nächtlichen Weberfall felbft bedroht, 
So war er gezwungen, fih zurückzuziehen, und erreihte Sa: 
ragoffa nur mit vieler Schwierigkeit. Die Franzofen hatten 
jetzt Verflärfungen und ſchwere Artillerie von Pamplona er: 
halten, und ſchloſſen allmaͤhlich, troß des lebhafteften Wider: 
ſtands, beynahe die halbe Stadt ein, Am 28. Juni bemäd: 
tigten fie fich einer der beften Pofitionen der Belagerer, wo: 
dur die Stadt, mit Ausnahme der Ebrofeite, völlig ifolirt 
warb. Gie machten babey soo Mann zu Gefangenen, unb 
erbeuteten eine flarfe Batterie Der Offizier, der diefen 
Poſten fo ſchlecht vertheidigt hatte, ward fofort von den Eins 
wohnern aufgeknuͤpft. 

Waͤhrend dieſer Fortſchritte der Belagerer verſaͤumte 
man in Saragoſſa kein Mittel zur Vertheidigung. Vor den 
Thoren wurden kuͤnſtliche Batterien von Sandſaͤcken angelegt, 
die Mauern mit Schießloͤchern verſehen, hier und da auch 


in ben Jahren 1808 — 1814. 303 


mehr Kanonen aufgeführt. Alle Häufer in den Umgebungen, 
die hinderlich ſchienen, wurden niedergeriffen. oder verbrannt; 
alle Gaͤrten und Dlivenpflanzungen, womit es derfelbe Fall 
war, verfhwanden; freudig legten die Eigenthümer felbft 
dabey Hand an, ine allgemeine Thätigkeit, ein allgemei- 
ner Enthufiasmug belebte die ganze Stadt, Die Weiber al: 
Ier Klaffen theilten fih zur Pflege der Verwundeten, zum 
Zuführen von Waſſer, Proyiant und Munition in Kompag— 
nien ab... Selbft Kinder wurden zum Fortfhaffen von Pas 
tronen angeftelt. Jeden Tag fielen blutige Gefechte zwis 
fen den, Borpoften vor. Während eines derfelben, in den 
legten zwey Tagen des Juni, drangen noch einige hundert 
Mann fpanifher Verftärfung: Truppen nah Saragoſſa durd. 
Um diefelbe Zeit flog aber au im der Mitte der Stadt ein 
Pulveruorrath auf, fo daß eine ganze Straße dabey in Schutt 
gelegt ward, © - - 

Am 1, Yuli Morgens begann das Feuer der Belagerer 
mit unglaubliher Heftigkeit. Es war befonders gegen bie 
Sandfad : Batterie vor einem der Thore, dem fogenannten 
Dortillo, gerichtet, Allein diefelbe wurde nicht nur mit großer 
Tapferkeit vertheidigt, fondern felbft mehrmals, unter dem 
ftärffien Kugelregen, wieder hergeftellt. Hier verdient ein Bey: 
fpiel von weiblihem Heldenmuth erwähnt zu werden, das 
wenig feines &leihen hat. Auguſtina Saragoffa, ein 
junges, zwey und zwanzigjähriges Weib, von nieberm Stans 
de, aber hohem Geifte, trug für die fämpfenden Bürger, an 
den verfhiednen Thoren Brot und Wein herbey. So Fam 
fie unter Anderm auch zu der Portillo: Batterie, gerade in 
dem Augenblick, wo auch der legte Mann darin erfchoffen 
‚worden war, Andre Bürger und Soldaten fanden unſchluͤſ⸗ 
fig in einiger Entfernung davon. Nicht fo Auguſtina. 
Schnell fprang fie über bie Verwundeten und Todten hinweg, 
riß einem berfelben eine Lunte aus ber Hand, fenerte.bamit 
- einen vier und zwanzig Pfünder ab, ſchwang jih barauf, und 


394 Der Krieg in Spanien und Portugal 








rief: „Hier ift mein Plag! Lebendig weide id 
nicht von bier!“ — Dies erfüllte die Bürger und Sol⸗ 
daten mit neuem Muth. Sie ftürzten hinzu, und begannen 
von Neuem ein mörberifhes Feuer auf den Feind. 

Doch Angriff auf Angriff folgte; immer enger warb bie 
Einfhließung der Stadt; jeder Tag vermehrte die Gefahr. 
Dberhalb der Stadt befand fih eine Furt im Ebro; unters 
halb derfelben ſchlugen die Franzofen, trotz aller Anftrengunz 
gen der Einwohner, eine Schiffbrüce über diefen Fluß. Auf 
diefe Art lieffen fie ihre Kavallerie auf das linfe, bisher noch 
- freye, Ufer hinüber marſchiren, zerftörten die Mühlen, bie 
die Stadt mit Mehl verfahen, brandſchatzten die benachbarten 
Dörfer, und ſchnitten die unglüclihen Einwohner von ihrer 
legten Hülfquelle ab. Doch General Palafor verlor au 
darum den Muth noch nicht. Er lieg Pferdemählen anlegen, 
und dachte zugleich auf neuen Pulver-Votrath. Zu dem Ende 
wurde nicht nur aller vorräthige Salpeter aufgenommen, 
fondern auch für die Erzeugung von Neuem geforgt. Zu 
Kohlen braudte man Hanfftengel, die in diefer Provinz une 
gemein groß und ſtark find. Bey diefer Pulverfabrifation 
zeigten befonders die Mönche viel Thätigkeit. Sie Pam au 
in Kurzem fo gut in Gang, bag man täglich 13 Arroben 
(325 Pf.) zu liefern im Stande war. 

Gegen Ende Juli indeffen fing ein — Mangel 
an, ſich zu zeigen, der leicht zu errathen iſt. Die Lebens— 
mittel nahmen von Tage zu Tage ab. Keine Hoffnung zum 
Entfaß; Peine Möglicpkeit eines erfolgreihen Ausfalls. Ein 
ungluͤcklicher Verfuh auf eine der vorzüglichften Pofitionen 
überzeugte die Einwohner davon. Sich auf die Stadt eins 
zufhränfen, und barin zu fiegen oder zu fterben, war alfo 
ihr letzter Entfhlug. Die Franzofen ſetzten inzwiſchen ihr, 
Zeuer faft unaufhirlih fort. Dabey ereignete fih in ber 
Naht vom 2. auf den 3. Auguft ein neues Unglüd. Man 
hatte während der Belagerung alle VBerwundete und Krante 


* in den Jahren I 808 —1814. 305 





in bad große Findelhaus gebracht. Diefes warb angezündet, 
unb ging in wenig Stunden im Feuer auf. Die Einwohner, 
und vorzüglich die Weiber und Jungfrauen, zeichneten ſich 
aud bey bdiefer Gelegenheit dur hohen Muth und große 
Frömmigkeit aus. Niemand dachte an fein Eigenthum; alle 
waren nur mit der Rettung der unglüdkliden Verwundeten 
und Kranken, fo wie der hülflofen Kinder befcäftigt, und 
dies unter dem ſchrecklichſten Feuer des Feindes, der Hure 
derte von Bomben und Granaten auf dag Gebäude warf. 
Am 4. Auguft eröffneten die Franzofen eine furdtbare 
Batterie auf das St. Engracin:Viertel, wo man fi es ge: 
rade am mwenigften verfah. Es war ein Uhr nah Mitters 
nacht, und die Bürgerfhaft aufs Aeußerſte erſchoͤpft. Bey 
- dem heftigen euer fiürzte die ſchwache Stadtmauer augens 
blilih ein, und das daran ſtoßende prächtige Klofter St. 
Engracia ging in Flammen auf. » Vlögli drangen nun bie 
franzoͤſiſchen Kolonnen durch diefe Deffnung vor, griffen die 
benachbarten Batterien im Rüden an, gewannen, troß bes 
biutigften Widerftands, immer mehr Boden, rückten endlich 
beynahe bis zum Corſo vor, und waren auf diefe Art, noch 
vor Anbruch des Tages, im Beſitz der Hälfte der Stadt, 
Dies veranlaffte den General Lefebre zu folgender Auffor: 
derung: „Hauptquartier St. Engracia — Kapitu— 
lation!“ — General Palafor antwortete augenblid: 
ih: — Hauptguartier Saragoffa—Kampfauf’s 
Meſſer!“ — Um Lesteres zu verfiehen, muß man wife 
fen, daß die Spanier ip dem Gefechte, Mann gegen Mann, 
"gewöhnlid das Meffer brauben, und daß bies eine fehr 
gefährlihe Waffe in ihren Händen iſt. Jetzt flanden nun 
Belagerer und Belagerte einander auf dem Corſo gegenüber, 
und fo auf allen übrigen gleichlaufenden Straßen der Stadt, 
Bon beyden Theilen wurden in geringer Entfernung Batte: 
rien errichtet, deren Wirkung fehr mörderifh war, Zu gleis 
Ser Zeit ward aus den Zenftern gefhoffen, wovon jedes eine 


306 Der Krieg in Spanien und Portugal 





Art Feftung ſchien. Am ſchrecklichſten wurden diefe Gefechte 
in ber Nacht, wo man häufig bey den gegenfeitigen Batte— 
rien an einander gerieth. Die Bürger flachen die Franzofen 
baufenweife nieder, aber auch von ihnen fielen nicht Wenige 
als blutige Opfer diefes Kampfes. | 
Am 5. Nachmittags fing bey den Spaniern die Munition 
an auszugeben. Doch wenig Stunden darauf langte, mie 
durch ein Wunderwerk, Hulfe an. Don Francisco Par 
lafor, der Ältere Bruder des Generals, dbraug mit einer 
Rerftärtung von 3000 Mann in die Stadt, und bradte ei— 
nen großen Vorrath von Munition und Lebensmitteln mit, 
Die heftigften Gefechte ernenerten fih nun mit frifhem Muth, 
und die Franzoſen wichen allmählich etwas zurüd. Gleichwol 
wurde in einem Kriegsrath vom 8. Auguft befchloffen, im _ 
Außerften Falle die Stadt anzuzünden, fih über die Ebro: 
Brüde auf’s linke Ufer in die Vorftädte zurückzuziehen, die 
Brüde indie Luft zu fprengen, und dann zu kaͤmpfen, fo 
lange noch ein Mann übrig fey. Diefer Beſchluß ward mit 
allgemeinem Freudengeſchrey aufgenommen, ber große arras 
goniſche Charakter zeigte fib in feiner ganzen Erhabenheit. 
Die Franzofen wurden nun diefen und die folgenden Tage mit 
folher Wuth und folder Hartnädigkeit angegriffen, daß (don 
am 12. nur noch der eilfte Theil von Saragoffa in ihren 
Händen war. In der Nacht auf den 13. erneuerten fie in: 
deſſen iht Feuer mit großer Heftigkeit. Allein vor Tages: 
Anbruch traten fie ihren Rüdzug an. So fahen fib denn die 
Einwohner auf einmal befreyt! General Palafor ver: 
folgte die Feinde mit einem flarfen Korps, das zum Theil 
aus einer eben angelangten valencianifhen Divijion beftand, 
und fügte ihnen noch vielen Schaden zu. Auf dieſe Art en: 
digte die erfte Belagerung von Saragoffa, zum großen Ver: 
druß des Tyrannen, dem ein folher Muth unglaublich ſchien. 


in den Jahren 1808 — 1814. . 307 








IV. 

Faft zu derfelben Zeit, wo Lefebre gegen Saragoffa 
abgefendet wordengwar, brach aub Duhesme mit einem 
Theil feiner Divifion von Barcelona nah Gerona auf. 
Dies ift, zwar nicht der Stärke, aber der Reihe nah, der 
erfte befeftigte Pla, deffen Befis zur Verbindung mit der 
franzsfifhen Gränze unentbehrlih war, Allein au die Ein: 
wohner von Gerona zeigten fih des fpanifhen Namens werth, 
Duhesme lag vierzehn Tage vor Gerona, und warf, um 
nur ein Benfpiel anzuführen, in einer einzigen Naht 400 
Bomben und Granaten hinein; dennoch zwangen ihn, theilg 
die Einwohner durch ihre muthvollen Ausfälle, theild andre 
Patalonifhe Heerhaufen, ‚die ihn im Rüden und Flanke be: 
drohten, in Kurzem zum Rüdzug. Er ließ dabey mehrere 
Kanonen und eine beträhtlibe Menge von Proviant und 
Munition vor der Stadt, Noch größern Verluft erlitt er an 
Gepäck und Mannſchaft, ehe er noch Barcelona zu erreichen 
im Stande war. Im ganzen übrigen Katalonien wehte naͤm— 
lich die Fahne der Freyheit, und faſt auf jedem Schritte 
drang ein Haufen bewaffneter Bauern vor. Duhesme 
raͤchte ſich durch die Verwuͤſtung der ganzen Gegend, durch 
welche er kam. Kirchen, Kloͤſter, Städte, Dörfer und Fel— 
der, nichts ward verſchont. Viele Gefangene wurden mit 
kaltem Blute erfhoffen, ein noch größerer Theil nah Trank; 
reich abgeführt, As Duhesme nach Barcelona zurüds 
fam, fand er, daß es feinen beyden Zeflungen eben fo feha 
an Proviant als an Pulver gebrach. Die Engländer hatten 
nämlich. zwey Schiffe weggenommen, anf welden fih eine 
Sendung von beyden Artikeln befand. Um wenigſtens den 
erftern zu erfegen, drohte er, die Stadt in Grund zu ſchieſ— 
fen, und erzwang auf biefe Art 12,000 Rationen täglich, 
nebft einer großen Menge Wein und Branntwein, Zu glei: 
ber Zeit erpreifte er ſehr anſehnliche Summen, indem er 
“mehrere vornehme Einwohner in.die Zefiung f&leppen, und 


x 


508 Der Krieg in Spanien und Portugal 





nur gegen fehr hohe Löfegelder wieder zu den Ihrigen zuruͤck— 
kehren lieg. Der Vorwand für dergleihen Willkuͤrlichkeiten 
war meiftens der angebliche Antheil an einer Verſchwoͤrung, 
oder fonft ein aͤhnlicher Verdacht. Aus dem Gefagten erbel: 
Iet, daß das Kriegsglüct den Spaniern in Süden und Often - 
fehr günftig war. j 

Gerade das umgefehrte Verhältniß aber zeigte fib im 
Norden des Königreibs. Segovia, Valladolid und St. An— 
der wurden nad hartnäcigen Gefechten genommen, und alle 
diefe Provinzen für den Augenblick unterwuͤrfig gemacht. Un— 
terdeffen hatte Gdueral Cueſta zu Benavente eine bedeus 
'tende Anzahl Truppen gefammelt, und marſchirte damit auf 
Valladolid. Seine Abfiht war, die Fränzofen in jenen noͤrd⸗ 
lihen Provinzen von Madrid abzufhneiden , alfo die ge: 
nannte Stadt wegzunehmen, und bann weiter nördlih nad 
Burgos zu geben, Marfhall Beffieres fühlte die Wich— 
tigkeit eines Poſtens, wie Walladolid, und nahm feine 
Mapregeln darnach. Er zog Euefta entgegen, und fließ 
am 14. Juli bey Medina del Rio Seco auf ihn. Die 
Schlacht begann, und fiel für die Spanier Außerft ungluͤcklich 
aus. Ihr Gepäck, ihre Artillerie, ihre Munition, Alles 
verloren fie. Sie waren gezwungen, fib zuruͤckzuziehen; 
allein fie behielten ihre Ehre und ihren Muth. Bald marhten 
fie Anftalten, wieder vorzudringen, ermuntert durch die gün: 
fligen Nachrichten, die Cu eſta aus dem Süden und Dften 
empfing. Zu gleicher Zeit bewegten fih bedeutende Armeen 
aus Andaluften und Valencia auf Madrid zu. Dies be: 
flimmte Joſeph Buonavarte am 29. Juli mit allen 
Sranzofen Madrid zu verlaffen, nachdem er faum acht Tage 
Zuvor gefrönt worden war. Diefes verhaffte Wolf blieb feis 
nem Charakter getreu. Sie nahmen mit, was fortzubringen 
war. Auch Joſeph Bionaparte raubte alles rehrmäf: 
fige Eigenthum Ferdinands. Alle Kron-Juwelen, alles 
Silberzeug, die koſtbarſten Gemählde u. ſ. w. wurden fort: 


in den Jahren 1808 — 1814. 309 


EEE 
geſchleppt. Daher das fpanifhe Wigwort: „Der Abvokat 
bat wenigfiens die Krone im Schnappfad mitgenommen.’ — 
Die ganze in und um Madrid geftandene Armee zog fih nad 
Burgos zurüd. - 





x 


V. 


Doch es iſt Zeit, auch einen Blick auf Portugal zu 
werfen, das unſre ganze Aufmerkſamkeit verdient. Auch 
dieſes Land ſeufzt, ſeit Ende des Jahrs 1807, unter dem 
Druck der franzsfifden Tyranney. Kaum langte daher die 
Nachricht von den Vorfällen in Spanien ar, ale überall eine 
geheime Gährung entfland. Der erfie Ausbruch hatte am 
18. Juni zu Oporto flatt, das in ziemlicher Entfernung von 
Liffabon, als dem Mittelpunfte des franzöfifhen Heeres, 
lag, und überdem nur von 3000 Spaniern (bis dahin ges 
zwungenem Alliirten der Sranzufen) befest war. Diefe zogen 
jest in ihr Vaterland ab, und nahmen den franzöfifhen Ges 
neral, der fie bis jegt -befehligt hatte, nebft feinem ganzen 
Stab-gefangen mit. Zugleich warb der ehemalige portugiefis 
{de Gouverneur D’DIliveda wieder eingefeßt. Da diefer 
fih aber ald Verräther zeigte, und bie Zuruͤckkunft der Frans 
zofen auf alle Art zu begünftigen fuchte, Ponnte er der Rache 
des Volks nur durch die Flucht entgehen. Jetzt braden bie 
Einwohner das Zeughaus auf, verfahen fih mit Waffen, zer: 
fiörten Alles, was an die Herrfhaft der Franzofen erinnerte, 
und ſchleppten alle Anhänger derſelben in’s Gefängnig. Der 
Bifhof von Dporto, der diefen Ausbruch befonders vorberei- 
tet hatte, ward zum Gouverneur erwählt, und ergriff die 
kraͤftigſten Maßregeln zur Vertheidigung ver Stadt. Shen 
rüchte auch wirklich ein franzöfifhes’ Korps von 3000 Mann 
unter General Loifon an, warb aber bald genoͤthigt, fi 
nach Liffabon zuruͤckzuziehen. In wenig Tagen blieb nun den 
Sranzofen im ganzen nördliden Portugal Fein einziger Punkt 


f 


310 Der Krieg in Spanien und Portugal 





mehr uͤbrig, und ſie waren von nun an blos auf den ſuͤdlichen 
beſchraͤnkt. Aber auch hier glimmte das Feuer ſchon unter 


\ıder Aſche, wozu beſonders bie Nähe ber Engländer beytrug. 


Schon fanden auch wirklich von Liffabon und andern Gegen: 
den aus mit dem Admiral Cotton, ber vor dem Tajo kreuz— 
te, geheime Unterhandlungen ſtatt. 
Was für Spanien Sevilla, ward nun für Portugal 
Oporto. Auch hier bildete fih eine Junta, die den übrigen 
zuerft im nördlichen Portugal, ald dem freven Theil, das 
Beyſpiel gab; Gie verlor feine Zeit, eine Armee zu bilden, 
fo gut es nur immer möglih war. Auch erfhien bald darauf 
eine bedeutende engliſche Hülfarmee, Hiermit hatte es fol: 
gende Bewandtniß. Am 20. Juli, alfo am festen Tage 
nah der ungluͤcklichen Schlabt von Medina del Rio Seco, 
war Sir Arthur Wellesley mit 10,000 Mann zu Gos 
runna gelandet, und bot diefes Korps, feinen Verhaftung: 
Befehlen gemäß, der Junta von Balicien an. Diefe lehnte 
indeffen fein Anerbieten mit Dank ab, und bat ihn vielmehr 
auf die Unterfiügung der Portugiefen bedacht zu ſeyn. Mit 
allem Recht betrachteten fie die Sicherheit ihrer Nachbarn, 
wie die ihrer eignen Provinz. Str Arthur Wellesley 
fegelte demnach mit feiner Divifion nad Oporto ab; Allein 


. da man auch bier feiner Hälfe nicht zu bedürfen ſchien, bielt 


er’s für's Befte, ſich wegen der weitern Unternehmungen mit 
dem Admital Cotton zu berathfälagen, und ging daher 
für feine Perſon auf einem fenellfegeinden Cutter an die 


' Mündung des Tajo ab. Während er ſich nun bey demjelben 


befand, erhielt er einen Brief vom General Spencer zu 
Gabiz, der mit 6000 Mahn zu ihm zu fioßen beordert war, 


. Dies beftimmte nunmehr feinen ganzen Plan. Er beſchloß 


in der Mondego-Bey uünterhalb Coimbra zwlanden, und da— 
ſelbſt gene Verſtaͤrkung an ficb zu zieben. Beydes konnte ob: 
ne Schwierigkeit geſchehen, da biefer Theil der MWefttüften 
unbefegt, und noch überdem vie portugiefifhe Armee bie nad 


in. den Jahren 1808 — 1814. 311 


Coimbra vorgerückt war. Sir Arthur ſandte daher dem 
General Spencer den Befehl, ſich ehne Verzug zu Cadiz 
einzuſchiffen, und ging zu ſeiner Diviſion nach Oporto zuruͤck. 
Hier fand er Nachrichten aus England, daß noch 5000 Mann 
unter General Anſtruther zu ihm unterweges, und andre 
12,606 unter General Moore mit gleicher Beſtimmung im 
Einfbiffen begriffen feyen. Zu gleiber Zeit erfuhr er bie 
Niederlage der Divifion Dupont, und den Aufftand in 
Suͤdportugall. Zur Dämpfung deffelben hatte Junot 
6000 Mann unter General Loifon abgeſchickt, und fih 
dadurd bedeutend geſchwaͤcht. 

Seinem großen Plan zufolge verließ tun Sir Arthur 
Oporto olme Zeitverluft, und landete mit feiner Armee amt 
3. Auguft in der Mondego-Bay. Bald darauf Fam auch die 
Divifion Spencer an, und bewerkftelligte ihre Landung 
ebenfalls. Am 9. Auguft brach der Wortrab auf der Straße 
nah Liffabon auf; am 12. erreihte die Hauptarmee Leyria. 
Am 13. file der Vortrab zuerſt auf ein franzoͤſiſches Piquet 
bey Obidos, und vertrieb es. Am 16. machte die Armee 
Halt, und Sir Arthur befhloß einen Hauptangriff auf 
den Feind. Diefer ſtand nämlich bey Roleja, und hielt den 
Pag nebft den Anhoͤhen befezt. Am 17. Morgens griffen 
ihn die Engländer in drey Kolonnen an, kamen ibm in beyde 
Slanfen, durchbrachen das Centrum, und warfen ihn in grof: 
fer Unordnung aus feiner Pofition. Die Franzofen ſammel— 
ten fi indeffen fehr bald wieder, und machten einen meifter: 
haften Rüdzug. Am 18. marfbirte Sir Arthur nad 
Courinha, und dedte bie Landung des Generals Anſtru— 

"tbher. Anden folgenden Tagen vereinigte er ſich mit diefem, 
und brach dann am 21. weiter auf, Unterdeffen war ihm 
Junot von Liffabon entgegengegangen ,. und fließ denfelben 
Morgen bey Vimeira auf ihn. Die Sclacht begann; 
man kämpfte von beyden Eeiten mit unglaubliher Wuth— 

Die Sranzofen griffen blos mir dem Bajonett an, die Eng: 





9312 Der Krieg in Spanien und Portugal 





länder trieben fie eben fo zuräd. Endlich fiegte die größere 
‚, Beharrlichfeit und Körperftärfe; bie Franzoſen warfen fich 
auf Liffabon; die Engländer rückten bis Cintra vor. Den 
Tag darauf langte der neue Oberbefehlshaber. aller engliſchen 
Zruppen in Portugal, Sir Hew Dalrymple, an. 
Wenig Stunden nad feiner Ankunft erfbien ein Parlas 
‚mentär von Junot bey ihm, und trug ihm die Räumung 
des Königreichs gegen freye Ueberfahrt nab Frankreich art. 
Zum großen Erfiaunen der Armee warb fofort ein Waffen: 
ftillftand gefhloffen, und zum noch größern Unwillen derfels 
ben bie Kapitulation wirflih zu Stande. gebracht (30. Aug.). 
Die Franzofen behielten Gepaͤck und Waffen, fo wie ihre 
ſaͤmmtliche Artillerie. Was nun den General Dalrymple 
zu diefer unbegreifliben Gutmüthigkeit beftinimt haben mag; ' 
gewiß ift, dag Ju not ohne diefe Kapitulation. verloren 
war. Einige vermuthen, Sir Hew habe es-aus Eifer: 
fucht gegen Sir Arthur gethan. Die Parlaments:Bers 
bandlungen bewiefen, wie tief die Nation biefen Fehler ems 
pfand. Ganz Spanien und Portugal, ja ganz Europa 
theilte ihr Urtheil. 





VL 


Mir ehren jegt nah Spanlen zurüd, wo eine neue 
Reihe von Begebenheiten fib zu entwideln anfängt. Die 
franzsfifte Armee lag ruhig hiuter dem Ebro und in der Pros 
vinz Biscaja, aber ſchon traf Buonaparte Anftalten, 
neue Verftärkungen aus Deutſchland zu ziehen. Unterdeffen 
lösten jih die ſaͤmmlichen Provinzial:Yuntas in eine einzige 
Gentral:Zunta auf, die aus den Depntirten derfelben zufam: 
mengefest, und am 25, September zu Aranjuez inftallirt 
ward. Männer, wie der Graf Florida Blanca ale 
einftweiliger Präfident, oder Don Francisco Pala 
for, der Vertheidiger von Saragoffa, oder Don Mel: 
bior 


in den Jahren 1808 — 1814. 313 











Hior de Iovellanos, der bekannte Vaterlandsfreund, 
und ähnliche Andere, verbürgten allerdings den Werth da— 
von. Auch ward bdiefe oberfie Gentral:Junta von allen vers 
faffungmägigen Autoritäten des Koͤnigreichs foͤrmlich aner⸗ 
kannt. Vor allen Dingen beſchaͤftigte ſie ſich mit den Bes 
duͤrfniſſen und den kriegeriſchen Verhaͤltniſſen des Staats, 
Jene wurden durch die Erſparung des Hofhaltes, durch die 
Guͤter-Einziehungen franzoͤſiſch Geſinnter u. ſ. w. gedeckt; 
dieſe durch die Einſetzung eines neuen Kriegs-Kollegiums, 
deſſen Praͤſident Caſtannos war, durch neue Rekrutirun⸗ 
gen, endlich durch bie Bildung ordentlicher Diviſionen nad 
Möglichkeit in Ordnung gebracht. Go war gegen Ende Octo— 
berg eine Armee von 65 bie 70,000 Mann vorhanden, die 
aus drey abgefonderten unabhängigen Diviſtonen beftand. 
Die mittlere ward: vom General Caſtannos, die rechte 
oder öftlihe von Palafor, die linke oder nordweſtliche von 
Blake kommandirt. Bey diefer Gelegenheit muß bemerkt 
werden, daß hierunter die 16,000 Mann Linieritruppen mit 
befindlih find, die unter Marquis Romana aus Däne:" 
mar? entkommen waren, unftreitig der Kerm der ganzen Ar—⸗ 
mee. Zwey andre, wiewol weit ſchwaͤchere Heere befanden‘ 
ſich noch in Eftremadura und Catalonien. * 

Unterdeſſen hatten die Franzoſen bedeutende Verſtaͤrkun⸗ 
gen an ſich gezogen, und ſich mit allen Beduͤrfniſſen in Ueber: 
fluß verfehen. Endlich am 5. November fam Buonapar⸗ 
te felbft mit einer neuen Divifion von 12,000 Mann im 
Hauptquartier feines Bruders zu Vittoria an. Der Mar’ 
der Spanier war, das franzöfifbe Centrum ju durchbrechen, 
und zugleich ihre beyden Flügel zu umgeben. Zu diefem En⸗ 
be paffirte General Caſtannos den Ebro in drey Kolon: 
nen, doch wohl verftanden, nur mit feiner Divifion. Die‘ 
Sranzofen lieſſen ihr faſt ohne Widerftand vorrtuͤcken, und 
gaben ihm fogar niehrere ihrer Pofitionen Preis. Allein 
faum war er auf dem gewuͤnſchten Punkte, ale Ney ebenr 

Europ. Annalen. 9tes Stuͤd. 1815, ai 


| 314 Der Krieg in Spanien und Portugal 





falle. über den Ebro ging, und ihn von Blafe gänzlich ab: 
fhnitt. Die ganze Macht der Ney'ſchen Divifion fiel nun auf 
dieſen Theil der ſpaniſchen Armee. Die Folge bavon war die 
gänzlihe Zerfprengung deſſelben, nachdem vom 31. October 
bis 4. November in einer Menge Gefechten, befonders bey 
Efpinofa und Reynofa, fehr blutig getämpft worden war. 
In wilder Unordnung, und mit Zurüdlaffung der Artillerie 
und bes Gepaͤks floh Alles in die Gebirge von Afiurien. 
Nicht beffer ging es der Armee von Efiremadura, unter dem 
Befehl eines jungen Mannes, dem Grafen von Belve 
dere, bie man durd eine aͤhnliche Kriegsliſt bis nah Burgos 
kommen ‚ließ. Auch fie ward gänzlich gefhlagen, und muffte 
in Verwirrung bis nach Aranda auf der Straße von Mabrid 
zuruͤckgehen. Endlih am 23. November erfolgte die große 
Schlacht von Tudela, in der Caſtannos, der unterdefz 
fen, die Divifion Palafor an ſich gezogen hatte, den legten 
entfheidenden Verluſt erhielt... Alle diefe Unfälle laffen ſich 
leicht erflären, wenn man den Zufland der fpanifpen Armeen, 
bedenkt. Sie beftanden nämlih größtentheils aus Rekruten, 
denen ed nicht nur.an der gehörigen Ausruͤſtung, fondern fo: 
gar an Lebensmitteln gebrach. Sie manoͤuvrirte auf einem 
viel zu ausgedehnten Terrain, und. u Derbindung⸗Linien 
waren viel zu ſchwach. 

Die Schlacht von Tudela oͤffnete den Franzoſen den Weg. 
nad Madrid. Schon am 29. November kam die Divifion 
Viktor auf.der Somofierra an. Hier beſindet ſich auf ber 
hoͤchſten Spige ein Gebirgspaß, ber derseinzige Weg nad 
Madrid iſt. Die Spanigr, hatten denfelben.-befeftigt, und 
hielten ihm mit 13,000 Mann befegt. ... Allein’ nach einem 
furzen Gefechte, das befonders die polniſchen Lanzenreiter 
unter General Montbrun entfhieden, mufften fie fih in 
großer Unordnung zurückziehen. Am: 1. Dec: flreiften bie 
Sranzofen bie im die Nähe von Madrid, Am 3. Dec. lagerte 
bie. ganze Armee in den Umgebungen der Stadt. Unterdeſ⸗ 


’ 


in den Jahren 1808-1814. 315 








fen machten die Einwohner ſehr eifrige Anſtalten zur Werthei: 
bigung, und ſchlugen auch wirklih an dem Thor von -Alcala 
zwey Angriffe zurüd. Allein bey dem dritten gelang es den 
Stanzofen , im bei dabey liegenden. Garten bes Palaftes Res 
tiro einzubrechen, und eine Poſition daſelbſt zu nehmen, die 
wegen der hoben Lage ganz Madrid beherrſcht. Hier fingen 
fie an, ſich zu verfihanzen, wohne den Einwohnern gar ee 
der Muth entfiel. | 
| In der folgenden Naht kam .ein ſpaniſcher Öffizier an, 
ber in dem Gefecht auf der Somofierra gefangen worden war, 
Er brachte ein Schreiben vom Marfball Berthier, worin 
bie Uebergabe ber Hauptſtadt verlangt ward. Der Generals 
Gouverneur von Gaftilien, Märguis von Gaftellar,: ante 
wortete hierauf mit der Bitte um einen Waffenfiillftand und 
Zeit zur Berathſchlagung. Mleim im Grunde war die Sache 
fon abgemacht. Es iſt faſt bis zur Gemwißheit ermwiefen, 
daß es unter den hoͤhern Autoritaͤten eine geheime Partey 
für die Franzoſen gab; dag an der Spitze derſelben der Genes 
ral Don Thomas Morla uhd der Prinz von Caſtel⸗ 
franco ſtand;, daß ein geheimer Briefwechſel mit den Fran: 
zofen ftatt Hatte; und daß Madrid durch Verraͤtherey überges 
ben ward. Schon nad dent Verluſt des Somofierrä : Paffes 
hatte Don Thomas Morla die Lage der Dinge als ber: 
zweifelt. geſchildert, und den foͤrmlicen Vorſchlaͤß zu einen 
Kapitulation: gemacht. Er hatte aber zu gleicher Zeit, in 
Verbindung mit dem Prinzen von Caſtelfranco, an Sir 
John Moore geſchrieben, der von Weſten her im An— 
marſch war, und ihm die Verſicherung gegeben, daß eine 
furchtbare ſpaniſche Armee bey Madrid verſammelt ſey. Da: 
durch hatte er dem engliſchen General mit feiner nur 6000 
Mann'ftarken Kolonne zu einer falſchen Beivegung zu vers 
fetren, und fo natürlich. aufzuopfern geſucht. Allein Sir 
Sohn war viel zu vorfihtig und einſichtvoll; er wich feinen 
Schritt aus feiner Pofition, und gab ſelbſt den Votſtellungen 


5 E2 


516 Der Krieg in Spanien und Portugal 








Hrn. Frere's (des englpgen Gefandten: bey der Junta> 
durchaus nit nad. 

Berthier beantwortete das Schreiben des Marquis 
von Caftellar mit einer neuen Aufforderung. Demzu⸗ 
folge begaben fib Don Thomas Morla und Don Ber— 
trand Mriarte am 4. Abends zuihm, und wurden ſofort 
auch Buonaparte vorgeftellt.. ‚ Diefer fagte ihnen auf 
feine befannte brutale Art, daß, wenn bis naͤchſten Morgen 
um ſechs Uhr nicht allesıin Ordnung ſey, ſo werde Madrid 
geftürmt, und: Alles, was man bewaffnet fände, niederges 
bauen. Die beyden Deputirten Fehrten hierauf zuräd; die 
fpanifhen Truppen wurden eilends in’d Innere, gefendet; 
und die Franzofen zogen im Madrid ein (5. Dec.). Buos 
naparte’s befannte Reden, Aufrufe, Dekrete u. f. w. 
übergehen wir. Aber während. nun mit bem Fall der Haupt⸗ 
fladt gan; Spanien unterjoct zu feyn ſchien, erhob ſich in dem 
fpanifhen Kolonien ein neuer Geift bes Widerſtands. Alles 
war gegen bie Sranzofen; Alles für den rechtmäßigen König 
und für das Mutterland. Ueberall wurden Franzofen und 
franzöfifches Eigenthum als feindlich behandelt, und aus als 
Ien Theilen dieſer ungeheuern Beſitzungen famen reichliche 
Kriegs: Bepträge ein. .Diefe,vortrefflide Stimmung wurde 
zum Theil durch ein Dekret der Gentral:Junta erzeugt, das 
alle diefe Kolonien für unabhängige Haupttheile des Mutters 
landes erklärte, und ihnen biefelben Vorrechte verlieh. 





— 
VII. 

Waͤhrend aller dieſer Begebenheiten hatte ſich Ende 
Octobers auch ein engliſches Heer von Liſſabon aus, zur Huͤlfe 
der Spanier, in Bewegung geſetzt. Es ward von Sir 
John Moore befehligt, war in Allem 18,628 Mann 
ſtark, worunter 912 Mann Kavallerie, und marſchirte in 
mehrern Kolonnen auf Salamanca, als dem allgemeinen 


imn den Jahren 1808 — 1814. 317 





Sammelplatz zu. Hier kam Sir John Moore bereits 
am 13. November an. Waͤhrend er nun die uͤbrigen Abthei— 
lungen erwartete, liefen die traurigen Nachrichten von den 
obigen Vorfaͤllen ein. Da nun ſeine Bewegung auf die 
Fortſchritte der Spanier berechnet war, ſo blieb er, durch 
widerſprechende Berichte aus der Hauptſtadt getaͤuſcht, über 
feine fernern Magregeln fehr lange zweifelhaft. Es iſt un: 
glaublich, aber dennoch buhftäblih wahr, daß er erft am 13. 
Dec. durch eine aufgefangene Depefbe von Berthier an 
Soult von ber wahren Lage der Dinge unterrichtet warb. 
Zugleich erfah er aber auch daraus, "daß man von feinem 
Marſch nihr das Geringſte wuffte, fondern fi ganz für fiber 
hielt. Er änderte daher feinen erften Plan, auf Madrid zu 
marſchiren, dahin ab, daß er den Marfhall Soult, ber 
mit 18,000 Mann hinter dem Carrion ftand, zu fihlagen, 
und fo diefen gauzen Theil des nordweſtlichen Spaniens von 
den Feinden zu reinigen beſchloß. Zu diefem Ende vereinigte 
er fih am 20. December, nachdem er fhon frühethin alle fei: 
se Kolonnen an fi gezogen hatte, noch mit der Divifion 
Bairbd, bie bereits feit Ende Octobers in Galizien gelandet 
war, und bradte fo die Stärfe feiner Armee auf 23,000 
Mann, worunter 2400 Mann Kavallerie. Hiermit nahıh 
er eine Stellung zwiſchen Sahagun, Grehel und Villado, 
während der Marquis Romana, der an biefer Unterneh: 
mung Theil nehmen follte, mit dem Refte feines Heeres zu 
Manfilla eintraf. Der feindlihe Hauptpunft war Saldan: 
nah, dahin follte der Marſch bes Heeres gehen. 

Alle Anftalten zum Aufbruch waren beenbigt; alle Be: 
fehle an die Generale und Dberften bereits ertheilt, ale Sir 
Zohn Moore plöglich fehr bedenkliche Nachrichten erhielt. 
Er fah beutlih, daß feine wahre Bewegung befannt gewor: 
den, und eine überlegne Macht gegen ihn in Anmarfch wär. 
Mirflich befand es fih fo. Buonaparte hatte bisher ge: 
glaubt, daß Sir John Moore, um Portugal zu decken, 


318 Der Ktieg in Spanien und Portugal 








im vollen Rüdzug begriffen ſey. Er erfuhr. nicht fobald durch 
einige hanndverifbe Ausreiger das Gegentheil, ald er feine 
ganze Mat auf die Engländer- ju werfen beſchloß. Dem 
nah erhielt niht nur Soult bedeutende Verſtaͤrkungen, 
fondern aub Junot, Lefebre und Mortier befamen 
Befehl, mir ihren Divifionen fo fhnell als möglich auf diefen 
Punkt zu ziehen. Endlich brab Buonaparte felbft-am 
22. December von Madrid dahin auf, Sein Heer war 
32,000 Mann ſtarb, worunter 8000 Manu Kavallerie. 
Ben diefer Lage der Dinge hatte Sir John Moore kei 
ne andre Wahl, als ſich zuruͤckzuziehen. 

Es war am 24. December, als die engliſche Armee von 
Sahagun aufbrach. An demſelben Tage kam ſchon ein fran⸗ 
zoͤſiſbes Streifcorps durch Tordeſillas. Sie paſſirte die Esla 
in zwey Kolonnen, und nahm ihre Richtung nach Benavente. 
Die Bewegungen derſelben wurden durch Lord Paget ge— 
deckt, der mit feiner Kavallerie die feindlichen Streifſchwa— 
dronen vollkommen im Zaum hielt. Die Unordnung in dem 
engliſchen Heere war, indeffen bereits fo groß, daß ſich Str 
Hohn: Moore gezwungen fah, zu. Benavente einen Tages 
befehl zu erlaffen, worin das Marodiren, die Völlerey, der 
Ungehorfam gegen Obere u: f. w. aufs Strengſte verboten 
ward. Zu diefen Unregelmäßigkeiten trug unftreitig ber 
Mangel an gehöriger Verpflegung nicht wenig bey. Mir: 
gende ‚war für das Unterkommen oder die Bewirtfung ber 
Soldaten geſorgt. Die Einwohner zeigten wenig guten 
Willen; fie waren zum Theil aud viel zu arm. Die Solda⸗ 
ten quartierten fich alfo mit Gewalt ein, und nahmen, wo 
etwas zu finden war, Hierzu Fam noch, daß man einander 
nicht verfiand, und daß jeder Theil dem andern fein Unglüd 
zuſchrieb. So fielen denn freylich nur zu viel Erzeffe vor. 

Bey Benavente fandte Sir John Moore den Ge: 
neral Crawfurd mit 3000 Mann auserlefener Truppen 
nach Drenfe ab. Dies gefhah, um diefe Straße zu fihern, 


"in ben Jahren 1808-1814. 319 


— 





von der ihm fonft der Feind zuvorzukommen im Stande tar. 
Die andern Kolonnen febten ihren Marfch auf der: Straße 
von Leon nah Aſtorga fort. "Hier fand Sir John bie 
Ueberrefte von der Divifiom Romwia. Sie war aus ihrer 
Pofition von Manſilla vertrieben worden ,-und "hatte richt 


einmal zur Sprengung. der Bruͤtcke Zeit gehabt. So ruͤckte 


Soult ungehindert nad Leon vor, und hatte die Engländer 


wahrſcheinlich von Aftorga abzuſchneiden gedacht. Sir John 


befahl jest, alle überfläffigen Wagen zu verbrerinen, aud 
Sieg man alle maroden Pferde und Mauleſel zuruͤck. Det 
Marſch ging hierauf. am 30. Devember auf Villafranca and 
Lugo. Unterwegens ward bie Kriegskaſſe aufgeopfert , mit 
ſtuͤrzte die Geldfäffer von den Felfen in Abgründe und Fluͤſſe 
hinab. In diefer Gebirgs⸗Gegend lag bereits tiefer Schnee, 
überall boten fib Scenen des Elends dar. Die meiften Dir: 
fer waren verlaffen, bie Soldaten hatten- oft Tage lang Peine 
Nahrung. Ward dann ein Vorrath angetroffen, fo warf 
ſich Alles in Unordnung darüber her: Alle Mannszucht war 
verſchwunden, man raubte und plünderte ungefhont. Oft 
hagen ganze Reihen kind — unter AROOR und 
Kranfen da. | 

Unterdeffen hatte ſich — mit Soult zu 
Aftorga vereinigt, und verfolgte nun die englifhe Armee mit 
70,000 Mann. Sir John Moore aber wuffte ihm immer 
einen halben, -ja ganzen Marſch :abzugerwinnen, wobey es 
natürlich beftändige Gefechte gab. Die Lage der englifhen 
Armee verfhlimmerte fih von Tag zu Tag, wozu der befläit- 
dige Regen und die naßfalte Temperatur nicht wenig beytrug, 
Gleichwol kämpfte man verzweiflungvoll, und Fam fo endlich 
am 11. Jan. .(1809) zu Corunnaan. Sir John Moore 
hatte diefen Punkt zur Einfhiffung gewählt, weil er der 
nächfte, und noch am beften zu vertheidigen war. ‚An und 
für ſich aber taugte diefe Poſition nur wenig, weil Corunna 
von Anhöhen beherrſcht wird. Indeffen hatte man wenige 


* 


320 Der Krieg in Spanien und Portugal 


ſtens zwey Tage vor ſich und die Einſchiffung konnte ſehr 
fuͤglich geſchehen. Leider waren aber nur ſehr wenig Trans⸗ 
portfbiffe von Vigo: angefommen, da fie der widrige Wind 
zuruͤckhielt. So verlor man drey Tage, ehe die Einfhiffung 
ihren Anfang nahm. Dod waren am 15. Abends alle Kran 
ten, ſo wie die Artillerie und die. Pferde an Bord. Die 
Sranzofen befanden ſich indefjen ganz in der Nähe, und es 
fielen beftändige Gefechte vor. 

Am 16. Morgens follte bie Einfiffung ber Armee ans 
fangen, allein plöglich rückten die Franzofen in vier Kolonnen 
vor. : Es kam daher zu einer heftigen Schladt. Hier nahm 
jedoch nur die Hälfte der englifben Armee zu 15,000 Mann 
gegen 20,000. Mann Sranzofen Theil. Die Engländer fieg: 
ten, aber -mit großem Verluft. Ihre beyden Generale, 
Sir John Moore und Sir David Baird, wurben 
gefaͤhrlich verwundet; Erfterer farb wenig Stunden darauf. 
— „Sie wiſſen,“ fagte er. zu feinem Freunde, dem Ober: 
fien Anderfon — „auf die Art hab’ ih immer zu fiers 
ben gewuͤnſcht. Ich hoffe, das englifhe Volk wird zufries 
deu feyn. Ic hoffe, mar wird mir Gerechtigkeit wiberfahs 
ren laffen.” — Er warb in feiner Uniform auf dem Walle 
von: Corunna begraben, wo ihm fpäterhin der Marquis R os 
mana ein Denkmal fegen ließ, Es war ein fehr edler 
Mann, dem die Erfüllung feiner Pflicht über Alles ging: 
Den Oberbefehl übernahm nun General Hope. Er traf fo 
zweckmaͤßige Anftalten ,. daß beynahe die ganze Armee in ber 
folgenden. Nacht eingefifft ward. Als dies bie Franzoſen 
am 17. Morgens bemerkten, ſchickten fie einige leichte Trups 
pen vor, und fingen auf die Schiffe zu feuern an. Sie fonns 
ten indeffen nur wenig Schaden thun, indem bald darauf bie 
ganze Flotte den Hafen verließ. Um zwey Uhr Nachmittags 
ſchiffte fi die Brigade Hill, in der folgenden Nacht bie Arc 
ziergarde unter General Beresford ein. Am 18. Mor: 
gene war Alles in See. : So endigte eine Unternehmung, 











in den Jahren 1868 — 1814. 321 





bey der man den Berluft von 5 bis 6000 Mann und 5000 


Pferden berechnen fann, wozu noch die ganze Artillerie mit 
aller Munition und ſaͤmmtlichen Magazinen Pam. 

Die Welt bar über den General Moore gerichtet; 
feine Schuld war es nicht, wenn diefe Unternehmung miß—⸗ 
lang. Nah dem urfprüngliben Plane follte ſich die Armee 
in dem Herzen von Spanien, in den Ebenen von Leon und 
Caſtilien aufftellen ; fie hatte teine-geringere Beftimmung, 
als die gänzlibe Vertreibung. der Franzofen aus diefem Kös 
nıigreih. Allein diefer Plan war von den englifhen Minis 
fiern und dev Marquis Romana ohne die mindefte Zuzies 
bung der Generale Dalrymple und Moore, ohne bie 
mindefte Verabredung mit den ſpaniſchen Junta's gemacht. 
Die englifben Minifter ſchlugen die Streitkräfte des fpanis 
ſchen Volks viel zu ho, die der Franzofen viel zu niedrig an: 
Sie beftimmten fih nad Berichten enthufiaftifher Agenten, 
denen es an Umfiht und Kenntniß gebrab. Zu gleicher Zeit 
wählten fie einen ganz falfben Punkt zur Landung einer engs 
liſchen Huͤlfarmee. Nicht Sorunna, fondern Cadiz war der 
rechte Drt dazu, und nibt von Salamanca, - fondern von 
Corbova,oder Sevilla mufften die Unternehmungen ausgehen. 
Eine zweyte Urſache des Mißlingens lag in dem Charafter 
ber Gentraljunta. Keine Spur mehr von bem erften Präftis 
gen Beifte der von Sevilla. Im Gegentheil nichts als Miß— 
trauen, Unkunde, Spaltungen. Der Stolz der Spanier 
glaubte ſich felbft genug zu feyn; die Franzofen wurden für 
gänzlih vernichtet gehalten, eine Partey fämpfte gegen bie 
andere an. Die unzähligen Heere, von denen die ſpaniſche 
Bergrößerungfucht fprab, befanden fih nur auf dem Papier; 
das ganze Kriegswefen war in beyfpiellofer Unordnung. 
Hierzu fam nun endlich noch drittens die Werrätheren fo vie: 
fer Perfonen von hohem Rang, die gerade wegen des Ges 
beimniffes, womit fie ſich bedeckte, doppelt gefährlich war. 
Wenn nun aber au der Zweck diefer Unternehmung nicht 


322 Der Krieg in Spanien und Portugul 


erreicht werden.konnte; gewiß ift, daß General Moore eis 
nen Rüdzug machte, der meifterhaft genannt zu werden vers 
dient; eben fo, daß durch diefe Diverfion der Süden von 
Spanien wenigftens für diefesmal gerettet ward. 





VIII. 

— Yan. 1809 zog Joſeph — wie⸗ 
der in Madrid ein, und an demſelben Tage brach ſein Bruder 
Napoleon nach Frankreich auf, Neue Begebenheiten be— 
reiteten ſich; der Bruch mit Oeſterreich ſchien unvermeidlich; 
der Krieg in Spanien nahm einen neuen Charakter am: Kei: 
ne weitere Erpberungen für den Augenblid, nur Behaup⸗ 
tung und Sicherung der Provinzen, in deren Befiß man fi 
befand, Daher wurden die Unternehmungen auf Cadiz und 
Liſſabon ausgeſetzt, und. die Trupnen erhielten Befehl, fi 
wieder auf Meucaftillen zurädzuziehen.: — Die Belage: 
rungen yon Saragoſſa und Gerona ſind die zwey einzigen 
Ausnahmen von diefem neuen, blos auf Vertheidigung be⸗ 
rechneten, Spftem. « Allein ohne die Eroberung dieſer zwey 
Städte blieb der Befis des oͤſtlichen Ebro:Ufers immer: unz 
gewiß. i 
Saragoffa war — feit den November 1808 berennt 
geweſen, die eigentliche Belagerung aber fing erft im Januar 
1809 an.ı Die Einwohner vertheidigten ſich mit dbemfelben 
Muthe, mit derfelben Beharrlichfeit, wie das Erftemal. 
Die Belagerer boten dagegen Alles auf, was dieſe moͤrderiſche 
Kunft nur zu erfinden vermag. Allmaͤhlich wihen die Ein: 
wohner der Uebermadt, aber jeder Fuß breit Boden marb 
mit Blut erfauft. Nicht weniger ald 180 Feuerfhlünde 
ſchleuderten Tod und Verderben auf die Stadt, die Flam— 
men wütheten fürdterlibd. Doch Niemand wollte von Weber: 
gabe hören; felbft die. Weiber kämpften mit unglaublicher, 
Tapferkeit. Sie bildeten ein eigned Regiment, und gerie: 


in den Jahren 1808— 1814. 323 





hen eines Tages, wo fie die Wälle mit befegt hielten, auf 
folgende Kriegslift. Es war in den Nahmittagsftunden; 
auf einmal ſahen bie Franzofen von den Wällen und Käufern 
eine Menge weißer Tücher wehen, hielten dies für ein Zeis 
Ken ber Üebergabe, näherten jih ohne Argwohn, wurden 
ruhig zu dem Thore bineingelaffen, und waren fo zu ihrer 
eignen Verwunderung in der Stadt, Allein auf einmal ſtuͤrz⸗ 
ten bie Weiber über fie ber, und brachten, von-ihren Mäns 
nern, Vätern und Brüdern unterftügt, bis auf den legten 
Mann davon um, Ä Ä ; 

Den Tag darauf 27. Ian, ließ-Marfhall Lasnes, 
der die Belagerung: Armee fommandirte, die Städt zur aus 
genblickliben Uebergabe auffordern, und drohte im Gegen: 
theil mit Sturm und allgenreinem Blutbad. Da verfammelte 
Dalafos alle fireitbare Einwohner in den Kirchen, und 
nahm ihnen einen Eid zum aͤußerſten Kampfe ab, Jeder 
ſchwur, mit den Waffen in der Hand zu ſterben, oder unter 
den raudenden Trümmern Saragoffa’s begraben zu ſeyn. 
Darauf warb ein Ausfall verfuht; allein die heldenmüthige 
Schar erlag der Uebermacht, die Franzoſen drangen felbft in 
die Stadt, Jetzt begann ein neuer furdtbarer Kampf. 
Schon früher hatte man für einen ſolchen Fall.eine Mine ans 
gelegt. Diefe ward jeßt angezündet, und Freund und Feind 
nebft einem bedeutenden Theile. der. Stabt in bie Luft ge— 
fprengt. Won nun an begann auch der unterirdifhe Feuer: 
Prieg. In den Straßen Mann gegen Mann, unter der Erbe 
Mine gegen Mine; nie hatte man etwas Achnliches gefehen. 
So dauerte es fort -bis zu dem 20. Februar. Die Franzofen 
hatten ſich damals big auf den Corſo fortgegraben, ihre Di: 
vifionen rückten zu gleicher Zeit über bie Trümmer vor. Der 
größte Theil von Saragoffa lag in Aſche, ein peftartige 
Krankheit raffte die Einwohner zu Hunderten. täglich hinweg, 
alle Lebensmittel waren aufgezehrt, faft. fahe man nur noch 
reife und Kinder, Matronen und Kranke in dem Ueber: 


324 Der Krieg in Spanien und Portugal * 





reſte der Stadt. Da muſſte ſich endlich Palafor auf Dis— 
cretion ergeben, doch ehrten die Franzoſen die arragoniſche 
Tapferkeit. In dem Augenblicte, wo fie Beſitz von dem 
Ruinen Saragoffa’s nahmen, erfbien ein vaffender Tagsbe= 
fehl. Bon 50,000 Einwohnern waren nur nod 16 bie 17,000 
übrig, der größte Theil zerftreute fih in der Nachbarſchaft. 
General Palafor ward auf die Eitadelle von Bayonne ge— 

bracht. Go fiel Saragoffa; Gerona hingegen hielt fih bis 
Ende des Jahrs. Wir werden zu feiner Zeit aud biefe 
merkwürdige Belagerung erzählen; jest führt uns der Lauf 
der Begebenheiten nab Eſtremadura, wo wir die Spanier 
angriffsmweife zu Werke gehen fehen. 

Man wird leicht begreifen, daß ber fpanifihe Kriegs: 
‚plan dem franzöfifchen gerade entgegengefegt war. Während 
bie Franzofen nur die eroberten Provinzen zu behaupten ſuch⸗ 
ten, muffte der erfte Gedanke ber. Spanier auf die Vertreis 
bung berfelben, und auf die Wiedereinnahme der Hauptftadt 
gerichtet feyn. Alle‘ Unternehmungen, die wir nun zu erzaͤh⸗ 
len’baben, gingen von diefem Plan aus. Der erfte Verſuch 
ward in Efiremadura gemadt. Hier hatte General Cueſta 
ein neues Heer von 30,000 Mann gefammelt, und griff das 
mit die Divifion Viktor an, die ungefähr 23,000 Mann 
ſtark gewefen zu ſeyn ſcheint. Die Sranzofen hatten fi bey 
Mepdellin an der Guadiana aufgeſtellt. Im Gentrum be: 
fand fih die Infanterie, in dichten Kolonnen aufmarſchirt; 
die beyden Flügel: deckte die Kavallerie; die Fronte verthei- 
digten fechs große Batterien. Der Angriff ver Spanier (25. 
März) zeugte von vieler Tapferkeit. Sie marſchirten, troß 
dem heftigen ‚Feuer, im ber beften Orbnung vorwärts, und 
führten alle ihre Bewegungen mit eben fo viel Genauigkeit 
als Schnelligkeit aus. Ihr Imker Zlügel war bereits ben 
Sranzofen auf einen Piftolenfhuß nahe, und die erfte Batte: 
rie erftürmt. Da -erfhien,auf einmal franzoͤſiſche Kavallerie, 
um einzubauen. Die fpanifhe, die fie aufhalten follte, er: 


In ben Jahren 1808 — 1814. 325 





geiff im ploͤtzlichen Schreden die Flucht, und riß den linken 
Fluͤgel mit ſich fort. Jetzt warfen fid die Franzofen auf den 
rebten und auf das Sentrum, und gewonnen war bie Schlacht. 
General Cuſeſta that fein Moͤglichſtes, um die Truppen 
wieder zu fammeln; vergebens, er war gezwungen, ſich zus 
rüdzuziehen. Der Verluſt der. Spanier blieb unbeftimmt; 
man. gab denfelben aber als fehr bedeutend an. Die Gens 
traljunta , bie jegt wieder zu Sevilla refidirte, ließ indeffen 
dem General Quefta. Gerechtigkeit widerfahren, und ers. 
theilte ihm den Rang eines General: Kapitaind. Eben fo 
wurden aud die Offiziere befördert, denen er ein günftiges 
Zeugniß gab. Endlid erhielten alle Negimenter, die fich 
tapfer gehalten hatten, einen Monatfold. Dagegen wurden 
mehrere Oberſten u. f. w.-Paffirt, auch die Kavallerie: Regis 
. menter, die fo feig bie Flucht ergriffen, um einen gleiden i 
Sold geſtraft. Man muß indeffen mie vergeffen, daß auch 
biefe Armee zu wenigftens drey Biersheilen aus lauter Res, 
Pruten beftaud. Nicht der Muth, die Gewohnheit ging ihnen . 
ab. Daher die Leichtigkeit, womit fie ſich auch nach diefem 
Treffen wieder unter die Fahnen ftellten; ein Umftand, der. 
diefem ganzen Kriege einen fo eigenthuͤmlichen Charakter gibt. 

Unterdeffen hatte fhon früher eine neue engliſche Armee 
in Portugal gelandet, und von Coimbra aus, als ihrem 
Hauptquartier, den Marfhall Soult beobachtet, der nach 
Sir John Moore’8 Niederlage ungehindert in Dvorto 
eingerüdt war. Den Oberbefehl über jenes engliihe Heer 
übernahm jest Ende Aprils Sir Arthur Wellesley. 
Er beſchloß fofort, auf legtere Stadt zu marſchiren, wäh: 
rend er ein portugiefifhes. Korps unter Marſchall Beres- 
ford gegen den DOberduero aufbreen ließ. Soult fühlte 
das Migliche feiner Lage, hielt es für’s Beſte, Oporto zu 
räumen, und fih, nah dem angenommenen Syſtem, auf 
die Divifion Ney in Galizien zurüdzuziehen. Er bemerkt; 
fielligte diefe Räumung ſo allmaͤhlich, und mit fo viel Ge 


326 Der Krieg in Soanien und Portugal 








ſchicklichkeit, daß er zwar nicht ohne Gefechte und ziemlichen 
Verluſt an Gepäd und Kanonen, aber dennoch immer: noch 
glüclih genug davon fam. Am 11. May war Dporto wie: 
der in englifchsportugiefifber Gewalt, Sir Arthur konnte 
indeffen feine Bortheile nicht weiter-verfolgen, fonderrt muſſte 
ſich auch ſeinerſeits ploͤtzlich nach dem Suͤden von Portugal 
zuruͤckziehen. Die Urſache davon war, weil Marſchall Wit: 
tor bey Alcantara den Uebergang über ben Tago erzwungen 
hatte, und nun fromabwärts gerade auf bie ir u lec⸗ 
zugehen ſchien. 

Waͤhrend dieſer Vorfälle hatten’ die Spanier auch die 
Franzofen au aus Catalonien und dem Arragon zu vertrei- 
ben gefucht. Dort war es auf den Entfaß von Gerona, hier 
auf die Wiedereinnahme von Saragoffa angefehen. Dort 
wurde unter General Reding mit großer Tapferfeit, ‘aber 
nicht mit Gluͤck, gekaͤmpft; bier ergriff die vereinigte valen⸗ 
cianifch:arragonifbe Armee bey Belfhile vor einer Hand 
voll Franzofen ſchimpflich die Flucht, ohne einen einzigen 
Schuß zu thun. Dies ift buchfläblib wahr, und nurdadurd 
erklaͤrlich, daß fie größtentheile aus Leuten, kaum dem Pflug 
entronnenen, noch überdem ganz jungen Refruten beftand. : 
General Blake, deſſen Much und Einfiht außer Zweifel 
iſt, ſah fih zw feinem großen Schmerz mit wenigen Dffizies 
ren allein auf dem Schlachtfeld (22: May). Ungleich gluͤck⸗ 
licher waren dagegen bie ſpaniſchen Waffen in Oalijien. Ney 
und Soult wurden gezwungen, fib- gegen Madrid: zuruͤck⸗ 
zuziehen. Eben fo muffte Marfball Viktor, "von Sir 
Arthur bedroht, ſchnell wieder am Tago hinanfgehen: Hier 
vereinigte er fib mit Sebaftiani bey Toledo, und 
dafelbft eine vortrefflibe Stellung ein. Ä 

Unterdeffen bereitete Sir Arthur Wellesley, in 
Derbindung mit der Centratjunta, einen entſcheidenden 
Sclag gegen die franzoͤſiſche Hauptarmee vor. Dieſe, wie 
geſagt, aus den Diviſionen Viktor und Sebaſtiani be— 


in ben Jahren 1808-— 1814. 327 





fiehend, war bedeutend verſtaͤrkt worden, und befand fid 

jegt (Ende Juli) im der Nähe von Zalavera de la Reyne, 
längs des Alberche aufgeftellt. Sie. ward: im Namen Jo— 
fenbs-Buouaparte fommandirt, und foll, verfhiednen 
Angaben zufolge, von 34 bis 40,000, ja ſogar 50,000 
Mann: hart gewefen feym ' Gegen diefelbe feste fib nun 
Sir Arthur Wellestey mit 30,000 Mann in Marfh, 
während: zu.gleiher Zeit General: Guefta mit 38,000 und 
General. Benegas mit. 26,000 gegen diefelbe anzog. Am 
20. Juli vereinigten fi biefe drey Armeen, und festen nun 
ihren Marſch im Tago:Xhale aufwärts fort. Am 26. nabs 
men fie eine fefie Stellung bey Zalavera de ka Reyne, 
in deren Linie diefe Stadt felbfi mit lag. Am 27. um zwey 
Uhr Morgens griffen die Franzoſen die Divifion Macken⸗ 
zie an, die als Außenpoften ziemlich vorgeruͤckt ftand, und 
zwangen fie zum Rüdzug auf die englifche Hauptarmee. Am | 
Abend beffelben Tages machten fie einen allgemeinen-Angriff 
auf.die kestere ‚allein ohne Erfolg. Sie wiederholten den 
felben jn der Nacht, fo wie am naͤchſten Morgen, Beydemal 
mit nicht befferm Gluͤcke. Endlich zogen fie fi in guter Orb: 
nung über ben Alberche zurüd. Der Berluft der Engländer 
wird auf 6000, ber feindliche auf wenigftend 10,000 Mann 
gefbägt. Won beyden Seiten ward mit großer Tapferkeit 
und Erbitterung gefämpft. Die Hauptſache entſchied die eng: 
lifhe Armee... Die Spanier; waren mur theilweife befbäftigt. 
Sie verloren daher in Allem kaum 1000 Mann, Auch hier 
ergriffen ganze Kaufen. die Flucht. 


r :,.„i& 

Die Freude der Sieger, war indeffen von fehr Purzer 
Dauer. Schon am 2. Auguft erhielt naͤmlich Sir Arthur 
beftiimmte Nachricht von dem Anmarfh der dren vereinigten 
Divifionen.Soult, Nepund Mortier. - Der Plan ber 


328 Der Krieg in Spanten.und Portugal 








Franzoſen war, ben Engländern von Efiremadura her in den 
Rüden zu kommen; auch waren wirklich [bon zwey Kolon⸗ 
nen in Plaſencia eingeruͤckt. Da nun Sir Arthur an 
nehmen muffte, "daß unter diefen Umftänden auch Marſchall 
Viktor wieder angreifen würde, fo hielt. er's fuͤr's Befte, 
ſich zurüczuziehen, ließ aber Euefta zu Zalavera zuruͤck. 
Am 3. trat er demnach feinen Marfh nah Drovefa an, ers 
hielt aber noch denfeben Abend eine fehr beunruhigende Nach⸗ 
richt. Die Franzofen, angeblid 30,000 Mann ftart, was 
ren. nämlich von Plafencia vorgerüdt, und flanden zwiſchen 
den. Engländern. und der Brüde von Almaraz. Generaf 
Cueſt a machte Anftalt, Talavera zu verlaſſen, weil er ſich 
ſonſt umringt ſah. S ir Arthur ergriff daher den einzigem 
Ausweg, der ihm übrig blieb. Er zog fib in Eile big zur 
Brücde del Arzobispo zuräd, ging auf derfelben über den 
Tago, und fegte dann feinen Marſch über Deleytofa nach 
Badajoz fort. General Cueſta folgte diefer Bewegung; 
ließ aber aus Mangel an Wagen über die Hälfte der Kranken: 
und Verwundeten in Talavera zuruͤck. Als er fih ber Brüde 
del Arzobisno näherte, ward er von den Franzofen angegrifs: 
fen, und muffte fib mit dem Verluft feine ſaͤmmtlichen Ges 
ſchuͤtzes zurüdzieben. 

Unterdeifen hatte fib auch an der Gränze von Andalu⸗ 
fien eine ‚neue fpanifhe Armee gebildet, und war durch die 
Mancha bis in die Gegend von Toledo vorgerädt. Sie hatte 
"jedoch kein befferes Schickſal als die übrigen, denn fie wurde 
von wenigen Regimentern Kavallerie,:. die zu der Divifien- 
Sebaftiani gehörten, faft augenblidlih auseinanderges 
forengt. Auch bier warfen bie roben Refruten die Waffen 
weg, überlieffen dem Feinde Geſchuͤtz, Gepäd u. f. w., und 
flohen in wilder Unordnung den Gebirgen zu (21. Auguſt). 
Drey Monate fpäter indeffen hatte fib ſchon wieder eine 
zweyte Armee gebildet, die an 4o bis 50,000 Mann ftarf,- 
und mit Allem vortrefflih verfehen, ‚eine, fefte. Stellung bey 

Dean: 


in ben Jahren 1808— 1814. 329 





Deanna an der Mana nahm. Der Marquis von Arie: 
za ga, der fie befehligte, war Anfangs aus der Sierra Mos 
rena geradezu gegen Madrit marfchirt, warb aber durch er: 
haltene Nachrichten bewogen, wieder über den Tago zuräd: 
zugeben. Es ftand nämlich eine anfehnlihe franzöfifhe Macht 
bey Toledo aufgeftellt. Die Zranzofen folgten ihm, und 
griffen ihn am 19. Nov. Morgens an. In zwey Stunden 
war die Sache entſchieden, und die fpanifhe Armee vernichtet 
oder auf der Flucht. Der Verluſt war ungeheuer, es war 
die Wiederholung von Tudela. In Folge diefer verlornen 
Schlacht muffte fih auch der Duque del Porpre, ber 
son Welten her mitwirken follte, und ungefähr 25 Bis 
30,000 Mann befehligte, in die Gebirge zurückziehen. 
Während aller diefer Begebenheiten harten die franzoͤ— 
ſiſchen Waffen auch in Eatalonien nicht geraht. Die Erobes 
rung von Gerona beſchaͤftigte diefelben beynahe ein ganz: 
zes Jahr. Zweymal war dieſe Stadt bereits berennt, und 
zweymal wieder befreyt worden; jetzt, Mitte Junius, kehrten 
die Franzoſen (worunter mehrere Rheinbundes-Truppen) 
mit uͤberlegener Macht zuruͤck. Sie richteten zuvoͤrderſt ihre 
Angriffe auf das Fort Montguich, den feſteſten Punkt der 
Stadt, fanden aber jedesmal den heftigſten Widerſtand. 
Beſonders blutig war der fuͤnfmal wiederholte Sturm am 7. 
Juli, der, ungeachtet drey großer Mauerluͤcken, doch nicht 
gelang. Am 12. Auguſt indeffen fanden es die tapfern Ber: 
theidiger felbft nicht mehr haltbar, und zogen ſich aus ben 
Ruinen derfelben in die Stadt zuräd. Faſt um diefelbe Zeit 
brachte der General Blake, der die Franzoſen meiftentheile 
taͤuſchte, einen Zug von faft 2000 Maulefeln mit Proviant 
in die Stadt, und verftärfte zugleih die Garnifon bis auf 
3000 Mann. Am 19. September unternahmen die Fran⸗ 
zufen einen abermaligen Sturm, allein mit fehr ungluͤcklichem 
Erfolg. Die Einwohner wiefen diefelben bey allen Mauer: 
lüden mit einem moͤrderiſchen Feuer zuräd, 
Europ. Unnalen, 9ted Stüd. 1815. ‘94 





330 Der Krieg in Spanien u. Portugal ind, J. 1808: 1814. 


Bald darauf übernahm Marfhall Augereau ben 
Dberbefehl in Catalonien, und befolgte ein neues. Syſtem. 
Er ſuchte nämlih vor allen Dingen die Armee bes Generals 
Blake zu vernichten, fo wie fi der großen Magazine zu 
bemädtigen, bie man zum Beften der Belagerten in Hoftals 
rich anzulegen bemüht gewefen war. Beydes gelang ihm 
über Erwartungswohl, und Erfteres fogar ohne fein Zuthun. 
General Blake ward, wie wir gefehen ‚haben, bey Bel: 
fhile in Aragon gefhlagen, und die Magazine von Hoftalrich, 
wiewol fehr tapfer vertheidigt, entgingen der Uebermacht 
nicht. Augereau nahm hierauf eine Stellung zwiſchen 
Gerona und dem Ueberrefte der Blate’fhen Armee, fo daß 
die unglüdlihe Stadt von allen Seiten abgeſchnitten war. 
Dennoch hielten. die Einwohner bis zu dem legten Augenblicke 
aus, und Papitulirten erft am 10. December, als aller Vor⸗ 
rath aufgezehrt, und der ganze Wall ein Schutthaufen war. 

Sn endigte das Jahr 1809. Alle fpanifhen Armeen 
waren zerftreut oder vernichtet, alle fpanifhen feften Pläge 
im. Norden und Dften des Königreichs in franzöfifher Ges 
walt. In Folge des Wiener Friedens fingen die franzoͤſi⸗ 
fhen Heere an, fi wieder gegen Cadiz und Liffabon zu zies 
ben, und unaufhörlich fliegen von den Pyrenden neue Vers 
flärkungen herab. Die Lage der fpanifhen Angelegenheiten 
ſchien drohender als jemals. Doch zum Glüd-hatte fih die 
englifhe Regierung endlih eine wahre Anfiht ber dortigen 
Verhältniffe verfhafft. Dies war eine Folge der Sendung 
des Marquis von Wellesley, Sir Arthurs Bruder, 
an bie Gentraljunta von Sevilla (Auguft i809). Die fehs 
lerhafte. Organifation berfelben, der engherzige, unficere, 
'mißtrauifhe, unpolitifhe Geift der meiften ihrer Mitglieder, 
war ben englifben Miniftern kein Geheimnig mehr. Der 
herrliche fpanifbe Volksgeiſt bedurfte nur einer Präftigen Leis 
tung, eined folgerehten, zufammenhängenden Syſtems. 
Der englifge Einfluß fiegte, wenigſtens was die Hauptſache 


Die Kunft des Krieges. 531 


betraf. Durch einen allgemeinen Aufruf vom 28. Detober 
ward die Verfammlung der Cortes auf den I. Jan. 1810 
feſtgeſezßt. 

(Der Beſchluß folgt.) 








m. 
Die Kunſt des Krieges. 





(Aus einer neuen kritiſhen Geſchichte der Kriege der franzoͤſiſchen 
Revolution, in militärifher Hinſicht bearbeitet vom Frepherru 
von Jomini, General: Lieutenant und General: Adiutanten 
St. Majeftät des Kaifers von Rußland.) 


cAls Probefädt und Ankündigung der in der 3. G. Eottarfyen 
Buchhandlung in Stuttgart auf Gufcription erfhheinenden Hebers 
fegung bes ebehigenanuten Werks. 





Erfies Bud. Einleitung. 


Dritter Abſchaitt. Allgemeine Gtundfäge der 
| Kriegskunſt. 

Es hat zu allen Zeiten allgemeine Grundſaͤtze gegeben, 
von welchen man bey Kriegs: Planen ausging, und auf welche 
man diefe Plane bezog, um ihren wahren Werth zu beur: 
theilen. 

Diefe Grundfäge find unabhängig von der Geftalt der 
Waffen, von Zeit und Ort; fie find unveränderlid;\ ihre 
Anwendung erheiſcht blos gewiffe Milderungen, die der Ge: 
nius nad Zeit und Ort beftimmt.- | | 

Seit dreißig Jahrhunderten hat eg Generale gegeben, 
welche die erfien Grundfäße der Kunft mit mehr oder weni: 
Her Gefhidt angewendet haben. Cyrus, Hannibal wa: 
ten große Feldherrn; Rom und Griechenland ſtellten mehrere 


332 Die Künft des Krieges. 

— — — — — — — — — — — — — 
auf. - Alerander manduvrirte oft mit Geſchicklichkeit. 
Cäfar führte, wie er, den Angriffe:Krieg und den großen 
Krieg; Tamerlan felbft, den wir fo wenig Pennen, bat _ 
Vorſchriften hinterlaffen, wo jede Seite Beweife von dene 
natuͤrlichen Talente: Männern zu befehlen, und von dem 
"Takte: fie glüdlich zu verwenden, liefert. *) Wollte mar 
den Urfahen der errungenen Siege nahfpüren, fo würde 
man mit Erfiaunen finden, daß die Schlahten von Wagram, 
Pharfalia und Sannd aus einer und derfelben Grundurfahe 
gewonnen wurben. 

Deßungeachtet fcheinen die meiften Schriftfteller, bie 
über die Kriegs:Kunft gefchrieben, ſich das Wort gegeben zu 
haben, in zufälligen Dingen ven Grund der Siege zu ſuchen, 
der allein in der richtigen Zeitung großer Unternehmungen, 
oder in der weifen Verwendung der Maffen am Tage der 
Schlacht lag. So entftand jene Menge von Werken, worin 
die Werfaffer unbedeutende Umftände nad ihren Anſichten ers 
klaͤrt, und hundert fich widerfprehende Syſteme geliefert ba= 
ben, von benen nothwendig neun und neunzig falſch ſeyn 
müffen, wenn eines darunter richtig if. Man ging endlich 
fo weit, in Werke über bie Kriegs-Kunſt Vorſchriften aufzu= 
nehmen über die Form ber Ladſtoͤcke und über die Art, wie 
die Offiziere ihre Degen tragen ſollen. 

Die Wirkung dieſer ermuͤdenden Abhandlungen war, vie⸗ 
len ſonſt ſchaͤtzbaren Kriegs-Maͤnnern bie Ueberzeugung beys 
zubringen, daß es gar feine Kriegs-Regeln gäbe; ein abge⸗ 

ſchmackter Irrthum, der feinen Bekennern Peine Ehre madt.*) 


*) Man fehe les Instituts de Timour, von Langles in'⸗ 
Franzoͤſiſche uͤberſetzt. 

2) Ich habe im Schloſſe von Auſterliz einen ziemlich berühmten 
General von einem Reiter:Gefehte fagen hören: „Id 
wuͤnſchte wohl, daß mir die berühmten Taktiker erflären moͤch⸗ 
ten, nach welcher Regel wir aus diefem Geſecht, mo die 


Die Kunft des Krieges. 333 





Freylich gibt es fein Kriegs-Syſtem, das ausfhließend gut 
wäre, weil jedes Syflem nur das Nefultat hypothetiſcher 
Berehnungen, ein Erzeugniß des menſchlichen Geiftes if, 
der , dem Jerthum unterworfen, oft mit Hüffe großer Phra- 
fen und hochklingender Kunſtworte den falſcheſten Ideen einen 
Anſtrich von Wahrheit gibt. Ganz anders verhält es fi 
aber mit Grundfägen;rfie find unveränderlich und unzer⸗ 
fiörbar. 


Die Säriftfieller, welche die Kriegs: MWiffenfhaft be: 
handeln wollten, hätten demnach beffer gethan, Grundfäße, 
auf welhe man alle Entwürfe hätte beziehen koͤnnen, flatt 
abgeſchmackter Syſteme aufzuſtellen, die fib untereinander . 
zerfiörten. Ihre Arbeit wäre frepfih etwas mühfamer- ge: 
wefen, aber fie hätte ein zuverläffigeres Nefultat dargeboten. 
Man würde nicht mehr fo viele Unglaubige finden, die das 
Dafeyn der Wiffenfbaft laͤugnen. Mack hätte nicht im 
Jahr 1793 gefrieben, daß bie langen Linien die flärfften 
feyen. Bülow hätte nicht behauptet, daß ein geſchlagenes 
Heer, um fih zu retten, ſich in fo viele Korps auflöfen folle, 
als es Straßen einfhlagen koͤnnte, follten jene auch nie fi 
wieder vereinigen koͤnnen. (Ercentrifhe Rüdzige) Man 
bätte eben fo wenig das Kordon-Syſtem eingeführt, wodurd 
ein Heer zerfplittert wird, um alle Wege zu bewaden, follte 
es auch aufgerieben werden, wie Zurenne das von Bour— 

- nonville im Elfag aufrieb. 





Schwadronen der benden Theile untereinander vermengt wa⸗ 
ten, berausgefommen find 7 Kreplich in einem ReiterzGe⸗ 
fehte, wo man ſchon zu nahe an einander gefommen ift, um 

manduvriren zw können, gilt keine andre Megel, als einzus- 
hauen. Aber was beweist dies? Mad war jener Angriff in 
dem großen Ganzen der Schlaht? Napoleon, der ihn ans 
ordnete, hat ihn auch erklärt: er war die Wirkung einer uns 
tergeordneten Maffe, welche den Feind In Schach hielt, waͤh⸗ 
rend der große Schlag anderswo hinfiel. 


334 Die Kunſt des Krieges. “ 





Friederich hatte weislich gefchrieben: „Das Talent 
eines großen Feldherrn beftehe darin, feinen Feind zu nöthie 
gen, ſich zu theilen;“ und funfzig Jahre nachher fanden 
mehrere Generale unfrer Tage es bemundernswürbig, ſich 
ſelbſt zu theilen, fo ſehr fie Fonnten. Eine ſolche Umkehrung 
aller Ideen konnte nur die Wirkung der Ungewißheit ſeyn, 
bie in ben perſoͤnlichen Meinungen; herrſchte. Kriegs-Maͤn⸗ 
ner würden nicht die gröbften Irrthuͤmer behauptet, und bie 
größten Wahrheiten der Kunft verkannt haben, wenn fie fi 
die Mühe gegeben hätten, flatt unhaltbarer Vorausfegungen 
unbeftreitbare Wahrheiten aufzuftellen, und flatt ungewiſſer 
Berehnungen einen für alle. verſchiednen Meinungen gemein: 
ſchaftlichen Mapftab zu liefern, 

Ich habe gewagt, dieſe ſchwierige Arbeit zu unternebs 
men, ohne vielleiht das Talent dazu zu befigen; aber es 
ſchien mir dringend, den Grund dazu zu legen, während bie 
Umftände eine günftige Gelegenheit dazu boten. 

Das einzige Mittel, zu meinem Zwed zu gelangen, 

war, zuerft bie Grundfäge aufzuftellen, und dann die Ans 
wendung und die Beweiſe in der Geſchichte von zwanzig be: 
rühmten Feldzügen zu geben. Diefe Gefhichte muffte noth— 
wendig eine flarfe und begründete Kritif jeder Unternehmung 
werden, die nicht nah den aufgeftellten Regeln ausgeführt 
worden war. Hätte ich loben können, was gegen dieſe Res 
geln verftiieß, fo würde ih mich an dem großen Zweck meiner 
Arbeit verfündigt haben; fo aber habe ich die perfänlichen Ei: 
genfhaften eines Generals und feinen Ruf nie beachtet, und 
mit Freymuͤthigkeit die Fehler aufgedeckt, die er begangen; 
ich. habe felbft feinen Augenblict Bedenken getragen, meine 

perfönliben Neigungen aufzuopfern. Nah einem folden 
Geſtaͤndniſſe wird man meine Bemerkungen weder perfänlis 
ber Feindſchaft noch der Eiferfuht zuſchreiben. Mur dad 
Intereſſe der Kunft wird mic leiten, 


Nachdem Id gezeigt, welche Hinderniffe ich au überwin: 


Die Kunſt des Krieges. | 335 








den habe, und wie fehr ih mic befireben wolle, unparteyifch 
zu fern, fchreite ih zur Prüfung der Grundfäge, nach wel- 
&en man die Kriegs: Gefbihte der feit 1792 abgelaufenen 
Zeitperiode beurtheilen kann. 


Der Hauptgrundfaß, dur deffen Anwendung alle mili: 
tärifhe Entwürfe gut, und durch deffen Außerachtlaſſung fie 
alle fehlerhaft find, ift folgender: Mit der größten 
Maffe feiner Kräfte einen vereinigten Angriff 
aufden entfheidenden Punkt zu unternehmen.. 

Man begreift leicht, daß eim geſchickter General mit 
fehbzigtaufend Dann hunderttaufend fblagen fann, nenn es 
ihm gelingt, fünfzigtaufend \gegen einen einzigen Xheil der 
feindliden Linie in Wirkung zu fegen. Die Uebermadt an 
Zahl ber nicht angegriffenen Truppen wird in einem folden 
Zall mehr ſchaͤblich als nuͤtzlich, weil fie nur die Unordnung 
vermehrt, wie dies die Schlacht von Leuthen bewiefen hat. 

Die Mittel, diefe Marime anzuwenden, find nicht fehr 
zahlreich; ich will verfuhen, fie anzugeben: 

1. Das erſte Mittel ift: die Initiative ber Be: 
wegungen zu ergreifen. Der General, dem e8 ge: 
lingt, dieſen Vortheil auf feine Seite zu bringen, bleibt im: 
mer Meifter feiner Kräfte, und Bann fie dahin werfen, wo 
fie ihm am nüglihen feinen; berjenige hingegen, der ben 
Zeind erwartet, bleibt nibt mehr Kerr irgend eines Ent, 
wurfs, weil er feine Bewegungen denen bes Gegners unter: 
ordnet, und nicht mehr Zeit findet, legtern Einhalt zu thun, 
fobald fie in voller Ausführung find. Der General, der bie 
Initiative ergreift, weiß, was er thun will; er verdeckt feinen 
Marſch, überrafht und erdrüdt einen Flügel, einen ſchwa— 
den Zheil. Derjenige, der erwartet, ift auf einem feiner 
Theile gefhlagen, ehe er nur vom Angriff unterrichtet ift. *) 


*) S. VI. Abſchnitt diefed Bandes. 


336 Die Kunft bes Krieges. 





2) Das zwepte Mittel ift: feine Bewegung ge 
gen denjenigen ſchwachen Theil zu leiten, der 
am meiften Vortheil werfpridt. Die Wahl dieſes 
Theile bangt von der Stellung bes Feindes ab. Der wich 
tigfie Angriffs-Punkt wird immer derjenige feyn, beffen Bes 
fegung die günftigften Weoſelfaͤlle und die groͤßten Reſultate 
verſchaffen kann. Dergleichen Punkte ſind jene, von denen 
aus man die Verbindung des Feindes mit feiner Operation: 
Bafıs unterbreben, oder ihn auf ein unüberfteiglihes Hin— 
bernig, wie zum Beyſpiel auf ein Meer, auf einen großen 
Fluß ohne Brüde, oder auf eine große neutrale Macht zus 
rückwerfen fann. *) 

Hat der Zeind eine doppelte und zerftüdelte 
Dverationlinie, **) fo muß man auf die Mittelpunfte 
die Hauptangriffe richten; indem man borthin die ftärffte 
Maffe wirft, erbrädt man die vereinzelten Abtheilungen, 
welche fie bewachen. Die abgeſchnittenen Korps zur Rechten 
und zur Linken Pönnen nicht mehr in Uebereinftimmung hans 
‚dein, und find zu jenen verderblichen ercentrifhen Rüdzügen 
genöthigt, derer ſchreckliche Wirkungen die Heere von Wurm⸗ 
fer, Mad und vom Herzog von Braunſchweig erfahren 
haben. Ben den einfaben Op erationlinien und bey 
den zufammenhängenden Schlahbtlinien hingegen 
find die Außerften Enden der Linie die ſowachen Punfte. In 
der That ift ed auch weit leichter, dag Centrum vom rechten 
und linken Flügel aus zugleich zu unterfiügen, als auf eines 
der angegriffenen Enden hinreichende Unterfiügung : Mittel 


f | i 
*) Man findet die Entwidlung im traite de grandes operatians 
militaires ou histoire critique des guerres de Frederic, von 
demielben Verfaſſer, worin man vorzüglich den XIV. und 
XXXI. Abſchnitt zu Mathe ziehen Tann, 


*“) S. XIV. Abſchnitt zwepter Theil deflelben traite und IV. 
Abſchnitt dieſes Bandes, 


Die Kımft des Krieges. 337 








von dem andern Flügel hinzubringen ; denn diefe Mittel find 
zu weit entfernt, und koͤnnen nur eines nach dem andern aus 
gewendet werben. 

Eine tiefe Kolonne, die an ihrer Spise sn 
wird, befindet fih in demfelben Fall, wie eine Linie, die es 
an einem ihrer Ende iſt. Die eine, wie bie andere, werben . 
nah uud nah zum Gefechte gendthigt und geſchlagen, wie 
dieſes die Niederlagen von Roßbach und Auerftädt bemiefen 
haben. Es ift indeffen leichter, neue Anordnungen mit ei— 
ner tiefen Kolonne zu treffen, ald mit einer Schladtlinie, 
die auf einem ihrer Enden angegriffen ift. 

Wenn man eine allgemeine ftrategifhe Bewegung gegen 
das Ende der feindliben Operationlinie ausführt, fo ſetzt 
man nicht nur eine Maffe gegen einen ſchwachen Theil in 
Wirkfamfeit, fondern man kann auch von diefem Ende aus 
dem Feinde leicht. in ben Rüden fommen, und feine Verbin: 
dungen durchbrechen, entweder jene, die er mit der Opera— 
tion-Bafis, oder jene, bie er mit ben zweyten Linien unters 
hält. So bat der Kaifer Napoleon, alderim 3. 1805 | 
Donauwörth und die Lechlinie befegte, feine Maffe auf die 
Verbindung bes Generals Mad mit Wien und Böhmen 
vorgefhoben; Böhmen war bie eigentlihe Operation: Bafis 
des Generals, von mwelder er feine wichtigſte zweyte Linie, 
das ruſſiſche Heer, haͤtte an ſich ziehen koͤnnen. Dieſelbe 
Unternehmung ward im Jahr 1806 gegen den linken Fluͤgel 
ber Preußen über Saalfeld und Gera, im Jahr 1812 von 
dem rufjifhen Heer gegen Kaluga und Krasnoi, und im 
Jahr 1813 durh Böhmen gegen Dresden und Leipzig, oder 
gegen Napoleons rechten Fluͤgel, wiederboft. *) 





*) Man bat bemerkt, daß die Gentrallinien bey Dresden im 
Jahr 1813, und in der Champagne 1314, Napoleou nicht 
ger:ttet haben; ich werde aber dagegen erinnern, daf er ger 
zade diefem Spftem wenigftens die vorübergehenden Vortheile 


r 


338 | Die Kunft des Krieges. 








3. Das Refultat der vorhergehenden Wahrheiten be— 
weist, bag, wenn es gleich vortheilhaft if, dag 





in jenen bepden Feldzuͤgen zu verdanfen hatte. Die Urſache 
feiner Niederlagen lag in der Ungleichheit des Kampfes und 
der Aushülfmirtel, in der verihiednen Beſchaffenheit ieiner 
Truppen, und in dem Umfiand, dag Böhmen und Bayern 
hinter dem Ende feines rechten Flügeld, und, fo zu fagen, 
auf feiner DVerbindunglinte lagen. Uebrigens will ih noch 
hinzufügen, daß das Syſtem der Gentralmaflen bisher nur 
auf Heere von 150 oder höchitend 200,000 Mann angewendet 
wurde, indem, wie ich fchon im Bericht über den Feldzug von 
.3794 bemerkte, es überfläfjig wäre, eine größere Mafle Trups 
pen auf einer und derjelben Linie zufammenzudrängen, weil 
es fchon ſchwierig genug it, die genannte Zabl Truppen an 
einem Tage und auf demſelben Schlachtfeld zum Angriff 
zu bringen. 

Ich babe auch den EentralsOperationen micht ausſchließli⸗ 
chen Vorzug gegeben, indem ich oft die Unternehmungen ‚auf 
eined der Enden der feindlichen Linie ald mehr Vortheil ges 
während angepriefen babe. Uebrigens muß man eine Gentrals 
DOperationlinie, die mit einer und derfelben Fronte zwen feind: 
liben Heeren gegemüber fteht (wie 5. B. jene des Erzherzogs 
Carl gegen Moreau und Jourdan im Jahr 1796), 
nit mit einer Operationlinie verwechſeln, die auf allen Sei: 
ten vom Zeinde umgeben ift; letztere find weit weniger güns 
fig, und können felbit ſehr gefährlich werden, wenn bie 
feindlihen Maffen zahlreicher find. 

Um mid Furz zu faflen, will ic mit der Behauptung fclief- 
fen, daß eine große Maffe, umgeben von dem ganzen gegen 
biefelbe aufgeſtandnen Europa, zuſammengeſetzt aus den vers 
fhiedenartigften Theilen, ausgehungert dur felne eigne 
Größe und duch die Umgebung von feindlihen leichten Trup⸗ 
pen, wie man noch nie in folher Anzahl gefehen, — unmögs 
lich dem Schidial ausweiben konnte, das Napoleon 
Heer, ſchon blos in Kolge feiner Gentralftellung, in Sachſen 
getroffen hatte. ber eine Ausnahme hebt eine Megel oder 
eine allgemeine Marime nicht auf, und in allen gewöhnlichen 
Kriegen wird eine Macht, welche diefed Spftem befolgt, uns 


— 


Die Kunft des Krieges, 339 





eine Ende einer Linie anzugreifen, man fi 
Doc fehr hüten müffe, beude Enden zu gleider 
Zeit anzufallen, es fey denn, daß man eine 
entſchiedene Uebermacht auf feiner Seite habe. 
Ein Heer von 60,000 Mann, weldes fi in in zwey Korps 
von 30,000 Mann fpaltet, um die beyden Enden eines an 
Zahl gleiben Heers anzugreifen, beraubt ſich felbft der Mit: 
tel, einen entſcheidenden Schlag zu thun, indem es unnüßers 
woeife die Zahl der Widerftands:- Mittel vermehrt, die der 
Zeind den beyden Abtheilungen entgegenifegen kann. Sa, 
wenn es eine zu ausgedehnte und auseinander geriffene Be— 
wegung macht, fo fett es fih der Gefahr aus, daß der Geg: 
ner feine Maffe auf einen Punkt zufammenzieht, und es 
dur das Gewicht feiner Uebermacht vernichtet, Angriffe mit 
einer größern Anzahl von Kolonnen find noch weit nachtheili⸗ 
ger, und dem großen Grundfaße der Kunft noch mehr zumis 
derlaufend , befonders wenn die Kolonnen nicht zu gleicher 
Zeit und niht auf demfelben Punkte angreifen Finnen. In 
Folge diefer Marime muß man vielmehr, wenn man wirklich 
Uebermacht hat, die beyden aͤußerſten Enden des Feindes ars 
greifen Taffen, man wird dadurd auf jedem der beyden Flü: 
gel eine größere Zahl Truppen in's Feuer bringen koͤnnen, 
als der Feind zu thun vermag; behält man hingegen den 
größten Theil feiner Uebermacht auf einem einzigen Punkt 
befäränft, fo ann der Gegner vielleicht eine gleibe Anzahl 
entfalten und in's Feuer bringen. Man muß in diefem Falle 
Eorge haben, die Hauptſchwere feiner Macht auf den Zlügef 


fehlbar ihren Feind beflegen, der einem entgegengeiehten 
folgt; vorausgeſetzt, daß die Mittel und folglich die Wahr: 
ſcheinlichleiten fuͤr beyde Theile gleich groß ſind. Ich beziehe 
mic in dieſer Hinſicht auf das Urtheil der beſten Offiziere von 
allen Heeren, und auf die Erfahrung der jchönften * 
Thaten der neuern Geſchichte. 


340 | Die Kuuſt des Krieges. 








hinzuwerfen, deſſen Angriff einen entſcheidendern Erfolg 
verſpricht, wie wir dies im Bericht über die Schlacht bey 
Hochkirch bewieſen haben. *) | 

4. Um eine verftärfte und vereinigte Wir: 
tung einer großen Maffe auf einen einzigen 
Punkt hervor zu bringen, ift ed mothwenbig, 
bey den firategifhen Anordnungen feine Macht 
auf einen beynah vieredigen Raum zufammen 
zu ziehen, um leihter über fie verfügen zu fön= 
nen. **) Die großen Zronten find den aͤchten Grundfägen 
eben fo zumwiderlaufend, als bie abgefhnittehen Linien, ale 
die großen Abtheilungen und die vereinzelten Divifionen, die 
außer Stand find, fi gegenfeitig zu unterftügen. J 

5. Die Schhlacht-Ordnungen oder vie fald⸗ 
lichſten Anordnungen, um Truppen fin bie 
Schlacht zu führen, muͤſſen den doppelten Zweck 
haben, ihnen Beweglichkeit und Feſtigkeit zu 
ertheilen. Es ſcheint mir, daß, um dieſe beyden Be— 
dingniſſe zu erfüllen, die Truppen, die fi vertheibigung: 
weife halten müffen, zum Theil entfaltet (deployes), zum 
Theil in Kolonnen aufmarfdirt ftehen koͤnnen, wie das ruf: 
fifde Heer in der Schlabt von Eylau; daß aber bie Korps, 
die zum Angriff eines entfcheidenden Punktes beftimmt find, 
aus zwey Linien. von Bataillonen beftchen muͤſſen, morin je: 
des Bataillon, ſtatt entibickelt zu feyn, Divifioumweife in Kor 
lonnen auf folgende Art aufgeftellt wäre! **#) 

*) ©. den oben angeführten traite XII. Abſchnitt. 


++) Man verfteht darunter nicht eine vollkommen vieredige 
Kolonne, fondern eine folde Unordnung der Bataillone in 
dem gegebnen Naume, daß fie mit gleiher Schnelligkeit von. 
jedem Punkte aus auf jenen fih hintragen koͤnnen, ber au: 
gegriffen worden ift. 
“+, Gine Divifion beiteht and zwey Pelotons; da num ein 
Bataillon aus ſechs Kompagnlen oder fehs Pelotonen bes 


Die Kunſt des Krieges. 341 





25 433 2 I Paratllon 








.,.——— — —— — BR — — 








u Lu — — — — — — 


—— — — —— — —— — — — 








— — — — —— — — — — — 


Dieſe Ordnung bietet unendlich mehr Feſtigkeit dar, als 
eine entfaltete Linie, deren Schranken die Staͤrke des Stoſ⸗ 
ſes, der. bey einem folben Angriff fo weſentlich iſt, nothwen⸗ 
dig ſchwaͤcht, und die Offiziere außer Stand fest, -ihre Trups 
pe vorwärtd zu bringen. Um indeffen ben Marfch zu erleihe 
tern, und eine zu große Tiefe der Maffe zu vermeiden, und 
um im Gegentheil die Fronte zu verlängern, ohne. deswegen 
ihrer Dichte zu fbaden, halt’ ih es für beffer, das Fußvolk 
nur in zwep Reihen aufzuftellen. Die Bataillone werden 
auf diefe Art beweglicher feyn, denn der Marſch der zweyten 
Reihe ift, gedrückt von der erſten und dritten, immer ermis 
dend, ſchwankend und folglih weniger lebhaft. Sie werden 
übrigens alle erforderlibe Stärke haben, weil die drey Divis 
fionen, zufammengerüdt (ployces), immer noch ſechs Reihen 
in der Tiefe darbieten werden, was mehr als hinreichend ift. 
Endlich wird die Fronte, um ein Drittel‘ verlängert, auch 
mehr Feuer geben können, wenn der Fall eintritt, davon Ges 
brauch zumachen; fie wird ferner dem Feinde mehr Furcht eins 
floͤßen, indem fie mehr Mannfchaft zeigt, und wird zugleich 
weniger von der Wirkung des Geſchuͤtzes zu befürchten haben. 

6. Auf einem wenig zugängliden Boden, 
wie 3. B. in Gärten, Weingärten, ‚eingefhloffenen Anhoͤ⸗ 
ben, muß die befenfive Syladt:Drdnung aus 
Bataillonen beftehen, bie in zwey Reiben ents 
faltet, und durch zahlreiche Pelotons von Plänts 


fteht, fo wird es drep Divifionen und folglich cp einien 


| 


% 


342 Die Kunft des Krieges, 








lern gededt find. ber die angreifende Truppe, fo wie 
die Neferve, werden am allerbeften in Kolonnen, die vom 
Gentrum aus angreifen, eingetheilt werden, wie wir im vor= 
hergehenden Paragraph angezeigt haben; denn da die Res 
ferve auf den Feind in dem entfheidenden Augenblicke losftärs 
‚zen fol, fo muß fie dies mit Stärke und Lebhaftigkeit thunz 
das ift, in Kolonnen. *) 

7. Das wirffamfte Mittel, ben angegebes 
nen allgemeinen Grundfag in Anwendung zu 
bringen, beftebt darin, den Feind zu verleiten, 
Sehler zu begehen, welde jenem Grundfage 
entgegen find. Man kann ihm mit einigen Beinen Korps 
leichter Truppen Beforgniffe für mehrere wichtige Punkte ſei⸗ 
ner Verbindungen erregen. Es ift wahrſcheinlich, dag er 
die Stärke diefer Korps nicht Fennen, ihnen zahlreide Divis- 
fionen entgegenftellen’ und feine Stärke vertheilen wird; bie 

Er 





*) Man hat gefagt, daß Lord Wellington feine Solacten 
faſt immer in entfalteter Ordnung (deploye) liefert; das 
kann wahr fepn in Bezug auf die Truppen, welche blos vers 
theidigungweiſe aufgeftellt find; aber aus feinen zum Angriff 
und zum Manduvriren beftimmten Slügeln muffte er, meiner 
Meinung nad, immer Kolonnen bilden, Im eritgegengefehs 
ten Fall hätten diejenigen große Schuld, die fich bey gleicher 
Macht durch ein ſolches Spftem fchlagen lieffen; denn ein Ges 
neral könnte nichts fehnlicher wuͤnſchen, als einen Gegner zu 
haben, der fi immer deffelben bediente. - 

Ich berufe mich noch eirimal in diejer Hinficht auf die Genes 
tale, weldhe die großen enropdifchen Kriege mitgemacht has 
ben. Wenn man übrigens eine Schlabt:Ordnung als bie 
vortbeilhaftefte aufftellt, fo will man damit nicht jagen, daß 
ber Sieg unmöglich wäte, wenn man fie nicht genan befolgte; 
Oertlichkeiten, allgemeine Urſachen, Uebermaht, Moralität, 
der Truppen und der Generate, find dabey in Anſchlag zu 
bringen. Um über eine allgemeine Marime abzufptecen, 
mug man annehmen, daß alle jene Bedingungen anf — 
Seiten gleich ſind. 


# 


Die Kunft des Krieges. 343 





leichten Truppen haben zu gleiber Zeit den weſentlichen 
Zwei, Erkundigungen einzuziehen (Eclairer l’armee). 

8. Wenn man die Initiative einer entfdheis 
benden Bewegung nimmt, fo ifi es hoͤchſt wid 
tig, über die Lage bes Feindes und über bie 
Bewegungen, bie er mahben Pönnte, genaue 
Kundfhaft einzuziehen. Das Spioniren ift ein fehr 
nügliches Mittel, auf das man nie zu viele Sorgfalt verwenz 
den kann; aber noch wefentlider ift es, ſich durch Partey⸗ 
gänger alle mögliche Aufklärung zu verſchaffen (de se faire 
bien Eclairer). Ein General muß nad allen Rihtungen hin 
Feine Abtheilungen ausfenden, und die Zahl derfelben eben fo 
forgfältig vervielfältigen, ald man bey. großen Upnternehmuns 
gen das entgegengefegte Syſtem befolgen muß. Man organis 
firt zu diefem Ende einige Abtheilungen leihter Reiterei, die 
nicht unter ben Maffen der Streitenden begriffen find. Ohne 
diefe Vorſicht zu Werke zu gehen, heißt im Finftern tappen, 
und fib den ungluͤcklichſten Ereigniffen ausfegen, bie eine 
geheime Bewegung bes Zeindes herbeyführen fann. Ich habe 
ſchon oben gefagt, daß diefe Partengänger den Feind zugleich 
auf feinen wichtigften Punkten beunruhigen und ‚veranlaffen 
innen, feine Stärke zu theilen. Aber gewöhnlich vernach⸗ 
laͤſſigt man dieſe Mittely man organifirt das Spionirung⸗ 
Spftem niht zum Voraus, und die Offiziere ber leichten 
Truppen bringen nicht immer die nöthige Erfahrung zu ihrem 
Geſchaͤfte mit *) | 





*) Die ungeheuern Bortheile, welche die Koſaken den ruffiihen 
Heeren verihafft haben, beweiien diefe im Jahr 1806 nieders 
geihriebene Wahrheit. Diefe leichten Truppen, in arofen 
Schlachten von fo unbedeutendem Gemicte, find fürchterlich 
bey Verfolgungen, und der gefäbrlichite Feind für alle Berech⸗ 
nungen eined Generals, weil er niemals des Eintreifeng und 
ber Ausführnng feiner Befeble fiber tft, und feine Zufuhren, 
fo wie alle feine Unternehmungen, immer ald gefährdet und 


⸗ 


344 | Die Kunft des Krieges. 








9. Um im Kriege entfheidende Unterneh: 
‚mungen auszuführen, ift es nicht genug, feine 
Maffen mit Gefhidlihfeit auf die widtigfien 
Punkte hinzuwerfen; man muß aud verfiehben, 
fie zum Angriff zu bringen. Gteht man auf jenen 
Punkten, und bleibt dafelbft in Unthätigkeit, fo ift der Grund» 
faß vergeffen. Der Zeind kann Gegenmanduvres machen; 
um ihm die Fähigkeit dazu zu rauben, muß man, fobald man ' 


- auf feinen Verbindungen oder auf einem feiner Enden ange 


langt ift, auf ihn losgehen, und ihn befämpfen. Dann hans 
delt es ſich vorzüglid um bie gleichzeitige Verwendung aller 
Kräfte. Nicht die Menge der gegenwärtigen 
Maſſen, fondern die Menge der handelnden 
‘ = Mafs 


ungemwiß anfeben muß. So lange die Heere nur einige Megis 
menter diejer Parteygänger hatten, fannte man nicht Ihren 
ganzen Werth; aber ald ihre Zahl auf 15 bis 20,000 gebracht 
wurde, lernte man ihre Wichtigkeit ſchaͤtzen, beſonders in 
Ländern, wo die Bevölferung ihnen nicht zuwider ift. a 


Für eine Zufuhr, die fie aufheben, muß man allen eine 
Begleitung mirgeben, und diefe muß zablreich ſeyn, foll fie 
anders Sicherheit gewähren. Nie ift man gewiß, einen ru⸗ 
bigen Mari zumachen, weil man nie weiß, wo die Feinde 
find. Diefe Frobnarbeiten befhäftigen eine ungeheure Trup⸗ 
penzabl, und die regelmäßige Meiterei ift bald durch Beihwers 
den, die über ihre Kräfte geben, erſchoͤpft. Die türkiiche 
Miliz fügt den ruififhen Heeren denfelben Nactheil zu, den 
die Kofaken den europdifhen Heeren verurfahen; die Zufuh⸗ 
ren find in Bulgarien nit ſicherer, als fie es in Spanien oder 
Polen waren. Uebrigens glaube ih, daß bey den andern 
Heeren einige taufend Hufaren oder frepwillige Lanzenreiter, 
unter der Anführung fühner DOberbäupter bin und ber fprens 

- gend, denjelben Dienft leiften würden; man muß fie aber ims 
mer als verlorne Kinder berrabten; denn follten fie ihre Ver⸗ 
haltung» Befehle vom Generalftab einholen, fo hörten fie auf, 
Partepgänger zu fepn, 


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Die Kunft des Krieges. 345. 





Maffen entfheider die Schlachten. *) Die erflern 
entfbeiden in den firategifhen Vorbereitung : Bewegungen, 
die legtern aber über den Ausgang der Schladt. . 

Um dieſes Refultat zu erhalten, muß ein. gefbidter 
General den Augenblid wahrnehmen, wo die entfheidende 
Stellung des Schlachtfeldes hinwegzunehmen ift; 'und er muß 
den Angriff fo berechnen, daß er alle feine Macht zugleich 
in's Feuer bringt, mit einziger Ausnahme der zur Reſerve 
beftimmten Truppen. | 

Wenn ein nach ſolchen Grundfägen: unternommener An: 
griff nicht gelingen follte, fo kaun man den Sieg von feinem 
andern Plan erwarten, und es bleibt fein andrer Entſchluß 
zu ergreifen übrig, als von diefer Referve, in Webereinftim: 
mung mit den ſchon fih fhlagenden Truppen, einen legten 
Angriff machen zu laffen. 

10. Wenn die Kunft bes Krieges darin be 
ſteht, einen uͤberlegenen Maſſen-Angriff auf 
den ſcwachen Theil eines Heeres hervorzubrin— 
gen, fo if auch die Nothwendigkeit klar, ein 
gefhlagenes Heer lebhaft zu verfolgen. **) 

Die Stärke eines Heers liegt in feiner Drganifation 
und in der Uebereinſtimmung, die aus der Verbindung aller 
Theile mit dem Mittel, ald dem Gentralpünfte, von dem 
alle Bewegungen ausgehen, entfpringen muß. Nach einer. 
Miederlage befteht diefe Uebereinftimmung nicht mehr; bie 
Eintradt zwiſchen bem Kopf, der entwirft, und den Glie— 
bern, welde ausführen follen, ift zerfiört, und alle Wechfels 
Beziehungen find aufgehoben. Das ganze Heer wird in eis 
nem folben Fall ein ſchwach er Theil; es verfolgen, heißt 
einem gewiffen Triumph entgegengehen. Welche Beweife 


*) S.XX VI. Abſchnitt im dritten Theil des angeführten Traite. 

*) S©.XX. Abſchnitt des dritten Theil des angeführten Traite 
und den X. Abſchnitt gegenmwärtiger kritiſcher Geſchichte. 

Europ. Annalen, otes Gtäd. 1815. 23 


* 


346 | Die Kunſt des Krieges. 





diefer Wahrheiten liefern nicht der Marfh nah Roveredo 
und nah den Shlünden der Brenta, um bie Niederlage 
Wurmfers zu vollender; der Marf von Ulm nab Wien, 
und jener von Jena nah Wittenberg, Cuͤſtrin und Stettin. *) 
Diefe Marime wird von mittelmäßigen Generalen oft vers 
nachlaͤſſigt. Es ſcheint, daß die Anftrengung ihres Talente 
und das Streben ihres Ehrgeijes nur dahin gehe, das 
Schlachtfeld zu behaupten. Ein folder Sieg ift im Grunde 
nichts anders, als eine nußlofe Drts : Veränderung der 
Truppen. ; 

11. Um einen überlegenen Anfall einer 


Maffſe entfbeidend zu maden, muß der Gene— 


ral auf die Moralität feines Heeres nicht wer 
niger Sorgfalt verwenden. Wozu müßte ed in der 
That, daB 50,000 Mann gegen 20,000 zur Sdclacht geführt 
würden, wenn fie nicht die nöthige Schwungfraft befizen , 
den Feind niederzumwerfen? Hier handelt es ſich nicht blos 
um den Soldaten, fondern eigentliher um jene, die ihn ans- 
führen-follen. Alle Soldaten find brav, wenn ihre Anführer 
ihnen das Beyfpiel eines edlen Werteiferd und einer fbönen 
Aufopferung geben. Es ift nit genug, daß der Soldat, 
aus Furcht vor einer fisengen Kriegszucht, im Feuer außs: 
daure; er muß fi im daffelbe aus Ehrgeiz ftärzen, um hinter 


feinen Offizieren an Ehre und Tapferkeit nicht zuräc zu blei— 


ben; vorzüglih muß ihn das Zutrauen' befeelen, das man 
ihm in die Weisheit feiner Anführer und in den Muth feis 
ner Waffengefährten einzuflößen gewufft hat, *#) 





2) Dieſer Abſchnitt wurde im Jahr 1806 geichrieben. Seitdem 
bat das ruflifche Heer oben ftehende Wahrheit. durch bie Thäs 
tigfeit und Ausdauer bewiefen, womit fie ihte Vortbeile am 
Ende von 1312 verfolgte. Kaiſer Alexander hat gleichfalls 
eine glänzende Anwendung von diefem Grundfage im Jahr 
1814 gemacht. | 

**) Dieje Megeln find natuͤrlich veränderlich nach den Charakteren 
ber Nationen, und die verihlebnen Arten, dad Ehrgefühl 


Die Kunft des Krieges. 347 





Ein General muß bey feinen Berechnun— 
gen auf die Anhänglibfeit feiner Lieutenante 
an den Ruhm der Rational: Waffen zählen Pin: 
nen. Er muß verfihert feyn, daß ein Präftiger Stoß al 
Ienthalben ftatthabe, wo er einen anordnet. Das erfte Mit: 
tel, zu diefem Zweck zu gelangen, befteht darin, daß er es 
verftehe, ſich lieben, achten, und fürdten zu machen; das 
zweyte Mitrel ift, daß man die Wahl und das Loos feiner - 
Lieutenante indie Hand-diefes Generals lege. Sind jene zu 
diefem Range blos nad dem Dienftalter vorgefchritten, fo 
kann man zum Voraus befiimmen, daß fie faft niemals bie 


aufzureizen, find nicht auf jedes Heer anwendbar, wie das 
öfterreihtihe Militaͤr-Journal über einen meiner Abſchnitte 
mit Grund bemerft bat. Deßungeachtet ift ed aber gewiß, daß 
die ftrenge Kriegszuht es nicht allein war, welde Su wa⸗ 
zoffe Legionen fo tapfer machte; denn er befaf das Talent, 
fie nad feiner Art zu eleftrijiren. Trotz dem Kritiker meines 
Abſchnitts glaube ich daher fett, daß Stotihläge nirgends 
eine gute Triebfeder find; ihre Wirfung kann zwar gemildert 
und gut gemacht werben; aber das ift ed nicht, was einen 
guten Soldaten machen wird, jo wenig als die vielleicht zu 
allgemeinen Deklamationen gegen diefe Strafe dies zu thun 
vermögen. Es gibt andre Mittel, die Moralitdt eines Hess 
red anzuregen, und ich will ein Bepfpiel davon anführen. In 
der Schlacht von Culm brachte ein Keldwaibel vom Negiment 
Devaur dem Zürften von Shwarzenberg eine Fahne, 
die er genommen, und erflärte dabey dem Marſchall die eins 
tretenden und audipringenden Winkel, die von einem Bad 
und dem Dorf gebilder wurden, welches vom Korps des Gras 
fen Colloredo war angegriffen worden. Cin Genie⸗Offi⸗ 
zier Hätte nicht beſſer geſprochen, und der Prinz felbit war 
Darüber erftaunt. Diefer tapfre Mann war feit neun Ichren 
Unteroffizier; man gab ihm zwey Dufaten, und madte ihm 
für feine Fahne und feine wahrhaft didaktiihe Erzählung auf 
die Ehrenmuͤnze Hoffnung; ... War er nicht fo gut, wie ein 
Andrer, im Stande, eine Kompagnie anzuführen? — 


| * Diie Kunſt des Krieges. 








Eigenſchaften beſitzen werben, bie zur Erfüllung ihrer wichti⸗ 
gen Verrichtungen erforderlich ſind. Dieſer Umſtand allein 
iſt hinreichend, um die beſtentworfenen Unternehmungen 
ſcheitern zu machen. | 





Man erfieht aus diefer flüchtigen Darftellung, daß bie 
" Kriegs: Wiffenfhaft aus drey allgemeinen zur 
fammenhängenden Sägen (Combinaisons) beſteht, 
von denen jeder nur eine Peine Zahl Unterabtheilungen oder 
Mechfelfälle der Ausführung zuläfft. Die einzigen Kriegs⸗ 
Unternehmungen, die man vollfommen nennen Pönnte, 
wären bie, welde die Anwendung jener drey Säge zugleich 
enthielten, weil fie eine beftändige Anwendung dee oben an⸗ 
gegebenen allgemeinen Grundſatzes wären. *) 

Der erfte biefer Säge ift die Kunft, die Dperas 
tlonzLinien auf die vortheilhaftefte Art zu um— 
faffen; man findet ihn entwicelt im XIV. Abfhnitt des 
zweyten Theile des Traite des grandes operations mili- 
taires, und im folgenden IV. Abſchnitt diefes Werks; das 





*) NationalsKriege, in denen man ein ganzes Volt befriegen 
und erobern will, machen allein eine Ausnahme von biefer 
Megel; in ſolchen Kriegen ift es fehr fchwer, das Land zu uns 
terwerfen, ohne ſich zu theilen; und wil man ſich zuſammen⸗ 
ziehen, um eine Schlacht zu liefern, fo läuft man Gefahr, die 
eroberten Provinzen zu verlieren. 


Das Mittel, diefen Nachtheilen auszumweichen, beſteht dar⸗ 
in, ein Heer, um das Feld zu behaupten, und unabhängige 
Divifionen zu:haben, um das Rand im Rüden zu organifiren. 
Diele Divifionen muͤſſen aber von erfahrnen Generalen geleis 
tet werden, welde zugleich gute, fefte und gerechte Staats: 
Verwalter find; denn ihre Arbeiten können eben fo fehr als 
die Macht der Waffen dazu beptragen, die Provinzen in Uns 
terwürfigfeit zu erhalten, 


Die Kunfl des Krieges. 349 








iſt es, was man gewöhnfih und uneigentlich feinen 
Feldzugs-Plan nennt. Ich begreife in der That nicht, 
was man unter biefer Benennung verfieht; denn es ift un: 
möglih, einen allgemeinen Plan für einen ganzen Feldzug 
zu entwerfen, deifen erfted Ereigniß das ganze Geräfte um: 
werfen Pann, und worin es unmöglich ift, über das zweyte 
hinaus ‚etwas vorzufehen. 

Der zweyte Sag ift die Kunft, feine Maffen 
fo ſchnell, wie möglih, auf dem entfheibenden 
Punkt der urſpruͤnglichen DOperationlinie oder 


der zufälligenkinie zu verfegen. Dasifies, wag 


man gemwöhnlih unter Strategie verfteht. Allein hie 
Strategie ift blos ein Mittel, um diefen zweyten Sag in 
Ausführung zu bringen. Man findet deffen Entwidlung in 
den oben angeführten Abſchnitten und im VI. Abfıhnitt die: 
fed Werks. 

Der dritte Sag iff die Kunft, eine gleidzei: 
tige Verwendung aller Glieder feiner größten 
Maffe gegen den widhtigfien Punkt eines 
Schlachtfeldes auszurechnen; das iſt eigentlih bie 
Kunſt der Gefechte, die mehrere Schriftſteller Schlach t⸗ 
ordmung genannt haben, und die Andere unter dem Namen 
Taktik begreifen. Da haben wir num die Kriegs:Wiffen: 
fhaft in wenig Worten. Die Bernahläffigung diefer went: 
gen Grundfäge war Urſache, daß die öfireihifhen Generale 
von 1793 bis 1800 und 1805 gefälagen worden find, und 
daß. die franzäfifhen Generale Belgien 1793, Deutfhland 
1796, und Italien und Schwaben 1799 verloren haben. 


Ich habe nicht nöthig zu bemerken, daß ich hier blog bie 
Grundfäge, die auf die Verwendung der Truppen Bezug ha: 
ben, oder den rein:militärifhen Theil, behandelt 
babe. Andre Grundfäge müffen unerläfflih vorausgehen, um 


# 


\ 


350 Die Kunſt des Krieges. 





den großen Krieg gut zu fuͤhren; allein ſie ſchlagen mehr in 
die Wiſſenſchaft eines Regenten als in die eines Generals ein. 

Um große Unternehmungen durchzuſetzen, iſt es nicht 
genug, den gegenſeitigen Stand der Heere zu berechnen; man 
muß auch den Stand der Aushuͤlfmittel in Erwaͤgung ziehen, 
welche zur Reſerve und zur Erſetzung des Verluſtes im Per— 
ſonale und Materiale des Heeres dienen muͤſſen. Man muß 
den innern Zuſtand der Nationen ſowol nach dem, was ſie 
ſchon fruͤher zu dulden hatten, als nach ihren Verhaͤltniſſen 
zu ihren Nachbarn zu ermeſſen im Stande ſeyn. Man muß 
ferner die Leidenſchaften der Voͤlker, gegen die man zu Felde 
liegt, ihre politiſche Verfaſſung und die Anhaͤnglichkeit, die 
ſie fuͤr dieſelbe haben, in die Wagſchale legen. Man muß 
die Lage der Provinzen, die Entfernung der Macht, die 
man angreifen will, wohl berechnen; denn die Nachtheile 
des Angreifers vermehren ſich in dem Maße, als feine Ope⸗ 
rationlinie an Länge zunimmt. Endlich muß man die Natur 
des Landes, wohin man den Krieg fpielen will, *) und die 
Seftigkeit ver Bündniffe, bie man für eine entfernte Unter: 
nehmung eingeht, richtig zu beurtheilen wiffen. 

Mit einem Wort: es ift nothwendig,. diefe Wiffenfbaft 
zu kennen, welche Politif, Staats: Verwaltung und Krieg 
zugleih umfafft, und deren Grundlagen Montesquieu 
in feinem Werke über die Größe der Roͤmer fo richtig ent: 
worfen hat. Es wäre fower, in ihr feftftehende Regeln 
oder felbft nur allgemeine Grundſaͤtze aufzuftellen, bie Ge: 
ſchichte ift die einzige Schule, aus der man einige gute Vor— 
ſchriften fhönfen kann, und felbjt da ift es nod ziemlich ſel— 
ten, auf Umftände zu ſtoßen, die ſich hinlaͤnglich genug glei= 
den, um eine gegenwärtige Unternehmung nad einer, die 

<<. } 


*) Aus diefem Grunde babe ich ſchon 1805 im IV. Abſchnitt V. 
Theils des Traite geichrieben, dah Napoleons Syſtem in 
Rußland oder Schweden nit ausführbar ſep. 


Die Kunft des Krieges. 551 


vor mehrern Jahrhunderten glücklich ausgeführt wurde, mit _ 
Grund einleiten zu dürfen. Die Leidenfhaften der Men: 
fben üben einen zu großen Einfluß auf die Ereigniffe aus, 
als daß nicht Einige da fheitern follten, wo Andre gefiegt 
haben. ar 

Napoleon befaß vielleicht diefe Wiſſenſchaft, aber 
feine Menſchen-Verachtung verleitete ihm, die. Anwendung 
derfelben zu vernacläfjigen. Nicht in der Untenntnig bes 
Schickſals, welbes Cambyſes und VBaruspfegiongg-be: 
troffen, nicht in Vergeffenheit der Niederlagerdeg Sraffus, 
des Unglüds des Kaiferse Julianus, oder des Erfolgs ber 
Kreuzzügelen lag die Urſache feiner Unfälle, fondern,ig; der 

Meinung, die ihn beherrfbte, daß frin Genius ihm yabere: 
chenbare Hälfquellen eröffnen fünne, und daß feine Feinde kei⸗ 

„se hätten. Er ſtuͤrzte vom Gipfel der Größe, weil er vergaß, 
dag die Macht und der Beift des Menſchen ihre Graͤnzen 
haͤtten, und daß, je größer die Maſſen wären, um fo gtoͤßer 
auch die Unterordnung des Genius unter die ewigen. Gefege 
der Natur und unter die Macht der Ereigniffe ſey. Diefe 
Mahrheit, die dur die Erfolge der Schlachten bey Katzbach, 
Dennewiß und Leinzig bewiefen wurde, koͤnnte fuͤr ſich allein 
den Gegenſtand eines anziehenden Studiums ausmachen. 

Es liegt nicht in meinem Plane, die wichtigen Vorſchrif⸗ 
ten Montesquieu's oder Machiavelli's über die,große 
Kunf: die Bewegungen der Reihe zu lenken, bier zu wies 
derholen; man wird jedoch im Laufe der Erzählung ‚jener be: 
rühmten Feldzüge einige Bemerkungen über die Veränberun: 
gen finden, welche die Revolution: Kriege in die Ideen über 
die Drganifation, die Entwiclung und Verwendung der Na: 
tionalfräfte und über deren wahrſcheinlichen Einfluß auf die 
Fünftigen Ummwälzungen des politifben Körvers hineinge⸗ 
bracht haben. Die Heere find heutzutage nicht mehr aus freys . 
willig gemworbenen Menſchen, die gleihfam den Ueberſchuß 
einer Nation bilden, zufammengefest; es find ganze Natio— 


2 


352 Die Kunſt des Krieges. 








nen, bie ein Gefeg zu den Waffen ruft, und bie fib nie 
mehr um eine Gränzberihtigung fhlagen, fondern gewiffer- 
maßen um ihr Dafeyn. 

Eine ſolche Ordnung der Dinge führt ung in's dritte unb 
vierte Jahrhundert zurück, wo ungeheure Wöltermaffen ge= 
r waltſam aufeinander ſtießen, um ſich in Europas Laͤnder zu 
theilen. Wenn nicht eine neue Geſetzgebung, ein neues 
Staatsrecht dieſen Erhebungen in Maſſe Schranken 
ſetzen, ſo iſt es nicht moͤglich, abzuſehen, wo dieſe Verwil= 
ſtungen ine ſtehen werden. Der Krieg wird mehr als je 
eine fürdterlihe Geiffel; denn die Bevoͤlkerung gebildeter 
Mattonenwird weggemäht, nicht um, wie im Mittelalter, 
wilden, zerftiörenden Völkern zu widerftehen, fondern ber 
traurlgen Aufrechthaltuns eines politiſchen Gleichgewichts we= 
gen, und 'um am Ende eines Jahrhunderts zu wiſſen, ob 
dieſe oder jene Provinz einen Praͤfekten aus Paris, aus Pe= 
tersburg oder aus Wien haben foll, der fie übrigens, mie 
gerihgen Abweichungen, nah benfelben Gefegen und Ges 
wohnheiten regieren würde. Es wäre wahrlih bald Zeit, 
daß die Kabinette auf großmüthigere Ideen zuruͤcktaͤmen, 
und daß von nun an kein Blut mehr floͤſſe als fuͤr die beyden 
großen Intereſſen der Welt. *) 

Wenn diefer wahrhaft europaͤiſche Wunſch ebenfalls im 
die Neihe der ſchoͤnen Träume über den ewigen Frieden vers 
wiefen werden foll, fo lafft ung die kleinlichen Leidenſchaften 
und Intereffen, welche aufgePlärte Nationen verleiten, grau— 
famer als die Barbaren fih untereinander zu erwürgen, be: 


25) gene, die willen möchten,’ was ich unter den deyden 
groffen Intereifen veritebe, find eingeladen, die Eins 
leitung in meine neue Geſchichte der Mevolution:Kriege zu 
leien. Es wäre zu lang, ſich bier in eine politiihe Grörtes 
zung dieſes Gegenftandes einzulaffen, und zu unbeideiden, 
fih auf eine bloße Anzeige ohme nähere Entwidlung zu bes 
ſchraͤnlen. | 


Ueber den Werth der Kolonien. . | 353 





—— — 


weinen, und jene Fortſchritte der Kuͤnſte und der Ausbildung 
verwuͤnſchen, welche aus der Diplomatik ein Labyrinth und 
eine Quelle zahlloſer Zerfleiſchungen des Menſchen-Geſchlechts 
gemacht haben, die jeden Tag die Jahrhunderte der UNE, 
Vandalen und Tartarn uns zuruͤckfuͤhren. 





IV. 
Ueber 


den Werth der Kolonien 


von 


J. C. 8. Simonde de Sismoundi— 


— — 


Grudſtuͤck aus deſſen Schrift: De l'intérét de la France à 
Vegard de la traite des Negres. Troisieme Edition. Geneve, 
Paris et London ı8ı4. 8.) . 


Jede Regierung, die, was fie vom Ausland wohlfeil 
kaufen Pann, in ihrem eignen Lande mit größern Koften felbft 
verfertigen läffe, wird fih durch Mißrehnung. betrogen fins 
den. Wenn die fhmwebdifhe Regierung die Einfuhr der fran: 
zöfifhen Weine verbieten, und zum Erfaß dafür in Dalecars 
lien zu Pflanzung von Weinreben große Treibhäufer anlegen 
würde, fo thäte fie ungefähr, was Frankreich durd fein Wer: 
botfoftem gethan hat. Mit Recht würde man fagen: das 
Land verliere an Genuß, indem die Schweden ſclechten flatt 
guten Mein trinfen müfften; es verliere an Einfünften, weil 
fie dasjenige theuer zu zahlen gezwungen würden, was fie 
wohlfeil erhalten koͤnnten; es verliere'an Kapitalien, die es 
feinen Eiſenbergwerken entziehe, um fie für ein laͤcherliches 
Unternehmen zu gebrauchen; es verliere endlich die Koften 
feiner Zreibhäufer, weil der Zeitpunkt eintreten müffe, wo 


354 VUeber den Werth der Kolonien. 











man, bee Zwanges müde, die fhwedifhen Häfen ben frans = 5 
zoͤſiſchen Weinen Öffnen wird, und wo alsdann alles auf den 
Bau der Treibhäufer verwandte Geld verloren if. Dies 
war die Geſchichte der franzsfifhen Regierung, als fie im 
Frankreich Zucker pflanzen wollte, ſtatt ihn aus den Tropen— 
ländern zu beziehen; dies wäre abermals ihre Geſchichte, 
wenn fie mit großem Koften:Aufwand die Kolonie von St. 
Domingo neu gründen wollte, um dafelbft theuren Zuder zu 
pflanzen, während fie ihn wohlfeil faufen kann. Es würde 
ſich dazu annod ber Nachtheil der Entfernung diefer großen 
Zuckermanufaktur vom eignen Staatsgebiete hinzugefellen „ 
wodurd in Kriegszeiten auch die gemachten Vorſchuͤſſe verlo⸗ 
ren gehen müfften. Die koftbaren Kolonien werden von eini— 
gen Staats:Männern für ein gutes Mittel angefehen, um in 
Friedengzeiten den Nebenbublern zu fhaden; aber es ift viel 
öfters der Fall, daß fie in — UM das Land ihrer Will: 
für preisgeben. 

Zur Zeit ber erſten Gruͤndung von St. Domingo waren 
keine Urſachen vorhanden, um derenwillen alle Erzeugniſſe 
der Antillen dort nicht eben ſo wohlfeil als in jeder andern 
Kolonie gewonnen werden konnten. Seither aber haben die 
Verhaͤltniſſe Europas zu den drey übrigen Welttheilen unge: 
heure Aenderungen erlitten. Der Handel, welder vormaig 
mit einer Eleinen Zahl Schiffe geführt ward, befhäftigt jetzt 
mehrere taufende; während er früher ausſchließliches Vor: 
recht der Handels: Gefellihaft war, ift er jegt frey geworben; 
die Amerikaner liefern Turopa den Weberfluß der drey andern 
Welttheile, und ber Zeitpunkt ift nicht mehr entfernt, wo 
Großbritanniens Unterthanen, die Judianer, hinwieder mit 
ihren Schiffen auf unfern Meeren erfcheinen und uns ihre 
Maaren felbft zuführen werden. 

Oſtindien wird in furzer Zeit den Antillen eine Kontur: 
renz darbieten, welche bdiefe nicht aushalten mögen. Die 
beyden Haupterzeugniffe.der Kolonien, Kaffe und Zuder, ge: 

* 


* 


Ueber den Werth der Kolonien. 355 


— 


hören dem merikaniſchen Meerbuſen keineswegs ausſchließlich 
an. Die Bohne Arabiens oder der Levante uͤbertrifft an 
Gehalt ven Kaffe aller franzöfifben Kolonien. Die Trans: 
porteoften und mehr noch das Monopol, aber feineswegs die 
Koften feines Anbaus, vertheuren uns folben. *). Allein 
freye Pflanzer werben ihn im Yemen ſtets wohlfeiler gewins 
nen, als fremde Sklaven auf Martinique und St. Domingo. 
Der Straub verlangt dort weniger Pflege, der Boden we: 
niger Arbeit und die Sonne wirft doppelt Präftig auf die dem 
gluͤcklichen Arabien urfprünglih angehörende Pflanze. Die 
Eiferſucht der Araber hält zwar noch faſt alle ihre Häfen den 
Europäern verfhloffen; aber aus Furcht, die englif&:oftindis 
fe Kompagnie zu beleidigen, werden fie allmählich den alten 
Gewohnheiten untreu. Nah Maßgabe, wie der Einfluß 
der Britten fi über den perfifhen und arabifhen Meerbuſen 
ausdehnt und ihre oftindifbe Schifffahrt lebhafter wird, 
‚muß zunehmende Nachfrage die Kaffenflanzungen befördern. 
Es läfft fih vorausfehen, daß die Verbindungen zwiſchen Oft: 
indien und England fih zu zehn Jahren ung wenigſtens ver: 
boppeln werden; der levantifhe Kaffe muß demnach in ftets 
größerer Menge nah Eurova eingeführt werden, und der 
Zeitounft wird vielleiht eintreffen, wo fein Üeberfluß der 
Pflanzung des Strauchs in denjenigen Ländern, wo die Ars 
beit durch Sklaven verrichtet wird, ein Ziel fegt. **) 





*) Das Mouopol der oftindiihen Gefellibaft vertheuerte die 
Fracht ihrer Waaren dermaßen, daß allge Vortbeil des ents 
dedten Weges um dad Worgebirg der guten Hoffnung dadurh 
verloren ginz. Der arabijhe, Kafe der Geiellihaft fam fo 
theuer zu fieben, wie jener, welcher den Landweg durch Egyp⸗ 
ten gemacht batte. Seit der oſtindiſche Handel allen Britten 
offen ſteht, hat die Schiffsfracht ſich unendlich verändert, und 
fie wird fih noch weiter ändern. 

*”) Et. Domingo lieferte im Jahr 1788 762,365 Centner Safer 
während nit mehr ald 130,000 bis 150,000 Gentner Kaffe 


356 Ueber ven Werth der Kolonien. 








Was den Anbau des Zuckerrohrs betrifft, fo darf nan 
fih davon eben fo wenig fünftighin die Vortheile weiter ver: 
ſprechen, die fein Monopol früher gewährte. Bekanntlich 
fingen die Schiffe der brittifch = aftindifhen Geſellſchaft vor 
länger denn fünfzehn Jahren ſchon an, ihre Ladungen mit 
Zucker zu vervollftändigen. Das Zuderrohr wird im ver 
fhiednen Bezirken Bengalens, im Reiche der Birmanen und 
in den mittäglihen Provinzen von China mit Vortheil ge— 
baut. Sein Ertrag wird in den Bezirken Peddapore, Ze— 
mindar, im Delta von Goldavery und an den Ufern bes Fluf: 
fes Elyferam zu 4650 Kilogramme auf den Morgen Landes 
berechnet; dies ift mehr als der Doppelertrag der Antillen, 
während der Taglohn des freyen Indianer nur etwa ben 

fünften Theil deffen beträgt, was ber Neger:SPlave koſtet. *) 


von Demen ausgeführt wurden; aber es bedarf überhaupt eis 
ned wenig beteächtlihen Landſtrichs zu Gewinnung bes ges 
fammten europäiiben Kaffebedarfs. Hr. von Humboldt 
berechnet ihn auf 53,000,000 Kilogramme, und ba ein Kafles 
ſtrauch in gutem Lande ein Kilogramm (zwen Pfund) Kaffe 
erträgt, und auf einen Morgen Landes 960 Pflanzen geredhs 
net werden, fo find 55,000 Morgen für jene Ernte hinrei— 
hend. Gleihmäfig verfibert Hr. von Humboldt, daß 
fieben Quadratmeilen fruchtbaren Tropenlandes für den ges 
‚fammten europätfhen Zuderbedarf hinreihen würden. Essai 
polit. sur la nouv. Espagne, liv. 4. chap. ı0. p. 199. 


*) Dem Taglöhner werden in Bengalen mebr nicht als ſechs 
Sols täglich bezahlt. Der Unterhalt des Negers fommt ge 
genmwärtig auf der Inſel Euba über zo Fr. zu ſtehen (Hum- 
boldt Essai polit. liv. 4. chap. ı0. p. ı85.). wozu Dann nod 
ber Sind des Anfanffapital® zu 5 vom 100 und eine Entſchaͤd⸗ 
niß für den abnehmenden Werth des Sklaven zu Io vom 100 
auf 2400 Fr. oder 360 Er. jährlich gerechnet werden müffen, 
fo daß der Yahrsfoften eines Sklaven auf 600 Fr. oder mehr 
als 40 Sole täslih, nach Abzug der Sonntage (Malouet, 
Rapports sur la Gniane. Tom. I, p. 79.) fommt, 


’ l 


Ueber den Werth der Kolonien. 357 








Aus diefer doppelten Verſchiedenheit erklärt es fih, daß der 

oftindifhe Pflanzer feinen Zuden zu 4% Rupien den Gentner 
ober zu 26 Gentimen das Kilogramm verkaufen kann, was 
ungefaͤhr den dritten Theil des Preiſes dieſer Waare auf den 
Maͤrkten von Havannah betraͤgt. Die Britten haben, aus 
Beſorgniß, der niedere Preis dieſes Erzeugniſſes moͤchte ihre 
Pflanzer in den Antillen zu Grund richten, die Einfuhr des 
oſtindiſchen Zuckers mit ſtarken Gebuͤhren belegt; ſie koͤnnen 
aber die Amerikaner nicht hindern, große und ſtets höher fteis 
gende Vorräthe davon einzuführen, die fi von dem Markte 
von Newyork über ganz Europa vertheilen werden. 

In der Nähe von St. Domingo fogar findet fi noch 
eine andre nicht minder furchtbare Konkurrenz, die den Korts 
fhritten diefer Kolonie Einhalt thun muß. Alle umliegenden 
Niederlaffungen haben aus dem Umglück deffelben verhältnißs 
mäßigen Vortheil gefhöpft und Zuwachs erhalten; fie haben 
im Welthandel die Luͤcke völlig erſetzt, weldhe aus der Sto⸗ 
fung ‚ber maͤchtigen Werkjiätte entftanden war. Die Eins 
führung des otaheitifhen Zuderrohrs, deffen Ertrag ungleich 
größer ift, als jener des gewöhnlihen, bat hinwieder bag 
Seine Zu Vermehrung der ganzen Zudermaffe beygetragen. 
Jamaika erträgt fo viel, ald Martinique und Guadeloupe zu: 
fammen; Cuba mehr als vormals St. Domingo; und das 
bolländifde Guinea überfteigt allein in feinem Ertrag alle 
übrigen Kolonien; die Konkurrenz diefer flachen Länder droht 
felbft dem brittifhen Infeln einen nicht allzufernen Unters 
gang. *) ‚Aber während diefe verfhiednen Kolonien durd 
Stlaven bearbeitet werden, fand der Anbau des Zuderrohre 
auch in Merito Eingang, wo er den Indianern und freyen 





*) Die jährlihe Zucker⸗Ausfuhr der Infel Cuba ift von 1798 
bis 1803 von viermalhunderttaufend Sentnern auf eine Million 
Gentner angeftiegen. So viel ertrug St. Domingo zur Zeit 
feines hoͤchſten Flots. (Humboldt liv. a. chap. 7. p. 53.) 


358 iR Ueber den Werth der Kolonien. 








Landbauern überlaffen iſt. Die Pflanzungen gedeihen hier 
in den terras calientes vortrefflich, und die Ausfuhr des 
‚merifanifhen Zuckers vermehrt fih mit jedem Jahr. *) 

Die fpanifhen Kolonien haben das Joh bed Mutter: 
landes auf immer von fib abgewälzt, und wenn beyde Voͤl⸗ 
fer jih wieder unter der gleihen Regierung vereinen, fo kann 
es nur gefhehen, infofern den amerifanifben Spaniern jene 
Handelsfrepheit eingeräumt wird, deren fie allzufange ent= 
behren mufften. Der Friede wird ihnen Freyheit des Ge— 
werbfleißes bringen und ihre Verbindung mit Europa herſtel⸗ 
len. Das portugieſiſche Reich in Braſilien muß gleicher 
Vortheile theilhaftig werden. Braſilien, Venezuela, Neu— 
Grenada, Mexiko, Peru, Guinea find alle gleichmaͤßig für 
den Anbau der Erzeugniffe geeignet, die bis dahin das Mo: 
nopol etliber im merifanifhen Meerbufen gelegener Eleiner 
Inſeln waren. Die Pflanzüngen der Indianer: und der 
freyen Landbauer gewinnen dafelbft im Ueberfluß Zuder, Ins 
digo, Cochenille, Baumwolle, und fie würden ebem fo gut 
noͤthigenfalls auch Kaffe liefern. Die Entfernung aller die: 
fer Provinzen von Europa ift nicht größer, als jene von St. 
Domingo; fobald ihre Befreyung vollendet ift, wird man fes 
ben, wie fie mit zahlreiben eignen Schiffen die See befah— 
ren, und ihre Landes:Erzeugniffe nah unfern Küften bringen 
werden. Afrika fogar fängt an, den Einfluß eines liberalen 
Handels: und Pflanzung: Syſtems zu vetſpuͤren; die — 


) Im Jahr 1782 war der merifanifche Zucker im Handel noch 
unbekannt; im Jahr 1802 wurden ans dem Hafen von Vera⸗ 
cruz allein beu 120,000 Gentner ausgeführt. Die vereinten 
Staaten bezieben au Zuder aus Manilla und die Zunahme 
dieſer Pflanzung gebt auf den Pbilippinen nicht langfamer 
vorwärts, ale in Amerika. Die Liſten aus Newvork enthal⸗ 
ten im Jahr 1800 216,452 Kilogramme Manilla:Zuder; im 
Jahr 1801 403,389; und im Jahr 1802 646,461. Humboldt 
liv. 4. chap. 10. p. — 


Ueber ben Werth der Kolonien. 359 





troviſchen Niederlaffungen von Gorea und Sierra Leone wers 
ben dem Welthandel nit fremd bleiben. Am mittelländifhen 
Meere beginnen die Barbaresten, deren Piratengewerb bey 
unfern fürdaurenden Kriegen -zum Theil zu Grunde ging, 
mehr, wie zuvor, fi den Landbau und Handel zu widnten; 
fie befirden unfre GSeehäfen auf eignen Schiffen, und —— 
uns ihre Waaren zu. 

Der Handel der Trovenländer fteht demnach auf dem 
Punkt einer'völligen Ummwälzung. Während feiner Kindheit 
konnte er ale Monopol gehandhabt werden, bag nicht den 
Nationen, aber den Pflanzern und begünftigten Kaufleuten 
Vortheil brabte. Dafür murfften die Kolonial: Produkte auf 
wenigen, unter no wenigere eiferfüchtige Mächte getheilten, 
Inſeln ausſchließlich erzeugt werden. Es war nicht ſchwer, 
den Handel zu beherrſchen, zu leiten und in dem engen Bette 
zu behalten, worin er allein ſich bewegen ſollte. Aber wenn 
einmal, wie der Fall bald eintreten wird, alles zwiſchen den 
Troven gelegene Land den europaͤiſchen Nationen gleichmaͤßig 
zugänglid ift; wenn bie erzeugenden und bhervorbringenden 
Länder, welche hundertznal größer und reiher find, als die 
verzehrenden, miteinander wetteifern, welches zu ben wohl: 
feilften Preifen verkaufen ann, dann wäre es wohl unge: 
reimt, zu glauben, es koͤnnte der Beſitz einer Infel oder ei: 
ner Provinz unter bem heißen Erdfirihe dem Mutterftaate 
Sääge bringen. Der Wetteifer, welder die Seele des 
Handels und der Schreden der Kaufleute ift, muß, fobald 
er einmal ftattfindet, den unmäßigen Gewinn bes Handels; 
ftandes eben fo unmöglich machen, als er den Vortheil der 
Sonfumenten befördert. Der Handel in den Tropenlänvdern 
muß bemjenigen in Europa ähnlih werden; es wird, dem 
Geift des Handels gemäß, jeder Theil ſich durch Eintaufhung 
feiner Bedürfniffe bereihern, und jedes Wolf wird ben dem 
Handel mit den übrigen feinen Vortheil finden, wie ber 
Schuſter und der Schneider bey dem gegenwärtigen Tauſch 


360° Ueber ben Werth ber Kolonien. 








ihrer Arbeiten Vorteil finden, wie Frantreih in feinent 
Handel mit Deutfbland, und umgekehrt, Deutfhland im 
Handel mit Franfreih Vortheil finder. Wenn diefe in den 
drey größten Welttheilen begonnene Umwälzung einigem. 
Kaufleuten und einigen Pflanzern, bie nicht länger eine uns 
billige Begünftigung geniegen, Nachtheil bringt, fo wird fie 
der großen Mehrzahl um fo vortheilhafter feyn, weil fie 
ganz Franfreih, ganz Deutfhland, ganz Italien und den 
übrigen europäifhen Ländern die lange verfchloffen gebliebene 
Verbindung mit dem glüdlihen Indien, deſſen Reibthümer 
fo mande unfrer Bebürfniffe befriedigen, und zugleib mit 
den neueh amerifanifhen Staaten Öffnet, denen bie Erzeugs 
niffe unſers Kunſtfleißes erwuͤnſcht find, und die ſolche reich- 
lich bezahlen Pönnen. 

'Diefe, zwar noch unvollendete, aber unfehlbar zu Stand 
fommende Ummälzung wird von den Pflanzern, welche St. 
Domingo herftellen wollen, weder vorgefehen no begriffen. 
Sie verlangen ihre Infel zurüd, wie fie vormals war, ale 
ob die Vergangenheit zurüczuführen in Jemands Gewalt 
fände. Sie glauben, weil St. Domingo vormals go bis 
100 Millionen an Frankreich ertrug, fo koͤnne feinem Zwei: 
fel unterliegen, daß diefer Ertrag auch jegt wieder moͤglich 
fey, *) und diefem eingebildeten Reichthum gemäß berechnen 


fie 
2) Im Jahr 1772 betrug nah Hrn. Malouet die Ausfuhr 


von St. Domingo, 
80,600,000 Pfund weißen Zuder zu 50 Fr. den 





Gentner 40,300,000 
28,800,000 Pf. roben Zuder zu 27 Fr. d. Cent. 7,776,000 
1,207,700 Pf. Indigo zu 10 Fr. 12,077,000 
1,507,000 Pf. Baummolle zu ııa Fr. d. Cent. 173,305 
12,000 Stuͤck Häute zu 6 $r. 72,000 
200,000 Piaſter zu 5 $r. 1,000,000 
40,000 Pf. Kalao zu 14 Fr. i 60,000 


61,458,305 


Ueber den Werth ber Kolonien. 361 





fie die Wichtigkeit der Infel und ihre eigne. Allein Alles hat 
ſich verändert, und ſelbſt auch ohne jene gewaltfame Umwaͤl⸗ 
zung, welche die Sklaverey vernichtete, und der Mehrzahl der 
weiſſen Einwohner den Untergaug brachte, haͤtte ſich dennoch 
Alles verändert. Es muſſte die Dauer des Monopols unvers 
meidlih in den Fortſchritten der europäifden Induſtrie der 
Zropenländer ihr Ziel finden. Diefes Ziel ift nahe gerüdt, 
und, um fünftighin aus den Kolonien Vortheil zu ziehen, 
bleibt anders nichts übrig, als fie-wie Freyhäfen zu betrach⸗ 
ten, die ben reichflen auswärtigen Handel weſentlich begünftiz 
gen Eöunen. Martinique, Guadeloupe, die Infel Bours 
bon werden-unter franzoͤſiſchen Gefesen dem Schickſal ber 
brittifhen Kolonien folgen; die fremde Konkurrenz wird all» 
jährlich den Gewiun ber Pflanzer ſchmaͤlern, und die Erfpass 
niffe des. Konfumenten erhoͤhen, bis der Landbau auf diefem 
Inſeln in dasjenige Verhaͤltniß zu ſtehen fommt, das ihm 
überall eigen ift, und: demzufolge. ein fehr ehrwürdiger, aber 
Fein gewinnreicher Beruf: ift. Te ver 


J 





„Der wahre Vortheil Frankreichs in Oinßdtt auf die ihm 
zuruͤckgeſtellten Kolonien muß ohne Zweifel darin geſucht wer⸗ 
den, daß die freygeworduen — * St. Domingo 





Gh weiß nicht, warum Hr. Relonet des — — 
nicht gedacht hat. 


Die Sflavenzahl, melde die Kolonie damals befaß, * 
ſich nicht hoͤher als auf 300:000 (zur Zeit ihres größten Flors 
ward die Bevölkerung von St. Domingo auf 40,090 Weiße 
und 450,000 Negerftlaven berechnet). Mit 45,000 Sklaven, 
die man allenfalls in drey Jahren dort wieder einführen möchs 

te, und deren Anfauf ein Kapital von 4,500,000 Louis dots 
erfordern würde‘, koͤnnte fie demnach bevläufig einen ſechſten 
Theil des obigen Ertrags und wegen der veränderten Preife 
einen Werth von fünfzehn bis zwanzig Millionen abwerfen. 


Europ. Annalen, gted Stud, 1815. 24 


362 Ueber deu Werth der Kolonien. 








durch einen ehrenvollen: Frieden, der ihnen die bürgerlicher 
Rechte gewährleiftet, und den alten Pflanzern einen Theil 
ihres Eigenthums zuräcftellt, zur Anerkennung ber Souve= 
tainetät der Krone bewogen werden. Mehreres Finnen die 
Pflanzer felbfi nicht verlangen; denn dasjenige ihnen zurück 
juftellen, was nirgends mehr vorhanden it, vermag feine 
menfhlihe Gewalt. Sie verlangen nicht den Grund und 
Boden ihrer ehemaligen Befißungen zurüd; der größere 
Theil des Landes auf St. Domingo ift noch unbebaut und 
ohne Eigenthuͤmer. Nah Verfluß etlicher Jahre einer das 
Erdreih erſchoͤpfenden Kultur fanden die Pflanzer felbji ihe 
ten Vortheil dabey, neues Land zırbar zu machen, und das 
alte zu verlaffen. Eben fo wenig fünnen fie die Gebäude, 
Merkftätten, Pflanzungen und Alles, was jeder Wohnung 
eigenthuͤmlichen Werth gab, wiederfinden; Alles diefes ift 
zerſtoͤrt, und müffte erft wieder neu hergeftellt werden. Auch 
ihre Neger ann man ihnen nicht zurückgeben; fie leben nicht 
mehr; das mittlere Alter der Sklaven in den Kolonien ward 
auf nicht mehr als zehn Jahre berechnet; jegt find ſchon zwan⸗ 
zig verfloffen, und Feine irdifhe Macht wird diejenigen un: 
terjochen, welche an die Stelle derer, bie nicht mehr vorhans 
den find, traten. 

Es erheifht Frankreichs Intereſſe hinwieder auch, ſeine 
“ Kolonien der Inſeln Martinique, Guadeloupe, Bourbon 
und Pondichery als, Freyhäfen dem. Welthandel zu öffnen, 
und darin einen Erfaß des unvermeidliben Verluſtes zu fu: 
hen, den bie Pflanzer burch die Einfuhr des Zuckers beyder 
Kontinente in Europa erleiden müffen; es gebietet endlich 
eben diefes Intereſſe, die Franzofen, nicht für den verhaff: 
ten Sklavenhandel, der ihre Kapitale erſchoͤpfen und bie 
Sterblichkeit ihrer Matrofen verdoppeln wärde, fondern zum 
großen Welthandel aufzufordern, zum Kandel mit allen Tro: 
penländern, mit allen freygewordenen ſpaniſchen und portus 
gieſiſchen Kolonien, mis den Mäcten Indiens, mit allen den 


u 


* 


Ueber den Werth der Kolonien. ' 363 








reihen Märkten, auf welden die Erzeugniffe des franzoͤſi⸗ 
ſchen Kunftfleiges vielfältig gefuht und gegen nit minder 
töftlihe und unfern Bedärfniffen entfprechende Erzeugniffe 
Finnen ausgetaufht werden. : Spanien oder England koͤnn⸗ 
ten das Monopoliften:Syftem vertheidigen, weil jenem bie 
Fortdauer bes Alleinbejiges von Amerifa, fo wie diefem ber: 
jenige von Indien fehr erwuͤnſcht feyn muͤſſte; Frankreich 
bingegen kann feine Hoffnungen nur auf-das Syftem ber 
Grepheit gründen. Der ausſchließliche Befig von brey oder 
vier Inſeln ift ein allzugeringfügiger Gegenſtand, wenn man 
ihn mit der Theilnahme am Handel der zwey größten Kontis 
nente vergleiht. Wenn die übrigen Mächte ihre Kräfte ans“ 
firengen, um die Franzofen von ganz Amerifa und ganz Ins 
dien auszuſchließen, To müffen diefe die ihrigen deſto mehr 
anftrengen, um fi den Zugang dorthin zu verfchaffen. Wolls 
ten fie umgekehrt das Monorol ihrer Pleinen Kolonien mit 
Starrfinn handhaben, fo würden fie wahrlih einem Einge: 
kerkerten gleichen, der, dur die Riegel feiner Wächter und 
Aufſeher von aller Welt abgefhnitten, fih auch inmwendig 
verriegeln, und alddann gläuben würde, bamit bie ganze 
Welt außer feinem Thurm eingefperrt zu haben. 





V. F 
Capitain Mathias Flinders. 
Ein 
merkwuͤrdiger Beytrag zur geheimen Geſchichte von 
Buonaparte's Herrſchaft. 


Capitain Flinders hatte ſich auf Befehl ber engli⸗ 
(dem Regierung in den Jahren 1801 — 1803 mit einer ges 


364 Capitain Mathias Flinders. 








nauen Unterfubung der Kuͤſtes von Neuholland befhäftige, 
und mehrere für die Schifffahrt fehr wichtige Entdeckungen 
gemacht. Er war im December 1803 auf der Ruͤckreiſe nach 
England begriffen, als fein Schiff einen ſtarken Let bekam. 
Dies nöthigte ihn, auf Jsle de France einzulaufen, 
und 309 ihm dafelbft eine viehjährige Gefangenfhaft zu. Fol— 
gendes ift feine eingne Erzählung bavon. *)ı Wir geben die⸗ 
felbe ohne alle Veränderung. 


Es war Donnerſtags am 15. December (1803) Mors 
gens um acht Uhr, als wir Isle de France in geringer Ent⸗ 
fernung vor uns ſahen. Ich beſchloß hierauf, laͤngs der Kuͤ— 
ſte hinzuſteuern, um von irgend einem Shiffe oder Fiſcher— 
‚ boote wegen des Einlaufens die nöthigen Erfundigungen ein= 
zuziehen. Allein es ward Mittag, ohne daß mir ein groͤße— 
res oder Bleineres Fahrzeug zu Gefi bt kam. Doc erblicten 
wir auf einer Anhöhe die franzoͤſiſche Flagge, und zogen da= 
her fofort die unfrige auf. Zu gleicher Zeit gab ih dag Zei— 
hen, daß ich eines Lootſen bedürftig fey. Bald befanden 
wir und nun einer Meinen Stadt gegenüber; fiehe da lief auf 
einmal ein Schooner dafelbft aus. Wir hielten auf ihn zu, um 
mit ihm zu ſprechen; er aber legte gegen das Ufer um, bis wir 
vorbey waren, und folgte ung dann. Als ih das fahe, ließ 
ih zum zweytenmal auf ihn zuhalten, er wendete fi jedoch 
abermals von uns ab, und fegelte in eine Fleine Bucht bin 
ein. Da hier: bereits einige Schiffe vor Anfer lagen, fo 
hielt ih feine Bewegung für ein Zeiden, ihm zu folgen, und 
that dies „wirklich, ohne das mindefte Mißtrauen. So ta: 
men wir auch glüdlih vor Anker, und zwar in ber foges 

*) A Voyage to Terra Australis undertaken for the purpose 
of completing the discovery of that vast country, and pro- 
secuted in the years ıBoı — ıBo3 etc. ‚by, Matthew Flin- 

ders. London 1614 2 Vol. — die obige Erzaͤhlung Bd. II. 

©. 353, ff˖ 


Sapitain Mathias Flinders. 365 


nannten Baye de Cap, wie ich nachher erfuhr. Der 
Schooner ankerte ebenfalls, jedoch in ziemlicher Entfernung 
von uns. 
Sein Anker war indeſſen kaum gefallen, als wir bie 
ganze Mannſchaft haftig das Boot ausfegen, und in größter 
Eile nad dem Ufer zurudern ſah. Sie nahmen fich nicht ein: 
mal die Zeit, ihre Segel einzureffen, fo daß ich ganz er: 
faunt darüber, war. Als fie das Ufer erreicht hatten, ſtie— 
gen fie-einen Hügel hinan, und fanden dafelbft einen Mann, 
der einen Zederhut trug, und ein Offizier zu feyn ſchien. Zu 
gleiher Zeit lieffen fihd mehrere Soldaten mit Slinten fehen. 
IH geftehe, daß mir num Alles verdächtig zu werden anfing. 
Der Krieg war entweder ſchon erklärt, oder doch fo gut wie, 
gewiß. Um nun wenigſiens dort Jemand an Bord zu be— 
kommen,/ hielt ich die Briefe für den Gouverneur, den Ge: 
neral Magallon, indie Höhe. : Allein da dies nichts hel— 
fen wollte, ſchickte ih endlich meinen Lieutenant fowol mit 
diefen Briefen als mit dem franzöfifhen Freypaß ans Land. 
Es dauerte nicht lange, fo kam er mit dem obigen Offizier, 
nebit noch zwey. andern Perfonen, zuruͤck, wo ich denn leider 
erfahren muſſte, daß der Krieg bereits ausgebrochen fen. 
Der Dffizier hieß Dumienville, und fprad ein we⸗ 
nig engliſch. Er fragte mich, ob ic der im Paß genannte 
Sapitain Flinders wäre, und verlangte zu gleicher Zeit 
mein Patent zu ſehen. Nachdem er es geleſen, bot er mir 
böflih feine Dienfte an, und (ud mich zum Mittagseffen ein. 
Ich lehnte dies Legtere ab, bat aber um einige Faͤſſer Waffer, 
und einen Lootſen nah Port:Louis, oder wie es damals ge: 
nannt ward, nah Port Nord:Duefl. Mr, Dunienpille 
verfprah mir, den Kootfen auf morgen zu fenden, und em: 
pfahl ſich. ber bald darauf ließ er unfre ledigen Waffers 
fäffer holen, und ſchickte uns. zu gleiher Zeit den Steuer: 
mann von dem franzöfifhen Schooner zu. Diefer follte ung 
vorläufig nur an eine fihere Stelle bringen, was au fehr 


— 


368 Capitaͤn Mathias Flinders. 





noͤthig war. Ich date indeſſen fehr ernſthaft über meine 
Lage nad. Mein Zreypaß von ber franzöfifhen Regierung 
- war beftimmt nur auf mein erfled Schiff the Inveftiga: 

tor eingefhräntt. Die Sache bubftäbli genommen, fan: 
den mir alfo viele Werdrießlihfeiten bevor. GSleichwol war 
mir der Gedanke an den mindeften Aufenthalt unerträglich. 
Ich fragte daher den Steuermann, ob dad Vorgebirg der gu— 
ten Hoffnung no in unſern Händen fey, feft entf&loffen, 
‚ duf jede Gefahr dahin zu gehen. Leider muffte ich aber er: 
fahren, daß es den Holländern wieder übergeben worden war, 

Mr. Dunienville modte ungefähr eine Stunde 
weggemefen feyn, als er zurüdfam. Er mar von einem an: 
dern Offizier von höherm Range, und einem Herrn begleitet, 
ber ziemlich gut engliſch ſprach. Der Stabs:Dffizier verlangte 
meine Wapiere auf eine fehr rohe Art, fah fie mit Hülfe des 
Dolmetfders durch, und bemerkte dann, daß der Freypaß 
nicht für mein jegiges Schiff, the Cumberland, fey. 
Ich erwiederte hierauf, daß ich den Inveftigator, feines 
ſchlechten Zuſtandes wegen, zu Port Jackſon gelaſſen haͤtte, 
daß ich jedoch glaubte, der Freybaß fen nad der Abſicht der 
franzöſiſchen Regierung allgemein. Seine Antwort war: 
meine Papiere muͤſſten dem Gouverneur zugeſendet werden; 
dann wuͤrde man weiter ſehen. Dagegen bemerkte ich, wie 
ich mich nicht davon trennen koͤnnte, bot aber Abſchriften an. 
Endlich ward feſtgeſetzt, daß ich ſelbſt, und zwar zu Lande, 
nad Port-kouis gehen ſollte, während man das Schiff gleich: 
falls durd einen Lootſen dahin bringen Tieß. 

Ih fuhr nun mit Mr. Dunienville an das Land, 
um die Nacht in feinem Haufe zuzubringen, und hörte jegt, 
daß General Magallon nun auf Bourbon, an feine 
Stelle aber General Decaen getommen fey. Als ic ins 
deffen am andern Morgen mit meinem freundliben Wirth 
aufbrechen wollte, zeigte fih eine neue Schwierigkeit. Er 
muffte noch einen befondern Befehl von feinem Dbern ab: 


Gapitain Mathias Flinders. 367 





warten, uud Ponnte ohne denfelben nicht das Mindefte thun. 
So verging ber. ganze Vormittag, und ich kehrte an Bord 
zuräd. Auch hier war noch kein Lootſe vorhanden, und 
überdem fehlte günftiger Wind. Mr. Dunienville ruhte 
daher nicht eher, als bis ich das Mittagemahl bey ihm ans 
nahm. Noch vor Ende deffelben erhielt er den Befehl, den 
Eumberland abſegeln zu laffen, und fo. famen wir endlich 
um fünf Uhr mit dem gewöhnlichen Laudwinde in See. Den 
andern Tag, Sonnabends den 17. December, ungefähr um 
diefelbe Zeit, ankerten wir zu Port:Lonis. 

Sofort wollte ih nun an’s Land, und zu dem General 
Decaen geben; allein Niemand durfte das Schiff verlaffen, 
bis der Gefundheit:Bericht abgeftatter worden war. Hiezu 
erſchien endlich dei.gemöhnlihe Beamte, und die Sache warb 
ohne große Weitläufigkeit abgethan. : Ich fuhr demnach an's 
Land, ſah mid nab einem Dollmetfber um, und ging mit 
diefem und einem Dffizier in’s Haus des Gouverneurs, Hier 
hörten wir aber von ‚einem Adjutanten, daß er noch beym 
Effen, und unter zwey Stunden nicht zu ſprechen ſey. Sp 
begaben wir und dann auf: einen fchattigen Platz, der eine 
Art Berfammlungort für die Offiziere zu:feyn ſchien. Mehs 
sere von diefen ſprachen englifh, und thaten manderley Fra⸗ 
gen an mid. 3.8. ob ih wirklich in diefem kleinen Schiffe 
von Botany:Bay gekommen fey? Db ich die Gorvette gefe: 
hen hätte, die zu meiner Beobahtung abgeſchickt worden ſey? 
Ob ih nie in der Nacht ein Boot. an’sd Land gefickt hätte? 
und dergleiben mehr. Andre erfundigten ſich nah Eapitän 
Baudin’B Betragen zu Port Jackſon, und dem Zuflande 
der dortigen Kolonie; noch Andre endlih fragten nad ber 
Reife eines Heren Flinedore, welches, wie ich erft fpäter 
erfuhr, mein eigner verftümmelter Name war. 

3m gehöriger Zeit begaben wir und nun wieber zu dem 
‚Gouverneur. Die Offiziere gingen zuerft hinauf, und lief: 
fen mich mit dem Dollmerfher unten an der Thür. Nach 


368 Eapitnin Mathias Flinders. 





erner * Stunde endlich rufte man uns Beyde hinauf. 
Als ich in das Zimmer trat/ ſah ich zwey: Dffiziere an einem 
Tiſche ſtehen. Der Eine'war ein trogiger bieder, der Andre 
ein frenhblicher wohlgewächfener Mann. Jener, der Gene: 
ral Diecaen ſelbſt, heftete die Augen: flarr auf mid, fors 
derte mir, ohne Weiteres, meine Papiere ab, "durchlief fie, 
und fragte mich darauf ſehr heftig, warum ich mit einem ganz 
andern: Schiffe ; als dem imi Paß benannten, nah Isle de 
France gekommen fey? Ich antwortete der Wahrheit ges 
maͤß, was bie Leſer' bereitswiffen;hierauf. verlangte er die 
deshalbigen ſchriftlichen Befehle zu fehen. — „Nach Isle 
de France zu ſegeln,“ — erwieberte ih — „‚hatte ich kei⸗— 
nen Befehl; wohl aber, mit diefem Schiffe nad England 
zuruͤckzugehen. : Die. Ausfertigung befindet fib an Bord.’ —- 
Sie hintergehen mich“ ——" fagte er in großer Bewegung — 
„Nimmermehr fender-der Gouverneur von Neu: Süd: Wallis 
den Anführer einer Entdeckungreiſe in einem fo kleinen Schiffe 
beim!’ — Hiermit gab’ erimir meine Papiere zurüd, "und 
ließ den Dollmerfher gehen; hielt mich felbfi aber beym Arm 
anf. »Wenig Minuten nachher trat fener mitzeinem Offizier 
herein. - Der General ertheilte diefem einige Befehle, und 
ſofort führte uns der Legtere zum Zimmer hinaus. - E86 
ſchien mir, daß’ ihm’ der General, in einem etwas fanftern 
Zone, noch etwas wegen nieiner Behandlung nacrief. 

Ich fah, dag wir den Weg nach dem Hafen einfchlugen, 
und fragte den Dollmetſcher, wohin man mich zu bringen ge: 
ſonnen fey. Er antwortete: an Bord, um alle meine Pa: 
piere und Bücher abzuholen. Wirklich geſchah das auch. Gie 
nahmen nicht nur alle Charten, Tagebuͤcher u. f. w. zu ſich, 
fondern aud alle Pakete und Briefe von Port Jackſon. Alles 
zufammen warb in ein großes Selleifen gethan, das ich verſie— 
geln muſſte, und ein Protokoll darüber aufgefegt. Letzte⸗ 
res ward mir zur Unterfhrift vorgelegt. Da aber im Ans 
fang etwas vorfam, was den Verdacht bes Generald De: 


Sapitain Mathias Flinders, 369 





eaen zu begründen. ſchien, fo verweigete ih es, bezeugte 
aber, daß wirklich an Charten, Büchern: u. ſ. w. Alles weg. 
genommen worden fen. Wie wir fo darüber: fpraben, ents 
fuhren mir natuͤrlich mehrere Klagen über General Decaen. 
Unter ander ſagte ich, er müffte fein Betragen gewaltig Ans 
dern, oder ib würde :mit feinem Fuß wieder zu ihm, noch 
überhaupt mehr an's Land gehen. Der Dollmetfber erwies 
derte hierauft er hoffte bob; denn es fey auf Befehl des Ge⸗ 
nerals bereits eine Wohnung für mich beforgt, und in der 
That, ih mäffte mit ihnen gehen. — „Wie?“ — rief 
ib im erften Ausbruch des Erftaunends und Unwillens — 
„Ich bin alfo ein Gefangener?“ — Sie bejahten es, ſetz⸗ 
ten jedoch hinzu, fie hofften nur für kurze Zeit, bis man mit 
der Unterfuchung. meiner Papiere fertig fey, Zu gleicher, 
Zeit kuͤndigten fie meinem Lieutenant, Mr. Alten, daffelbe 
Schickſal an. Während wir nun einige Kleider und Waͤſche 
zufammenpadten, wurde ber Schooner vollends in den Ha⸗ 
fen bugſirt. 
Es war ein Uhr nah Mitternacht, als ich mit — 
Begleitern wieder an's Land kam. Sie führten uns, Mer. 
Aken und mich, in ein großes Haus in der Mitte ber 
Stadt, im das für und beflimmte Zimmer, und verlieffen 
uns. Dies Zimmer enthielt nichts, als zwey ſchlechte Bet: 
ten, zwey gleihe Stühle und einen Meinen Tifb. Alles fah 
aͤrmlich und ſchmutzig aus. Mir glaubten im einem Gefäng: 
niffe zu feyn; vergittert indeffen waren die Fenfter nit. 
Doch lieffen wir Alles vor der Hand auf fi beruhen, und 
zogen uns aus. Vor der Thür hörten wir eine Schildwache 
gehen, fonft war Alles ſtill. Die Moffitos und andre In— 
fetten quälten uns fehr; nur gegen Tages-Anbruch ſchlum⸗ 
merten wir ein. Um fechs Uhr ward ich durch ein lautes Ge: 
räufh aufgewedt; es traten zwey Schildwachen in das Ge: 
mad. Der eine Grenadier zeigte auf und, fagte dem ans 
dern ein Paar Worte dabey, und entfernte ſich. Der andre 


370 Gapitain Mathias Flinders. 











blieb, und ging beftändig zwiſchen unfern Betten auf und ab. 
Ich dachte wieder einzuſchlafen, allein es war unmoͤglich. 
Daher ſtand ih auf, und weckte auch meinen Freund. Die 
Schildwache ließ uns ruhig ſprechen, und ſchien kein Wort zu 
verſtehen. Wir glaubten indeſſen noch immer in einem Ge⸗ 
faͤngniſſe zu ſeyn. Als wir aber zum Fenſter hinausſahen, 
fanden wir, daß es wirklich eine Ark Wirthöhaus, und zwar 
mit dem Namen Cafe Marengo, war. Um.adt Uhr 
bradte man uns ein Fruͤhſtuͤck, um zwölf. ein Mittageffen. 
Wir lieffen es ung trefflih ſchmecken; nad einer folden See: 
reiſe waren frifhes Fleiſch u. ſ. w. wahre .Lederbiffen für uns. 

Um ein Uhr erfhien ein Adjutant bes Generals, ber 
Dberftlieutenant Moniftrol. Er bat mid, ihm zu-jenem 
zu folgen, und führte mich in eine Schreibfiube, wo fi ein 
Setretär befand. Diefer, ein Deutſcher von Geburt, wie 
er-fagte, fora etwas englifh, und that von einem Papier 
folgende Fragen an mid. — „Wie ich mit diefem Schiffe 
nah Isle de France komme, dba doch mein Paß für ben 
Inveftigator'ausgeftellt fey? — Wo die Dffiziere und 
Gelehrten geblieben wären, die ſich bey mir befunden hät: 
ten? — Db ih vor.meiner Ankunft von dem Ausbrud bes 
Kriegs Kenntniß gehabt hätte? — Warum ih die Still: 
ſtands; Flagge aufgezogen, und. im Gefiht der Inſel ein 
Schiff gejagt? — Warum, und mit weſſen Erlaubniß ich 
in Port Nord-Weſt eingelaufen?“ — Ich beantwortete 
diefe Fragen ganz der Wahrheit gemäß, worauf ih aud noch 
den Befehl des Gouverneurs von Neu-Suͤd⸗Wallis, in Be: 
treff des Cumberland (meines jegigen Schiffes) zu übergeben _ 
veranlafft ward., Alles zufammen wurde nun dem General 
Decaen binuntergetragen, von dem ih nun zu meiner grof- 
fen Ueberrafhung eine Einladung zum Mittageffen erhielt. 
36 war darüber fo erftaunt, daß es mir nur ein Scherz zu 
feyn ſchien, und ic entfhuldigte mich daher. Als man aber 
in.mi drang, erklärte ih ganz affen, daß dies in meiner 


* 

Cavitain Mathias Flinders. 371 
— — — — — — — 
jetzigen Lage, und bey der mir widerfahrnen Behandlung 
unmoͤglich ſey. Hätte ih aber meine Zreyheit wieder, und 
S. E. wollte mich dann einladen, fo würde ih mich daburdh 
geſchmeichelt finden, und es mit Vergnügen annehmen. — Ich 
muffte, und gewiß mit allem Recht, hier nichts als eine Falle ° 
fehen. Man dachte fo, am beften zu ergründen, ob ich wirt: 
lich englifher Schiffscapitain ſey. Wäre ich niedertraͤchtig 
genug gewefen, bie Einladung anzunehmen, nun fo fland 
ih offenbar als Betrüger da, denn nur ein folder fonnte das 
thun. Der General lieg mir antworten: er würde mich eins 
laden, wenn er mir die Freyheit wieder geben koͤnnte. Eine 
“ Antwort, die offenbar ironifh war. ' 

Jetzt verlangte man die Unterzeichnung des Protokolls 
von mir. Ich verweigerte jedoch biefefbe, weil ich die Spra«. 
de nit verfiand. Es warb daher eine Weberfegung davon 
gemaht. Weiter follte ih Auszüge aus meinem Schiffe: 
Sournale geben, um zu beweifen, warum id den Inveftis 
Hator verlaffen hätte, und nah Isle de France gekommen 
ſey, anftatt nad dem Worgebirg der guten Hoffnung zu ge: 
ben. Es hieß, der General müffte das Alles nah Fran: 
reich ſchicken, und’ zwar zu feiner Rechtfertigung wegen dem 
Einlaufen des Cumberland. Es war jet ſchon fieben Uhr 
Abends, und das vielftündige Sprechen hatte mich bey der 
druͤckenden Hitze fehr erſchoͤpft. Ich zeigte daher die nöthi: 
gen Stellen in meinem Journal an, und bat, daraus zu ent: 
nehmen, was nöthig fey. Zu gleiher Zeit machte ih Vor: 
ftellungen wegen der Schildwache in unferm Zimmer, und in 
Betreff der Rückkehr meines Lieutenante an Bord. Hierauf 
ließ mir aber der General antworten: zu neuen Maßregeln 
wäre es heute zu fpät; er würde mid aber morgen fehen. 
Zwiſchen aht und neun Uhr warb ich num in meine — 
zuruͤckgefuͤhrt. 

Am andern Morgen erſchien ein Offizier, und wies der 
Schildwache ihren Platz auf dem Vorſaal an. Nachmittags 


372 Sapitain Mathias: Flinders. « 





kam ber Dollmetſcher, Mr. Bonnefoy, und bradte die 
Nachricht, der Gouverneur koͤnne mich heute unmöglich fore= 
Gen, weil er zu fehr. beſchaͤftigt ſey. Mr. Akten, mein 
Lieutenant, erhielt Erlaubnig, fib auf. eine Stunde an Bord 
zu begeben, und brachte wenigftend meinen Zeitmeffer nebjt 
©ertanten und Horizonte mit. Den folgenden Tag, am 20. 
December, erhielt ih einen Befuh von meinem Steuermann. 
Er berichtete mir, daß die Matroſen vielen Unfug trieben, 
aus meiner Kajüte geiftige Getraͤnke naͤhmen, nad Belieben 
an's Land gingen und dergleihen mehr. Die franzoͤſiſche am 
Bord befindlihe Wache befümmre fih wenig oder gar nicht um 
fie. Um ein Uhr ward ich abermals zum Gouverneur ge- 
holt, aber bios in die Schreibftube geführt. Hier verlangte 
man eine Abfbrift von meinem Paß und meinem Patent. 
Ich ließ den Sekretär die erfte machen, beforgte die. zwente 
felbft, und verfah fie dann beyde mit meiner Unterfrift. 
Jetzt hörte ib, daß der Gouverneur abermals befbäftigt, 
und nicht im Stande, mich zu fprechen, fey. Ich beſchloß 
baber, ihm wenigſtens über das zu fehreiben, was mir das 
Rothwendigfte fhien. Dies war bie Ruͤckkehr meines Lieu— 
tenante an Bord, und die Kalfaterung des Schiffe. Abende 
fpät erhielt ih durch ‚den Dollmetfher die Nachricht, daß 
morgen Beſcheid erfolgen würde; unterbeffen fey der franzd: 
ſiſche Korporal für feine Naclaͤſſigkeit bereite beftraft, auch 
einer meiner Matrofen, ben man am Land gefunden, arretirt. - 

Am folgenden Morgen, 21. Dec., erfbien der Doll: 
metſcher wirklich mit einem Befehl des Gouverneurs, der 
aber fehr niederfhlagend für mih war. Demzufolge follten 
alle meine übrigen, noch an Bord befindlihen, Papiere weg: 
genonmen, die. Matrofen auf dag Gefängnißfhiff gebracht, 
über alles Vorhandene Verzeihniffe, gemacht, und alle Vor: - 
raͤthe unter Siegel gelegt werden : denn ich hatte, wie es im 
Eingang hieß. - offenbar die Meutralität verlegt. In Be: 
gleitung des Dollmetſchers befand fi der DOberftlieutenant 


Capitain Mathias Zlinders. 373 


— — 


Moniſtrol. Wir fuhren demnach an Bord, und das für 
mich fo traurige Gefbäft nahm feinen Anfang. Unfre Wäs 
fe und Kleider waren Alles, was man und lieg. Alles 
Uebrige, felbft gedruckte Bücher und alle Privatbriefe, nahm 
man zu fib. Der Dberfilieutenant entf&huldigte fi mit dem 
firengen Befehl des Gouverneurs. So kehrten wir endlid 
wieder an’d Land zurüd. Mit Schmerz fah ich mid jetzt in 
der Willfür eines Mannes, der mich offenbar um die Früchte 
meiner gefahrvollen Unternehmung zu bringen ſchien. Ich 
forieb ihm demnach einen langen Brief, ftellte ihm vor, was 
die Lefer bereits wiffen, und forderte nicht nur meine Frey⸗ 
beit, ſondern auch mein Schiff mit Mannſchaft und allem 
Zubehör zuruͤck. Drey Tage vergingen, ohne daß ih eine 
Antwort erhielt; indeffen ward mir auf mein Verlangen 
mein Bedienter gefandt. Meine Lage ward immer verbrießs ' 
fiber, denn die Hige nahm täglich zu. Sie ift überhaupt 
vom November bis April in Port:Lonis ganz unerträglich, 
da diefe Stadt in einem Keffel liegt, und gar keinen Sees 
wind hat. Nun denfe man fich vollends uns in unferm Ges 
färgnig ‚’ denn das war am Ende doch dad reife Wort. 
Scorbutiſch waren wir obendrein, ich litt fogar an Hautge⸗ 
ſchwuͤren der ſchlimmſten Art. 

Am vierten Tage noch immer Peine Antwort von dem 
Gouverneur: Ich ließ demnach einen zwenten Brief an ibn 
abgehen, worin ih um einen Wundarzt und um die Erlaub- 
niß, nah England ſchreiben zu dürfen, bat. Nachmittags 
erfbien ein Adjutant, und fagte mir im Mamen des Gene: 
rals, das Lestere flünde mir frey, doch müfften die Briefe 
offen fenn. Abends fam aub ein Wundarzt, der aber leider 
fein Engliſch ſprach, daher ich feine Vorſchrift nicht verfiand. 
Mir Hülfe des Dollmetſchers ward aber am andern Morgen 
diefent Mangel abgeholfen, und unfre Diät ganz ordentlich 
fefigefegt. Ich ſchrieb hierauf zum dritten Mal an den Gou⸗ 
verneur, und berief mich auf bie mir gebührende Gerewtig: 


« 





374 Eapitain Mathias Flinders. 
— — — 


keit. Hierauf / erhielt ih endlich Abende eine Antwort, bie 
ih mit Hülfe eines. Woͤrterbuchs, wenigſtens dem Sinn nach, 
entzifferte, der mich aber von neuem niederſchlug. General 
Decaen rechtfertigte naͤmlich fein Verfahren auf eine ſehr 
trockene Art, und verbat ſich in dieſer Sache allen weitern 
Briefwechſel mit mir. Ich ſah nun vollkommen, in welcher 
Lage ich mich befand, und beſchloß daher, mich zu beſchaͤfti— 
gen, fo gut ed möglih war. Zu diefem Ende verlangte ic, 
ohne meine Gefangenfhaft weiter zu berühren, meine ge= 
druckten Bücher, mein Privatpapier und einige umſtaͤndlich 
bezeichnete Charten und Journale zuruͤck. Zu gleicher Zeit 
bat ich um beſſere Behandlung meiner Matroſen, denen es 
auf dem Gefaͤngnißſchiffe ſehr uͤbel ging. Das Verlangte 
ward mir zugeſagt. Wirklich erſchien auch am folgenden Tage 
der Dollmetſcher mit dem Oberſtlieutenant, und hatte einen 
Träger mit dem Felleiſen bey ſich, worin ſich ein Theil mei⸗ 
ner gedruckten Bücher befand. Wir ſorachen lange über meis 
ne Angelegenheit; fie riethen mir zur Gedult. 

Sobald fie fortwaren, nahm ih mein Signalbuh her: 
aus, und zerriß ed. Jetzt athmete ih freyer, denn die Pri⸗ 
vatfignale befanden fi längfi im Meer. Hierauf fam der 
Wundarzt, und erflärte mir, daß ich Bewegung haben muͤſſe, 
fonft könne er nicht für meine Genefung ftehen. Mid deß⸗ 
halb an den Gouverneur zu wenden, wuͤrde vielleicht von Nu⸗ 
Gen ſeyn. Ich erwiederte (natuͤrlich immer mit Huͤlfe des 
Dollmetſchers), nie würde ih als eine Gnade erbitten, was 
mir ald Recht zuſtuͤnde; worauf er mir nicht ohne Antheil vers- 
ſprach, es felbft zu thun. Am 29. December Morgens warb 
ich wieder in das Secretariat gebrabt. Man öffnete mir die 
Felleiſen, die ich bezeichnet hatte, mit Bereitwilligkeit. Ich 
nahm alle meine Privatpapiere, die Tagebücher ber aftronos 
mifhen Beobadtungen u. f. w., die zwey Logbücher, und 
mehrere Charten heraus. Man verlangte einen Empfangs 
ſchein, doch ward Feine Verpflibtung zur Zurädgabe daben 





Sapitain Mathias Flinders. 375 








ausgedruͤckt. Das dritte Logbuch haͤtte ich, gewiſſer Urſachen 
wegen, ebenfalls gern gehabt, allein es hieß, es ſey in den 
Händen des Gouverneurs. Eben fo fehlten auch zwey Büch- 
fen mit Devefhen vom Port-Jackſon. Noch blieben mehrere 
Bühber und Papiere, verfhiedne Berihte aus Neu: Süd» 
Wallis, und eine Menge Privarbriefe aus diefer Kolonie züs 
ruͤck. Alles warb aber von Neuem verfiegelt, und mir nice 
das Mindefte davon verabfolgt. | 
Am 31. fendete ih, in Gemäßheit erhaltener Anweis 
fung, dem Plagmajor einen offenen Brief nah England. 
Derfelbe war an den Sekretär der Admiralität gerichtet, und 
‚enthielt einen Purzen Bericht über meine Reife und jegiges 
Verhaͤltniß. Zu gleiher Zeit hatte ih zwey Privatbriefe 
hinzugefügt. Am folgenden Tag, I. Ian. 1804, erhielt ich 
einen Empfangfbein darüber mit Anzeigung der beliebten Abs 
fendung. Indeſſen muß ich bemerken, daß fein einziger die- 
fer Briefe angefommen if. Eben fo wenig die Duplifate 
bavon. Ich arbeitete nun mit meinem Freunde an unfern 
Charten fort. Dabey ging mir aber natürlich das dritte Log⸗ 
buch nicht wenig ab. Ib ſchrieb deshalb an den General 
Decaen, und bemerkte bey diefer Gelegenheit, daß bis 
jest auch nur der kleinſte Theil der gedruckten Bücher in mei: 
nen Händen fey. Die andern Bücher erhielt ich zwey Tage 
darauf, von dem Logbuch aber ward nichts gefagt. Wir er: 
hielten jeßt noch ein Zimmer; aud wurden unfre Betten mit 
Muskitos⸗Netzen verfehen. Auf der andern Seite verdop— 
pelte fib wieder die Strenge gegen und. Kaum erlaubte man 
bem Dollmerfher oder dem Wundarzt einen Beſuch. Ich 
hatte ein wenig Franzöfifh gelernt, und fragte einmal den 
Meger, der ung bey Tifh aufmwarter:, nah dem Namen ei: 
mes Gerichts. Sogleih flürmte die Schildwache, die vor der 
offenen Thuͤr ſtand, in’s Zimmer, trieb den armen Men: 
fden hinaus, und erklärte ung, wir dürften mit Niemand 
fpreden, dies fep Befehl. Vorher hatten wir Beſuche von 


\ 


‚376 Gapitain Mathias Flinders. 








einem Holländer, einem Schweizer, zwey Norwegern und 
zwey Amerifanern gehabt, Keiner Fam jegt zum Zweytenmal 
wieder; der Schweizer ausgenommen, der immer Gelegen⸗ 
beit fand, ahrſcheinlich hatte er weniger zu verlieren, als 
die andern, die der Gouverneur fehr genau beobadten ließ. 
Bon nun an lieffen die Schildwachen felbft ven Wundarzt und 
den Dollmetſcher nicht ohne friftlihe Befehle zu. Alle Vers 
wendungen des Wundarztes, mir freyen Ausgang in bie "Bes 
gend zu verſchaffen, blieben fruchtlos. 
| Unfer Aufwand in dem Wirthshaus warb aus a Res 
gierungkaſſe bezahlt. Da wir indeffen einen Theil unfrer Waͤ⸗ 
ſche u. ſ. w. verloren, auh Manches davon an unfere nod ber 
Sürftigere Kameraden verfhentt hatten, fo fehlte es und am 
Mancherley. Unfer Geld war jegt alle; Wechfel anzubringen; 
war ung bey dieſer gänzlihen Eingefhloffenheit um fo weniger 
moͤglich, da der Dollmetſcher fib nit darauf einlaffen wollte, 
und der Wundarzt Fein Englifh forab. Eines Morgens in- 
deſſen verſtand ſich der Erfte endlich doch no dazu. Ich gab 
ihm daher einen Wechſel auf das Schiffs-Zahlamt. Allein 
kaum fah die Schildwache, daß er ein Papier annahm, fo 
machte fie Lärm, und er ward fofort arretirt, Es zeigte fi 
jedoch, daß er Erlaubniß dazu gehabt. hatte, und fo hieß 
man ihn endlih gehen. Gegen Abend brachte er mir dem 
sollen Betrag, und das zu einer Zeit, wo man Papiere. auf 
England nur mit einem Verluſt von 30 vom Hundert anzu: 
bringen im Stande war. Der Ritter Pelgrom, öfterreis 
chiſcher und dänifher Konful allyier, that dies aus Antheil 
für mid. Er lieg mir noch fagen, er hätte gern feine Dienfte 
früher angeboten, aber das Mißtrauen des Gouvernenrs ſey 
gar zu groß. ‚Mein Bedienter durfte ausgeben; ich erfuhr, 
daß die Behandlung meiner Matroſen beſſer ſey. Jede Wo: 
he ſchickte ih ihnen nun Fruͤchte und — an Bord des 
Gefangenſchiffs. 

(Der Beſchluß folgt) 





(hen Shurfärften und Fürften als Stanbesherren uns 
tergeordneten vormaligen regierenden reichsſtaͤndiſchen 
Fürften und Grafen, betreffend ihre Wiedereinjegung in 
die ihnen entzogenen Nechte, und ihre Zuziehung zu der 
Berathſchlagung über die künftige deutfhe Bundesverfai- 
fung, datirt Wien den 30. San. 1815. ©. 181 
58. Erinnerung-Note und vorläufige Erklärung der Be; 
vollmäctigten der 32 vereinigten nnabhängigen 
deutfhen FZürften und freven Städte, an die fais 
ferl. öfterreihbifhben und fünigl. preußiſchen eriten 
Bevollmächtigten, die Herren FKürften yon Metternid 
und v. Hardenberg, datirt Wien den 2. Febr. 1815. ©. 184 
z9. MittbeilungsMote ber Bevollmädtigten der 32 
vereinigten unabhängigen deutſchen Fürften 
und freven Städte, an den fönigl. grofibritanniichs 
bannöverifcben erften Bevollmädtigten, Hrn. Grafen 
v. Münfter, datirt Wien den 2. Febr. 1815. : 
6o. Antwort des koͤnigl. großbritannifh « banndveris 
{hen erften Bevollmächtigten, Hrn Grafen von Müns 
fer, auf vorftehende Mitrheilung: Note, datirt Wien 
den 7. Febr. 1815. ©. 
61. Mote der fönigl. preußiſchen Bevollmädhtigten an 
den faiferl. öfterreibifchen erſten Bevollmächtigten, 
Hrn. Kürten von Metternicd, betreffend eine Ginlas 
dung an die 32 vereinigten deutfchen unabhängigen Fürfien 
und freuen Städte, den Gonferenzen über die deutſchen 
Angelegenheiten durch eine Deputation beyzumohnen, das 
tirt Wien den 4. Febr. 1815. ©. 
62. Antwort des faiferl. öfterreihifhen eriten Bes 
vollmädtigten, Hrn. Fürften v. Metternich, auf vors 
ftebende Note der fönigl. preußifhen Bevollmaͤchtig⸗ 
ten, datirt Wien den 9. Febr. 1815. . ©. 190 
63. -Königl. Bair. Patent, die Befigergreifung des Groß: 
herzogthums Würzburg betreffend. . 19 
64, Großherzog. Würzburg. Regierung; AbtrittesPatent. ©. 192 





Stuttgart und Tübingen: in der 3, ©. Eottarfhen Buchhand⸗ 
lung if erfchienen: 


Morgenblatt 
für gebildete Stände 1815. Jult. 


Inhalt. 
Der Kuckuck. Von W. — Reiſe von Rom nach Aırfterdbam. 2. — 
18 Ritter D. eine reiche Kantippe heirathete. Won Hg. — Das 


Röshen und der Weißeohl. Bon Hg. — Literarifche Notizen aus 
Hamburg, (Fortf.) — Hypotheſe über eire Hypotheſe. — An das 
deutfde Vaterland, Bon Dr. Ernfi Raupach. — Die Gliege 
und Hans Semitor, Bon Hg. — Fleiß und Begeifterung. Bon 
ER Wob. — Gnome. Bon Hg — Brunere Schuh⸗ Mas 
nufaetur in London, — Sedenkbuch. Bon Weiffer. Yuf gewiffe 
Striftfieller. Stolz und Eitelkeit. Weibliche Heirathöslirfache, Adam 
imb-feine Göhne. Todesurſache. Das Gluͤck. Die after. Betragen 
gegen die Böfen. Die Welt uud die Wellen, Schulen und Gecten 
Die Narren, Die Stürme. Gäurten:Grabfhrift, Der Wittwer, 
‚Beratung, Verſtand. Geift ber Zeit. Der Mann an feine Gewitter 
fürdtende Frau. Weltverachtung. Jugend und Alter, Der eitle 


Poet. An einen dunkeln Mober-Scribenten. Bie Rangeweile. Wer» 
kehrtheit des Geizes. Armuth. Die Extreme, VBernedter Eigennnpy. 
Schulregel. Würdigung der Abſicht. An Keidende, Die ſchoͤne Schrift⸗ 
fteerinn. Weiberfeinde. Mat der Schönbeit. Begierde nah Kos. 
Gegen die Schwaͤtzer. Seliaſprechung. Gefahr der Tugend. Das 
Rob. Die Unglücklichen. Selbibefenntnifje. Männlige Tugend, Bes 
trug der Welt. Der Menſch mach Leibnig. Satans Urtheil über weibs 
liches Buͤcherſchreiben. Zur Schnitte der Kartoffeln, Lernen aus 
Bütern, Empfindlichkeit gegen Beleidigungen, Hochzeiten. Das 
Neue. Der Plager zum Geplagten. Ein Wort von Luther. Die unges 
taunte Braut. Die Trappiiten. Die propbezeyte Suͤndfluth. Stadt⸗ 
und Kirchen -Begräbnip. Der Frever eines armen Maͤdcheus. Steb⸗ 
len und Handeln. Heldenfardt. Der Leſer ohne Auswahl. Spielfucht. 
Daß Jeren. Vielwiſſer. Chriſten und Peine. Die Tief@unigen. Ju⸗ 
gend und Alter, Mittel gegen den Selbſtmord. Veraltete Schriften. 
Umgäng mit Menſchen. Weiberhaß. Große Beifter. Talente. — 
Roms alte und neue Ruinen, — Die Erfindung des Porzeland. Bon 
J. K. Hd. — Gäugers Abſchied an Kaifer Franz zu Speier, 
defjen letztem Feld-⸗Hoflager in deutſcher Bränze Bon Alb. Fries 
derich. — VolkeLied. Won E. Grab. — Dis Belagerung von 
Berwick im Jahr 1319. Nach Robert Kerr. — Ueber Handlung 
und Erzählung im Trauerfpiel. (Von A. Mällner.) — Oscar. Ers 
ftes bis fechetes KR ıritel. Bon Gubitz. — Un Gelmar, Bon G. — 
Bericht des Profeifors Sementiut in Neapel, über den am 14. 
Märı ı8ı3 in der Stadt Berace in Calabrien gefallnen, mit einem 
rotben Gtaube vermengten Regen. — Driginaler altdeutſcher Liebes⸗ 
brief, — Lehre, Bon Hg. — Auf den Tod bed Herzogs von 
Braunfhweig. amıo. Juni 1815. Bon Alove Schreiber. — 
Facs ſimile einer Gotbifben Urkunde. Bon B. J. Docen. — Yes 
flexienen. Bon Prof. Keyſer. — Auf Klopftods Grabe, bey 
der SIerft-Hung feines Denkmals auf dem Kirchhoſe von Ditenfen, au 
feinem Geburtstage, den 2. July 1815 geſprochen von Dr. Mever. — 
An Klopſtock. Bon G. — Verſchwiegene Liebe. — Die Lazza⸗ 
ronui. — An ©. im März 1815. Vor S. — Die Geſchichte des 
Sklavenhandels. — Nachleſe. — An Se. Königl. Hoheit, den 
Krouprinzen von Baiern. Mannheim, den 5ten Janius 1815. Bon 
A. Sevfried, — Die Bibelgeſellſhaften. — Das Laͤmmchen und 
der Löwe. Bon Hy. — Bruchftäde zu Kaiſers Joſeph II. Les 
bensbeſchreibung. — Dbe. Hermanu's Traum, Bon Viſcher. — 
Siegestied. Bon 3. u. Hinsberg. — Giübmeichelruf eined gries 
chiſchen Dichters. Bon Hg. — Snomen. Bon Ebd, — Schweizer 
Anetboten. — Bellerophon. ı. 2. Bon G. — Das Alle’ fie 
Zaubftummens Juſtitut zu Gmänd, Bon J. K. Hoͤck. — Die ſchoͤne 
Beterinn. Von Hg. — Un Chrounos. Frey, nach Peter Pindar. 
Won Eod, — Prato della Valle, oder ber Gäulenplag zu Pabua. — 
Bonaparte’s und Königs Ludwig XVII. Racktehr. Von 
Depyping — Keine Bebichte, 1. Bon. G. 2, Boa Am, Giäds 
licher Erfolg. Bon G. — Die Feder unter ben Schwertern. Bon 
Weiffer. — Die Antilopens Jagd zu Buzarate, — Ferner: Kor 
reſpondenz⸗Nachrichten aus Berlin, Bern, Heidelberg, Kopenhagen, 
Leipzig, London, Magdeburg, Mannheim, Diinden, Penb, Per 
tersburg, Prag, aus der Schweis, Wien. — Charaden, Kogoyrys 
pben und Raͤthſel nebſt deren Aufldfung. 


— — — 


Eurppaifhe Annalen 
—Jahrgang 18135 


Bierter Band 


zübingen 
inder %. G. Cotta'ſchen Buchhandlung. 
1515 


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7 


Digitized by Google 


Europaͤiſche Annalen— 
Sabtgang 1815. 


Zehntes Stück, 


u ungen 
in der 3, ©. Eotta’fchen Buchhandlung, 
1815 


Inhalt. 


I. Der Krieg In Spanien und Portugal in den Jahren 
1808— 1814. Nah englifhen Driginalguellen. (Beihl.) S. 3 
II. Einige Hiftorifhe Notizen die neuerlihen Ereignijfe in 
Frankreich betreffend. S. 41 
III Geſchichte der Verſchwͤrung Buonaparte's gegen 
Zudwig XVIII. oder: Kurze Erzählung der Exeigniſſe 
feit der Kapitulation von Parid am 30. März 1814 bis zum 
22. Yun. 1815, als dem Tage der zwenten Thronentfas 
gung Buonaparte’d. Nah dem Franzöfiiben des 
Lamarteliere, mit Noten begleitet von Theodor 
v. Haupt. ©. 
IV. Betrahtungen über die Europätfhen Staaten in dem 
Zeitraum von dem Parifer Frieden bis zu dem Varifer 
MWaffenftilliftande, oder vom Juni 1814 bis Juni 1815, 
und insbefondere über Deutichland und den deutfchen 
Dundess Vertrag, ae ©. 100 
* 
Codex diplomatious. 


65. Erklärung, unterm 13. Juni in London von Sr. Mai. 
dem König von Preußen auggeftellt, über die Ver: 
Er Nechte und Frepheiten des Fürftentbums Neuf: 

ate ® 


X 
66. Königl. Bayr. Patent, die Abtretung der gefürfteten 
Grafſchaft Tyrol betreffend. ©. 

67. Königl. Bayr. Patent, die Abtretung ber Worarlber: 
gifhen Herrichaften betreffend. ©. 198 
68. Hebergabs: Patent bes Großherzogthums Würzburg an 
Bayern. S. 1% 
69. Kalferl, Oeſterreichiſches Uebernahms⸗Patent von Ty⸗ 
rol, vom 24. Juni 1814. ©. 
70. Kaiferl. Oeſterreichiſches Uebergabs⸗Patent des Fürftens 
thums Afchaffenburg an Bayern, vom 26, Juni 1814. ©. 202 
71. Declaration, die Eröffnung des Wiener Kongreſſes be— 
treffend, vom 7. Juli 1314. ©. 
72. Note der bevollmäctigten Kommiffarien der alliirten 
Mächte an den Prinzen Ehriftian Friedrich von Dis 
nemark, den Abtritt des Königreihs Norwegens an 
Schweden betreffend, — 
73. Friedens-Traktat zwiſchen Daͤnemark und Preußen, v. 
25. Auguſt 1814. S. 20 
74. Koͤnigl. Hannoͤveriſches Patent, die Organiſirung der 
Hannoͤveriſchen Landitände betreffend, 9.12. Aug. 1814. S. 207 | 
75. Denkſchrift der Doms und ahlern gel der fds 


5 


201 
202 


203 


cularifirten Erz:, Dom: und andern geiſtlichen | 

Stiftein Deutihland, auf beyde ten des Rheins. S. 209 
76. Patent des Herzogs und des Fhrften von Naſſau, die | 

Organiſixung dee-Landftände betr. vom 2. Sept. 1814. ©. 213, 
77. Note, welche die Mintfter von Wien, St. Petersburg 

und St. James, die HH.v. Schraut, v. Krudener, 

in Abweienheit des Grafen v. Capo b’Yitria und Ads . 

dington in Abweſenheit des Herrn Stafford»Cans 

ning, unterm 23. Dct. 1814 den Deputirten des Wal: 

his, ebe diefeiben nah Haufe fehrien, zuftellten. S. 328 





I, 
Der Krieg in Spanien und Portugal 
in ben Jahren 180O8—IZI4. 
Nah englifben Originalquellen. 
Beihlun 





X. 


Nah der gewonnenen Schlaht von Ocanna (19, 
Mov. 1809) fhien nun bem Marſche der Franzofen nah dem 
füdlihen Spanien nichts mehr im Wege zu fiehen. Ihre 
Hauptarmee zog fih daher im December zwifhen Maprid 
und Toledo zufammen, und rädte in der Mitte Januars 
(1810) gegen die Sierra Morena vor. Die Spanier glaubs 
‘ ten dieſes Gebirg vertheidigen zu Pönnen, und hatten zu 
dem Ende bie beften Pofitionen gewählt. Allein die Franzo- 
fen erzwangen den Uebergang mit dem Bajonett (20. u. 21, 
Jan.), bemädtigten fi bedeutender Magazine, und befeß: 
ten bald darauf Jaen und Sordova. Won jenem Punkte aus 
wendete fih die Divifion Sebaftianigegen Grenada, ſchlug 
‚ die Ueberrefte der foanifhen Armee, die fih eben in dieſe 
Stadt hineinwerfen wollten, und 309 dann ohne fernern Wis 
derfiand ein. General Sebaftiani Jegte hierauf eine 
ftarfe Befagung in bie Alhambra, und feßte am 5. Febr. ſei⸗ 
nen Marfh nah Malaga fort, wo Alles im Auffland war. 
Allein nad einem heftigen Gefechte zogen fi die bewaffneten 
Bürger und Bauern zurüäd, und bie Franzoſen famen mit ih: 
nen zugleich in die Stadt. Die Unterwerfung erfolgte nun 
bald darauf von felbfi. Der Bells eines Puntres, wie 
Malaga, war von der größten Wichtigkeit. Einmal warb 
dadurch die große Linie vollendet, dig die oͤſtlichen und weft 

Europ, Annalen, zoted Stuͤck. 1815+ 1 


4 Der Krieg in Spanien und Portugal 








lichen Provinzen von Bayonne bis Madrid, und von Ma— 
drid bis Malaga abſchnitt. Zweytens watd aber auch da— 
durch allen Landverbindungen zwiſchen den oͤſtlichen Seeplaͤtzen 
und den Hauptpunkten Cadiz und Gibraltar ein Ende ge— 
macht. Bey allen dieſen Beſetzungen erbeuteten die Franzo— 
ſen ſehr große Vorraͤthe aller Art, und bemaͤchtigten ſich zu 
gleicher Zeit aller Huͤlfquellen der Provinz. 

Am 29. Jan. erließ Joſeph Buonaparte, der 
ſich, wie wir wiſſen, bey der Armee befand, einen abermali— 
gen Aufruf an das ſpaniſche Volk, und am 31. erſchien der 
Vortrab der franzoͤſiſchen Armee, unter Marſchall Viktor, 
vor Sevilla. Die Garnifon war nur 7000 Mann, die Ver: 
theidigung ber neuen weitläufigen Werke erforderte 60,000 
Mann. Es blieb nichts übrig, als ſich zu unterwerfen, 
doc unterzeichnete man eine‘fehr günftige Kapitulation: 
Schon am ı. Febr. Nahmitrags hielt Joſeph Buonas 
parte feinen Einzug. Victor befam num Befehl, gegen 
Cadiz zu ziehen, während Mortier gegen Badajoz beor: 
dert warb. Die Gentral:Yunta hatte ſich fbon früher ge: 
flüchtet, und befand fi in Isle de Leon. Der Geift, der 
die Mehrheit ihrer Mitglieder bezeichnete, hatte fie durch⸗ 
aus veraͤchtlich gemacht. Ein heftiger Volks⸗Aufſtand in Ca⸗ 
biz führte endlih ihre Auflöfung herbey. Sie fah ſich ges 
zwungen, eine Regentfhaft zu ernennen, bie aus fünf Olies 
dern beftand. Diefe waren der Bifhof von Drenfe, der 
Finanz: Minifter Saavedra, der General Caſtannos, 
der See-Minifter Efcano, und der Minifter von Indien, 
Gernandez de Leon. Es war bie hödfte Zeit, daß die 
Gentral:$unta auseinanderging, denn fie neigte ſich bereits 
fihtbar zur Unterwerfung hin. Die meiften Mitglieder hats 
ten fih nur zu bereihern gefuht. “Der Graf Tilly hatte. 
an drey Millionen Piafter zufammenzubringen gewuſſt, wos 
mit er nah Philadelphia ging. 

Von nun an zeigte fi in allen Anſtalten wieder ein un⸗ 


in den Jahren 38081814. 5 








gleich befferer Geift. Por. allen Dingen war man auf bie 
Berproviantirung von Cadiz, auf die Bewaffnung aller 
Sampffähigen Einwohner, auf die Errihtung von Hoſpitaͤ— 
lern, auf die Entfernung der zahfreihen Flüchtlinge, man 
rechnete deren an 60,000, bedacht. Es ward für Alles, 
was die Stadt und ihre Forts betraf, eine eigne Junta nie: 
dergeſetzt. Die fpanifhe Flotte, zwey und zwanzig Linien: 
ſchiffe ſtark, verließ den innern Hafen, und vereinigte fich 
auf der Rhede mit der englifchen unter Admiral Parvis. 

Der ſchmale Landzugang bey Isle de Leon ward durchſchnitten, 
die Bruͤcke über den Meeresarm abgebrochen, und das Ganze 
durch eine Reihe Batterien vertheidigt, wovon jede mit acht: 
zehn bis zwanzig Zweyunddreyßig-Pfuͤndern befegt war. 
Alle diefe Arbeiten wurden mit unglaubliher Schnelligkeit 
vollendet, indem Alt und Jung, vom Hoͤchſten bis zum Nie: 
drigſten, daran Antheil nahmen. 

Es war am 6. Febr., als die franzoͤſiſche Armee, un: 
gefähr 30,000 Mann ſtark, Cadiz auf allen Punkten, von 
der Landfeite nämlih, einzufhließen anfing. Das Haupt: 
quartier befand fih zu Puerto de Sta. Maria, Cadiz ges 
genüber (am andern Ufer der Bay), woher Gabiz, das laus 
ter falzige Brunnen hat, fein, Trinkwaſſer bezieht. Allein 
dies machte Peinen großen Unterfhied. Man hatte fih mit 
ungeheuern Borräthen verfehen, überdem waren aud alle 
Eifternen mit Regenwaffer gefüllt. Ja im äußerften Zalle 
dot bie offene Bay immer noch neue Zufuhren von ander: 
waͤrts bar. Die Spanier waren in Allem 16— 17,000 Mann 
ftarf. Hiervon lagen 10,000 Mann, unter dem Duque de 
Albuguerque, nebft 4000 Engländern und 2000 Portu: 
giefen in Jsle de Leon, die übrigen in Cadiz. Am Io. Febr. 
kam ein franzöfifher Warlementär aus Chiclana an. Er 
brachte eine Aufforderung von Soult zur Üebergabe der 
Stadt; man wies ihn mit Verachtung zuräd. Am 16. fandte 
Joſeph Buonaparte einen Brief an die Junta von 


6 Der Krieg in Spanien und Portugul 








Cadiz, worin er eine ehrenvolle Kapitulation vorfhlug. Er 
erhielt aber zur Antwort, Cadiz erfenne feinen andern Koͤ— 
nig ale Ferdinand VII. an. 
‘Bald darauf gab der Duque de Albuguergue 
das Kommando ab, fein vorläufiger Nachfolger war General 
Caſtannos. Die nächften vier Wochen vergingen nur un: 
ter wechfelfeitigen Zurüftungen aller Artı Die Franzoſen 
verſchanzten fih auf allen Punkten um bie Bay. Ihre Be: 
lagerung: Armee bildete einen Halbzirkel, der fih von Puerto 
Sta Maria bie San Pedro hinzog. Die Spanier errichte: _ 
ten dagegen noch eine Menge neuer Werke, fo daß fib eine 
. doppelte, ja’ dreyfahe Reihe hinter einander befand. Sie 
zogen zu gleicher Zeit beträchtlibe Verſtaͤrkungen an fi, und 
wurden durch amerifanifhe Schiffe mit großen Vorräthen 
verfeben. Die Regentfhaft hatte ſich mit allen no freyen 
Provinzen in Verbindung gefegt. Ueberall bildeten fih neue 
Heerhaufen; überall entwicelte fih neue ‚Kraft. Auch bie 
fpanifhen Kolonien blieben nicht zurüd; fie fendeten reichliche 
Geldbeyträge ein. | 
Unterdeffen Ponnte die Belagerung nur langfam fortges 
ben. Die Urſache davon war, weil es den Franzoſen an bins 
laͤnglichem groben Geſchuͤßz, an Munition und an Lebensmits 
teln gebrach. Sie wurden auf ihren Verbindunglinien mit 
Sevilla und Grenaba beftändig von bewaffneten Bauernhaus 
fen, den fogenannten Guerillas, umfhwärmt. Diefe nah: 
men alle Zufuhren weg, fingen Kouriere und Ordonnanzen 
auf, kurz, thaten Ihnen allen erfinnlihen Abbruch. Wenn 
ein Kourier nicht eine Bedeckung von 150 — 200 M. Kaval: 
lerie bey ſich hatte, kam ey gewiß nit durch. Gegen Ende 
Aprils langte endlih mehr Belagerung: Gefhäg nebft neuen 
Truppen: Verftärkungen an. Die Franzofen nahmen jet das 
Zort Matagorda weg, das auf.ihrer Seite lag, und folglich 
von allen fpanifhen Werken abgefchnitten war. Dieſes Fort 
beſtreicht den Eingang in die innere oder ſogenannte Punta⸗ 


in ben Jahren 1808 — 1814. 7 





len:Bay; es hatte demnach allerdings Wichtigkeit, Die Be: 
lagerer unterhielten nun ein lebhaftes Zeuer gegen bie fpanis 
ſchen Kanonenboote und das gegenüberliegende Fort San Lo⸗ 
renzo. In der Hauptſache indeffen konnte das. Alles alte 
entſcheidend feyn. 

Wir haben oben gefagt, daß die Werbindunglinie der 
franzöfifhen Armee beftändig unterbrodden ward. Dies ges 
{dab befonbers in Grenada, wo General Blake bie Ge 
birgs⸗Bewohner vortrefflich ‚zu benugen verfland. Die Dis: 
vifion Sebaftiani warb unaufhörlich befhäftigt, und dem 
Zeinde großer Abbruch gethan. Ein fehr glüdlihe Unter: 
nehmung hatte fpäterbin (im Auguft) von Cadiz aus gegen 
die franzöfifhden Magazine zu Moguer ftatt. Sie warb mit 
Huͤlfe englifher Landungboote bewerkftelligt, und mit großer 
Tapferkeit ausgeführt. Böllig mißlang’dagegen eine andre 
auf das Fort Foangarola, in der Nähe von Malaga. Man 
dachte daffelbe wegzunehmen, ſich hierauf der Stadt zu be: 
mädtigen, die feindlichen Werke zu zerfiören, und. fo ber 
Kaperey ein Ende zu maden, die von biefem Hafen aus in's 
Große betrieben ward. Allein der englifche Anführer nahm 
feine Dagregeln fo ungefhict, daß er fich mit bebeutenbem 
Berluft wieder einzufgiffen gezwungen war. 


XI. 8 u; 

Während aller diefer Vorfälle ruhten auch die Waffen 

in Catalonien nicht. Eine franzöfifhe Heerabtheilung 
von 12,000 Mann hatte einen neuen Angriff auf Valencia ge: 
macht, war jedoch mit bedeutendem Verluſt zurücgetrieben 
worden, und blofirte jest das Fort von Hoftalrih. Diefes 
liegt auf einem hohen fteilen Felſen, und ift in militärifcher 
Hinſicht von großer Wichtigkeit, indem ed die Verbindung 
zwifhen Barcelona und Gerona det. Um baffelbe zu ent: 
fegen, und die Franzoſen abzuſchneiden, rüdten die Spanier 


Pd 


3 Der Krieg in Spanien und Portugal 





am 20. Febr. mit einer bedeutenden Macht in der Ebene vor 
Vich ein. Allein fie wurden nach einem hartnädigen Kampfe 
mit großem Verluft zuruͤckgetrieben, und die Sranzofen bes 
baupteten ihre Pofition. So ward bie Blokade bis zum 
- May fortgefegt, und die Garnifon aufs Aeußerſte gebracht. 
Da nun ein Verſuch, biefelbe mit Lebensmitteln und neuer 
Mannfbaft zu verfehen, gänzlid mißlang, entfhloffen fi 
die Spanier zur Verlaffung.des Gaftelld. Am 11. May wur 
den fie drohend zur Uebergabe aufgefordert; in ber folgenden 
Nacht zogen fie während eines dicfen Nebels in größter Stille 
den Berg hinab. Allein die franzoͤſiſchen Schildwachen mad: 
ten Lärm, und es fam zu einem hikigen Gefecht. Der größte 
Theil biefer tapfern Gatalanen ward niedergehauen, der Ue— 
berreft zu Gefangenen gemacht. Der Befiß von, Hoftalrich 
bot übrigens den Sranzofen noch zwey andere Vortheile bar. 
Diefe waren die bequemere Verproviantirung von Barcelona 
und die Erleichterung eines Angriffs auf Tarragona. 

Wie Hoftalrib, fo fiel aub fpäterhin Lerida (14. 
May) und Mequinenza (8. Jun). Jenes ſicherte die 
Verbindung mit Arragonien, und war als Waffenplag und 
‚Munition: Depet von großer Wichtigkeit. Diefes wird ale 
der Schlüffel des Ebro angefehen. In beyden Plägen fan: 
ben bie Zranzofen fehr große Vorräthe aller Art; in Lerida 
uͤberdem viel baares Geld und Pretioſen, weil wegen der an— 
geblichen Haltbarkeit dieſer Feſtung ſehr viel aus Kirchen, 
Kloͤſtern u. ſ. w. dahin wär geflüchtet worden. Weit länger 
dauerte die Belagerung von Tortoſa; beyde Theile zeig- 
ten die größte Hartnädigkeit. Sieben Monate lang warb 
bier fehr. blutig gekämpft. Doch enblih (3. Ian. 1811) 
muffte fib auch biefer Plaß ergeben, fo daß nunmehr die 
Herrſchaft über den Ebro vollendet war. Doc es ift Zeit, 
unfre Blide auf die Gränze von Portugal zu wenden, bie 
jegt der Hauotſchauplatz des Krieges wird. 

Nah einer Reihe Gefechte vom December 1809 big 


/ 


in den Jahren 1808— 1814. 9 


— — — —ñ rt — —— — — — 
April 1810 waren die Provinzen Aſturien, Galizien und 
Leon theils völlig unterworfen, theils auf geringen Wider: 
ftand beſchraͤnkt. Jetzt lag es im Plane der Franzofen, zur 
Belagerung von Ciudad Rodrigo zu ſchreiten, bad 
theils ald Waffenplaß, theils als legter Stüßpunft der Res 
gentfdaft im Norden von Spanien, theils endlich wegen des 
vorhabenden Zeldzugs gegen Portugal von großer Wichtigkeit 
war. Sie begannen daher fon in der Mitte Mays die 
Blokade biefes Plages mit ungefähr 20,000 Mann von ber 
Divifion Ney. Die Unternehmung war indeffen mit vielen 
Schwierigkeiten verfnüpft. Die fblechten Wege, die anhal⸗ 
tenden Regengüffe verzögerten die Zufuhren aus Salamanca; 
die Truppen waren oft Zagelang ohne Proviant und Munis 
tion. Dazu fam die Nähe der englifh <portugiefifhen Ars 
mee unter Lord Wellington, deffen Hauptquartier zu 
Bizeu war. . i 

Es verging daher ein voller Monat, ehe bie eigentliche 
Belagerung ihren Anfang nahm. Jetzt aber in der Nacht 
auf den 15. zum 16. Juni wurden bie Laufgräben eröffnet, 
wiewol, bes vielen Waffers und bes oft felfigen Bodens we⸗ 
gen, mit großer Schwierigkeit. Am 25. endlih begann das 
Zeuer auf den Plag, ſechs und vierzig Kanonen und Mörfer 
fpien Tod und WVerderben darüber aus. Die Spanier er: 
wiederten es mit Heftigkeit. Hierauf machten die Franzo: 
fen, um ſich zu deden, einen Angriff auf zwey Klöfter auf 
ferhalb der Stadt. Dies veranlaffte einen hartnädigen 
Kampf, mwobey jeder Theil viel Leute verlor. ' Endlich ging 
ein Theil der Gebäude in Flammen auf, und die Tranzofen 
behaupteten fib darin. Am 28. waren bie Wälle bereits fo 
fehr befhätigt, dag Maffena, der feit Kurzem den Ober: 
befehl führte, den Gouverneur zur Uebergabe auffordern 
lieg. Allein Garnifon und Einwohner waren vom größten 
Enthufiasmus belebt; das Feuer begann daher von beyden 
Seiten mit verdoppelter Wuth. In der Nacht auf den 9. 


‘Io Der Krieg in Spanien und Portugal 





Zuli forengten die Franzofen eine Mine, woburd eine fehr 
große Brefhe entftand. Kaum warb dies am andern Tage 
bemerft, ald Alles zum Sturm in Bereitſchaft gefegt warb. 
Allein in dem Augenblide, wo die Kolonne angreifen wolle 
ten, ftedte die Garnifon die weiße Fahne auf, und ergab ſich 
auf Diskretion. Die ganze Stadt war, fo zu fagen, ein 
einziger TZrümmerhaufen, kaum fah man nod ein einziges un 
befhädigtes Haus. Die Garnifon, 7000 Mann ſtark, warb 
nach Frankreich abgeführt; allein kaum die Hälfte erreichte 
diefes Ziel. Wer mit der Bedeckung nicht gleihen Schritt 
halten Ponnte, ward todtgefhoffen, daher famen die meiften 
auf diefe Art oder/vor Erfhdpfung um. Die Beute, bie 
bie Franzofen In Ciudad Rodrigo fanden, war befonders an 
Munition fehr groß. Die Wiederherftellung und Ermweite: 
rung der Werke ward nun ihr nächftes Geſchaͤft. 

Maffena zog inzwiſchen bedeutende Verftärkungen 
und Vorräthe an fih, und bereitete Alles zu feinem Einbruch 
in Portugal vor. Um aber denfelben mit Erfolg bewerfftel- 
ligen zu Pönnen, muffte er zuerft im Befiß der portugiefifhen 
Gränzfeftung Almeida feyn. Er fendete daher ben Gene: 
ral Loifon mit ungefähr 15,000 Mann dahin ab, während 
er mit 60,000 Mann in einer fehr gedrängten Stellung bey 
Ciudad Rodrigo ftehen blieb. Die Stadt Almeida felbft iſt 
fehr gut befeftigt; noch mehr aber die Eitadelle, die faft in 
der Mitte derfelben liegt, und cafemattirt if. Es lagen in 
legterer an Enbländern und Portugiefen 5000 Mann; Gou: 
verneur war der General:Major For. In ber Naht vom 
15. auf den 16. Auguft ward ſchon der Anfang mit Eröffnung 
ber Laufgräben gemadt. Am 25. befanden fih die Belage: 
rer faum 150 Toifen von dem Plag. Das heftige Feuer 
der Eitadelle konnte fie nur bey Tage abhalten; bei Nacht 
arbeiteten fie unaufhärlich fort, und bahnten fih durch Spren: 
gungen ben Weg. Am 26. Abende waren alle ihre Batte: 
rien, eilf an ber Zahl, vollendet, und nun begann die Be: 


v 


‚ in ben Jahren 1808 — 1814. ı m 


’ Eu 


ſchießung der Citadelle auf eine fürdterlihe Art. Dicfe 
beantwortete indeffen bad feindlihe Feuer mit gleicher Hef: 
tigkeit, bis ungefähr gegen acht Uhr, wo fie zu ſchweigen ans 
fing. Maffena befahl hierauf, die meiften Stüde auf 
die Stadt zu richten, was auch fofort befolgt ward. Kaum 
wurden noch fünf bie ſechs Bomben in bie Citadelle geſchickt: 
Doch unglücdlihermweife flog eine derfelben in einen Pulver: 
Pfarren, der vor dem Zeughaufe fland, worin ein Vorrath 
von 150,000 Pfunbden lag. In einem Augenblicke flog Alles 
in die Luft, ein entſetzliches Schaufviel, gleih dem Ausbruch 
eines feuerfpeienden Bergde. Es kamen dabey 500 Menſchen 
um; Steine und Leihname, fhauderhaft verftäimmelt , flo: 
gen mitten unter die Belagerer hinaus; die Flammen griffen 
von allen Seiten um fi, und die feindlihen Batterien feuer: 
ten immer fort. Nur erft.am andern Morgen, als Maf: 
fena bie Citadelle, die Domkirche u. ſ. w. völlig verſchwunden, 
und einen großen Theil der Stadt im Schutte fah, fandte er 
einen Parlamentär mit Vorſchlaͤgen zu einer Kapitulation an 
den Gouverneur, Man unterhandelte mehrere Stunden 
lang, doch Fam die Sache nicht in Richtigkeit. Die Franzo: 
fen fingen daher Abende ihr Feuer von Neuem an, worauf 
dann endlid um Mitternacht die Kapitulation abgefhloffen 
ward. Sie fanden bedeutende Vorräthe in Almeida, unter 
andern 100,000 Rationeu Salzfifhe, und 300,000 Ratio: 
nen Zwiebad. | 

Unterdeffen war bie englifch:portugiefifhe Armee unter 
Lord Wellington, die in Liffabon und der Nachbarſchaft 
überwintert hatte, allmählich wieder gegen die Gränze vor: 
gerädt. Sie hielt in fünf Divifionen die Gebirge befegt, 
welde die Ebene beherrfohen, an deren anderm Ende Giudab 
Rodrigo liegt, das Hauptquartier felbft befand ſich zu Gele: 
rico. So waren die beyden Armeen ungefähr ſechs Stunden 
von einander entfernt. Lord Wellingtons Hauptplan 
war, vor allen Dingen Portugal zu deden, dann aber au 





12 Der Krieg in Spanien und Portugal 


die große franzoͤſiſche Armee von fernern Unternehmungen ab⸗ 
zuziehen. Er hatte hoͤchſtens 50,000, Maffena dagegen 
80,000 Mann. Allein er entwarf fih ein Vertheidigumg- 
Syſtem, das zu ben merfwärdigften aller Zeiten gehört. Auf 
feinen Befehl wurden in der Nähe von Liffabon, von der 
Küfte bis an den Tago, ungeheure Verfhanzungen angelegt. 
In dieſe beſchloß er fih.zurüdzuziehen. Go wie demnach Al⸗ 
meida gefallen war, fing er an, feine Truppen näher zufam: 
menzulegen, und trat fofort feinen Rüdzug an. Diefer ge: 
ſchah in ber trefflihften Ordnung, und ganz; dem gemadten 
Plane gemäß. Die Armee zerftörte alle Wege, alle Brüden 
und Mühlen, die fie hinter fi ließ; die Einwohner aller 
Dörfer, Flecken und Städte folgten ihr mit ihrem Eigen: 
thum, und vernichteten, was nicht fortzubringen war. 

Lord Wellington errietb Maffena’s Abfict, feis 
‚ nen linfen Flügel zu umgehen, und nahm daher feinen Marfch 
burch das Mondego:Thal. Am 19. befand er fi in Ponte 
Murcella, einer fehr vorsheilhaften Pofition, von wo aug er 
bem Feind den UÜebergang über die Alva ftreitig zu maden 
befhlog. Allein Maffena, der dieß inne warb, änderte 
feinen Plan, ging gefhwind über den Mondego zuruͤck, und 
nahm feinen Marſch auf Coimbra zu. Seine Abfiht war, 
fih der Hülfmittel diefer Stadt zu bemädtigen, und dann 
gerade auf Liffabon loszugehen. Doch eben fo ſchnell fah 
auch Lord Wellington feine Plane dur, ging gleichfalls 
über den Mondego zuräd, und Fam fo zwifhen Coimbra und 
den Feind. Am 19. langte Maffena zu Vizeu an. Hier 
muffte er drey Tage lang auf fein Gepäd und Gefhüß war: 
ten, und biefe koſtbare Zeit benugte Lord Wellington 
mit großer Geſchicklichkeit. Schon am 22. befand er fi in 
einer vortreffliden Pofition auf der Sierra Buzaco, woburd 
Coimbra vollkommen gedeckt ward. Er hatte alle feine Di: 
vifionen, mit Ausnahme ber des Generale Hill, bey ſich, 
die zur Bewachung bey Ponte Murcella zurädgeblieben war. 


in den Jahren 1808— 1814 13 





Aunm 27. September Morgens um ſechs Uhr griff Mafs 
fena die Engländer auf dem hoͤchſten Punkte der Sierra zu: 
glei auf beyden Seiten an. Die Zranzofen kämpften wie 


‚Werzweifelte, und drangen, wiewol mehrmals abgeſchlagen, 


immer wieder mit neuem Ungeftäm vor: Doch bie Uner: 
ſchrockenheit der Engländer fiegte, der Feind zog ſich endlich 
mit großem Berluft zurück. Indeffen famen fowol von der 
franzsfifben als von der englife:portugiefifhen Armee nur 
20 — 25,000 Mann in’8 Gefeht. Die Portugiefen zeigten 
fih bier zum erften Mal ihrer faft vergeffenen Tapferkeit 
werth. Xroß diefes Sieges konnte jedoch Lord Wellings 
ton nit verhindern, daß fein linfer Flügel umgangen warb. 
Er eilte demnach, Coimbra fo fhnell als möglich zu erreis 
ben, ließ dafelbft einige Korps Kavallerie zuräd, um bie 
Flucht der Einwohner zu deden, und feßte feinen Marfch mit 
großer Schnelligkeit bis zu feinen Linien bey Torres Ve— 
dras fort. Coimbra ward gänzlich verlaffen und gänzlich 
ausgeleert; was weder Soldaten noch Einwohner tragen 
Ponnten, warf man in den Fluß. Die Magazine wurden 
verbrannt; die Weinfäffer eingefhlagen; das Vieh fortge: 
trieben u. f.w.; Alt und Jung legten Hand dabey an. - Dies 
ſes Zerfiörung: Syftem ward auf der ganzen Linie befolgt. 
Biele taufend Familien firömten nun nach Liffabon, wo für 
ihr Untertommen und ihren Unterhalt nah Möglichkeit ge: 
forgt ward. Das englifhe Parlament votirte felbft nicht we⸗ 
niger als 100,000 Pf. Sterl. für fie, und wenigftens eben fo 
viel ward durch Unterzeichnung zufammengebradt. 

Unterdeffen waren die Franzoſen den Englaͤndern auf 
dem Fuße nachgefolgt, und am 1. October in Coimbra einge: 
rüdt. Sie hatten auf diefem ganzen Marſche nur von Mais 
gelebt, und fanden, wie wir geſehen, aud hier eine Le . 
bensmittel vor. Maffena ließ daher feine zahlreiden 
Kranfen und Berwundeten mit einer Bedeckung von 3500 M. 
in zwey verfhanzten Klöftern zuruͤck, und verfolgte die Eng⸗ 


14 Der Krieg in Spanien und Portugal 





länder mit der größten Schnelligkeit. Er glaubte fie nämlich 
in völliger Flucht nah ihren Schiffen, und hofte dann Here 
von Portugal zu feyn. Diefer Irrthum lieg ihn den Mans 
gel an Magazinen, und die Operationen des portugiefifhen 
Landſturms überfehen, der an 20,000 Mann ſtark war. Erft 
am 14. October, als er die englifhen Linien in Perfon be: 
fibtigte, fam er von feiner irrigen Meinung zuräd, und 
fah die ganze &efahr.feiner Lage ein. Eine dreyfahe Rei: 
be von Verfhanzungen 309 fih in einem ungeheuern Halb: 
kreiſe von Liffabon bis faft zum Mondego hin. *) Linke auf 
der Seefeite waren fhwere Batterien befindlih, rechts auf 
dem Tage Kanonenböte fiationirt. Das Ganze ward von 
70— 80,000 M. vertheidigt, ſchloß alle aus dem Lande zu: 
ſammengebrachte Vorräche ein, und hatte Liffabon mit allen 
feinen unermeſſlichen Hülfmitteln binter fi. 

Maſſeng vertheilte num feine Armee in weitläufige 
Kantonnirungen, worunter fich die karte Pofltion von Monte: 
Junto befand, Das Ganze bildete eine ſchraͤge Linie, bie, 
den englifhen Verfhanzungen gegenüber, von der Küfte bie 
an den Tago hinlief: Die Truppen wurden fo vertheilt, 
bag man im Staude war, fie in vier Stunden zufammenzus 
ziehen. Wenn fi daher die Dörfer zu weit auseinander bee 
fanden, wurden für die Truppen Hütten erbaut. Indeſſen 
bejchränften fib alle Unternehmungen ber Franzoſen auf die 
Herbenfhaffung von Lebensmitteln, und auf die Befeftigung 
ihrer Pofition. Jenes war mit den gröften Schwierigkeiten 
verbunden, einmal der Seltenheit wegen, dann, weil der 
portugiefifhe Landfturm immer näher fam. Schon war näm- 
lich Soimbra eingenommen, und die Straße nad Leyria bes 
fest; ſchon fingen bie Engländer in Verbindung mit den Por⸗ 

‚ « 


*) Die erfle von Alhandra bie Torres Vedras, und von da 
bie zur Mündung des Sißandro. Die zwep andern von Eris 
ceyra und Mafra bis zum Lago, 


! 


in den Jahren 1808— 1814: 15 





tugiefen, im Rüden und auf dem reiten Flügel der Franzos 
fen, alle Zufuhren auf. Maffena war einzig Herr des 
Striches, auf dem fich feine Armee befand. 

Anfangs fanden die Franzofen noch Hirfe und Weizen, 
bald aber fahen fie fih auf bloßes Fleiſch und einige Vegeta- 
bilien , befonders getrocdnete Weintrauben, befihräntt. Das 
Schlimmſte dabey war, daß es an Salz gebrad. Anfang 
Novembers hatten fie fhon Fein Rindfleifh mehr; es wurde 
daher Pferde: und Maulthier-Fleifch vertheilt. Der Mangel 
an Schuhen, der unaufhoͤrliche Regen und die Ueberſchwem⸗ 
mungen des Mondego vermehrten den traurigen Zuftand der 
Armee. Die Engländer anzugreifen, wäre Tollheit gewes 
fen; ſich nordwaͤrts zurädzuzicehen, ſchien, wo nicht ganz 
unmöglich, doch hoͤchſt gefaͤhrlich zu ſeyn. Maffena faffte 
daher den einzigen Entſchluß, der ihm noch uͤbrig blieb. Er 
erweiterte feine Linie, ruͤckte bls nach Santarem hinauf, und 
machte diefes zur Bafis feiner Pofition. Diefe bildete dem: 
nad) ein Dreyeck, deffen einer Schenkel der Zezere, ber an: 
dre eine Gebirgskette war. Hier blieb Maffena den gans 
zen Reft des Jahres liegen, z0g Mitte Decembers die Korps | 
son Drouot und Gardanne, jedes von 12,000 Mann, 
an fih, und erwartete bie fernern ———— die man 
ihn aus Andaluſien hoffen ließ. 

Lord Wellington ging indeſſen nicht von ſeinem 
‚großen Plane ab. Die Verſtaͤrkungen, die Maffena er: 
halten hatte, vermehrten auch die Bedärfniffe der franzoͤſi⸗ 
ſchen Armee. Dagegen konnten bie Engländer immer mehr 
Streitkräfte an fih ziehen, ohne wegen der Lebensmittel be: 
forgt zu ſeyn. Wirklich ftand Alles in und um Liffabon be: 
waffnet auf. Dazu kamen bie englifhen Seefoldaten von 
der -Zlotte, ein großer Theil der englifhen Truppen aus Ca; 
diz, und die Divifion Romana, 12,000 Mann ftarf, aus 
Badajoz. Ja felbft aus Malta, Sicilien, und Gibraltar 
langten von Zeit zu Zeitineue Regimenter-an, Lord Wel⸗ 


16 Der Krieg in Spanien unb Portugal 





lington gab das Beyfpiel der größten Thätigfeit. Er kam 
nie aus den. Kleidern, war taͤglich ſchon um vier Uhr auf, 
und fing um fünf Uhr feine Poften-Bifitationen an. LUnges 
heure Verfhanzungen am linfen Tago-Ufer deckten auch diefe 
Seite, und wurden mit zwey anfehnliden Korps befegt. 
Die englifhe Flotte lag mitten auf dem Fluſſe, und diente 
zur nöthigen Verbindung der beyden Armeen. So fianden 
die Engländer und Franzoſen, beyde an BO — 90,000 Mann 
ſtark, einander gegenüber, und .die.größten Begebenheiten 
bereiteten ſich für 1811 vor.. Die Belagerung von Cadiz 
war indejfen nur wenig vorgerädt; doch warfen die Franzo⸗ 
fen im December einige Bomben hinein. Die Unternehmun- 
gen in Efiremabura befhränften ſich auf Saamägel; die Bes 
lagerung von Babajoz blieb ausgefegt. - 


_— 


XII RF 

Wir koͤnnen die Kriegs-Geſchichte des Jahrs 1810 nicht 
beſchließen, ohne vorher drey Punkte zu berühren, die non 
befonderer Wichtigkeit find. Wir meinen die Corted, bie 
Politit des fogenannten Könige Joſeph, und die Gueril⸗ 
laß, oder fpanifhen Streifparteyen.: Was die Cortes ans 
langt, fo hatte endlich ihre Verfammlung am 24. September 
zu Cadiz flat. Man hatte auf jede 50,000 Seelen ber gans 
zen Bevoͤlkerung einen Deputirteit gerechnet, was nach den 
verfhiednen Provinzen und. deren Volkszahl 208 Repräfen: 
tanten betrug. Freilich waren fie Anfangs noch bey Weitem 
nicht vollzählig; auch fehlten noch die Deputirten aus den Kos 
Ionien. Allein nach und nad fanden ib ſaͤmmtliche Mitglies 
ber, und felbft aus den vom Feinde befegten Provinzen ein. 
Die bisherige Regentſchaft leiftete ‚den Cortes den Eid. der 
Treue, ward aber fpäterhin durch einen Ausfhuß von drey 
‚Mitgliedern, Blake, Cisnar und Agar erfegt. Diefer 
Ausſchuß übte im Namen der Cortes die Erekution: Gewalt. 
Unter 


in den Jahren 1808— 1814. 17 





Unter den erftien Aften diefer Verſammlung zeichnen wir ber 
fonders die Magregeln in Betreff der Armeen, die neue Auss 
hebung von 150,000 Mann; die Verordnung wegen der 
Preßfreyheit in allen nicht kirchlichen Dingen, endlih den 
Entwurf einer foanifhen Habeas: Corpus: Afte aus. Die 
Sigungen der Cortes warey Öffentlih, und erregten, fowol 
in Sadiz als im ganzen übrigen Spanien, ben größten Ans 
theil. Es war der Anfang zu einer freyen Verfaffung; das 
Bolt fühlte feinen ganzen Werth davon. 

Unterdeffen ließ aber auch Joſeph —— 
kein Mittel unverſucht, das zur Begruͤndung ſeiner Herr⸗ 
ſchaft dienlich ſchien. So unterzeichnete er am 18. April ein 
Dekret, das die Cortes zuſammenberief, theilte das Könige 
reich in acht und dreyßig Praͤfekturen und vierzehn Militaͤr⸗ 
Divifionen, ſuchte National-Regimenter (die ſogenannten Ju— 
ramentador) zu bilden, und dergleichen mehr. Seine Lage 
war aber im Grunde nichts weniger als angenehm, wie er 
ſelbſt in einem aufgefangenen Briefe an feine Gemahlin ges 
fiand. Er befand fih in beftändigen Zwiftigkeiten mit. den 
franzoͤſiſchen ©eneralen, von denen er offenbar verachtet 
ward. Seine Milde und Mäßigung war dem Spyftem feines 
Bruders gerade entgegengefeßt. Daher die heftigen militaͤe 
riſchen Magregeln, bie er dardaus nicht verhinderh fonnte, 
und wobey er fich felbft perſoͤnlich gefränft fab. Sein Ge: 
fandter zu Paris war der Duque de Sante Fe. Die 
ſer hatte häufige Konferenzen mit Champagny, ber ihm 

auf Buonaparte’s Befehl oft fehr lebhafte Zurechtmeis 
fungen gab, In einer aufgefangenen — des Dugue 
kommt unter andern folgende Stelle vor: 

Eyt — fuhrt der Minifter heftig auf: — „Barum 
(reiben Sie keine Kontributionen in Andalufien, und be: 
fonders »in Sevilla, Murcia und Malaga aus? Warum 
Ponfigciren Sie die englifben Waaren nibt? Die Hofhal— 
tung bes Könige ift viel zu koſtbar. Bezahlen Sie die Armee, 

Europ. Annalen. zoted Erd, 1815 2 


18 Der Krieg in Spanien.und Portugal 
a ne 








das geht Allem vor. Es muß Geld genug in Spanien feyrr- 
Einmal von Amtrifa aus, und dann, was haben nicht bie 
Sranzofen und Engländer hineingebradt? Wo die Armeen 
fiehen, da müffen fie auch ernährt und befolbet, werden; vom 
diefem Grundſatz geht der Kaifer einmal nicht ab. Haͤtte er 
die Unternehmung auf Spanien unterlaffen, fo hätte er feine 
fo ſtarke Armee gebraucht. Der Stab des Könige ift viel zu 
zahlreich, viel zu koſtbar. Seine fpanifhen Regimenter tau⸗ 
gen durchaus nichts. Sie find eine unnäge Ausgabe, und 
unzuverläffig obendrein. Er errichtet und unterhält fie für 
‚den Feind, zu dem fie bey der erften Gelegenheit übergeben. 
Und warum alle neue Anhänger unter dem fpanifhen Adel fo 
auffallend vorziehen? Dadurch ftößt er nur die Alten vor 
den Kopf. u. ſ. w.“ — Diefes Gefpräh hatte am 20. Jun. 
1810 ftatt. 

Ungefähr um diefelbe Zeit langte au ein Bourbon, 
ber aͤlteſte Sohn bes berüchtigten Duc von Orleans, in 
Spanien an. Er Fam über Malta von. Palermo, fhiffte ſich 
in Zarragona aus, und begab fih fofort nah Cadiz. Die 
Regentſchaft hatte ihm nämlich den Oberbefehl in Eatalonien 
übertragen, wozu er bey feinen Talenten aub vollfommen 
gefhict war. Allein die Cortes fanden nicht für, gut, ihn 
darin zu beftätigen, ‚und beftanden fogar auf feiner Rüdreife 
nab Sicilien. Es hieß damals, er habe während der gans 
zen Zeit Verweſer des Königreichs zu werden geſucht. Dies 
fes Gerücht gewinnt große Wahrfheinlickeit, wenn man ein 
foäteres Dekret der Cortes damit im Verbindung bringt. 
Died. fagt nämlih ausdrüdlih, dag fein Prinz, ber even: 
tuelle Anfprüde auf: die fpanifhe Krone maden fann, zu der 
Regentfbaft während Ferdinands VII. Abwefenheit er: 
nannt werden darf. Im October fegelte ber Prinz nad Pas. 
lermo zurüd. So war bie politifhe Lage des Königreichs, 
während der Krieg, wo nicht in offenen Feldſchlachten, doch 
wenigſtens durch die Guerillas, ſehr lebhaft fortgeſetzt ward. 


# 


in den Jahren 1808 — 1814. 19 





Dieſe Guerillas waren Streifparteyen, deren Ent: 
ſtehung gegen das Ende von 1809 fällt. Sie bildeten ſich 
faft zu gleiher Zeit in Navarra, Leon, Afturien, Galizien, 
Alt: und Neucaftilien, fo wie im Aragon, in Catalonien, 
Balencia, Murcia und Granada. Es waren Freykorps von 
mehrern taufend Mafin, in der Regel faft ausfhließend aus 
Gebirgsjägern, Schleibhändlern und bergleihen unternehs 
menden Menfben zufammengefegt: Ihre Hauptbeftimmung: 
war, nach den Umftänden zu handeln, fi bald in den Hins 
terhalt zu legen, bald mit offener Gewalt zu Werke zu: ges 
ben. So nahmen fie den Zranzofen eine Menge Zufuhren 
meg, hoben ihre entfernten Poften auf, ſcharmuzirten mit 
‚ihren‘ Patrouillen, fingen ihre Kouriere nnd Ordonnanzen 
auf, furz, thaten ihnen Abbrud auf alle nur mögliche Arts 
Die Schnelligkeit, womit fie erfhienen und wieder vers 
ſchwanden, die Gefhwindigfeit, womit fie ihre ‚Unterneh: 
mungen ausfährten, die Leichtigkeit, womit fie ſich zerſtreu⸗ 
ten und wieder ſammelten, war wirklich bewundernswerth. 
Die genaue Bekanntſchaft mit allen, auch den geheimſten We⸗ 
gen und Schlupfwinkeln trug natuͤrlich nicht wenig dazu bey. 
Was aber dieſen Pleinen Krieg am meiften begünftigte,, war 
die Stellung der franzöfifhen Armeen. Gezwungen, fid in 
fo viele Provinzen zu vertheilen, hatten fie.nur ſchwachen 
Zufanmenhang unter fih, und boten den Guerillas befiän: 
dige Gelegenheit zum Angriff dar, Die gewöhnliche Beben. 
ckung für einen. Kourier war nicht unter 200 Mann keichter 
Kavallerie. Sollte aber der Kourier gluͤcklich nach Frank: 
reich kommen, fo brauchte er wenigfiend 1200 Mann. : Späs 
terhin gegen Ende 1810 mufften ed 2— 3000 ſeyn. 

Die vornehmftien Anführer ber Guerillas waren Lon⸗ 
ga in Galizien und Afturien, Santochildes in Xeon, 
Sanchez in der Gegend von Salamanca, Deroles in 
Aragon, ZI Empecinado in der Nähe von Madrid und 
Mina in’ Navarra und Caſtilien. Won dem Legten find 


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20 Der Krieg in Spanien und Portugal 
—— — — —ñ —ñ — — — 
wir im Stande, einige umſtaͤndliche Nachrichten zu geben, 
die man nicht ohne Antheil leſen wird. — Mina, ſagt 
ein Augenzeuge, den wir hier woͤrtlich anfuͤhren — Mina 
ift ein ‚großer, fiarker, wohlgebauter Mann, zwifhen den 
zwanzig und dreyßig, ernfi, verfhloffen, wortfarg, ein 
Weiberfeind, aber gerade und einfah. Er lebt üußerft 
mäßig, fhläft.jede Nacht nur. zwey Stunden, und legt nie 
feine Piſtolen von fib. Wann und wohin marfchirt werden 
fol, fagt er niemals zuvor. Es ift blos Regel, daß fih Als 
led beym erfien Trommelſchlag verfammeln, und immer auf: 
zubrechen bereit ſeyn muß. So ftellt er fih denn, wenn es 
am wenigſten vermuthet wird, an die Spitze, ruft: Mir 
nah! und macht oft acht bis zehn Stunden in der größten 
Geſchwindigkeit. Was er für fih und feine Leute braucht, 
gibt man ihm überall im Ueberfluß. Iſt fein Hemd ſchmutzig, 
fo reitet..er an's erfie befte Haus. — „Mein Hemd ift 
ſchmutzig! Gib mir ein weißes!” — und fo taufen fie. 
Sein Haufen ift ungefähr 4000 Mann ſtark, worunter 
an 200 Mann Kavallerie; Letztere tragen eine Art Hufaren: 
Uniform. Die Uebrigen find ebenfalls gleihmäßig mit blauen 
Jacken bekleidet, und Alle. ohne Unterfhied, fo wie Mina 
ſelbſt, haben, des leichten Kletterns wegen, Sandalen an. 
Auf blanke Gewehre u.-f. w. wird nicht gefehen, wenn fie 
‚nur inwenbig recht rein, und überhaupt zum Schuß und Hieb- 
recht tauglich find. Ich fand daher faft alle Flinten verrofier, 
und alle Bajonette mit einem Zirniß von Blut bebedt. Der 
Vortrab, der immer zuerfi angreift, ladet gewöhnlich drey 
Kugeln auf einmal in ben Lauf. Bey diefem Vortrabe befins 
der fi jedesmal Mina’s einziger Sohn, der ungefähr viers 
zehn Jahr alt iſt. Er reitet auf einem Beinen Pferde, bat 
einen verhältnißmäßigen Sarabiner u. f. w., und zeigt immer 
große Zapferfeit. Der ganze Haufe befieht aus zuverläffigen 
Leuten, von denen aber fein Einziger unter regulären Trup⸗ 
pen gebient haben darf. Dergleinen nimmt Mina burds 





- in den Jahren 1308 — 1814. * 





aus nicht an, und Offiziers vollends gar nicht. — „Sie 
bilden ſich zuviel auf ihre Buͤcher ein,“ — ſagt er — „und 
fuͤhren nie was Rechtes aus.“ — Wer ſich zum Dienſt bey 
ihm meldet, muß zuvor eine ſorgfaͤltige Unterſuchung beſte⸗ 
ben. Keiner kann Kavallerift werden, der nicht erfi in der 
Infanterie gedient hat. — „Hier!“ — fagt Mina zum 
Kommandanten derfelben — „hier ift ein Burſch, der Kas 
vallerift werden will! Nimm ihn zu dir, und fieh, wie er fi 
auffuͤhrt!“ — Ben ber erfien Gelegenheit nun legt der 
Burſche fein Probeftüct ab, wobey ihn fein Hauptmann. nicht 
aus den Augen läfft. Hat er viermal gut gefchlagen, dann 
wird er Kavallerift, muß aber von Neuem zeigen, daß er fei: 
‚ner Stelle würdig ift. 

Die Franzofen heißen Mina ben König von Navarra, 
und in der That. ehrt und liebt ihn Alles in diefer Provinz. 
Mas er verlangt, wird ihm mit Freuden gegeben, : er ift 
überall ein willtommner Gaft. Für feine Kranken und Ver— 
wundeten hat er fügar ein eignes Hofvital. Dies liegt auf 
der Spitze eines Berges, in ber Nähe eines Pleinen artigen 
Doͤrfchens, Namens Eftella: Sechs Wärterinnen und zwey 
trefflide Chirurgen nehmen fi der Kranken mit vieler Sorg⸗ 
falt an. In verfelben Gegend hat er auch einen Keller, 
wo er fein eignes Pulver fabriziren laͤſſt. Den Handel mit 
Frankreich flört er nit, er gibt vielmehr felbft Paͤſſe dazu. 
Wer zahlen fann, muß eine gewiffe Gebühr bafür entrichten; 
wer bag nicht kann, trägt feine Schuld in Naturalien ab. 
So verſchafft ſich Mina allerhand Artikel für feine Manu: 
ſchaft. Das Geld kommt feinen Spionen zu gut. Diefe, 
bezahlt er aufs Reichlichſte, wird aber dafür and trefflic bes 
dient. Es kann ſich kein Mann bewegen, er erhält Nad: 
richt davon. Wehe dem Alcaden, der ihm von einer Nequi: 
fition nicht augenblicktihe Mittheilung macht. Er fuht ihn 
auf, und ſchießt ihn auf der Stelle tobt. 

Seine Taktit ift fehr einfach; allein er bat einen arogen | 


2% Der Krieg in Spanien und Portugal 








Blick. Auch in der größten Gefahr findet er immer einen 
Ausweg. Einmal war er mit feinen 3000 Mann von 20,000 
Franzoſen umringt. Vierzehn Tage lang hielt er fie mit 
Hin: und Hermärfcen hin. Endlich einmal Abends hatten fie 
ihn ziemlich nahe mit vier Kolonnen erreicht. Jetzt fanmelte 
er feine Leute in einem Kreis um fib. — „Wir müffen hier 
fort!” — fagte er: — „Da und da finden wir und wie: 
ber! Jetzt geh’ Jeder feinen Weg! Mina ifi die Lo— 
fung!‘ — In einem Augenblid fliebte der Kaufen audeinz 
ander, und nun Alles in bie Gebirge hinein, Als die Fran: 
zofen bey Tages-Anbruch vorrädten, fahen fie feinen einzis 
gen Mann. ber fünf Tage fpäter befand ſich Mina zehn 
Lieues davon in ihrem Ruͤcken, und operirte nach Herzensluſt. 
Diefes Manduvre hat er feitbem mehrmals mit gleihem 
Gluͤcke ausgeführt. Einmal nahm er den Franzofen zwölf Geld: 
wagen weg, und befam zu gleicher Zeit eine franzoͤſiſche Ges 
neralsfran in feine Gewalt. Der Mann ließ hierauf mit ihm 
parlementiren, und bot ihm 6000 Piafter Löfegeld an. — 
„Schickt mir 6000 Flinten!“ — fagte Mina — „Eher 
Priegt ihr fie nichth“ — Die franzöfifhen Spione hat er 
fih auf eine fehr luſtige Art vom Halfe zu ſchaffen gemufft. 
Er ließ ihnen nämlich das rechte Ohr abhauen, und drüdte 
ihnen dann feinen Stemvel auf, Dies gefhah auf die Stir: 
ne, wo dann das „Viva Mina!’ in großen Zügen zu 
lefen war. Die Spione fürdteten-fib vor biefer lebenslaͤng⸗ 
lihen Auszeihnung dergeitalt, * ſich Keiner mehr gegen ihn 
brauchen ließ. 





XIII, 

Br wenden uns nunmehr zu den Begebenheiten bes 
folgenden Jahrs (1811), die ebenfalls hoͤchſt wichtig ſind. 
Während Maffena auch die Monate Januar und Februar 
der allürten Armee in Portugal gegenüber Ing, machten die 


in den Jahren 1808 — 1812. 28 





Franzoſen bedeutende Fortſchritte in den benachbarten Pro— 
vinzen von Spanien. Olivenza ging über am 22. Jan., 
Badajoz ergab fi den 10. März; der Verluft diefer wich 
tigen Gränzpuntte ward fehr gefühlt. Er 309 die Unterwer: . 
fung von ganz Eftremadura nach fih; in Andalufien waren 
alle bedeutende Städte, mit Ausnahme von Cadiz, Aya: 
monte und Algeziras, in franzöfifher Gewalt. Die Belas 
gerung von Cadiz ward mit Eifer fortgefegt, die Bomben 
erreichten aber felten die Stadt. Gegen Ende Februars warb 
von Cadiz aus eine Unternehmung gegen den Rüden ber Be: 
lagerer verfucht, Dreytaufend Mann englifher und fieben: 
taufend Mann fpanifiher Truppen wurden zu Algezirad aus: 
geſchifft, und festen fi gegen die feindlihen Linien in 
Marſch. Dies hatte ein heftiges Gefecht zur Folge, worin 
man von beyden Seiten viele Lente verlor. Der beabfid: 
tigte Zweck ward indeffen nicht erreicht; das englifch:fpanifche 
Korps war gezwungen, fi zurädzuziehen. In Galizien 
hingegen behaupteten die Franzoſen feinen einzigen Punkt. 
Unterdeffen harte Maffena Alles erfhöpft, was et⸗ 
wa in bem von ihm befegten Stri an Lebensmitteln zu fins 
den gewefen war. eine Lage wurde num fo verzweifelt, 
dag er endlich im der Nacht auf den 5. März feinen Rüdzug 
antrat. ‚Lord Wellington folgte ihm fofort auf dem Fuß 
nad, und ordnete feine Bewegungen fo geſchickt, daß er 
Soimbra und Dber:Beyra dedte, und die Franzofen den fürs 
zeſten Weg nah Spanien zu ſuchen zwang. Maffena zeigte 
ſich indeffen auch auf diefem Rüdzug als ein fehr erfahrner 
General. Er marfhirte in einer dichten Maffe, und deckte 
feinen Rüden durch ein Paar Divifionen, wovon bald diefe - 
bald jene die ſtarken Pofitionen behauptete, die das Land uns 
aufhoͤrlich darbot. Dabey ließ er Alles zurück, was feinem 
Marſche Hinderlih war. Das Betragen der Soldaten war 
jedoch ſchaͤndlich; fie Führten fih, nah Lord Wellingtons 
Ausdruck, wie Barbaren auf. - Unter beftändigen Gefechten 


24 Der Krieg in Spanien und Portugal 





ging die franzöfifhe Armee endlib am 4. April über die 
‚Gränze, und fegte ihren Marſch nordwärte fort. Unterdef= 


fen war die englif : portugiefifbe Divifion Beresford im 
Eſtremadura eingerüdt, und hatte auch diefe Provinz vom 
Feinde gereinigt, und mit. der Eroberung von Dlivenza und 
Campo Mayor den Anfang gemadt. Gie hielt jegt Bada— 
joz blofirt. 

Maffena hatte fi in bie Stellung t von Ciudad Ro— 
drigo zuruͤckgezogen, Lord Wellington hingegen ſtand 
zwiſchen der Coa und Agueda, und ſchloß Almeida ein. Es 
war am 2. May, als Maſſena, um dieſen Platz zu ent— 
ſetzen, wieder vorwaͤrts ging. Er hatte beſonders ſehr viel 
Kavallerie. bey ſich. Am 3. griff er die engliſche Stellung 
bey Fuentes de Honor, jedoch ohne Erfolg, an. Am 6. ers- 
neuerte er feinen Verſuch, jedoch nicht mit ‚befferm Glück, 
In der Naht auf den 8. 309 er fi plöglih zurüd. Lord 
Wellington hatte feine kuͤhnſten Mandupres zu vereiteln 
gewufft. Der Verluft der Engländer belief ſich indeffen auf 
1700 Mann; der der Franzofen war. vielleiht doppelt fo 
groß. Sie lieffen allein auf einer Stelle 400 Todte zuruͤck. 
In der Naht auf den 10. zog fi die franzoͤſiſche Befagung 
in größter Stille aus Almeida, und fprengte babey einen 
Theil der Werke in die Luft. Sie ward indeffen eingeholt, 


und erlitt nahe bey der Brücke über die Agueda noch einen 


empfindliben Verluſt. ’ 
Die Belagerung von Badajoz hatte inzwifhen ihren An: 
fang genommen, und verforad einen fehr baldigen Erfolg. 


Allein am 12. May erhielt Marfball Beresforb Nach— 


richt, daß eine ſtarke franzöfifhe Armee, von Sevilla ber, 
gegen ihn im Anzuge ſey. Er ſchickte daher fein ſchweres 
Geſchuͤtz u. ſ. w. nach Elvas, und beſchloß, dem Feinde ent; 
gegen zu gehen. - Hier kam es am 16. zu einem heftigen 
Treffen, das für die Zranzofen fehr nachtheitig ausfiel. 
Goult, der den Oberbefehl führte, war gezwungen, ſich 


in ben Jahren 1808 — 1814. 25 





am andern Tage zuruͤckzuziehen. Der englifhe Verluſt 
ward auf 4000, ber franzöfifbe auf 9000 Mann gefbäßt. 
Lord Wellington war auf die erſte Nachricht von Soults 
Bewegungen in diefe Gegend geeilt. Er hatte fein Haupt: 
quartier zu Elvas, und betrieb nun die Eroberung von Bas 
dajoz mit großer Thätigfeit. Zwey Stürme der Engländer 
in der Nacht auf den 6. und 9. Juni wurden indeffen abge: 
ſchlagen; au liefen am 10. bedenkliche Nachrichten ein. Es 
war eine aufgefangene Devefhe von Soult an Mars 
mont. Gie enthielt das Geheimniß, daß die ganze franzd« 
ſiſche Hauptmacht nah Eftremadura beſtimmt ſey. Lord 
Wellington beſchloß daher, bie Belagerung von Efires 
madura aufjuheben, und über die Guadiana zurücdzugehen. 
Er bewerkſtelligte dies am 17. Juni ohne den mindeften Vers 
luſt, und zog fi nah Unter:Beira zurück. Am 20. erſchie⸗ 
nen die Franzofen mit einer fehr anfehnliden Macht in ber 
Nähe von Badajoz, und nahmen Stellungen längs der Gua⸗ 
diana bie Meriva. Ym diefen blieben fie bis zum 14. Juli, 
und zogen fi endlich nordwaͤrts nah Trurillo hinauf. 

Wir wenden uns nun wieder nad dem oͤſtlichen Spas 
nien, wo ebenfalls fehr viel Merfwürdiges 'vorging. Im 
der Naht auf den 10. April bemädtigten fih die Spanier 
ber ſtarken Feflung Figueras in Satalonien auf eine fehr 
fonderbare Art. Es befanden fih naͤmlich einige Gatalaner 
unter der franzöfifhen Garniſon. Diefe wufften fih mit dem 
Dbriften Roviras in Verbindung zu fegen, der Anführer 
einer Streifpartey war. Demzufolge erfbien er in der ges 
nannten Nacht mit feinen 1500 Manu vor der Zeftung, warb 
durch ein Ausfalltyor im Stillen hineingelaffen,, ſtach die eins 
zige Schildwache, die ihn entdeckte, nieder, überfiel die Befa= 
Bung im Schlafe, und machte die taufend Mann, worunter 
vierzig Offiziere, nieder, ohne einen Schuß zu thun. Anz 
fang May’s ſchloſſen dagegen die Franzofen ‚ unter General 
Suder, Tarragona ein. Da es indeffen. von der See 


f 
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26 Der Krieg in Spanien und Portugal 
—r — — — — — — — — —— — — — 
ſeite offen blieb, und eine engliſche Flotte in der Nähe war, 
fo fonnten die Einwohner Hälfmittel jeder Art an fih ziehen. 
Sie vertheidigten daher au ihre Stadt mit großer Tapfer« 
feit. Am 16. Juni ging jedoch ein Außenwerk verloren, 
und am 21. ward ein fo heftiger Angriff auf einen ber Haupt⸗ 
poften gemadt, daß aller Widerfiand unmöglih war. Die 
Belagerer machten fib Meijter davon, der Fall der unglüdk: 
lichen Stadt litt feinen Zweifel mehr. Dennqch ‚hielten bie 
Einwohner noch acht Tage aus. Allein am 28. Nachmittags 

drangen die Franzofen in Maffe durch die Brefhe vor, und 

richteten ein ſchreckliches Blutbad an. Ein Theil der Ein: 
wohner fuchte das Meer zu gewinnen, eine noch größere Anz 
zahl das Flahfeld. Es war ein entfegliher Anblick, diefe 

Unglüclihen theils ertrinten, theils unter den Schwertern 

ber Franzofen fallen zu fehen. Die Engländer thaten indef: 

fen alles Mögliche, um ihnen zu Hälfe zu fommen, und fiſch⸗ 

ten auch wirklich an 5—600 auf. Die Scenen des Wür: 

gend und des Plünderns wiederholten fih inzwifchen in der 

ganzen Stadt. Endlih wurden die Werke zerftört und Alles 

in Afche gelegt. Jetzt waren die Franzofen Meifter der ganzen 

Küfte von Catalonien, und tonnten nun, im Rüden völlig 

gedeckt, mit Sicherheit mweftlih gehen. Auch Figuerag 

hatte nämlich nach einer viermonatlihen Einſchließung am 19. 

Auguſt wieder Fapitnlirt. 

Eine Unternehmung bes Generale Blake auf Gra: 
nada fiel fehr unglücklich aus, Er warb bey Baza gänzlich 
gefhlagen, und muffte fih nah Murcia zurücziehen. Das 
für aber fegten die Guerillas im Norden von Spanien ihren 
einen Krieg mit vielem Gluͤcke fort. Unterdeffen war aud 
Lord Wellington aus feinen Kantonnirung : Quattieren 
in Beira aufgebroden, und fing an, Ciudad Rodrigo zu be: 
drohen. Dies hatte eine Gegenbewegung der Zranzofen zur 
Bolge, worauf es am 25. und 27. September zu heftigen 
Gefechten Fam. Lord Wellington fand es für raͤthlich, 


in ben Jahren 1808— 1814. 27 





die Ausführung feines Planes aufzufbieben,. und zog fi 
auf eine bedeutende Strede zurüd. Dagegen führte Gene: 
rat Hill am 28. Detober einen fehr gluͤcklichen Ueberfall 
aus. Dies gefhah bey Arroyo del Molino in Efiremadura, 
Die Franzofen verloren Gepäd, Artillerie, Magazine, und 
überdem nod 2000 Mann, 

Mit gleibem Glüde fohten aud einige fpanifhe Pars 
teygänger in Catalonien. General Lacy bemädtigte fi 
ver Stadt Igualada, und d'Eroles der Magazine von 
Servera. Lesterer fhlug fogar die Franzofen zweymal bey 
Puigcerda, drang ziemlih weit in Languedoc vor, und Fehrte 
mit vieler Beute und anfehnliben Brandfhagungen zurüd. 
Diefer Einfall verbreitete Schrecken in ganz Suͤdfrankreich. 
Das Gerücht ließ die. Spanier fhon in Nismes feyn. In 
Andalufien that Ballefteros, einer der beften ſpaͤniſchen 
Generale, den Franzofen bedeutenden Abbruch; doch ſetzten 
fie die Belagerung von Cadiz fort. Ihre Werke waren zu 
ſtark, als daß ein Angriff darauf einigen Erfolg verſprach. 
In Satalonien fiel Ende Octobers noch Murviedro, nachdem 
es beldenmüthig vertheidigt worden war.- Eben fo famauh 
Peniſcola, nebft andern feſten Punkten, in franzoͤſiſche Gewalt. 
Wir finden demnach am Schluſſe des Jahre 1811, daß zwar 
Portugal befreyt, Spanien aber mehr als jemals bebroht ift. 





XIV, 

Rah dem Falle von Murviedro drang Marfhall Sus 
bet unaufbaltfam vor. Blafe ward zweymal gefhlagen, 
und muffte ib auf Valencia zuräcdziehen. Man kennt bie 
Rage diefer Stadt am rechten oder weftlihen Ufer des Guada⸗ 
laviar, während die Vorftädte am linken oder öftlihen befind- 
lich, und beyde Ufer durch Brüden verbunden find, Die 
Zranzofen kamen. aus Satalonien, alfo von ber Dftfeite ber. 
Seit dem legten Angriff (1810) hatte man bier ungeheure 


28 Der Krieg in Spanien und Portugal 





Linien angelegt. Sie bildeten ein verfhanztes Lager für 
26,000 Mann, und waren mit mehrern hundert Kanonen- 
befegt. An 6000 Toiſen des herrlichſten Landes, der fhön- 
ſten Pflanzungen, der üppigften Wiefen waren hierzu vers 
wendet worden; man f&lug- die Koften auf zwoͤlf Millionen 
Realen an. Am Weihnabtabend, der fonft in Valencia mit 
dem größten Jubel und einer allgemeinen Beleuchtung gefeiert 
wird‘, befam man num/die erften franzöfifden Patronillen zu 
fehen. Am folgenden Tage erfhlenen bie feindliben Divi: 
fionen felbft. Am 2. Jan. 1812 erfolgte die Eröffnung der 
Laufgräben; vier Tage darauf waren fie ſchon bis 50 Toifen 
vorgerücdt. Das Spiel der Batterien vertrieb bie Spanier 
aus ihrem Lager, und nöthigte diefelben, fi in die Vorftadt 
zurüczuziehen. Am 5. Abends begannen fie die Stadt zu 
beſchießen, boten ‘aber zu gleiher Zeit eine fehr gemäßigte 
Kapitulation an. Da aber biefelbe vom General: Blake 
verworfen warb, fo machten fie drey Tage und Nädte bins 
durch ein entfeßliches Feuer auf die Stadt. Es brannte ba: 
her an zwanzig Stellen zugleih, auch flog ein Pulvermagazin 
auf. Untendeffen waren die Minirer bis an die Vorftabt ge: 
kommen, und hatten bereits zwey Hauptthore unterminirt. 
Die Einnahme diefer Vorftadt ſchien unvermeidlich; der Ue⸗ 
bergang über den Guabdalaviar nah Valencia felbft lieg ſich 
‚nur wenig vertheidigen;, dad Beyſpiel von Tarragona erin: 
nerte an die Schreckniſſe eines Sturms. General Blake 
ward daher vermocht, endlich in eine Kapitulation zu willi— 
gen, die auch fofort zu Stande fam. Auf diefe Art wurden 
die Franzoſen Meifter diefer großen Stadt, und fanden auf: 
fer unzähligen Huͤlfmitteln nur allein 374 Kanonen darin: 
Ahtzehntaufend Mann Linientruppen wurden ald Gefangene 
nah Franfreib geſchickt. Marſchall Suchet unterwarf 
hierauf in Kurzem die ganze Provinz. 

Unterdeſſen war aber auch Lord Wellington nach el⸗ 
ner zweymonatlichen Ruhe wieder gegen Ciudad Rodrigo 


in den Jahren 1808 — 1814. 29 


——— — — — —ñ — —ñ— — —— — — ——— 
vorgeruͤckt. Am 8. Jan. fing er an die Laufgraͤben zu er: 
öffnen, ohne daß der Feind es zu verhindern im Stande war. | 
Am 15. befanden ſich die Belagerer nur noch 50 Toifen von 
der Stadt. Eie hatten indeffen zwey heftige Gefechte mit 
den. Franzofen gehabt. Am 18. waren bedeutende Brefhem 
vorhanden. Am 19. Abends ward in fünf Kolonnen ge: 
ſtuͤrmt, und in weniger als einer Stunde befand ſich Alles 
auf dem Ball. So warb endlich diefe wichtige Gränzfeftung 
erobert, bie einer der Schlüffel von Spanien ift. Lord Wel: 
Tington ließ diefelbe fofort wieder in Vertheidigungftand 
fegen, und brad dann Anfangs März gegen Badajoz auf. 
Auch diefe Stadt ward nun in der Regel belagert, bis es in 
der Naht auf den 6. April zu einem Sturme fam. Diefer 
gelang jedo nur infofern, daß blos die Citadelle eingenom: 
men ward. Da aber biefelbe die ganze Stadt nebft allen 
übrigen Werken beherrfht, fo hatte bereits am folgenden Tage 
die foͤrmliche Uebergabe fiat. So erhielt denn Lord Wel: 
lington auch auf biefes Seite einen vortreffliden milifäris 
ſchen Stägpunft, von dem fich, wie von Ciudad Rodrigo ang, 
mit Sicherheit weiter vorſchreiten ließ. Beyde Pläge des 
ten zu gleicher Zeit die Gränze von Portugal. 

Um Badajoz zu Hülfe zu kommen, hatte ſio Soult 
von Cadiz und Sevilla aus in Bewegung geſetzt, und war 
bis Billafranca in Eſtremadura vorgeruͤckt. So wie er aber 
Nachricht von dem Fall diefes Plages bekam, fing er an ſich 
zurüdzuziehen. Diefes gefhah jedod mit großem Verluſt, 
ändem er durch die englifhe Kavallerie verfolgt ward. Er 
räumte hierauf Eftremadura gänzlih, und nahm feine vorige 

Stellung ein. Jetzt glaubte Lord Wellington feinen 
Hauptplan verfolgen zu können, und rücte daher aufs Neue 
gegen Marmont vor. Dieſer hatte während feiner Abs 
wefenheit, und um Badajoz etwas Luft zu verfhaffen, einige 
fruchtloſe Berfuhe auf Ciudad Rodrigo gemacht, und feine 
Streitkräfte ‚hierauf bey. Salamanca concentrist. Es 


- 


30 Der Krieg in Spanien und Portugal 








war am 16. Juni, als Lord Wellington vor dieſer Stade 
erfbien. Sogleih zog ſich Marmont über den Tormes 
zuruͤck, doch blieben die Auf Klofterruinen erbaute neuen Forte 
mit ungefähr 8goo Mann befegt. Lord Wellingion bes 
fahl, diefelben wegzunehmen, fand aber heftigen Widerftand. 
Nur erft am. 27. madte er fib theild durch Beſtuͤrmung, 
theils durch eine Kapitulation Meifter davon. Es zeigte fich, 
daß die Anlage und Bauart derfelben ungewöhnlich ſtark war. 
Marmout, ber bis jegt verfhhiebne Bewegungen gemacht 
hatte, um die Verbindung mit benfelbeu zu unterhalten, zog 
ſich nun über den Duero nad Tordeſillas zurüd. Lord Wel- 
lington folgte ihm am 1. Juli auf dem Fuße nad, und 
nahm eine Pofition zu Rueda. 

Am 7. erhielt Marmont bedeutende Verftärfungen 
aus Afturien, und ward jeßt wieder der angreifende Theil. 
Es hatten nun einige Bewegungen und Gegenbewegungert 
zwifhen den beyden Armeen ſtatt, wobey es zu mehrern 
Gefechten kam. Marmonts Abſicht war, die Englaͤn—⸗ 
der von ihren Verbindungen mit Salamanca und Ciudad 
Rodrigo abzuſchneiden; Lord Wellington fuchte dies zu 
verhindern, und bot ihm zu gleicher Zeit eine Schlacht an. 
Diefe fand endlih am 22. Zuli flatt, war Äußerft moͤrderiſch, 
und endigte mit der gänzlihen Aufloͤſung der franzoͤſiſchen Ars 
mee. Unterdeffen waren bereits neue Verfiärfungen für dies 
felbe im Anzuge gewefen, namentlib Soferh Buomaparte 
felbft mit 16,000 Mann. Letzterer fuchte fi felbft noch jetzt 
mit Marmont zu vereinigen, ward aber durch Lord We 
lingtons Bewegungen feht bald gezwungen ſich zurädzu- 
ziehen. Während nun Marmont:in voller Flucht auf 
Burgos begriffen war, folgte Lord Wellington am 6. 
Auguſt dem fogenannten König Joſeph nah, und zog nach 
einigen hartnaͤckigen Gefechten wirklich am 12. zu Madrid 
ein. Joſeph Buonaparte hatte indeſſen Zeit gehabt, 
mit ſeinem Hauptkorps Toledo zu gewinnen, und beabſichtigte 


in ben Jahren 1808 — 1814. | 31 








nunmehr eine Verbindung mit Suchet. Indeſſen befand 
ſich noch eine franzoͤſiſche Beſatzung im Netiro, wo die auf 
einer Anhöhe liegende ehemalige Porcellan: Fabrik in ein Fort 
verwandelt worden war. Eben wollte Lord Wellington 
daſſelbe ſtuͤrmen laffen €13. Abends), als fih der Kommans 
dant auf Kapitulation ergab. Die Engländer machten 2500 
Gefangene, befrepten eine Menge patriotifher Spanier, 
und erbeuteten,, außer 189 Kanonen, fehr bedeutende Vors 
räthe aller Art. Dies waren alfo die erfien Früchte ber 
Schlacht von Salamanca. 

Eine zweyte Folge bavon war die Aufhebung der Belas 
gerung von Gabiz (25. Auguft), die Räumung von Sevilla, 
Jaen, Cordova, Aftorga und Bilbao. Soult und Vie— 
tor fühlten das Bebürfniß, fih mit den übrigen franzöfis 
fhen Streitkräften zu vereinigen; der Einfluß des ruffifben 
Krieges war unverkennbar. Unterdeffen übernahm Maffes 
na wieder den Befehl der fogenannten Armee von Portugal, 
Lord Wellington reiste daher am ı. September von Ma: 
drid ab, verfämmelte feine Armee zu Arevalos, brach dann 

am 4. mit berfelben auf, ging über den Duero, und marf&irte 
auf Valladolid. Der Feind zog ſich beftändig in der Richtung 
von Burgos zuräd; er ward auf dem Fuße verfolgt. Am 

16. 309 Lord Wellington drey fpanifhe Infanterie:Divis 
fionen nebft einiger Kavallerie unter General Caftannog 
an fi, und ging am folgenden Tage gerade auf Burgos los. 

‚ Die Sranzofen hielten ſich einige Zeit auf den benachbarten 

Anhoͤhen, zogen aber des Nachts in großer Eile durch Burs 
gos hindurch, und in der Richtung nab Bribiefco zus 

Burgos wird dur ein Caftel vertheidigt, das auf der 

Spiße bes Berges liegt, an welchem fih die Stadt hinabs 
zieht. Diefes Caſtel beherrſcht die Bruͤcken über den Arlans 
zon, ber Burgos von der Vorftadt trennt. Die Franzofen 
hatten daſſelbe nit nur fehr ftarf befeſtigt, fondern auch zur 
beffern Bertheidigung deffelben, auf einer benachbarten Uns 


od 


32 Der Krieg in Spanien und Portugal 





höhe, noch ein vortrefflihes Hornwerk angelegt. Eine ans 
fehnlide Garnifon, die fie zurüdgelaffen hatten, verhinderte 
nun den Üebergang der Engländer zwey Tage lang. Doch 
am 20. befand fih Lord Wellington bereits auf dem ans 
bern Ufer, und nahm das Hornwerk mit Sturm weg. Am 
22. ward nun auch ein Sturm auf die Außenwerf? des Ca—⸗ 
fteld gewagt, allein fo muthig zurücgefhlagen, .baß ber 
Verluſt, beſonders unter den Portugieſen, bedeutend war. 
Am 29. ſprengten die Englaͤnder eine Mine, und machten 
dadurch eine Breſche in den aͤußern Wall. Sie verſuchten 
hierauf einen zweyten Sturm, wurden aber gleichfalls zuruͤck⸗ 
getrieben, da ihre Reſerve, der Dunkelheit wegen, zu ſpaͤt 
ankam. An eine Erweiterung der Breſche ließ ſich durchaus 
nicht denken, indem das feindliche Feuer zu uͤberlegen war. 
Indeſſen lieſſen die Belagerer am 4. October eine neue Mi⸗ 
ne ſpringen, erhielten eine ziemlich große Breſche, drangen 
fofort vor, und ſetzten / ſich in den Außenwerken feſt. Die 
Belagerten machten dagegen am 6. und 10. Ausfaͤlle, thaten 
auch den Englaͤndern bedeutenden Schaden, konnten aber doch 
nicht verhindern, daß auch eine Breſche in der innern Linie 
gemacht, und eine Truppen-Abtheilung darauf poſtirt ward, 
So ftanden die Saden bis zum 18., ale Lord Wels 
lington einen dritten Sturm zu verfuben beſchloß. Die 
Truppen hatten unterbeffen friſche Munition: Zufuhren erhals 
ten, aud eine dritte Mine angelegt. Diefe fprang in der 
Naht auf den 19., und fofort begann der Sturm; allein 
bad Feuer der Belagerten war fo heftig, daß er, troß der 
größten Tapferkeit, durchaus mißlang. Inzwiſchen hatte 
ſich Maffena bedeutend verflärft, war wieder vorgerüdt, 
“und marfoirte, wie alle feine Bewegungen andeuteten, zum 
Entfag von Burgos herbey. Lord Wellington erhielt 
zu gleiber Zeit Nachrichten, daß die Divifion Hill am 
Tajo ebenfalls bedroht fey. Er glaubte ſich daher ſchnell mit 


berfelben vereinigen zu müffen, brach in der Wacht auf. den 
20. 


in den Jahten 1808 — 1814. Kr 








20. plöglih auf, und trat feinen Rückzug gegen den Duerd 
art. Der Zeitverluft mar unfireitig der unangenehmfte Um: 
fand bey diejer mißlungenen Unternehmüng, denn auf diefe 
Art hatte ib Maffena mit großer‘ Bequemlichkeit ver: 
färft. Lord Wellington ward erfi am 22. verfolgt, 
dann aber drängten die Feinde hart auf feinen Hintertrab, 
Er wuffte aber fo gefickt zu mandupriren, daß er fih von 
Pofition zu Pofition, erft bis nah Salamanca, dann bis 
nach Ciudad Rodrigo, dann bis Freynada an der portugieji: 
fen Oränze zog (24: November). Madrid ward von den 
Engländern ſchon in den letzten Tagen des Octobers geräumt, 
bas Fort im Retiro aber natürlich vorher zerfiört. \ 

Dies ift die Kriegsgefchichte des Jahre 1812, was nämlich 
Die Hauptbegebenheiten betrifft. Unternehmungen, die fei: 
nen Einfluß auf das Ganze hatten, blieben natürlıdh uners 
wuͤhnt. Wir haben gefehen, daß Lord Wellingtong 
Plan, die Franzoſen aus Spanien zu vertreiben, vortrefflich 
angelegt war, Wenn derfelbe bemungeadtet diesmal noch 
mit gelang, fo ift die Urfahe blos in der Schwäde feiner 
Streitfräfte zu ſuchen, deren Verhältnig fih nach ſolchen An: 
firengungen leiht beurtheilen laͤſt. Die Mitwirkung der 
Spanier konnte diefelben wenig oder gar nicht vermehren, 
benn noch immer gebrach es ihnen an Einfiht und Jufammen: 
hang. Ein wichtiger Schritt zur Verbefferung indeffen mar 
Wellingtons Ernennung zum Oberbefehlshaber aller (pas 
hifhen Armeen, Schon früher hatten ihn auch die Gorted 
zum Grande erfter Klaffe, und zum Duque de Ciudad Ro⸗ 
drigo ernannt. 





XV. | 
Wir beginnen nun die Kriegsgefbichte bes Jahrs 1813, 
bad die merfwürdigfien Begebenheiten herbenführen wird, 
Bis jet hatte das englifhe Minifterium den Krieg in Spas 
Europ. Annalen. zoted Stud, 1815. 3 


34 Der Krieg in Spanien und Portugal 








nien nur ale einen untergeorbneten-Gegenftand angefeherr.. 
Lord Wellington war baher nie in dem Grade verſtaͤrkt 
worden, ale es zur Erreihung des legten Zwedes nöthig 
ſchien. Doch auf einmal änderten die Minifter ihr Syftemz 
ſey ed nun, daß dies in Folge der Vorfälle in Rußland ober 
ber Vorftellungen Lord Wellingtong, oder der Vorwürfe 
ber DOppofition, ober endlich der eignen Ueberzeugung geſchah. 
Genug, Lord Weltington erhielt nunmehr fo anfehnlide 
Berftärkungen, daß er feinen großen Wlan auszuführen- ine 
Stande war. Indeſſen vergingen beynahe. fünf volle Mo— 
nate, ehe er mit ber gänzlichen Organifation feiner Armee zu 
Stande fam. ie war dann ‚ Engländer und Portugiefen; 
 zufammen 70,000 Mann ſtark, worunter 8— 10,000 Mann 
Kavallerie. Was die Spanier anlangt, fo ſtellten fie unge: 


+ fähr 30,000 Mann. 


Lord Wellington hatte den Worfaß, den Krieg mit 
einem Hauptſchlag zu-endigen, und Alles begünfligte diefen 
Entſchluß. Buonaparte war burd-die Unfälle des vori: 
gen Jahre gezwungen worden, eine bedeutende Maffe feiner 
beften Truppen, fo wie feiner vorzuͤglichſten Generale aus 
Spanien zu ziehen. Dunkle Gerüchte von den Niederlagen 
in Rußland waren felbft bis über die Pyrenaͤen gedrungen, 
und (dwächten den Geiſt der ganzen Armee. Auf der andern 
Seite waren dagegen die verbündeten Truppen mit der feu— 
rigften Kampfbegierde erfüllt. Indeſſen zählten die Franzo: 
fen doch nod immer an 80,000: Mann, behaupteten febr 
ſtarke Pofitiouen, und waren auf der ganzen Linie ihres 
Ruͤckzugs durch fefte Plaͤtze gedeckt. — 

Endlich hatte Lord Wellington ſeine Zuruͤſtungen 
geendigt; mit Blitzesſchnelle brach er jetzt Ende May's nach 
Salamanca auf. Seine Armee war in drey Theile getheilt. 
Von dieſen kommandirte er ſelbſt das Centrum, das meiſtens 
aus leichten Truppen beſtand. Er entwarf ſich einen vortreff⸗ 
lichen Plan. Während er, nämlih mit dem Centrum raſch 


, 


in ben Jahren 1808 — 1814. 35 





gegen den Feind vorrücdte, und dabey von feinem rechten 
Flügel. gedeckt ward, ließ er feinen linken, ganz gegen: Ers 
wartung ber Franzoſen, und außer ihrem Bereich, bey Bra: 
ganza. über den Duero gehen. Die Folge hiervon war, daß 
der Feind alle feine flarken Pofitionen verließ, und fih in 
Eile zurüdzog. Ja, er hielt fi felbft zu Burgos nicht: für 
fiber, fondern floh immer dem Ebro zu. Flucht ift naͤmlich 
das wahre Wort, das man von einem fo übereilten Marſche 
brauchen muß. In Burgos zum Beyſpiel fprengten. bie 
Eranzofen das Caſtel, allein in folder Haft, daß ein Theil 
der Befagurg babey umkam. . Sie hatten offenbar ben Plan, 
ſich Hinter dem Ebro zu feßen, allein Lord Wellington 
kam ihnen fehr gefickt zuvor: Am 16. Juni befand fi bes 
reits feine ganze Armee auf dent jenfeitigen Ufer, und fegte 
die Verfolgung des Feindes, der weiter unten hinübergegaus 
gen war, mit größter Schnelligkeit fort. 

Am 19, Juni Abends nahmen die Franzoſen eine Stel: 
lung bey Vittoria. Joſeph Buonaparte führte 
dem Namen nah ben Öberbefehl, eigentlih aber komman⸗ 
dirte Marfhall Jourdan. Eine Shlaht war nunmehr 
unvermeidlih; Lord Wellington machte alfo Halt, um 
alle feine Kolonnen ar ſich zu ziehen, tefognoscirte die feind: 
libe Stellung, und entwarf ſeinen Angriffe: Plan. Hier: 
über verging der zwanzigſte, welches ein Sonntag war, 
Endlich am 31. mit Tages: Anbruch begann die Schlacht. Die 
Engländer drängten zuerft den linken Flügel des Feindes zus 
ruͤck, und nahmen dann alle vor feiner Linie liegenden Doͤr— 
fer in Befig: Die Franzofen veränderten ihre Stellung, und 
zogen fi in guter Ordnung näher auf Vittoria. Hier bes 
Harinen neue Angriffe, und mit gleich guͤnſtigem Erfolg. 
Endlich wurden die Engländer überall Sieger, und trieben 
die Franzoſen in größter Unordnung zuruͤck. Zu gleicher 
Zeit ſchnitten fie ihnen die große Heerſtraße nah Frankreich 
ab, und zwangen fie, die nah Pamplona einzufglagen, wo 


36 Der Krieg in Spanien und Portugal 








wo keine. Artillerie fortzubringen if. Die Folge davon war 
der gänzlihe Werluft derfelben, und die völlige Aufloͤſung 
bes franzöfifhen Heers.. Der. Sieg von Wittoria befies 
gelte den Anfang der endlihen Befreyung von Spanien. Die 
Sranzofen zogen ſich, wenigftens auf diefem Punkte, über 
die Pyrenden zuruͤck. Selbft die Divifionen Clauſel und 
Foy, die keinen Antheil an der Schlacht von Vittoria ge— 
nommen hatten, wurden in Kurzem gezwungen, daſſelbe zu 
thun. 

Lord Wellington hatte in ſeinem großen Plane auch 
eine Unternehmung gegen Suchet beſtimmt gehabt. Dies 
felbe follte von einem englifhen Heere ausgeführt werden, 
das ſchon vor langer Zeit zu Ulicante ausgefhifft worden 
war. Eine Landung in Catalonien und die Belagerung von 
Tarragona war das erfie, was nunmehr vorzunehmen war. 
Wirklich führte Sir John Murray, der die Truppen be= 
fehligte, feinen Auftrag anfangs nah Wunſch aus. Allein 
faum erhielt er von Suchets Anmarſch einige unbeftimmte 
Nachrichten, als er fih in Eile wieder einfaiffte, und nad 
der valencianifhen Küfte zurüdging, Es fdeint, daß er 
von einem paniſchen Schreden ergriffen worden, und nicht die 
nöthigen Talente eines Feldherrn beſaß. Gewiß ift, daß 
man fein Betragen in England fehr tadelnswerth fand. 

Kaum hatte unterdeffen Buonaparte von der Schlacht 
von Vittoria Nachricht erhalten, als er die Refte feiner Armee 
von allen Seiten verftärten ließ. Zu gleiher Zeit fandte er 
ben Marfball Soult, ber fi bey ihm in Deutſchland be: 
fand, ald neuen Oberbefehlshaber derfelben nah Baronne ab, 
Alles diefes gefhah in ſolcher Eile, daß die franzöfifbe Armee 
fhon Ende Juli’s wieder an 60,000 Mann ſtark war. Ihre 
Linie zog ſich längs dem Adour von Bayonne bis Dieron. 
Lord Wellington zählte bagegen 40,000 Engländer, 
25,000 Portugiefen, eben fo viel Spanier, die 4— 6000 
Mann ftarten Korps von Longa und Mina, und übers 


l 


in ben Jahren 1808 — 1814. 57. 








haupt fämmtlihe Guerilla unter feinem Befehl. Seine 
Stellungen waren bey Irun, Ceſaco und Maya. Er be: 
herrſchte mit leßterer den großen Bergraß von Pamplona 
nab St. Sean Pied de Port. Eben fo hielt er den Paß von 
Roncevalles befegt, der von Pamplona nah Bayonne führt. 
Auch diesmal hatte Lord Wellington einen vortrefflien 
Plan. Noch befanden fh nämlich franzöfifhe Beſatzungen 
in Pamplona und Sau Gebaftian, Er beſchloß, diefe Pläge 
vor allen Dingen befagern zu laffen, die franzäfifhe Haupts 
armee inzwifhen zu befhäftigen, und nach dem Falle jener 
Zeftungen mit feiner gefammten Macht über die Pyrenaͤen 
zu gehen. 

Soult, unſtreitig einer der beſten franzoͤſiſchen Gene. 
rale, errieth diefen Plan, und berechnete folglid feine Bee 
wegungen darnach. Sein Hauptaugenmerk war die Entfe: 
Bung von Pamplona und San Sebaftian. Dies follte theile 
dur wirflihe Angriffe auf die engliſche Armee, theils durch 
geſchickte Bewegungen geſchehen. Ein ſolcher Angriff hatte 
demnach am 24. Juli auf die beyden Poſitionen von Ronce— 
valles und Maya ſtatt, und wirklich waren die Englaͤnder ge⸗ 
zwungen, ſich etwas zuruͤckzuziehen. Die zwey folgenden 
Tage warb nun von beyden Seiten mit großer Tapferkeit ge: 
kaͤmpft. Soult ſuchte zuerk das engliſche Centrum zu 
durchbrechen, und zugleich den rechten Fluͤgel zu umgehen. 
Da er aber auf's Kraͤftigſte zuruͤckgewieſen ward, machte er 
auf dem linfen Flügel einen zweyten, jedoch gleihfalld ver: 
geblihen, Verfuh. Jetzt am 29. griff ihm Lord Welling: 
ton feinerfeitd an, umging feinen rechten Flügel, durchbrach 
fein Gentrum, und brachte ihn in gänzlide Unordnung. Die 
Beſchaffenheit des Bodens gemährte indeffen den Franzofen 
einen bedeutenden Wortheil. Sie ſammelten fib von Neuem, 
und nahmen eine fehr gute Pofition. Es ward daher vom 
30. bis zum 2. Auguft immer fortgefämpft. Nur erft an 
diefem Tage, und nach fehr heftigen Gefechten gingen bie 


Ze 
38 | Der Krieg in Spanien und Portugal 








legten Refte der feindlihen Divifioyen bollends über die Py⸗ 
renden zurüd. Dieſe Schlachttage wurden gewoͤhnlich für 
einen gerechnet, der unter dem Namen Pprenden: 
Schlacht bekannt geblieben if. Die Franzoſen verloren 
an 15,000 Mann, worunter 4000 Gefangene, die allürten 
Truppen zwiſchen 2— 3000 Mann, Lord Wellingtons 
Pan war nunmehr ausgeführt, und die Befreyung Spa: 
nieng als gewiß anzufehen, Es blieb jegt nichts mehr übrig, 
als die Eroberung von San Sebaftian und Pamplona, und 
Sudets Vertreibung aus dem Öftfihen Spanien. 


— Um San Sebaftian zu belagern, hatte Lord Welling— 
kon fhon Anfang Juli's zwey Divifionen unter dem General 
Graham adgefandt, -Diefer feste ſich in Kurzem in den 
Beſitz eines wichtigen Yußenpoftens, und yerfuchte endlich am 

24. Juli, nad zwey gemachten Wallluͤcken, einen förmlihen 
Sturm, . Allein trog aller Tapferkeit ber Truppen ward ber: 
felbe‘ abgeſchlagen, und Die Belagerer verloren eine Menge 
- Leute dabey. Sie ruhten nun einen pollen Monat, und 
machten allerhand Anftalten zu einem neuen Verfuh. End: 
lich am 26, Auguſt begannen fie das Feuer wieder, und am 
30. ſchickten fi fie ſich zu einem neuen Sturm an. Go wie bie 
Kofonnen aus den Laufgräben famen, wurden fie mit dem 
heftigſten Kartaͤtſchenfeuer begrüßt; zu gleicher Zeit ſpreng— 
ten, die Belagerten eine Mine, die großen Schaden that. 
Dennoch eilten die. Truppen furchtlos gegen bie Breſche vor. 
"Allein jegt zeigte fih, daß fie bey Weitem nicht fo zugaͤnglich 
war, als es in ber Ferne ſchien, daß fie auf beyden Geiten 
von einem mörderifchen Musfetenfeuer beftrihen ward, und dag 
fi auf dem obern Theife derfelben mit einem Manne Pofto 
faſſen ließ, Im diefer Verlegenheit befahl General Gra: 
ham, fie von Neuem zu befhießen, was auch fofort bewerk⸗ 
ftelfiget ward. Die Kugeln flogen babey nur wenig Zuß über 
die Spige der Stürmenden hinaus, Unterdeſſen nahm eim 


— 


im den Jahren 1808 — 1814. 39 





Theil derfelben von einer Bleinen Breſche, zur Rechten ber 
großen, Befiß, der übrige fehrte in die Laufgräben zuräd. - 
In Kurzem wurden nun die Wirkungen des Geſchͤtzes 
fihtbar, und General Graham beſchloß einen abermaligen 
Sturm. Die Truppen begannen denfelben mit bewunderns— 
würbdiger Tapferkeit, und famen endlich glücklich auf die Spi⸗ 
ge hinauf. Dies geſchah jedoch mir großem Verluft, indem 
der Feind in Verzweiflung foht. Allein nunmehr hielt auch 
die Sieger nichts mehr auf. Sie trieben die Franzofeh von 
Punkt zu Punk, von Straße. zu Straße aus allen ihren neus 
angelegten Schanzen, Berrammlungen u.f.w., und zwangen 
fie endlih, fih in die Gitadelle zurückzuziehen. Hierbey 
Ponnte es allerdings, im der erften Hige, nicht ohne Gewalt⸗ 
thätigfeiten, felbft gegen die unglüclihen Einwohner, ab: 
geben; indeffen ftellte der General und feine Offiziere bie 
Disciplin fehr bald wieder her. -Won-nun an unterhielten 
die Engländer ein ſo lebhaftes Feuer auf die Eitadelle, daß 
biefe endlich am 8. Sept: dur Kapitulation überging. Die 
Garnifon, 2600 Mann ftarf, ward nad England eingeſchifft. 
 Bamplona war feit Anfang Juli's blofirt gewefen, es 
ergab fich endlich (31. Det.) ebenfalls. Sehr viel trug hierzu 
bey, dag gleich nach der Pyrenaͤenſchlacht ein großer von Ba: 
yonre dahin beſtimmter Proviant: Transport abgefbnitten 
worden war. Gegen Sucher endlih begannen die Dperas 
tionen auf folgende: Art, Lord Bentinck übernahm das 
Kommando der englif : ficilianifhen Armee, die, wie wir 
gefehen haben, unter General Murray, von Tarragona 
nach der Küfte von Valencia zurückgegangen war. Der Geiſt 
diefer Armee ſcheint nicht der befte gewefen zu feyn, da fie, 
etwa ein Viertheil abgerechnet, größtentheils aus ſiciliani— 
ſchen Truppen beftand.. Im Ganzen war fie auch nur 12,000 
Mann ſtark. Lord Bentind beſchloß einen zweyten Ver: 
ſuch auf Zarragona zu mahen, und fam in den erften Tagen ' 
bes Auguſts im der Nachbarſchaft dieſes Platzes an. Hier 


40 Der Krieg in Spanien u. Portugalim d. J. 1808⸗ 1814. | 





vereinigte. er fi mit einer fpanifhen-Divifion unter dem Dus 
que bel Parque, und fann auf eine ſchickliche Poſition 
zur Deckung der Belagerung. Allein unterdeſſen verſammelte 
Suchet, ber ſich jetzt wieder in Catalonien befand, alle feine 


Streitkräfte zu Villgfranca, und ruͤckte, 25,000 Mann ſtark, 


— 


gegen ihn vor. Dies hatte Lord Bentincks Ruͤckzug bis 
nach Hoſpitalet zur Folge, was ungefähr zehen Stunden be: 
tragen mag. Suchet fprengte hierauf die neuen Werfe von 
Tarragona, und nahm feine vorige Pofitiom wieder ein. Uns 
fangs September indeffen drang Lord Bensind, nahdem 
er eine zweyte ſpaniſche Divifion an fih gezogen hatte, von 
Neuem vor, und befand ſich bald in der Mähe der franzoͤſi⸗ 
ſchen Pofition. Es kam daher zu einem heftigen Gefehte 
zwifchen feinem Vortrab und einem großen Theil der-feindlis: 
chen Armee, Der Ausgang deffelben hatte eine abermalige 
Zuruͤckbewegung der Engländer zur Folge, die jedoch nur bie 
Tarragona ging. Es ſcheint, daß nichts im Catalonien ge— 
lingen follte, als bis Lord Wellington. felbft in Frank: 
reich eingerüct war. - - Zr 
Bergebens hatte Soult in den letzten Tagen bes Aus 
guſts noch einmal: vorzudringen, und Wamplona zu entfegen 
gefuht. Er ward gaͤnzlich zurücgetrieben, und die engliſch⸗ 
fpanifhe Armee ftellte ſich länge der Bidaffoa auf... Am 7. 
Sept. ging diefelbe an mehrern Punkten glücklich hinüber, 
und that Wunder von Tapferkeit. Die Franzoſen werlieffen 
ihr werfhanztes Lager bey 2a Sarre, nahmen aber eine neue 
ſehr ſtarke Pofition. Lord Wellington: wartete daber 
den Fall von Pamplona ab, um die dortigen Divifionen an 
ſich zu ziehen. Dies, verbunden mit dem anhaltenden Res 
genwetter, hielt den Angriff bis zum 10. Nov, auf, Allein 
nun ward. derfelbe auch aͤußerſt gluͤcklich ausgeführt, Die 
Franzofen wurden auf allen Seiten geworfen, und mufften 
fi immer weiter zurückziehen. : Sie nahmen endlich eine 
neue Pofitiom: in der Nähe von Bappune, und fhlugen ba; 


Einige biftor. Notizen d. neuerl. Sreigniffe in Frankr. betr. Be 








felbft an der Sübdfeite des Adour ein Lager auf. — Doch 
bier endigen wir die Geſchichte des Krieges mit Spanien und 
Portugal, denn Wellingtons fernere Fortſchritte in 
Frankreich, Suchets Räumung von Satalonien u. f. w. find 
bereits feit 1814 aus authentiſchen engliſchen Nadrichten hin: 
(änglich bekannt, | 





II. 
Einige hiſtoriſche Notizen 
die neuerlichen Ereiguiſſe in Frankreich betreffend, 





Man iſt über die legten Begebenheiten in Franfreich 
fleht unterrichtet. Daß fib Napoleon ehemals eine 
ungeheure Gewalt verfhafft hatte; daß man, in und außers 
halb Frankreich, den Druck diefer Gewalt ſchrecklich fühlte — 
dies weiß Jeder. Mber Napoleons Gewalt war vers 
fhwunden. Seine Zurädfunft von ber Infel Elba beruhte 
auf andern Gründen. — Er war fdon faft allgemein ver: 
abfheut, als die Bourbons im Jahr 1814 wieder nad 
Franukreich famen. Alle Gutgefinnten, alle Patrioten fahen 
die Ankunft derfelben nit nur ohne Unwillen, fondern fo: 
gar mit Vergnügen. Nur bias den vielen Fehlern, die 
Zubwig XVIIE, fein Anhang, und feine Minifter begin: 
gen; den Anftalten zu weitern Reformen, die fie machten; 
der Abgeneigtheit von der neuen Drbnung der Dinge, bie fid 
oft mit Bitterkeit verrieth; den Projekten, die ein Theil: 
des alten Adels, und die Geiftlichkeit, unvorfihtigerweife 
blicken lieffen, und die mit dem Geift der Zeit, mit den Ideen 
und Anſichten, welche die Revolution in Umlauf gefegt, im 
Widerfprud. fanden — nur blos diefen Umftänden war ed 
jugufgreiben, daß faft alle Leute auf den Lande, ein großer 


wr * Einige hiſtoriſche Notigen 


Theil der Bewohner der Städte, und bie große Mehrheit 
aufgeflärter Patrioten überall .eine Veränderung wuͤnſchten. 
Der Zuftand des gemeinen Mannes in Frankreich, und ganz 
vorzügli der Landleute, hatte fih während der Revolution 
außerordentlich verbeffert. „Ihr lebt wie Feine Fuͤrſten,“ 
fagten viele der zuruͤckgekommenen Emigrirten zu den Bauern, 
„das muß wieber anders werden!” — Die Magregeln der 
Bourbon, die Andeutung der Wiederkehr des alten Re: 
giments machten fie unruhig. Es fehlte nicht an regen und 
an unzufriebmen. Leuten, die diefe Stimmung zu benußgen 
ſuchten. Die Bourbon würden fib nicht haben halten 
Finnen, hätte aub Napoleon nicht mehr eriflirt. 

Bonaparte, auf der Infel Elba von Allem unterrids 
tet, benugte diefen Zufland. Er fam zuruͤck. Er richtete 
die dreyfarbige Sahne wieder auf, deren Anblick beym heutis 
gen Franzofen fo viele angenehme, ihm vertraut gewordene 
Gefühle. erweckt — welche die Bourbong den Unverftand 
hatten, und noch haben, nicht annehmen zu wollen, Er er⸗ 
kannte die Bolfs:Spuperainetät an, wofür jene ein goͤttliches 
Recht fubftituiren wollten — da doch fogar nah Maffil: 
Ion (fiehe le petit Careme) bie Gottheit durd die Stims 
me des Volks fib ausſpricht; — flatt einen. Frenheitbrief 
‘(eharte) zu bewilligen, flug er eine Konftitution-Afte 
vor, die von den Bürgern unterzeichnet werben follte — 
freylih ein hoͤchſt unzureichendes Mittel, die oͤffentliche Mei: 
nung zu befragen, aber beffer doch, als Bewilliguyg von 
oben herab, als: Verguͤnſtigung von einer abfoluten Gewalt, 
Er glaubte fogar eine volfserwählte Verſammlung berufen zu 
müffen, und zu re hielt man ihn für den geſchickte⸗ 
fien General, um ben Einfall von 600,009 Solbaten zurüd 
zu treiben, welchen bie Minifter Ludwigs XVIII. in 
Wien veranftaltet zu haben ſchienen, und welcher, zufolge 
‘der Proflamation deffelben von Gent, unter ben wehenden 
Lilien gemacht werben follte. Alle diefe Umftände, weit mehr 





# 


die neuerlichen Ereigniſſe in Frankreich betreffend. 43 








als der Geiſt der Unzufriedenheit in der Armee, hatten dazu 
bevgetragen, Bonaparte von Neuem zum Souverain von 
Frankreich zu machen. Selbſt die Patrioten, die am wenig: 
ſten Vertrauen in ihn ſetzten, wollten, während einer fo ber 
drängten Lage ihres Landes, nicht mäßige Zuſchauer bleiben, 
und waren gezwungen, zu wählen, zwiſchen der Partey ber 
Fremden, der Sontrerevolutioniften,, der feindlich Einfallen: 
den in's franzöfifhe Gebiet, und der Nationalvartey, welche 
den Boden und ‚die politifhe Unabhängigkeit von Frankreich 
vertheidigte, an die dbeliberirende Verfammlung und an bie 
Armee fih anſchloß — eine Armee, von einem Chef ange: 
führt, melden die Zeitumftände wieder an die Spitze bed 
Gonvernements geftellt hatten, und welchen das Vertrauen 
der Soldaten in ihn für diefe unentbehrlih machte, 


Unter ſolchen Eritifchen Umftänden verfammelte fi die 
Kammer ber Deputirten. Ihr Berbältnig zu Bonaparte 
gründete fih nur blos auf's gefühlte Beduͤrfniß ihn benugen 

. zu muͤſſen ald Chef des Staats, und ald Armee:Chef von 
entfgiedenen Verdienſten. Deswegen fiel auch die Wahl der 
vier erfien Präfidenten auf Männer, die dem Kaifer perfänlich 
abgeneigtdaren, wie Lanjuingis — im. 1814 ein Mit: 
verfaffer der Entſetzung-Akte Navoleons — und Lafa— 
yette.— welder wider bie lebenslaͤngliche Konſulwuͤrde ge⸗ 
ſtimmt, und ſeitdem alle Verbindungen mit ihm abgebrochen 
hatte. Dieſer weigerte ſich auch jetzt von der Kammer der 
Pairs zu ſeyn, aber er hielt es, in einem ſo kritiſchen Au⸗ 
genblick, feinen Grundſaͤtzen tät zuwider, die Stelle eines 
volßserwählten Deputirten anzunehmen- Er weigerte ſich 
fogar bis auf den legten Tag, eine Zufammenkunft mit dem 
Kaijer zu haben, indem er erflärte, daß er jede Maßregel, 
um dem Einfluß und dem Eindringen auswärtiger Feinde zu 

widerſtehen, zwar unterflüßgen, aber in Bein perſoͤnliches Ver: 
hältnig mit einem Manne fih einlaffen wolle, dem er ſich 


44 Einige hiſtorlſche Notizen 





widerſetzen wuͤrde, ſobald er wieder despotiſche Abſichten ver 
riethe. | 

Die Gelegenheit hiezu ereignete fih bald. — Bon a 
parte hatte die Baraille von Waterloo, oder Mont St. 
Sean, verloren, und fam ſchnell nah Paris, in der Abſicht, 
von feinem Bruder Lucian’und einem Theil der Minifier 
unterfiüst, die National:Verfammlung aufzulöfen, und ſich 
zum Diktator zu erklären. — Die fhredlihfte Tyranney 
war unausbleiblihb, wenn ihm diefer Anfchlag gelang. Die ' 
KHauptfiadt, wie das Land, wären, mit Napoleon, unter 
denfelben Schredend:Maßregeln zu Grunde gegangen. 

Lafayette, vom Complott unterrichtet, wie man ſchon 
die Paradewagen hervorholte, und überzeugt von ber Wirk: 
lichkeit deffelben, durch die Ausfage ber Minifter, die fih dem: 
felben wibderfegt hatten, begab fih in die Kammer der De: 
putirten ohne alle vorläufige Verabredung, und vereitelte bad 
Vorhaben des noh mähtigen Kaifers durch die folgende Rede 
(ſiehe VIndependant No. 53. u. Beil. No. 1.)., 

Es war das Erftemal, daß Lafayette bie Tribune 
in dieſer Verſammlung beftiegen hatte. Seine Meinung 
‚wurde angenonmen, und fogleih erbot die Rationalgarbe, 

ihres alten und erften Chefs eingeden?, ihre Dienfte, und 
andte von freyen Stüden eine Verftärkung zum Palaft der 
gefeßgebenden Berfammlung. Die Kammer der Pairs, wel: 
ber der Beſchluß der Deputirten durch eine Botſchaft mitge: 
theilt wurde ‚flimmte ihm bey, ohne aud nur ben Ausdruck 
zu Verändern. Der Tag ging hin, eine Partey der andern 
gegenüber, denn die Freunde Napoleons in der Garbe, 
in den Vorftädten, und in öffentlihen Aemtern waren au 
auf ihrer Seite nicht müßig. Am Abend erfbienen die Mi: 
nifter, mit Zucian Bonaparte an ihrer Spitze, vor der 
Kammer der Deputirten. Lucian fagte, dag man die Na: 
tion für leihtfinnig und undanfbar halten würde, wenn fie 
den Kaifer verlieffe; dag man fie in der Geſchichte unter der 


* 





die neuerlichen Ereigniffe in Frankreich betreffend. 45 


fpanif&en, der ruffifhen, der deutfiben feßen würde ıc. 2. 
2afanette widerlegte lebhaft diefe Neußerungen, die er 
für verläumbderifh erflärte, und brachte in Erimmerung, mit 
welcher Ausdauer die Franzofen Napoleon in dem Sand 
ESgyptens, und in den Wuͤſten Rußlands gefolgt wären; wie 
fie ihm auf dem Schlachtfeld, in Sieg und Unglüd treu ges 
blieben; und es ift eben diefer Ausdauer wegen, fest’ er 
hinzu, daß wir den Verluft von drey Millionen Bürgern zu 
bedauern haben. — 

Während der Naht wurde großer Rath in ven Tuille: 
rien gehalten, wobey der Erzfanzler präfidirte, und zehen 
Devutirte von beyden Kammern gegenwärtig waren. — La— 
fayette erflärte feine Meinung für die Abdanfung Napo— 
leons. Zwey feiner Kollegen, Zanjuinals und Flau— 
gergues, unterfiüßten ihn, aber es fam zu feiner Entſchei⸗ 
dung. Erft am folgenden Tage wurde fie in der Kammer 
der Deputirten dadurch herbeygeführt, daß diefe den Kaifer 
durch einen feiner Minifter fagen ließ, „die Kammer würde 
ihn abfegen, wenn er fortführe, fib zu widerſetzen, und 
nicht im Verlauf einer Stunde aufs Spätefte abdankte.“ — 
Demungeadtet, fobald die Abdanfung des Kaifers erfolge 
und in der Kammer im Namen der Nation angenommen wors 
den, zeigte fie ſich voll Rüdjiht und Schonung gegen den ehe: 
maligen Monarchen. ie fandte an ihn eine Adreffe, und 
General Lafayeste, der vorzügli zu feinem Sturz bey: 
getragen, war der Erſte, zu erklären, baß feine Freyheit 
und fein Leben von der Nation in'Schutz genommen werden 
muͤſſten. 

Man hat ſich — daß die Verſammlung die 
Rechte Napoleons II. anerkannt. Aber fie wurden nur 
anerkannt auf eine unvollkommene proviſoriſche Weiſe; denn 
man ernannte ja Peine Regentſchaft, und die erecutive Ges 
walt wurde fünf Männern übertragen, welche die Kammern 
erwaͤhlten. Ein Theil der Berfammlung wollte fogar, daß 


46 - - Einige biftorifche Notizen 
vom Heinen Napoleon gar nit .die Rebe feyn follte, aber 
die Mehrheit war der Meinung, daß, wenn man in biefer 
Ruͤckſicht fih für den Augenblick an. die Konftitution bielte, fo 
würde man gewaltfame Auftritte vermeiden, die Armee beru: 
higen, die Verfammlung verhindern, ſich zu einer National: 
Konvention zu machen, und auf diefe. Art weitere VWerfügun: 
gen erleichtern. In diefer Hinſicht wurden auch fogleih Be: 
vollmaͤchtigte ernannt, um den chalifirten Mächten: anzuzeis 
gen, baf der Zweck bes Kriegs aufhäre; daß Bonaparte 
und feine Brüder nicht länger die Megierung in Haͤndem haͤt— 
ten, fondern felbjt in der Gewalt der ausübenden Kommiſ— 
fion wären, und fogar wünfdten, Frankreich zu verlaffen. — 
Napoleon würde ſich — acht Tage, nabdem er zur Ab— 
dankung gezwungen, in England befmiden haben, wenn der 
Herzog von Wellington, oder das englifhe Miniſtetium, 
an welches man zu dem Zwecf Herrn Otto abfandte — deu 
ehemaligen Borfhafter in Wien und London — hätten einen 
Paß für ihn wollen verabfolgen laffen. 

Als Lord Stewart in den Konferenzen, welche zu 
Hagenau flattfanden, darauf drang, dap man Napoleon 
ohne weitere Umfiände feinen Feinden ausliefern follte, fo 
erhielt er freylih von Lafayerte zur Antwort: „man wun⸗ 
dere fih, daß er eine folbe Niederträmtigfeit von der frans 
zöfifben Nation erwarten, und fib'fogar mit diefem Antrag 
An den ehemaligen Gefangenen von Olwmuͤtz vorzugweife wenden 
könne!’ *) Aber die Bevollmächtigten erflärten zugleich 
ganz ausdräcdlich, daß in Betreff der volitifhen Augele: 
genheiten Frankreichs nichts entfhieden fey, und daß. 


*) Bonaparte, welcher damals die Urmee von Italien kom⸗ 
mandirte, und einer der Bevollmäsbtigten war beym Traktat 
von Leoben, hatte vom Direktorium den Auftrag erhalten, 
die Gefangenen von Olmuͤß zu reclamiren, und bewies, wäbs 
tend einer finfmonatlihen Negociation, it diefer Angeles 
genheit reinen Eifer, 


bie neuerlichen Ereigniffe in Frankreich betreffend. 47 


fie autorifirt wären, über Perfonen ſowol ald Sachen zu 
unterbandeln. — „Der englifhe Gefandte, hieß es, habe 
noch feine Inftruftionen nicht!“ und der gefuhte Waffens 
fiillftand wurde abgeſchlagen. 

Bey ihrer Zurücdkunft fanden die Bevollmächtigten 
Wellington und Bluͤcher im Begriff, in Paris einzus 
rüden, zufolge der in ihrer Abwefenheit gefchloffenen Konz 
vention, Der Kaifer von Rußland, der Kaifer von Oeſter⸗ 
reich und der König von Preußen, denen die zwey genannten 
Generäle vorangingen, famen erſt in Paris an, nachdem. 
Ludwig XVII. in den Tuillerien ſchon inftalfirt war. Die 
Kammer der Deputirten hatte ſich in der Zwiſchenzeit mit 
dem Entwurf: einer Konftitution beſchaͤftigt — eine Arbeit, 
welche bie Bevollmächtigten vor ihrer Abreife, wie aus bey: 
gefügtem Briefe erhellet, ihnen empfohlen hatten. (Moni- 
teur vom 26. Juni u. No. 11. d. Beil.) 

Am Abend vom 5. Zuli machten die Kammern die ſchoͤne 
Erklärung, die wir hier woͤrtlich mittheilen (f. ’Indepen- 
dant No: 64. u. No. III. d. Beil.), wie au die gegebene 
Zuftimmung Lafayette’s und feiner zwey Kollegen„ am 
folgenden Tage, fogleih nach erfolgter Zuruͤckkunft von ih⸗ 
ter dipfomatifhen Miffion, wovon fie zugleich in wenig Wors 
ten Bericht erftätteten, (ſ. No. IV. d. Beil.) 

Diefer Bericht beweifer die beftändige Aeußerung der vers 
einigten Mächte, ſich nicht in die Beftiimmung.der Form der 
franzsfifhen Regierung miſchen zu wollen. | 

Um folgenden Tag, den 7. Juli, beſetzten bie engli⸗ 
ſchen und preußiſchen Truppen die innere Stadty zufolge der 
Konvention. Die ausübende Kommiffion fandte an bie Kam; 
mern folgende Botſchaft (ſ. l'Indépend. No.6g. du 8. Juillet 
u. No.V.d.Beil.). Die Kammer der Pairs folgte dem Benfpiel 
der ausübenden Kommiſſion, und loͤste fi felbft auf, aber die 
der Deputirten feßte ruhig ihre Arbeiten fort, und vertagre 
fh auf den folgenden Morgen um at Uhr, Dann aber 


48 : Einige hiſtorlſche Notizen 


fanden ſie ihren Verſammlung-Palaſt mit Wachen (von der 
der Nationalgarde) beſetzt, die Befehl hatten, allen Ein— 
gang zu verwehren. Indeſſen iſt zu bemerken, daß dieſer 
Befehl nicht von der preußiſchen Authoritaͤt ausging — welche 
ſich im Gegentheil anbot, die ausuͤbende Kommifjion ſowol 
als die Kammern auf Verlangen, in Ausuͤbung ihrer Arbei— 
fen zu beſchuͤtzen — ſondern von der ausuͤbenden Kommiſſton 
felbft, deren Authorität, fonderbar genug, durch Fouch é ir 
die koͤnigliche uͤberging. — Eine große Menge der Depus 
firten, die wufften, daß Lafayette fih vergeblih an der 
Thür des Palaftes gezeigt hatte, begaben ſich zu ihm. Es 
wurde befloffen, fih zur Mohnung des Präfidenten Lan: 
juinals zu verfügen, und dafelbft wurbe der folgende Pro: 
teft aufgefegt und unterzeihnet (f. Beil. No. VI.). Zu glei: 
qer Zeit publicirte der neue, vom König ernahnte, Kom⸗ 
mandant der Nationalgarde, General Deffolleg, feine Ta: 
ges-Ordnung (f. VIndepend. vom 9. Juli u. Beil. No.VII.), 
worin er gefteht, daß dem Napolton fein eiferner Sceps 
ter von einer alten Faftion (wie er fie zu nennen beliebr, 
wahrfheinli die Faktion von 1789, bie Faftion ber Freys 
beit) entriffen worden fen, die aber die dreyfarbige Fahne, 
als das Signal ihrer politifhen Meinungen, wieder anfges 
tichtet hätte. — Gerade dies hatte Lafayette gejagt, 
als er auf der Tribune, am 21. Juni, feine alte dreyfarbige 
Fahne wieder errichtete, und der Nationalfofarde, die er im 
Juli 1789 eingeweiht, ihre alte Bedeutung wiedergab. Diefe 
Kokarde war urfprünglih roth und blau — die Farben der 
Stade Paris; zur Zeit des großen National:Aufftandes — 
aber Lafayette felbft miſchte ihnen, einige Tage fpäter, 
aud die weiffe Farbe zu, als Ludwig XVI. aufs Rath: 
haus Fam, fi mit der Revolution auszuſoͤhnen. Dies Hin: 
zunehmen der Lilienfarbe machte die Kokarde zur drepfarbis 
gen. Sie allein ift das Sinnbild alles Guten, das die Re: 
solution hervorgebracht, wie der Ehre berfelben, während 

| bir 








* 


die neuerlichen Ereigniſſe in Frankreich betreffend. 49 


die weiſſe Kokarde, die Eontrerevolution in's Gedaͤchtniß 
ruft, und bie Zehnten, und die Feudalrechte, und die Prioi⸗ 
legien des Adels, und der Partey von Coblenz. Dies if 
der Grund, warum alle Franzoſen fo viel auf diefe Kokarde 
halten, vorzuͤglich feitdem fie ihre erfie Bedeutung von ihm 
ſelbſt wieder erhalten, welcher der Nation diefe Farben ges 
geben hatte, und fie nundem Napoleon entriß. 
Diejenigeu, die glauben, dag die Politik der Poalifirten 
Mächte noh ganz andre Abfihten zum Zweck hat, ale die Wie⸗ 
dereinfegung Ludwigs KVIH. — der fie mit wenig Ho dach⸗ 
tung behandeln, Indem fie fogar feine Befehle, feine Beam: 
ten, und feine Berhäftniffe mit den Franzofen, die bereit 
find, fi zu ihm zu befenmen, der Authoritoͤt und der Auf⸗ 
fiht fremder ®enerale unterwerfen — wollen fi hieraus er» 
Plären, warum man außer ber Wfurpation Napoleons und 
feiner Familie, nun vom Thron geftoßen, gefangen genomt: 
men, oder verbannt, auch andre Beweggründe ſucht, und 
fih deswegen an die Werfammlung der Mepräfentanten 
madte. Aber Unruheftifter und Aufwiegler kann man doc 
größe Büter:Befiner, und Leute von bedeutenden Namen 
und unbefboltenem Ruf nicht nennen; nicht Rochrfou⸗ 
cauld Liancourt, b’Argenton, be la Tour Maus 
bourg ac. ıc. laffen fü fo bezelchnen j nicht Sebaftiani, 
Sorbier, Grenier — Generäle, die man feit zwant: 
zig Jahren in Europa Pennt; nicht la Fitte, Detlef 
fert 20. die erfien und allgemein gefhägten Banquiers 
von Paris; nicht M. Roi, Tripin, Dupin ıc. Abvos 
Paten, die Zierde und der Stolz der Parifer Gerichtshoͤ⸗ 
fe; nicht mehrere der ausgezeichnetften Gelehrten, nicht die 
Pairs des Königs, ehemalige Senatoren, Mitglieder ber 
neuen Kammer; nit bie würdigften unter den vorigen De: 
putirten — Flaugergues, Dupont, Dumoland, 
Bedoch ıc.; und Lanjuinais — der Vertheidiger des 
Königs und der Gerechtigkeit in der Konvention; und endlich 
durep. Annalen, 1oted Stuͤd. 1915. 4 


50 Einige hiſtoriſche Notizen 


Lafapette, der es für feine Schuldigkeit hielt, dem Ruf 
des Vaterlands und des Volks gehorchend, aus feiner Zu—⸗ 
rüdgezogenheit bervorzutreten, um die Sache der Unabhaͤn⸗ 
gigkeit Frankreichs, wo möglich, aufrecht zu erhalten, nach⸗ 
bem er ſchon früher in feiner politifhen Laufbahn ausgeſchla⸗ 
gen hatte, was man bem menfhliben Ehrgeiz nur Verſu⸗ 
chendes bieten kann; nachdem er fünf Jahre in den Gefäng- 
niſſen ber Eoalition zugebraht, weil er am 10. Yuguft 1792 
den Ponftitutionellen Thron vertheidigt, und fih geweigert, 
feine Grunbfäge und fein Vaterland aufzuopfern, um dem 
vereinigten Mächten und den Herren in Eoblenz zu gefallen; 
nachdem er. fi& fünfzehn Fahre hindurch, während ber folof: 
falifhen Gewalt Napoleons, allein aufrecht und unbefu: 
beit erhalten, wiewol alle Mächte des Kontinents fih unter 
Napoleons Einfluß fhmiegten, und nach feiner Allianz 
mit allem Eifer firebten. 

Es wäre gewiß ungeräumt, eine folde Aſſembloͤe 
als einen Klub von Bonapartiſten betrachten zu wollen. 
Deswegen hat man die Bevollmächtigten ded Volks in dem 
Zeitungen bald wie verzweifelnde Beſiegte gefhildert ,. bie 
gekommen wären, fi allen Forderungen demüthig zu um: 
terwerfen , bald wie eigenfinnige Partey : Männer, müts 
denen fib an kein Werftändniß denken lieffe, während fie 
doch offen und männlich erklärten, daß man die Feindſe⸗ 
ligkeiten einſtellen muͤſſe, deren angeblicher Zweck, die 
Vertreibung Napoleons, nun errelcht ſey, und fried— 
lich uͤber die weitern Verfügungen verhandeln — in Bes 
ziehung, auf welche mar noch nichts beſchloſſen hätte; we: 
nigſtens nichts, worauf die Bevollmaͤchtigten nit zuruͤck⸗ 
fommen, und das fie nicht nach Gutbefinden feftfegen könn: 
tet. — Deswegen hat man au fehr unrecht gefunden, 
dag die ausübende Kommtifjion in ihrer Botſchaft an's Haus 
der Deputirten an’s Licht brachte, die Poalifirten Mächte hät: 
ten durchaus auf Ludwig XVIII. ihren Sinn gefegt; denn 


/ 
\ 


die neuerlichen Ereigniffe in Frankreich betreffend. 51 





fie wollten dies_eigentlich nicht deutlih ausſprechen, wiewol 

man's dem Präfidenten jener. Rommiffion in der legten -Kons 
‚vention zu St. Cloud ‚erflärt harte. Dies Betragen mag 
für gewiſſe Zwede ganz gut ſeyn, aber die gemachten Be: 
merkungen muͤſſen dem Lefer eine deutliche Anſicht der That⸗ 
ſachen geben. 

Die Revraͤſentanten von Frankreich ſetzten ein fo. großes 
Vertrauen in die angetündigten Gefinnungen der. alliirs 
ten Mächte, daß fie, ſtatt Lafayette zum Mitglied der 
ausübenden Kommifjion zu maben, oder, wie vorgefchlagen, 
ihn an bie. Spige der Nationalgarde zu flellen, ihu vielmehr 
an die vereinigten Mächte aborditeten, weil diefe Gefandts 
ſchaft eigentlich für das Bebdeutendfte gehalten wurde, — ein 
Irrthum, den dag franzoͤſiſche Publikum feitdem bereut hat. 

Sogar die Familie der Bourbons felbft, fo ſcheint 
es, war in Betreff. der getroffenen Maßregeln nicht einver: 
fianden , denn ber erfte Prinz vom Geblüt, ber Herzog von 
Drieans, bat, durch feine Entfernung vom Schauplag-der 
Verhandlungen, bewiefen, daß eridie Art der Wiederbeſtei— 
Hung des Throns, wie fie Ludwig XVIII. gewählt, nicht 
billigt. 

Die dermalige Lage von Frankreich ift wirklich fonders 
bar. Alles, was von den Parteyensfih populär nennen 
laͤſſt, ſteht, zum Erfienmal feit 20 Jahren, wieder vereis 
nigt. — Die Bonavartifien — welche fib nicht mehr un: 
ter dem Einfluß der Familie Napoleon befiuden — find 
von ihren Gedanken einer Paiferliben Verwaltung zuruͤckge— 
fommen. Die Jakobiner — deren Häupter fi faft alle 
auf die Seite der Macht geichlagen hatten — gefellen ſich 
wieder zur wahren Nationalpartey, der Konftitutionellen, 
mehr zahlreih als thärig, die niemals aufgehört hat, bie 
wirkliche große Majorität zu bilden. — Die Armee, felbft 
wenn fie auseinander geben follte, gehört mit zu diefer Maſſe. 
Alle diefe Leute halten feſt an die Vortheile der Revolution, 


52 Einige hiſtoriſche Notizen 


und tragen die Nationalfofarbe im Herzen. Die Partey der 
Sontre:Revolution, unendlih weniger zahlreih, aber über» 
trieben in ihren Erwartungen, und jaͤmmerlich fehlgreifend ire 
Betreff der gewählten Mittel, ſchließt fi an's Minifteriumz 
des Könige, und an den König feldft an, welder, ohne es 
mit den Patrioten zu halten, doch gemäßigtere Ideen hat, 
als die andern Prinzen, und bie größere Anzahl ber Ariſto— 
kraten, fo daß fie fih in Kurzem entweder von ihm, oder 
ihn, den König, von feinem jegigen -Minifterium trennen 
muͤſſen. In der Mitte diefer Parteyen ſieht man 600,000 
bewaffnete, fremde Truppen, mit ihren Zürften — die feine 
franzöfifhe Authorität, felbft die des Königs nicht, anerken⸗ 
nen, und über ihre weitern Plane — wenn fie deren 
beffimmt haben — fib weder einverfichn no erflären. 
Unter biefen, hoͤchſt feltfamen und ritifhen, Umftänden, ftatt 
ſich der ſchon eriftirenden Kammer der Repräfentanten zu bes 
dienen, die bereit gewefen wäre, .fib mit dem König ehrlich 
einzuverftehben, geftägt auf die Grundfäge ihrer Deklaration 
vom 5. Juli,die fib auch zum Theil ſchon in der Bewillis 
gung: Afte befanden — hat man eine neue Zufanımenberus 
fung ausgebadt, bie man zu Stande bringen will unter dem 
Einfluß aller Einfädelungen, Beſchraͤnkungen, Bedingun⸗ 
gen, mit dem Aufwand aller erfinnliben, und fogar Mar am 
Tage liegenden, Madinationen, bie nothwendigerweife bie 
Berfammlung zu einer hoͤchſt ariſtokratiſchen machen muͤſſen — 
das heißt, zur Repraͤſentation eines hoͤchſt kleinen, und, 
leider, des unwuͤrdigſten Theils der Nation, der noch an 
dem Alten, nicht mehr Paffenden, Verjährten lebt. — Indef: 
fen, fo groß ift die Gewalt der Meinung, und fo ausgebrei« 
tet find die Fortſchritte liberaler Ideen, daß die Sache der 
Freyheit, und fogar der Gleichheit. Aller vor dem Gefeg, 
bemungeachtet in der neuen Verſammlung noch viele Vertheis 
diger finden wird. — Alle neue Grundfäge, die man. in 
Sranfreih im Jahr 1789 befannt machte, und die ganz Eu: 








dierneuerliden Ereigniffe in Frankreich betreffend. 53 








ropa fo in Erſtaunen ſetzten, find ſeitdem überall, in den 
Koͤpfen der Denkenden und Aufgeklaͤrten, der Vernuͤnftigen 
und Guten einheimiſch geworden, und die Fuͤrſten ſelbſt find 
gezwungen, fie wenigſtens theilmeife anzuerkennen, und ih— 
ven neue Inſtitutionen einzuverleiben. Wle groß muß denn 
der Unverftand, wie jämmerlich befhränft müffen die Anfichs 
ten derer ſeyn, bie thoͤrichterweiſe ſich einbilden können, dag 
fh das Beyſpiel Ferdinand VII. in Spanien mit Erfolg 
bier in Sranfreih nahahmen Lieffe, und bie darauf, dag“ 
man ed nachahme, dringen. 

Hoffen wir, daß die Kabinette der Alliirten, ftatt das 
Spiel der, Wiedervergeltung und racſuͤchtiger Leidenſchaften, 
und befhränfter Anſichten zu begänftigen, — worunter jegt 
Frankreich feufzt, und welches denn doch zulegt eine allge» 
meine, verzweifelte Ermannnng bewirken koͤnnte, wobey das 
übrige Europa ſich nicht wohl befinden dürfte, — hoffen wir 
lieber, daß fie fuhen werden, die Ruhe von Europa auf der 
Baſis gegenfeitiger Unabhängigkeit aller Nationen, und ber 
innern, bürgerlihen und politifhen Freyheit von jeber zu 
befeftigen; — Wohlthaten, welde bie erften Urheber ber 
franzöfifgen Revolution ſich bemühten zu realifiren, und 
die fo ſcheußlich entftellt worden find durch den Widerftand — 
den nit zu bändigenden — der privilegirten Stände; durch 
die Xhorheiten, bie Verbrechen ber Anarchie, und durch den 
unerfättlihen Ehrgeiz von Bonaparte, beffen Talente 
und eidenfhaften ihn zur Geiffel.der Menſchheit machten! 


54 Einige hiftorifhe Notizen 





® eylagen 
No, 1. a a 
Kammer der Repräfentanten. 
Sitzung vom 21. Juni, 


Zwey Mitglieder haben das Wort verlangt, Der General 

‚de la Fapette befteigt zuerft die Tribune und fagt: Wenn id 

feit vielen Jahren zum Erfienmal wieder meine Stimme erhebe, 

die vielleicht von den alten Freunden ber Frepheit noch ertannt 

wird, fo drängt mic dazu das Beduͤrfniß, das ich fühle, zu Ihr 

nen von den Gefahren des Vaterlandes zu ſprechen, deffen Net; 
tung allein noch in Ihrer Macht liegt. 

Unfeltge Nachrichten haben fi verbreitet, und unglüdlicher- 
weiſe beftätigt. Der Augenblick iſt gefommen, ung Alle um bie 
drepfarbige Fahne zu verfammeln, um diejenige von 1789, bie der 
Frepheit, der Gleichheit, der öffentlihen Ordnung. Nur diefe 
Fahne haben wir zu vertheidigen gegen auswärtige Anfprüche, fo 
wie gegen innere Verſuche. 

Vergoͤnnt einem Veteran diefer heiligen Sache, ber dem Kafs 
tiongeifte fietd fremd war, einige vorläufige Beſchluͤſſe in Vor⸗ 
ſchlag zu bringen, Deren Notdwendigkeit, wie ich hoff, Jeder ers 
fennen wird, 

- Arten. Die Kampper der Mepräfentanten erklärt, daß die 
Unabhängigkeit der Nation bedroht iſt. 

2. Sie erklärt ſich permanent. M 

3. Jeder Verfuh, fie aufzuldfen, tft Staats-Verrath. Je⸗ 
der, der fich eines ſolchen Verſuchs ſchuldig macht, fol ald Verraͤ⸗ 
ther des Vaterlandes angejehen und als folher auf der Stelle ge; 
richtet werden. 

4. Die Lintentruppen, die Nationalgarden, bie um die Freys 
heit, die Unabhängigkeit, und den Boden Frankreichs zu vertheis 
digen, geftritten haben, oder noch fireiten, haben fih um das Des 
terland verdient gemacht. 

5. Der Minifier des Innern wird eingeladen, ben General; 
ftab, die Hauptleute und Legion; Majore der Parifer National⸗ 

garde zuſammen kommen zu laſſen, um über die Mittel zu Math 
zu geben, ihr Waren zu geben, und dieſe VBürgergarde, deren ers 
probter Patriotismus und Eifer feit 26 Jahren der Frevheit, dem 
Eigenthum, der Ruhe der Hanptftadt, und der Unverlewbartelt 


— 


die neuerlichen Ereigniſſe in Frankreich betreffend. 55 


der Volks⸗Repraͤſentanten eine ſichere Garantie gewährt, auf den 
tompieteften Stand zu bringen, " 

6. Die Minifter des Kriegs, der antwictigen Angelegenheit: 
ten, der, Poligey und des Innern, werden eingeladen, ſich auf 
der Stelle in die Verſammlung der Nepräfentanten zu verfügen. 


No. 11. r 
Patid vom 25. Fun, 
Kammer der Repräfentanten. 
Präfident Graf Lanjuinais, 
Beptrag zur geftrigen Sitzung. 
Ein Seftetair liest folgenden Brief vor: 
- Mein Herr Präfident ! | 

Die von den Nepräfentanten der Nation gewählte Negierung 
Bat uns beauftragt, bey den verbündeten Mächten dad Organ der 
friedlihen Abfihten und der unveränderlichen Unabhängigfeit bes 
franzöftiben Volts zu fepn. 

Indem wir ung diefer neuen Funftion unterzieben, bedürfen 
wir die Zuftimmung det Kammer, und pie bitten Sie, Hr. Praͤ⸗ 
fident,, daher, die Güte zu haben, dieſe zu verlangen. 

Wir bedauern, daß. unfre Abwefenheir unire Theilnahme an 
den Arbeiten der Kammer unterbricht, befonders ba dies in einem 
Augenblick ftatt hat, wo fie, gedrängt. von dem beiligften Ju— 
tereffe bes Vaterlandes, aus unfern verfhiednen Konftitutionen, 
ſo wie aus dem Natur; und Bölfers Mei Alles das fammeln will, 
was die öffentliche Freyheit begruͤnden und fihern, unfern Freun⸗ 
den jede Garantie, und unjern Feinden jeden National: Widers 
fand darbieten Fann, 

Genehmigen Sie, Hr. Präfident, den Ausdruck unfter tiefen 
Verehrung. Paris 24. Jun. 1815: 

Unterz, La Fapette, Hoxaz Sebaftiant, 
D’Ungenjon, ka Foref. 


No. III. 


Ertlärung, - : 


Die Truppen der fremden Mächte werden die Hauptſtadt ber 
feßen. Die Kammer der Volksvertreter wird demungeachtet in 
der Bürger Mitte ihre Gigungen fortfegen, zu denen der aus⸗ 
drudliche Wille des Volks fie bernfen hat, Aber in diejen feyerli⸗ 


6 Einige hiſtoriſche Notizen 


en Umſtaͤnden iſt ſie ſich ſelbſt, fie ift Frankreich und Europa eine 
Erkiärung ihrer Geſinnungen und Srundiäge ſchuldig. Sie erllärt 
demnach, daß fie dee Treue und Baterlandsliebe der Pariſer Nas 
tionalgarde dad Unterpfand ber Nationalvertretung anvertraut. 
Sie erklärt, daß fie das größte Zutrauen in die moraliihen Grund⸗ 
fäge, die Ehre und Großmuth der verbündeten Mächte und in jene 
Achtung für die Unabhängigkeit der. Nation ſetzt, die fie fo bes 
ſtimmt in ihren Manifeften ausgefprochen haben. Sie erflärt, 
Daß die Megierung von Fraukreich (ihr Haupt möge wer immer 
ſeyn) den Willen der Nation, und die Zuflimmung der übrigen 
Megierungen in fi vereinigen müfe, um ein gemeinfchaftlihes 
Gut und die Bärgfchaft des Friedens zwiſchen Kranfreih nnd Eus 
ropa zu werden. Sie erklärt, dap ein Monarch keine hinreichende 
Buͤrgſchaft leiftet, wenn er nicht ſchwoͤrt, die Verfaſſung zu ach⸗ 
ten, welche bie Volksvertreter entworfen, und das Doll anges 
nommen. Demnach würde jede Negierung, die keine andre Ans 
ſprüuͤche ald den Zuruf und Willen einer-Partep für ſich Hätte, oder 
die durch die Gewalt eingejegt wäre; jede Regierung, , bie nicht die 
Nattonalfarben annähme, und nicht verbürgen wollte: die Freyheit 
der Bürger, die Gleichheit der bürgerlichen und politifhen Rechte, die 
Frepheit der Preffe, die Erepheit des Gottesdienftes, das Spitem 
der Molfevertretung, die frepe Suftimmung beb Menfhens und 
Steuer:sErhebungen, die Berantwortlicgfeit der Minifter, die Unwis 
derruflichkeit der Nerkäufe der Nationalgüter aus welder Hand ims 
mer, die Unverleglichkeit des Eigenthums, die Abfchaffung dir 3es 
henten, des alten und neuen erblichen Adels, der Lehens⸗Ver⸗ 
hältniffen, die Anfbebung der Gütereingiehung, die gänzlihe Bew 
geffenheit aller politifchen Meinungen und Abftimmungen bis’ dies 
fen Tag, die Anftalt der Ehrenlegion, die Auszeichnungen und 
Belohnungen, die den Dffizieren und Soldaten, die Unterftäßuns 
gen, die ihren Witwen und Kindern gebühren, die Anftalt der 
Yury, die Unabſetzbarkeit der Richter, die Zahlung der Staates 
ſchuld — nur ein vorubergehendes Dafepn haben, und die Ruhe 
Frankreichs und Europens keineswegs fihern. Könnten die in 
diefer Erklärung ausgeiprochenen Grundlagen verfannt oder verlegt 
werden, fo proteftiren die Vertreter des franzöfiiben Volks, die 
fi heute einer heiligen Pflicht entlebigen, zum Voraus gegen die 
Gewaltthätigleit und Ufurpation. Sie vertrauen die Aufrechthals 
tung der eben verfündigten Grundfäge allen guten Franzoſen, als 
len edelfinnigen Gemuͤthern, allen aufgeklaͤrten Geiſtern, allen 





bie neuerlichen Ereigniffe in Frankreich betreffend. 57 








Menicen, die auf ihre Freyheit ftolz jind, und den künftigen Ges 
ihledptern-an, 


No. IV, 
Kammer der Repräfentanten. 


Dräfidentfhaft von Lanjuinais. 
Sigung vom 6. Juli. 

M. La Fayette: „Ihre im Namen des Volks bey den vers 
bündeten Mächten bevollmädtigten Gollegen baben der ausübens 
den Commiſſion über die drey Gonferenzen Rechenſchaft abgelegt, 
melde fie zu Hagenau hatten, und in welden man ihnen wies 
derholt die Verlicherung erneuerte, da die fremden Höfe nicht 
Die Abſicht bitten, {ich in die Form unfrer Regie 
rung zu mifden. 

Wir erfreuen und, Ihnen, meine Herren, berichten zu koͤn⸗ 
“men, was au die mit unſrer Begleitnng beauftragten fremden 
Dffigiers felbjt bemerken fonnten, daß der öffentlihe Geift in den 
von uns durhreisten Departements den Gefinnungen gemäß ift, 
die ihre geſtrige Erklärung enthält. 

Diejenigen von und, melde fi in der heutigen Sitzung bes 
finden, bedauern, daß ihre Abweſenheit fie an deren Theilnahme 
verhinderte, und bitten Sie, Ihren Veptritt zu diefer Erklärung 
zu empfangen. (Bepfall.)‘ | 

Der Drud und die Anzeigen diefed kurzen Berichts find zu 
6 Er. für jedes Mitglied beſchloſſen. 

Der Präfident verliedt die Namen der Mepräfentanten, wel: 
che morgen. in’s Hauptquartier der Alliierten gehen follen; es find 
Dupont de l’Qure, La Fayette der Water, der General 
Sorbier, Lafitte und Larochefoucault kiancourt. 


No. V. 


Herr Yräfident! Bisher haben wir glauben muͤſſen, daß bie 
Abſichten der verhündeten Souveraine noch nicht einig über die 
Wahl des Fürjten wären, der in Frankreich herrſchen fol. Unire 
Bevollmächtigten gaben ung bey ihrer Ruͤckkehr diefelben Verfiche: 
rungen, Unterdeſſen haben die Miniter und Generale der vers 
bündeten Mächte geftern in ihrer Zuiammentretung mit dem Präs 
fidenten der Regierung: Kommiffion erklärt: „daß alle Souveraine 
„ſich das Wort gegeben hätten, udwig XVII. auf den Chrom 


58 Einige hiſtoriſche Notizen 





„zuruͤckzufuͤhren, und daß er morgen feinen Einzug halten werde.“ 
Die fremden Truppen haben fo eben die Tuillerien bejegt, wo bie 
provifortibe Regierung ihre Sitzungen hält. In diefer Lage Per 
Sachen bleiht uns nichts zu thun übrig, als Münfbe für das 
Wohl des Vaterlandes; und da unſre Beratbfchlagungen nicht mehr 
frey find, fo glauben wir, uns trennen zu müllen, Der Mar 
ſchall Fürft von Eßling und der Prafeft der Seine erbielten den 
Auftrag, für Erhaltung der öffentlihen Ruhe, de und 
Drdnung zu wachen, 
Unterz. Der Herzog von Dtranto, Dräfident der provi⸗ 
forifhen Regierung-Kommiſſion. Graf Grenier, 
Guinette, Carnot, Sanlincourt, Herzog 
v. Vizenza. 
No. VI. 
Kammer der Repräfentanten. 
Sipung vom 3. Juli Morgens 10 Uhr. 

In der geftrigen Sitzung ging die Kammer der Mepräfentans 
ten auf die Botſchaft der NegierungsKommiffion, daß ihre Verrich⸗ 
tungen anfhörten, zur Tages⸗-⸗Ordnung über. Sie feßte ſodann 
ihre Beratbichlagungen über das Proseft einer Konftitution: Urkuns 
de, mit deren Redaktion ſie ausdrädlich vom Volf beauftragt war, 
fort, und als fie ihre Sitzung beendigte, vertagte fie fich auf dieſen 
Tag, 8. Juli, auf 8 Uhr des Morgens, 

In Verfolg diefer Vertagung begaben fi die Glieder der Kam⸗ 
mer der Mepräfentanten an ibren gewöhnlichen Sitzungort. Da 
aber die Thore des Palaftes geſchloſſen, die Zugänge durch bewaff⸗ 
nete Macht bewacht, und von den Offizieren, welche diefe befeh: 
ligten, die Anzeige gemacht worden, daß fie ausdrädlichen Befehl 
> hätten, den Eingang in den Palaft zu verweigern; fo vereinigten 
ſich die unterzeichneten Glieder der Kammer bey Hrn. Lan jui⸗ 
nais, dem Präfidenten, und verfaſſten und unterzeichneten Feder 
einzeln dafelbft den gegenwärtigen Werbalprogeß, um die obigen 
Thatſachen zu beglanbigen. 

Paris, Tag uud Jahr wie oben. 

(Folgen bie Unterfhriften.) 


\ 


# 


die neuerlichen Ereigniffe in Fraufreid betreffend, 59 


\ 





. No. VII, 
Tagsbefehl. 
8. Jul. 1815. 
Die Vereinigungzeihen, welche in die Augen fallen, und die 
Einbildungfraft ergreifen, geboren unter die mächtigften Mittel, 
Deren ji der Faltiongeift bedient, um die Völker zu bewegen und 
Die Staaten zu beunrubigen. Diefe Zeichen, die feinen andern. 
Werth haben, als den man ihnen beplegt, arten aus, und ändern 
ihre Bedeutung, wie die Partien, die ſich ihrer bemächtigen, Zweck 
and Antereife ändern. Sp hat man die Wichtigkeit benußt, welche 
der Soldat auf ein Zeichen legte, unter welchem er fo lang fiegte, 
. um Ihn irge zu leiten, Mir Hilfe dieieg naͤmlichen Zeichens ges 
ſchah eb, daß eine alte Partie, nachdem fie dem Uſurpator feinen 
eilernen Scepter entriß, fi deſſen bemächtigte, und fich bie auf 
den legten Augenbiid bemühte, die Armee dahin zu bringen, daß 
fie ſtatt Franfreih nur die Meinungen und das Intereſſe einer 
Parten auf die Gefahr bin vertheidigt, die Bürger und die Armee 
unter-den Trümmern der Hauptitadt vegraben zu feben. 


In der gleichen Abſicht hat diefe Faltion die weiße Kofarde 
als Reichen einer Partep dargejtellt, weil fie fo lange die National 
farbe war, weil ſie e8 wieder werden würde, wenn die ganze Na— 
tion fie wieder aufnimmt, weil die Nationalgarde fie nicht andere 
als Nationaltolarde angenommen bat, und weil feit diefem Aus 
genbli® das wahre Verbindung-Zeichen der Franzofen ald Zeigen 
der Vereinigung und Treue nicht darin erfannt werden kann, 


Diefe Betrahtungen haben dem König nicht erlaubt, den von 
einigen Bürgern ausgeiprohenen Wunſch, die.drepfarbige Kokarde 
beysubehalten, als national anzufehen, während eine größere Zahl 
der Departements bie weile Kotarde aufgefiedt bat, 


Demzufolge befehlen Se. Maieftät, die weile Kekarde als 
Nationaltofarde und als das einzige Verbindung: Zeichen der Frans 
zojen wieder aufzunehmen. | 

Zu gleicher Zeit wollen aber Se. Mai., daß man mit Nahficht 
gegen diejenigen verfabre, welche Irethum oder übertriebener Eifer 
abhalten follten, ſogleich dieſes Vereinigung: Zeichen aufzunehmen. 
Ge. Maj. verbieten vorzüglih ihren Unterthanen; feine Gewalt ( 
anzuwenden, und fie dazu zu zwingen, indem Sie befehlen,, daß 
blos die Handlung der Magiftrats:Perfonen die Staats⸗Geſetze auf 
dieſen Punkt ” Ausübung bringen foll- 


60 Geſchichte der Verſchwoͤrung Buonaparte’s 





Demzufolge wird die Nationalgarde fowol diejenigen Indivis 
duen, welche mit andern Zeichen als der weiſſen Kolarde erſchei⸗ 
nen, ale auch diejenigen, mwelhe unter dem Vorwand, zu deren 
Annahme zu zwingen, die öffentliche Ruhe ftören wollten, arretis 
ten, und den Berfügungen des Yolizey-Präfetten übergeben. 

Se. Maj. rechnet bey diefer Gelegenheit mehr als jemals anf 
die Klugheit und Feitigkeit der Nationalgarde, die fie als ein 
Korps, das zweymal die Hauptſtadt gerettet, und zweymal das 
Feuer des bürgerlichen Kriegs in ihrem Bufen erftidt har, ehrt 
und liebt. Der fommandirende General en Chef, 

Graf Dejolles. 





IM. 
Geſchichte 


der 
Verſchwoͤrung Buonaparte's gegen 
| £udwig XVII. 
| oder: 

Kurze Erzählung der Ereigniffe feit der Rapitulation 
von Paris am 30. März 1814 bis zum 22. Jun. 
1815, als dem Tage der zweyten Thronentfas 
gung Buouaparte’s, | 

Nah dem Franzöfifhen des Lamarteliere, 
“ mit Noten begleitet 


Theodor von Haupt. 





Vorbericht. 
Dieſer Aufſatz enthält, obgleich mit einiger Parteylich⸗ 
keit geſchrieben, viele Wahrheit. Er erlebte in acht Tagen 
zwey Auflagen. | 
Paris den 20. Auguft 1815. | 
- Der Ueberfegen 


— ——  — 


gegen Ludwig XVII. | 61 





Paris hatte nad einem ehrenvollen, aber vergeblihen, 

Widerftande Papitulirt, und den Bundesheeren feine Thore 
geöffnet. Alle ſchnell aufgefhoffne Koͤnigspilze und alle enhes 
meren Prinzefiinnen, die. den Kaiferhof gebildet, waren bey 
der nahenden Gefahr, von ihren Schägen und dem Wolke: 
Eluche geleitet, verfhwunden. Die Nation zitterte, in bans 
ger Ungemwißheit über ihr Schickſal, beym Angedenfen ber 
Siege, bie fie einft über diefelben Sieger erfochten, welde 
fie nun auf den Spaziergängen und oͤffentlichen Plägen der 
Hauptſtadt gelagert ſah. Sie beforgte firenge Vergeltung, 
und verfhob zwifhen der Freude, von einem Tyrannen erlödt 
zu ſeyn, und ber Beforgniß, einem neuen anbheimzufallerr, 
ſchwankend, ihr Urtheit über die Hochherzigkeit ihrer frem: 
den Bäfte bis zu dem Augenblide, wo man ihr einen, des 
Scepters würdigen, Beherrſcher gegeben haben würde, 
Schon längft befeelte alle wahre Franzofen nur ein Gedan—⸗ 
ke; in allen Herzen glühte nur ein Wunſch; diefer Wunſch 
berief, obſchon ſtets unterdruͤckt, den wahren Erben unfrer 
Koͤnige laut zum Throne ſeiner Vaͤter. 

Endlich it Buonaparte's Entſetzung entſchieden, 
und allgemeines Entzuͤcken jubelt den Namen Ludwig des 
Achtzehnten. Dieſer Name, von Munde zu Munde 
wiedergehallt, entlockt jedem Auge Thraͤnen der Freude und 
der Ruͤhrung. Er iſt dem Staatsſchiffe der Rettungruf im 
Augenblicke des drohenden Untergangs — ein Talisman, 
der uns mit ung ſelbſt und mit allen Voͤlkern Europas ver: 
föhnt. -» 

Indeſſen verweilte der Mann, der zwölf Jahre hindurd 

Europa mit Blut und Leihen bedeckt hatte, noch zu Fontai: 
nebleau, Yon den Trümmern feiner, fo lange fiegreihen, Ar: 
meen umgeben, im unentfbiednen Kampfe mit fich felbft: folle 
er fie nah Paris führen und feine Race durch den Untergang 
der Hauptſtadt fättigen, oder folle er fih ihren Muth auffpas ° 
ten, um, in einem günftigern Augenblicke, den feiner Hand ent: 


62 Geſchichte ber Verſchwoͤrung Buonaparte's 








ſinkenden Scepter wieder zu erfaſſen; eine ganze lange Nacht 
"dauert diefer innre Kampf. Düfter und in verfhloffuer 
Wuth koͤmmt der Mann des Schickſals in finftrer Nacht auf 
die Höhen von Villejuif, ganz in die Nähe ber Stadt, wo 
man eben die Bildfäulen zertruͤmmert hatte, die feine Eitel— 
keit ſich einft errichtete. Er finnt auf ihre Zerftörung, und 
feine unglüdfhwangre Phantafie ficht ihn (don dem Marius, 
auf Karthagos Ruinen figend, zur Seite. 

" Nur ein Hindernig ſcheint die Vollftredung eines Pla: 
nes, der uns eine fo [dauderhafte Parallele darbieten follte, 
abgewendet zu haben — die Anmwefenheit der verbündeten 
Truppen, und bie geringe Macht, die er ibyen entgegen zu⸗ 

ſtellen vermochte. Die ganze Welt weiß, daß B | 
parte nie verzieh, wenn er zu firafen vermochte. Nicht 
alfo der Mägigung des Staats-Oberhaupts, fondern jener 
feiner Feinde, die er fo oft feiner Zerſtoͤrung⸗-Wuth geopfert 
hatte, verdankt der friedlibe Bewohner der, Hauptflädt die 
Erhaltung feines Herdes und feiner Familie. Je verzwei— 
felter Buonaparte’s Vorhaben war, deſto mehr fagte es 
der Heftigkeit feines Charafters und ker Wildheit diefes Ver: 
wuͤſtung: Geiſtes zu, der in jeder Schlacht einen ufurpirten 
Thron an eine zu erringende neue Kröne feste. Zum Gläd 
für Paris konnte bier fein Anfchein eines glüclichen Erfolgs 
feiner Ehrſucht ſchmeicheln. Nur die Sorge für feine Selbſt⸗ 
erhaltung und die Ausfiht auf ein wahrjbeinliberes Gelin: 
gen in künftiger Zeit beftimmten ihn zur Ruͤckkehr nah Fon 
tainebleau. 

Dort hatten fib bereits mehrere Große Angefunden, 
um im Namen der verbündeten Monarchen mit ihm zu unter: 
handeln, und den Verwüflungen eines Kriegs, deffen Urſache 

und Gegenſtand er allein war, ein Ziel zu. fegen. So viel 
Großmuth muffte ihn überrafhben; allein Buonaparte, 
deffen Jugend die Sreygebigkeit unfeer Könige gepflegt, der 
» $ranfreih in der Folge zu feinem eignen Unglück adoptiert 


gegen Ludwig XVIII. Be 7 








batte , war jeßt nicht mehr jener kleine Korfe, in der 
Gefialt des Jammers, der in unfern erfien Volksſtuͤrmen 
fih allen Parteyen ohne-Auswahl hingab, und allen Faktio— 
nen feine Kühnheit anbot; der bald als ein niedrer Abenteu: 
rer in Aufruhr und Unruhen eine Hülfquelle gegen die Be: 
dürfniffe des Lebens fucbend, bald als ein tollfühner Rafenzs 
der erfbien, der, dem fügen Namen Vaterland entfremdet, 


Sranfreih nur als eine Beute des erfien beften Aufruͤhrers 


betrachtete, der ed mager möchte, ſich derfelben zu bemädti- 
gen. — Er hatte feit zehn Jahren Könige entthront, und 
Eurovas Voͤlker gezehndet; kein Titel genügte mehr feis 
nem Duͤukel, feine Gewalt färtigte feine Ehrfuht, als das 
2008 der Schlachten und die Großmuth der Bundes:Monar: 
ben ihn zwangen, einer Macht zu entſagen, die er fo lange 


gemißbraudt hatte, und einen Zufluhtort auf Elba anzus 


nehmen. | | 
Ein Vertrag, der ihm, nad einer Reihe von ſchauder⸗ 
haften Verbrehen, das Leben ließ, und eine Souverainetät 
zugeftand, hätte jedem andern Erdenfohn als ein Ausflug 
von Menſchlichkeit und Milde gegolten, Die öffentlihe Mei: 
nung war darüber fo einflimmig, daß von allen Seiten Mur: 
ren gegen dieſe übertriebene Großmuth erfhallte. Buona— 
parte allein wagt es, noch Bedingungen hinzuzufügen. Er 
ſtipulirt für fib, für feine Familie und für die Tapfern, die 
ihn nah Elba begleiten follen; Alles wird zugeftanden, bes 
willigt, unterzeichnet. Diefe Alte, die er jegt erzwun— 
gen nenne, war alfo damald freymwillig; allein demun: 
geachtet und bey allen ihren Wortheilen accordirt er fie nur in 
der Abſicht, fie zu verlegen. Beym Abfchied von feiner Ars 
mee verfammelt er die Anführer, um fie noch eintmal zu ums 
armen; mit feinem Abſchiedskuß, der noch in der Nach— 
welt wiederhallen foll, haucht er den Geift der Em: 
pörung und des Verraths in alle Herzen. \ 


Er zieht ab, und Frankreich athmer freyer. Bald tritt 


% 


64° Gecchichte der Verſchwoͤrung Buonaparte's 


an die Stelle des ſtolzen Adlers, der unſre Geſchlechter er⸗ 
wuͤrgte, die Lilie, das Sinnbild fleckenloſer Rechtlichkeit und 
Tapferkeit, jedem Franzoſen ein werthes, hochgeehrtes Sie: 
geszeihen. Eine fanfte heilende Regierung bemüht ſich im 
Stilier, die Wunden zu vernarben, welche Ehrfuht und 
Anarchie dem Staatskoͤrper gefhlagen hatten. Eine noch 
unvollffändige, aber weife, wohlthätige, und durch eine nahe 
Reviſion unfehlbar zu verbeſſernde, Konſtitution ſchenkt allen 
Gemuͤthern die Ruhe und allen Herzen die Hoffnung wieder. 
Schon bebt die Mutter nicht mehr, und zittert dem Augen: 
bfick entgegen, wo man ihr den unbärtigen Juͤngling entreige, 
um ihm gefnebelt, gleich einem Verbrecher, in die Würge: 
ſchlacht zu führen. Die Zeughäufer werben gefchloffen; die 

Werkſtaͤtten bevoͤlkern fih wieder; die friedlichen Gewerbe 

beginnen wieder ihren Lauf; der Handel gewinnt erneutes 

Leben; unfre fo lange ununterbrodnen Verbindungen knuͤpfen 

fi wieder an, und Öffnen unferm Gemwerbfleige taufend neue 

Duellen des Abfaged. Wir treten endlich wieder an unfre 

Stelle in der großen europäifcben Staatenfamilie, und fon 

fühle felbft die andre Hemifphäre die Wohlthaten eines fo 

lang erfehnten und fo theuer erfauften Friedens. 

Bey allen diefen Segnungen von Gluͤck und Freude ents 
fpinnt fib die umfaffendfte Verſchwoͤrung, welche die Ge— 
ſchichte aufzuweiſen bat, ganz offen in allen Theilen Frank 
reiche, - 

Das Semählde diefer, durch die Anzahl der Mitſchul⸗ 
digen und durch die Oeffentlichkeit der Triebfedern fo erftaus 
nenswerthen, Verſchwoͤrung dem Lefer zu entwerfen, ift der 
Zweck diefer Schrift. Ss genügt daher nicht, ihm Refultate 
vorzufegen, fondern es iſt nothwendig, den Grundurſachen 
nachzuſpuͤren, die entferntern Veranlaffungen anzudeuten, 
und in einent Syftem von Lügen und Hinterlift, von ber wir 
bidher Peine Idee hatten, die Werzmeigungen eines Koms 
plotts zu verfolgen, welches unfer ganzes Baterland- umges 

ſtaltete. 








gegen Ludwig XVIIE 65 





ſtaltete. Es war zu Erreichung dieſes Zweckes nicht hinrei— 
chend, im Herzen des franzoͤſiſchen Kriegers feine eingewur⸗ 
zelte Anhaͤnglichkeit an das Blut ſeiner Koͤnige zu erſchuͤt⸗ 
tern; man muffte den Verrath foͤrmlich organiſiren; alle Lei— 
denſchaften aufregen, welde die Geburt der Ausſchweifungen 
des Krieges find; man muffte dieſen Brennftoff in die Volks— 
maſſe fhlendern, um die Verderbtheit in alle Stände zu vers 
breiten, man fonnte nur daun erft auf die Vollbriugung des 
unerhörten Verbrechens, deffen Zeugen wir waren, denken, 
als die gänzlide Demoralifation ber Armee bewerfftelligt war, 
Tauſende von Offizieren aller Grade und aller Waffen 
bevoͤlkerten, durch den Frieden zur Unthätigkeit verurtheilt, 
in diefem Augenblid die Hauptſtadt. Die, melde einft Kom: 
- manboflellen bekleidet hatten, imponirten in den ſchimmernden 
Salons, durch ihre Titel, ihre Orden und noch oͤfter durch eis 
nen fiegbefrängten Namen, während ihre ehemaligen Unter: 
gebenen, von der Gluͤcksgoͤttinn weniger begünftige, in Pri⸗ 
vatzirkein und an Öffentliben VBerfammlungsDrten den Ton 
angaben. Jene Erftern lebten und ſchwelgten in Prunf und 
Freuden von den Dotationen, mit denen ihr Feldherr ihren 
Much belohnt hatte; oder von ihren in den Verwuͤſtungen 
Europas gefammelten Schaͤtzen. Die Üebrigen, weniger bes 
glüdt, oder weniger fparfam, und durd die ungluͤcklichen 
Feldzuͤge von Moskau und Dresden ſchon halb zu Gruude 
gerichtet, duͤrſteten nur nach Schlachten, und ſahen mit 
Schrecken einen Frieden ſich feſter gründen, der, unſre Wuns 
den heilend, ihre Habſucht zuͤgeln ſollte. Alle forderten 
Krieg; Jene, um ihre Reichthümer zu vermehren; Dieſe, 
um welde zu erwerben; Alle beflagten fhmerzlih den Mann, 
der, im Zaumel feiner fhrantenlofen Macht, ihnen durch eis 
nen Federſtrich, einen Thron zu flürzen, eine Nation zu befie: 
gen, ein Königreich zu verwüften gab, 
Diefer abſcheuliche Wunſch ſtroͤmt in hinterlijligen Wor— 
ten bald aus dem Munde der Anführer in die. Kerzen der 
Europ. Unnalen. zoted Stud, 1815. & 


66 Gefhihte der Verſchwoͤrung Buonaparte’s 





Soldaten über; auch fie beginnen nun über ihre UnthätigPeie 
zu grolfen. In ihre Kafernen eingefhloffen, und auf ihren 
Sold beſchraͤnkt, beffagen fie die Ungebundenheit der Ka— 
ger und das glückliche Loos, das ihnen der Gewinn einer 
Schlacht, oder die Plünderung einer im Sturm genommenen 
Stadt, darbietet. Man benugt diefe Stimmung, und, ſtatt 
dem Soldaten Gchorfam gegen den friedebringenden Monarr 
den, den und der Himmel wiederfchenfte, zu predigen, reizt 
man ihn auf, und entflammt feine Unzufriedenheit. Man 
überredet ihn, fein Schickſal fey dem Könige gleihgültig, 
weil fein vergoffnes Blut nicht für diefen gefloffen, und er ba= 
be nur Beratung zu erwarten, weil nah geſchloſſnem Frie— 
den feine Tapferkeit dem Staate künftig unnüg fey. 
Vergebens verfammelt fie ber König um feinen Thron, 
und vertraut ihnen feine geheiligte Perfon, feine Familie 
und feinen Scepter; vergebens verbrüdert er fib mit ihrem 
Ruhm, indem er jedem von ihnen eine glänzende That, die 
Zierde feines Namens, anführt;; umſonſt ſpendet er ihnen neue 
Wuͤrden und neue Wohlthaten. Sie empfangen dieſe Titel 
und Geſchenke, und ergießen ſich dagegen in tauſend Berheus 
rungen ihrer Treue und Ergebendeit; doch faum haben fie 
den Hof der Tuillerien verlaffen, fo beginnen fie ihre Klagen 
wieder; Krieg verlangen fie; Krieg ift ihr Bedürfnig. Die 
Abtretung der Mieherlande empört fie; fie wollen 
dies Land wieder erobern. Gewoͤhnt, die Befehle eines Des: 
poten, dem Nichts heilig war, zu vollfiveden, geben. fie 
dem neuen Monarhen Schwähe Schuld, weil er die Verträge 
halten will; fie befhuldigen ihn des Kleinmuthe, weil er 
nicht den Reſt ber Generätion der unerfättlihden Habſucht eis 
niger Partey:Häupter opfern will... Diefes Murren pflanzt 
ſich reißend fort, und wird bald allgemein. Es erſchallt im 
den Prunffälen der Großen, in Privatzirfeln und bey den 
Gaftmahlen der Korps; man fucht es vorzüglich in den Ka: 
fernen und an allen oͤffentlichen Orten zu verbreiten, wo ber 


gegen Ludwig XVII _ 67 





Soldat fib unter.die Volkshaufen mifht, und ihnen die 
Freymuͤthigkeit feiner Anſichten und die Energie feiner Aus: 
drücke mittheilt. Noch biuten'unfre Wunden, und ſchon will 
man uns in neue Schlachten reißen; feig heißt Jeder, der 
eine andre Meinung Außert. Ale, die fih in den Armee: 
Bermwaltungen bereidert; Alle, die einen Offizier höherer 
Grade in ihrer Familie zählen, müffen denfelben Gefinnuns 
gen beyſtimmen. Wer nicht Krieg fordert, der ift der 
Stimme des Ruhmes taub; wer nicht Krieg will, liebt fein 
Vaterland nicht. 

Daher jene beleidigende Geringſchaͤtzung aller friedlichen 
Gewerbe und aller Individuen, deren Beruf nicht der Saͤbel 
iſt; daher jene abenteuerlichen Spottnamen, den ehrlichen 
Handwerker, den emſigen Staatsdiener, oder den einſicht— 
vollen Kaufmann zu bezeichnen, die ſich unter der Aegide des 
Friedens ruhig den Sorgen ihres Handels oder ihres Ges 
werbfleiges widmen. Daher jene Scheidunglinie zwifchen 
altem und neuem Adel, und jener unbefheidne Spott gegen 
eine Klaffe von Männern, denen nicht die Titel, die fie ber 
fagen, und die Güter, die man ihnen raubte, fondern die 
von ihnen einft dem Staate geleifteten Dienſte und ihre dem 
gefeglihen Monarden ſtets bewiefene Treue Ehrfurdt er: 
werben follten. — Iſt es nicht ehrenvoller, einem-von ganz 
Europa hochgeſchaͤtzten Zürften in feine Verbannung zu fol: 
gen, und als Geführte feines Ungluͤcks zu altern, als fich im 
Geleite eines, mit dem Voͤlkerflüche belafteten, Zerftörerg 
zu bereihern? — Daher auch jene affektirte Verachtung 
gegen den Lilien:Drden, gegen dieſes Symbol unfrer als 
ten Biederfitte, das Zeihen des Friedens zwifchen Frankreich 
und den zahlreichen Heeren, welde die zügellofe Ehrſucht eis 
ned Despoten in die Hauptflabt ‚gerufen hatte. 

Derfelben Urſache ift au die Verachtung alles beffen, 
was den Stempel der Sittlihfeit oder dag Gepraͤge einer res 
ligiöfen Idee trägt, und jener unerflärbare Haß gegen eine 


i 


4 | | 
68 Geſchichte der Verſchwoͤrung Buonaparte’d 


Sn — 
wehrlofe Klaffe von Männern zuzufgreiben, deren Beruf es 
it, einen Gott der Milde und Barmherzigkeit, der alles 
Blutvergießen hafft, zu predigen. Denn was haben in ber 

That die abfheuliben Marimen, zu deren fih unfre foge: 
nannten Helden nicht nur im den Oräuel-Scenen des Krieges, 
fondern auch im tiefften Frieden im Schoße unfers Vater lan⸗ 
des bekennen, mit den Grundſaͤtzen eines Glaubens gemein, der 
nur troͤſtet und verzeiht? Durch Verlaͤugnung dieſes Glau⸗ 
bens und durch Laͤſterung des Gottes unſrer Vaͤter begann 
der Eroberer Egyptens die ſchaͤndliche Verlaſſung feiner Armee; 
die er bald nachher allen Entbehrungen, welde fie in jenem 
Wüfteneyen bedrohten, preisgab. 

Diefe Gleihgültigkeit unfrer Krieger gegen jedes Prin— 

- zip, auf weldem das Heil eines Staates beruht, erſtreckt 
ſich bis auf das Oberhaupt der Regierung. Man erkennt 
weder die Freymuͤthigkeit feines Charakters, weder ſeine finz= 
nigen Aeußerungen, noch die tiefe Weisheit an, die der Koͤ— 
nig, in der Schule des Ungluͤcks gereift, im feinem Rathe 
entfaltet. Man erwägt niht, daß er und den Frieden ges 
bracht; daß er den Raͤcherarm der Verbündeten aufgehalten; 
dag er Feankreich mit den übrigen Nationen Europas ver: 
föhnte. Man überfieht die Leutfeligkeit, mit welder er je: 
den feiner ihm nahenben Unterthanen empfängt, und die 
fanfte Güte, mit der er ihren Bitten entgegenfommt. Fran: 
zofen, feine gebornen Unterthanen, Franzofen, deren Bi: 
ter fi feit Jahrhunderten durd ihre Liebe für ihre Beherr: 
fer auszeichneten, bleiben bey der leutfeligen Guͤte, bie 
felöft Fremdlingen Thränen entlodt, bey dem wohlwollenden 
Lächeln und bey dem Vaterblicke ungerührt, ber jedem Fran: 
zofen zu ſagen fheint: „Nahe mir, ih bin dein Bas 
ter.” Mit einem Wort, man rechnet ihm weder das Gute, 
welches er wirkt, noch jenes, das er wirken will, an: weil 
er für fein Wolf zu Gott betet, und fein nicht mit 
einem Todes-Urtheil beginnt. 


gegen Ludwig XVIII. | 69. 








Wenn der König, unerachtet der beynahe allgemeinen 
Webereinftiimmung der Bürger, die ihn zum Throne berief, 
and unerachtet fo vieler Tugenden, die ihn diefes Thrones 
würdig machen, einige Armeehäunter ſich nicht zu gewinnen 
vermochte; fo läfft es ſich leicht begreifen, bag die Prinzen 
feines Hauſes nit glückliher feyn Ponnten. Die ganze 
Volksmaſſe der Hauptſtadt und ihrer Umgebungen mar 
Monfieur entgegergefirömt, als er in Paris einzog; alle 
Herzen waren ihm zugeflogen; Alle wollten ihn fehen, und 
Alle riefen bey feinem Anblid: „3a, er iſt's; das find 
bie Züge der Bourbons; dies ift. die Haltung, 
die Grazie, ber Charakter eines franzoͤſiſchen 
Ritters!’ Allein diefes Gepräge ritterliber Sitte, und 
die alte Bicderkeit, bie einft der Stolz unfrer- Ahnen gemes 
fen, und die er in den Kriegern feines Vaterlandes wieder 
zu finden glaubte, waren in fünf und zwanzigjährigen Revo» 
Iution:Stürmen untergegangen. Die ganze Armee hatte eine 
zweyte Generation erlebt, und jenes Priegerifhe Feuer, dag 
fi einft auf die Vertheidigung bes Staats befhränkte, war 
zur Eroberung: Wuth, zu einer wilden Naferey und zu einem 
raftlofen Zerftörungtriebe geworden, die fih mit den Grund⸗ 
fügen einer friedliebenden Regierung nicht vereinigen liefen. 

Andrerfeits waren die Titel und Würden, in beren Bes 
fig ſib die Häupter der Armee befanden, und die von mehrern 
unter ihnen in einem ober zwep Seldzügen auf eine empoͤren⸗ 
be Weife,angehäuften Schäge, und die unermefflihe Beute, 
die fie mit prunfendem Webermuthe der Armee nahführten, 
eben fo viele Reize, welde die Habfucht der Ehrgeizigen, bie 
ihren Fußſtapfen folgten,. entflammt hatten. 

Wie konnte man aber bergleihen Herrlihfeiten unter 
einem Monarchen erwarten, ber, dem Blutvergießen abhold, 
die Heiligkeit der Verträge ehrte? Wie hoffen, daß man in 
dem bedrängten Zuftande, im dem ſich Frankreich befand, ein 
Dffizierforps heybehalten werde, welches allein ben doppelten 


— 


f 


. 90 Geſchichte ber Verſchwoͤrung Buonaparte's 








Beſtand des ſtaͤrkſten Heeres bildete, das Turenne oder 
Catinat ihren Feinden je entgegenſtellten? 
Jeder unbefangne Militär wird einräumen, daß ein ſol⸗ 
. Ser Stab für die Zufunft ein politifber Auswuchs war, ber 
allein und zum Nachtheil der übrigen Glieder des Staats 
das ganze Mark der Öffentliben Kräfte zu verzehren drohte. 
So lange das Loos der Niederlande unentſchleden geblieben 
war, hatte die Hoffnung, fie wieder zu erobern, einen grofz 
fen Theil der Armeehäupter um den König-verfammelt. Die 
Journale wimmelten von Schwüren und Verfiherungen der 
treuften Ergebenheit aller NRegimenter der Armee. 
Als dieſe Hoffnung verfhwunden war, verwandelte fi mit 
Einemmal ihr Gelft; die Offiziere klagten über Vernachlaͤſſi— 
| gung; die Nation fhien ihnen erniedrigt, ihr Ruhm gefbän= 
det. Diefe Klagen wurden von Allen nabgehallt, die, aus 
Beruf oder Spekulation, gewöhnt waren, ihre Gluͤcks-Um— 
fiände nach den Berwüftungen des Krieges zu berechnen. Won 
diefem Augenblid an wurde die Scheidunglinie zwifhen dem 
Nahr- und dem Wehrftande gezogen; die Armee fah 
mit Befremden das Wohl der Geſammtheit der Bürger dem 
ihrigen vorgezogen, und der Offizier glaubte fih durch feine 
Epauletten befugt, seoen alle Maßregeln der Regierung laut 
zu beclamiren. 

In einer folden * gab ung der König die Konſti— 
tution=:Afte, 

Es liegt außer meinem Plane, dieſes Meiſterſtuͤck von 
Weisheit, diefen feierliben Vertrag, das fhönfte Geſchenk, 
das ein Souverain je feinem Bolt machte, zu erörtern. 
Man kann mit Wahrheit behaupten, daß, mit Ausnahme 

‚ einiger Partenhäupter, die wechfelmweife die Apoſtel der 
Anarchie und des Deſpotismus gewefen, die ganze 
von ihren fangen Verirrungen zuruͤckgekommene Nation diefe 
Konftitution mit dem Vollgefühl des Danfes angenommen, 

a mwelden eine folde Wohlthat verdiente. Nur einige Unzus 


} 
gegen Ludwig XVII. 71 





friedne, gewöhnt, ihre Lungen den Volks-Verſammlungen 
zu widmen, und deren Zungen bisher Buonaparte’s 
Gold gefeffelt Hatte, erhuben ihre Stimme, und fhürmten 
mit läcderliber Erbitterung auf einige in jener Akte wahrge: 
nommmtene leichte Fleden ein, die im Taufe der Zeit nothwen: 
big verfbwinden mufiten. 


Der Zweck diefes Werks ift nicht die Erzählung von Er: 
eigniffen, melde bie ganze Welt kennt; fondern die Angaben 
der ſekundairen Urfahen, deren Verkettung fo fürdtbare Re: 
fultate berbevführte; ich werde daher einige aufrährerifche 
Striften, deren Urtheil die Öffentlihe Verachtung gefpro: 
ben bat, mir Stillſchweigen übergehen, um Einiges über 
Carnots Memoire, das in diefem Zeitpunkt erfhien, zu 
fagen. *) ; 


Diefes Produft muß das Erfiaunen bes Lefers um fo 
mehr erregen, da deffen Verfaffer im Jahr 1793 in dem be: 
rüdtigten Ausſchuß faß, deffen koͤnigsmoͤrderiſcher Ausſpruch 
Taufende. von Franzofen zum Tod fendete, um die Freyheit 
zu griinden, da derfelbe ferner im Jahr 1813 dem unums 
ſchraͤnkteſten Tyrannen der Erde feine Dienfte verfaufte (?); 
da eben diefer Mann, nach dem Sturze jenes Despoten, wieder 
zu der volien Strenge feiner republifanifhen Grundſaͤtze zu: 
rüdfebrte, um die Abſichten des beften der Könige zu läftern, 
und zum Umſturz feines Thrones mitzuwirken; da endlich 
derſelbe Mann, nah VBollbringung jerer Schandthat, ſich 
wieder freywillig unter das Joch des Uſurvators fhmiegt, 
und fib mit ihm vereinigt, alle Klaffen der Staatsbürger ir: 
re zu leiten, zu beſtechen, ober zu verführen, um durch meue 
Biutfirdme nit mehr die Republik, deren Apoſtel er 


*) Diefes Memoire wurde ſeitdem durch eine Schrift, unter _ 
dem Titel: Le Jacobinisme refute, ou observations eriti- 
ques sur le memoire de M. Carnot, widerlegt. 


72 Geſchichte ber Verſchwoͤrung Buonaparte’s 





geweſen, ſondern die Macht des Despoten zu * 
gruͤnden, deſſen Miniſter er wurde. 

Der innere Werth der erwaͤhnten Brochuͤre, die gegen⸗ 
waͤrtig *) aus einem leicht zu errathenden Grunde fo häufig 
verfauft wird, fey welcher er wolle; fo würde es ohne Zwei⸗ 
fel fbon hinreichen, daß fie aus der Feder eines Militärs von 
hohem Grade, eines Mannes gefloffen,-der in unfern po— 
fitifben Unruhen eine fo bedeutende Rolle fpielte, um fie 
zum Vereinigungpunkte der Oegenpartey des Hofs zu machen. 
Nach der in diefem Werke ausgefprodenen Grundfägen follte 
ſich die Meinung jenes zahllofen Korns von Offizieren jedem 
Ranges modeln, deren Mebrzahl, während fie jeden Zu— 
gang des Thrones befagerten, lediglih auf die Mittel, ihm 
zu ſtuͤrzen, fannen. 

In diefer Abjiht hielten die Angefehenften unter ihnen 
geheime Zufammenkünfte, in denen man fib über die Mittel, 
biefen Geift unter die Soldaten zu verbreiten, verfiindigte ; 
in diefer Abfihr gaben Andere den Korps jene Gaſtmahle, 
bey denen man gemeinſchaftlich Frankreichs Erniedrigung be: 
klagte — Gaftmahle, die mit ſchmerzlichen Rüderinnerum: 
gen an die Vergangenheit begannen, und fih meiftens mit 
dem lauten Wunſche einer neuen Ordnung ber Dinge be: 

ſchloſſen. 

Dem Könige war dieſes Alles. nicht unbekannt; allein 
‚er hatte, ſelbſt in feiner Verbannung, ben — unfrer 
Heere zugejauchzt; er hatte ficb mit den Tapfern eng verbrü: 
bert, die den Ruhm des franzoͤſiſchen Namens nad den fern: 
fien Weltgegenden verbreiteten, und, mehr darauf bedacht, 
zu verzeihen, ald zu firafen, veractete er eitle Pralereven, 





*) 27. April 1815. — Die vorliegende Brochüre wurde bereits 
am 28. Jun. d. J. dem Drud übergeben, und ben der Dis 
. zeltion des Buchhandels verzögert. Hierdurch erklären ic 
mande auf Frankreichs damalig e Lage berechnete Stellen, 


gegen Ludwig XVIII. mg 





und harrte auf. den Augenblick, edle Handlungen zu be 
lohnen. ° | 

Ueberben war, unerachtet aller Intriguen un Bemuͤhun⸗ 
gen der Chefs, der Geiſt des Boͤſen, der fie beſeelte, bey Wei: 
tem nicht in ber Armee allgemein; bey den Soldaten und den 
Subalternoffizieren herrſchte nur eine ungezügelte Begierde _ 
nad neuen Eroberungen; ‚wir werden weiter unten feben, zu 
welden Mitteln man greifen, und, mit welben Faliftricken 
man dieſe Letztern umgarnen muffte, um ihre Rechtlichkeit zu- 
täufben, und fie zum Verrathe zu verleiten.” 

Während verähtlibe Empoͤrer auf diefe Weife die Treue 
des Soldaten zu erfhättern verſuchten, beſchaͤftigte fich der 
Monarch mit deffen Bedärfniffen; alle disponibeln Fonds, 
deren Verwendung nicht unwiderruflich beftimmt war, follten 
zu diefem Zwecke angewendet werden, und jwar felbft, ehe 
die nothdärftigfien Ausgaben für den Hofflaat des Königs 
gedeckt waren. Diefes waren die erften Gedanfen Ludwig 
des Achtzehnten, als er den Thron feiner Väter beftieg. 
Bald erhalten Tauſende von Tapfern, die in Deutfchlands 
Feftungen, auf Englands Schiffen oder in Rußlands Wüfte: 
neyen verlaffen hiuſchmachteten, ihre Freyheit wieder, Bus 
naparten wer es nicht einmal eingefallen, zu ihren Gunften 
ein Auswechslung-Kartel vorzuſchlagen. Für den Ufurpator 
hatten fie gefämpft; der König bricht ihre Ketten; gegen 
den König hatten fie gefochten, und gerade ihm verdanken fie 
das Gluͤck, ihr Vaterland wieder zu fehen, Seine Vaters 
forge fommt ihren Bedärfniffen entgegen. Kaum betraten 
fie Frankreichs Boden, fo reiht man ihnen Unterſtuͤtzungen 
allee Art, um fich wieder unter ihre Fahnen zu ftellen, oder 
in den Schoß ihrer Familien zurüczufehren. 

Alle diefe Korps bildeten, obgleih nur aus Trümmern 
beftehend, mit den Maffen im Innern eine Armee, deren 
Unterhaltung die Kräfte des Staatsſchatzes weit überftieg. 
Die meiften Dffiziere hatten bedeutende Verlufte erlitten, 


'74 Geſchichte der Verſchwoͤrung Buonaparte's 





— — — — 
und verlangten angemeſſne Entſchaͤdigungen; andre hatten 
ſeit mehrern Jahren keinen Sold empfangen; der Ruͤckſtand 
war ungeheuer, die Zahl der Reklamanten beynah nicht zu 
berechnen. Man ſah ſich genoͤthigt, eine Kommiſſion zur 
Pruͤfung und Regulirung ber die jedes Einzelnen nies 
_berzufegen. 

Mährend biefer Unterfuhungen wurden alle Fonds 
des Schatzes, fo wie fie eingingen, unter die Armeeforpe, 
deren Bedürfniffe die dringendfien waren, vertheilt. Der 
Staatsſchatz ſchien nur die Kaffe der Armee zu feyn, und. (es 
würde kaum glaublih feyn, hätte es nicht die Erfahrung be: 
wiefen) diefelben Offiziere, welche Buonaparte Jahre 
lang in feindlihen Ländern ohne Sold und Unterftügung ib: 
rem Muthe allein überlaffen, waren jegt die erfien, die mit 
empörendem Uebermuthe gegen die verzögerte Zahlung ihrer 
NRüdftände eiferten. Gie verlangten fühn vom Könige den 
Lohn ihrer, dem Ufurpator geleifieten, Dienfte. 

Unglücliherweife hatte nie ein Souverain das Staats: 
ruder in einer jammervollern Lage übernommen. Eine Schuld 
von fehzehbenhundert Millionen, das Refultat von 
zwölf Jahren Krieg und Zerrättung, verfhlang im Vor⸗ 
aus alle Hülfquellen Frankreichs. Der Geiftder Unordnung 
und des Unterfchleifs herrſchte in allen Zweigen der Verwal: 
tung; die Büreaus waren mit einer Maſſe von Menſchen an: 
gehäuft, die das Stocden des. Handels und die Unſicherheit 
aller Gewerbe gezwungen hatte, darin eine Zuflucht zu ſuchen. 
Alle jene Generale, die die Wiffenfhaft bes Saͤbels 
zu ben erſten Reichswuͤrden emporgehoben hatte, waren bie 
Gönner eines Schwarms in Mangel und Dürftigkeit gebor: 
ner Verwandten geworben; es galt ihre Ehre, fie aus dem 
Zuftande von Niedrigkeit zu reißen, ben ihnen das Loos ih: 
ver Abkunft zugetheilt hatte. Diefe Verwandte bevölferten _ 
alle Minifterien; kein Verbienft und feine Ruͤckſicht vermoch⸗ 
ten den Krebit eines Generals zu befiegen, ber in Gold fhar= 


— 


gegen Lubwig XVIII. 75 





rend, mit Orden verbraͤmt und in einer eleganten Equipage 
rollend, ſich zum Gönner einer ſeiner Kreaturen erklaͤrt 
hatte. Wurde eine bedeutende Stelle erledigt, fo verlangte 
fie fogleib ein Adjutant, der ben Dienft im Schloß hatte, 
vom Kaifer. Hatte ein Minifter das Amt zu vergeben? — 
Schaaren von Supplifanten kruͤmmten fi in feinen Vorzim⸗ 
mern, einen Augenbli Audienz erwartend; ein Obriſt 
mit firuppigtem Schnurrbart drängt fih durd die Menge, 
tritt mis kecker Zuverfiht den Minifter an, nnd erringt, mit 
feinem Portd’epee fpielend, im Sturme die Stelle, 
um die das Supplifanten:Heer als einen Lohn Tangjähriger 
Dienfte buplte. 

Es laͤſſt ſich leicht — daß Chefs von Verwaltun⸗ 
gen, bie ihre Stellen-Buonabarte's Generalen ver: 
banften, in ihren Büreaus Peine Anhänglichkeit an den Kö: 
nig duldeten. Die Reformen in den verfhiednen Miniftes 
rien geſchahen ohne irgend eine Ruͤckſicht auf Dienftalter, 
das, fonft der erſte Rectstitel und der einzige Sporn bes 
Staatsdieners iſt. In dieſer Hinfiht war Alles der empoͤ⸗ 
rendfien Willkuͤr überlaffen. Daher die Klagen, bie Ber: 
zweiflung, die Selbftmorde fo vieler Familienväter, die ſich 
ber Ruͤckkehr ver Bourbon freuten, und die man 
nur im deswillen reformirt hatte, um die Schüglinge diefes 
oder jenes Generals, der nah Napoleon feufzte, 
mit ihren Stellen zu beſchenken. 

Ih muffte diefe Thatfahe anführen, weil diefelbe die 
Hinterlift, mit welcher man die heilfamften Maßregeln aus: 
führte, beurkundet. Außerdem greift diefelbe auch in bie 
Maffe fefundairer Urſachen ein, deren Einfluß nur im Gan: 
zen bemerkbar ift, und die, gleich unftchtbaren Fäden, Alle 
mit der Vollbringung des, auf Elba ausgebrüteten, Berbre: 
hend zufammenbingen. 

Ein andrer Keim des Mißvergnuͤgens follte in einigen 
Tagen bey den Truppen auffproffen. Der König hatte fi 


— 


76 Geſchichte der Verſchwoͤrung Buonaparte's 





endlich entſchloſſen, nicht zu feiner perfönliben Sicherheit 
(er bedurfte derſelben nicht) ſondern um den Thron mit dem 
Glanze von Majeſtaͤt, der dem Beherrſcher eines großen 
— Reichs zufommt, fein, Militärhaus (maison mili- 
taire) zu bilden. Kaum wird diefer Entfbluß befannt ger 
macht, fo bewerben ſich ganze Haufen junger Leute aus dem 
erſten Familien, die ſich durch verſchwendetes Gold den Auf⸗ 
forderungen des Uſurpators zu entziehen gewuſſt hatten, 
dringend um die Ehre, ſich unter die Lilienpaniere zu 
verſammeln. In kurzer Zeit ſind die Regiſter geſchloſſen, 
und kaum ein Drittel der Juͤnglinge, die ſich gemeldet 
hatten, konnte zugelaſſen werden. Nichts natuͤrlicher, als 
dieſer Drang, und nichts einfacher, als dem Staatd:Dber: 
haupte eine Leibwache zuzutheilen. Indeſſen iſt fie faum 
gebildet, ‚fo bricht bey der kaiſerlichen Garde lautes 
Murren aus. Sie fieht den, jungen Leuten, die noch 
nicht einmal die Waffen‘zu führen verfieben, 
eingeräumten, Vorzug als eine Befhimpfung ihrer Tapferkeit 
an, und verlangt bie Ehre, den Monarden zu befhügen, 
und doch waren ihre Gefinnungen fo hoͤchſt zweydeutig, und 
doch athmete aus jedem ihrer Worte das unbegreiflihfie Miß⸗ 
vergnügen? — Vergebens wählt der König, um jede Ei- 
ferfucht zu verbannen, aus ihrer Mitte die Chefs, die er an 
die Spitze ſeiner Leibwache ſetzen will; das Murren dauert 
fort. Spott, Verachtung, Anreizungen, "Alles wird auf: 
geboten, bie Treue der jungen Leute zu erfhüttern. Bald 
lärmt man, obgleich fie fih auf ihre Koften gekleidet und 
equipirt hatten, gegen ihre reihe Uniform; bald macht man 
ihnen das Recht fireitig, fi das Gewehr anziehen zu laffen; 
man behauptet: ihre Evauletten feyen nicht auf 
dem Feld der Ehre errungen, und. Pönnten- ih: 
nen daher feinen Dffizierd:Rang verleihen. 
Tauſend Arußerungen diefer Art zirkuliren in den Kafernen, 
und namentlich unterden Beteranen ber alten Garde. 


gegen Ludwig XVII. 77 





Eine aufrührerifbe Erbitterung blicft aus jedem ihrer Worte 
und Dandlungen hervor. Gie trifft befonders die Menſchen— 
Klaffe, die man durd den Namen Emigranten zu ernies 
drigerr glaubt — als fey es nit ber ſchoͤnſte Ehren: 
titel jedes Franzofen, fein Blur für die Beſchuͤtzung feines 
Königs vergoffen zu haben. Man beneidet ihn, umd fucht 
die Stellen, die fie in feiner Leibwache befleiden, als hätten 
fie aufgehört, Franzofen zu feyn, weil Empärer ihr Vermd: 
gen verſchlangen, und fie ächteten. Man wirft ihnen fogar 
ihr Alter vor, weil fie, die Verbannung ihres Fürften 
theilend, in Ehren grau geworden find. Man gedenft nicht 
mehr der Waffenthaten, die ihre Heldenfchaar verherrlicten, 
als fie unter den Befehlen eines Abfömmlings des großen 
Sonde, mit dem Rufe: Es lebe der König! dreyfach 
überlegene Maffen niederwarfen; man vergifft ihre Groß— 
muth gegen ihre Gefangenen, während fie bey der Gegen: 
partey unfeblbarer Tod erwartete. Man will nichts mehr 
von den berühmten Stämmen hören, deren Nanıen Frank— 
reichs ſchoͤnſte Epochen bezeichnen; man vermwirft jenen, zu: 
gleich auf edle Thaten und ein tadelfreyes Leben begründeten, 
Adel; man will nicht mehr jene Seelengröße, jene erhabenen 
Gefühle, durch welde die Montmorency, die Ven: 
döme, die Duguesclin, die Bayard und ſo viele andre 
Helden die franzoͤſiſche Tapferkeitverherrlichten, und unſre Na: 
tion zur erſten des Weltkreifes erhuben. *) Man erkennt 
ſolche Verdienſte nicht mehr an, wenn ſie nicht mit Thraͤnen 
bezeichnet, und mit Blut beſiegelt wurden; wenn fie ſich nicht 
auf die Aſchenhaufen frommer Muͤnſter, anf die Trümmer 
rauchender Städte gründen, und wenn jle nidt das Ge: 
präge des verwültenden Adlers tragen, der, den Raubvoͤ— 


— 





2) Wie ugendlih befheiden! Lind Loch waren die Mefultate der 
Schlacht von Belle Alliance Zu Paris am 28. Juning bins 
zeihend befanutl ° 


78 Geſchichte der Verſchwoͤrung Buonaparte's 





geln vergleihbar, fih am Morde weiber, und mit Leihen 
mäftet. 2 105 

Unter diefen Emigranten (ib nenne fie abſichtlich 
fo, weil diefe Benennung ihnen künftig ein Ehrentitel *) 
feyn wird), unter diefen Männern, die im Gefolge ihres 
Fürften alterten, hatten einige, ihres hohen Alters ungeach⸗ 
tet, wieder Dienfte in feiner Leibwahe genommen, um ber 
Jugend, die den Thron umgab, ein Beyfpiel von Treue und 
Anhänglihkeit zu geben; Andre waren in die, von ihnen che: 
bin bekleideten, Stellen wieder eingetreten. Diefe von ®e: 
rechtigkeit und Dankbarkeit befohlne Maßregel wurde ein 
neuer Anlag zum Mißvergnügen ; die kaiſerliche Garde 
murrte laut. Man hätte glauben follen, der König befohne, 
anf ihre Koften, die Schaar ber alten treuen Diener, 
die feine Unglücts : Gefährten gewefen, und nun mit allen 
Franzofen die Wohlthaten feiner Ruͤckkehr zu theilen kamen. 


Shdeffen gewann das, anfangs mit einer Art von Sche: 
nung verbreitete, Murren der Prätorianer allmählig 
einen ernftern Charakter. Der bittre Ton ihrer Aeußerun— 
gen, die Heftigkeit ihrer Beſchwerden und ber beleidigende 
Uebermuth, mit dem fie ihre Meinung über Frankreichs po: 
litiſche Lage laut verfündigten, bewiefen auch dem Kurzfid: 
tigften die Eriftenz einer zahlreicher und maͤchtigen Partey, 
die den Zweck hatte, den Thron zu fürzen. Diefe Abſicht 
wurde fogar durch, eine gewiſſe Zahl von ihnen eingeftanden, 
und die Sachen waren fo weit gediehen, daß fie mit der vollen 
Dermegenheit des Verbrechens den nahen Zeitpunkt der Aus: 
führung ihrer Plane zum Voraus beftimmten. 





*) Für mehrere der Auswanderer in ber leuten Kataſtro⸗ 
phe allerdings. Die Nopaliften werden in ihren Annas 
len die Namen Clarke, Marmont, Victor, Mal 
fon, Gouvion-Saint-Cyr, Macdonald, Defjoles, 
Oudinot gewiß ſtets mit hoher Achtung nennen, 


gegen Lubwig XVII. 79 








Dies war die Sprache der Militärs. Jene in den Bi: 
reauß ber Öffentlihen Behörden war gemäßigter, aber nicht 
berubigender. Allenthalben unterbrüdte militärifber Despo: 
tismug die Anfihten und Gedanken; allenthalben erftickte der 
wilde Blick irgend eines bebänderten Satelliten auf den Lips. 
pen des friedliben Bürgers den Wunſch für die Erhaltung 
feines Könige. In diefe Epoche gehört eine Erfparungs 
Mapregel, die unerläfflih geworben war, deren Ausfühs 
rung aber die Erbitterung der Aufrührer aufs Hoͤchſte ſtei⸗ 
gerte. 

Ich ſprach weiter oben von. dem beflagenswerthen Zus 
ftande, in welhem ber Ufurpator unfre Finanzen gelaffen 
hatte. Der und durch die Nückehr der Bourbong mies 
dergeſchenkte Friede hatte eine Reduktion bey der Armee, 

deren Koften mit den Hülfquellen des Staats ganz außer 
Berhältnig wären, nothmendig gemadt. Diefe Reduktion. 
konnte nicht gefhehen, ohne Privatintereffen zu verlesen, 
und ohne Eiferſucht zu erregen. Die Offiziere aller Grave, 
welche diefe Maßregel trifft, ſchreyen augenblicklich über Un: 
bank, über Vergeffenheit ihrer Dienfte. Seit zwölf Jab: 
ren gewohnt, aller Ehren, aller Borzäge ausſchließlich zu 
genießen, glauben fie ſich gedemuͤthigt und befhimpft, weil 
man fie zur Rückkehr in die Reihen friedliher Bürger zwingt. 
Bon diefem Augenblick an ift die Fehde durch die Empoͤrer 
erklärt; fie verhehlen nicht länger ihre verderbliben Plane 
und ihre verbreherifhen Hoffnungen. Ein Meinung: 
Krieg zwifben den Freunden der Gefege und den Schild: 
Pnappen des Desvotismus; zwifcben den Unterthanen Lud— 
wig des Achtzehnten und den Anführern der Raͤu— 
berhorden, die, im Gefolge eines neuen Attila, ihre 
wilde Raferey zur Beiffel von zwey Drittheilen von Europas 
gemacht hatte, beginnt: Indeſſen beobachtet diefer Straf:Ens 
gel, dur einen feyerliden Vertrag auf eine Infel des Mit: 
telmeers verbannt, vom Gipfel der Felfen, die feine Wob⸗ 


80 Geſchichte der Verſchwoͤrung Buonaparte's 





nung umſchließen, alle Bewegungen der Aufruͤhrer, die er 
in unſrer Mitte zuruͤckließ. Einem boͤſen Dämon vergleich— 
bar erfreut er ſich ihrer Anzahl, jauchzt ihren Bemühungen 
Beyfall, entflammt ihren Muth, und finnt, unter dem truͤ— 
gerifhen Schein der tiefjten Ruhe, auf neue Zerfiörung: Plane. 
Die Ehäge, die er den Nationen Europas geraubt, und jene, 
die er vor feinem Abzuge den Öffentlihen Kaffen entfremdet, 
‚ verleihen ihm die Mittel, Alles zu unternehmen, und den 
Muth, Alles zu wagen. Erbittert, bey allen den Natio— 
nen, deren Schreden er gewefen, nichts mehr zu gelten, 
will er zum Zweyten- und Letztenmal auf der Welt: 
bühne auftreten. Um die Ausführung diefes großen Planes 
vorzubereiten, landet täglih eine Barfe an unfern Küften, 
und fest einige mit feinen Yufträgen verfehene Emiſſarien 
aus. Die Behörden werben bavon benachrichtigt; man be— 
ruhigt fie aber durch die Bemerkung, es feyen in ihr Vater: 
land zuruͤckkehrende Franzofen, und die Verſchwoͤrung frei: 
tet immer thätiger vorwätts. Bald -fcheint der Mann auf 
Elba von Neuem über Europa zu herrſchen; Perfonen von 
der hoͤchſten Bedeutung beſuchen ihn insgeheim; empfangen 
feine Befehle, und Fehren wieder zuruͤck, um fib an bie 
Spige ihrer Parteyen zu flellen. Andre, mit großem Auf 
wand zu Wien und in den Tuilerien befoldet, erfpähen bie 
Dperationen der verſchiednen Kabinette, und tbeilen ihrem 
_ Patron die geheimen Gedanken der Monarden mit. 

Zu gleiher Zeit durchſtreifen getreue Spießgefellen aus 
dem Civil- und Militärftand-in Menge die füdliben Depars 
tentents, um, duch Verläumdung der Abjichten des Königs, 
das Volk zu fhreden, und die Armee dur lodende Ehren 
und Schaͤtze, die fie ihr im Namen des Ufurpatore verheifs 
fen, zu verführen. In allen Bierteln der Hauptfiadt wers 
den zu dieſem Endzweck Ausfbüffe errichtet; in mehrern -präs 
fidiren Weiber, die am Hofe des Tyrannen jede Schaam vers 
foren, und nun den Reft ihrer Reize zur Vergrößerung feiner 
Tra⸗ 


— 


; gegen Ludwig XVIIII. 81 





Zrabantenfhaar benngen. *) Im den ſchimmernden Bous 
doirs, wo fih Sinnenraufh mit moralifher Entartung gat⸗ 
tet, reifen planmäßig der Meineid und die Pflichtvergeſſen⸗ 
beit. Hier verabreden unfre erſten Staats-Beamten, nach— 
dem fie dem vertrauenvollften aller Könige den Eid der Treue 
geſchworen, bie Mittel, ihn fihrer zu verrathen. Hier eig: 
nen fi die Offiziere der hoͤhern Grade den Ton und Geiſt 
an, ben fie.den Truppen mittheilen follen. #*) Im diefen 
naͤchtlichen Verfammlungen werden die zahllofen Adreffen und 
Proflamationen gefhmiedet, die der Mann auf Elba druden, 
und in dem Augenblicke, wo er ben Boden unfers Vaterlan⸗ 
des betreten wird, verbreiten laſſen will. Aus dieſen Aus: 
fbüffen werden Taufende von Abgeordneten verfendet, Frank: 
zei nad allen Richtungen zu durchkreuzen, und den Sand: 
mann durch die Aus ſicht auf die nahe Wiederkehr des Zehen— 
ten; den Erwerber von Nationalguͤtern durch die Beſorgniß, 
ſeine Beſitzthuͤmer zu verlieren; das Volk durch angedrohte 
— — aller Feudalrechte zu beunruhigen und auf⸗ 


J 


*) Man ſchaͤtzt den Betrag der von der: Somteffe e St gen 
und andern eingemweihten Damen, zu Beförderung, des Kom⸗ 
plotts, verkauften Diamanten auf mehrere Millionen. 

**) Man erinnert fi des traurigen Endes des wadern Gene⸗ 
rals Guesnel, der ploͤtzlich verſchwand, und deſſen Leich— 
nam ſich, von mehrern Dolchſtichen durchbohrt, nach acht Ta⸗ 
gen in der Seine fand. Bis jetzt iſt Fein Umſtand bekannt ge⸗ 
worden, der dieſen graͤßlichen Mord veranlaſſte oder begleitete: 
man weiß nur, daß dieſer durch eine von der ganzen Armee 
anerkannte Bravour und Redlichkeit ausgezeichnete General 
am Abend ausgegangen war, um in Geſellſchaft zu ſpeiſen. 

Wahrſcheinlich war er zu einer der Orgien, bey denen man 

die Empoͤrer warb, geladen, und äußerte Widerwillen gegen: 

die Grundſaͤtze der Verſchwornen; diefe miochten denn für noͤ⸗ 

— thig finden, unter bem Vorwande, ihn nah Haufe zu beglets 
ten, mit ihm das Geheimniß eines Komplotts zu begraben, 
an dem er keinen Theil nehmen wollte, 

Gatop. Kanalen. zoted Stüd, 1815. 6 


3 #4. 
«4 ’1:1197 


# 


82 Geſchichte der Verſchwoͤrung Buonaparte's 





zureizen. Um folden Vorfpiegelungen mehr Gewicht zu ver: 
leihen, treffen ſich befoldere Emiffarien zufällig in Flecken 
oder Dörfern, erkundigen fib nah verfäuflihen Grundftü: 
den, und weifen jene, die ehemals Narionalgäter gewefen, 
verächtlich zuruͤck; oder bieten, wenn fie ſolche annehmlich zu 
finden feinen, den halben Werth als Kauffumme. Andre 
geben vor, fie feyen von diefem oder jenem Pfarrer zum An: 
Fauf einer Scheune beauftragt, in welche er den Ertrag ſei⸗ 
nes Zehenten von ber naͤchſten Ernte aufſpeichern wolle. Je 
leihtgläubiger die Leite, die man täufchen will, defto albers 
ner find die ausgeftreuten Gerüchte. Es gab in der Grande: 
Comté undin Lothringen Menſchen, bie fi überreden 
fieffen, die Zeit fey nicht fern, wo fie die zerträmmerten 
Schloͤſſer auf den Gipfeln ihrer Berge in der Frohne wieder 
aufbauen müfften. Andre lieffen ſich aufbinden, wenn der 
Zehente zum Unterhalt ihres Pfarrers nicht hinreichen follte, 
‚fo werden die Taxe der gottesdienftlihen Eeremonien, der 
Zaufe, Heirathen, Beerdigungen ıc. auf das Doppelte er: 
höht werden, um fein mäßiges Einfommen zu vermehren. 
In den von Proteftanten bewohnten Gegenden des Elfaf 
fe8 verbreitete man das Gerücht einer bevorftehenden Bar: 
tholomaͤus-Nacht für alle Käufer von Emigranten:Gd> 
tern ac. ıc. | | ( 
+» Während man durch ſolche Albernheiten die gutmuͤthige 
Leichtglaͤubigkeit der Landleute täufchte, wurden in ben Gars 
nifonen die hinterliftigften Einlifpelungen und die lockendſten 
WBerfprehungen angewendet, um die Soldaten zu flimmen 
Und zu verführen. Diefer.Kunftgriff wurde vorzüglich bep 
den Regimentern auf’ dem Wege von Grenoble nad 
Zyon gebraucht; mehrere waren fhon gewonnen; die, wele 
de noch zauderten, wurden durch Korps erſetzt, die man von 
Paris kommen ließ, und die man rein nannte, weil man 
ſich mit Zuverfiht auf ihre gänzlihe Entartung verfaffen 
konnte. Es war aber nicht hinreichend, dieſen Keim der 


gegen Ludwig XVII. 8 








Ver derbtheit einigen einzelnen Korps einzuimpfen; um nichts 
dent Spiel des Zufalld zu überlaffen, muffte die ganze Maffe 
der Armee verführt werden; auf diefen Zweck arbeitete man 
mit der eifrigfien Thärigkeit hin. Während diefer Bearbeis 
tung der Truppen hatte die Korrefpondenz zwiſchen der Inſel 
Elba und den Parifer Ausſchuͤſſen den gedeihlicften Fort: 
gang. *) Diefe Ausſchuͤſſe beſchaͤftigten fich mit dem Dienfte 
bes Innern, d. h. mit Gewinnung der Korps, die durch did 
Hauptftadt ziehen, oder einige Zeit dafelbft verweilen wir: 
den; mit Erforfhung der Chefs; mit Ergrändung ihrer Ge: 
finnungen, und mit Borforift ber Handlungweiſe, die fie in 
dem Augenblide der beginnenden "Ausführung des großen 
Planes zu beobachten haben würden. Der Dienft in ven 
Provinzen war eben fo forgfältig und umfichtig beftellt ; drey 
durch ihre Anhänglikeit an. Buonaparte bekannte Indi— 
viduen, bie auf Koften der Ausfhäffe unterhalten wurden, 
waren an jedes Regiment gefickt; fie hatten den Auftrag, 
die Truppen in die Grundfäge und in die Richtung des Kom 
plotts einzuweihen. Sie hatten an den Verfammlung:Drten 
der Militärs zu deflamiren; fih, wo immer möglih, im bie 
Kafernen einzufchleihen, umd, wo es Noth that, ihre Bered⸗ 
famteis mit frepgebiger Hand zu unterfiügen. Zu ‚gleicher 
Zeit wurden den auf halben Sold geſetzten Offizieren bedeu⸗ 
tende Summen vertheilt; den Chefs Avancements : Patente 
ausgefertigt, und allen Agenten Titel und Dotationen vers 
fproden; Millionen — bie Feucht der Beraubung aller Län: 





+ 


2) Wie war es möglich, eine fo thaͤtige und ausgebreitete Kors 
teſpondenz, ohne Mitwiffen des dem Könige unbedingt erges 
benen Direftord der Poften, zu führen, und zu unterhalten ? 
— Die Reform hatte einige, ihre Eubalternitellen mit der 
ſtrengſten Redlichkeit verfebenden, Familienvaͤter getroffen; 
bie hoͤhern Beamten, die durch ihren perjönliben Einduß, 
oder die Wichtigkeit ihrer Funktionen, in das große Geheim⸗ 
nig einverleidt ſeyn muſſten, waren beybehalten worden, 


* 


84 Geſchichte der Verſchwoͤrung Busnaparte’s 





der Europas, werden zu diefem fohändlichen Gebrauch ver: 
wendet. Die Tugend figt auf dem Throne, und dort herrſcht 
das Verbrechen ;-wir leben unter dem beften der Könige, und 
man wirbt für den abſcheulichſten Tyrannen. Unter allen 
Kriegern des Erdfreifes gilt der Frangofe für den tapfer: 
fien, rechtlichſten und edelften, # und bo tritt er 
in einem Wahnſinne, von dem die Geſchichte Bein Beyſpiel 
barbietet, Alles, was der Menſchheit heilig ift — Schwuͤre, 
Ehre, Baterland — zu Boden, um fih in einen Schlund 
von Niedrigkeit und Schande zu flürzen. 

Mährend in unfrer Mitte Meineid und Verrath darauf 
binarbeiteten, einem auf Elba verbannten Abenteurer bie 
Krone wieder zujufpielen, fah Joachim Mürat, **) 

») Die Schwäre und die Schlahten ben Dennewitz, an 
der Katzbach, bey Leipzig, bey Belle Alliance, bey 
Roß bach x. ıc, ıc, abgerechnet! | 

e) Muͤrat hatte der Republik gefhworen, und für fie gefoch⸗ 
ten; er half Toulon belagern; avancirte zum Oberfien bey 
der italienifhen Armee; dann zum Brigade:-General in Egyp- 
ten. Nachher wurde er Napoleons Schwager, Gounets 
neue von Paris und Großadmiral von Frankteich, und endlich 
— Großherzog von Berg — König von Neapel. 

Napoleon nannte, ihn. une feinen-Beau. Sabreur. Er 
‚Iommandirte die Hinrichtung des unglüdlichen d’Engbien 
| zu Vincenned. Der junge Held hatte fein Todes: :Urtheil ans 
gebört, und ſchritt, gefafft und lautlos, einem in den Schloß— 
gräben aufgeworfenen kleinen Hügel zu. Als er dort die Gre⸗ 
nadiere zum Feuern fertig erblidt, bleibt er ftehen, entblöst 

.. „feine Bruſt, und ſpricht zu ihnen feſt und edel: „Nur zu, 

meine Freunde!” — „Du haft hier keine Freum 
be,” erwiedert eine rauhe Stimme Es war Mürat, 

Mr defien ganze, Seele ſich in diefen Worten ausſprach. 

Muͤrat ſagte in feiner, am 30. Jan. 1814 zu Bologna ers 
laffenen Proflamation: _ 

„Man fucht den Patriotißmus der Franzoſen in meiner U; 

mee durch falihe Empfindungen von Ehre und Treue zu 


E22 


\ 
N 


gegen Ludwig xVun. 85 





fein Schmager, ein eben fo ehrfüchtiger, aber bey Weitem 
weniger berähmter- Abenteurer, feinen Thron von Neapel 
warfen, auf den ihn-jener Gedihtete erhoben, als er noch 
der DBeherrfher Europas war. Seit dem Ruͤckzuge von 
Moskau hatten’ politifhe Ruͤckſichten ihr inniges Einyerftänd: 
mig geftört; gemeinſames Intereffe knuͤpfte diefes Verhältnig 
wieber an. Von einem gleichen Schickſal bedroht, bedurften 
Beyde einander; Buonaparte, dem Scepter wieder a ' 
fi zu reißen; Mürat, fi den feinigen zır erhalten. Der 
Zesstere erwartete, in unrubiger Beforgnig über die Stim:- 
mring Oeſtreichs, das er durch fein liftiges Benehmen lange 
getaͤuſcht, die Entfbeidung des Kongreffes. Von allen epher 
meren Königen, die dem Despotismus Buonaparte’s 
entforoffen waren, hetrſchte nur allein Mürat noch; allein 
fon hatten Ludwig XVII. und Ferdinand VII. die 
Gerechtſamen der Bourbong energifh in Anfpruch genoms 
men. Der Thron von Neapel konnte nicht länger von einen 
emporgekommenen Soldaten befleivet werden, ohne die Pos 
litif der Souverains umzuſtuͤrzen, die die Erblichkeit der 
Throne als Prinzip anerkannt, und daher zugleich die Ent— 
thronung der Ufurpatoren ale Grundfaß aufgeftellt hatten. 
Man begreift leicht die Freude, mit welcher Miürat, 
in einer fo mifflihen Lage, einen Plan umfaffen muffte, der 
allein feine Macht zu befeftigen vermochte, indem er feinen 
ehemaligen Gebieter und Waffenbruder wieder auf Frank⸗ 
| — | 


„verführen, als verträge es fich mit Ehre und Treue, die 
„Welt dem tollen Ehrgeize Napoleons zu unterwerfen! 
„Soldaten, in Europa wehen nur zwey Fahnen; die eine» 
„Führt die Worte: Religion, Eittlichteir, Gerechtigkeit, 
„Maͤßigung, Geſetze, Friede, Glüd; die audre aber: 
„Derfolgungen, böfe Künfte, Gewalt, Tyranney, Krieg 
„und Trauer in allen Familien. Wählt!’ 

Welches diefer beyden Paniere .! wohl Muͤrats Sturz 

Herbepgeführt Haben? 


86 Geſchichte der Verſoͤwoͤrung Buonaparte's 








reichs Thron erheben ſollte. Es entſpann ſich daher von die⸗ 
ſem Augenblick an zwiſchen dem Hofe von Neapel und der 
Inſel Elba der eifrigſte Briefwechſel; dieſe Inſel iſt der Gen: 
tralpunkt, von welchem alle Faͤden der Verſchwoͤrung ausge⸗ 
ben, und an den fie ſich anknuͤpfen. Dort lebt der Manm, 
der von Neuem Europa in Zlammen .fegen foll; ſchon haben 
alle Parteyhäunter Befehl, fi bereit zu halten, (don tra= 
gen die Empoͤrer als Loſungzeichen bag einfache, beſcheidne 
Bluͤmchen, das die Ruͤckkehr des Fruͤhlings verkuͤndet, und 
das diesmal allen Leiden und Graͤueln des innern und aͤußern 
Kriegs zum Vorlaͤufer dienen ſoll. Auf der andern Seite 

macht Muͤrat, waͤhrend er mit dem Wiener Hofe, dem er 

anfangs gedient hatte, unterhandelt, ſeine Armee vollzaͤhlig, 

ruͤckt gegen die Staaten des Paoſtes vor, zwingt ihn, ſeine 

Hauptſtadt zu verlaſſen, und bemaͤchtigt ſich der Marken, in 

der doppelten Abſicht, Oeſtreichs feindlichen Abſichten zuvor⸗ 

zukommen, und auf ſeinem Marſche die Voͤlker Italiens 

durch das ewige Geſchrey der Aufruͤhrer nach Unabhaͤngigkeit 

aufzuwiegen. Der Zoͤgling der franzoͤſiſchen Revolution 

hofft, auf diefes Loſungwort, alle. Rebellen in der Lombar: 

bey und in Piemont fih in Schaaren unter. feine Fahnen vers 

fammeln zu fehen; er hofft, fie werden ihm die Thore von 

Mailand, Genua und Turin Sffnen, und fi feinem Marſch 

bis an die Oränzen von Savoyen anfhließen, um im Notb: 

fall feine Armee mit den Ruheſtoͤrern im Innern in Beruͤh⸗ 

rung zu feßen, die ihrerfeits nur noch das Erſcheinen ihres 

Dberhauptes erwarteten, um Frankreichs Umwälzung zu be: 

ginnen, 

An diefem Zeitpunkte landete der Schöpfer alles unfers 
Ungluͤcks an unfern Küften; feine Gegenwart follte deſſen 
Mag füllen, und die Heere Europas zum Zweytenmal in 
ben Schoß unfers ſchoͤnen Waterlandes führen, Kaum be: 
tritt fein Fuß den franzöfifhen Boden, fo verfhwinden alle 
unfre Hoffnungen des Gluͤcks und der Ruhe. Eine bumpfe 


gegen Ludwig XVII. 87 





Beforgniß lagert fih auf jede Stirn, und eime däftre Zufunfe 
ſch leyert, gleih einem Trauerflor, ganz Frankreich ein. 
B uonaparte.nennt ſich durch unfre Wuͤnſche beru 
fen, und jeder Redliche ſchaudert bey feiner Annäherung; er 
bringt. und Gluͤck und Frieden, und jeder feiner Vorſchritte 
erregt Jammer und Wehllage; er koͤmmt, um Unrecht wie: 
der gut zu machen, und alle feine: Handlungen find mit dem 
Gerräge der-Arglift und Unredlichkeit bezeihnet. Er gibt 
ger, uns vom Reihe bes Feudalweſens zu befreyen, und 
alle Voͤlker Europas erheben ſich fdon bey dem Gedanfen an 
das eiferne Joh, unter dem er fie erdrücte; er fpridt von 
liberalen Ideen, und führt das Syſtem des Schreckens 
ein; prunft mit Rechtlichkeit, und ufurpirt von Neuem eine 
Krone; er will und den Ruhm zurüdführen, und bereitet 
uns Sflavendetten, und bringt ung Todes-Urtheile. — 
Treulofigkeit und Betrug fbreiten ihm voran, und bahnen 
feine Wege; Verrath iſt in feinem Geleite, Empörung feine 
Führerinn, und in feinem Gefolge drohen alle Geiffeln des 
innern und Äußern Krieges. Mit folhen. Bundesgenoffen 
landet er im Golf Juan. 

‚Diefen Mann beftimmt ung ein Bruchſtuͤck *) der 
Armee zum Gebieter; er foll der Nachfolger eines Enkels 
bes großen Heinrichs, des guten Ludwig des Acht: 
zehnten feyn, beffen Weisheit ganz Europa bewundert, 
und beffen Tugenden (felbft unter Buonaparte’d Regie: 
rung) die WVerläumbung zu ehren gendthigt war; biefen 
Mann trabtet eine Handvoll Aufrührer wieder auf den 
Thron der Bourbong, auf den Siß des heiligen Lud— 
wig zu erheben. Mit welhem Rechte maßt fi die bewaff: 

'nete, zum Gehorfam und zum Schuße bes Staates allein be: 
fiimmte, Macht an, ihm ein Oberhaupt aufzudringen? Xe: 
ben wir in der Zürfey, follen wir aus der Hand unfrer Jas 


*) Leider ein Bruchſtuͤck von nenn und neunzig Hunderttheilen! 


N 
88 Geſchichte der Verſchwoͤrung Buonaparte's 


— —— 2 








nitſcharen einen Herrſcher empfangen? Oder glaubt die, 
unſern Feinden ſeit fo langer Zeit furchtbare, kaiſerliſche 
Garde, gleich den Prätorianern der Roͤmer-Kaiſer, das 
Kebt erfämpft zu haben, das Reich feilzubieten, und es 
dem Feldherrn zuzuwerfen, der ihren Leidenfchaften'am bes 
fien zu ſchmeicheln, And ifrem Intereffe am gefhmeidigfherr 


zu huldigen verfieht? Eine Nation, die eine ſolche 


Verlegung ihrer Rechte ohne Widerfland er- 


träge, verdiente auf ewig auß ber Reihe be» 


eiviliſirten Nationen zu verſchwinden. *) 


Aber durch welche unbegreiflliche Verkettung ſah fi ſich ein 
König, der das Vertrauen und die Liebe feines Volks beſaß, 
gezwungen, feine Hauptſtadt zu verlaffen, und fie einem 
Manne zu räumen, bdeffen Namen nur Unfälle und Verbre⸗ 
chen bezeichnen? Wie konnte Frankreich aus dem Zuſtande 
des Friedens und des Gluͤcks, den ihm eine vaͤterliche Regie— 
rung wiedergeſchenkt hatte, in weniger als drey Wochen von 
Neuem in einen Abgrund von Elend verſinken, aus dem es 
ſich auf immer gerettet glaubte? Wie konnte der Mann, 


der alle Graͤuel und Abſcheulichkeiten der gehaͤſſigſten Tyran— 


nen in ſich vereinigt, alle Staͤdte offen, und alle Wege zü 
ſeinem ungehinderten Eintreffen in der Reſidenz unſrer Koͤ— 
nige gebahnt finden? **) ' Seim Marſch, fagen feine An: 


haͤnger, gli einem Triumphe. Die Elenden! Er war in 


Sn 


der That ein Triumph — ber Triumph der Schlectigkeit 
über Biederfinn; der Bosheit Über das Recht; des Verbre 


2) Wahrlich der Verfaſſer beurtheilt feine Landsleute mit der 
verdienten Strenge; er ift härter gegen fie, als die Verbuͤn⸗ 
beten! 


ee) Der Dictionnaire des Girouettes (Paris, Eguery 1815 
ge. 8.) beantwortet biefe Fragen am Fürzeften und bündigften 
durch fein Volumen, und durd die Wichtigkeit der darin 
verzeichneten Wetterfahnen für Frankreichs Schickſale. 


* 


gegen Ludwig XVIII. — 89 








chens uͤber die Tugend. Dieſer ſchaͤndliche Triumph heiſcht 
Strafe. Ihr Fuͤrſten der Erde, denen der Himmel das 
Glück der Nationen vertraute, wein ber free Ufurpator, 
der, die Heiligkeit der Verträge verleßend, den. Thron ber 
Lilien zum Zweytenmab befubelte, feiner verdienten Strafe 
entgeht, dann ift es auf immer um die. Gefeglichfeit eurer 


Throne und:um die Ruhe eurer Völker gefhehent *) .. 


Hier iſt der Drt, den Lefer mit ber Progreffion von uns 
abwendbaren Urſachen befaunt zu machen, welche die Kraft 
ber Nation zu lähmen and den Volks-Willen zu feſſeln vers 
mochten. *#) 


„Erft am 5. März erfuhr ber — durch eine telegras 
phifhe Depefhe die Landung Buonaparte’s, an der 
Spitze von eilfhundert Mann, auf franzsfifbem Gebiete. 
Diefes Unternehmen bot zwey verfhiedne Gefihtspunfte dar: 
es war entweder die Frucht eines, durch weitumfaffense Ein: 
verftändniffe im Innern von Franfreih unterflügten, Kom: 
plotts, oder das Beginnen eines Raſenden, dem feine Ehr: 
fucht und fein heftiger Charakter eine Ruhe, die ihm nur 
Dualen feiner Gewiffensbiffe darbot, unerträglich gemacht hat: 
ten. Bey diefer doppelten Anfiht war es möthig, die Maß: 
regeln zu ergreifen, welche die Kingheit darbot, und welche 
auf die dringendfte Gefahr berechnet feyn mufften. Es wurs 
ben in aller Eile Befehle zur Zufammenziehung der Truppen 
zu Lyon ausgefertigt. Won dem Kommandanten von Gre: 


noble waren beruhigende Nachrichten eingegangen, und bad 


Benehmen der Garnifon von Antibes ließ hoffen: Buonas 
parte habe fih in feiner Hoffnung, die Truppen des Koͤ— 


*) Möge aus dem Schoße von St. Helena nie eine Fünftige 
Erfüllung diefer Prophezeihung hervorgehen ! 
2«*) Die nachitehende Erzählung ift ein Auszug aus dem, wäh: 
rend dem Gril Ludwig XVII. zu Gent von Chateau 
briand dort herausgegebenen Journal universell. 


— 


90 Geſchichte der Verſchwudrung Buonaparte's 





— —— 
nigs in fein Intereſſe zu ziehen, getaͤuſcht. Indeſſen ſollte 
ihn auf den Fall, wenn er einige Einverſtaͤndniſſe bewirket 
bätte, ein Truppenkorps zu Lyon aufhalten. Monfieur 
sing am 6. Morgens ab, um. bad Kommando diefes Korps 
zu übernehmen; ber Herzog von Drieans u ihr 
am andern Morgen. 

‚Zu gleicher Zeit erhielten alle in den ———— 
angeſtellte Marſchaͤlle und Generale den Befehl, ſich an ihre 
verſchiednen Beſtimmungen zu begeben. Der Marſcall 
Ney, der zu Beſançon kommandirte, und Monſieurs 
Abſichten unterſtuͤtzen konnte, nahm vom Könige Abſchied. 
Indem er die Hand Seiner Majeſtaͤt kuͤſſte, verſicherte er 
den Monarchen in dem Tone der herzlichſten Ergebenheit 
und mit der gutmuͤthigen Heftigkeit eines alten Soldaten: 
„Wenn er auf den Feind Frankreichs und des 
Königs träfe, werde er ihn in einem eifernen 
Käfig zurüädführen.” Der Erfolg hat gezeigt, wel: 
che niedrige Verfiellung ihm damals das Vorhaben einer Ber: 
sätherey einflößte, welde der Abfcheu und bie Verachtung 


aller Krieger Europas brandmarken. 


„Monfieur wurde zu Lyon mit Enthuſiasmus em: 
pfangen. Alles war zum tapferften Widerflande vorbereitet; 
allein unglädliherweife *) war keine Munition I bort 


vorraͤthig. 


„Bald erfuhr man: bie Garnifon von Grenoble habe - 
dem Feinde die Thore geöffnet, und ein von Chambery an: 
gerüctes Regiment, unter Zabeboyeres **) Befehlen, 


*) Unglüd läft fib ein folder Mangel in keinem Fall nennen: 
entweder war folder abfihtlih veranftaltet, oder eine 
unverzeihliche Naclaͤſſigkeit. 

*) Die oft wiederholten und dringenden Bemerkungen des da: 
maligen Kriegs: Minifterd, des Marſchalls Soult, folen 
den König endlih zu Ernennung Labedoperes beitinmt 


gegen. Ludwig XVI II, 9 








babe .fih mit den Rebellen vereinigt. Zu Lyon waren nur 
erft wenige Truppen eingetroffen; deßungeachtet war oz 
fieur, bey dem fib dere Marſchall Macdonald ohne 
WBerzug eingefunden hatte, entfhloffen, fib in den in Eile 
angelegten Berpallifadirungen zu halten, Allein bey dem 
Erſcheinen ber erfien Dragoner, die Buonaparte’s Vors 
trab. bildeten, fielen alle Truppen Monfieurg ab; alle 
Borfiellungen bes Herzogs von Tarent waren vergebeng; 
und ſchon damals dienten, wie in der Folge, die zum Wider: 
ſtande gegen. ben reißenden Strom verfammelten Streitkräfte 
zur Vermehrung feines Ungeftüms, | 


„Am 10. erfuhr man durch eine telegraphifhe Depeſche 
Cfolglih ohne irgend einige Details), Buonaparte ſey 
an bdiefem Tage zu Lyon eingezogen. Der Herzog von Dre 
feans kam am 12, nah Paris zurüd; Monfieur folgte 





haben, Diefer Dberft ging fogleih nah Chamberp ab, wo 
fi das ihm zugetheilte Negiment befand; er führte ed am ı. 
März nah Grenoble zuruͤck. In diefer Stadt faum anges 
langt, begibt er ſich nad einem Kaffehaufe, wo fi die Milts 
tärs verfammeln, laͤſſt Punich und Liqueurs bringen, und bes 
jammert, daß, bey der Schwäche der neuen Negierung, Fein 
Ruhm und feine Reichthuͤmer mehr zu erwerben feyen. Kaum 
bat er auf dieſe Art die Gemüther der Difiztere erhist, fo er: 
hebt er die Stimme und fpricht zu ihnen: „Die Zeit tft viels 
„leicht nicht fern, wo wir neue Lorbern breben; wenn jetzt 
„der Kaiſer Euch erſchiene, was würdet ihr fagen?" „Wir 
„würden rufen; Es lebe der Kaiſer! mar die allgemeine 
Antwort. — „Gut, meine Herren; er landet beute, er 
„mabet ung; eilen wir ihm entgegen!“ — Gr verließ die 
Stadt, umd überlieferge Napoleon sein Regiment. 


Labedovere wurde nah der Ruͤckehr Ludwig XVIII. 
‚gefangen, von einem Conseil permanent de guerre zuu Tod 
verurtheilt, und am 19. Aug. erſchoſſen. Seine junge neun 
zehnjährige Sattinn wurde wahnfinnig. 


92 Gefihte der Verſchwoͤrung Buonaparte's 








ihm am andern Tage. Die allmaͤhlig eintreffenden Nach rich⸗ 
‚ten lieſſen eine ſchnelle Reihenfolge von Unfällen beforgen. 
„Indeſſen fuchte die, durch fo viele Beforgniffe und 
durch Migtrauen beftürmte, Sffentlihe Meinung die Urfache 
der unfeligen Fortferitte eines einzelnen Mannes in andern 
Veranlaſſungen, als in feinem entfiheidenden-Einflug. Mar 
wollte nicht glauben, daß die magifhe Gewalt feines Erfhet= 
nens eine ſolche Wirkung auf die Truppen zu erzeugeii ver: 
mocht habe. Der Kriegs: Minifter, Marfhall Herzog 
‘ son Dalmatien, war ber Letzte gewefen, ber in Fran: 
reihb Napoleons fhon verlorne Sache mit gewaffneter 
Hand vertheidigt hatte; man wollte in,diefem ehemaligen Be— 
weife von Athänglichkeit die Andentung eines Verraths fin⸗ 
ben. Indeſſen wurde dieſer Verxath nie erwieſen, und ges 
hoͤrt vielleicht in die Klaſſe jener Volks-Verlaͤumdungen, die 
ſich in den Augenblicken großer drohender Gefahren verbrei— 
ten; allein die oͤffentliche Stimme erklaͤrte ſich gegen den 
Marſchall, und er ſelbſt legte feine Dimiffion und feinen Des 
‚gen in die Hände des Königs nieder. Seine Majeftät 
berief in dem Vertrauen, welches Sie, bey den Beweifen 
der niedrigften Treulofigkeit, nie verließ, ben Herzog 
von Zeltre, den die. allgemeine Achtung feiner Wahl be: 
zeichnete, und übergab ihm wieder das Portefenille des 
Kriegs: Minifteriums, das ihm unter Buonaparte bie 
zur Nüdfehr der Bourbong anvertraut gewefen war. 
Das Vertrauen des Königs wurde durch die Treue des Het: 
3098 von Zeltre vollfommen gerechtfertigt. 
„Man Ponnte von nun an nur darauf den?en, die Trup: 
pen zuruͤckmarſchiren zu laſſen; denn, fo mie fie dem Feinde 
entgegenrücten, wurden fie ihm beynahe allenthalben zu 
Verflärtungen. Man entfhloß fih, ein Armeekorps vor 
Maris zufanımenzuziehen, und die mögliäfte Zahl von Frey: 
willigen und Nationalgarben zu verfammeln. Seit dem 11. 
war dem Herzog.von Berry ber Oberbefehl diefer Ar: 


gegen Lubwig XVII. 98 





mee anvertraut; der Marfhal Macdonald follte unter 
dieſe em — kommandiren. 


Indeſſen erheiſchten zur Organiſation der Freywilli⸗ 
gen und der mobilen Kolonnen erforderlichen Maßregeln eis 
nige Tage; jeder Augenblick erzeugte eine neue Gefahr. 
Buonaparte rüdte mit reißender Schnelle vor; mehrere 
Regimenter, auf die er in feinem Marfche geflogen war, 
batten ſich mit ihm vereinigt; einige hatten ſich fogar, in feis 
nem Namen, mehrerer Städte in der Bourgogne bemädtigt; 
eines derfelben machte in Aurerre feinen Vortrab, | 


s „No blieb eine ſchwache Hoffnung, bie Truppen der 
erften Militärdivifion und die Garnifon von Paris bey ihrer 
Pflicht zu erhalten. Die Rettung aus einer drohenden Ge⸗ 
fahr, der man durd die Treue des Kommandanten von La 
Fere, und durch die Verhaftung der Verräther d'Erlon 
und Lallemand entgangen war, fhien für die Norddevar: 
tements beruhigend. Dem von der alten Garde verlaffe: 
nen Herzog von Reggio war es gelungen, die übrigen 
Truppen unter feinen Befehlen zufammenzubalten; man 
wollte unter dem Kommando ded Herzog® von Trepi- 
fo eine Referve-Armee zu Peronne bilder, wo die Truppen 
der Verführung weniger ausgefeßt feyn wuͤrden. Der Here 
309 von Orleans ging dahin ab. 


Jetzt begab fih der König in die Mitte der Nepräfens 
tanten der Nation, die, er, bey der erflen Annäherung der 
Gefahr, um ſich verfammelt hatte. Seine Rede an die bey: 
den Kammern machte ‚einen: tiefen Eindrud auf: die Haupt: 
fladt, deren Bewohner in einer Empfindung — in der uns 
bedingtefien Ergebenheit gegen König und Vaterland harmos 
nirten; allein die, größtentheils aus Familienvätern beftes 
henbe, Nationalgarde konnte keine hinreichende Zahl von 
Freywilligen liefern, um einige Hoffnung wirkſamen Wider⸗ 


3 


s 
— 











ftandes zu gewähren. *%) Der Generaf Deffoles riet, 
die Bürger ntit den Soldaten zu amalgamiren, um biefe bey 
ihrer Pflicht zu erhalten, und die Kavallerieforps des koͤ⸗ 
nigliden Militärhaufes dazu floßen zu Jaffen. 

„Am 17. erhielt man eine unglüdlibe Nachricht. Der 
den Rebellen entgegengefchicte Marſchall Ney war zu ihnen 
geſtoßen; feine ſchaͤndliche Proklamation forderte die Trup: 
pen auf, fein Verbrechen zu theilen. Die Stadt Sens, die 
Buonaparte’d Marfh aufhalten follte, erflärte fih uns 
fähig zum Widerftande; der Feind ruͤckte auf Fontainebleau 
(06, und die Truppen bey Paris blieben unthätig, oder äuf 
ferten den Wunſch, ihre Fahnen zu verlaffen. **) 

„Kaum fegten fie fib in Bewegung, fo artete biefe uns 
guͤnſtige Stimmung in offne Empörung aus, Am 19. Mor: 
gend wuffte man, vor Paris fiehe au nit ein Regiment, 





5 Buonaparte wane, unter ſolchen Umſtaͤnden, die ganze 
Volksmaſſe von Paris der Sicherheit ſeiner Perſon geopfert 
haben; fo- unterfheider ſich eine. väterliche Regierung von je 
ner eines Despoten. Anm. d. Verf. 


**) Der Dberft eines Kavallerie» Kegiments, das zu Melum 
fantonnirte. hört zum Anfjigen blafen; uͤberraſcht durch dieſe, 
von ibm nidt gegebne, Ordre ſchwingt er fi) auf das erfie 
befte Pferd, und trifft auf dem Platze fein Regiment, im Bes 
‚greife, Buonaparten entgegenzuellen. — „Wer hat euch 
„befohlen, aufzubrechen?“ — „Wir gehen zu Buona— 
„parte.“ — „Ihr habt dem Könige geihworen, und wers 
„det euern Schwur halten; bin ich es nicht mehr, der euch 
„immer auf der Bahn des Siegs und der Ehre anführte?”— 
Dieie energiihen Worte ſtimmten das Regiment um. Nur 
ſechzig Mann verliefen ihren Oberften; die Uebrigen begaben 
ſich auf feinen Befehl wieder in ihre Kafernen. 

Derſelbe Oberſt führte fein, Negiment nah Paris zur Dies 
vie Buonaparte’s; er begab fi zu ihm, und überlieferte 
ihm feinen Degen. — Ein ſeltnes Bepipiel edler nsene uns 

‚ tereiner Maſſe ſchaͤndlicher Verräther, 


gegen Ludwig XVII. ) 95 





auf welches man zählen koͤnne. Buonaparte's Marſch 
fand daher feinen Widerſtand mehr, und das Einzige, was 
bet König übrig blieb, war Entfernung mit feinem Militärs 
baufe. *) Geine Majeftät hatten den Herzog von 
Bourbon in die MWefldepartements geſchickt, und dem 
Herzog von Angouleme bie nöthigen Vollmachten zu 
Leitung der Bewaffnung der mittaͤglichen Provinzen ertheilt; 
Sie hielt es alfo für zweckmaͤßig, fih nad den Norddepar⸗ 
tements zu begeben, indem die Feſtungen dieſer Gränzen den 
getreuen Unterthanen zum Berfammlung: Punkte dienen koͤnn⸗ 
ten. Der König reiste am 19. um Mitternacht ab; eine 
Stunde fpäter folgte ihm fein Militärhaus unter den Ber 
fehlen Monfieurs und des Herzogs vun Berry. 

„Bey feiner Ankunft zu Abbeville am 20. um fünf Uhr 
Nachmittags gedachte der König feine Haustruppen daſelbſt 
zu erwarten; allein der Marfhall Macdonald, der am 
21. Mittags bey Sr. Mas. eintraf, bewies Ihr die North: 
wendigkeit, fih weiter zu entfernen. Nach feinem Berichte 
entſchloß ſich der König, ſich in Lille zu werfen ; feinem Mis 
lirärbanfe fandte er den Befehl, fih auf dem Wege von 
Amiens dorthin zu ihm zu begeben. 

„Den 22. um ı Uhr Nachmittags traf der Herzogvon 
Zarent, und wach ihm ber König in Lille ein, wo er mit den 
Berzliöften Beweifen der Liebe und Treue der Einwohner em⸗ 
fangen wurde. Det Herzog von Drieans und der 
Herzog von Trevifo waren S. M. dorthin vorausgeeilt; 

der Legtere hatte für gut gefunden, die Garnifgn wieder in 
die Zeftung einrüden zu laffen. Diefer fegtere, dem König; 
imbefannte, Umftand konnte die entworfenen Vertheidigungs 
Plane beeinträchtigen. Wären die Truppen nicht wieder ein: 
gerüct, fo würden die Nationalgarde und die Haustruppem 
des Könige, duch ben Patriotismus der Einwohner von Lille 





rt 


96 Geſchichte ber Verſchwoͤrung — 





unterſtuͤtzt, dem Könige dieſen legten Zufluchtort auf framzo⸗ 
ſiſchem Boden geſichert haben. Bey einer zahlreichen und 
uͤbelgeſinnten Garniſon wurde bie Ausführung eines ſolchen 
Panes hoͤchſt ſchwierig; indeffen beftand Se. Maj. auf dem 
Verſuche. Seine Gegenwart hatte fhon den Enthuflasmus 
bes Volks auf das Hoͤchſte gefteigert; die Einwohner bräng- 
ten fib in Schaaren zu ihrem Monarden, und boten Alles 
auf, bie-Sofdaten zu bewegen, indem fie unaufhoͤrlich den 
Ruf: Es lebe der König! erfhallen lieffen. Diefe aber, 
muͤrriſch und flarr, beobachteten ein dumpfes-Schweigen — 
ein beunrubigender Vorbote ihres nahen Abfalld. Der Mar: 
ſchall Mortier erklärte jegt dem Könige, er koͤnne für die 
Garnifon nicht einftehen.. Als er über die Äußerfien möglis 
chen Mittel befragt wurde, erwiederte er: es ſtehe nicht in 
feiner Macht, die Truppen aus: der Feflung marſchiren zu 
lafien. | — 
„Indeſſen traf die von allen europaͤiſchen Maͤchten am 
13. Maͤrz zu Wien erlaſſene Deklaration zu Lille ein. Der 
König ließ fie ſogleich verbreiten und apſchlagen; er hoffte 
vergebens, die Truppen über bie unglüdlihen Folgen ihres 
Verraths und Über das unabwendbare Verderben, das fie 
über ihr Vaterland herbeyführen würden, aufzuklären. 
„Am 23. erfuhr Se. Maj., daß, der, das Minifterium 
bes. Innern verfehende, Herzog von Baffanp.an ben 
Praͤfekten von Lille Befehle Buonaparte's gefendet has 
be.. An demfelben Tage, um ein Uhr Mittags, benachrich— 
tigte Marfgall Mortier den Minifter des Könige: auf 
das allgemein verbreitete Gerät, der Herzog von Berrp 
werbe mit den Haustruppen und zwey Schweizer:Regimentern 
eintreffen, fey die ganze Garnifon im Begriff, ſich zu empoͤ⸗ 
ven; er beſchwoͤre ben König, durch feine Abreife das furdt: 
barfte Unglück abzuwenden; er ‚werde in Perfon Seine 
Mazeftät bie vor die Stadt:Thore begleiten, und hoffe, 
fo den Soldaten noch zu imponiren, was ihm unmoͤglich 
f werde, 


gegen Ludwig XVII. ' 97 
werde, wenn bie Abreife ſich nur noch einen Augenblick vers 
zögere. 

„Der König fandte num feinem Militaͤrhauſe den Be: 
fehl, ſich nach Duͤnkirchen zu begeben. Diefe Ordre ges 
langte ungluͤcklicherweiſe nit an ihre Beftimmung. Da Se. 
Mas. fi nicht auf direftem Wege: nad diefer Stadt begeben - 
konnte, fo ging Sie nah Dftende: "Der König reiste, in 
Begleitung des Marfhalse Miortier, ums drey Uhr von 
Lille ab; der Herzog von Orleans folgte ihm. Am Fuße 
- des Glacis glaubte der Herzog von Trevifo zurüdkehren 
zu müffen, um Unordnungen zu verhuͤten, die fi die Gar: 
nifon in feiner Abwefenheit erlauben möchte. Der Herzog 
von Orleans kehrte ebenfalls in die Feftung zurück, und 
verließ fie einige Stunden fpäter. Der Marfball Macdo: 
nald verlieh den König erfi an den Thoren von Menin, 
und ljeferte, glei dem Herzog von Xrevifo, bis zum 
legten Augenblicke Sr. Maj. den tröftenden Beweis, daß 
niet alle Zapfern, die ber Stolz der Armee find, bie Heis 
figfeit der Treue und der Eide zu Boden traten, und ver— 
fpoiteten. | 

„Ein Piquet der Mationalgarde von Lille, ein Detas 
ſchement von Kürafjieren und koͤnigliche Chaffeurg begleiteten 
Se. Mai. bis an die Graͤnze. Einige diefer Letztern und 
mehrere Offiziere wollten ihren Fürften nicht verlaffen; fie 
folgten ihm auf das Belgifhe Gebiet. Der König 
kam ju Dftende mit der Hoffmung an, ſich nah Dünfirden 
zu begeben, fobald diefe Stadt durch ſeine Haustruppen be⸗ 
ſetzt ſeyn wuͤrde. 

„Indeſſen hatte’ dieſes ungluͤckliche Kotvs, an welches 
ſich eine große Zahl von Freywilligen, jeden Alters und Stan: 
des, angefchloffen, denfelben Weg eingefplagen, den ber Ki 
nig nac Lille genommen. / 

„Monfieur und der Herzog von Berry, immer 
an der Spitze dieſer auserleſenen Tapfern, und ihre Muͤh⸗ 

Eurep. Annalen, Jotes Stuͤck. 1815. 7 


* 


98 Geſchichte ber Verſchwoͤrung Buonaparte’s 





ſeligkeit theilend, hatten Gelegenheit, die heldenmuͤthige 
Ausdauer diefer Schaar auf ihrem ganzen Wege zu bewiht« 
dern. Zünglinge, die zum Erfienmal ihre Schultern 
mit ber ſchweren Waffe. belafteten, und Greife befanden fich 
in dieſem treuen Haufen, die zu Fuße in forcirten. Maͤrſchen 
auf Wegen einherzogen,,welde ein anhaltender Landregen 
beynahe ungangbar gemacht hatte; weder Entbehrungen, 
noch die. Unfiberheit eines, dur den Abfall-der benachbarten 
Garnifonen immer gefährlider werdenden, Marſches ver: 
"mochten ihren Muth zu erfhättern. In Ermanglung von 
"Befehlen, die ihnen der König nicht zufommen laffen konnte, 
und auf die Nachricht, Se. Maj. habe Lille verlaffen, mar: 
firte diefe Kolonne gerade nach der Oränze; fie konnte nicht 
ſchnell genug defiliren, um dem Marfhall Marmont, der 
-fie, unter den Befehlen der Prinzen, mit einem des gluͤckli⸗ 
bern Erfolge würdigen Eifer und einer rühmlihen Thaͤtigkeit 
leitete, zu folgen; im fumpfigen Boden vermochten die 
Pferde fih nur mit der aͤußerſten Anflrengung fortzuarbeiten, 
und fo war ein Theil diefer Ungluͤcklichen zurädzubleiben ges 
zwungen. Monfieur beforgte, fie burd ihre Anhänglice 
keit unnägen Gefahren auszuſetzen, und: geflattete ihnen, 
zurüdzufehren. Bald ‚überfallen, und in Genäßheit vom 
Paris ‚eingetroffenen, Befehle in Bethuͤne eingefcloffen, 
konnten fie fi felbft nicht einmal Alle zerfireuen, und lieſſen 
Monfieur nur die Hoffnung, nad und nah Alle zu ver: 
fammeln, die er auf der, Öränze, wo er in diefer Abficht vere 
weilte, antreffen würde. 

„Am 25. um acht Uhr Abends erfuhr ber König Mon: 
fienrs Ankunft zu Mpern, und bie Nachricht von dem 
Schickſale feines Militärhaufes erfäwerte bie Laſt ſchmerzli⸗ 
cher Gefuͤhle, denen ſein Herz erlag. 

„In dieſem Zuſammentreffen ungluͤcklicher Ereigniſſe er⸗ 
hielt Se. Maj: glänzende Beweiſe von Treue; allein fie 
muſſten Ihre Leiden noch erfhweren. Sie hat ein gutes, 


. gegen Ludwig XV. 99 


a 





gefäßtvolles Volt allen Ausfhweifungen einer Schaar wuͤten⸗ 
ber Kriegsknechte zum Raube uͤberlaſſen; Sie vermochte 
nicht einmal, treu ergebne, von Muth beſeelte Diener um 
Jhere Perſon zu verſammeln. ehrere der aus gezeichneten 
Shefs der Armee, die der Koͤnig ſo gern noch die ſeinige ge⸗ 
nannt hätte, lieferten Züge einer unerſchuͤtterlichen Treue, 
für die er ihnen damals feinen andern Lohn ale die hohe Ach⸗ 
tung und die Huldigungen anbieten fonnte, die ihnen Zranf: 
reich und die Nachwelt einft zollen werden. 

„Seit der Ankunft Sr. Maj. zu Oſtende erfuhr Sie 
burd ben Herzog von Orleans, daß der Befehl, Sie 
mit allen Prinzen zu verhaften, an den Marſchall Mortie r 
gelangt war. Ein Offizier des Generalſtabes, der eine Dr: . 
dre des Marfhalld Davouft gleihen Inhalte überbrachte, 
traf, unmittelbar nach der Abreife des Königs von Lille, dort 
ein; indeffen wuſſte der Herzog von Treviſo zu veran— 
ſtalten, daß vor der Entfernung des Lerzos⸗ von Dr: 
leans bavom nichts verlautete,.  « 

„Dieſe gebrungene Erzählung ber mertwärdigften Er: 
eigniffe in ber kurzen Ungluͤcks⸗Epoche, deren Gemaͤhlde hier 
aufgeftellt wurde, gibt den Maßſtab der ſchnell entſtandenen, 
zahlloſen Schwierigkeiten, in welche ſich der Koͤnig verwickelt 
ſah. Nie wurde eine große Monarchie durch eine Kette fo 
unerwarteter und fo. raſch aufeinander folgender Begebenhei⸗ 
sen. umgeflaltet, aber au nie zeigte ſich ein entſchiedneres 
Widerſpiel zwifchen dem Geifte und der Stimmung der Armee 
und bed Volks — eine große Lehre für alle Nationen, bie 
fo unvorſichtig feyn möchten, fi — einer Soldaten: Regierung 
zu unterwerfen. 

„Uebrigens war der gleichzeitige und beinahe allgemeine 
Abfall der Armee.offenbar auf fein Moziy gegründet, das fie 
lange an das Loos eines Mannes. ‚au feſſein vermocte, deſſen 
nur zu verderbliches Webergewict fie hinriß. Der zwiſchen 
ihm und ihr geſchloſſne ſtillſchweigende Vertrag wird den auf 


100. Betrachtunden aͤber die Europdiſchen Staaten 


met ñe nn 
ihn einftärmenden Unfällen nicht Stand halten. *) Nicht 
Buonaparten, den Geähteten, von ganz Europa Ausges 
ftoßnen und bald Niedergefhmetterten, wollte die Armee zu 
ihrem’ Führer; fie huldigte dem Verwuͤſter der ganzen Erde, 
der ſie von Neuem mit dem Raube aller Laͤnder bereichern 
ſollte. Iſt der Zauber verſchwunden, dann wird Buonas 
parte's erborgte Groͤße in Nichts verſinken. Dieſen Aus 
genblick, die kuͤhlere Beſinnung, die auf den Taumel einer 
ungeheuern Verirrung folgt, erwartet der Koͤnig mit der 
vollen Ungeduld, welche die davon gehofften gluͤcklichen Re— 
ſultate befluͤgeln.“ En — 
derx Veihluß folgt.) 
— En BE TREE 

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tradhtungem 
—— Be 1 7 LE 
die Europaͤiſchen Stagten in dem Zeitraum von dem 
Pariſer Frieden bis zu dem Parifer Waffenftills 
ſtaunde, oder vom Juni 1814 bis uni 1815, 
sd insbeſondere uͤber Deutſchlaud and den deuts 
ſchen Bundes⸗Bertrag = 

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‚Das id chen dad wahre Gehelmniß, dab Allen vor Auge 

Liegi, euch ewig umgibt, aber von Kelnem gefehn. 

Schiller 


KARL LENZ bi ——— a U TI Eh 


Der Parifer Friede hatte den offenen Krieg geendigt, 
aber das in ſeinem Innerſten aufgewuͤhlte Europa nicht zut 


3) Man ſehe die Note S. 72. 


som Parifer Frieden bis zum Parjfer Waffenſtillſtand. 101 


Muche gebracht. Db dem lebenden Geſclecht eine neue allger. 
meine Aufregung hätte erfpart werben koͤnnen? Das ift eine 
Aufgabe für die Nachwelt; und vom Sturm ergriffen bleibt 
nur die Zeit, die allgemeinen Richtpunkte zu bemerken.  . 

Kaum war. ein Monat nad: dem Parifer Zrieden: ver; 

Hoffen, fs. fühlten die Mächte, melde ihn. vorgeſchrieben hatz 
ten, Oeſtreich, Rußland, England und Preußen, das Be; - 
duͤrfniß, gerüftet zu bleiben, und. ſchloſſen am 29. Jun..bazu 
unter fi einen. neuen Vertrag, in Beziehung auf, den Ber: 
trag von Chaumgnt. „Aus biefem Buͤndniß, und. aug 
dem Verhältuig, daß von biefen vier Mächten ber Pas 
zifer Frieden unterhandelt, daß er mit Zuziehung ihrer, drey 
urſpruͤnglichen Bundesgenoſſen, Spanien, Por— 
tugal und Schweden, unterzeichnet, ferner, daß er von ihnen 
für ale Euro paͤiſche Maͤchte uud für die übrigen Sta 
ten abgefähloffen worden, erklaͤrt fich. die Bedeutung , deg 
Ausdrucks der ausübenden Staatstunft: Maͤchte, welche den 
Pariſer Frieden unterzeichnet haben. Ihrer ſind mit Ein⸗ 
ſchluß des franzoͤſiſchen Koͤnigshauſes 8. Ferner Euros 
paͤiſche Mächte, worunter alle Königshöfe (und bie 
Schweiz ?) verfianden werden. Ihrer find 17, nachdem die 
Kronen von Neapel und Sicilien wieder vereinigt, und über 
Sachſen entfhieden worden. Die übrigen Staaten und freve 
‚Städte haben in den Sitzungen feine einzelne Stimmen ges 
habt, und man koͤnnte fie Landesftaaten (dem Ausdruck 
Laudſtaͤude nachbildend) nennen. Deutſchland zählt ihrer 32; 
Stalien 4 oder 5, Polen bie freye Stadt Krafau, und au 

bie Joniſchen Infeln laffen fib dazu rechnen. 

Hieraus erklärt fih ferner der äußere Gef@äftsgang bey 
bem Kongreß. Es gab Feine allgemeine Sigungen , ſoͤndern 
nur Hauptfigungen, werin bie Eutfheidung von ben Mäd: 
ten, welde den Parifer Frieden unterfhrieben hatten, er: 
‚folgte, nachdem die einzelnen Gefhäfte dazu in den Ausfchüf: 
fen, welde die Gefandten der Europäifhen Mächte bildeten, 


7 


F 
10% Betrachtungen über die Eurdpäifben Staaten 








vorbereitet waren. Indeß fam bis zum Mär; 1815 keine 
Sache, als die Genuefifhe, jum Schluß, und Hemfter: 
huis ſchrieb vor go Jahren, als wäre er beym Sturm auf 
auf Mont:Martre und in ben Kongreß-Sitzungen des De: 
cembers gewefen: C’est tout une autre chose de creer 
. une r&publique federative pour la paix que de guider 
une confederation dans le besoin pressant d’une 
guerre. “Hatte aber der Fürft von Ligne bis zum März 
recht gehabt, wenn er fagte: le congres danse bien, mais 
il ne marche pas, fo fonnte man nach ber Erfärung vom 
13. Mär; fagen: le congres s’en va en guerre. So wie 
fih die Ereigniffe in Frankreich entwicelten, fo verwandelte 
der Kongreß feine Natur. Die Entſcheidung über die Schweiz, 
über Sachſen, Polen und Deutſchland, felbft der Krieg in 
Italien ward Nebenfahe, der Hauptblicd wieder auf Frank: 
reich gerichtet; und der Kongreß beſchaͤftigte ſich nur noch mit 
ben Mitteln zur Triedensftiftung, um daraus Mittel zur 
Kriegsführung zu bilden. Am 25. März ward ber Vertrag 
von Chaumont erneuert, und am 30. deß Monats eine Ue: 
‚ bereinfunft mit England wegen fünf Millionen Pf. Sterl. 
 Hülfgelder gefhloffen, indeß in den vorhergehenden Tagen 
die deutfihen Fürften dem Vertrage bengetreten waren; und 
in den folgenden Tagen wie durch Zauberfählag bie König: 
reihe von Polen, von Lombardei und Venedig, die Grof: 
berzogthämer vom Niederrhein und von Luxemburg, bie 
Herzogthlimer Pofen und Sachſen erfbienen. Die Werhanbd: 
Tungen des Kongreffes zu erzählen, würde die Lefer ermüden, 
ba fie damit feit Jahr und Tag durch alle Zeitungen unterhal: 
ten find, und die Beſchluͤſſe, welde genommen, in den 121 
Artikeln des ‚„„Hauptinftruments des Wiener Kongreſſes“ 
vereinigt worden, wozu ber Schlüffel aber doch noch erjt auf 
einem neuen Kongreß gegeben werden muß. “ 
Am 26. und 27. May reisten die beyden Kaifer und ber 
König von Preußen von Wien ab; am 10. Juni ward ber 


! 


vom Parifer Frieden bis zum Parifer Maffenftillftand. 103 








Kongreß gefbloffen, und der Fürft Metternich lud die Ge: 
fardten der verbündeten Staaten ein, in's Hoflager nad 
Sranffurt zu folgen. Ganz Europa war in den Waffen, jeder 
Augenblid konnte das Zeihen zum neuer Kampfe bringen, 
und der 15. Juni brachte es zur viertägigen Schlacht, deren 
Husgang für den Krieg der Waffen und für den Streit ber 
- Gedanten fo war, daß ihn der Schuggeift Europens, wenn es 
bey fo ernften Saden erlaubt ift, in der Sprache des Dich: 
ters zu reden, durch fein Machtwort geboten zu haben (beint, 
um vor Aller Augen die flammenden Morte treten zu Iaffen« 
Feine Begebenheit wirft weiter, als wie Berfiand in ihr ift. 
In welchem Zufland war Europa, als ber Krieg, aus: 
brach? | 
Zuerft fällt das Auge auf England. Seit einem Jahr— 
Hundert bat es, funder Benfpiel in Europa, feine einheimi- 
ſche Bevölkerung verbopvelt. In Europa halten feine Heere 
Helgoland, die niederländifhen Feftungen, die Gitadelle von 
Lifabon, Gibraltar, Gicilien, Korfu und Malta befezt, 
und feine Hauntwaffenpläge find außer Europa in Canaba, 
Jamaika, auf der Borgebirge der guten Hoffnung, in Ben: 
galen und auf Java; *) aub die Truppen: Abtheilungen, 
welche Amerikaner, Afrifaner und Afiaten bilden, vereinigt 
feine Fahne. Kein Koftenaufmwand ift gefpart, um dem Ars 
tilleriemefen die moͤglichſte Vollkommenheit zu geben, fowol 
durch die Auswahl der Leute, als dur die Vortrefflichkeit 
der Pferde, des Geſchuͤtzes und der Radung. In den legten 
Kriegs-Jahren ftieg fein Staats:Einfommen über 600 Mil: 
lionen Thaler, und bluͤhender als je war der Handel, ber 
dazu den bedeutendfien Beytrag lieferte, gewefen. Der lauge 
Krieg hatte ihm Märkte geöffnet, die der Friede zum Theil 
gefperrt, zum Theil mit andern Voͤlkern getheilt haben würde. 





*) Memoirs of the conquest of Java to which is subjoined a 
statisgal and historical sketsch of Java by Thorn. 


104 Betrachtungen über die Europäifhen Staaten 





— — — 


Pc: PERIPHEREN — 
Das Sperrweſen in Suͤdamerika war nicht mehr, frey wehte 
die engliſche Flagge in ſeinen Hafen, woraus nicht ſelten die 
koͤnigl. ſpaniſche Flagge verbannt war, wie zu Buenos:Ays 
res; und frey ward fein Silber nah England geladen. So 
lange Krieg in Spanien gewefen war, lieferte England da—⸗ 
hin alle Kriegs: Vorräthe, felbfi das Schlachtvieh. So lange 
der-Seefrieg mit Franfreic gedauert hatte, war es von dies 
ſem gefürchteten Nebenbihler in dem Verkehr mit der Norbz 
füfte von Afrika und mit ber Levante ‚entledigt gewefen, und 
hatte es den Ertrag der franzöjifhen und holländifhen Kolo⸗ 
nien bezogen. So lange bie großen Landmaͤchte in ben Waf⸗ 





fen waren, hatte es fie, wenigftend zum Theil, mit Kriege= 


* 


Beduͤrfniſſen verſorgt. Mehr als 300 Millionen koſtete dem 
engliſchen Schatze jaͤhrlich der Krieg, und dieſe 300 Millios 
nen verdienten die Engländer vom Staate; welche Zerruͤttun⸗ 
gen mufften die Folge des ploͤtzlichen Ausfalls diefes Verdiens 
fies, diefer Einnahme in dem Volkshaushalt ſeyn! Diefe 
Holgen in der That waren bedenklich genug, und fie entgins 
gen den Engländern nicht. Schon vor dem Abſchluß des Fries 
dens warb eine ſchwere Steuer auf die Getreide:Einfuhr, mit 
Ausfhluß des Hafers, von bem Parlement am 5. May 1814 
gelegt; aber diefe Maßregel genügte ben Gutsbefigern nit, 
und im Parlement gefbah der Antrag, bie Getreide:Einfuhr 
gänzlich zu verbieten, wenn der Preis des Quarter (etwas 
über 9.Himten) unter go Schilling fey. Die Verhandlungen 
darüber wurden im Parlement mit großer Heftigkeit geführt, 
und zogen fi im die Länge; die ausgezeichnetften Schriftftels 
ler über Staats-Wirthſchaft, Malthus, Lauderdale 
u.a. traten als Wortführer der Meinungen vor der Leſewelt 
auf, und das Volk nahm an diefem Gefegvorfhlage fo ernſt— 
haften Antheil, daß mehrere Parlements:Glieder gemißhan— 
delt, mehrere Käufer, worunter das Caſtlereagh'fche, ge: 
ftürmt wurden, und die Zugänge zu dem Pärlement mit Sols 
baten befegt werden mufften. Da das Getreide feit der Res 


vom Yarifer Srieden bis zum Parifer MWaffenftillftand. 105 








volution viel wohlfeiler an der franzöfifhen Küfte wie in Eng: 
fand if, fo war vorauszufehen, daß es im Frieden von dort 
eingeführt werden würde; während des Krieges hatte man 
es aus Deutfbland, Polen, Marokko und Amerika bezo— 
gen, [bon an fih wegen ber weitern ungewiffern Seefahrt 
mit größern Koften, und überdies vertheuert durch die Höhe 
ber Sctiffverfiherung bey der nicht geringen Haverey- ober 
Kaper-Gefahr.*) Ein Paar Male, zulegt 1808, war man 
durch auffallende Migernten in große Verlegenheit gekom— 
men, und hatte im Auslande um jeden Preis Getreide. ans 
getauft; überhaupt feit 1792 für 58 Millionen Pf. St. **) 
Der Großhandel mit ausländifhem Getreide kann fib nur 
auf die Städte bezichen, und nicht auf bas platte Land, weil 
dort Peine Bauern feyn koͤnnen, wo fie nicht leben können, 
und wenn das fhottifhe Hochland, wenn Oberſchleſien und 
‚dag Erzgebirge ſtark bevoͤlkert find, fo ift das ein Beweis für 
den Kornreihthum der umliegenden &benen, unb keineswegs 
eine Folge des ausländifhen Getreidehandelß, da das Ges 
treide ihm nicht anders als auf der Are zugeführt, und eben 
deswegen niht weit verführt werben fann, ohne fi unters 
wegs felbft aufzuzehren, oder mit andern Worten, ohne feinen 
Preis zuverbonpeln. Bon der Getreide:Einfuhr haben folglich 
die Bewohner des platten Landes nichts zu hoffen, die Gutes 
befiger aber Mangel an Abfag oder ſchlechte Preife für ihr eig» 
nes Öetreide zu befürdten. So lange England Krieg hatte, 
konnte das umgekehrte Verhältniß, worin die Städter zu 
den Landwirthen in Abfiht des Kornhandels fanden, durch 
die oben angedeutete Schwierigkeit der Zufuhr und dur den 


*) €. den lefenswerthen Auffaß von Bazko über den Preuß. 
Getreidehandel in den Zeiten Febr, 1815. 
**) The Farmer’s Magazine vol. 14. Auch findet fi einiges 


hieher Gebörige in Gregorius Verſuch einer Darfiellung 
der Kicenzen: Geſchichte. 


106 Betrachtungen über bie Europäifen Staaten 





VBerbraug, welchen ber Krieg nach ſich zog, Peine auffallenbe 
Wirkung hervorbringen. Ganz anders warb es fon zur 
Zeit des Maffenftilftandes. Die Getreidepreife fanten fo, 
daß eine große Menge Pächter ihre Pachtgelder nicht beza h⸗ 
len Ponnten, und bey angefüllten Scheuren um Padterlaß 
baten. Im Frieden aber entftanden die Fragen: läfft fi 
England von der fremden Getreide : Einfußr unabhängig 
maden, damit, in einem neuew Kriege, die Verlegenheitem, 
melde in ben vorhergehenden Kriegen durch Mißwachs ver: 
anlafft wurden, und welde 1808 Anlaß zu den engliſchen Li: 
cenzen gaben, fib nicht erneuern? Laͤſſt ſich der jaͤhe Ruͤck— 
fall der Getreiderreife und deffen Wirkung, die Verringer 
rung des hohen Guts-Ertrags, welder fib in dem Kriege ge— 
bildet hat, und worauf der Haushalt der Grundeigenthümer, 
‚ bie aub von Irland in England wohnen, *) und woraus daB 
ganze Oberhaus befteht, *) vermeiden? Das Mittel zur 
Aufloͤſung dieſer beyden Fragen lag eigentlich in der Verbin: 
derung, daß man zu London, deffen Bevoͤlkerung „I, ber Bes. 
völferung ‘der vereinigten Reihe ausmadt, nicht ausländis 
ſches wohlfeiles, fondern inländifhbes theures Brot effe, und 
daß die Gewerbfamkeit mit dem Lanbban **#) den Vortheil 
theile, den ihr der Friede in fo reihem Maß durch fo viele 


*) Pitt berechnete ihn auf 2 Millionen. History of the poli- 
tical life of W. Pitt, by Gifford. " 

ss) Mitt berechnete den Zehnten zu 5 Millionen pf. Sterl. 

**) Baring ſagte am 22. Febr. „Mit der Prafferep unfrer 
Landlords Hält die Lebensweiſe unfrer Freeholders und rei⸗ 

chen Paͤchter gleichen Schritt; wenn fie vorher zufrieden was 

ren, Jemanden mit Ale zu bewirthen, fo muß es jegt Ports 
wein oder Madeira feyn; ihre Söhne find lauter feine Gents 
lemen; ftatt dem Pfluge zu folgen, folgen fie den Hunden, 
und die Töchter, ftatt die Kühe zu melfen, reiben ſich die 
Hände mit kosmetiſchen Salben, Damit fie nledlich ausſehen, 
wenn ſie Clavier ſpielen.“ 


vom Parifer Frieden bis zum Parifer Waffenftillftand. 107 


erſtaunliche Vorrehte gab. Ward die Einfuhr gefperrt, fo 
erreichte man allerdings diefen Zweck, und bey den herrlichen: 
Erleisterung: Mitteln des innern Vertriebes durch Waſſer⸗ 
fahrt und Eifenbahnen fonnte aus dem Innern der Getreide⸗ 
bedarf von London und von den Seeſtaͤdten nach ihnen leichter 
als aus andern Ländern nach ihren großen Städten geſchafft, 
und auf. den Lieferungorten, durch Nachſchieben, erfest werden. 
Der Getreidepreis zu London muffte auf dieſe Weife Einfluß 
auf den ©etreidepreis in allen Märkten der vereinigten Koͤ— 
nigreihe haben, ünd wenn er für London bey Mittelernten 
zu einer gewiffen. Ständigfeit gebrabt war, fo konnte fein 
Schwarten nur nod von dem Unterſchied zwiſchen guten und 
ſchlechten Ernten abhängen. Diefer Unterſchied ift, nad 
Lauderdale's Berehnung, zwar bedeutend, kann aber 
nicht größer und nicht einflußreicher feyn, als in jedem andern 
Lande, was ſich felbft ernährt. Wenn man es nun dahin 
brädte, dag England auch bey ſchlechten Ernten ſich felbft 
ernähren könnte; fo wären theils die Verlegenheiten im Kries 
ge, theils die Nachtheile entfernt, die fib zur Zeit bed Fries 
dene dur Weberführung der Märkte mit Getreide äußern 
mufften. Daß diefer Zweck durd Einfuhr: Verbote erreicht 
werden Ponnte, war nicht zweifelhaft; und daß er auf diefe 
Weife erreicht werden dürfte und follte, ward mit der gläns 
zendften Beredſamkeit im Parlement behauptet. Indeß ers 
hoben fih auch die Gegner diefes Sperrwefens mit nicht ges | 
ringerer Kraft, und unter dem Schutze der Lehre über die 
Handels:Freyheit, worin alle ſtaatswirthſchaftliche Schulen 
'übereinfommen. Sie fpraden von dem Vorrecht, weldes 
den Qutsbefigern dur das Verbot des Kornhandels verlies 
ben, und von dem Einkommen, weldes ihnen auf Koften, 
der ſtaͤdtiſchen Bevoͤlkerung nereicht würde. Der Mini 

-erwiederte, daß man bisher die Gewerbſamkeit geſchuͤtzt habe, 
und unftreitig daran recht gethan habe; aber nicht allein fie, 
fondern auch den Landbau müffe und wolle man nunmehr 


f 


108 Betrachtungen über die Europaͤiſchen Staaten 





ſchuͤtzen, und nicht durd halbe, ſondern durch ganze Maßre⸗ 
geln fhügen. Der Getreidepreis,-welber dem, Landwirt 
gefihert werben folle, fen Fein anderer, ald bey weldem vie 
englifhe Gewerbſamkeit bisher beftanden, und zu ihrem jetzi⸗ 
gen Standpunkt emporgeftiegen fey. «Das war allerdings 
unläugbar; nur ließ fib wohl die Maßregel nicht nad dem 
Zuftande bes Landbaus im den fommenden Friedens— 
Jahren, und nah dem Zuflande ber Gewerbfamfeit in ben 
verfloſſenen Kriegs-Jahren berechnen; und ber: 
haupt kam es denn doch wohl eigentlich darauf an, wie und 
von wem man die Einſchraͤnkungen tragen laſſen wolle, wel⸗ 
che der Frieden noͤthig machte; dabey- Ponnte man aber auf 
den übermäßigen bisherigen Ertrag ber Ländereyen, fo 
wie auf die Unruhen unter den Gewerkleuten, und auf den 
Buftand der Taglöhner auf dem platten Lande verweilen, der 
weit armfeliger als der Zuſtand unfrer befaftetften Bauern ift, 
und die Armenpflege koſtbarer macht al bie gefammte Staats- 
Verwaltung des Preußifhen Reihe. Die gehäffigfie Seite 
der Maßregel-war Üüberdem, daß e8 feiner Berechnung be: 
durfte, um zu begreifen, baß es für alle Handelsftädte beſſer 
fey, man ſperre nit, und daß fih auf einen Pence berede 
nen ließ, wie viel ihr Brot, ohne Sperre, wohlfeiler ſeyn 
würde; indeß die weitläuftigfien Unterfuhungen und Bered: 
nungen über ben Standpunkt des Preifes, wovon die Sperre 
abhängen follte, von 60 bis 120 Sh. untereiander abwichen. 
Nie hatten Parlements: Verhandlungen größere Bewegungen 
unter dem Bolf, und zahlreihere Bittfhriften, wovon-einzelne 
über 100,000 Unterſchriften enthielten, veranlaſſt. Es 
‚war das Erfiemal nah den Zeiten des unglüdlihen Königs 
Karl, daß die Gefengebung zwey Stände gegeneinander 

ellte, und im Innern nach einem Geift, ohne ihn zu ver: 
ſchleiern, verfuhr, den es bisher nur gegen bag Ausland an: 
gewandt hatte. Man geftand ein, daß der plöglibe Fries 
densſtaud zu; vielfachen Verwiclungen und Reibungen im Sn: 


vom Parifer Frieden bis zum Parifer Waffenftillffand. 109 


nern führe; *) ließ fih aber weder dadurch, noch durch die 

Fautefte Mißbilligung in den Städten abhalten, die Kornges 

ese felbft dann (20. März 1815) durchgehen zu laffen, als 
ue Krieg ſchon vorherzufehen war. 

Den Frieden mit Amerifa ſchien eher Kriegs: als Fries 
densluſt bewirkt zu haben ; die Unterhandlungen zu Gent 30: 
gen fich in die Länge, und der Friede erfolgte erft im Decems 
ber 1814, als fi die Verhandlungen zu Wien fo erhißten, 
daß eine friedliche Ausgleihung unwahrſcheinlich ward. Mit 
Amerika war nichts ausgemacht, als Waffenfriede; Beine der 
fireitigen Fragen über das Seerecht, bie Blofaden, das Mas 
trofenipreffen,, die Fiſcherey, die Schifffahrt auf dem Miſſi⸗ 
ſippi, den Handel nah DOftindien, und die Entfbädigungen 
war auch nur mit einem Wort darin erwähnt, Mit dem Koͤ— 
nigreich der vereinigten Niederlande blieben;, da die Vermähs 
lung wicht zum Schluß fam, viele andte Berhältniffe glei: 
falls unentfhieden. Eine Erklärung vom 17. Juni 1814 ents 
hielt die Bedingungen, unter welchen der niederländifhe Hans 
del mit den noch von England befesten Kolonien geſchehen 
fonnte, und am 13. Auguſt 1814 ward zwar eine Ueberein⸗ 
kunft gefhloffen, wonach England die Kolonien, außer dem 
Borgebirge der guten Hoffnung, Demerari, Effequibo und 
Berbice herausgeben, und zum Feſtungbau in ben Niederlan⸗ 
den 2 Millionen Pf. Sterl. zahlen wollte; aber diefe Webers 
eintunft ward erft unterm 9. Juni 1815 dein Parlement zur 
Genehmigung vorgelegt, : und Holland bis dahin in fortdauern⸗ 
dern Erwartung abhängig erhalten, 

Frankreich hatte. ſeine Inſeln zuräderhalten, dien in a 
nem Zuftande der Entblößung, der ihre Benutzung ſchon an 


) Wbitbread fagte am 22, Febr. im Parlement: „Viele 
J unter uns, die jetzt ihren Weizen nicht ſo hoc anbringen, als 
zur Zeit Bonapatte's, rufen aus: Es wäre beſſer, 
vwenn man ben Boney wieder hinaufſehte!“ — 


’ 


110 Betrachtungen über die Europaͤiſchen Staaten 





fich ſcwierig genug machte, und ned ſchwieriger ward fie 
durch die Hinderniffe, welde Sranfreih bey dem Sklaven: 
handel zur Wiederaufnahme der Pflanzungen von den engli- 
ſchen, Befehlshabern an der afrifanifhen Küfte zu befüruggen 
hatte. Indeß auf diefe Art den franzoͤſiſchen Kolonien die 
englifben Sflavengefege fhadeten, ift oben gezeigt, baß bie 
englifben Korngefege gegen feinen Landbau gerichtet waren, 
In Deutfhland drüdten die englifhen Zollgefege nun. aud 
auf den legten Gewerbzweig, welder ſich aus ber Zeit feiner 
Gemerbgröße unverfümmert erhalten hatte, auf ben Linnen: 
handel. Diünemarf und Schweden, welche zufammen. bie 
Geldfräfte eines Stadtvierteld von London nicht befigen, 
und in beftländiger Geldabhängigkeit von England waren, gas 
ben zu feinen befondern Verfügungen Anlaß. Mit Ruß 
land verfuhr man fehr [honend, und hatte hob immer nicht 
die Aufhebung der gegen englifhe Gewerberzeugniffe irengen 
Einfuhr: Verbote zu bewirken vermocht. Erſt im May fanbte 

der Kaifer von Wien aus zwey neue Zolltarife nach Petersburg 
zur Erörterung. Der freye Markt zu Stralfund, welches 
Georgius die engliſche Stapelftabt in Deutfhland nennt, 
ſchloß dem englifhen Handel das Herz von Preußen auf, und 
veranlaſſte das Schwanfen feiner Gefeßgebung über die Ber 
fleurung der von dorther fommenden Waaren. Indeß ſcheint 
man von englifeher Seite überfehen zu haben, wie ſchnell der 
preußifhe Ankauf, von Schwedifh: Pommern. diefes Stapel: 
recht in einen leeren Namen verwandeln könnte, und wie 
leicht die Einfiht und Selbfiftändigkeit der Preußen zu fo be 
ſchraͤnkenden Maßregeln gegen ben. englifhen Handel führen 
würde, ald man fie bey aller Vertraulichkeit von Oeſtreich 
erfährt. Doc laͤſſt fib nicht begreifen, daß dieſe beyden 
Reiche Englands mehr beduͤrfen, als England ihrer bedarf. 
Was uͤbrigens Stralſund werden ſollte, war Maltha durch den 
Handel mit Oeſtreich, mit der Tuͤrkei, mit der Levante, mit 
Afrika und Italien wirklich geworden; ein fo wichtiger Sta⸗ 


. 


vom Parifer Frieden bie zum Pariſer Waffenſtillſtand. IIL 








pelplag, daß fein Verkehr die befondere Aufmerkſamkeit des 
engliſchen Parlements erregte. (Bill vom 22. Wär; 1815.) 
In Sicilien blieben englifde Truppen, und fie wurden aud 
in das von Deftreich eroberte Neapel aufgenommen. Portus 
gall blieb in Handels:Abhängigkeit, obgleich die Zahlung der 
Hülfgelver für fein Kriegsweſen aufhören follte. Spanien 
allein, mit unbezwinglidem Sinn gegen alles Fremde, zer⸗ 
riß das Gewebe des Verkehrs, welches der Krieg mit Engs 
land geflochten hatte (Vertrag 15. Juni 1814), und feine 
Städte gaben den franzoͤſiſchen Waaren vor den englifhen den 
Borzug. | | 

Se fand England in Eurova und das fefte Land. Auf: 
fer Europa Ponnte aber fein europäifher Vertrieb als unter 
Auffiht und Genehmigung Englands flattfinden. Alle Fe: 
ften des Meeres gehörten ihm. Bey diefen unermeffliben 
Borzügen hätte man glauben follen, daß England die ruhige 
Benugung bderfelben einem neuen Kriegs: Zuflande vorgezo— 
gen haben würde, und doch waren außer den oben bezeichne: 
ten innern Gründen auch Äußere vorhanden, welde die Forts 
dauer des Kriege: Zuftandes wünfhenswerther machten. Biss 
ber war man ohne Nebenbuhler im Handel gewefen, jet ers 
bielt man fie in mannidfaltiger Geftalt, und, wie der menfchz 
lihe Geift jeder Beſchraͤnkung ſpottet, fo konnte au hier 
feine Beſchraͤnkung auf die Länge gegen das vereinte Anrens 
nen der Völker aushalten. Amerika ließ fih am wenigften 
gängeln, und ed ijt befannt, wie es felbft dann nicht muth: 
los ward, als es allein und einfam gegen bie Gieger von 
Abukir, Trafalgar, Salamanca und Vittoria fland, und 
welchen Einfluß die bloße Nachricht von bem Frieden mit ihm 
in der Handelswelt, befonders auf den Preis der Kolonials 
waaren hatte. Wie ferner, wenn es Spanien glüdte, Suͤd⸗ 
amerika zu beruhigen? Wie aud, wenn die fhon wieder auf . 
ben Meeren ſichtbare franzöfifbe Flagge nicht einzelne Schiffe, 
fondern zahlreiche Flotten bezeichnete? Wenn es in Frankreich 


Y12 Betrachtungen über die Europäifchen Staaten 








glücte, mit England, wie vormals, zu wetteifern? Denn 
gegen England hielt man dort feſt zufammen, fo fehr man 
unter fib haderte, und fo fehr man ſich an England bey den 
Kongreß: Verhandlungen anſchloß!“ In den uͤbrigen Laͤndern 
war die Abſchaffung des Sperrweſens gegen England zwar 
\mit der Kriegs-Erklaͤrung gegen Frankreich gleichen Schritt 
gegangen, aber es ließ ſich vorausſehen, daß man nun Vor— 
ſicht-Maßregeln ergreifen würde, damit die Weberſtuͤhle, 
welche dur das Sperrwefen emporgefommen waren, durd 
engliſche Kunftgriffe nicht wieder zerfiört wuͤrden; es ließ ſich 
vorausfehen, daß die Handelsfonds, welche vom feften Lande 
während der Schredengzeit nad England gefluͤchtet waren, 
nun von dort würden zuruͤckgezogen werden. Ss ließ fi) or: 
ausfehen, daß die größere Küfte und die zahlreichere Bevoͤlke⸗ 
rung endlich mehr Schiffe und mehr Matroſen wieder zaͤhlen 
wuͤrde, als die engere Kuͤſte und die geringere Volks. Men— 
ge. Niemand wird läugnen, daß England ohne Krieg 
weber feinen Handel noch feine Bevoͤlkerung fo unverhaͤltniß⸗ 
mäßig gegen bad übrige Eurova hätte vermehren koͤnnen; 
hieraus ergibt fich aber, daß Beydes dur den Krieg geriähre 
worden ift, und wenn man biefes eingefieht, fo folgt der 
Schluß von felbft, daß dieſes wegfallen muffte, fobald als 
ber Krieg wegfiel, wenn man fein Mittel hatte, diefen Aus: 
fall zu erfegen. Unſre Unterfahüng wendet fih daher zu 
den Mitteln, welde man anwandte, um dieſen Ausfall zu 
erfegen. - Er traf die Gewerbe, welche für den Krieg gear: 
beitet hatten, und den Landbau. Bey dem Landbau lieg ſich 
zwar durch das Sperrwefen, wovon'bey den Korngefegen ge: 
handelt worden, von Staatswegen helfen, weil Jedermann 
Bror nöthtg hatte; aber das war nicht der Fall bey den Städ: 
gießereien, wovon Clydworks und Carronworks in 
Schottland allein 5000 eiferne Kanonen jährlich liefern ; auch 
nicht bey den Gewehrfabriken, worin zu Birmingham 100 
Stuͤck Gewehre auf-einmal gebohrt werden. Der Lord 

> Ca ſt⸗ 


vom Parifer Frieden bid zum Parifer Waffenflillftand. 113 








Eaftlereagh fagte am 14. Nov. 1813, daß 400,000 Ges 
wehre und Säbel nach dem feften Lande gefandt wären; und 
es ift eben fo befannt, daß ganze Schiffs-Ladungen von Unis 
formen dahin gefhicdt waren; alles deffen bedurfte man nun 
® nicht mehr, und gegen diefen Mangel des Abfages, der auf 
folche oder andke Art die für den Krieg arbeitenden Gewerbe 
traf, fonnte Fein Parlements-Beſchluß ſchuͤtzen, fo günftig 
und befördernd er au für den Handel war; eben fo wenig 
balf dagegen die Erlaffung der Einfommenfteuer, weil bie 
Fabrif: Arbeiter ohnehin ihr nicht unterworfen waren, und 
weil es für die FabritsUnternehmer feine Huͤlfe war, von 
dem verlornen Einfommen keine Steuer zu bezahlen: : Wert 
man alfo aub nur bey den Ausgaben fteben bleibt, welde ber 
Staat im Frieden weniger ald im Kriege machte, 300 Mil: 
lionen Thaler, fo verlor dadurch eine Million Einwohner an 
dem Eintommen, weldes fie dur& 20 Jahr bezogen hatte. 
Es waren daher gewiß bie friegsgewohnten Waffengefährten 
Wellingto us nicht allein, welche neuen Krieg wuͤnſchten, 
fondern es waren zugleich alle diejenigen, deren Einfommen 
geſchmaͤlert wurde, und die entweder zu-fhmerzhaften Eins 
ſchraͤnkungen ſich verftehen, oder gar das Geſchaͤft des Le⸗ 
bens aͤndern muſſten. Zugleich aber hatte der Anfang des 
Friedens keine Roſen getragen, und auch die wuͤnſchten den 
Krieg, welche aus Erfahrung wuſſten, wie muͤhſam und ver- 
drußvoll die Führung des Sffentlihen Dienftes im Frieden üft, 
und wie leicht und fröhlich im Glück des Krieges die Verwal- 
tung fortfreitet. Wer aber mochte an der Treue des Kriege: 
glüds zweifeln! Frankreichs Seemacht war vernichtet, Eng: 
fand durch feine Flotten von dent Loos ber Schlachten zu Lande 
unabhängig, und der MWechfel ihres Looſes bey der Ueberzahl 
der verbündeten Heere nicht zu fürdten, aud bewährte fi 
fhon Englands Uebergewicht an Kunfiträften in dem beendig: 
ten Landkrieg. An die Erneuerung der Kandelsfperre war 
nicht mehr zu denfen, und fo konnte der Krieg überall nur 
Europ. Annalen. zoted Stuͤck. 1815, 8 


% 


114 Betrachtungen über die Europälfihen Staaten 





neue Hoffnungen, und keine Beforgniffe bringen, Die Wer- 
handlungen im Parlement, als die Borfhaft zum Bruch am 
22. May dahin gelangte, wurden Pälter geführt, und ſchnel⸗ 
fer geendigt, als über die von Gibraltar ausgeligferten Mit⸗ 
glieder der Corted. Am 23. May konnten fie im Unterhaufe 
nicht einmal vorgenommien werben, weil das Haus nit voll 
zählig war, und am 25. May wurden fie, ohne die mindefle 
Aenderung an der vorgeſchlagenen Adreffe, mit ® Stimmen 
‚gegen 4 gef&loffen. 

Indeß der Hof zu Brafilien den — des Portugieſ 
ſchen fortführte, trug auch der König von Spanien beyde In: 
dien in feinem Namen. Mit mehr Recht hätten es die Eng: 
Jänder gethan. Portugal blühte auf, und gab -aud feinen 
Fahnen die Ehre, welche feine Flagge früher geſchmuͤckt hatte. 
Spanien ruhte dagegen mit innerm Grimm, verjagte am 30. 
May 1814 feine beften, Köpfe, *) zerriß die ſchwache Ord⸗ 
nung feines Staatshaushalts, und wollte ihm die alte Ge- 
ſtalt wiedergeben, ohne dazu den Stoff: die ameritanifhen 
Einkünfte, zu befigen.. 

Noch zwey Tage vor ber Botfhaft an das Parfement 
+ Aber den franzöfifhen Krieg war der Krieg, welcher zwiſchen 
Deftreih und Neapel am 29. März angefangen war, durd 
bie Uebereinfunft von Capua am 20. May mit der ftillfweis 
genden Entthronung des Könige Jo ach im geendigt. Nob 
nie hatten Oeſtreichs Waffen einen folhen Erfolg gehabt; er 
beweist, wie fehr die jegigen Zeiten von benen verſchieden 
find, worin Karl V. zu Insbruk überfallen, oder der erſte 
ſchleſiſche Krieg geführt wurde, Im Italien lag viel Feuer: 
fioff, und obgleih Ober-Italien, an die Herrfhaft des Hau 
fes Deftreihs gewöhnt, auch mit Deutfchland vielfach ver: 

. en war, fo ‚hatten ſich doch Wuͤnſche fuͤr einen Verein 


*) Vorſtellung des Staatsrathe Ymoros. Minerva 1815 
Gebruar. 


vom Parifer Frieden bis zum Parifer Waffenſtilltand. 115 








aller italienifhen Voͤlkerſchaften und Klagen über den Unter: 
gang völterfhaftliher Einrihtungen in Wort und Werken 
geäußert. Aber zu einem folhen Verein fehlte die unents 
behrliche Voranftalt, eine Hauptſtadt, und felbft ald Sieger 
würde ber König von Neapel mehr Schwierigkeiten gefunden 
Gaben, Ober⸗Italien an die Herrfhaft Neapels zu gewöhnen, 
als Deftreih fand, der alten. Gewohnheit *) bie vormalige 
Behaglichkeit wieder zu geben. Die Vorbereitung dazu von 
Seiten Deftreihs war unftreitig, die Grundzüge der Verfaſ⸗ 
fung fefizufegen, und die Handhabung der Verwaltung darnach 
einzurichten. Ein langes Friedensiahr hatte nichts von bie: 
fen, wohl aber gezwungene Anleihen, Militär: Erekutio: 
‚nen #%) u. dgl. gebradt. Der Krieg brachte fhnell, was 
man fo lange vergeblich gehofft hatte. Er führte zur Errich⸗ 
tung bes Königreichs von ber Lombardei und von Venedig 
am 7., umd. zu feiner Verfaffung:Urfunde am 24. April; 
auch ward bey der Webereinfunft zu Capua fogleich zugeftans 
den daß in dem Königreihd Meapel von Deftreih die Ges 
waͤhrleiſtung für die Vergeffenheit alles Worgefallenen, bie 
Staatsſchuld den Verkauf der Staatsgüter, die Zulaffung 
zu allen Aemtern, die Beflätigung des neuen Adels, und 
des Militärranges und Gehaltes übernommen werde. Eben 
fo feft, als die übrigen Fürften Italiens, auch Sardinien 
wegen des Nahfolgers, des Erzherzogs Franz Joſeph, 
als Gemahls der Kronprinzeg Marie durch das Blut, ift 
der König von-Sicilien nun für Neapel dem Kaiferreich ver: 
bunden. Das Kaiſerreich felbft, beuölferter und abgerumdes 
ter als je zuvor, ift durch den Befig der Alpenpäffe und der 
Feſtung Mainz unzugänglicher als je. Unter feinen Völker: 
ſchaften find die Gallizier und Venezianer die Einzigen, welde 


* Erflärte Einverleibung der ehemaligen Erbländer den 12. 
Juni 1814. Verbot gegen die Freymaurer den 27. — 


*) Aulgem. Zeit, No. 91. 98. vom 1815, 


116 Betrachtungen über die Europäifhen Staaten 








dem Haufe nicht von Alters her angehörten. Ungarn aber üft 
gegen das übrige Reich in einer ähnfihen Stellung, wie, vor 
der Vereinigung, Irland gegen England war; und noch fol⸗ 
genreicher, als fuͤr dieſe, würde feine Vereinigung fuͤr das 
Kaiſerreich ſeyn; *) das nun von Karpathen, Sudeten und 
Alpen oder vom Meere begränzt, und von 30 Millionen 
kraͤftiger Menfchen bewohnt ift, mit denem in fünf Staates 
Sprachen geredet wird. Das Hauptübel, zugleich aber eim 
‚Präftiges. Verbindungmittel der Theile, ift das Papiergeld. 
Daß es ganz verbannt werbe,.ift: bey dem llmfange des Reihe 
und feinem'innern Verfehr nicht wünfchenswerth, defto wün- 
ſchenswerther aber, daß es feinen gezwungenen Umlauf be— 
halte, der ihm auch in: den wiederrerworbenen Ländern nit 
bengelegt ift. Seine Muffe, 250 Millionen Gulden, ift bey 
Weitem größer, als die Maffe der Abgaben, welde darin 
bezahlt werden ; und deswegen Fann es dem baarem Geld nie 
‚glei ſtehen; feitden Rüftungen zum Kriege **) ift es um 
die Hälfte und zu einem Viertel des Nennwerthes gefallen, 
felbft dann noch gefallen, als die Nachricht: von der Erobe: 
‚rung bes Königreihe Neapel anfam. Diefes Fallen des Pa: 
piergeldes fpriht mehr, wie Worte, für die Segnungen, 
welche äußere Ruhe über die Weinhügel und über die Weis 
zenfelder dieſes Reiches bringen würde. Die Entwicklung im 
Innern treibt gewaltig, doch, um fo zu fagen, mehr im bie 
Tiefe ald in die Höhe. Für Rechtswiſſenſchaft, für die Ans 
wendung ber Künfte auf Gewerbfamteit, und für die Ber: 
befferung der Landwirthſchaft ift der regefte Eifer, erwedt 


*) Weber die Bepträge zu den Kriegslieferungen,, melde, obne 
Meihstag, zu 42 Millionen Gulden am Werth von ihm gefors 
dertwurden, führten die Gefpanfchaften Klage, Allgemeine 
Zeitung, No. 172. 

*) Wozu unterm 29. März 1815 eine Anleihe in Papiergeld 
von 50 Millionen Gulden eröffnet wurde. : _ 





vom Parifer Frieden bis zum Parifer Waffenſtillſtand. 117 





und ermuntert von der Staats-Verwaltung, welche hierin 
die freyeſte Wirkſamkeit eines Jeden dem oͤffentlichen Wohl 
am zutraͤglichſten hält, indeß fie als die Seele der allgemeis 
nen Intereffen ſich aufftellt, von welder did Gedanken bar: 
über. ausgehen müffen, und mwoneben nichts beftehen darf, 
woburd die Gemüther, ohne ihr Worwiffen, aufgeregt, und 
Anfibten und Zwecke gegeben werden könnten, die nicht bie 
ihrigen wären. Die Erfahrung von Jahrhunderten, deren 
Stürme und Zerfiörung beftanden find, hat gelehrt, worauf 
es anfommt, und wenn auf der Univerfität zu Wien vors 
fbriftmäßig vorgetragen wird, daß die Kirche feine Gewalt 
babe, und daß der Papſt ber Staatögewalt, bey der Aus: 
übung feiner Rechte in dem oͤſtreichiſchen Reihe, unterworfen 
fey, fo laͤſſt fihb daraus ſchon beurtheilen, ‚mit welchen noch 
weit ungänftigern Augen jede andre Stellvertreter ber Hierar: 
hie angefehen werden, und daß man Fein andres Geheimnig 
als das des Staatsbienfies duldet. Wielleicht liegt hierin ein 
Grund von dem offenen geraden Sinn, ber fih in Deftreich 
bewahrt. - Man weiß, daß man nicht in dem Gefpinft geheis 
mer Verbindungen befangen ift, und daß nur der Staat über 
das Thun-und Laffen eines Jeden mit Sorgfalt wie mit 
Schonung wacht. Deftreich, ifi feit. drey Jahrhunderten im 
Kampf gegen die Verwirrung gewefen, welche neue Gebans 
fen in Europa angerichtet haben, und es ſcheint, daß biefe 
Rolle noch nit aus iſt, felbft nad Beendigung des bevorfte: 
henden Krieges noch nicht aus iſt. So lange Italien nicht bee 
rubigt war, gebot das Geſetz der Noshwendigkeit, Antheil 
an dem Kriege’ zu nehmen, weil man fid..in Italien nicht 
zwifchen zwey gährende Vulkane ftellen durfte. Nah ber Be: 
ruhigung Italiens hat der neue Krieg für Deftreih feine Na- 
tur verändert. Deftreich iſt gegen Frankreich ſowol durd feis 
ne Stellung, als durch feine Kraft-Ueberlegenheit geſichert; 
feine jegigen Vormauern zu überwältigen, wuͤrde ſchon das 
Dpfer ganzer Heere koſten. Deſtreichs Wohlftand ift von 


118 Betrachtungen über die Europäifchen Staaren - 
— — — —— — — — — 
Frankreichs Emporkommen durchaus unabhängig. Frankreich 
Landbau, Handel und Schifffahrt mag aufblühen, wie es 
Immer will, das Ändert in Deftreids Staats-Einkommen und 
in feinem Volkshaushalt nicht das Mindefte zum Nachtheil. 
Um Landerwerb kann Deftreih auch ben Krieg nicht aufangen, 
weil ein Landerwerb leiht ein Sicherheit-Verluſt werden 
Pönnte, wenn andre Staaten au erwerben wollen, und fo 
erwerben, wie feit 1807 geſchehen iſt. Diefe nit unwich⸗ 
tigen Bedenken fprehen gegen den Krieg; dafür aber Mei: 
nungen, Verträge, alter Haß, jüngere Eiferſucht, vielfa= 
cher Leidenfhaften und Werwidlungen Trieb und Drang. 
Das Hauptaugenmerk fheint, unter diefen Umftänden, bey 
dem Kriege der Erfolg des Friedens zu ſeyn, welder ibm 
bob folgen muß, und woran man auch in England dachte, 
obgleich man dort nicht fo nahe Rüdfihten, als in Deftreich, 
zu nehmen bat. * 
Preußen hat ſich wieder, wie vor der Revolution, den 
herrſchenden Maͤchten an die Seite geſtellt; kurz zuvor au 
Macht und an Menſchen kaum Sachſen, durch Warſchau vers 
groͤßert, gleich. In Kraft:Anftrengung hat es mit den groͤß⸗ 
"ten Leihen Europas gemwetteifert; hierzu gehörte ein Auf⸗ 
ſchwung des Volds, melden gewoͤhnliche Mittel nit zu bee 
wirfen vermocdten; Alles muffte Krieg arhmen, und muß 
fortbauernd Krieg athmen, wenn, in der Meinung, eine 
Bevoͤlkerung von hoͤchſtens 12 Millionen, Bevoͤlkerungen 
von 30 bis 40 Millionen gleich geachtet werden ſollen. Eben 
fo fhwierig war, ben innern Haushalt in dem neugegründe: 
ten Reich zu ordnen. Welche Verfhiedenheiten der Wunſche 
und Bedürfniffe in dem Gtoßherzogthum von Pofen, und 
von dem Niederrhein, in dem Herzogthum Sachſen und in 
dem Herzogthum Berg! In Polen hatte man nicht den Vor: 
theil von Deftreih, weldes nichts wieder erhielt, fonbern 
nur behielt, was es fhon an fih gewöhnt hatte, und mas 
mit Böhmen und Mähren fon lange verfhwiftert war. Am 


——“ 


vom Parifer Frieden bis zum Parifer Waffenſtillſtand. 119 . 





Niederrhein hatte man auch den Vortheil nicht, daß das neue 
Land in der Mitte alter Hausländer, wie Venedig, lag; 
und durch das Zwifhentreten von Hannover und durch fein 
Koͤnigshaus war das Berhältniß des noͤrdlichen Deutſchlands 
überbem. weit verwidelter, ald wie dag Verhältnig im Süs 
den. Alle diefe Hinderniffe ermatteten nicht, fondern belebten 
vielmehr die Preußifhe Thätigkeit. Die vorzäglichfte Sor: 
ge war auf das Heer gerichtet, da von feiner Oeftaltung bie 
Kraft der Preugifben Forderungen, und alfo die Geftaltung 
des Reiches felbft abhing, und fih nit wohl eine allgemeine 
Berfaffung entwerfen und ausführen ließ, ehe die Beſtand⸗ 
theile des Reichs nicht gegeben waren; auch hatte der Verſuch 
einer fländifben Berfammlung im Februar 1814 zu unerwars 
teten Forderungen Anlaß gegeben. Indeß warb bob im 
Juni 1814 das Verfprechen erneuert, daß bie von dem Staat 
ausgeſchriebenen Lieferungen vergütet werben follten; aud 
bie Grundfteuer in den ehemals weftphälifhen Ländern auf £ 
“ bes reinen Einkommens herabgefeßt, *) und der Anfang mit 
ber Einziehung und Vernichtung des Papiergeldes gemadt.**) 
Als aber die Kriegs:Rüftungen gegen Frankreich begannen, 
ward unterm 14. März verordnet, baß die Treſorſcheine in 
allen öffentliben Kaſſen, ihrem vollen Nennwerth nah, ans 
genommen werben follen. Diefe Rüftungen mufften diesmal 
aus ben Geldfräften bed Staates beftritten werben; das 
Fahr zuvor hatte das Volk nit gerehnet, und feinen Preis 
als den ber Freyheit gekannt. Jetzt ließ ſich zwar feine 
Kriegsluft, aber nicht feine Freygebigfeit auf gleiche Weife 
wieder in Anſpruch nehmen. Die Hülfgelder, welche Eng: 
land dur den Nachtrag vom 30. April zu dem Vertrage vom 
25: März verhieß, betrugen nur Io Millionen Thaler, und 
das war hoͤchſtens J der Koften eines Feldzuges. Die Zei⸗— 


*) 24. an. 1815. 
“) Berorbn, vom 7. Sept. 1815. 


Pas 


’ 


126 Betrachtungen über bie Europäifcgen Staaten 





tungen haben von einer Anleihe in England von 12 Millio- 
nen gefprodhen, und dadurch würde Preußen (außer der nicht 
geringen Hülfe, ohne Geldverlegenheit-den Feldzug zu eröff: 
nen,) die noch bey Weitem größere Hülfe des verbejjerten 
Geldumlaufs erhalten haben. Diefer war durd die Erſchoͤ⸗ 
pfung in den Ungluͤcks-Jahren gelähmt, und konnte nur durch 
ſolche außerordentlihe Zuſchuͤſſe fehnell belebt werben. 

::- An den-glüdlihen Ausgang des Krieges knuͤpften fih große 
Hoffnungen für den gluͤcklichen Anfang feiner Erneuerung; 
Adie Blüte und, der Kern unfrer Nation ift das Heer,“ fagt 
Niebuhr, und ald Heer betrachtet, kann es nicht genug 
gelobt werden; aber die Schwierigkeit ift, wie dieſer Kern 
im Frieden ‚feine alte rechte Stelld wieder einnehme. Wer 
blos Hände: zu dem Heere brachte, bringt fie eben fo leicht 
zum Pfluge, zur Werkftatt-zuräd ; er findet feine Stelle wie: 
ber; ganz anders iſt es für ben, welder ein eignes Gewerbe 
verließ, für ihn trat fogleich ein Andrer ein, und bemäßtigte 
fih feirier Verbindung bey: Ankauf und Abfag. Der Abmwe: 
fende muß bey feiner Ruͤcktehr von vorn wieder anfangen, 
und das ift fo leicht nicht. Ganz anders ift es ferner für bie 
Sünglinge, welche ſich wiffenfhaftlih bilden. Die. Zeit, 
welche fie im Felde. zubringen, ift für ihre wiſſenſchaftliche 
Bildung verloren, und unerfeglih verloren, weil mit dem 
Juͤngliugs:Alter auch die Empfaͤnglichkeit ded Gedaͤchtniſſes 
abnimmt. Die Juͤnglinge, welche aus dem Felde zu den 
Wiſſenſchaften zuruͤckkehren, finden ihre ehemaligen Meben: 
buhler ihnen weit vorausgeeilt, -und fühlen nun gegen fi 
das Uebergewicht, welches fie im Felde gegen ihre übrigen 
Waffenbrüder hatten. Alle diefe werden vorziehen, in dem 
Heere zu bleiben, flatt in das bürgerliche Leben zurüdzutres 
ten; in dem buͤrgerlichen Leben aber wünfchen alle die, wel: 
hen die Zuruͤckkehrenden in den. Weg treten würben, daß bie 
fes nicht gefhehe. Im den begünftigten Ständen bringt übris 
gene ein Abgang an den Bewerbern feine Lüde und Eeine 


% 


vom Pariſer Frieden bis zum Parifer Waffenftillfiand. 121 


Störung in die Gefhäfte, fondern vielmehr Regſamkeit und 
Leben: Die Wirkung eines bedeutenden Abganges' ift Feine 
anbre, als daß die Uebrigen früher, als bisher, zu Amt und 
Stand gelangen, daß man 3. B. im 25ften Jahr auf einen 


eignen Dausfiand rechnen kann, indeß fih nad) der bisherigen 


Drdnung nur im zoften Jahr darauf rechnen ließ. Hierin 
liegt ein Grund von der auffallenden Thatfahe, daß fih in 
Sranfreih in fo blutigen Kriegen die Bevölkerung dennoch 
vermehrt hat; und hierdurch erflärt fih, warum gerade im 
Preußen, worin die Bevoͤlkerung am meiften durch Aushe⸗ 
bungen angegriffen, und wo ber Handel mit Frankreich fo 
vortheilhaft für beyde Theile war, dag er mitten in der Hige 
des frühern Krieges, und der Öffentlihen Abmahnung vom 
12. und 19. Sul. 1813 unerachtet, lebhaft fortgefegt wurde, 
der neue Kriegesruf am freubigften vernommen wurde. Der 
Drang ber Ereigniffe riß: fort, und die Preußen fanden glüd: 
lich ihr Heil, worin fie es gefucht hatten. Der Abend bes 
18. Juni fand fie ald Sieger, und mit ihrem Blut wiſchten 
fie- den Vorwurf ab, welden die Erklärung des Kongreffes- 
vom 12. May, daß „der Friede mit Napoleon nichts 
„als ein Zuftand immerwährender Ungewißheit, Unruhe und 
„Gefahr feyn würde,‘ für den Kongreß ‚und die großen 
Mächte enthalten hatte. Denn, wäre wohl der einzelne 
Mann, wäre ganz Franfreih von Deutfhland, gefhweige 
von Europa, zu fürdten gewefen, wenn Deutfhland vereint: 
und glücklich gewefen wäre? Wie große Beforgniffe erregten 
‚dagegen, daß feine Gränzen offen gelaffen waren, daß im 
Innern viel Zwietracht obgewaltet hatte, daß feine alten voͤl— 
kerſchaftlichen Anftalten oft muthwillig zerftört, und nen:ges. 
ſchriebene Verfaſſungen noch nicht vollendet, vielweniger durch 
Erfahrung. bewährt waren. Ein fuͤrchterlicher Zwiſchenzu— 
ftand! Die Ungemwißheit lag zerftdrend auf allen bürgerlichen 
Berhältniffen. Wäre das niht gewefen, Deutfhland hätte 
jest Huͤlfgelder geben fönnen, flatt fie zu nehmen, ftatt fie. 


* 


122 Betrachtungen über bie Europäifchen Staaten - 





mitunter zu erbitten. In den meiften Schriften, welche iu 
ber Ruhezeit herauskamen, warb gegen Frankreich getobt.. 
Das war unzeitig, weil ed. damals darauf anfam, ung im 
‚ Innern recht verftändig einzurichten „ und nicht papageienmaͤſ⸗ 
fig vom Kriege, ohne Krieg, fortzufhwagen. Auch ging 
der als Vorbild für ganz Deutfhland fih fühn anfündi: 
gende Landtag zu H..... eben fo ſchnell auseinander, als er 
verfammelt war; andre Verfammlungen diefer Art gaben gar 
Bein Lebens zeichen. “Spät, aber ehrenvoll, traten die Wür: 
tembergifhen Landftände auf. Der König von Würtemberg 
wollte, als er die Stände: Berfammiung berief, der öffent: 
lichen Meinung eine gefegmäßige Stimme geben, und bie 
Stände zeigten, daß fie Freymuͤthigkeit für die edelfte Art 
des Gehorfams hielten. Man trug zunähft auf das am, 
was fih von felbft verftand, daß vorläufig das alte Recht 
beybehalten würde, Niemand wirft fein altes Kleid weg, 
ehe er ein neues hat. Man fhlug Peine Kunftftüde vor, 
wodurd das Vermögen des einen Theils dem andern zuge: 
fpielt würde, fondern man erklärte fi vor Allem bereitwillig, 
zu den Etaatd:Bedürfniffen vollftändig Rath zu fhaffen, und 
ben Landesfredit fiher zu begründen. Man bemühte ſich, 


| durch rechtliche und moraliſche Gründe darzuthun, daß nur. 


bie Wiederherftellung. der alten Berfaffung hiezu geeignet ſey, 
daß man aber jede Mobififation eintreten zu laffen bereit 
fey, welche bie Zeit:Berhältniffe erheiſchten; und die Eraͤff⸗ 
nungen, welde darüber zwiſchen Herrn und Ständen geſcha⸗ 
ben, entſprachen dem Geift der Würde und Eingaͤnglich⸗ 
keit, welcher bey ſo großen Sachen unerlaͤſſlich iſt. 

Die Frage: wie laͤfft ſich der Kredit des Landes 
herftellen? hätte fich gleich nach dem Frieden in allen deutſchen 
Ländern, mit Ausnahme von Sachſen, behandeln laffen ; die 
zweyte Frage: wieläfftfih der Kreditfiherftellen? 
wäre zwar weitausfehender gewefen, indeß hätte doch bie 
Beantwortung ber erftern leichter dahin geführt, als das 


som Parifer Frieden bis zum Pariſer Waffenſtillſtand. 123 


Bertagen beyder Fragen auf den Ausgang des Kongreſſes, 
ober ihr Verſchmelzen mit der Gründung der neuen Verfaſ⸗ 
fungen, worüber fowol im Allgemeinen als im Einzelnen nicht 
zwey Stimmen unter ben Schriftftellern des Tages einig ges 
weſen find; und in Abficht der. Verabredungen auf dem Kone 
greß ift felbft derjenige, der am beften davon wuſſte, der Mi⸗ 
nifter Saftlereagb, dem Parlement die Antwort ſchuldig 
geblieben. Es folle hier nicht wiederholt werben, was Arndt 
auf eine, Burke'ns nicht ganz unähnliche, Weiſe über den 
Kongreß fagt; aber es darf nicht unberührt bleiben, was 
anfre Schriftfteller in dem verfloffenen gewuͤnſcht, gehofft, ges - 
dacht und geträumt haben. Die meiften begannem mit Glüd: 
wunſchs-Bezeugungen, denen felbft die fonft fo vernehmen 
Göttinger gelehrten Anzeigen viel Derbes und Starkes gegen 
Frankreich beymiſchen. inige betrachten die ganze Erde von 
einem himmlifhen Standpunft, und wollen eine neue Religion, 
wie „Julius und Evagoras” (Heidelberg bey Mohr 
1819) oder eine Vermählung zwiſchen Kirche und Kaiferthum, 
woben das deutſche Gemüth die Hauptrolle fpielt, wie Wins: 
dBifhmann; *) Dabelow **) erkennt Deftreih und Preuf: 
fen nicht für deutfhe Staaten, oder will fie wenigftend unter 
den Etats de P’Allemagne des Parifer Friedens nicht begrif: 
fen wiffen; Savigny zweifelt an dem „Beruf unfrer Zeit 
für Geſetzgebung,“ und Hugo ***) wiederholt lähelnb bie 
Zrage: wer denn wohl zu Abfaffung eines deutfhen Geſetz⸗ 
Uune au wählen fey ? 





Sn —- 


*) Das Gericht des Herem über Eutopa ıc. Frankfurt 1814; 
ald Gegenſtuͤck dazu läfft fih die neue Kirche, oder Verftand 
und Glaube im Buude, betrachten. Berlin 1815. 


*?) Gedanken über den duch den Parifer Frieden verheißenen 
deutfhen Staatenbund. Göttingen bey Röwer 1814. 


*n*5 Goͤtting. gelehrte Anzeigen No, 194. 1814. 


124 Betrachtungen uͤber die Europaͤiſchen Staaten 





Thibaut *) ruft, wo nicht zu ſeiner Abfaſſung, we⸗ 
nigſtens zu ſeiner Gewaͤhrleiſtung, alle Europaͤiſche Maͤchte 
an ꝛc. Schmid *2«) moͤchte alle Gerichte von allen Fuͤrſten 
unabhaͤngig machen. Einen Kaiſer moͤchten Viele, einige 
gar zwey Wechſelkaiſer haben; ***) Zachariaͤ wuͤnſcht, 
daß der König von Preußen **#*) bie Stelle eines Erz 
kanzlers annehme; bie Könige, auch wohl die Großherzoge, 
werden durch Landflände und Reichsgerichte nicht beläftigt, 
bie übrigen Fürften müffen es ſich aber ſchon gefallen laffen. }) 
Zaup tt) iſt ungefähr gleiher Meinung. Zur Volksthuͤm⸗ 
lichkeit rechnet man, daß das Volk bis and Meer reihe, und 
für das deutſche fey es am zuträglichfien, wenn es auch bie 
Bucht von Genua fein nenne. Ueberhaupt müffen die Staa: 
ten bey ihrer organifden, Oefeßgebung, wie in Buchholz 
Journal für Deutfchland 18 Heft gelehrt wird, das Verhaͤlt⸗ 
niß des flüffigen Theils zu dem feften beffer in’s Auge faſſen. 
Schade iſt ed, daß Calais durch dem Frieden nicht erwor⸗ 
ben, ++}) weil die natürliche Graͤnze der Völker nicht Fluß: 
thaͤler, fondern. Gebirge find, und „der Rhein Deutſchlands 
Strom, aber nit Deutſchlands Graͤnze“ iſt. Nach Andern 


*) Ueber. die Nothwendigkeit eines, allgemeinen bürgerlichen 
Rechts für Dentihland. Heidelberg bey Mohr 1815. 

**) Deutihlands Wiedergeburt; ein politifher Verſuch. Jena 
bey Frommann 1814. 

**+) Vorſchlaͤge zur Güte bey der Wiederherftellung Deutſch⸗ 
lands. 

“rss, Deutfches Bundeshaus nach der Meinung des Nerfaffers 
der Ideen über das politiiche Gleichgewicht. Leipzig bey 
Baumgärtner 1814. 

+) Entwurf zu dem Grundvertrage von Baharid. Heidelberg 
bey Mohr ı1814- 

+4) Weber die Auflöfung des rheinifhen Bundes ıc. Gieffen 1814. 

+7} Wo iſt die natürlibe und ſichere Graͤnzlinie für die mit 

Frankreich benachbarten Staaten? Der u Patriot am 
Rhein, 9.3. F. V. A. ei 


vom Parifer Srieben bis zum Parifer Waffenſtillſtand. 125 


iſt „Waſſerſcheide auch Voͤlkerſcheide.“ *) ‚Bon der oͤſtlichen, 
nördlichen und ſuͤdlichen Graͤnze Deutſchlands ſchweigen die 
Meiſten, doch wird die Polniſche Krone dem Koͤnig von 
Mreußen angetragen, und Daͤnemark zur Entſchaͤdigung für 
die Herzogthuͤmer auf Eroberung in andern Welttheilen ans 
gewiefen. *#*) Auch wird auf dem Papier eine dreyfache Kette 
‚von Feftungen gebaut, am Rhein, an der Wefer und an ber 
Elbe, die leßtere vertheidigt Preußen, und erhält deswegen 
Sachſen, die mittlere ein. König der Saffen, und die rheinis 
fen Holland. ***) - Bamberg foll die Hauptfladt des deut: 
ben Reihe werben, und eine Reibs-Aademie zu Afchaffens 
burg angelegt werden. #*##) Unter den Reichswuͤrdentraͤ⸗ 
gern glänzt ein Neihs:Zunftmeifter. +) Den Abel begabt 
Arndt mit reiben Gütern; won: Bülow ++) fordert zur 
Aufbelfung des Vreußifhen das Suͤmmchen von 50 Millios 
nen harter Thaler, und ein Ungenannter treibt die. Befcei- 
denheit fo weit, daß er nur verlangt, daß die Staatsgefege 
der Natur des Adels angepafft werden, welcher dur bie 
Gleichſtellung bey Kriegslaften, Konfeription u. f. w. unter: 
graben und vernichtet ſey. +++) 
Die Bauern will: Arndt ++++) fell machen, weldes 
bey ihm fo viel bedeutet, als in Majoratsherren verwandeln, 
Andre wollen wenigitens die bäurifhen Laften abgelöst oder 





.*) Der Reinftrom, Deutihlande Weinſtrom, nicht Deutſch⸗ 
lands Rainftrom. Gedrudt am Nein im zweyten Jahr der 
deutſchen Freyheit. 

) Europa im Frieden für jetzt und In Zukunft ıc. von Tralt⸗ 
teur, Mannheim bey Schwan 1814. 
*t) Morbdeutichlands Gränzen und DVertheidigung. 1814. 
⸗⸗*t) Morfchläge zur Güte. 
+) Betrachtungen über Staatd:-DVerfaffungen. Frankfurt 1814. 
++) Ueber die Mittel zur Erhaltung der Grundbefiger. ‚Berlin 
1814. 
+++) Deutfchlande Adel an bie verbiindeten Mächte, 
tttt) Ueber künftige ftändifche Verfaſſungen. 1814. 


— 


126 Betrachtungen über die Eurobaͤiſchen Staaten 





aufgehoben wiffen, *) weldes wieder Andre für einen Un- 
fug, den der Code Napoleon angerihtet, halten. **) 
Weber den Geift, Geſchmack und die Behaglihfeit, welde 
fih in kleinen Refidenzen findet, ift manches Huͤbſche gefagt, 
indeg eine Stimme jenfeitd des Rheins feufzt, daß das Lanb 
doch feinem Pleinen Fürften zu Theil werben moͤge! *%F) 
Fuͤrchterlich droͤnte durh Deutfhland der Jammerruf Ham: 
burgs über die erbuldeten Gräuel; *#**). von dem Reichthum 
unfrer Städte machte Niemand Rühmens, defto mehr traͤumte 
man von bem fünftigen-Olanz des Handels, wenn erft felbit 
auf bem Rhein Fein andrer Zoll als zu dem Betrag ber Waf 
ferbau:Koften erhoben werben würde. Das Wiederanfleben 
des Tariſchen Poftwefens jenfeits des Rheins, und eine Aus⸗ 
einanderfegung feines Nugens veranlaffte den Gegenbeweis, 
daß. eine allgemeine Poftanftalt Peine Vorzüge vor den. fans 
besherrlihen Poften habe. So entwickelte auch Reite 
meier die Rehtsgründe für die Herabfegung des bänifhen 
Courants und für feine Verwandlung in Reichsbankgeld. 
Gleich heftige Auflagen hatten die erlofhenen und befiehenden 
Verwaltungen zu befichen; die allerneuefte, die fogenannte 
Eentralverwaltung +) gab ihr Mißfallen weniger als unverhoh⸗ 
‘len über Bayern und Wuͤrtemberg, über Heſſen, Hannover, 


*) Welches find die ſchnellſten Mittel, einen durch Krieg rui⸗ 
nirten Staat wieder aufzuhelfen? Hannover bey Hahn 1814. 
»*) Rehberg über den Code Napoleon, Hannover 13145 
und, in Beziehung darauf, Brinfmann über den Werth des 
— bürgerlichen Geſetzbuchs der Franzofen. Göttingen 1314. 
»*) Beſcheidne doch freumüthige Andentungen über Webertreis 
bungen und Nüdwirfungen mit befonderer Hinficht anf 
Deutihland. Germanien 1815. - 
eesa Pehmuͤllers Darftellung der Greignife, welche bie 
Hamburger Bank betreffen. 1814. 
7) Die Ceutralverwaltung der. Verbündeten unter dem Frey⸗ 
bereu von Stein, Deutfhland 1814, 140 Eeiten, 


* 


\ 


N 


vom Parifer Frieden bis zum Parifer Waffenftillftand. 127 





Kippe und Walde zu ertennen. Gegen Bayern fland auch 
Graf Reiſach *) auf, und zeugte von Verwirrung, Wills 
für und namenlofem Unfug, wogegen er der Veruntreuung 
von mehr als einer Million Gulden bezühtigt, und fhwerer 
Verbrechen angeklagt wurde; **) in einem andern Geift, aber 


doch immer anftögigen Tone erfhien eine Unterfuhung über 


Würtembergs Rechte; von Berlepſch ***) griff die Ver: 
waltung des weftphälifben Finanz: Miniftere Malchus mit 
ſchweren Waffen an, bdiefer vertheidigre fih vorläufig in 
franzöfifher, ****) und dann im deutfher Sprade +) gegen 
Berleoſch ſowol ald gegen andre Angriffe, indem er feinen 
Vorgänger, den jeßigen Preußiſchen Minifter von Bis 
low, zum Mitfhuldigen und eigentlih zum Urheber maden 
wollte. Am heftigfien ward indeg Davouflvon Haupt+t) 
angegriffen; ‘er fuchte ſich theils mit Paiferliben Befehlen, 
theild mit dem Gefeg der Nothwendigkeit zu vertheidigen. 
Uebrigens laͤſſt fib nicht Iäugnen, daß über deutſche Verfaſ⸗ 
ſungen der zeitgemäßefte, .befonnenfte und preiswürbdigfte Auf: 
fag einen Ausländer zum Verfaffer hat, ben bekannten, 
nun verewigten, Villers, weiber durch eine Art Schuß» 
ſchrift für die Hanfeeftädte +++) die Schuld erwiefener Gafts 
freundfhaft abtrug. Ein Paar Schriften von Schlegel 4444) 
und Gentz ++t++) ehren allerdings die deutſche Kunft, 


*) Bayern unter der Megierung des Miniftere Montgelas, 
1813. Gegenſchrift, der Minifter Graf Montgelas unter 
der Regierung König Maximillans, 1814. 

*) Karl Auguft von Reiſach, Graf von Steinberg, Er: 
General Kommiffär Sr. Maj. des Königs von Bayern ıc. 1814. 

u. ri — in Deutſchland ıc. 2 Th. Göttingen bey 

etrich. 

*+++) Notes concernant le Comte de Malchus de Marienrode. 
Paris chez Panckoucke. 

+) Ueber die Verwaltung der Finanzen des Koͤnigreichs Wells 
phalen. 1814. j 

++) Hambourg et le marechal Davoust, appel à la justice. 

+rt) Star les constitutions des villes hanseatiques etc.; von 
Heß über den Werth und die Wichtigkeit der Freyheit der 
SHanfeeftädte, 1814. | 

tttt) Betrachtung über bie Politik der daniſchen Megierung. 
+trtt) An die Deutſchen und an die deutſchen Fuͤrſten, Leip⸗ 
zig bep Nein, 


128 Betrachtungen über bie Europaiſchen Staaten ıc. 
wenn man darin au das Feldzeichen bes Dienftes erkennt. 
Es ließ ſich erwarten, daß die Sachſen kein Wort der Ueber: 
zeugung und bed Gefühle unverfucht laffen würden, um Anz 
theũ und Mitleiden zur Abwehrung ber ihnen drohenden Auf: 
(fung einzuflößen, weniger erwartet-war es wohl, daß ge: 
gen fie nicht blos das Geſetz der Nothwendigkeit, ſondern 
auch Rechtsgruͤnde in Anſpruch genommen werden. In Be: 
ziehung auf Preußens Recht gegen den fächfifhen Hof fagt 
Niebuhr: ‚‚Sondert fib ein politifh getrennter Theil ei⸗ 
„ner Nation als Volk von dem großen Ganzen, wie die Hol 
„länder und die deutſchen Schweizer, verlernen fie dann 
„die Nationalgefühle, und bilden ſich neue in ihrer engen 
„Sphäre, fo innen fie fi fremd machen und verkuͤmmern; 
* ‚aber die Rechte der Nation, der fie fib entziehen wollen, 
„können fie nit aufheben. Hierauf gründet fih das Ber: 
„mittlungredt der Verbündeten fürdie Schweiz. 
„Aus dieſem National: Verhältniffe entftehen die Rechte einer 
„Bundes: Verfammlung, oder ihres Hauptes, zu aͤchten.“ 
Kür die Länder, welche unter ihre Erbfürften zurädgefehrt 
‘waren, enthielt die Frage, welde von Berlepſch *) 
über die Gültigkeit des Verkaufs der Staatögüter, ber Auf: 
hebung des Lehenweſens, der Anerkennung der gezwungenen 
Anleihen, und der abgetragenen landesherrlichen Schuldfor 
derungen aufitellte, tiefeingreifende Wichtigkeit. Im Deutfb: 
fand ward über Alles diefes nur mit Worten geftritten, und 
ſelbſt der plumpe Ausfall Graͤvells **) auf die Advokaten 
zu Dresden mir Mäßigung und Anftand beantwortet; ***) 
nit fo in der Schweiz, wo es zu Blutvergießen, Hinrich: 
tungen und zu offnen Rüftungen zwifchen Bern und der Waadt 


Pam. 





s) Sammlung einiger Aktenſtuͤke, melde aus ber Zeit dei 
Königreichs Weftphalen herſchreiben. Göttingen bey Diet® 


rich, 1814. 
#) Sachſens Wiedergeburt. Mainz bep Kupferberg 1814 


er) Sendſchreiben an den Hrn. Hauptmann G. Dresden dep 
Arnold. | 
(Die Fortſetzung folgt.) 


— ———— — — 


7. Note des Königl. Franzdfiiben Minifterd von Tal; 
ie drand, an die Schweizerifhe Geſandtſchaft. Die po: 
Ktifpe Organifation ber Schweiz betr. v. 16. Dct.1814. ©. 225 
79. Note des Kaiferl. Ruſſiſchen Bevollmächtigten, die fünf; 
tige Verfaffung Deutſchlands betr. v. 1. Nov. 1914. Ss 
so. Brittifhe Proflamation zu Genua, v. 27. Dec.1314. ©. 2 
SI. Mote des koͤnigl. franzöfifhen Bevollmaͤchtigten, Hrn: 
Zürftenv. Talleyrand, am den faif. oͤſterreichiſchen Bes 
sollmädtigten, Hrn. Fürftea v. Metternich, die fünfs 
tige Beftimmung über Sachen und Polen betreffend. ©. 228 
32. Mote des Königl. Preußifben Staatskanzlers, Fuͤrſten 
v. Hardenberg, vom 20. Dec. 1814. ©. 233 
S3. Datent des Königs von Sardinien, die Beſitznahme 
von der Republit Genua betreifend, v. 20. Dec. 1314. ©. 238 





Stuttgart und Tübingen: in der 3. G. Cottarfchen Buchhand⸗ 
Inng if erſchienen: 


Morgenblatt 
für gebildete Stände 1815 Augnft. 


Inhalt. 

Das menſchliche Reben. Frey nach Piis. Bon Hg — Das 
vo idoff and Enwoftoff. — Nachleſe. — Proben ans Neuf⸗ 
fers Ueberſetzung der Aeneis. I. II. — Dichter-Ehre. Bon Prof. 
Darach. — Agnes Bernauer und Albrechts Kiebe. — 
Adams Traueranzeige bey Evas Tod, Bon Weiſſer. — Die Roͤ⸗ 
mer⸗Saͤule. Bon K. Pfaff. — Der Aufſtand nad ber Schlacht 
von Novara im J. 1513. Bon R. Gluz⸗Blozheim. — Kleine 
Sedbichte. Ven Hg. 1) Theonens Garten. 2) Verwunderung. 3) 
Ue berau Liebe. 4) Verbot eines iriſchen Edelmauus. — Schreib⸗ 
methoden in Indien. — Geſchichte eines chriſtlichen Künglings und 
einer beidnifben Jungfrau. — Ueber Ferdinands I. „Fiat jus- 
titia, pereat mundus. ** Bon gg. — Dem Kunftauerflötner Bubo» 
Bon Ebd. — Das igslaͤndiſche HundesTurnier. — Anfang ber Hu ſ⸗ 
fitentriege. Zigeuner. 3. 3. 1422 — 1425. Heimweh. Bon Kart 
Lappe — Schweizer Anekdoten. — Der Quell. Ban Hg. — 
Der erfte May. Frey nah Sencdce. Bon Ebd. — Einuſpruͤche. 
Nah Voltaire — Gedenkbuch. Non Weiffer. Gebote unb 
Berbote. Die Frevbeit. Poetifhe Woiten, Das Paradies und die 
Frauen. Die Widerfpenftigen. Glüdsgaben. Fleib und Traͤgheit. 
Kriegstieder.‘ Der Quafidieb, Der Bettler. Der Menfhenbajier. 
Die neuen Herofirate. Weibliche Raferey. Kleine und große Diebe, 
An Herrn Klingelang. Kräben Moral. Erziebungfprud. Die neuen- 
Sonettenfgreider. Die Weltverbefferer. Die Tran obne Zunge. 
Vorſchlag zu einer frommen Stiftung. Fruchtloſe Satyre. Selbſtbe⸗ 
Benntniffe. Hohes Alter. Der Glaube. Eitel ſeyn. Der Witz. Aus⸗ 
aeliebte Weider. Die Sängerinnen. Die groben Streiter. Die Mur 
fenföhne. Die madrirte Schöne. Haller Zugendfände. ‚Der Witz im 
Loſtſpiel. Die Heiratben am Sterbebette. — Ueber Genf. — Der 
Seefturm. Bon Feuerlein. — Dininen. I. Ehateaubriand und 
Sopboeles. 2. Frigidus, 3. Bauſt. 4. Schmäherzunge, 5. Schmeich⸗ 
lerzunge Bon —o — — Drev Gedichte von Jobann Grob. 
Mitgetheilt von Weiſſer. I. Zeitenwechſel. 11. Sm Walde, II. 
Engelgleihe Menſchen. — — Zwen merfwärbdige Falle von Wiebers 
Vereinigung getrennter Gtieder. — Idas Werth. Bon 29 — Das 


Kreuz anf der Halte. Bon A, Schreiber. — Der Sklavenhandel. — 
YAnerdoten. Bon 8b, — Canſtatt. Bon Biſcher. — Gpren- 
Zweifel, Hausmitter. Ein außertheatralifer Kieronimns Knicker im 
Jahre 1815. Schredliches Benfpiel. Schreiben des Glaſermeiſters 3. 
zu N. an den Poftmeifter loci. Abwechſeluug. Bon Karı Stein. — 
Kleine Gedichte, 1) Blume auf Guidod Grab, v. Galis. 2) Die 
Nehrenleſerlun. Ben Brunn, geb. Münter. 3) Widerfpräge, 
Bon Jakob Schnerr. 4) Die Plagenden Männer. Bon Weifs 
fir. 5) Die Schlaͤgerey. Bon Hg. — Lord Ullins Tochter. Frey, 
nah Campbell. Bon Ag — Die Feder Im Mund. Bon Weifs 
fer. — Fragmente Über biftorifhe Sagen und Mythen. Won 
Eong. — Berichtigeng. Bon F—n. — Ueber Sicilien; nad 
ten neuften Beridteu der Engländer, Bon Ld. — Das Hohyeits 
gedicht. Schwank. 1. Kontraft. 2. Beweggründe. 3. Der Neffe. 
4. Der Strohhut. 5. Kontrebande. 6. Die Aurede. 7. Pfui! 8. 
Selbſtbetrachtungen. 9. Diebſtahl. 10, Unruben. ır. Rein! 12. Die 
Waͤſchleine. 13, Alle gute Geifter! 14. Scolimme Vorbereitungen. 15. 
Keinen Laut! 16. Der Ableiter. 17. Allerley Entdedungen. 18. Uns 
terhandlungen, 19. Pan, 20, Der Traum. 21. Gruͤnde. 22. Die 
Hochzeit. 23. Schlußmonolog. Bon Fr. Laun. — 2wey Fabeln. 
Bon Hg. * Das Muͤckchen. 2. Kuͤrblß und Eiche. — Geruch nah 
dem Tode, Bon Hg. — Die Schlaht bey Waterloo. — Aller⸗ 
ley aus England, Irlaͤndiſche Sowure. Dr. Savage unb ber Papfi. 
Kräner sBerfammlung in Schottland, Gonderbarer Gebrauch. Die 
Speckſeite. Pinto und Garrick. — Hleine Anekdoten. 1) Eblir 
ber Diatog. 2) Nah Martial, B. I. E. 69. 3) Neues Futter, 
4) Iriſcher Bull,Bon Hg. — Ueber Operntexte. Gefchrieben bey 
Gelegenheit der Aufführung der Oper Athalia, nah NRacines 
Xraueripiel, bearbeitet von Wohlbräd. — Dbean Faifer Fran. 
Bon Biſcher. — Gedenkbuch. Bon Weiffen Drao. Die 
Schmaͤhſchrift. Uebermuth der Tugend, Weligienfer und politiſcher 
Fanatismud,. Weiber und Frennde. Der Gelehrte ald Geſchaͤftemann. 
GSeſellſchaftregel. Eigeullebe. Der Schwindel. Stolz und Tugend, 
Weibliche Schwaͤtzhaftigkeit. Merborgenes Verdienſt. Die ſchlechten 
Schriftfteller an die guten. Luſtſchiffe. Die Hoffnuna. Das Denten, 
Philoſephiſcher Aberglaube. Zollfreye Gedanken. Die Liebe und der 
Zorn, Gubfcriptiond Anzeige des Mävlue. Dreverley Kügner, Nars 
ren und Ungezlefer. Armuth, Die Lerchen. Verbrechen aus Miß⸗ 
mutb. - Febler großer Männer. Kraukenbeſuche. Dummkoͤpfe. Cine 
Anekdote aus Norwegen, Die Löwenköpfe au den Wafferröhren: Gei⸗ 
ſterſehen. Der Umgang. mit Menſchen. Gedankeuſtriche. — Das 
Eonfervatortum ber Muſik zu Prag. — Mehr als iriſcher Bull. Bon 
9 — An Emma. Bon G. — Aehrenleſe ans der Vorzeit. I. 
%. 1277. Burgermeifter Herrmann Grym und ber Rene. II. Die 
beyden Gemäbel. Bon Eh. v. haupt. — Brudfiüäd aus Ros 
Berfs Leben. — Korreſpondenz⸗Machrichten aus Nahen, Berlin, 
Bern, Breslau, Cafjel, Kopenhagen, Leipzig, Kondon, Muͤnchen, 
Prürnserg, Paris, Peſth, Petersburg- Weylar, — Charaden, Lo⸗ 
gogryphen und Raͤthſel nebſt deren Aufloͤſung. 





Europdiſche Annalen 
Fa begranns arg 


PIE FERN Stüd 


— 


Tuͤbingen 


in der J. G. Cotta'ſchen Buchhandlung. 
1815. | 


Inhalt. 


J. Geſchichte der Verſchwoͤrung Buonaparte's gegen 
Ludwig XVIII. ıc. Geſchlüß). . 129 
ll. — Zuſtand unter Napoleons Regierung. 
(eſchluß). S. 16 
Ill. Carnot. (Anhang zu dem, in das ſiebente Städ 1815 
der Annalen eingerüdten, Aufſatz.) ©. 214 
IV. Neueſte Schaͤzung des Nationalvermögens von Groß: 
britannien und reland, (Aus dem New Monthly Ma- 
gazin; YAuguft 1815). S. 240 
V. Noch ein Beptrag zu dem im fiebenten Heft enthaltenen 
Aufiage: Carnot, eine biographiihe Skizze. ©. 251 
VI. Kleine hiſtoriſche Denkwuͤrdigkeiten. S. 253 
Vertraute Bemertungen Über den Staat von Neapel, beren 
Gegenftände ber befondern Aufmerkiamkeit Gr. Pf. Hoheit 
dem Prinzen Joſeph Napoleon vorgelegt werden 


follen, B R S. 253 





* 
Codex diplomaticous, 


84. Mede Sr, Ercellenz des GeneralsGouverneurs Fuͤrſten 
Repnin, ald er bey Uebergabe des Gouvernementsd des 
Koͤnigrelchs Sahfen am 8. Nov. 1314 zu Dresden feine 
Abſchieds-Audienz gab. ©. 242 

85. Patent des Churfuͤrſten von HeffensKaffel, v. 27. Dec. 
1814, die Herftellung der vorigen Verfaffung ber. ©. 245 

86. Note mehrerer (mediatifirten) Fürften und Grafen, 
dem Kongreß im Dec. 1814 überreidt. . 248 

87. Patent des Königs von Württemberg, die landitändi: 

{he Verfaſſung betreffend. ©. 251 

83. Schreiben des kaiſ. Öfterreihifhen Staates und Con; 
ferenz:Minifters, auch Minifters der auswärtigen Ange: 
legenheiten, Herrn Zürften von Metternich, an die 
Frau Fürftin von Ffenburg, wegen Aufhebung der big; 
herigen Abbängigfeit des Fürftenthbums Jfenburg 
von dem Generals Gouvernement zu Frankfurt; Datirt 
Wien den 15. Febr. 1815. ©. 253 

89. Pro Memoria des Hrn. Grafen von Bentind, 
an die 32 vereinigten deutiben unabhängigen Fürften und 
freyen Städte, um ale fouverainer Befiger von Jun 
und Knipbaufen, in den Verein derfelben aufgenom— 
men zu werden, datirt Wien den 20. Febr. 1815. ©. 

90. Note des Bevollmächtigten vieler deutiben fuͤrſt li— 
hen und graͤflichen Häufer, welche durch die rheinis 
{he Bundes: Akte andern Fuͤrſten untergeordnet wurs 
den, Hrn. Geheimenrathe von Gärtner, an die HH. 

ev Bevollmächtigten. der allerhöchften verbündeten Mächte, 
betreffend eine königl. württembergifhe Verfügung 
Dr Einführung landftändifher Verfaffung: 
datirt Wien deu 27. Febr. 1815. ©. 3 

91. Note des bevollmäctigten Abgeordneten vieler deut⸗ 
ſchen fürftliben und gräflihen Häufer ıc. ıc., Hrn. 
Geheimenraths von Gärtner, an die Herren Bevolls 
mächtigten der allechöchften verbündeten Maͤchte, betr. 
zwen fünigl. wärttembergifhe Erklärungen wegen 
Einführung landſtaͤndiſcher Verfaſſung: datirt Wien den 
5. Maͤrz 1915, Mit zweu Berlagen, ©. 357 


2 
wı 
wi 





. 
Geſchichte 


der 
Verſchwoͤrung Buonaparte 8 gegen 
“ £udmwig XVIIL 
oder: 

Kurze Erzählung der Ereigniffe feit der Kapitulation 
von Paris am 30. März 1814 bid zum 22.’ Jun. 
1815, als dem Tage der zwepten —2 
gung Buonaparte's. 

Nach dem Franzoͤſiſchen des Lamarteliere, 
z | mit Noten begleitet 
von 
Theodor von Haupt, 
Beihiunn 





Ich gehe nicht von der väterlihen Megierung, unter der 
wir fo kurze Zeit lebten, zu dem Sflaven:Zuftande, der ung 
von Neuem bedroht, über, ohne Einiges über die legten 
Augenblicke vor der Abreife des Königs zu fagen. Wenn 
große Unfälle die Seele erheben, und fie unwillkuͤrlich nad 
jener hoͤhern Macht hinlenfen, die in derfelben Wagſchale 
die Loofe der Völker und der Fürften abwägt, welchen tiefen 
Eindrud muffte dann'nicht auf alle Herzen der Anblick eines 
ehrwärdigen Greiſes; des durch die Großen, die er mit 
Wohlthaten überhäuft hatte, Betrogenen; durch die aus 
den Ketten des Auslandes geretteten Goldaten vertathn n, 
und unaufbärlih von Schurfen, Undankbaren und Meineibdi: 
gen umringten Dberhauptes einer großen Monardie erzeu: 
gen, das nur in bem Pleinen, um ihn verfammelsen, Käuf; 

Europ, Unnalen. zıted Et, 1815. 9 


130- Geſchichte der Verſchwoͤrung Buonaparte's 








chen treuer Bürger Liebe und Anhänglichkeit fand? Welches 
herzzerreißende Gemählde: *) ein fehzigjähriger, von 
ung fo lange erfehnter König, auf deffen Stirne die erhaben- 
ften Züge der Tugend und des Leidens thronen; ber das 
Mufter der edelften Selbftverläugnung darbietet; durchwan— 
bert in naͤchtlicher Stile die Schaar ber, auf. feinem Wege 
Pnieenden, Diener; nennt fie feine Freunde; laͤchelt Dieſem; 
drüct Jenem die Hand; trodnet ihre Thränen, und verläfft, 
von ihrem Schludzen und Stöhnen begleitet, den Thron 
und den Palaft feiner Ahnen, um dem nahenden Ufurpator 
Pag zu mahen! **) Diefe Seufzer, biefes Stöhnen, mit 





*) Warum fehen wir es nicht von dem lebenvollen, gluterfuͤll⸗ 
ten Pinfel des Verfaſſers der Martyrs, des Genie du Chri- 
stianisme !c. Ic. ausgemalt? 


*) Welche Feder vermag diefe ſchmerzliche Trennung zu file 
dern? — Der König war ein, aus der Mitte feiner Kinder 
fheidender, Water; jeder Unterſchied der Stände verſchwand 
In dieſem Augenblide. Dffiziere und Soldaten (??) aller 
Waren umringten den König, und benepten ihn mit ihren 
Thraͤnen. Alle umfafften feine Kniee, und küfften feine Hän: 
de oder feine Kleider; fie zerihmolzen in dem fchmerzlichen 
Gefühle, ihn zu verlieren. 

„Wie, Sire, Sie verlaffen ung? erſchallten hun⸗ 
dert Stimmen, von Seufzern und Schluchzen unterbrochen. 
„Meine Kinder, bald ſehe ib Euch wieder!“ war 

des Königs Antwort. Er allein hatte eine fheinbare Faſſung 
behalten; feine erhabenen Züge, in denen der Glanz der Ma; 
jeftät ſtralte, ſchienen uns zu fagen: „Dtei e Trennung 

zerreißt mein Herz!“ 

Der König, von einer fo ſchmerzlichen Trennung tief ge 
rührt, fühlte feine Thraͤnen fließen, und brach in die Worte 
aus: „Meine Kinder, ſchont mein Gefühl!“ Der 
Wagen fuhr, im Gefolge des Grafen von Artois und des 
Herzogs von Berry, ab. 

Eine duͤſtre Stille folgte dieſem traurigen Auftritte; der 
Det der Nacht verſtrich in ftummer Trauer. 


gegen Ludwig XVIII. 131 








bem die. Parifer fein Schloß erfüllten, begleiten ihn bie an 
die Gränzen feiner Staaten. Er herrſchte nur jehn Mo: 
nate, und auf feinem ganzen Wege ift fein Dorf, das feine 
Wohlthaten nicht beglückten, wo er nicht Gelegenheit gefuns 
den, Glückliche zu machen, oder Unglüdliche zu tröften und 
zu unterflügen. „Hier hat er einen Familienvater feinem Ge: 
werbe wiedergefihenft; dort gab er feiner Mutter ben, fon 
der Konfcription beftimmten, Sohn wieder allenthalben ftei: 
geh Segnungen und Klagen um ihr auf, währen das Ge 
ſchrey der Empsrung und die wilde Freude eines verbrederis 
ſchen Triumphs die Ankunft des blutbürfigen Abenteurers 
verkünden, der den Lilienthron zum Zweytenmal entweiht! 


Kaum war der Koͤnig einige Stunden abgereist, und 
fhon zog der Vortrab der Rebellen der Hauptſtadt zu. Eis 
nige ber Anführer, bie erft vor Kurzem dem Könige geſchwo— 
sen, treiben die Treulofigkeit fo weit, dem Monarchen und 





Am andern Morgen tim zehn hr kamen die erfien Satelli⸗ 
ten des Tyrannen vor dem Schloffe an; die Gitter waren ger 
fhloffen; fie wurden geiprengt. Zwey bis dreytauſend Men: 
ſchen, viele Hffiziere unter ihnen, ſtuͤrmten in ben Hof. 
Das Centrum der, durch die Nationalgarde gebildeten, Kinte 
rüdte, eine Plündernung beforgend, vor; in diefem Momente 

brach in einem der Kamine des Schloſſes Fener aus, — 

Einen Augenblick nachher pflanzte man die dreyfatbige Tabs 
te auf; es war eilf Uhr; mehrere Kanonen und Munitions 
Magen raffeln, durch das Gitter von der Flußſeite, in den 
Ho. „Ruft doch: Es Tebe der Kaiſer!“ ermahnten 
mehrere Dffisiere die eilfte Legion der Nationalgarde, die am 
Buße der, nach den Gemaͤchern des Königs führenden, Treppe 
aufgeftelt war; dumpfes Schweigen war die Antwort. 

Ein Offizier, der durch daffelbe Gitter eintrat, trug einen 
Veilchenſtrauß im Knopfloch, und tief, in der Freude ſeines 

Herzens: „Die Veilden treiben ſchnell!“ — „Aber 
fie dauern nur kurze Zeit,” vetſetzte ein Gtenadier 
der eilften Legion. . Anm, d. Verf, 


132 Gecchichte ber Verſchwoͤrung Buonaparte’s 





den Prinzen feines Haufes nadzueilen; *) Andre durdfirei- 
fen mit ihren Korps bie Umgebungen der Kauptfiadt, laut 
drohend, die, für die Sache des Königs zu VBincenmes. 
verfammelten, koͤniglichen Zreywilligen niederzufäbeln. 
Biele junge Leute, obgleih durch drey Tage fruchtloſer 
Strapazen erſchoͤpft, forbern dringend die Ehre, dem Koͤ— 
nige zu folgen; fein Weg ift unbefannt, das Wetter furcht⸗ 
bar, ibr Eifer Pünftig unnuͤtz; fie laffen ih nur durch die: 
Hoffnung tröften, ihrem Zürften ihre Dienfte in gluͤcklichern 
Zeiten zu widmen, und willigen nur auf den ernften Befehl 
ihres Dberften in bie Rüdtehr nad ihrer Heimath. Man be: 
fiehlt ihnen, einzeln dorthin abzugeben... Diefer Vorſicht 
unerachtet werden Mehrere von ihnen durch Streifkerps von 
Kavallerie angegriffen, und mißhandelt, weil fie ſich weis 
gern, ihre Kofarde abzulegen, und dem Kaifer ein Lebe: 

hoͤch zu bringen. Er war no nicht angelangt, und (dom 

veräbte man in feinem Namen ſolche Gewaltthat; und ſchon 

äußerten fih die Symptome des Yhrgerfeiegs bis vor den 

Thoren der Hauptſtadt! 


Dieſe war in einer Beſtuͤrzung, die ſich nur mit der 
allgemeinen Betaͤubung vergleichen laͤſſt, welche der 21ſte 
Januar, abſcheulichen Andenkens, erzeugte. Die Straf: 
ſen waren oͤde; die Schauſpiele und Promenaden verlaſſen; 
die meiſten Buden und Magazine geſchloſſen. Der Bürger, 
den Geſchaͤfte aus feinem Haufe riefen, wanderte, duͤſtern 
Blicke, tiefen Gram auf der Gtirne, durd die Straßen; 
traf. er, einen Freund, ‚fo drückte er feine Hand, flug den 
Blick gen Himmel, und verließ ihn flumm und lautlos. 
Diefe furchtbare Stille unterbrach nur die wilde Freude ber 


*) Die Nationalgarde zeichnete ſich an diefem Tage durch den 
"del und die Zeftigkeit ihres Benebmens aus. Als die Wade 
erit um drep Uhr abyog. trugen noch alle ihre nn 
„Ihre Orden und die weiſſe Kokarde. 


‚gegen Ludwig XVII. 133 








‚Mebellen, die mit Beilden geſchmuͤckt, und in Wein beraufcht, 
von allen Seiten eintrafen, mit ihrem VBerrathe pruntten, 
and die Lüfte mit ihrem Gefchrey erfüllten. 4 

So verftrih der, in Frankreichs Annalen auf ewige Zei: 
ten, als ein Tag des Jammers und des Ungluͤcks bezeichnete, 
20ſte März; am Vorabend war diefes Reih noch mit ganz 
Europa im Frieden; und am Morgen diefes unfeligen Tages 
fianden alle Nationen gegen baffelbige in Waffen. 

Unter ſolchen QAufpizien erfbien Buonaparte in uns 
frer Mitte, nicht, -wie er behauptet, ale ein durch fein 
Bolt berufener Souverain; fondern wie ein Räu: 
berhauptmann, ber im Dunkel der Nacht in den Palaft 
unfrer Könige ſchleicht, fih des Thrones unfers rechtmäßigen 
Gebieterd bemädtigt, und zu Begründung feiner verudten 
Ufurpation das wenige Blut, das er und ließ, verlangt. *) 

Schon am folgenden Tage find alle Mauern von Paris 
mit Anzeigen beflebt, die in jeder Zeile die Wahrheit: und ges 
funde Vernunft beleidigten. Hier erfahren die Franzofen: 
ber von ihnen zuräcdberufene Kaifer ſey ihren Wuͤnſchen 
‚ wiedergefhentt. Da erläfft ein Oberſt einen Aufruf an die 
Tapfern der Armee, in dem er fih, mit der tollen Kühnheit 
des Verbrechens, rühmt, das erſte Benfpiel bes Aufruhre 
und der Infubordination gegeben zu haben. Dort endlich 
prunkt ein Marſchall mit feier Niedertraͤchtigkeit, ſpricht in 
hoben Worten von feinem Verrathe, und ift ſtolz auf feine 
Schande. Die heiligften Worte unfrer Sprade haben, in 
dem kurzen Zeitraum, von vier und zwanzig Stunden, ihren 
Sinn und ihre Bedeutung verloren. Man gedenkt mit 
Schreden der noch nicht fehr entfernten Zeit, wo jungfräu: 
liche Shaam für läherlihe Ziererey; ehelihe Treue für ein 


*) Zwer bis drephundert Offiziere umringten ihn mit gezüdten 
Säbeln, als er die Treppe der ZTuillerien binaufftieg, und 
endlich vpm feinen Prätorianern hinaufgetragen wurde. 


134 Gecſchichte der Verſchwoͤrung Buonaparte's 





albernes Vorurtheil, und das Daſeyn Gottes fuͤr ein politiſches 


Problem galt, Heutzutage find Heiligkeit der Vertraͤge und 


Eide, und ritterliche Biderſitte, der Glanz unſrer Geſchichte, 
und der Ruhm unſrer Nation, in den Augen der Banditen 
unſers ſogenannten Karl des Grogen, nur eitle Thor— 
beiten, Was haben auch die Vendeme, die Coucyh, 
bie Crillon, die Bayard, die freubig für König, und 
Baterland biuteten und fkarben, mit diefen .neugefhaff- 
nen Helden gemein, die König und Vaterland zugleich vers 
rathen? *) Gluͤcklicherweiſe huldigte das Publitum, die 
Menfhen na ihren Handlungen rihtend, jenen Edlen, bes 
fudelte die Brandfhriften diefer niedrigen Schläbter mit 
Koth, und erflehte den Augenblick, wo ein ſtrengeres Straf: 
gericht ihre Schande verewigen, und ſi ſie dem ide Bünftiger 
Geſchlechter preisgeben wuͤrde. 





*) Es iſt wirklich auffallend, daß alle rovaliſtiſchhen Schriftſtel⸗ 
ſteller immer nur den guten Heinrich, die Bavards, 
Duguesclins xc. zc. im Munde führen, um die Anmaſ— 
fungen des Erbadelg ihrer Parten gegen das perſön— 
Hihe Verdienſt der neugeſchaffnen Helden zu retten. 

Muͤſſen dergleihen Tiraden nicht alle Emrorfömmlinge, die 
Ihren Glanz, ihre Würden und Reicthuͤmer mar zum Theil 
einer Ufurpation, aber doch hauptiächlich ihren Talenten, 
ihrer Tapferkeit und ihren Waffenthaten verdanken, heleibis 
gen und erbittern ? Müflen nicht diefe ewig wiederholten 
Unrufungen der Manen abgefbiedner Zierden Frankreichs 
dem unbefangnen Beobachter die eben fo bittre ald wahre 
Bemerkung aufdringen, daß die Löniglihe Parten im ihrem 
Schoße keine lebenden Heroen zählen müfe, die fie den 
neugeihaffnen Helden gegenüberitellen fönne, weil ſte 
den Ruhm ihres Landes, und ihre großen Männer nur in. 
der Morzeit fuht, und unter vermoderten Wappenſchildern 
und Ahnengräbern wühlt, um das Gleichgewicht zwiſchen ans 
geerbtem und errungenem Verdienſte einigermaßen bers 
zuftehen ? 


gegen Ludwig XVII. 135 


—— — — — —ñe ——— — — —— — 

An den folgenden Tagen belehrten andre Anſchlagzettel 
bie Pariſer: der von ihnen fo geliebte Ludwig XVIII. ſey 
nur ein Despot gewefen; wir würden endlich aller Rechte ei: 
nes freyen Volks genießen; um biefe Behauptung unmider: 
legbar zu beweifen, ſchlug man auf Spaziergängen und an 
öffentlihen Orten friedliche Bürger nieder, die fih einige 
Zweifel zu erlauben ſchienen. In andern Bekanntmachungen 
verfprah man und Gluͤck und Frieden, und während man ung 
in diefen eitlen Hoffnungen einwiegte, wurden die Werfftät: 
ten gefbloffen; Handel und Gewerbfleiß ſtockten; Tauſende 
von Arbeitern ſchrieen nach Befhäftigung, und alle Sym: 
pfome des BürgerPrieges zeigten fih in mehrern Gegenden 
Frankreichs. 

Im Suͤden hatte der Name der Bourbons ſchon eine 
große Zahl Franzoſen unter die Fahnen des Herzogs von 
Angouleme verfammelt. Diefelbe Anhaͤnglichkeit äußerte 
fi zu Bordeaur gegen die erhabene Prinzeffin, das 
vollendetſte Mufter kindlicher Liebe, und aller Tugenden, die 
bie Zierde der Thronen find. Beyde zeigten die edelſte See: 
fengröße mitten in der Hinderniß und dem Verrathe, die fie 
umftrieften; allein endlich mufften fie fi entſchließen, ſich 
nah dem Auslaude zm begeben; die Klagen aller wahren 
Sranzofen, die dem Eigenwillen einer, fhon lange ber. den 
Verbrechen bes Ufürpaterg verkauften, Armee erlagen, folg: 
ten ihnen. 

Die Entfernung des erlauchten Paares beruhigte die 
Gemüther keineswegs; fie erbitterte fie noch mehr. Eine 
allgemeine Gaͤhrung herrſchte im ganzen Süden; bie in den 
meiften Gegenden aufgepflanzte weiffe Fahne wurde nur 
mittelft der Bayonette, die den Eifer der Bürger niederbeug: 
. ten, verdrängt. Zu Bourdeaur waren zwifhen den Bär: 
gern und Soldaten blutige Händel vorgefallen. Diefelben 
Auftritte wiederholten fih zu Marfeille-zwifhen ber Gar: 
nifon und ber Rationalgarde. Es waren Befehle erlaffen, 


* 


\ ) 


1356 Gecſchichte der Verſchwoͤrung Buonaparte’s 





nn 

dieſe legtere durch Lift oder Gewalt zu entwaffnen; unerach⸗ 
tet diefer Gährungftoffe von Zwietracht, bie diefen Provins 
zen einen nahen allgemeinen Aufjtand drohten, und unerad= 
tet des Bluted, das in Buonaparte's Namen täglid 
dort vergoffen wurbe, ließ diefer am 16. April dem ganzen 
Europa: die Beendigung unfrer innern Unruben, 
und die freywillige Unterwerfung aller Franzoſen unter feinen 
Scepter durch Kanonendonner verfünbdigen. 

Obgleich diefe Nachricht eben fo falſch als alle andre war, 
bie man jeden Morgen in den Saͤlen des Schloffes verbreitete, 
ſo war es doch dem Haupte der Regierung wichtig, fie mit eis 
ner gewiffen Feyerlichkeit verfündigen zu laffen — wenn 
aud nur die verbündeten Monarchen zu überreden: er habe 
mit Zuffimmung ber Nation den Thron wie 
der beftiegen. Die flühtige Schwärmerey, welde fein 
unerwartetes Erfheinen und die Kühnbeit-feines Unterneh: 
mens erzeugt hatten, begann bereitd zu verſchwinden; man 
‚erfuhr durch Privatbriefe und durch die Berichte mehrerer 
Augenzeugen: der Jubel einer zabllofen Volke: 
Menge, der, laut der Xournale, *) feinen Marib von 
Cannes bie nah Paris begleitet habe, fey nur bag Gefhrey 
einiger Elenden gewefen, welche die Neugier herbeygelockt, 





*) In dem Zuge Buonaparte’& follen zwey durchaus gleiche, 
äußert forgfältig verfchloffne, und in einiger Entfernung eins 
ander folgende Magen geweien ſeyn. An jedem diefer bevden 
Wagen fagen zwey, ganz gleich gekleidete, Perfonen, die für 
Buomaparte und Bertrand gelten jollten. Wozu ſollte 
dieſer Kunjtgriff dienen? — Hätte man einen der bevden 
Magen angegriffen, fo kamen die bepden dariun befindlichen 
Individuen um, und der Tyrann war gerettet. — Wenn 

' man aber bevde Wagen angriff? — Bonaparte war in 

‚feinem von bepden, und dad Ganze war eine feiner gewoͤhn⸗ 
liden Finten. 

Die Chaſſeurs, welche die Wagen begleiteten, lagten, mit 
gezuͤckten Saͤbeln, im ſtrengſten Galopp. 


gegen Ludwig XVII. 137 





ben berüchtigten Abenteurer zu fehen, der auf der Weltbühne . 
eine fo große Rolle gefpielt hatte. Man wuffte, daß feine 
Landung mit den Verfhwornen im Innern verabredet gewe⸗ 
fen; daß der Pöbel der Städte, die er durdziehen follte, 
im Voraus gewonnen; daß alle auf feinem Wege ftehenden 
Regimenter ihm verkauft waren; daß er, überzeugt, nir 
gends einigen Widerftand zu finden, feine Gelegenheit, nur 
einen einzigen Schuß zu thun, finden konnte, Man 
mwuffte endlich auch, daß die friedlihe Haltung, die en feis 
wen Truppen befahl, indem er fie die Gewehre überhängen 
ließ, nur ein politifhes Poffenfpiel war, fein Unternehmen 
zu rechtfertigen, und es in. der Folge durch einen vorgebliden 
allgemeinen Enthufiasmus zu fanftioniren. | 
Diefe Sanftion war künftig für ihn der einzige Rechts— 
titel, auf den er fi berufen konnte, weil er allen andern 
entfagt. hatte. Allein vergebens gewann eine ungeheure 
Maffe von Zaglöhnern und Arbeitern jeden Tag ihren kaͤrg— 
lihen Lohn, durch wildes Gefhrey unter den Fenfiern feiner 
Gemaͤcher, vergebens vertheilten feine, in den Gaͤngen des 
Gartens zerfireute, Agenten heimli einige Geldftüde, um 
die, zu ihren Arbeiten zurüdkehrenden, Handwerker durch 
andre Schreyer zu erfegen. *#) Diefer erfaufte künftlihe En: 
thufiasmus vermochte nur einige Schwachkoͤpfe zu taͤuſchen; 
die Maffe der Bürger blieb kalt; wer an bie Zufunft dachte, 
entfernte fih, vor dem Schwalle von Ungluͤck und Leiden er: 
zitternd, von bem er fein Vaterland bedroht fah. Buonas 
parte felbft, befhämt, unter feinen Fenſtern nur den ge: 
meinften Pöbel zu erblifen, und durch die Kälte jener Klaffe, 





*) Slaubwuͤrdige Perfonen erzählen: ein, mit der Vertheilung 
bes Gelds unter den Pöbel beauftragter, Agent Buonas 
parte’s babe fich jeden Tag Im Ballage Montesquieu die 
Stiefel pugen laffen, und dem Artiften fünf Franfen 
gegeben, um feinen Kunden mitzutheilen, mas ihm erzählt 
wurde, Bu 


{ 


138 Gecchichte der Verſchwoͤrung Buonaparte's 








die er, aus Verdruß, die Kanaille der Salons 
nannte, erbittert, verließ das Schloß der Tuillerlen, um 
fich in das Elyſee-Bourbon einzuſperren. | 
| Indeſſen begann die Erklärung der verbündeten Mädte 
vom 13. März bekannt zu werden, und verbreitete Bes 
ftärzung in allen Gemüthern. Noch unterhielten dag unbe- 
dingte Schweigen der Journale über diefes wichtige Akten: 
ſtuͤck, die Nachricht von einem zwanzigjährigen Fries 
den mit Deftreib, bie nahe Ankunft der Kaiferin, und ihre 
anfänglich auf den 4. May beftimmte, dann auf unbefiimmte 
Zeit hinaus verfhobene Krönung, die Täufbungen des 
Volks, und lieffen ihm die Hoffnung zu einer guͤtlichen Aus: 
gleibung; allein bald bewiefen ihm die Konvention eben der: 
ſelben Mächte vom 25. des nämliden Monats, und 
die Proflamationen des Könige, des Kaiferd vor Rußland 
ıc. ıc. Plar: der Abenteurer, der fih von Neuem des Thro—⸗ 
nes bemädtigt, habe nichts an Heftigkeit des Charakters und 
an Immoralität feiner Prirzipien verloren. Die abgefbmad: 
teften Nachrichten wurden in feinem Namen gedruckt und ver 
breitet; bald unterhandelte man mit England; bald war 
es gelungen, Deftreih von der Koalition abwendig zu mas 
ben; am andern Tage verfündigte ein Kourier die nahe An: 
kunft der Kaiferin mit ihrem Sohne. Zu gleiher Zeit machte 
man in den Departements, felbft zehn Stunden von 
Daris, in abfihtlih gefhmiederen Bulletins, nicht allein diefe 
Ankunft bekannt, fondern man f&ilderte fogar das ganze Des: 
tail der Ceremonien, die den Einzug Marien Luifens 
in die Hauptſtadt gefeyert hätten. Go tröfteten fih die Be: 
wohner der Städte und des Landes, über die.wahre Lage der 
Sachen getäufht, für die vergangenen Fehler dur die Hoff: 
nungen, mit benen fie die Journale des Tages einwiegten. 
Indeffen muffte man doch am Ende die Nation die Gefahren 
durchſchauen laffen, denen fie preißgegebeu war, weil nur fie 
allein ihnen die Spige zu bieten vermochte. Die Zeit der 


gegen Ludwig XVII. 139 





Taͤuſchungen war vorüber, man fonnte ihr nit länger ohne 
Gefahr. die, fie bedrohende Zufunft verbergen. Buona— 
parte fühlte dies, und auf- feinen. Befehl legte ihm der 
Herzog von Vicenza endlih den berüchtigten Rapport 
über die volitifhe Lage Frankreihs vor. Ih fage berüde 
tigt, weil nah den Berheißungen und Täufbungen jeder 
Art, mit denen man die Leihtgläubigkeit des Publikums hins 
gehalten hatte, dieſer Rapport ein blendender Lichtfiral mar, 
der und mit einem Male alle Mächte Europas gegen ung 
verfhworen zeigte, und uns fo die Wahrheit in ihrer fhaus 
derhaften Blöße fehen ließ. 

Diefes Gelben? alfo hatte man uns von Elba zuge⸗ 
führt Einen Vernichtungkrieg — und dieſen Vernichtung⸗ 
krieg will man uns zu führen zwingen, nicht um das Vater: 
fand zu retten, fondern um die Krone auf dem Haupte eis 
nes blutdärftigen Despoten zu befhirmen, der alle Voͤlker 
bes Kontinents zehndete, um eine Familie von Aben⸗ 
teurern und Abenteurerinnen in ber üppigften Lüs 
berlichfeit zu erhalten, die feit zehn Jahren die Würde 
der Thronen entweihten; und um in ihren ſchimpflichen Wuͤr⸗ 
den einige Männer zu behaupten, die, von der oͤffentlichen 
Meinung gebrandmarkt, Theil an feinen Verbrechen nah: 
men, ober fi durch feine Freygebigkeit bereiherten, und die 
ihr abfheulihes Dafeyn künftig an Peine neue Ordnung der 
Dinge wieder anzutnüpfen vermögen, Für folde Intereffen 
will man die Natian zwingen, das Blut ihrer Bürger zu 
vergenden, und den Stürmen eines Europäifhen Kreuz: 
zug6 zu troßen, 

Dies war der Augenblick, um zu unterhandeln; allein 
wie einen Mann anerkennen, der feiner ganzen Macht ent: 
fagt hatte, und nur durch den Vertrag eriflirte, den er ge: 
broden? Wie einem Meineidigen Gehör fhenfen, dem fein 
andrer Rechtstitel, als der, den ihm eine Handvoll Rebellen 
zu verleihen fhien, zur Seite fand, und der mit unbegreifs 


— 


140 Geſchichte der Verſchwoͤrung Buonaparte’s 


licher Frechheit die Vollziehung eines Vertrages verlangte, 
den er ſelbſt verletzt hatte? Wie, niedertraͤchtige Agenten 
anhören, die, indem fie die Ufurpation ihres Herrn und Ge⸗ 
bieters zu rechtfertigen ſuchen, kuͤhn genug find, zugleich eis 
nen Entführungplan. in der Mitte eined Hofes anzulegen, 
wo fie nur unter der Sauvegarde ber Öffentlihen Ber: 
‚„abtung lebten? — Keiner feiner Kouriere wird zugelaffen ; 
Peine feiner Depeſchen angenommen; alle Kabinette fliegen 
ſich feinen Emiffarien, und bald erklärt ihn felbft.eine feyer- 
libe Deklaration in die Abt aller Nationen, und 
gibt ihn der Rache Europas preis. Jetzt erhalten die mod 
in Deutfhland verfammelten Armeen Befehl, in Eilmär: 
Toben an den Rhein vorzurüden. Alle Voͤlker des Nordens 
fiehen in Maffe auf, und vierzehn Tage fpäter ift Frankreich, 
bereits durch innere Unruhen zersiffen, von einem, feine 
Gränzen bedrohenden, dreyfachen Walde von Bayonet- 
ten umringt. --Buonaparten bleibt nur ein Mittel, den 
Sturm zu beſchwoͤren; er muß von dem ufurpirten Throne 
herabſteigen; ein Zranzofe hätte es ohne Anſtand gethan; 
Buonaparte if ein Korfe. Was kuͤmmert ihn das 
Blut, das vergoffen werben foll, wenn er nur feinen Kopf 

rettet; follte er aub zum Zmwentenmal feine Schande 
und feine Wuth in irgend einer wäften Infel verbergen muͤſ— 
fen? Ganz Europa greift ihn an; er entfhließt fib, ganz 
Europa zu bekämpfen; und — foller fallen, fo will er we: 
nigſtens unter den Trümmern unfers Vaterlandes in. Stroͤ⸗ 
men franzöfifben Blutes untergehen — wäre es auch nur, 
um feine gräßlihe Prophezeihung zu erfüllen; und ber erbe⸗ 
benden Welt zu zeigen: „was ber ) eines groß 
fen Mannes koſte!“ 

Aber wie einen Krieg nationalifiren, deſſen Urſache und 
Begenftand er allein it ?_ Wie ein denkendes Volk dahin bes 
ſtimmen, eine Million Menfhen der Erhaltung eines Geäd: 
teten zu opfern, den die Intrigue aus feiner Verbannung 


‚gegen Zubwig XVII. 141 





zurüdführte, und der Berrath wieder auf den Thron erhob? 
Wie eine hufgeflärte Nation überreven: man bedrohe ihre 
Unabhängigkeit, wenn diefe von allen Souverains als Prins 
zip anerfannt ift, und wenn bdiefelben ald Buͤrgſchaft einer 
allgemeinen Ausſoͤhnung nur die Vertreibung des ehrſuͤchtigen 
Fremdlings fordern, der zwölf Jahre lang Europa verwirzte 
und vermwüflete. 

. Das Unternehmen war fihwierig; allein Dunn, Guns, 
Er#rr**, R##% fanden an der Spike des Conſells. Mas 
konnte man nicht mit Männern von fo ſeltnem Talente und 
einer fo furdtbaren Berühmtheit ausführen? *) 


Der Eine von ihnen hatte im Morben von Deutfchs 
land bewiefen, wie weit der Militär: Despotismug getrieben 
werben könne; bie Andern faunten, ald Veteranen der 
Demofratie, auf das Genauefte alle Neffourcen der 
Volks: Tyranney.. ie wufften aus Erfahrung, wie es 
einer Handvoll Empdrer allmählig gelinge, 
einer ganzen Nation Zaum und Gebiß anzule 
gen; welche Mittel man anwenden müffe, um ben großen 
Haufen zu demoralificen und zu verderben, um alle Begriffe 
untereinander zu werfen; alle Idee zu verwirren; ‚alle Prins 
zipien umzukehren; jedes Gefühl von Ehre, Gerechtigkeit 
und Redlichkeit zu erftiden, jede fittlihe und religidfe Re: 
gung in ihrem Keime zu jerfiören; die Tugend lächerlich zu 
machen, das Lafter zu vergöttern, und felbft das Dafeyn der 
Gottheit zum Problem umzuwandeln. — Dur ſolche 


*) Davouft, Fouché, Carnot und Movigo! Allerdings 
mächtige, vielverfprechende Stuͤtzen eines Throns; die Poli; 
til und Regierungkunſt bringen ja in der Negel nur Talent 
und Erfahrung, nicht die Moralität in Anſchlag! Es bes 
durfte wahrlich einer fo ſchlimmen, ganz verlornen Sache, 
wie die Napoleons nad feiner Nüdkehr von Elbe, um den 
Sturz einer, auf ein folhes (1?) en gegründeten, 
Regierung herbeyzufuͤhren. 


[4 


142 ) Gefdiäte der Verſchwoͤrung Buonaparte's 





Mittel war ed, vor zwey und zwanzig Jahren, ges 
lungen, einen Theil der Nation für eine chinärifhe Freyheit 
zu erwürgen, zu erfäufen’und mit Kartaͤtſchen zu zerfehinet: 
tern. Warum follte es durch diefelben Mittel nicht gelingen, 
eben biefe Nation gegen ganz Europa zu Verewigung "des. 
Desvotismus zu bewaffnen? Go hatten die Sanscälot- 
ten von 1793 Frankreich Robespierre’s wilder Pos 
pularität ‚preisgegeben, und fo hoffen fie, nachdem fie zu 
großen Herren geworden: in unfern Zagen es Buonazs 
parte’s Alles verſchlingendem Ehrgeize hinzuopfern, um 
ihm für die Schaͤtze, die er an-fie vergeubete, und für bie - 
Drdensbänder, mit denen er fie behängte, zu danken. 


Zu Ausführung diefes Plans beſtimmen fie ihn, ben ge: 
heiligten Vertrag, der die Loofe der Völker mit denen ihres 
Kürften verkettet, gu erneuen; d. h. Frankreich eine neue — 
eine liberale Konftitution zu geben. 


Wir wollen nicht unterfuhen, mit welchem Rechte ein 
Mann, der fih felbft keinen andern Titel, uns zu beherr⸗ 
ſchen, als eine durh Gewalt uns aufgezwungene Diktatur 
beylegt, ed wagen kann, fih als Geſetzgeber aufzuwerfen, 
uns eine Konſtitution vorzuſchreiben, und ſo den erhabenſten 
Beruf eines geſetzlichen Beherrſchers zu erfuͤllen? Wir wollen 
auch die Illegalitaͤt der Wahlverſammlungen, und die Bey: 
ſeitſetzung aller Formalitaͤten, welche die Guͤltigkeit eines 


ſolchen Staats-Vertrages bedingen, und deren Mangel bie 


Nichtigkeit aller Operationen nad fi zieht, und ihnen das 
Gepräge einer anticipirten Verwerfung aufdrüde, 
nit unterfuhen und beleuchten, 


Buonaparte Pennt, fo wenig er auch in ber Geſetz⸗ 
gebung bewandert ift, diefe Fundamental:Wahrheiten; allein 


‚er findet nöthig, feinen Anhang zu. verftärten, indem er uns 


ter feine Paniere alle unruhigen Köpfe und Demagogen vers 
fammelt, die unfre bürgerlichen Fehden überlebten. In dies, 


+ 


gegen Ludwig XVII. 143 








fer Abfiht bringt er alle Gemeinpläge und bie ganze, Phra- 
feologie , von denen einft unfre revolutionären Zribunen ers 
ſchallten, wieder empor, Seine Reden find mit. den Worten 
Freyheit, Gleihheit, Unabhängigkeit, dem ewigen 
Refrain der Empoͤrer, die die Menge aufzureizen fireben, 
verbrämt. Bey diefer Lofung erwachen alle Parteyen wieder; 
Seder glaubt in der neuen Konftitution eine Lodfpeife für 
feine Neigung, feine Prinzipien oder feine Kabfucht zu fine 
dern. Jetzt erblickt man wieder voll Schreden alle die Mens: 
fhen mit unheilfhwangern Larven, die einft unter dem pruns 
tenden Patrioten-Titel, während unfrer politifhen Stürme, 
das Staats: Ruder führten, und welche die ruͤckkehrende Ruhe 
wieder in ihre MWerkftätten gebannt hatte. Wilde Freude ers 
glänzt auf ihrer Stirne; fie ſchreiten, mit hochaufgeworfe⸗ 
nem Haupte, drohenden Blicks, und poͤbelhafte Schimpfre⸗ 
den auf der Zunge, einher; zum Wiederbeginnen eines ver⸗ 
ruchten Kampfes bereit, und den Ungluͤcks-Voͤgeln vergleich⸗ 
bar, die der Inſtinkt ihrer Gefraͤßigkeit ſchon zum Voraus 
in die Naͤhe des Schlachtfeldes verſammelt, welches zahlloſe 
Leichen dängen ſollen. 

Bon allen Seiten firdömen die Menfhen, die ihren 
Herd verlaffen hatten, um in ben Reihen unfrer Krieger der 
Strafe für vergangene Verbrechen zu entgehen, nad der 
Hauptſtadt. - Eine der Wöllerey und den zügellofeften Aus: ‘ 
ſchweifungen gewidmete Stätte wird ihr Verſammlungort. *) 





*) Das Cafe Montanfier im Palais⸗Royal; der Verſammlung⸗ 
ort aller feilen Schönen in diefem Palais, und in der Nach⸗ 
baribaft. , Es erihienen, während Napoleons furzer 
zwepten Regierung, mebrere Hefte von, Gelingen, weise 
jeden Abend in diefem illüftren Lokal eribalten, unter dem 
Titel; La Reunion des Braves. Die Gardes du Corps 
ftürmten, nad der zweyten Nüdkeht des Könige, in einer 
beldenmäthigen Aufwallung das verddere Cafe Montuns 
fier, und liefen den unihuldigen Kaffewisch ihre Wurh und 


1 


144 Geſchichte der Verſchwoͤrung Buomaparte’s 





Hier empfängt Buonaparte’s Buͤſte, wie einft jene 
Marats, mit der rothen Muͤtze geziert, die Lobreden be: 
trunkener Soldaten; hier wird Alles, was die empoͤrendſte 
Dbfchnität und die hoͤchſte Sittenlofigkeit am ſcheußlichen 
Prinzipien zu erzeugen vermögen, auf Prinzipien rebucirt, 
und, bey dem taufendflimmigen Gefhrey: E8 lebe ber 
Kaifer! in Kouplets abgefungen. Gerade fo lieffen an den 
Tagen des 2. und 3. Septembers, abſcheulichen Anden: 
tens, Ungeheuer mit menfhlihen Larven, während fie ihre 
Mitbürger erwärgten, den Ruf: E8 lebe die Nation! 
erſchallen. 

Selbſt jene, durch ihre redliche Meinung, durch ihre 
Uneigennuͤtzigkeit, und ihre ſtrengen Grundſaͤtze achtungwer⸗ 
then, immer getaͤuſchten und doch immer wieder leichtglau⸗ 
‚benden Männer, die zwanzig Jahre fang eine Republik er: 
träumten, und bdiefes Traumbild dur alle Anardien bins 
durch verfolgten, fühlten ihre Hoffnungen bey dem hoben 
Ruf der Freyheit, den Buonaparfe’s Trabantenſchaar 
anf ihrem Zuge erſchallen ließ, wieder erwaden; fie vergaf 
fen, dag Buonaparte der Feind der Frepbeit, 
der Mörder der Republik gewefen, und daß er zuerft 
die geheiligten Rechte, die wir ſo theuer errungen hatten, 
verlegte; fie vergaßen, daß Buonaparte, alder die Nas 
tional:Repräfentation zu Saint:Cloud zertruͤmmert, ebenfalls 
von Frepheit geforoden; fie vergaßen, daß gerade im Nas 
men der franzöfifgen Nepublif Buonaparte den. abfehen« 
lihften und fhreyendfien Despotismus, deffen Joch jemals 
auf dem Menſchengeſchlecht gelaftet, organifirte; fie vergafs 
fen, daß Buonaparte baranf ausging, alle Gefühle, 
die den Bürger an fein Vaterland Fetten, zu erſticken, das 
Licht der Givilifation auszuloͤſchen, und alle Zweige bes oͤf⸗ 

Ä fent⸗ 





Bravour durch Zertruͤmmerung aller Luͤſtres, Spiegel ıc. ıc. 
(der Schaden wird auf mehr als 30,000 Franken berechnet) 
empfinden, | 


gegen Ludwig XVII. 145 





fentlihen Unterrichts zu ertödten. Gie vergaßen, dag Buo: 
naparte alle liberalen Ideen verbannt, und die zerfid: 
rendften. Prihzipien des Despotismus in Büchern heiligte; 
die durch bie Befehle feiner Minifter zu Mafjifhen wurden; 
um den Unterricht unfrer Kinder an der Quelle zu vergiften, 
und um fie im Voraus an das fhimpflihe Zoch zu gewöhnen, 
bas er ben kommenden Geſchlechtern bereitete; fie vergaßen, 
daß, feit feiner Gelangung jur Kaiferkrone, ein niedriger 
und treulofer Senat ihm, glei einem neuen Min: 
taur, jedes Jahr die Blüte unſrer Fügend hingab, die man 
auf einen Verdacht einkerkerte, auf einen Wink erſchoß; daß 
die Staatsgefängniffe von Sdlachtopfern wimmelten, uͤber 
deren Loos zu entſcheiden den Tribunalen unterſagt war; um 
das Syſtem feiner abfheulihen Tyranney nit rudtbar wer: 
dei zu laſſen; ſie vergaßen endlich, daß der, untel beit. ei: 
ſernen Sceptet des Ufılrpatord fo unmenſchlich berbannte, 
ſuͤße Name Freyheit, nach zwoͤlf Jahren des Drucks 
und der Verzweiflung, nur nach der Thronbeſteigung 
unſers rechtmaͤßigen Herrſchers, Ludwig XVIII., wieder 
in unſre Ohren getoͤnt hatte: 

Alle diefe Thatſachen waren ber Volksmaſſe bekannt; 
aber gerade dieſe Maſſe muſſte getaͤuſcht werden, indem man 
ihr den Tyrannen, als von feinen Veritrungen zuruͤckgekom⸗ 
men, Als den Fuͤrſten ihrer Wahl ſchilderte; und ihn als den, 
jur Sicherung ihrer Unabhaͤngigkelt unentbehrlihen, Mann 
darftellte. Um dieſen Zwed zu erreihen, verfhmäht man 
Fein Mittel, und greift zu jeder Ausſchweifung. Die Thea⸗— 
ter werden in Ringbahnen, die öffentlihen Pläge in Sclacht⸗ 
felder umgeftaltet: Diefelben Menſchen, die dor Kurzem 
gegen einen mäßigen Lohn ihre Stimmen zum Geſchrey inter 
den Feuftern der Tuillerien verdungen hatten, durchziehen 
hum die Hauptftadt, fingen Tobeshpmnen und mißhandeln bie 
Bürger, die, durch ihr Schweigen, diefe empoͤrenden Sce⸗ 
‚nen zu mißbilligen (deinen. Zugleich kaumeln die Soldaten 

Europ, Annalen. ıtted Stuͤck. 1815: 10 


\ 


146 Geſchichte der Verſchwoͤrung Buonaparte's 
We —— 
nach ihren Orgien durch die Straßen, *) und zwingen, mit 
gezuͤckten Säbeln, Jeden, auf den fie flogen, mit ihnen den 
Namen des Kaifers zu heulen, deffen Buͤſte die Koryphaͤen 
des Haufens im Triumphe vor ihnen her tragen. Won nun 
an verfündigt Alles die Rückkehr jener befammernswerthen 
Zeiten, wo die franzöffge Nation, in zwen Parteyen ge: 
theilt, nur aus Opfern und Henkern befiand. **) 


— — — — 


*) Nach einer dieſer Orgien ſtuͤrmte ein Trupp von Unteroffiztes 
ren der kaiſerlichen Garde von der Theaterſeite in die 
- „ Wallerien des Palais⸗-⸗Royal; alle trugen brennende Fadeln. 
Sie umkreisten den Garten, und waren eben Im Begriff, in 
die Holzgallerten zu ftürgen, die fie unfehlbar angezünder has 
“pen würden, ‚hätte nicht der Muth des Buhhändlers Dens 
' tä, Grenadier in der eilften Legion der Nationalgarde, beis 
+ fen Magazin fi In dieſen Galerien. befindet, dieſes Unglüd 
abgewendet. — Der betrunfene Haufe ftieß ein wuͤthendes 
Geſchrey aus, und es gelang Dentä nur mit der unfäglichs 
ften Mühe, ihm zum Auslöfhen der Fadeln gu bewegen; 
mehrere warfen fie, noch brennend, in den geſcloſſnen Gar; 
ten — es war beynahe Mitternacht. 


>) Diele gut unterrichtete Parifer behaupten: eine gräßlice 
RKataſtrophe babe alle diefe Komplotte kroͤnen follen; alle 
Moyaliften ſollten erwürgt werden; der Plan dieſes Gemepels 
war mitten in der Hauptitadt entworfen, angelegt, und 
durch die Korpphäen jener ſcheußlichen Bachanale vorbereis 
, set... Während die beſſern Sranzojen ſich der nahen Hoffe 
nung, ihren gefeglihen Beherrfher wieder zu feben, bingas 
ben, fcliffen die neuen Septembrifeurs, durch die demago⸗ 
giſche Wuth einiger angeblichen Wolfs-Kepräfentanten aufs 
gereizt, ihre Dolce, und erwarteten ſchweigend den Beſehl, 
das Schlachten zu begirinen. Man erinnere fih, daß einer 
von Buonaparte’s Pairs laut und öffentlich erklärte, im 
‚ feinem unbedeutenden Departement ſeyen über achtzig Per⸗ 
ſonen, ohne Verhoͤr und geſetzliche Form, aus ihren Woh— 
uungen hinweggeſchleppt worden. — Aehnliche Maßregeln 
waren in den meiſten Departements genommen; allenthals 
ben. zeigten fi ſchaudererregende Vorboten einer nahen 





gegen Ludwig XVII. 14? 





Unerachtet aller diefer Maßregeln blieb die oͤffentliche 
Meinung in einet Art von Schlafſucht. Es war felbft zu 





N | 
Bartholomäus: Nacht. Die Liſten waren verfaſſt, die Hdus 
fer bezeichnet, bie Opfer auserſeben. Schon waren in vie 
len Städten, namentlih im Süden, einzelne Morde das 
Vorſpiel diefed Würgens geweien. Die Mopaliften waren 
dort fo in Echreden gefeßt, daß fie ed nicht wagen durften, 
fid an ihren Fenftern zu zeigen, ohne Beleidigufgen, Dros 
bungen, oder felbft Flintenſchuͤſſen ausgeſetzt zu ſeyn. Yu 
dieier Abſicht hatte man die Föderationen von Vorſtadt zu 
Vorſtadt, von Stadt zu Stadt, von Departement zu Des 
pärtement gebildet, um, wie man fagte, die ganze 
Wirthſchaft mit einem Male zu fäubern, oder, deut⸗ 
licher zu ſprechen, um fein Opfer entwifhen zu laſſen. Es 
fhien, als hätte die Hölle von 1793 ihre Echlünde geöff 
het, um alle ibre tevolutionären Teufel wieder uber Frank 
reich auszufenden. 

Sehr. verläffige Nabricten ſetzten die Ausführung des 
Komplötts auf wenige Tage nah der Abreile des Kaiſers 
feft, der auf einer leuten Promenade durch die Votſtadt 
St. Antoine, feinen getreuen Federes die Sorge, die 
Hatıptftadt zu reinigen, anempföhle hatte. Wirklich zeigte 
fih dub am andern Tage nach feiner Abreiſe in verſchled⸗ 
heit Stadtvierteln eine ungewöhnliche Bewegung. Die Säle 
ber Neftaurafeurs int Palais Moval, in den Tuillerien, im 
Jardin des Plantes ind Auf den Boulebards wimmelten 

von, auf balbem Sold ftehenden, Dffizieren, die ſich die 
Miene gaben, fich zufällig zu treffen, während Alles ein 
feht puͤnktlich verabredetes Stelldiheih andentete; Allent⸗ 
halben herrſchte bey diejen Schmauſereyen eine wilde Freus 
de; allenthalben wutde anf die Ausrottung der Royaliſten 
mit einer With und einen Einklange getrunken, die die 
Nachbarſchaft in Schreden ſetzten. Zu gleicher Feit bildes 

"te fi auf dem Platz Ludwig des XV., auf det Bow 
levard Bourdon, vor dem Jardin des Plantes ind vor dem 
Odeon bedentende Zuſammenrottungen. Das Cafe Mons 
tanfier erſchallte von demſelben Sehen und Geſchrey, wie 
die Säle der Reſtaurateurs. In der Mitternacht⸗Stunde 


. 


148 Geſchichte der Verſchwoͤrung Buonaparte's 


— te ———— ————0 0 0 0 00 
beſorgen, das durch glaͤnzende Verheißungen augenblicklich ge— 
blendete Volt möge, da deren Peine ſich realifirte, zu dem Ver: 
langen nad der glücklihen Ruhe, aus der man es geriffen hatte, 
zurüdfehren. Um. die Merlegenheit auf das Hoͤchſte zu ſtei— 
gern, waren auc die Abfihten des Königs und der Verbin: 
beten Fein Geheimniß mehr. Vergebens bemühten ſich die. 
Journale, deken wahren Sinn und Gehalt zu vergiften. 





verfammelte fi eine Menge von Menſchen in einem der 


Quadrate der Eliidifhen Felder. In gewiſſen Entfernuns 


gen waren. Vedetten ausgeſtellt, die mit gefhwungehen Sa 
bein, unter gräßlichen Fluͤchen, den verfpäteten Epaziergäns. 


. ger, der nach Haufe wanderse, verſcheuchten. Wahriheins 


J 


— 


lich ſollte im dieſen nächtlichen Zuſammenkuͤnften Tag und 


Stunde des allgemeinen Gemetzels feſtgeſeht werden; bie 


Brüder und Spießgeſellen in den Departements er; 
warteten nur Vefehl, um Hand anzulegen. Zu derfelben 
Zeit war in Paris im Stillen das Gerücht werbreitet, die 
Teberes follten die Wachthäufer fthrmen, und die Wuͤrgſcene 
mit der, Entwarnung der Nationalgarde. beginnen. . Gluͤcli— 
cherweiſe veranlaflten die Wachſamkeit der Poligen,, beſon⸗ 
ders aber die Erwartung der großen Ereigniſſe, die fib an 
den Ufern der Maas vorbereiteten, die Ausſetzung der Mord; 


ſeene bis zum 21. Junius. Die Vorſehung machte; die 


unerwartete Nüdfunft des Hanptes der böjen Motte, dad 
in ihrer Mitte Rettung und Sicherheit fuchte, hörte neuer: 


‚ dings ihre. Plane. Seine Abdanfung am andern Morgen 


und die Proflamirung feines Sohnes erheifchten andre Maß⸗ 


‚ regeln, die von den bepden Kammern gepräft und gebilligt 


werden muften; diefer Verzug rettete Paris. Don dieſem 
Augenblide wurden die Komplotte der Mörder und Plün: 
derer immer weiter hinaus vertagt, aber nie ganz aufge, 
geben, - 2 

Wem verdankt alſo Paris die Nettung des Lebens und des 
Eigenthums feiner Bürger? — Den raihen Märfchen der 
Verbuͤndeten, und der unermüdeten Wachfamfeit der, größs 
tentheild aus Familienvätern beftehenden, in ihrer Art ein 
zigen Nationalgarde. | . 


—“ gegen Ludwig XVIII.149 





Die Frechheit, mit- welcher fle die albernſten Nachrichten’ bei 
kannt machten, hätte ihnen alles Zutrauen entzogen; der 
Lefer nflegte gerade in dem Gegentheile ihrer Anga— 
ben die Wahrheit zu fuhen, "und oft zu finden. Diefer 
Wahrheit follte aber gerade der Zugang zum Wolke verfperrt 
werden. m diefer Abſicht organifirte man jenes Syſtem 
der Lüge und Hinterlift, von dem die ausgearteteſten Regie— 
rungen und nur eine ſchwache Idee gegeben hatten. - Unter 
allen Fournalen hatte der Moniteur allein einen Reſt von 
Scham in feinen Prinzivien behalten, in feinen politiſchen 
Angaben herrſchte weh ein Schatten von Wuhrheitliebe. *) 
Man erktärte ihm für nit mehr offiziell. #*) Won diefem 
Augenblicke an bieten alle öffentliben Blätter nur ein-ver- 
wirrtes Labyrinth von Nibernheiten und Widerfprüden dar, 
in dem auch nicht eine Wahrheit mehr zu finden ift. Alle 
Thatſachen find entftellt, verfiümmelt, die Daten verfaͤlſcht, 
die Rapporte verunfialter. Der Moniteur und andre Jour— 
nale werden, je nachdent fie in diefes oder jenes Departe: 
nıent verfendet werden follen, und nah bem Impuls, den 
man der Öffentliben Meinung geben will, doppelt und‘ 
drevyfach gebrudt. So verbreiter man im Süden: Ma: 
rie Louife fev mit fhrem Sohne zu Paris ein 
getroffen; ein zwanzigjähriger Friede gefhlof: 
fen; Pohlen fey im Aufruhr; Sachſen empört; 





”) Wahrlih ein fchlimmered Urtheit konnte der Derfaffer über 
den Meft der franzöfifben Journale nicht fällen, als, indem 
ee dem Monitenur nob einen Met von Sham und 
einen Schatten von Wahrheitliebe zugeftehtt! Risum 


tenealis eto, eio, 


**) Um fkhamlofer lügen und faliche Proftamationen, im Na⸗ 
men geachteter deutiher Staatsmänner, ſchmieden zu köns 
nen, ohne ald Geſetzgeber dem eignen Gode hohnſprechen 
zu muͤſſen, der die falsa mit Brandmarke und Galeere bes 
ſtraft!! 


‚150 Geſchichte der Verſchwoͤrung Buonavarte’s 








der Kaiſer von Rußland vom Senat zurüdbes 
rufen ac. Indeſſen erfährt man im Norden durd die Pa: 
rifer Journale: der Köntg von Spanien fey aud 
Maprid vertrieben; ganz Italien fiehe inWaf: 
fen; Mürat, im Begriff, fib mit unfrer Ar: 
mee. von Chambery zu vereinigen, habe einen 
vollftändigen Sieg über die Oeſtreicher erfod: 
ten, und.zwar — in bemfelben Augenblide, wg er ſchon 
befiegt, flüdhtig, ohne Hauptſtadt und ohne Armee yielleicht 
von feinen eignen Unterthanen die gerechte Strafe feiner Uns 
redlichkeit empfing. *) 

Allein vergebens pried man den Tyrannen und die 
Segnungen feiner Wiederkehr; er fühlte felbft, daß weder 
die Ergebenheit der Janitfharen feiner Garde, 
noch die Niedrigkeit der um ihn kriechenden Höflinge ibn der 
Kataſtrophe zu entziehen vermochte, die feinen Schwager, 
den Ufurpator der Krone Neapel, vom Throne geftürgt hatte, , 


t) Nur wenige Tage vor Napoleons lekter Ankunft zu Pas 
ris verkündeten Kanonendonner und lauter Jubel in allen 
Straßen den glänzenden Sieg bey Fleurus und die gänzliche 
Vernihtung der Preußen. — Ebden fo bezeichnete am 30, 
März v. 3. der Erfönig Jofepb, in einem öffentlichen und 
legten Anlage, die, Paris einſchließenden, 140,000 Mann 
als eine abgefchnittene, von dem Kaifer an der Spitze jet: 
ner fiegreihen Armee verfolgte, Kolonnd; wenige Stunden 
nachher entfloh der Keige, mit den Worten: ‚Meine Kin 
der, ich bleibe bep euch.“ 

Eben fo machte man, noch am Tage nah dem Einmarich 
der Verbündeten in Paris, in den Hauptftädten der benach⸗ 
hartem Departements ein offizielles Bulletin befaunt, in 
welchem die Einwohner aufgefordert wurden, in Maſſe nad 
Paris zu marfhiren, um die Niederlage der Alliirten zu 

. vollenden, die in der Ebene von Gaint-Denis 52,000 Mann 
Todte, und 40,000 Gefangene, mit dem Könige von 

Preußen in Perfon, verloren hätten! ! | 


gegen Lubwig XVIH. ; 151 





Er fühlte, daß er, um der Macht der Verbündeten mit Er: 
folg Widerftand zu leiften, fi die Zuneigung. aller Bürger: 
Plaffen gewinnen müffe. Alle aber, die an feinen fhändlichen 
Mäubereyen oder an feinen entehrenden Auszeihnungen Pei: 
nen Theil gehabt hatten, fahen mit Schreden die fyrannis 
ſchen Maßregeln, dur welche er fein wankendes Anfehen 
zu flügen fuchte, und ſeufzten insgeheim nah. der Ruͤckkehr 
zener Tage des Friedens und des Gluͤckes, bie fie, unter der 
zu kurzen Regierung Ludwig des Erfehnten genoffen 
hatten. Diefer Kontraft muſſte zernichtet werden ; ‚zu Erreis 
Kung dieſes Zweckes fügte man zu.der Lüge die Verlaͤumdung. 

Nie wurde das Schriftfteller-Gewerbe unmürdiger: ent: 
weiht, als in diefer Epoche; aber auch nie fah das Publikum 
Marer, welcher Niedrigkeit und melden Schmutzes eine Jour: 
naliften:Seele fähig fey. Die von der Regierung zum Lobe 
des. Ufurpators befolderen Zeitungfhreiber waren würdig, 
den beiten der Könige zu verläumben. Sie wären Sejans 
Knete gewefen ; fie mufften alfo Tibers Lobredner feym. 
Daß folbe Menſchen, fbon mit der allgemeinen Verachtung 
gebrandmarkt, fi durch. das Uebermaß ihrer Schande einen 
Namen zu erwerben fuchen, indem fie mit verruchter Kuͤhn⸗ 
heit Alles amtaften, was dem Menſchen das Heiligfte ift; fo 
etwas läfft fib begreifen; daß aber ein Staatsmann, ein 
Mann von Talent, der einer Sache abtrünnig geworben, 
für die er Tauſende von Bürgern auf das Blutgerüft gefen: 
bet, ed wage, bie Tribune der angebliden Pairs von Frank⸗ 
reich zu befteigen, und Öffentlih Gott, dad Vaterland und 
fein Gewiſſen zu befügen, indem er indireft Zudwig XVII. 
der Verſchleuderung der Staats Einkuͤnſte, der Unredlichkeit 
in Erfuͤllung ſeiner Verheißungen, der Unterſchlagung der 
Fonds der Hoſpizien und frommen Stiftungen ic. ıc. an: 
klagte — die Frechheit eines folden Rapvortes laͤhmt die 
Feder, befonderd wenn er im Namen eined Abenteurers ab: 
geftatter wird, der Europas Blur und Schäge verſchwendete, 


152 Gecchichte der Verſchwoͤrung Buonaparte's 

, — 
alle Verträge verlegte, jedes Eigenthum an fih rig, alte 
Religibnen verläugnete, alle Sittlichkeit erfiidte, und einem 
ehrwärdigen Greis, das erhabne Oberhaupt unfrer heiligen 
neigen. von Kerker zu Kerker ſchleppen ließ, 

Ich foreche hier. nit von den unanfländigen und pößeh 
Gaften Karritaturen, mit denen berfelbe Abenteurer unfre 
. Quays und Promenaben täglich bekleben laͤſſt — würbige 

Ausfluͤſſe eines abfheulihen Minifteriums und einer fittenlo: 
fen Regierung! *#) Die Elenden glauben Prinzen zu be 
ſchimpfen, deren Ahnen einft ber Stolz unfers Warerlandes 
waren, *#) und auf denen noch heute (2) alle feine Hoffnungen 
beruhen; blicken fie doch auf die Familie.des Ufurpators bin, 
betrachten fie die albernen Prinzen, die ſchamloſen Prinzef 
ſinnen, die er auf den Thron erhoben; fie haben ſelbſt im 
Königepurpur den. Ton und die. Gewohnheiten. ded Pöbels 
beybehalten! Mean fehe fie. im Innern ihrer Patäfte, zu 
dem Stolze der Emporkoͤmmlinge die Weichlichkeit der Höfe 
des Drients gefellend, ihre Würde uergeffen; alle’ Konve: 
nienzen unter die Süße treten; fih bie. Verachtung der Son: 
verains zuziehem, und. zum Gefrötte ihrer Völker. werben. 
Man blicke nach einer andern Seite hin; bort fieht- man ei 
ven ver Prinzen des von Buonapartey dertaicheren Hau⸗ 











Sollte der acht ropaliftiihe Verfaſſer eben fo kraͤftig vom 
den unflätigften aller Karrifaturen ſprechen, die feit der letz⸗ 
ten Rüdkebe Ludwig XVII. allenthalben das Auge und 
das Sartgefühl beleidigen? Wad würde er antworten, wenn 
man ihm unter der Reihe von Zerrbildern, durch welche 
eine feige Sudlergilde das Ungerhüm in Koth tritt, vor 
dem fie (kaum find es einige Wochen) ziiterte, die herrliche 
Idee anführt; den Marfhal Ney im Anus des Erxkaiſers 
den Violenduft fuhren zu laffen, während er zugleich dem 
, ge den Eid der. Treue Runge! — nil novi 


sub sole! 


*) Man fehe. bie Note ©. 13%. 


gegen Ludwig XVII. 153 


N 
ſes, gleich groß durch feinen Charakter und durch feinen Muth, 
ben Süden Frankreichs durchziehen, und unerachtet aller, 
rinmgs um ihn ber angezettelten, WVerräthereyen die Huldi— 
gungen und den Segen aller Franzoſen empfangen. Man 
ſehe zu Borbeaus die Tochter unfrer Könige, den Ruhm uud 
das Mufier ihres Geſchlechtes, durch die neuen Unfälle, die 
ihre Familie beftürmen, noch mehr veredelt; man fehe fie, 
dem Tyrannen und feinen Trabanten zum Troße, von einer 
unermeflliben Volksmenge umringt, die fih zu der Ehre, 
in ihrer Vertheidigung zu fierben, drängt; man höre fie, im 
ber Beſorgniß, franzoͤſiſches Blur zu vergießen, deren drin; 
genden Bitten widerfiveben, und fehe- fie, bey ihrem Sweis 
der aus :diefer intereffanten ‚Stadt, den weinenden Kaufen 
einen Theil ihrer Gewaͤnder, als ein-Unterpfand ihres Dans 
kes und ihrer nahen Rückkehr überlaffen! Niedrige Ver: 
laͤumder, wagt es nicht, fo ganz entgegengeſetzte Weſen un— 
ter ſich zu vergleichen, ſondern, wenn die Peſt des Hochver— 
raths und der Empörung im euren Herzen nicht jedes Gefühl 
pon Billigkeit erſtickt Hat, geftebt, daß, wenn auch leichte 
Fehler die glänzenden Eigenfhaften, melde zu -allen Zeiten 
die Bourbon verherrlichten, verdunkeln, diefe Fehler do 
im: Vergleich mit den ſchaͤndlichen Laflern, welche das Ge- 
{lebt eures Herrn und Gebieterd entehren, noch Tugen 
den ſind. J | ; 
- Der auffaltendfte Beweis für die gänzfihe Verkehrtheit 
feiner. Verwaltung ift der, feinen Miniftern ertheilte, Ber 
fehl, Jeder nach der Reihe die Regierung Ludwig XVII. 
. zu verläumden. Diefe fo kurze Regierung ift eine lebende 
Satpre auf alle feine Handlungen, ein an feinen Eingeweis 
den uagender Geyer; ein Fantom, das ihn mitten in feinem 
verbrecheriſchen Gluͤcke verfolgt und veinigt, und an dem alle 
Saukelfviele feiner liſtigen Politik ſcheitern. Wergebens 
tommandiren die Keinen Tyrannen, die er an die Spitze der 
Verwaltungen ftellte, ihre Untergebenen zum Enthufiasmus, 


154. Gefbicte der Verſchwoͤrung Buonaparte's 








und verfolgen mit niedriger Bitterkeit Alle, denen noch ein 
Gefuͤhl ihrer Wuͤrde geblieben; vergebens laͤſſt die Polizey 
alle Mauern von Paris mit Ausbruͤchen der veraͤchtlichſten 
Schmeicheley beſudeln, und Buonaparte's Buͤſte, wie 
einft jene Marats, durch den Poͤbel der Vorſtaͤdte im 
Triumph einhertragen; vergebens ſtoͤßt eine Schaar beſolde⸗ 
ter Tollhaͤusler jeden Morgen in die Trompete, den Ruhm 
und die Wunder ſeiner Regierung zu verkuͤndigen. Die 
Volksmeinung und der oͤffentliche Mißkredit vereitelte alle 
dieſe Kunſtgriffe; der aufſtehende Süden entraͤthſelte die Li: 
ge, und, drey bis vier durch die Intriguen und Scleichkuͤn⸗ 
ſte ſeiner Emiſſarien irregeleiteten, oder durch die Macht der 
Bajonette niedergedruͤckte Provinzen ausgenommen, beant⸗ 
wortet ganz Frankreich — lügenhaften — durch den 
Ausruf: 


——— vom Thron herab, er iſt das Erbe dei 
ned Herren!” 
(Tyran, descends du tröne et fais place & ton maltre.), 


+ Diefen Zuruf‘fürdtet der Tyrann; diefen muß er erflicen. 
Allenthalben werden dahin abzwedende Befehle ertheilt; 
die Eivilbehörden abgeſetzt, und an Männer vom Jahre 
1793 vergeben. Es ift feine Konfeription mehr; die ganze 
Bevölkerung foll zum Aufftand in Maffe gezwungen werden. 
Mobile Kolonnen durchſtreifen zu biefem Ende das Land, 
und fihleppen Alles, was die Waffen. tragen kann, mit fid 
hinweg. Alle Straßen wimmeln von Landleuten, die man 
vom Feldbau geriffen, und, gleich Herben Stladtvieh, nad 
der Graͤnze führt. Die Mütter, die das Schickſal ihrer 
Gatten theilen wollen, werden von den Gendarmen mit Kol: 
benſtoͤßen hinweggetrieben, und fterben von Ermübung und 
Schmerz in den Gräben der Landjirafen, ober aus Mangel 
und Verzweiflung, wenn fie bey ihrer Ruͤckkehr ihre Felder 
verwuͤſtet, ihre Worräthe geplündert, und ihre Hätten in 

En Truͤmmern finden. Alle Handlungen. der Regierung find 


gegen Zubwig XVIII. 15 








eben ſo viele Ungerechtigkeiten; alle ihre Maßregeln tragen 
das Gepraͤge der Willkuͤr und der Gewalt. 

Bald empfand auch die Hauptſtadt denſelben Druck und 
dieſelben Leiden; eine ungluͤckſchwangete Beſorgniß erhielt 
alle Herzen in Spannung, und jeden Tag drohte uns die 
woilde Freude der Soldaten irgend ein großes Ungluͤck. Schon 
waren von allen Eeiten-die Slammenbrände der Zwietracht in 
die Volksmaſſe gefhleubert, In einem folden Augenblicfe 
fordert man die Parifer-Vorftädte auf, fib nah dem Bey— 
fpiel mehrerer Departements zu föderiren. Im Jahr 
1793 hatte man Blutfäufer, in der Eigenfbaft von Pro: 
Fonfuln,; dahin gefendet, um den Sanskuͤllotiem und bie 
Freyheit zu predigen. Jetzt durdzogen fie dieſelben 
Männer, in Reichsgrafen umgefialter, um Untermwer: 
fung den Befehlen des Tyrannen, und Aufruhr gegen ihren 
rechtmäßigen Fürften zu proflamiren. Zu gleicher Zeit er: 
rihter man nllenthalben Kluͤbbs und Verfammlungen von 
Foöderirten, in denen man, unter bem Vorwand, die Un: 
abhängigkeit ver Nation zu vertheidigen, die arbeitende Klaffe 
aufreizt, um fie, im Nothfall, der Nationalgarde entgegen: 
zuftellen. Man gibt ihnen Mahlzeiten, und die Mittel, 
fi mitzutheilen und zu verftändigen; man bezeichnet im Vor: 
aus die Dpfer, die, im Fall eines Aufflandes, zuerft unter 
ihren Dolchen fterben folen, und theilt ihnen Waffen aus. *) 





*) Wenige Tage vor feinem Abgange zur Armee befah Buos 
naparte die Befeftigungen von Belleville, am denen die 
Föderirten arbeiteten, und ſprach zu ihnen die merkwuͤrdi⸗ 
gen Worte: „Wenn die Partier bey, den Gefahren des Bas 
„.terlandes einfhlummern, fo gebührt es euch, fie anfzus 
„wecken. Ich werde die dufern Feinde befämpfen; ihr ers 
„haltet Waren, und. bürgt -mic für jene, die ich zuruͤck⸗ 
„laſſe.“ — Bey einem andern Anlaß fagte er von der 
Hauptftadt: „Dieſe ausgeartete Stadt, .. neue — 
„lon un er werden.“ 


* 


156 Geſchichte ber Verſchwoͤrung Bionavarte’s 








Kest hört man in allen Stadtvierteln nur von Mighandiun- 
gen, Ausforderungen, und Gemaltthätigfeiten. jeder Gar 
tung. Die Art, die Hutſchleife oder: Hutfhnalle zn tragen, 
die Wahl der Blumen, *) ein. Wort, eine Gebärbe 
werden zum Signal der Aechtung. Der Bürger wird von 
feiner Arbeit, von feinem Gewerbe, feinem Haudel hinweg⸗ 
geriffen, um an ben Befefligungen ber Hauptſtadt zu arbei⸗ 
ten, **) während: verwüftende Raubhorden in deren Strafs 
fen das Panigr des Aufruhrs einbertragen, und in Drobuns 
gen ihrer nahen Zerſtoͤrung überfhäumen. In wenig Tagen 
find Unordnung und Verwirrung auf ihrem hoͤchſten Gipfel; 
alles Elend von 1793 ſtuͤrmt auf ung eier und. bas Schre⸗ 
ckens-Syſtem beginnt. 

Unter ſolchen Auſpizien gab und der Tyrann, ſtatt einer 
Konſtitution, einen Anhang zu unfern frübern 


’ 





Srundbefißer, Kaufleute, Künftler, Euch alle, deren Ders 
mögen Lockungen für die Habgier darbietet, Hatte er den 
Dolchen der Wuͤtenden, die er feine graue Armee (ar 
mee grise) nannte, geweiht! — War dies die Sprade 
eines Souverains oder eines Räuberhauptmanns ? 

*) Die Blumen fpielten oft in der Geſchichte eine bedeutende 
Nolle. Der rothen und meiffen Roſe floh in Eugland 
viel Blut; die Veilchen Fofteten Frankreich eine furchtbare 
Mderläffe; und noch nah der Müdfehr Ludwig XVII. 
murden die rothen und weiffen Nelken das Kofungzeis 
hen der Noyaliften und Yuonapartiften, und veranlaſſten 
viele blutige Scenen. . 

) Ein Kaufmann aus ber. ‚Rue Saint. Denis, der auf ben 
Buttes Saint- Ghaumont arbeitete, ruhte, von der Urbeit ers 
ſchoͤpft, aus. Gin Soldat von der kaiferliben Garde 
lud ihn zu einem Glaſe Branutwein ein. Der Nationalgarde 
ſchlug das Anerbieten höflich aus. „Ich fehe wohl, du 
bift ein Rovaliſt,“ ſchreyt der Soldat wüthend, und 
ſtoͤßt den Buͤrger in einen Graben, wo er einen Arm zer 
briht. Ein andrer Nationalgarde erhielt einen Saͤbelhieb. 


gegen Ludwig XVIII. 157 








Konftitutionen, die er hundertmal verlegte, und dann 
foͤrmlich zerſtoͤrte; eine unfoͤrmliche Kompilation, in die er 
einige Feudal-Einrichtungen verwebte, die, Frankreichs Schick— 
ſale zwey Kammern preisgeben, welche groͤßtentheils aus 
Maͤnnern beſtehen, die die Apoſtel der Anarchie oder 
bie Schildknappen des Despotismus geweſen, und 
gegenwaͤrtig, zwiſchen Verbrechen und Reue mitten inne ſte— 
hend, keinen Ruͤckblick in die Vergangenheit wagen duͤrfen, 
ohne vor der Zukunft zu zittern. 
Franzoſen, wollt ihr die Grundpfeiler kennen (lernen, 
auf denen Napoleon das Gebäude feiner furdtbaren 
Macht errichtete? Sie find:, 
Die Lüge, um das Volk irre zu leiten unb zu betrügen; 
Die. Verläumbung, um alle Handlungen ber legten 
Regierung anzufhwärzen; 
Die Gewalt, um ſich in feiner Uſarvatio⸗ zu erhalten; 
und endlich | 
Das Shredens: Syſtem, um die Gedanken, Se: 
fühle und Wuͤnſche aller wahren Franzofen zu erſticken. 
Zu Konfolidirung diefes Syſtems gab er ung, in feinem 
berüchtigten Manfelde,.eine läherlibe Parodie jener ers 
habnen Fever, durh welche unfre. Ahnherrn, die Franken, 
vor neun Zahrhunderten das Prinzip ihrer wilden Unabhän: 
gigkeit heiligten. Allein’; es ift allgemein bekannt, daß in 
diefen Berfarhmlungen die unbefchränftefte Freyheit hettſchte, 
und bey allen ihren Operationen vorwaltete, während hier 
Alles erzwungen und ungeſetzlich war. Jeder weiß, daß 
dieſe konſtitutionelle Akte nur das Werk einiger Empoͤrer war, 
daß der Ufurputor-felbft fie nadgefehen und Porrigirt hatte; 
dag Alle, die ſolche unterzeichneten, ober unterzeichnen lief: 
fen, feine Emiffarien oder Mitfduldigen find; daß die, wel: 
de fie außerdem acceptirten, es nur zur Rettung ihres Le— 
bens „ihres Vermögens oder ihrer Stelle gethan; und daß 
dieſe Adhaͤſion ihnen mis. einer Frechheit abgebzungen wurde, 


‘ 


a 


158 Gecchichte der Verſchwoͤrung Buonaparte's 
— — — — — — — — — 
die ſich nur bey den Werkzeugen oder Knechten der Tyranney 
finden lAjft. *) Ä 

Doch, was kümmern eitle Formen den Mann, ber ge: 
wohnt ift, alle Geſetze zu verlegen; was fümmert ihn der 
Wunſch des Volks? Menfhben fordert er; Blut will 


“er vergießen. Ganz Europa in Waffen umringt Frankreich; 


ihm allein gelten die Räftungen aller Maͤchte; er will 


"fi hinter die Nation verſtecken, fid hinter die Leihen feiner 


Untertbanen verfhanzen, und in der-allgemeinen Zerfiörung 
untergehen. | | | 

In diefer Abfiht geht er am ı2. Ju nius ab, um fid 
an die Spige feiner Armee zu ftellen. Sobald diefe Nach— 
richt zu Paris bekannt ward, erglänzt wieder ein Stral von 
Freude Auf jeder Stirne, ein Schein von Hoffnung daͤmmert 
wieder in allen Herzen auf; der Tag feiner Abreife iſt zwar 
Fein Feft; aber doch ein Tag der Ruhe. Kaum iſt er bey 
der Trupperltette angelangt, fo erzählt ung ein lügenhaftes 
Billetin von einer, alle Souverains von Europa beleidigen: 
den, Proflamation begleitet, in prunkenden Phrafen: Das 
Morden habe begonnen, und franzöfifhes Blut ſey mit det 
der Engländer und Preußen gefloſſen. Jetzt befteigt 





>) Man gibt die Zahl der Wotanten, welche dieſe Konftitiition 
acceptirten, auf 1,260,000 an. Man rechne von biefer Sums 
me die Voten der, blindlings gehorhenden, folglich des 
Stimmens unfähigen, Armee; jene der Beioldeten der Res 
giernng, denen than, im Falle der Weigerung, ganz unver⸗ 
hohlen mit dem Werlufte ihter Stellen drohte; jene der Ars 
beiter, die man in den Merkftätten, oder auf den Öffentlichen 
Plägen aufgeiff, und die doppelten oder ungültigen Boten ab; 
was wird dann aus der Einftimmigfeit det, im Namen 
einer Nation von 25 Milionen freymwillig abgegebenen, 
Noten, vor der man auf dem Mapfelde ſprach? Straften 
nicht die Infurreftionen im Werten und die Unruhen im SA 
deu diefe ſchamloſe Behauptung ſchon an und für ſich Rügen ? 


gegen. Ludwig XVIII. 159 





ein Repraͤſentant der Nation, nach der Ehre geizend, zuerſt 
die Wuͤrde ſeines Charakters, die geſunde Vernunft, und 
die Rechte der Menſchheit zu verletzen, die Tribune, und 
verlangt: man ſolle dem Tyrannen den Titel: Retter des 
Vaterlandes, zuerkennen, und zwar gerade in dam Aus 
genblide, wo er im Begriffe fiand, zu Erhaltung feines. 
Thrones das Blut feiner legten Vertheidiger zu vergießem. - 
Die Annalen des ſchimpflichſten Despotismus bieten Fein 
Beyfpiel einer. fo niederträhtigen Schmeicheley dar. *) 

Die Hauptftadt fah mit banger Erwartung einem großen 
Ereigniffe entgegen, als ein angeblih offizielles Schrei« 
ben uns einen, in den Ebenen von Fleurus erfochtenen, 
glänzenden Sieg’ verfündigte; fünfzigtaufend Gefan- 
gene und vierzig Kanonen waren das Refultat diefes Tas 
ges; die Engländer flohen, und man glaubte niht, daß 
die Preußen fih wieder fammeln könnten. Die 
ſes, obgleich angefhlagene und allenthalben im Ueberfluß 
verbreitete, Schreiben beruhigte keineswegs die-Beforgniffe 
des Volks ;.fondern ließ im Gegentheil vermuthen, daß ln: 
fre Armeen eine Niederlage erlitten hätten. Die Stille am 
andern Morgen vermehrte diefe Beforgniffe, und der folgens 
de Tag beftätigte fie in ihrem ganzen Umfang durh Bu o⸗ 
naparte’sd unerwartete Rüdtehr. Er war den Abend 
vorher um eilf Uhr angefommen, und brachte zuerft bie 
Nachricht von feiner unerhoͤrten Niederlage; er hatte zum 
Viertenmal feine ganz zu Grunde gerichtete alte Gar: 
be auf dem Schladtfelde verlaffen; feine ganze Artillerie 
und Bagage war in die Hände des Feindes gefallen; um das 
Maß der Unverfhämtheit zu füllen, ſchrieb er diefes Ereig- 
niß einem panifhen Schreden zu, während es, nah 





*) Ein andrer Energumene trug darauf an, alle getreue Unter 
thanen des Königs, mit ihren Ufcendenten und Des 
fesndenten, im die Acht zu erklären, 


i6o . Gefdicte ber Verſchwoͤrung Buonaparte’d 


dem Ausſpruch vieler Generale, das nothwenbige Refultat 
feiner unfeligen Unvorfichtigfeit und feiner verwegnen Uners 
fahrenheit war. *) 

Er war, im ©eleite der Kerntruppen, die ihn nah Ef: 
ba begleitet, und drey Monater fpäter wieder in bie Haupt⸗ 
ſtadt zurücigeführt hatten, abmarſchirt. Allein, ſchon hatte 
die Vorfehung das Ziel feiner verbrederifhen Erfolge bes 
zeichnet; der Todesengel barrte ſeiner in den. Ebenen von 
Fleurus, und mit ihm feiner auserwählten Schaar und aller 
der berühmten Tapfern, die, zehn Jahre lang, die Stügen 
feines Throns geweſen, und alle Thronen Europas. erfhüts 
tert. hatten. Sie ftarben dort, went auch. nicht den Tod 
der Helden, bob den Zod der Tapfernz jeder Ein 
zeine hätte ein Denkmal feines Ruhms verdient, wären jie 
für eine beffere Sade gefallen. In dem ganzen Heere fand 





ſich nur ein Zeiger. — der Mann, für den fie ſich opferten, 


und der -fie verließ. Ein Bourbon.bätt? diefe beweinende 
werthe erhabene Treue und Hingebung mit feinen Blute ers 
faul ber König felbft ehrte ſie durch feine Thränen, indem 

er 


*) Mehrere Korps der kaiferlichen Garde lieferten an 
dieſem furchtbaren ‚Tage Büge heldenmüthiger Verzweif 
lung, wie deren bie Geſchichte wenige aufzuweiſen hat 
Einem moͤrderiſchen Kartaͤtſchen⸗Feuer ausgeſetzt, das ganze 
Glieder uiederfiredte, ergaͤnzten ſich die Luͤcken mit einer 
bewunderns werthen Ordnung; die nachruͤckenden Korps trotz⸗ 
ten dem Tode mit gleicher Unerfhrödenbeit, wie ihre ges 
falnen Kametaden, duf deren Leichen fie ein gleiches Loos 
erwartete. Vergebens tuft ein engliicher Seretal ihnen zur, 

— ſich zu etgeden; er erhält Feine Antwörti” Das Gemepel 
7 Dauert fort; ganze Quarrés verſchwinden. Der Engländer 
wiederholt feine Aufforderung, und veriprict, fie mit aller, 
‚ihrer Bravour gebührenden, Achtung zu behandeln; „bie 

— Garde firbe, aber ergibt fich nicht,“ war die Unts 
"ort. Zu gleicher Zeit machen fie Kehrt, und ſchleßen fid 
wechſelſeitig ‚nieder, sum nicht von Feindes Hand zu fterben ! 


gegen Ludwig XVIH. IöL 





er in überfirömendem bittrem Gefühle ausrief: „Es was 
ren Sranzofen; es waren meine Kinder; hätten, 
fie für ihr Vaterland gefochten, ich wire in ih— 
rer Mitte geftorben!” *) 

Was that dagegen der Ufurpator? - Er war dem Tiger 
zu vergleichen, der feinen Raub nicht verfhlingen Fonnte. Er 
kommt mit wutherfülltem Herzen allein zuruͤck; feine Klage 
kommt über feine Lippen ; Peine Thräne benest feine Wange. 
Er kehrt zurüd, nicht um die feiner Ehrſucht und feinem Un: - 
verfiand geopferten Tapfern zu bemweinen; fondern um die 
beyden Kammern aufzulöfen, neue Opfer zu fammeln, und 
feine niedergelegte Diktatur wieder an fi zu reißen. Gluͤck⸗ 
licherweiſe wird fein Vorhaben ruhtbar, und, gezwungen; 
ber Nothwendigkeit zu weihen, entfagt er zum Zweptenmale 
einer Macht, bie er nur zu lange zum Unglüd Srentreige 
und Europas gemißbraucht hatte: 

So endigte die volitifche Laufbahn des berüchtigten Aben⸗ 
_teurers, den unfre bürgerlien Zwiftigfeiten, glüdlihe Sie⸗ 
.ge, und die Berechnungen einer zügellofen Ehrfucht allmaͤh— 
lig auf den ſchoͤnſten Thron der Welt erhoben hatten. Ein 
unternehmender Charakter, Neuerungfuht, und jene prah⸗ 
lende, fentenzenreihe Suade, die. dem Soldaten imponirt;, 
hatten feine erfien Schritte in der Waffenbahn mit Glanz. er: 
füllt. -Bald bezeichneten ihn feine, durd einige Erfolge; be: 
legten, militärifhen Kenntniffe dem Direktorium als ‚eine 
der wirkfamften-Stüßen feiner Macht, und erhuben ihn bald 
nachher zu der hoͤchſten Würde in der Armee. Auf biefe Höhe 
gelangt, verliert er.den hoͤchſten Gipfel. der Macht nicht auf: 
fer Hugen; überzeugt, daß er nur auf diefem Standpunkte 
die Wunder vollbringen fönne, zu denen ihn das Schickſal 
auserſehen. Zranfreih, in diefem Zeitpunfte _ eine 


- *) Ein folder - — am 20. Maͤrz haͤtte vieles * 
erſpart! 
Europ, Annalen, zıttd Stuͤck. 1515. 11 


| 162 ’ Geſchichte der Verſchwoͤrung Buonaparte's 


— ——— 





Regierung ausgeſogen, die weder das Talent, ſich Liebe zu 
erwerben, noch die Mittel, ſich furchtbar zu machen, beſaß, 
ſcheint ihm eine um ſo leichter zu erhaſchende Beute, da, in 
der Ferne und über kaum gekannte Nationen, erfochtene 
Siege den Ruhm feiner Waffenthaten übertrieben vergrößert 
und die Neigung des Volks und der Armee für ihn verbop: 
velt hatten. Von diefer Stimmung unterrichtet, verläfft er 
Afrika's Küften, und erfheint, nac feiner Entweikung von 
einer Armee, die er allen Entbehrungen zum Raube über: 


Aaſſt, in.unfrer Mitte ald der einzige Mann, der unfrer un: 


gluͤcklichen Lage abhelfen kann; aber bald zerträmmert er, 
‚unter demt Worwande, die Regierung, derer feine Erhebung 
serbankte, fefter zu gründen, deren ganzes. Getriebe, und 
bemaͤchtigt ſich felbft, mit offner Gewalt, ver hoͤchſten Matt. 
Kaum hat. er diefes Ziel errungen, fo kennt feine Ehrſucht 
feine Schranfen mehr; er glaubt fih den Mann des Ver: 
hängniffes; den Mann, dem der Ruhm, Europa umzuge: 
falten, vorbehalten ift. Bon diefem Augenblic an finnt er 
nur auf Krieg und Verwuͤſtung; durch den Krieg iſt er ge: 


‚ fiegen; dur ihn will er fü behaupten. Den Raub ber 


Nachbarvolker beſtimmt er zum Lohne feiner Feldherrn. Aus 
‚Stolz und Intereffe , jedes Erblihfeit: Prinziv der Souve: 
rains anfeinbend,. will er alle Dynaftien flürzen, um die fei: 
nigen zu befeftigen. Allen alten Adel hoͤhniſch verachtend, 
erſchafft er neue Einrichtungen nur im der. Abfiht, bie Unge: 
wißheit feiner eignen Abkunft zu bemänteln. Eben fo ver: 
ſtellungvoll, aber weniger tiefblidend als Krommell, 
wollte er, nad deffen Beyfpiele, durch den Prunk oͤffentlicher 
Dentmale das Elend des Volks und bie Verbrechen feiner 
:Mfurpation zudeden; wie er, durch eine liſtige Politik gelei: 
tet, forgte er, felbft bey den unbedeutendſten WBerträgen, 
für einen Ausweg der Unredlichkeit. Er fpielte mit den Mo: 
ral- Prinzipien und mit ben beiligften Lehrfägen der Religion, 
und achtete, weder an Redlichkeit der Männer, noch au Tu 


gegen Ludwig XVIM. 163 








‚gend der Weiber glaubend, Beydenur.infofern,, ale fie fei: 
nen wolläftigen Freuden dienen fonnten; er verfchleuderte die 
Schaͤtze und das Blut feiner Unterthanen, wie durch Gewalt 
errungene, und frühe oder fpät ihrem rechtmäßigen Herrn 
wieder zu erflattende Güter, und vereinigte, auf alle at: 
tungen bes Ruhms eiferfühtig, aber jenen der Waffen un: 
bedingt vorziehend, weil diefe allein feinem Throne einigen 
Beftand zu fihern vermodten, in feiner Perfon einige 
der Tugenden; aber dagegen beynahe alle Lafter der 
Männer, die auf der Weltbühne eine große Rolle gefpielt 
haben. 2 
— So wurde er, wie Karl XII., von Eroberungfuht, 
und wie Alerander, von dem, mit allen gigantifhen Un: 
ternehmungen verknüpften, Ruhme verzehrt; hatte aber in 
‚großen Gefahren weder die ruhige Kälte des Erftern, 
noch den edlen Ungeftüm des Letztern. Graufam aus 
‚Sharafter, und abergläubifh aus Schwaͤche, vereinigte er 
in feinen Kriegszüägen die Popularität des Marins mit 
Spylias prunfender Verſchwendung, und oft die wilde Ge: 
fühllofigkeit Beyder mit Caͤſars reißender Xhätigfeit, ob: 
‚ne von dieſem Legtern irgend Etwas, außer feinem 
Ehrgeize, zu befigen, und ohne eine der Tugenden, die den 
Namen des großen Pompejus verewigten; allein er 
übertraf alle ebengenannten Feldherrn an Verkehrtheit ber 
»Grundfäge, und an dem Geiſte der Entartung und der Raub: 
ſucht, den er enblich. der ganzen Armee mitzutheilen gewuſſt 
hatte. Nie verftand ein General beffer, dem Soldaten einen 
blinden Gehorfam gegen feine Befehle und eine unbedingte 
Anhaͤnglichkeit an feine Perfon einzuflögen, und doc trieb nie 
felbft ein ſchlichter Partey:Chef die Sorglofigkeit und den Man: 
gel an Umſicht für alle Bedürfniffe feiner Armee weiter, als 
er. Er befihräntte fib auf die Entwerfung bes Plans eines 
Feldzuges, ohne die Schwierigkeiten der Ausführung zu bes 
zehnen, und überließ feinem Geſtirne, die Begebenheiten 


” 


1 


164 Geſch. d. Verſchw. Buonaparte's gegen Ludwig XxVviii. 


zu lenken; ſeiner Armee, den Sieg zu feſſeln. Allein im 
Drange der Gefahr gab er dieſe auf, und-war ſtets gefchid: 
ter, ſich neue Huͤlſquellen zu öffnen, als die ihm vom Sid: 
fal übrig geläffnen zu benußen. Er war ein ungewöhnlicher 
Mann, weriger dur die Talente, die er auf dem Thron 
entfaltete, als durch den bevfpiellofen Wechfel, der feine 
Regierung bezeichnete; durch feine ausgezeichneten Reſſour— 
cen, durch die unerhörte Tapferkeit feiner Truppen, durch 
den Glanz feiner Siege, und endlich durch feine erlittenen 
" Niederlagen und dur die Summe von Ungluͤck, die er für 
unfer Vaterland herbeyführte. 

Dies ift das Gemählde des ehrſuͤchtigen Fremdlings, 
den Parteygeift und Verrath einen Augenblick *) auf be 
Thron von Frankreich erhuben, und deffen Name-bald, alles 

feines trägerifhen Glanzes entPleider, dem Abfhen und dem 
Fluche kommender Jahrhunderte preisgegeben feyn wird. Ei: 
ne große und ſchreckliche Lehre füralle Völker der. Erde, bie, 
der Meuerungfucht fröhnend, das Gluͤck ihres Landes anders, 
als in der Sffentlihen Sittlichkeit und unter der Aegide ihrer 
gefeglihen Herrſcher ſuchen möchten. 

Lafft ung dem guten Ludwig, unferm rechtmaͤßigen, 
unſerm fonftitutionellen Könige entgegeneilen, und,die Neue 
der Schuldigen zugleich mit den Wünfchen feines fo unwürdig 
verläumdeten Volks zu feinen Füßen niederlegen. So ver: 
mögen die Sünder und Irrenden, die das Vaterherz des Kö: 
nigs betrübten, und feine geheiligte Perſon mit Beleidigun— 
gen und Drangfalen überhäuften, die Achtung ihrer Mitbürs 
ger wieder zu erringen, und ihr Heil in der unerſchoͤpflichen 
Milde des Vaters des Vaterland zu finden. 

Paris, 30. Junius 1815. 





*) Weld’ ein langer, inhaltihwerer, furdtbater, folgenreicher 
Augenblichß 


165 





4 r 
Frankreichs Zuftand unter Napoleons 
Regierung. 


j 
(Beſchluß dei im Decemberheft 1314 abgebrachenen Auffaged.) 


XV. Finanzen. 

Unfre Finanzen, deren Unordnungen fo vielfachen Ans 
theil an unfern Revolutionen gehabt haben, gleiben emem 
mit pomphaften Inſchriften verfehenen Gebäude, deffen In: 
neres dem Auge nur Elend und Verwuͤſtung barbietet. Bey 
Buonaparte’s Thronbefteigung trieb man viel Gepränge- 
mit ſtatiſtiſchen Floskeln; man kuͤndigte große Anfihten von 
Berbefferungen an, und erfihöpfte fih auch wirklich bis zum 
berühmten Budget 1813 in Lobſpruͤchen über die Vortrefflich- 
feit unfers Syſtems, und die Vorzüge, die es über die Fi— 
‚nanzfvfteme aller benachbarten Staaten erheben follten. 

Die Wahrheit ift, daß eine, jedes Jahe erhöhte und 
endlich ganz unverhältnigmäßig gewordene Auflage, fo wie 
die Merhode, täglich alle erfolgte Verfprehungen zu brechen, 
die gemöhnlihen Grundlagen unfere Finanzſyſtems gewe— 
fen find. | 

Bey der Einführung der Zaren dachte man niemals am 
die Erhaltung des Grundvermoͤgens der Nation; man beruͤck— 
ſichtigte blos, ob die Auftagen einen reichlichen Ertrag abwer: 
fen önnten. Lange Zeit hindurch verſprach man jedes Jahr | 
eine große Reduktion der Orundftener; im Jahr 1817 kuͤn— 
digte man fogar der gefeßgebenden Behörde eine Verminde: 
rung von zehn Millionen an; allein in demfelben Augenblick 
erhöhte man bie Jufagcentimen um dreyßig vom Hundert, 
ſo daß das erwähnte Verfprehen eime wahre Satyre war. 


> 


166 Frankreichs Zuftand 


Die Feftfegung des Betrages der Grundfteuer erfolgte nad 
ganz desvotifhen Grundfägen. Die Steuer: Direktoren 
befimmten ganz allein, und ohne alle Zuziehung der Steuer: 
pflihtigen, den individuellen Austheiler. Es ift bekannt, 
wie viele Disfuffionen dieſer Verwaltung: Zweig der öffent: 
liben Einkünfte unter der Regierung unfrer Könige veran: 
lafft hatte, wie viele Verfuche angeftellt worben waren, um 
die Unterthanen bey Feftfegung und Vertheilung der direkten 
Auflagen zu Rathe zu ziehen. Unter Napoleons Regie: 
rung wurde bey diefer Abgabe ganz despotifch verfahren. Die 
Devartemental: Verwaltungen hatten bey biefem Gegenijtand 
alle Mitwirkung verloren’; bie Praͤfekten felbft erfüllten das 
bey nur einige Formalitäten, fo daß Alles von dem Minifter 
und ben von ihm erwählten Beamten abhing. 

Der von jedem Öteuerpflihtigen zu entrihtende Antheil 
wurde immerfort abgeändert, und gewöhnlich jedes Jahr er: 
hoͤht. Man hatte dem Wolf eine. unveränterlie Auflage 
verſprochen; wir erhielten dafür eine Abgabe, die durch ihre. 
BVeränderlichfeit eine wahre Quelle von Unterdrüdfung wurde. 
Die Haupturfahe davon lag in der Beſtimmung der Zuſatz⸗ 
censimen, bie jedes Jahr, angeblih wegen Lofalausgaben, 
erhöht wurden, allein in den Öffentlihen Schatz floffen, fo 
daß die Regierung biefelben immerfort zu vermehren Ins 
tereffe hatte, und doch dabey der Nation vorfpiegelte, daß: 
bie vorzüglicfte Auflage ſtets diefelbe bliebe. Dieſes Ber: 
fahren war um fo leiter, je weniger Kenntniß die Bürger 
von der Verwendungart biefer Zufagcentimen hatten, die 
man forgfam mit einem undurchdringlichen Schleyer bededte. 

Einer der obern Beamten des öffentliden Schages bat 
mic. verfihert, daß ber Betrag dieſer Zufagcentimen fi im 
Jahr 1811 auf eine Summe von hundert und zwanzig Mil: 
lionen belief, ohne die Summen. zu rechnen, die von ben: 
Praͤfekten für die Departemental: Ausgaben zurädbehalten 
wurben. . 


* 





unter Napoleons Regierung. 167 





Man hat uns Hoffnung zu bedeutenden Verbefferungen 
in dem Spftem der Grundfteuer dur die Einführung eines 
allgemeinen Kadaſters, vermittelft der Ausbefferung und Ab: 
ſchaͤtzung alles Grundeigenthbums, gemadt. Allein diefe ries 
fenhafte Operation, bie den Grunbeigenthämern jährlich eis 
nige Millionen Poftet, iſt nicht nothwendig, um zu einer 
gewiffen Thätigfeit zu gelangen. Denn felbft in den bereitd 
Fadaftrirten Provinzen beklagt man ſich ſchon feit lange her 
über die Ungleichheit der Grundſteuer. Der Grundfaß, das 
Quotum des Einzelnen wegen Verbefferung der Kultur zu 
erhöhen, benimmt Vielen den Muth, folde Verbefferungen 
zu unternehmen. Es ſcheint, daß das unüberfteiglibe Hin: 
dernig in den Grundlagen der Abgaben felbft liegt. Diefe 
ift zugleich Revartition-Abgabe, weil vorm Anfang ‚an jedes 
Departement für eine gewiffe Summe angelegt wurde, was 
noch jedes Jahr gefbieht, und Duantums: Auflage, indem der 
Steuerpfliotige den vierten bis fünften Theil des Ertrags 
von feinem Grundſtuͤck entrichten fol. Allein wie iſt es mög: 
lich, in der Praris zwey Grundlagen zu verbinden, bie fid 
gegenfeitig ausfhließen? Wie Fann man fich verfibern, daß 
die vereinigten Quantums der Einzelnen die begehrte Sunme 
auswerfen follen? Bey der Unmöglichkeit, dieſe beyden 
Grundlagen in Einklang zu fegen, läfft man eine berfelben 
fallen, und dies iſt dann zuverläffig nicht diejenige, nad wel: 
her die für das Departement angelegte Summe in den öffent: 
lichen Schat fließen‘ fol. | 

Ueberhaupt find die vormals in Frankreich beftandenen 
direften Auflagen, Tailles und Vingtieme genannt, feit ber 
Revolution dur neue Abgaben erfegt worden, die im Grunde 
gut ausgedacht waren, aber in der Ausführung durch unvolk 
Händige Kenntnig der Vorbilder, die man dabey zum Mu— 
fter nahm, nur ungewiffe Refultate geben konnten. Do 
wird es nicht ſchwer feyn, auch dieſen Gegenftand auf bie 
wahren Grundfäge zurüczuführen, wenn man denfelben ein: 


168 Frankreichs Zuftand 








mal. öffentlich debattirem, und die Unterthanen an der Ver⸗ 
theilung ſelbſt Antheil nehmen laͤſſt. 

Bey den indirekten Steuern iſt Alles ungeheuer über 
trieben worden. : Schon feit lange her hatdie Verminderung . 
des Ertrags derfelben die Ueberſpannung der Tarifd bewährt. 
Nichtsdeſtoweniger fol Napoleon den Direktoren diefes 
Zweigs der Öffentlihen Einfünfte Befehl ertheilt haben, bie 
indireften Auflagen zu verboppeln. Der Betrag der Mauth- 
gebühren muß vor alien Dingen vermindert werden. Diefe 
gleichen jegt eher den Plafereyen eines habfüchtigen Paſcha, 
als den für eine weiſe Regierung beſtimmten Einkünften, 
Diefe Mautbgebühren Finnen und follen den Zwed haben, 
die Kontrebande nicht zu begünffigen, ‚und ben Eins 
wohnern nicht Gegenftände zu entziehen, auf die fie einen 
gewiffen Werth fenen. Dabey darf aber nicht durch allzu: 
große Nachſicht die Induftrie des gerechten Schutzes beraubt 
werden, ben fie zu erwarten berechtigt ift. 

.... Oanz Frankreich hat feine Stimme. gegen bie fogenann: 
ten vereinigten Gebühren (droits reunis) erhoben, und den: 
noch war es den Repräfentanten des Volks niemals möglich, 
die allgemeinen Beſchwerden gegen diefe Abgabe laut werden 
zu laffen, oder doch wenigftens bey den drüdenden Formali— 

täten, welde die Einnahme berfelben garantiren follten, 
mehr Mäßigung zu erhalten. Wie hätte diefes auch geſche— 
ben follen? Iſt denn der gefeggebenden Behörde unter Bo: 
naparte jemals geflattet worden, über die Einfünfte und 
Ausgaben des Staats irgend eine Diskuſſion anzuftellen ? 

Man darf nur, um fih von dem wahren Hergang der Dinge 
ben diefer Gelegenheit zu unterrichten, das fogenannte Bub: 
getgefes im Moniteur ‚oder im Gefegbulletin nachſchlagen. 
Die gefeggebende Behörde hätte in zwey bis drey Tagen die 
‚ Einführung neuer Auflagen, die Erhöhung alter Abgaben, 
den Austheiler der Ausgaben, die! proniforifhen Kredite: 
Seftfegungen, die gewoͤhnlich vier Fünftheile des Budgets 


unter Napoleons Negierung. 169 





erfchöpften, disfutiren müffen. Jeder diefer Artikel war in 
wenig Zeilen vorgefhlagen , und bennod ‚hätte jeder große 
“ Beylagen und lange Tage von Disfufjionen erfordert. Man 
veractete diefe Behörde fo fehr, daß der Minifter Mole 
in feiner befüchtigten Darftellung des Budgets von 1813 ſich 
nicht ſcheute, zu erklären: „man habe nit nöthig, die Aufs 
lagen zu erhöhen; Frankreich habe ein fo wohlgeordnetes Fi: 
nanzſyſtem, daß ‚man keiner Vermehrung der Abgaben be: 
duͤrfe, und nur die Tarifs zu erhöhen brauche.“ — Go 
war alſo zum Beyfpiel die Maßregel, die auf den Wein ge: 
- legte Abgabe in Paris von 30 auf 50 Franks zu feßen, Peine 
Dermehrung der Abgaben. In der nämlihen Rede fagte 
biefer junge und würbdige Zögling (Mole) des Schriftfiel- 
lers, der feit zmölf Jahren ex professo zu Gunften dee 
Despstismus fhreibt — bes Hrn. von Bonald — um 
den ſchaͤndlichen Banfrott in Anſehung der, von St. Domin- 
gue aus, von den Agentem der-Regierung gezogenen Wecfel 
zu rechtfertigen, „Bein Verwalter in den Kolanien fey berech— 
tigt, Wechſel auf ben oͤffentlichen Schag zu ziehen; der 
Schatz fey'nur ſchuldig, diejenigen zu bezahlen, die ex accep: 
tirt habe;“ — zwey Meinungen, die man nit ohne Kum— 
mer: von einent Suftiz:Minifter und einem Finanz: Verwalter 
hören fonnte. In demfelben Sinn fagte ein Redner derfel: 
ben Schule bey Gelegenheit des Senatus:Konfults, das bie 
noch nicht ausgeftoßnen Glieder des Tribunats mit denen des 
gefeßgebenden Korps zuſammenſchmolz: „die beyden Behoͤr—⸗ 
ben hätten nicht: aufgehört. zu eriftiren, indem beyde nuns 
mehr vereinigt ſeyen.“ 
Einer von den Zweigen unfrer Finanzen, den Napo— 
leons Regierung in die größte Unordnung gebracht hat, 
iſt die Ausgabe. Niemals hat man eine Nation mehr, ale 
unter Napokeon, durch Aufftellung von fogenannten abge: 
legten Rechnungen geblendet, und dennoch bradten ed am 
Ende die Minifter dahin, ihm gegen diefelben eben fo viel 


170 Frankreichs Zuftand 





Abſcheu einzuflößen, als vormals der koͤniglichen Regierung 
gegen Neders berühmte Rechnungen. Bon nun an ließ 
gr Feine Gelegenheit vorbey gehen, wo er nit Beweife gab, 
wie fehr ihm jede Öffentlihe Rechnungablegung verhafft war. 
Und nichts defto weniger waren alle diefe öffentlihe Rechnun⸗ 
gen nichts weiter, ald eine ununterbrochene Reihe von offis 
ziellen Lügen. eine Regierung hatte mit der Theorie der 
Rücftände begonnen, die vom Direfrorium berrühren folk 
ten. Diefe Theorie war zu bequem, als daß er darauf haͤtte 
Verzicht Seiften wollen. Alles, was man nicht bezahlte, 
ward angefehen, ald fey es nicht ſchuldig, fo dag die Rechnun⸗ 
gen von Ausgabe und Eirmahme fi Immer das Gleichgewicht 
hielten und ganz herrlich zufammenpafften. Man war .ganz 
erfiaunt, einige Jahre nachher wieder Ausgaben erfiheinen 
zu fehen, die in Jahren gemacht: waren, wo, nad wieberbol: 
ten Erflärungen, Alles geſchloſſen und’ beendigt war. Man 
hielt ſich ganz firenge an die Werfähiedenheit der Summen 
und der Ausgaben: Klaffen, der beyden wefentliden Werk: 
zeuge diefes Syſtems. Wenn man nicht bezahlen wollte, 
beantwortete man die gerechtefte Forderung damit, daß ıman 
fagte: „die Fonde für diefe Klaffe find erfhöpft; wir haben 
„fein Geld mehr für diefe Ausgabe.” Man kann leicht 
denken, wie fehr eine ſolche Antwort einen Gläubiger befrie: 
digen muffte, ber auf die Bezahlung rechnete, und fih auf 
diefe Weife abgewiefen ſah. — Diefe Eintheilung der Aus 
gaben in Klaſſen und dieſe Unterfheidung der Fonds, die 
wir England abgeborgt haben; wurden unter Buonapar 
te's Regierung ein wahres Mittel, ſich die Staatsgläubiger 
vom Halfe zu fhaffen. Kann man begreifen, daß, da es ber 
Regierung eines Staats beliebt Hat, ihre Ausgaben in ver 
ſchiedene Klaffen zu vertheilen, jede Klaffe eine gewiffe be: 
ſchraͤnkte Summe zuzütheilen, von jeder befondere Einnahme- 
und Ausgabe-Regifter zu halten, diefe Buchhaltung und 
Rechnungfuͤhrung als Vorwand zur Abweiſung der Gläubk 


unter Napoleons Regierung. 171 








ger dienen fönnen? Ein Privatmann, der feinem Gläus 
biger eine ſolche Antwort gäbe, würde ausgelacht. Und ben: 
noch iſt dies das Syſtem, das feit dem abtzehnten Brumaire 
(1799) bei uns angenommen und als eine der fhönften Er: 
findungen der nenern Zeit gepriefen worden ift. 

Die Beamten, die nad diefem Syſtem verwalteten, bes 
Iuftigten ſtch unter fih darüber, wie vormals die Auguren im 
alten Rom. Herr Defermont war der vorzüglichfte Die: 
ner diefes neuen Kultus, den man dem Bankrott errichtet 
batte, und ber in unferer offiziellen Sprade den Namen 
‚Liquidation‘ erhielt, feitdem der befagte Herr Defer: 
mont zum Generalstiquidator ernannt worden ift. Er wars, 
ber das berühmte Defret vorſchlug, (das man aber niemals 
amtlich proflamtirte) und nah welchem Alles, was damald 
noch zu liquibiren war — mehrere hundert Millionen — 
nicht mehr bezahlt werden follte. Dies gefbah zwifhen 1805 
und 1806. Die im Staatsfihag befindlichen Summen waren 
zu nothwendig, um für die Nüftungen zu dem Kriegen, die 
man damald unternehmen wollte, verwendet zu werben, ale 
daß man fie hätte zur Bezahlung der Gläubiger beftimmen 
können. — Uebrigens war die Weigerung, Schulden zu be: 
zahlen, weil in der Klaffe, worein diefe oder jene Forderung 
geworfen worden, feine Fonds vorhanden waren, im Gruns 
be mur eine Ausflucht. Denn der Minifter und feine Schrei— 
ber hoben das Verbot auf, fobald es ihr Intereffe erforderte, 
In einigen Minifterien wurde mit folhen Forderungen ein 
empörender Handel getrieben. Das Seeminifterium zei: 
nete fi hierin vor allen aus. An der Spiße feines foge: 
naunten Bureau des fonds befand ſich fehr lange ein Herr 
Vernier, der durch diefen Handel fehr betraͤchtliche Sums 
men gewann, und da. er auf der That ertappt wurde, ende 
ih auf Napoleons Befehl feine Entlaffung erhielt, ob 
ſich gleish der Minifter fehr thätig für ihn verwendet hatte, 
Denn Napoleon wollte nit, daß man bie Albernheiten 


4 


172 Frankreichs Zuſtand 





ſeiner Verwaltung, die doch der Beſtechung eine weite Bahn 
eroͤffnete, zur eigenen Bereicherung benutzen ſollte. Er lud 


zwar zum Verbrechen ein, aber er beſtrafte mit Strenge bie 


Ungeſchickten, die dabey ertappt wurden. Nichtsdeſtoweni— 
ger Bann man ald ausgemacht anfehen, daß, als in ber Si: 
Bung der gefeßgebenden Behörde von 1813 die fih auf ein 
und zwanzig Millionen befaufende Schuldforderungen von 
St. Domingue, nah zehnjähriger Liquidation auf fieben 
Millionen herabgefegt wurden, die Anwendung des Grund: 
fages der willkuͤrlichſten Liquidation und der Ruͤckſtaͤnde, die 
ſchaͤndlich ſten Betrügereyen veranlafft hat. 

Unter die reichlihften Hülfquellen für die Zinanzen 
eines wohl regierten Staats gehört unfireitig der Kredit. 
Pur eine tyrannifhe Regierimg kann dur neue Abgaben von 


‚Ihren Unterthanen bedeutende Summen erpreffen, wenn bie 


Auflagen bereits fehr flarf find. Sie darf dann nicht ihr Ras 
pital angreifen, wenn bie Möglichkeit vorhanden ift, fie 
durch Bezahlung von Intereffen deffelben aus der Verlegen: 
heit zu ziehen. Buonapartes Regierung nahm auf diefe 
Grundfäge Feine Rückfiht und verwarf ſtets das Krebitfpftem 
bie auf die befannte Eröffuungrede der gefergebenden Be: 
hoͤrde vom 17. Dezember 1873: Man tennt die ſchoͤne 
Phraſe eines Großwuͤrdentraͤgers im Staatsrath, der, um 
den Einwendungen gegen einen Geſetzvorſchlag, der ben oͤf— 
fentliden Kredit zu untergraben fhien, ein Ende zu machen, 
ausrief+ „Nun, meine Herrn, wenn auch fein Krebit vor: 
„handen ift, fo hindert dies wohl nit, daß man die Märkte 
„mit Getreide verproviantirt.“ Ich kenne Männer, die 
großen Einfluß auf Napoleon Hatten und in völligem 
Ernft behaupteten, der Kredit ſey allen Grundfägen ber 
Monarchie zuwider. Buonaparte’ ging in diefe Falle, 
wie in viefe andere. „In fehmwierigen Lagen — fagte ein 
großer Staatsmann, Herr Hamilton — fennt man nur 


das Kredit: oder das Plünderung: Syftem.” Rapoleon 


unter Napoleons Regierung. 173 





gab ohne allen Anftand dem legtern den Vorzug und fogar 
‚große Ausdehnung. Eine feiner ſchaͤnblichſten Plünderungen 
ift die der Gemeindegüter im Jahr 1813. Man hat. den ‘ 
Gemeinden ihr fämmtlihes Eigenthum entzogen, und ich ha⸗ 
be Urſache zu glauben, dag die Majorität des Staatsraths 
diefen Vorſchlag unterſtuͤtzte. Man verfprah den Gemein 
den Entihädigung durch Renten. Man beraubte die Glaͤu— 
biger, die hypothekariſche Einfhreibungen- auf dieſe Güter 
hatten, ihres Unterpfands; man zwang fie, ihre Hypotheken 
auf die Renten überzutragen, bie ihnen als Entfhädigung 
dienen follten. Sobald man folde Operationen unternimmt, 
fo verfährt eine Regierung nur mit Gewalt; von Geredtig- 
keit iſt nicht mehr die Frage. Es ift unbegreiflih, daß die 
Gefeggebungbehärde nicht diefe Maßregel mit Umwillen ver: 
-worfen bat. Mit welchem Rechte konnte man Korporatio: 

nen auf ſolche Weife berauben? Wenn ihre Güter nicht 
mehr. heilig find, fo find es feine mehr. 

Mit folhen Mitteln tröftete man fih, feinen Kredit zu 
haben, und unterflügte man Erklärungen, in denen man 
ſtets gegen die Vortheile diefes Syſtems deflamirte. 

Da der Kredit eine Folge des Zutrauens ift, das man 
in eime Regierung feßt, und nur dad Refultat von Gerech— 
tigkeit und zum Theil auch von Publizität in den Finanzmaß: 
‚regeln ſeyn ann, fo. ift leicht zu begreifen, daß eine tyrams 
nifhe und alles ind Dunkel hüllende Verwaltung, wie die 
son Napoleon, ohne Kredit feyn muffte. Er wollte fih 
zu keinen Anleihen verfiehen, blos wegen ber Mittel, die 

er hätte anwenden mäffen, um fih Anleihen zu verfhaffen 
und diefes Syſtem zu behaupter. Nichtsdeſtoweniger wollte 
‘er eine. Staatefhuld, aber auf feine Art, das heißt durch 
‚gezwungene Anleihen. Jede Vermehrung diefer Schuld un: 
ter feiner Regierung — und .biefe ift wieder auf -diefelbe 
Summe gebracht worden, wie fie im Jahr 1789. war — ift 
vom diefer Befchaffenheir,. mit Ausnahme der alten Schulden 
x 


174 Frankreichs Zuſtand 


der italieniſchen und deutſchen Provinzen, die aber jetzt wie⸗ 
der davon getrennt ſind. Ein bedeutender Theil dieſer 
Staatsſchuld beſteht jetzt in dem Reſultat der Liquidationen 
der verfallenen Schulden, die von Herrn Defermont 
unterfuht und darin, auf das Drittel herabgefegt, in das 
große Buch eingefhrieben worden find. Ein anderer Theil 
der Ötaatsfbuld kommt von den Rüdftänden her, die bis an 
‚Ende der Direftorial: Regierung zuruͤckgehen, mehrere ber 
erfien Regierungiahre Buonapartes in fi begreifen und, 
ohne Einwilligung der Gläubiger, in Renten bezahlt worden 
find. Die vielfahen Bürgfhaftleifiungen in barem Geld 
von Beamten jeder Art find ein wahres gezwungenes Anlei: 
ben. Es ift nit befannt worden, wie viel Renten»indge: 
beim Ponftituirt worden find. Man fhägt die von gezwuns 
genen Anleihen herrührenden Renten auf wenigfiens zwan⸗ 
zig Millionen. Eine ungeheuere Summe wäre erfordert 
worden, um alle Rüdjtände. mit Inbegriff der. äußerft be: 
traͤchtlichen von 1813 gehörig zu deden. 

Eine von den auffallendften Prunkmaßregeln, bie Na⸗ 
poleon waͤhrend ſeiner langen Regierung genommen hat, 
iſt die Errichtung der Amortiſationkaſſe in Betreff der Til: 
gung der Staatöfhuld. Sie hat wenig gethan, denn im 

Ganzen hat fie, laut ihrer eigenen, im Jahr 1812 befannt 
gemachten Rebnung, nur für 200,000 Livres Renten abge: 
tragen. Die Urfache ihrer Unthätigkeit iſt nicht ſchwer anzu: 
geben. Sie hatim Grunde niemals Geld in Händen gehabt, 
dad zu dieſem Zwed bat verwendet werden follen; denn 
alle Summen, worüber fie hätte disponiren follen, haben 
eine andere Beftimmung erhalten. Bon den 181 Millionen, 
die den Betrag der Bürgfihaftleiftungen bilden, bat fie die 
Binfen zu bezahlen. Die Hinterlegung von Geldern in ben 
Händen Öffentliher Beamten, bie in diefelbe floffen; einige 
andere unbedeutende Summen, die vom Verkauf militäri: 
fer Effekten und anderer aͤhnlicher Gegenftände herruͤhrten, 





\ 


unter Mapoleond Regierung. 175 











dieferten ihr im Grunde nur wenige Fonds, fo daß fie dem 
öffentliben Schag nit anders ald außerordentlibe Hülffaffe 
dienen und ihm bie fih auf go bis 100 Millionen belaufende 
Anleihen (wie aus ihrer Rechnung erhellt) machen konnte, 
‚als indem fie einen Theil ihrer Renten zu realifiven fih gend: 
thigt fah. Uebrigens ſcheint aus Allem zu erhellen, daß fie 
‚ber Regierung weit größere Summen vorgefhoffen hat, wie 
ſelbſt aus den, gewöhnlich von den Herrn Defermont und 
Saubert vifirten, Bilanzrebnungen , bie wohl weder ber 
eine, noch der Andere gehörig verftanden haben, zu erfehen 
ift. Im diefen Rechnungen wird gefagt, die Tilgungkaffe be: 
fige-536 Millionen, fey aber 521 Millionen ſchuldig, fo 
daß fie alfo einen Ueberſchuß von 15 Millionen habe. Wenn 
man aber in eine genauere Unterſuchung eingeht, fo kann 
‚man fi leicht überzeugen, daß bie Zilgungfaffe allenthalben 
Gläubigerin des Schages if. Man ftellt fogar ald Grund: 
fag auf, daß fie als Huͤlfkaſſe bed Schatzes angefehen wer: 
ben müffe. Daß fie eine Ugentin der gewoͤhnlichen Dienft: 
‚Kaffe fey , und beyde durch den Kredit ihrer Unterfhrift un: _ 
‚serftüge. Sie wurbe ald Werkzeug gebraucht, um die dem 
Senat, ber Ehrenlegion und andern Öffentlihen Anftalten ge: 
börigen Oüter ber Regierung in die Hände zu fpielen und durch 
Renten zuerfegen, Dadurch hat man bad Publikum hinterge: 
ben wollen. Man hoffte, daß, fobaldfie im Beſitz von fo bebeu: 
tenden Gütern wäre, bie Papiere, die man- fie unterfihreiben 
lieffe, mehr Kredit haben würden. Man beredete die Na: 
tion, bag durch biefen Reichthum die Amortifationfonds er: 
hoͤht würden; zugleich fegte man die Zinfen, die fie zu bezah⸗ 
len hatte, herab. 

An Anfehung des Operationplans bey Gelegenheit des 
Ankaufs von Renten, war die Tilgungkaffe eine bloße Ma: 
fine in den Händen der Regierung, um, nach dem jedesma: 
Uligen JIntereſſe diefer legtern, Steigen oder Fallen der Ren: 
ten zu bewirken... Pie kann ein folder Zilgungfond , ber an 


& 
a6 Frankreichs Zuſtand 


ſich ſehr wohlthaͤtig iſt, heilſame Reſultate zu Stande brin⸗ 
gen, wenn nicht Publizitaͤt die Grundlage feiner Operatio⸗ 
nen iſt. Man muß den Betrag der Summen kennen, wel—⸗ 
che die Regierung bazu beſtimmt, fo wie die Zeit, mern 
dieſe Beftimmung erfolgen foll; dann fonft wird ein folder 
Fond, fiatt heilbringend zu werden, das Werkzeug der 
ſchaͤndlichſten Dverationen der Regierung, die benfelben dazu 
gebraudt, das Steigen oder Fallen feiner eigenen Tratten 
zu bewirfen und fih in alle Börfefpeflationen zu mifchen, 
die im Grunde nur auf die eigenen Hülfquellen ver Macht⸗ 
haber, auf ihre Gerechtigkeit und auf die Dauer ihrer Ges 
walt gerichtet find. ö 

Nichts beweist mehr, wie fehr bie TZilgungkaſſe alle 
Publizitaͤt zu ſcheuen hatte, und wie ſehr Buonaparte es 
darauf anlegte, alle ihre Operationen ind Dunkle zu verhuͤl⸗ 
len, als die Urt, wie ihre Rechnungen unterfucht und abge: 
ſchloſſen wurden. Denn diefe fo aͤußerſt wichtige Komptabilis 
tät wurde dem oberfien Rechnunghof förmlich entzogen und 
blos dem Kaifer vorgelegt, der die Verwalter derſelben 
durch feine Unterſchrift quittirte. Ein ſolches ungefegmäßis 
ges Verfahren, das ein fo gefährliches Beyfpiel gab, konnte 
mur aus fehr wichtigen Beweggründen Statt finden, und biefe 
find leiht zu errathen: 

Der öffentlide Schatz, der mit fo vielem Pomp 
neu organifirt wurde, kınd befjen Attribute im hoͤchſten Grab 
vervolltommnet werben follten, .war beflimmt, die Regel« 
maͤßigkeit und VBollftändigkeit der Einkünfte zu ſichern, ge: 
naue Aufſicht uͤber die Ausgaben und die damit beauftragten 
Beamten zu halten, der Rechnungkammer in Anſehung der 
Unterſuchung über die Verantwortlichkeit der Agenten, wel: 
he die Verwaltung von Öffentlihen Geldern in Händen hat: 
ten, bie nöthigen Materialien ald Vorarbeit zu liefern, und 
alle Mißbraͤuche von Seiten der. Agenten, denen die Beftim: 
mung der Ausgaben zukam, zu ‚verhindern. Allein biefe 

! Auf: 





‚ unter Napoleons Regierung. . 177 








Aufſicht iſt nicht gehörig ausgenbt worden. Wir erinnern 
hier blos den berühmten Prozeß gegen die Rechnungbeamten 
und Munizipalitätglieder von Antwerpen und den darüber im 
Staatsrath erfiatteten Bericht, deffen Zuverläfjigteit übris 
gens noch zu unterſuchen ift, woraus erhellt, daß dort in 
einem’ Zeitraum von vier bis fünf Iahren über eine Million 
veruntreut worden iſt. — Wenn die Auffibt über die Ein: 
nahmen gehörig geführt worden wäre, fo hätte mohl der Ges 
neraleinnehmer der vereinigten Gebühren, Hr. Sr. James, 
Intendant des Könige Joſeph, nicht mit Hinterlaffung 
eines Deficit von 15 bis 180,000 France verfhwinden koͤn⸗ 
nen. Man hätte nicht von dem andern ungeheuern Deficit bey 
mehreren Generaleinnehmern ber Departemente ſprechen his 
ren. Und dennoch fehlte der Regierung, bey dem herrſchen— 
ben Preßzwang,- eines der vorzüglichften Mittel, wodurch 
ihre Aufſicht hätte unterflüßt werden Pönnen. — Die Aufs 
fiht über. die Ausgaben war no fehlerhafter, als bie über 
die Einnahme, und dies konnte auch wohl nicht anders feyn, 
da die Minifter- von aller Publizirät ihrer Rebnungen be: 
freyt waren und baher Feine Verantwortlichkeit zu befor: 
gen hatten. | 

Unter Napoleons Regierung wurben beym öffent: 
lichen Schatz zwey neue Inftitute eingeführt, die anfangs 
die Öffentlihe Aufmerkſamkeit feffelten und als große Vers 
befferungen:angefündigt wurden. Dies waren bie doppelte 
Buchhaltung und die Errichtung einer befondern Dienſtkaſſe. 
Allein jene. war fhon durd ein Organifationgefeg som No— 
vember 1791 verordnet worden, und hat unter Napoleon 
wenig Dierifte geleifter. Diefe war im’ Grunde unnöthig 
und wurde durch das angenommene Syſtem, auf die öffent: 
lichen Eintünfte zu anticipiren, wahrhaft fhädlic. 

Die wichtigſte und nuͤtzlichſte Veränderung, die in ber 
Verwaltung des iöffentliben Schages eingeführt wurde und 
nothwendig beybehalten werden muß, beſteht in der Gentras 
“ Europ. Annalen. ııted Stüd, 1815. 12 


178 Frankreichs Zuftand 





lifation der Einnahme und Ausgabe. Ehemals befianden 
mehrere Kaffen, welche diefelbe für die verſchiednen Pro— 
vinzen beforgten. Der König ertheilte auf die eine oder an⸗ 
bere diefer Kaffen Anweiſungen, die bezahlt werden mufften, 
und fo erhielten die Staatskaſſen in der Hauptfladt nur den 
Ueberreff der Einkünfte baar und Quitfungen von den in 
der Provinzen bezahlten Anweifungen. . Der: Meberreft kam 
dann in die fogenannte Sparfaffe (Caisse des Epargnes). 
Diefes Syſtem war fehlerhaft. Meder. hatte es bereits 
jerftört, allein die Gentralifation Pam erſt unter der konſti— 
tuirenden Nationalverfammlung zu Stande, und ift eine ihrer 
beften Arbeiten. 

Die alte Rechnungkammer wurde von Napo— 
leon bergeftellt, aber neu organifirt. Allein fie hat durch 
den Artikel des Geſetzes, dad vorfhreibt ‚jede Zahlung 
„eines Rechnungſtellers als gut anzuerkennen, fobald fie or: 
„donnancirt, d. h. von einer obern fompetenten Behörde 
„gutgebeißen worden ift” ihre vorzüglichfte Wirkſamkeit ver: 
Ioren. Bey ſolchen Verfügungen kann feine wahre Komp: 
tabilität Statt haben, denn es gebricht niemals an Befeh— 
len, um Geld aus den Öffentlihen Kaffen zu beziehen; nur 
muß man beweifen, daß das Geld wirklich für einen geleifte: 
- ten Dienft und einen gefeßlichen Dienft aus der Kaffe gekom⸗ 
mer ift. Die Minifter, ungerecht bis zur Tyrannep, wenn 
es darauf anfam, die rechtmaͤßigſten Forderungen anzuerfen: 
nen, verſchafften fi das Recht, nach Belieben zu ordonnanci: 
ven, wie fie es für gut fanden; dadurch warfen fie alle wah⸗ 
ven Komptabilitätgefege völlig über den Haufen. Inzwi— 
fhen waren fie berechtigt, die Mandate der Ordonnatoren 
zweyten Range einer vorläufigen Revifion zu unterwerfen. 
Die erwähnte RN war daher ganz allein zu ihren 
Gunſten. 

Bey einer Organiſation biefer Art ift es nicht möglich, 
daß die Rechnungkammer ihre erhabene Beftimmung errei: 


unter Napoleons Regierung. 179 





ben kann. Denn diefe Beftimmung beſteht nicht blos darin, 
einige untreue Rechnungführer zu beftrafen oder zur Erftats 
tung anzuhalten, fondern die großen Verfhleuderungen der 
erften Behörden zu verhindern, und darum warb ehemals 
bie Rechnungkammer eingefegt. Diefe Miſſion muß fie ers 
füllen, und fid nicht blos in eine weitläufige Unterſuchung 
der Rechnungen einlaffen, die weit bejfer und zwecfmäßiger 
an Drt und Stelle berifizirt werden fünnen. Man fbien 
diefen Zweck im Auge zu haben, ald man den Großmwürdes 
träger, der unter dem Titel eines Erzſchatzmeiſters mit einem 
ungeheuern Gehalt einen fo großen Einfluß auf die Finanzen 
ausuͤbt, autorifirte, jedes Jahr einen allgemeinen Bericht 
über die Ausgabe und Einnahme des Staats abzulegen. 
Allein kein folder Bericht ift je abgelegt worden, wenigftene 
oͤffentlich; find auch einige im Kabiner hinterlegt worden, fo 
war es indgeheim und daher völlig zwecklos. 

Sobald ſich Buonaparte in diefem Verwaltungzweig, 
wie in allen übrigen, eine unbefhränfte Gewalt angemaßt 
hatte, befümmerte er fib wenig um das Einzelne. Er glaub: 
te genug gethan zu haben, indem er die Rechnungkammer 
berfiellte, einige ehrgeizige Neben halten, ein Schauſpiel 
in rothen und fhwarzen Amtsfleidungen aufführen und fi 
als Wiederherfieller der Magiftratur proflamiren ließ; alles 
Uebrige war ihm gleihgältig. Allein wundern muffte man 
fih mit Recht, daß der Rechnunghof ohne Widerforub große 
Summen.aus dem oͤffentlichen Schag nehmen ließ, deren 
Zahlung durch fein Gefeg autorifirt oder fogar durch die Ge⸗ 
fege verboten war; daß er ſich nicht gegen bie ausnehmend 
fiarken Gehalte der Großwürbdeträger auflehnte; daß er dem 
Kafjirer des Schages bie jährlihe Zahlung der Renten für 
bie drey Brüder Napoleons — eine Million für jeden — 
gutbieß, während fie diefe Summen nicht erhielten; daß er 
fib den geheimen ©eldvertheilungen und Gratifitationen, bie 
ungeheuere Summen betrugen, nicht wiberfegte, Diefe hobe 


180 Frankreichs Zuſtand 


Behoͤrde war, ſeit ihrer Wiederherſtellnng, ein bloßes 
Fantom; ſie gleicht der Korporation, die ehemals dieſe 
Stelle verſah, wie die kaiſerlichen Gerichtshoͤfe den Parla— 
menten. Es iſt erwieſen, daß die obere Komptabilitaͤt im 
Frankreich, wie jede andere Art von Aufſicht, nur durch die 
beyden Zweige der Geſetzgebung und den König, melde zu: 
fammen die hoͤchſte Gewalt im Staat ausüben, verwaltet 
werden fann. 

Um das Gemählde unferer Finanzen zu beendigen „muß 
ich au ber Bank erwähnen. Es fheint, daß Inſtitute die— 
fer Art in Frankreich nicht wohl gedeihen könnem. Seit der 
Lawſchen Bank find alle, bey ung errichtete, dur die Grund: 
mängel ihrer Organifation und durd den Einfluß, den die 
Regierung auf diefelben erhielt, zu Grunde gegangen. Alle 
diefe alten Gebrechen find bey der Wiederherftellung der 
franzöfifhen Banf durh Napoleon und beffen Rathgeber 
noch vermehrt worden. Bey wenigen andern Angelegenbei: 
ten ift er fo fehr durch die Niederträctigkeit, die Habſucht 
und die Unwiffenheit feiner geheimen Rathgeber irre geleitet 
worben, als bey diefer. In einem Brief, der im Jahr 
1805 während des oͤſterreichiſchen Kriegs, bey Gelegenheit 
der Zahlungfusvenfion der Bankzettel, gefhrieben wurde. und 
beftimmt-war, dem Kaifer unter die Augen gelegt zu wer- 
den, ftellte man den Grundfag auf „die Bank fey ein antir 
monarchiſches Inſtitut“ und trug darauf an, fie wieder aufs 
zuheben. Der Berfaffer des Briefe ift ein Beamter, der 
vormals wegen übertriebener revolutionnärer Meinungen abs 
gefeßt worden war, und alfo nicht fehr zu Gunſten des monars 
chiſchen Syſtems eingenommen feyn konnte. Allein Herr 
Eretet, das damalige Orakel bey der Verwaltung der ins 
nern Angelegenheiten und der Finanzen, hatte eine entſchiede⸗ 
ne Vorliebe für die Bank. Er rettete fie aus dem Sciff⸗ 
bruch und überreichte, dem Kaifer einen neuen Organifation: 
plan biefes Inftituts. Der erfte Fehler dabey war, dag maır 





unter Napoleons Regierung. 181 


das Kapital der Banf auf die viel zu betraͤchtliche Summe 
von neunzig Millionen — Eine ſolche Summe kann 
ſehr lange nicht in Park umgeſetzt werden, und ſie waͤre 
nicht groß genug, wenn die Bank ihre Operationen auf die 
Provinzen ausdehnte. Eine Zeitlang bezweckte man zwar 
biefes Lesgtere. Allein, ungeabtet Napoleon und fein 
Minifterium dies fehr wünfgten und auf diefe Ausdehnung 
ber Banfoperationen arbeiteten, fo fheiterten fie dennoch 
volltommen in diefem Unternehmen. Die Provinzen zeig: 
ten fters fehr heilfame Beforgniffe gegen Papiere, die, ohne 
irgend ein Gegengewicht, von. der Regierung audgingen. 
— Buonaparte fuhte bie ganze Ariftofratie ſeiges Hofes und 
feiner Armee zur Annahme von Aktien zu zwingen, allein ex 
vermochte ed nicht, fie alle an den Mann zu bringen, fo 
daß immer act bis zehntaufend im Portefeuille geblieben 
find. Die Theilhaber der Bank hatten nicht einmal den 
Muth, eine Erklärung in Aufehung diefer fhlafenden Aktien 
zu verlangen, ob fie gleih immer im. Kapital figurirtem, 
Mie konnte man an die Wahrhaftigkeit der flattgehabten 
Angaben glauben, wenn es hieß, die Bank befige ein Kapi— 
tal von neunzig Millionen, während wenigftens zehn Millio: 
nen daran fehlten. 

Napoleon hielt fehr darauf, einen ihm ii er: 
gebenen Gouverneur der Bank zu haben. Ungeachtet alles 
Widerſpruchs der damaligen Bankdireftoren und der öffent: 
lihen Meinung ging fein Gouverneur durd. Herr Cre: 
tet wurde an die Spiße des Inſtituts geftellt. Sein Nach— 
folger war Ar. Jaubert, und dieſer, der eben fo viele Kennt: 
niffe, aber noch weniger Zeftigkeit befaß, ward auserfehen, 
bie Beraubung der Banf zu bewerkftelligen.. Er erhielt 
jährli einen Gehalt von 100 bis 120,009 Frances, den Ge: 
nuß eines Palafts und ungefähr gooo France Präfenzgel: 
der, ohne die übrigen großen Vortheile zu rechnen, die ihm 
zu Theil wurden, weil er der Regierung das Kapital der 


182 Frankreichs Zuſtand 


Bank in die Haͤnde zu ſpielen, die Direktoren zu beherrſchen, 
im Nothfall mit dem Zorn des Oberherrn zu bedrohen wuſſ—⸗ 
te, und die Aktionnaires glauben machte, fie müfften ſich 
mit der bloßen Anhörung der Rechnungen beruhigen. Am 
Ende fah er denn doc ein, daß der Augenblid nahe fey,; wo 
er verantwortlich werden koͤnnte. Daher fuchte er in der wich— 
tigen Sitzung, die wenige Tage nah der Zahlungfufpenfion 
der Bank gehalten wurde, vermittelft bes durch Schreden 
veranlafften Schweigens, eine gewiffe ſtillſchweigende Billi- 
gung der Beraubung zu erhalten, deren Werkzeug er gewe— 
fen war. Bis jest ift auch wirklich diefe betrügerifhe Wer: 
fegung feiner Pflichten und feines Mandate ohne alle Beftras 
fung geblieben. Die Theilhaber der Bank müffen ihre all: 
einige Hoffnung in die Gerechtigkeit und in den Edelmuth 
ber neuen Regierung fegen. Ihr, Kapital ift gegen foge: 
nannte Schatzſcheine ausgetaufht worden. Wenn biefe 
Scheine Bültigkeit behalten, fo kann die Bank wieder zu 
Kredit gelangen, und dem Handel, fo wie dem äffentlihen 
Schatz ſelbſt, diejenigen Dienfte leiften, die fie von derſelben 
zu erwarten berechtigt find. 

Eine andere Finanzoperation, bie nit mit Sillſchwei⸗ 
‚gen übergangen werben darf, und bey der ſich die Ungerech— 
tigkeit, Unmiffenheit und Raubſucht der Napoleon'ſchen Re: 
gierung in ihrer vollen Blöße zeigten, beftund in der Um: 
fümelzung der Münzen. Aldman die drey und ſechs 
Livresthaler und die Louisd’or aus den Umlauf zu bringen 
ſuchte, ließ man fie, nicht wie die Grundſaͤtze der Geredtigs 
keit erfordert hätten, auf Koften des oͤffentlichen Schatzes, 
fondern auf Koſten der Unterthanen umprägen. Es lieffe 
fib noch Vieles über das Muͤnzweſen und die daben ftatt: 
gehabten Betrügereyen fügen. Um die allgemeine Einfuͤh— 
rung des Dezimalfuftems zu begründen, wobey unfere Ges 
lehrte, fo wie fie Verwalter geworden waren, fib fehr ins 
toleraut zeigten, ſetzte man das Verhaͤltniß des reinen 








unter Napoleons Regierung. 183 





Golds und Silbers zu den damit vermifhten Materien auf 
neun zu zehn, und würdigte den Werth der Nationalmünzen 
um anderthalb Procent herab. Auf das Verbot der Aus: 
fuhr der koſtbaren Metalle hielt man fehr fireng, und bie: 
ſes diente zu nichts weiter, ald mehrern Handelshäufern 
auf beyden Rheinufern beträhtlihen Gewinn auf Koften der 
übrigen Kaufleute zu verſchaffen. 

Ueberhaupt wurde in unferm ganzen Finanzſyſtem mit 
zwey Dingen ein unaufhörliber Mißbrauch getrieben, — 
mit der Gewalt und mit dem Öffentliben Schaß. Die perſoͤn— 
lichen Bedürfniffe des Monarchen wären leicht zu befriedigen 
geweſen, nicht fo die einer Menge von Menfhen, die nur 
Geld wollten, und, um dazu zu gelangen, den Fürften zu 
ftets neuen Ufurpationen und Unordnungen verleiteten. Sö 
lange er befehlen und über den öffentliben Schaß zu gebieten 
hatte, waren fie ihm ergeben. Sobald er die Herrfchaft 
verloren hatte, verlieffen fie ihn. Die elenden und treulo: 
fen Rathgeber Buonaparte’s wären ihm nach Tibet ge- 
folgt, wenn fie dort unter ihm ein Reich hätten tyrannifiren 
und Schäge theilen Finnen. Um nah Willfür über die öf: 
fentliben Gelder verfügen zu koͤnnen, flürte Napoleon 
die Schranten ein, die ihm eine ſchwache Konflitution entge: 
genfeßte. Er trieb dann durch diefe Willkür alle mögliche 
Mipbräube. Der Abgrund, den er in diefem Zweig det 
Verwaltung gegraben hat, ift furdtbar. Nur durch Ge: 
rechtigkeit, durch Puͤnktlichkeit in allen eingegangenen Ber: 
pflihtungen; durch Mittel, die ungeheuern Gehalte ber 
neuen Staatsmaͤnner herabzufeßen, die überaus. großen 
Gratifitationen abzufhaffen, ift Rettung zu hoffen. 


XV]. Staatsſekretariat. 


Die Miniſterien der Juſtiz und des Sicataſerretariats | 
find bey ung zwey neue Erfindungen, Das erftere wurde int 


184 | Frankreichs Zuftand . 





Anfang der Revolution, das legtere burd Buonaparte, 
als er zur hoͤchſten Gewalt gelangte, errihtet. Beyde grif: 
fen bey vielen Gegenftänden in einander ein. Der Staats: 
fefretär follte eigentlich feine andere Beftimmung haben, als 
bey ben Privatconfeils:Verfammlungen und Verwaltungfigun: 
gen des Monarchen bie Feder zu führen; er ift alfo im Grum: 
de blos der Sefretär des Confeil. Die Unterfhrift der hoͤch⸗ 
ſten Entfheidungen gebührt von Rechtswegen dem Minifter, 
ber fie vorgeſchlagen hat oder zu beffen Departement fie ges 
hören, und der alfo durch diefe Unterforift dafür verant= 
wortlib wird. Der Minifter foll daher das Driginal davon 
behalten. Das Amt eines Arhivarius aller Minifterien 

Tann Bein befonderes Minifterium bilden. Die Anlegung 

des Siegeld und die Stelle eines Siegelbewahrere waren ans 

fange dem Juftizminifter übertragen, und die Befieglung der 

Dekrete erfolgte mit Feyerlichkeit und befondern Formalitäs 

ten, die nothwendig find, weil dadurd allein die vom Für: 

ften ausgehenden Akten die gehörige Authentizität erhalten, 

Nachher wurde der Staatsfefretär damit beauftragt, und ohne 

biefe Attribution hätte er. gar fein wirklich minifterielles Amt 
gehabt. Die Folge davon war, daß der Juflizminifter, ale 
Agent ber Bekanntmachung der Gefege, der ohne andere 
Dazwiſchenkunft die Wahrhaftigkeit derfelben garantiren foll: 
te, fib darauf befhränfen muffte, die Glaubwürdigkeit der 
Abſchrift zu bezeugen, die ihm von dem Staatsſekretaͤr zuges 
ftellt wurde, Allein diefer letztere wurde bald eine Mittels 
perfon zwiſchen allen Miniftern und dem Kaifer. Dies war 
eine wahre Ufurpation, die man ihm zum Nactheil der mi: 
nifteriellen Departemente geftattete, und wozu er, ber nur 
den vormaligen Sekretär des Direktoriums erfegen follte, 
gar nicht geeignet: war. Alle Minifter find, dem Mefen 

Ihres Amts nah, Staatsſekretaͤre, und fie haben unter der 
koͤniglicen Regierung, diefen Titel wieder erhalten. Die 
Anlegung des Siegeld, wodurd die von ber Regierung ands 


unter Napoleons Regierung. 185 





gehende Akten die gehörige Feyerlichkeit erhalten, gebührt 
dem Dberauffeher der Juftizverwaltung, welden Namen 
man ihm übrigend auch geben mag. 





XVII. Juftizminifterium und Geſetzgebung. 

Unter Napoleons Regierung war das Juftizminiftes 
rium völlig unnüg. Die bloße Auffibt über die Gerichte 
konnte nicht hinreichend feyn, ein Minifterium zu beſchaͤfti⸗ 
gen. Die ware Garantie einer guten Geredtigfeitoflege 
beſteht in unabhängigen Richtern und einer zweckmaͤßigen 
Drganifation der ganzen Mafbine, in der Stärfe und Adi» 
tung der Gewalten, welde den hohen Beruf haben, in leg: 
ter Inſtanz zu entfheiden. Da in Gaben, welche den 
Staat direkt betreffen, ftets eines der Minifterialdeparte: 
mente interefjirt ift, fo muß fib die Regierung auf diefes 
verlaffen fönnen, um den General-Advokaten oder Generals 
Proturatoren, die ihre Pflicht verfäumen, zur Ausübung 
berfelben zurüczuführen. Vormals war der Kanzler ber 
oberfte Chef der Juſtiz und befaß daher eine ausgedehnte 
Gewalt. Die Gefeggebung war ausfhließlih in der Hand 
des Königs und der Minifter; der Kanzler ſchlug alfo alle, 
die politifche und bürgerliche Ordnung betreffende, neue Ge: 
fege vor, und hatte darüber zu wachen, daß bie andern Des 
partemente nicht die Grundgefege der Gerechtigkeit verleg: 
ten, Unter Napoleons Regierung hatte der Juſtizmini— 
fier keine Gefhäfte diefer Art. Man hatte ihm geftattet, 
den Kaffationhof und felbft die Paiferlihen Gerichtshoͤfe im. 
Perſon zu präfidiren, wenn er ed nöthig finden follte; allein 
dies verlich ihm Peine befondere Gewalt. An der Verfertis 
gung neuer Gefege hatte er feinen Antheil. Im Staats: 
rath war feine Anweſenheit eine bloße Formalität; denn dev 
Reichserzkanzler verdrängte ihn hier völlig. Die. Umfchmel: 
zung unferer bürgerligeu Gefege war einer Kommiffion von 


186 Frankreichs Zufland 


Staatsräthen anvertraut. So blieb ihm im Grunde nur die 
Beſorgung des Druds und der Verfendung des Gefegbulle- 

tin, und feine Ötelle war ein wahres Benefizjium, eine 
englifhe Einecure. 

Zu feiner Zeit war man in Frankreich fo thätig mit 
Verfertigung ‚neuer Gefege, als unter Napoleons Re: 
gierung. Noch bey feinem Sturz waren Projekte von eini: 
gen neuen Geſetzbuͤchern im Kabinet hinterlegt. Kurz zu: 
vor hatte der Juſtizminiſter einen Vorſchlag gemacht, (ber 
aber von der Regislationfeftion und vom Staatsrath verwor: 
fen wurde) üm aus der ungeheuern Maffe aller, während 
‚der ganzen Revolution erlaffenen, Gefege eine Kompilation 
vor allen denen zu veranftalten, die noch vollzogen werden 
follten. Diefe Muth, neue Geſetzbuͤcher zu verfaffen, die 
man mit Rebt Codomanie nennen Pann, und wodurd Ma⸗ 
poleohs Eitelkeit und Despotismus neue Nahrung erhiel= 
ten, rührte hauptfählich von unfern Rechtögelehrten aus dem 
mittägliben Departenenten ber, die fib im Nationalton: 
vent, in den nachherigen gefeßgebenden Berfammlungen und 
im Staatsrath als abergläubige Verehrer der Juftinianifhen 
Kompilationen zeigten, und nun in unfern Zeiten an ähnli: 
chen Kompilationen Antheil nehmen wollten. 

Die Eonftituirende Nationalverfammling hatte in ihrer 
Konftitution von 1791 die Grundlage zu einförmigen: ©efe: 
Ben gelegt, durch die jie die Verfhiedenheit der Gewohnheit: 
rechte erſetzen wollte; allein fie fowol, ale die folgenden Nas 
tionalverfammlungen, felbft der Konvent, hatten fi mit 
Weisheit darauf befhränft, nur diejenigen Zweige der bür: 
gerlichen Gefeßgebung zu verändern, welde, als Folge 
der politifhen Staatsereigniffe, mothwendig umgearbeiter 
werden mufften. Doch hatte bereits, während der Regie 
rung des Nationalfonvents, ein Rechtsgelehrter aus dem 
mittäglihen Frankreich, der feitdem zu großer Macht und 
glänzendem Vermögen gelangt ift, von denen er nit immer 








unter Napoleons Negierung. 187 








den beften Gebrauch gemacht hat (Gambaceres), ein Projekt’ 
zu einem bürgerliden Geſetzbuch verfertigt, das aber damals 
nicht zur Diskuſſion fam. In der Folge legte er diejes Pros 
jekt dem Konful Buonaparte vor, und ſuchte ihn zu über: 
zeugen, baß er dur ein ſolches Geſetzbuch Juſtinians 
Berühmtheit mit der von Caͤſar vereinigen würde. Allein 
Buonaparte wollte noch weiter gehen, ald Juftinian, 
fo wie die ihn umgebenden Rechtsgelehrten, die auf feine 
Eitelkeit fpefulirten, den Kanzler Tribonian und deſſen 
Kollegen in Schhmeicdeleien noch weit übertrafen. Er wollte 
felbft an der Verfertigung und an der Disfuffion des bürger: 
lihen Geſetzbuchs Antheil nehmen. Einer feiner Staats: 
raͤthe gab ihm Unterriht, und die Nachwelt follte, bey 
Durdlefung bes Protokolls über die Verhandlungen bey der 
Disfufjion des Koder und der darüber erfhienenen Kommen: 
tare, erflaunen, daß Napolen. mit den berühmtefter 
Rechtsgelehrten Frankreichs in weitläufige Unterfuhungen 
über bie fhwierigften Gegenftände des Geſetzbuchs, naments 
lich über den Zuftand der Perfonen und das Domicilium, 
mit großer Sahfenntniß eingetreten ifl. Die übertriebenen 
Lobeserhebungen, mit denen diefe Arbeiten angekündigt und 
gepriefen worden find, laffen fih nur mit den laͤcherlichen Vor⸗ 
reden des Geſetzbuchs des buyzantinifhen Kaifers vergleichen. 
Napoleons Koder ift eigentlih nur neues Gefes in 
denjenigen Materien, in denen er wirflide WBeränderungen 
eingeführt oder die verfbiedenen Gewohnheitrechte durd 
einförmige Geſetze erfegt hat, vorzüglich in den Hypotheken, 
den Erbfhaftfahen und den Ehekontraften. In der Teſta— 
mentslehre hat man die alten Ordonnanzen fompilirt, deren 
Studium aub heutzutage noch unumgänglich nothwendig ift. 
Das übrige enthält Aphorismen, bie wegen ihrer Allgemein⸗ 
beit fchädlich werden koͤnnen, oder, wie bey den Verträgen der 
Fall iſt, Auszüge aus Pothier oder dem römifhen Recht, 
deffen Quellen unfere Juriften immer noch fludieren müffen. 


188 | Frankreichs Zuftand 





Diejenigen Artifel, welde auf die Feſtſetzung der per: 
fönliben Rechte der Franzofen und auf die Naturalifationen 
Bezug haben, find ein unzufammenhängendes buntes Gemi— 
fe unferer Revolutiongefege, die gerne an ganz Europa 
das Buͤrgerrecht bey ung ertheilt harten, und veralteter ty= 
zannifber Drdonnanzen, welche bie Franzofen an ihren 
Grund und Boden gefeffelt hielten. 

In den Verfügungen diefer Orbonnanzen, die unter 
den. beyden legten Königen fhon nit mehr in Vollziehung 
gefegt wurden, und in denen des Civilgeſetzbuchs, welche 
diefelben wieber zum Vorfhein bradren, hat Napoleon 
ben Stoff zu dem berüchtigten Defret vom Auguft I8II ge: 
nommen, in dem er fib das Recht ertheilte, den Franzofen 
jeden Eintritt in fremde Dienfte zu verbieten, was unter 
unfern alten Monarben niemals ftättgehabt hat. Nah 
biefem Geſetz find die Franzofen wahre, an ihren Grund 
und Boden gefeffelte Sklaven, und wenn man bemer?t, wie 
leiht ed dabey ift, Kranzofe zu werden, fo wird man ſich 
nicht mehr über das erniebrigende Gemifhe von Beamten 
aller Nationen verwundern, welche Frankreich in allen Zwei 
‚gen der Öffentlihen Aemter aufftellt. Mit diefem anfheinen: 
den Edelmuth, mit diefer Verfhmwendung von Vortheilen zu 
Gunſten der Fremden, find wir für fie eined der ungaft: 
freundliften Länder Europa’ geworden. Wir kerkern jie, 
auf eine bloße Klage hin, ein; wir bewilligen ihnen nicht 
die Wohlthaten, die den zahlungunfähigen einheimifhen 
Schuldnern zu Theil werden. Wir haben fie, in Hinſicht 
auf bürgerlihe Geſetze, außer dem gemeinſchaftlichen Rechte 
bed Landes erflärt, während wir ihnen die politifhen Rechte 
und die Wahlfähigkeit zu allen Aemtern bewilligen. Diefer 
Umfturz allee Grundfäse macht erröthen und Bann dem Wi: 
berfpruch zwifhen dem Xitel und dem Gehalt aller unferer 
Inftitute gleihgefeßt werden. Nichts defto weniger ertönen 
von allen Seiten Deflamationen über die Vollkommenheit 


a 


\ unter Napoleons Regierung. 189 





und Liberalirät unferer bürgerliben Gefege in Anfehung der 
Fremden. Diefe verlangen von und weder politifhe Rechte, 
noch Stellen. Sie begnügen fih, wenn man fie in Hinſicht 
auf ihre Gefhäftsverhältniffe mit ung auf diefelbe Weiſe, 
wie die Eingebornen, behandelt, mit diefer Begünftigung, 
und verlangen feine Gleihftellung in den politifben Rechten. 
Die bisherige Leichtigfeit, mit der man Fremden dag Bürgers 
recht ertheilt, muß aufhören. Diefe hat ung die ungeheuere Mafz 
fe von Ausländern zugeführt, die wechfelfeitig zur-Unterjobung 
Frankreichs beygetragen, und unfern verfhiedenen Behörden 
das Anfehen eines wahren babylonifhen Thurms gegeben haben. 
Noch bey der Organifation der Parifer Nationalgarde hat man 
zum Legionchef der Parifer Nationalgarde einen Fremden ers 
nannt, der vermuchlich die Unſchicklichkeit, diefe Stelle zu bes 
Pleiden, felbft eingefegen hat, da er fogleich- wieder feine Ente 
laffung nahm. Eine Menge Ausländer ift in der Banf, in der 
Armee, in der Verwaltung, in ber Magiftratur, in der Kirche 
angeftellt. Welches Intereffe Fönnen an unfern Angelegenheis 
ten Perfonen nehmen, bie andere Anfibten und Neigungen 
haben, als wir, und wahrfheinlid— und zwar mit Recht — 
gegen die Mißbraͤuche erbittert find, die wir ung in ihren Läns 
dern haben zu Schulden fommen laffen. Wir müffen anfans 
gen, Franzoſen zu werden; dann werden wir, fo viel es die 
Bernunft geftatter, Kosmopoliten werden. 

Was unfer Civilgeſetzbuch betrifft, fo hat man fi 
fbon erlaubt, daffelbe gewiffermaßen zu verfälfhen. Man 
bat darein Benennungen und Titel eingefhoben, die nie 
vorhanden waren, als die verfhiednen Theile diefes Kos 
ber bie geſetzliche Bekanntmachung erhielten; man hat im 
bemfelben verfhiedene andere, weit wichtigere Veränderuns 
gen in Bezug auf die neu eingeführten Subflitutionen ges 
macht, während man zuvor, mit vielfachen Deflamationen, 
das Verbot herausgehoben hatte, auf dieſe Weife die liegen- 
ben Güter auf andere zu üÄbertragen und in den Samiliem 


190 Frankreichs Zuſtand 








zu erhalten. Man bat ferner in dag Napoleon'ſche 
Gefegbub den Grundfaß des Erbadeld neben den-Berfügun: 
gen aufgenommen, bie allen Eintritt in Korporationen — 
bey Strafe des Verluſts der einem Franzofen zuftehenden 
Rechte — verbieten, welche Adelöproben erfordern. Man 
hat mehrere Veränderungen im Hypothekenſyſtem gemadt. 
Auf diefe Weife ıft unfer Geſetzbuch, feit den erften Jahren 
feiner Einführung, durch Einfhaltungen, Verfälfbungen 
und Miderfprüde befledt worden, bie man ehemals aud 
Tribonian vorgeworfen hat. 

Unfer Gefesbud der geridtliden Prozedur 
und unfer Handelsgeſetzbuch find größtentheile Kor 
pien der Drdonnanzen von 1667, 1673 und 1681, mitden 
Veränderungen, welche in bemfelben während der Revolution 
gemacht worden find. Ob fie gleich weit fpäter zu Stande ges 
fonımen find, als der Civilfoder, fo haben fie dennoch feit 
ihrer Publifation bereits wichtige Mopdififationen erlitten. 

Auf fie folgten der Kriminalfoder und bag Ge 
fegbub der peinlichen Prozedur, beyde von Herrn 
Treilhbard ausgearbeitet. Das legtere hat in unferer 
Geſetzgebung eine wefentlibe Weränderung eingeführt, ins 
dem ed denfelben Gerichtshoͤfen die bürgerliche und peinlide 
Rechtspflege übertrug und die alten Affifen berftellte, vie 
England noch immer beybehalten hat. Herr Treilhard 
hat der Nation einen wefentliben Dienft geleiftet, indem 
er ung in diefen beyden Punkten auf unfere alten gerictli« 
ben Inſtitutionen zuräcdführte. Er leiftete ihr einen noch 
größern Dienft, indem er die Beybehaltung der Geſchwor⸗ 
nengerichte durchſetztie. Es war zwar wirflid auffallend, 
baß über die Geſchwornengerichte, bie durd eine zmanzigjäbs 
zige Erfahrung erprobt find, neue Diskuſionen entfiehen 
konnten. Zreilbard wufte Napoleon Eitelkeit 
babey ind Spiel zu bringen, fo daß der Kaifer felbft die 
ganze Inftitution im Staatsrath vertheidigte. Doch war 


\ | 
unter Napoleons Regierung. 191 





feine Abfiht nur, den Jury bey Verbrechen, die ihm gleich— 
gültig waren, beyzubehalten; für die übrigen hatte er ja 
feine Kriegsgerihte, feine Spezialtommiffionen und feine 
Prevotalhoͤfe. Wahrfheinlid wäre aub, wenn Napo: 
leon länger regiert hätte, Treilhards Verdienſt mur 
darin beftanden, die Aufhebung der Gefhwornengerichte zu 
verzögern, denn die beyden Prozeffe des Maire von Ants 
werpen und des Herrn Reynier gaben ung fihere Anzeige 
von ber nahen und definitiven Abſchaffung diefer vorzäglichen 
Inſtitution. 

Allein warum find im Straffoder die verhaſſteſten Wer: 
fügungen der alten Oefeßgebung beybehalten worden? Man 
findet hier wieder die vormaligen fogenannten Prevotalfälle 
unter dem Namen von Spezialgerihtshöfen. Jeder bewaff: 
nete Aufruhr gegen die Öffentlibe Macht ift von der Kom: 
petenz biefer Tribunale, von denen die Gefhwornen mit 
Sorgfalt ausgefhloffen find. So wird jeder, auch recht: 
mäßige, Widerftand gegen ben fhmählichften und fhreyendften 
Drud ohne weitere Prozeßform gerichtet. Die Staatsvers 
brechen find darin, nach den Grundfägen von des Kaifers 
Tiberius Syſtem, beſtimmt und zum Theil noch mehr aus: 
gebehnt. Das verhajfte und: empörende Gefeg der Güter: 
konfisfation, in Anſehung der wegen Hochverraths verurs 
theilten Perfonen, das mehrere von unfern Gewohnheit: 
rechten abgefchafft hatten und das den Tyrannen fo vortheils 
haft ift, wird in das Ötrafgefegbuh aufgenommen. Die 
alten Verbrechen wegen verletzter Majeftät werden unges 
mein ausgedehnt. Die Inftruftion der Prozeffe, die Das 
zwiſchenkunft der Gefbwornen werden dem Gutduͤnken der 
Regierungprofuratoren und ber Pr ätdenten | ber Gerichtshoͤfe 
überlaffen. ıc. - 

Eine fehr wichtige Zrage in der peintiden Gefergebung 
ift unftreitig folgende: Wem gebührt die Aufficht und die 
Polizey derjenigen Gefärigniffe, in denen fih die Perfonen 


— 


192 Frankreichs Zuſtand 





befinden, die nur eines Verbrechens beſchuldigt, aber Leis 
felben noch nicht überwiefen find? Dieſe Aufſicht ift gegt den 
adminiftrativen Polizenbeamten übertragen, allein fie follte 
nur den Richtern des Bezirks gehören. Es würden dam 
mande Mißbraͤuche und manche Ungerechtigkeiten der obern 
Gewalten wegfallen. Wer muß zum Beyſpiel wegen des 
angebliden Selbſtmords Pihegräs angeklagt werben? 
Wie.it der Mörder des Graf Segurſchen Kochs im Ge 
fängnig umgetommen? Es kann nicht hinreichend Senn, 
“ wenn der Kertermeifter einen Bericht erftatter, daß ein Ge: 
fangener tod gefunden worden ift. Eine unabhängige Bes 
hoͤrde muß die Thatſache in Gegenwart von intereffirten Pers 
fonen und Zeugen unterfuhen, und dann das Weitere * 
falls verfuͤgen. 

Die Art und Weiſe, wie die Richter behandelt worden ſind, 
ſüimmt mit der angenommenen Geſetzgebung vollkommen über: 
ein. Durb die Konftitution des achten Jahrs wurden die . 
Richter lebenslänglih ernannt. Allein fhon damals beſtimm⸗ 
te man nicht, ob die bereits ernannten Richter in ihrem Amt 
beftätigt fenen. Bald darauf machte man eine erfte fogenanns 
te Epuration. - Man hätte glauben follen, die nun beybehals 
tenen Richter würden auf die ihnen in der Konftitutiom zuges 
fagte Stetigfeit zählen können. Da erfhien am 16. Oktober 
1807. ein Senatustonfultum, wodurd fie diefes Rechts be: 
raubt wurden. Es wurde zu einer zweyten Epuratiom ges 
ſchritten, und feflgefegt, daß jeder neu ernannte. Richter 
nur nah fünf Probejahren lebenslänglih auf feine Stelle 
zählen koͤnne. Mean wird leicht begreifen, welche Beweiſe 
von Untermwürfigkeit diefe Richter die fünf Jahre hindurch gas 
ben, während der fie fib dur eine fo vrefäre Ernennung 
mit einer wirflihen Abfeßung bedroht fahen. 

Im Jahr 1808 gab der Kaifer, auf den Vorfchlag des 
Erzkanzlers, der äußerft ftolz auf diefe Idee war, den Fais 
ferliden Gerichtshoͤfen ——————— einen Anhang 

von 


unter Napoleons Regierung. 19% 





von fogenannten QAuditoren. Died war im Grunde nichts 
anders, als eine wirflihe, aber fehr zweckloſe Vermehrung 
der Zahl der Richter, die bereits in unfern Apvellationhöfen 
überzählig waren. Man machte eine dritte Abänderung ir 
dem Perfonale der Richter, ale nah Einführung der beyden 
oben erwähnten peinliben Geſetzbuͤcher neue faiferlihe Ges: 
richtshoͤfe gebildet wurden, die zugleih in Kriminal: und 
Civil⸗Sachen Recht zu fpreden hatten. 

Die Unabhängigkeit der Richter nahm von Tag zu Tag 
mehr ab, Obgleich Buonaparte in die von ihm ernanns 
ten Perſonen hätte Zutrauen ſetzen follen , fo errichtete er dens 
no feine Speziafgerichte, denen fi das Tribunat mit fopiel 
Muth und Energie widerfeste. Da in denfelben militärifhe 
Richter die Stelle von Civilbeamten einnahmen, fo hörte ſchon 
dadurch alle Freyheit bey Abfaffung ihrer peinlichen Urtheile völs 
lig auf. Sie follten im Grunde bloße Kommiffionen der Regie: 
rung ſeyn. Zu Paris wurde das Spezialgericht gebilder, als 
Pihegrä und Moreau gerichtet werben follter. In dies 
fem Prozeß aͤußerte fih die Tyranney, die der Kaifer über die 
Richter ausüben wollte, ganz frey und unverholen. Man wird 
niemals die drohenden Botfhaften vergeffen, womit die zwey 
Derfonen, die er zu Organen feines Willens machte, beauftragt 
waren; fo wenig als den Vorwurf von Amtsuntreue, den er 
fih in den Tuillerien gegen den muthvollen Bruder des Gene: 
rals Lecourbe erlaubte, In diefem Prozeß ſchimmerte noch 
der legte Tag der franzoͤſiſchen Freyheit. Seitdem konnte die 

unter der Gewalt der Feffeln erftickte Öffentlibe Meinung nur 
noch gegen den Tyrannen insgeheim Gelübde thun. 
Seit diefer Zeit ift die peinliche Rechtspflege immer 


dem Einfluß der Regierung unterworfen geblieben. So oft .- 


ein Prozeß ihrer Rabe‘ oder Parteilihfeit würdig zu feyn 

ſchien, hat fie diefelbe auf die unzmwepdeutigfie Weife ausgee 

übt. Jedoch bewährten die Geſchwornen in zwey berühmten 

Rechtsfachen des Maire von Antwerpen und Konſorten, ſo wie 
Europ. Annalen. zıted Exil. 1815. | 13 


194 Frankreichs Zuſtand 





in der von Reynier — welche maͤchtige Schutzwehr dieſe In⸗ 
ſtitution gegen jede vermittelſt der Juſtiz unternommene Bes 
druͤckung feyn kann. In der Antwerper Sache waren die Ans 
geflagten durd die Gefhmwornen freygefproden worden, und 
dennoch fanden fihb Elende, die Buonaparte den Rath 
gaben, das Urtheil, unter’ dem Vorwand, daß Gunft und 
offenbare Leidenfhaft von Seiten der Gefhwornen zum Bor: 
theil der Angeklagten geäußert worden feyen, durch ben. Se: 
nat Paffiren zu laffen. Der Senat gab dem Kaifer auch noch 
diefen neuen Beweis Jon Nachgiebigkeit; er bot auch zu dies 
fer Ufurpation die Hand, und wurde fhon dadurch Mapo— 
leons Mitfhuldiger bey der Unterjohung der Nation. 
Allein diefe Angelegenheit bradte Napoleon und feiner 
Regierung den legten Stoß in der Sffentlihen Meinung. 
Man erblidte in derfelben die Ausfpweifung der Gewalt in 
ihrer ganzen Häßlichfeit. Zwar hatte man aud unter dem 
Direktorium Perfonen, bie bereits gerichtet und freygefpros 
hen waren, zum Zweytenmal wegen deffelben Faktums wies 
ber vor Gericht gezogen; allein man Ponnte damals in ber 
Parteywuth eine gewiffe Entfhuldigung für ein folbes Ber: 
fahren finden. Hier Ponnte man gar nichts Aehnliches an: 
führen. Was mochte wohl Napoleon daran liegen, wenn 
auh — zugegeben daß der Maire von Antwerpen und Kon: 
forten ftrafbar waren — die Verfhleuberer der Sffentlichen 
Gelder von Antwerpen der Strafe entgingen? Muffte er, 
um es zu verhindern, feine eignen Gefege mit Füßen treten, 
um ein Todesurtheil gegert fie zu erhalten, bas, ohne den 
bald nachher erfolgten Sturz des Machthabers, verlangt - 
und zuverläfjig ausgeſpochen worben wäre? — Diefe ganze 
Verhandlung ift ein ewiger Vorwurf für das Miniſterium. 
Der Staatsrat) Boulay und der Senator Chaffey erftat: 
teten jeder einen Bericht über diefe Angelegenheit. Die tys 
ranniſchen Maximen, die darin aufgeſtellt werden, muͤſſen 
der Vergeſſenheit entzogen ſeyn. Boulay erlaubte ſich zu 


unter Napoleon Regierung. 195 





fagen: „der Kaifer fey das lebendige Geſetz,“ ein Ausdrud, 
der ein wahres Blasphem war. Die Pfliht des Minifters 
wäre geweſen, ſich aus allen Kräften ber Koalition feiner 
Agenten mit denen der Polizey zu widerfeßen: Denn biefe 
Koalition war die Duelle des ganzen Skandale, Und wenn, 
wie zu vrrmuthen ift, der Minifter bey Napoleon das 
Drgan ber Denunciationen biefer Agenten war, fo muß er 
fi felbft geftehen, an einem ber verhaſſteſten Streiche, der 
das Ende dieſer Regierung hat, Antheil genom— 
men zu haben. 

Der Prozeß von Reynier und Michel war die 
zweyte Rechtsſache, in der durch das Geſchwornengericht die 
tyranniſche Einmiſchung der Regierung geſcheitert iſt; — 
ich ſage der Regierung, denn dem Kaifer ſchien dieſer 
Prozeß ganz gleichguͤltig zu ſeyn. Dieſe Einmiſchung er— 
folgte ganz oͤffentlic. Die Regierung ließ dent Herrn Rey: 
hier nicht einmal die Freyheit, dad, was zu feiner Wertheis 
digung nothwendig war, Öffentkich drucken zit laffen: Der 
Direktor des Buchhandels, bem Matt zuweilen lieberale 
Grundfäße zugeſtand, wolre in Perfon Reyniers Denk: 
ſchriften cenfiren. Der Reichserzkanzler Cambaceres und 
der Staatsraty Jaubert, fein Guͤnſtling, die beyde vor—⸗ 
mals Michels Rathgeber gewefen waren, verhehlten bas 
warme Intereffe gar nicht, das fie an dent günftigeri Erfolg 
des Prozeſſes ihres alten Klienten nahmen. Rechtsgelehrte 
und Richter, vorzuͤglich aber die kaiſerlichen Generalproku⸗ 
ratoren, Äußerten ſich in den Befuchfälen des Erzfänzlers, 
während der Dauer bed Prozeſſes, auf eine Weife, die hins 
teihend die Geſinnungen des Erzkanzlers zu erkennen gab, 
Nichtsdeſtoweniger erfämpfte Reynier in dem peinlichen 
Prozeß den Sieg. Die Zeit wird und von den Urſachen ber 
lehren, die veranlafft haben, daß fein Sieg nicht noch volls 
ftändiger gemwefen iſt. Allein diefer Prozeß wird dennoch in 
den Annalen unferer Zurisprudenz Epoche machen, went 


— 


196 _ Frankreichs Zuſtand 


einmal bekannt ſeyn wird, wie Reynier, von dem Wers 
brechen ber Berfälfhung freygeſprochen, dennoch beym Han⸗ 
delsgericht ſeinen Prozeß verloren hat, indem dieſes Tribu— 
nal das Freyſprechung-Urtheil des Kriminalgerichts nicht als 
Beweis der Wahrheit des Kontrakts anſehen wollte und nach⸗ 
ber dieſen Kontrakt für falſch erklärte. Eine ſolche Entſchei— 
bung erregte die größten Beforgniffe für die Zukunft. — 
Man harte am Ende Napoleon für diefes Urtheil zu inte 
refjiren gewufft. Es wurde nad feiner Ruͤckkehr von Leips 
zig ausgeſprochen. Er unterhielt fih darüber mit Wohlges 
fallen in den Tuillerien mit den Richtern der obern Gerichts: 
höfe, die fih bemühten, ihm die Vortrefflichkeit des Urtheils 
‚auseinander zu fegen. Wie darf ein Monarh, fo lange 
noch eine Appellation-Inſtanz zu durdlaufen ift — und hier 
war das Urtheil nur in erfier Inftanz ergangen — ſich erlaus 
ben, Öffentlich feine Meinung über Prozeſſe Außern ? 

In der Redtsfahe von Reynier bemerkte man, fo 
wie in vielen andern gerichtlichen Angelegenheiten, die große 
Tendenz unferer Juſtiz, fih immer mehr und mehr nad einer 
willfürlihen Billigkeit, als nah den Grundfägen des firens. 
gen Rechts zu richten. Diefe Tendenz ift die Quelle der uns 
. beftimmten Ausdehnungen, die man während der Revolution 
den Schiedsgerichten ertheilt hat, und bie durch Mapo— 
leons Gefesgebung nod vermehrt worden if. Daber 
kann auch die gefährlihe Vervielfaͤltigung der Handelsge— 
richte, und die nicht minder gefaͤhrliche Ausdehuung ihrer 
Kompetenz; daher kamen die vielen ſogenannten Prudhome. 
megerichte (für Fabrik- und Handwerkſachen), bie, auf den 
blogen Vorſchlag von Präfekten hin, dur kaiſerliche Des 
erete errichtet wurben, ohne daß man babey die dadurch ent: 
ftandene Untergrabung unferer gerichtlihen Änftalten und die 
zahlloſen ſchlechten und fehlerhaften Prozeduren beruͤckſichtigte, 
bie von. ben obern Behörden immer aunullirt werden müffen. 

Gleich auffallend iſt in unſerer Gerichtsverwaltung die 





unter Napoleond Regierung. 197 





unverhältnißmäßige Wichtigfeit der Generalproßuratoren und 
Generaladvofaten in allen Ungelegenheiten. Die Richter, 
die fonft immer den Vorrang vor diefen Beamten hatten, 
werden jest von denfelben in allen mittlern und niedern Ge: 
ridten auf empörende Meife geleiter. Sie miſchen fi in 
alle Prozeſſe; fte haben Einfluß auf alle Urtheile, und zwar 
fietd unter dem Vorwand, daß fie über die Beobachtung der 
Geſetze zu wahen haben. Sie find es, die, als gänzlich 
von der Regierung abhängige Beamte, die man jeden Tag 
ihrer Stellen berauben kann, bey den Tribunalen die demuͤ— 
thigen Organe des Willens und der willkuͤrlichſten Einfloͤßun⸗ 
ſungen der Regierung geweſen find. 

Ueberhaupt haben unfere gerichtlichen Einrichtungen noch 
dieſelbe Unbeſtimmtheit, wie unſere politiſche Konſtitutionen. 
Unſere oberſte Gerichtsbarkeit, die unter dem Staatsrath 
und dem Kaſſationhof vertheilt iſt, hat keine Stetigkeit, 
keine wahre dauerhafte Grundlage. Die ſchaͤdliche Theorie 
einer ſtrengen Scheidung der Gewalten hat uns verirrt, wie 
fie Montesquien, den gewiſſenhafteſten und aufgeklaͤrteſten 
Schriftſteller des vorigen Jahrhunderts, verirrt hat. So 
lange wir dieſe Bahn nit verlaſſen, koͤnnen wir nicht in 
einen fibern Hafen einlaufen. 


Buonavarte hatte fih vorgenommen , nah Beendi- 


gung feiner Kriege durch einen neuen Waffenftillftand, bie 
Berkäuflichfeit der Stellen und bie Abfhaffung bes Plaͤdirens 
einzuführen. Das Erftere wäre das grängenlofefte Unglüd 
für die Natiork geworden. Das Andere hätte bie legte Gas 
fantie einer guten Juſtiz, die Publizität der gerichtlichen 
Berhandlungen, welche diefelben der oͤffentlichen Meinung 
unterwirft, gaͤnzich zerfiört. 

Wir haben na einige Worte von einer andern gericht: 
fihen Korporation zu foreden, — von dem Prifenge: 
richt. Man gab biefem Tribunal einen Theil der Gewalt 
der Admiralität. Es befand fih im der unmittelbaren Ab: 


- 


198 Grankreichs Zuſtand 


haͤngigkeit vom Kaiſer. Man bewies der Regierung, und 
dieſer behagte es ſehr wohl, daß dieſes ſo ſeyn muͤſſe. 

Freylich Bann ein ſolches Gericht nicht nah den Grund: 
fägen des bürgerfiben Rechts zu Werke geben. Das Kriege: 
recht, von dem feine Entſcheidungen nothwendiger Weile 
ausgehen, verführt nach befondern Regeln, Allein nichts 
befioweniger begreift man nit, wie eine civilijirte Regie— 
rung zugeben kann, daß ein fulbes Tribunal nach den ihm in 
einem beſondern miniſteriellen Schreiben vorgeſchriebenen In: 
ſtruktionen verfahren ſoll, die fuͤr Jedermann, außer fuͤr das 
Miniſterium und das Tribunal, ein Geheimniß ſind, oder 
daß es ſich nur nach den gleichfalls geheim gehaltenen Inftruf: 
tionen des Monarchen rihten darf, Die neutralen Natio— 
nen, die im hoͤchſten Grad dabey inrereffirt find, daß das 
Prifengeriht regelmäßig und dem Voͤlkerrecht gemäß zu 
Werte gehe, und die, im dem mit und abgefhloffenen Trak⸗ 
taten‘, deßhalb befondere Stipulationen eingeruͤckt haben, 
wären berechtigt gewefen, dag gewaltthätige Syſtem, durd 
das jede Art von Neutralität zerfiört wurde, und die vielen 
Betrügereyen und Treufofigkeiten, die unter Napoleons 
Regierung zwölf Jahre lang Statt hatten, und durch die fie 
aufs Schändlichfte beraubt wurden, nicht länger, zu dulden, 
Das Prieſengericht ſchaͤmte fich felbft der. Rolle, die es "zu 
. fielen hatte, Napoleon ſchickte ihm einmal einen, von 
ihm felbft unterzeichneten, ſchriftlichen Befehl, miteinander 
zwölf, größtentheilg, amerifanifhe, Schiffe zu konfisziren. 
Dies geſchah mitten Im Frieden mit Amerifau Die Schiffe 
waren die Beute bewaffneter Schiffe, die mit ben Kapern 
von Danzig alle neutrale Fahrzeuge. in der Oftfee anhielten. 
Andere amerifanifhe Schiffe wurden in bemfglben Augenblid 
Fonfigzirt, da man die Zuruͤcknahme der Defrete von Berlin 
uud Mailand Öffentlich proflamirte. Sollte eine Frepfpres 
hung erfolgen, fo mufften die Urtheile bem Kaifer zuvor zur 
Unterſchrift vorgelegt werden, anfangs vom Juftizminifter 





unter Napoleons Regierung. ‚199 








dann vom Seeminifter und endlih vom KHandelsminifter. 
Man Fonnte nicht leicht den übrigens achtungwuͤrdigen Mäns 
nern, aus benen dieſes Tribunalbeftand, eine größere Be: 
ſchimpfung zufügen, als fie zu einer ſolchen Stelle zu ernens 
nen. Die Zolge war, daß die Richter felbft von den -anges 
fehenen Perfonen, mit denen fie ihre Amtegefhäfte im 
Berbindung festen, mit der größten Verachtung behandelt 
wurden. - 


XVIII. Generalpolizey. 


Nun haben wir noch von dem Polizenminifterium 
zu fpredien, das erft während der Revolution entſtanden 
und eines der thätigften, fo wie ber verhaffteften Werfzeuge 
von Buonaparte’s Tyranney geworben ift, ohne deffen: 
Abfhaffung wir niemals an die Aufhebung der Tyrannen 
glauben koͤnnen. Hier werden vier bis fünf Millionen vers 
wendet, um ein äußerft zahlreihes Perfonale und außerdem 
noch Spivnen von jedem Stand und Alter zu unterhalten.- 
Die Ausgaben diefes Minifteriums werden noch außerdem im 
ganz Frankreich vermittelft der geheimen, aus ben Spielhäu: 
fern und Bordels bezogenen, Abgaben erhoben. Am meis 
ften fofteten die Spionen. Und im Grunde erfuhr man von 
ihnen weiter nichts, als was Jedermann ſchon muffte ; daß 
nämlih die Nation in Verzweiflung war, der Willtär einer 
Regierung übergeben zu feyn, die fih nur mit Projekten von 
neuen Unglüdsfällen und Bedrücungen, die über fie ver: 
hängt werden follten,, befchäftigte. Die Ambulirenden Bes 
amten dieſes Minifteriums braten in alle ihre Berichte eine 
gewiffe Dofis von Erbitterung und von Feindfeligfeit gegen 
die Nation; die in Paris angeftellten Beamten verarbeites 
ten biefe Berichte und entwarfen aus denfelben dag Gemählde 
des Zuftands der Dinge im Innern, das dem Kaifer regel- 
mäßig vorgelegt werden muffte. In-diefem Minifterium war 


* 


209 Fe Frankreichs Zuſtand 


dag Monopol aller fremden Journale und Zeitſchriften, des 
ren Leſung ben Bewohnern Frankreichs fireng unterfagt 
war, damit fie nicht das Urtheil von Sgriftſtellern, die ji 
nob Napoleons Joche zu entziehen gewufft hatten, über 
ihre Regierung erfahren follten. - Bon bier ging das beruͤch⸗ 
tigte Syſtem bes DObffurantismus aus, dad alle denkende 
Menſchen mit geifiigen Feſſeln zu umſtricken bezweckte. 
Dieſes Miniſterium, das ſich das Organ der oͤffentlichen 
Meinung nannte, ſpielte unter Napoleon dieſelbe Rolle, 





‘die ein Beichtvater bey einem aberglaͤubigen Fuͤrſten ſpielt. 


So wie der Beichtiger alle Hebel des Gewiſſens in Bewe— 
gung fegt, fo bewegte bey Napoleon der Polizepminifter 
alle Hebel des Schreckens und der Furt, die auf feinen Herrn 
wirken konnten. Wie wirffam muffte die Gewalt eines Mis 
nifterd feyn, der jeden Morgen und jeden Abend beim Kaifer 
fagen konnte „die Meinung ift diefer oder jener Maßregel 
entgegen‘’ und der feine Angabe durch die Berichte, die er feis 
nen Spionen vorf&reibt, zu belegen im Stande iſt. Durch 
biefe Spionen hält er ſtets den Stab über alle feine Kollegen 
gehoben, „Nehme dich wohl in Acht, fagte der Polizeypraͤfekt 
zu Fourcroy, ich ſetze dich in eine Konſpiration.“ Der Po: 
lizeyminifter kennt alle unvorfihtige Reden, alle verwegene 
Bemerkungen, alle Gewaltmißbraͤuche, alle Fehler feiner Kol: 
legen, alle Vergehen, die fie begeben oder zulaffen, Er iſt 
ber Oberbenunciant, ber wahre Groginquifitor des Staats, 
Es ift leiht einzufehen, wie fehr-alle feine Kollegen ſuchen 
mufften, durd Gefälligfeiten jeder Art fein Stillſchweigen 
ober feinen Edelmuth zu erfaufen, Dean hat einen fehr be: 


ruͤhmten Miniſter mit thränenden Augen dad Kabinet des 


Dolizepyminifters verlaffen fehen, 
Diefer Minifter mifht fi in alle Angelegenheiten; Ders 


mittelſt feiner Berichte über die fremven Zeitungen hat er 


Einfluß auf die Verhältniffe mit auswärtigen Höfen, und 


kann dem Oberhaupt ber Regierung eine politifhe Arbeit 


unter Napoleons Regierung. 201 


En 40U — — —ñ —ñ— EEE 
vorlegen, die geeignet iſt, den Vorſchlaͤgen des Miniſters 
der auswärtigen Verhaͤltniſſe das Gleichgewicht zu. halten, 
Sm Grunde fpielte er unter Napoleon die Rolle eines 
Premierminifterse. Uebrigens waren in ganz Frankreich alle 
Staatsgefängniffe unter feinem Befehl. Wer zu ihm beru: 
fen wurde, bielt fi bereite für beftimmt, einen Kerker bes 
wohnen zu müffen. Der Minifter hatte alle Mittel in Haͤn⸗ 
ben, um Jeden, ber in irgend einer Dinficht feiner Autorität 
widerfirebte, feinem Willen zu unterwerfen. Gavary 
empfing einmal einen Buchdrucker, der gegen die Konfisfas 
tion eines Werks reflamirte, das mit Erlaubniß des „Bu⸗ 
reau des Gemeingeiftes’ gedruckt, nichtsdeſtoweniger aber 
ohne alle Entfbäbigung vernichtet worden war, Er wieß 
fein Begehren ab, und als der Buchdrucker feine Bitten wies 
berholte, fagte er ihm: ‚Wir haben überdies eine alte Rech⸗ 
nung in Drbnung zu bringen, "— Welche, gnädiger Herr? — 
Haben Sie niht Kritifen gegen die und die Komödie ges 
druckt?“ Es war von nichts Geringerem die Rede, ale 
von einem Schaufpiel, das ber Minifter begünftigt hatte, — 
Ein Andrer beklagte fih bey Savary über eine fehr lang; 
wierige willfürlibe Verhaftung, die er ausgefianden hatte, 
und wegen der er Genugthuung begehrte: „Aber, ich kenne 
Sie ja fhon yon lange her; ic habe Gie in Egypten geſe— 
ben, wo Sie ein Spion von Sidney Smith waren, 
Heh da! man führe auf der Stelle diefen Mann da in's Ge: 
faͤngniß!“ Er wurde fogleih nah Pierrefitte gebradt, wo 
er aub bis zu Napoleons Sturz geblieben ift. — Wer 
fid einmal in einem ÖStaatsgefängniffe befand, hatte wenig 
Hoffnung, je wieder frey zu werden, oder vor ein Tribunal 
gebracht zu werden. Dies Fonnte nur durch Empfehlung 
von Seiten der Umgebungen des Minifters gefhehen. An 
dieſe muffte man ſich durch Freunde oder durch fehr lange Um: 
wege wenden. Sidney Smith und die Herren von Po= 
lignae koͤnnen uns fagen, durch welde Mittel es ihnen ges 


202 Frankreichs Zuſtand 
u EEE 


lungen ift, ihre Kerker wieder verlaffen zu dürfen, ine 
der gewöhnliben Drohungen Napoleons und feines Mi— 
nifierd gegen Perfonen, die den hohen Zorn diefer beyden 
Machthaber auf fi geladen hatten, war: „Ich werde Sie in 
einer tiefen Grube verfaulen laffen.” Mehreren diefer Uns 
gluͤcklichen iſt Wort gehalten worden, 

Außer der Willtür ben den Verhaftnehmungen war ob: 
ne Zweifel die eingeführte Theorie des Paßſyſtems das thaͤ⸗ 
tigfte, von. der allgemeinen Polizey erfundene, Werkzeug 
der Tyranney. Noch vor. dreyfig Jahren hätte fih Alles 
bey dem bloßen Gedanfen empört, daß ein befannter, an: 
fäffiger, ein — wie fib unfre Vorfahren ausdrüdten — 
unter Dab und Fach befindlider Mann gehalten fey, gleich 
einem an den Grund und Boden gefeffelten Leibeigenen einen 

Pas zu nehmen, um feinen Wohnbezirk verlaffen zu Pönnen. 
Und dennoh haben ehemalige Feidenfhaftlihe Freunde der 
Sreyheit, fo wie warme Vertheidiger der alten Monardie, 
der Ordnung gemäß befunden, uns Alle gefangen zu halten, 
wenn wir nicht mit einem Paß verfehen find, ber und ber 
Auffiht aller Unterbefehlshaber und Soldaten der Gensbar: 
merie unterwirft, die das Recht haben, und jede beliebige 
Frage vorzulegen. Da es nicht möglich ift, daß ſich die 
Machthaber felbft einem fo entehrenden Regiment unterwer: 
fen, fo waren auch die in Anfehung der Paßgeſetze gemachte 
Ausnahmen fehr zablreih. Die Großmwürbeträger des Reiche, 

der Generalftab der Armee, der Senat, die Diplomatiter 
wufften ſich ſolche Ausnahmen zu verfhaffen, und ertheilten 
ſich felbft gegenfeitig Päffe, „Ich werde mich wohl — fagte 
ein Mann, der einen anfehnlihen Plag bekleidete — auf 
die Baͤnke im Vorzimmer der Polizey: Präfektur neben die 
Schufte fegen follen, die daffelbe täglich anfüllen, um einen 
Paß zu erhalten.” , Der Mann hatte im Grunde nit Un 
recht, denn man muffte nur das täglihe Schaufpiel einer 
folgen Paßertheilung fehen, um. darüber empört: zu. werden, 





unter Napoleons Regierung, ». 203 








wie man rechtliche Leute in die Reihen des Haufens von 
Elenden verſetzte, die dort jeden Tag verſammelt waren. Am 
Ende ertheilte man jeder, nur einigermaßen wichtigen, Ber 
hoͤrde das Recht, ihren Angeftellten die erforderlihen Paͤſſe 
felbft zu ertheilen. Alle mufften jedoch ihr Haupt vor der 
Generalpolizey beugen, ihr zu den Paͤſſen beftimmtes Pas 
pier haben, und ihr den dafür feftgefesten Tribut bezahlen, 
Indeffen blieben no immer neun und neungig Hundertel der 
Nation Äbrig, die fih genoͤthigt ſahen, um nicht einer Vers 
baftung ausgefegt zu feyn, in den Präfekturen der Departes 
mente ober in der Parifer Polizey: Präfektur ihre Päffe zu 
nehmen, Es ift dringend, diefen Zweig unfrer revolutionds 
ren Geſetzgebung abzuändern, und die nichtigen Vorwaͤnde, 
unter denen man diefelbe bisher beybehaften hat, einmal zu 
befeitigen, 

Die Polizey von Paris verlor ihren vorzuͤglichſten Zweck, 
fuͤr die Sicherheit und das Gemeinwohl der Hauptſtadt zu 
ſorgen, gaͤnzlich aus den Augen, ob fie gleich die Munizipalis 
tät der Auffiht über die Märfte und Straßen beraubt und 
fogleih, zu ihrem Vortheil, ein Monopol eingeführt hat. Ihr: 
Hauptgefhäft befiund im Ausfpioniren und in Pladereyen 
jeder Art, Zu ihrer Verfügung hatte fie eine befondre Gar: 
de, Munizivalgarde genannt, von 6000 Mann. Es war: 
dies ein Mittel, die Bewohner der Hauptfiadt 6000 Pete: 
ranen befolden zu machen, und bie Zahl der Werkzeuge der 
Zyranney daſelbſt zu vermehren, 

Die Polizey der Hauptfladt war dem Miniſter nicht un⸗ 
tergeordnet, weil Napoleon aus weiſer Vorſicht ſich nicht 
der Diskretion eines ihm ſelbſt furchtbaren Miniſteriums 
überlaffen wollte, und daher dieſe Polizey von ber im übri: 
gen Sranfreih abfonderte, Er hatte außerdem die Polizey; 
des Generalſtabs der Divifion dem General Hulin, die; 
der Gensbarmerie dem General Moncey, und die des Ka⸗ 
binets einem feiner Adjutanten übertragen, und glaubte durch 


204  Branfreihe Zuftand 


Te — — — — — — 
dieſe Trennung der Gewalten einer und derſelben Behörde 
ſich hinlaͤnglich geſichert zu haben. 

Eine von der Polizey zwar unabhaͤngige Verwaltung, 
die ihr aber doch als maͤchtiges Huͤlfmittel dienen ſollte, iſt 
die der Poſten. Ihre Aufſicht uͤber den Dienſt der Brief⸗ 
und Pferde-Poſten, die man hier in einem Centralpunkt vers 
einigt hatte, war unbedeutend, denn ihr Hauptgefhäft war 
die Erbrebung der Briefe, um in alle Familien: Geheimniffe 
eingeweiht zumerden, um zugleich, unter dem Vorwand ber 
Sicherheit des Staats, alle Gefbäfte fuspendiren, alle 
freundfchaftlide Mittheilungen hemmen, und jede Korrer 
fpondenz unterbreden zu können. "Allein diefes Geſchaͤft 
wurde für zu wichtig gehalten, um einem Minifter übertra: 
gen zu werden, der alle andre Zweige des eingeführten 
Spionen:Syftems in feinen Händen vereinigte. Es wurde 
daher einem Generaldireftor übergeben, der mit dem Ober: 
haupt der Regierung felbft arbeitete, und den Kaifer durd 
die Mittheilungen, die er ihm zu maden im Stande war, 
unmittelbar von allen Entdeckungen, welde die Eröffnung 
der Briefe darbot, benachrichtigte. Außer den geheimen 
Bureaus in Paris waren überdies in ganz Franfreih, unter 
der Benennung von Poftinfpeftoren und Poſtſekretaͤren, 
ein Heer von Beamten angeftellt, die mit Unferfuhung ber 
Briefe in allen Poftämtern von einiger Wichtigkeit beauftragt 
waren. Briefe, die geöffnet waren, und nicht unterbrückt 
werden follten, wurden mit Zurädlaffung der frechſten Spu: 
ren ihrer Eröffnung an ihre Adreſſe abgeſchickt. Defters 
fuspendirte man, um ſich die Mühe einer Unterfuchung zu 
erfparen, die Korrefpondenz einer ganzen Stadt, zuweilen 
auch eines ganzen Landes. Als die Poftverwaltung dem Hrn. 
Bourienne übertragen wurde, fand er in ber Öeneral: 
Direktion eine ungeheure Zahl von Briefen aus dem Aus: 
fand, die nicht feit drey Jahren, wie man verfiherte, ſon⸗ 
bern feit fieben Jahren dafelbft aufgehäuft waren. Es laͤſſt 


' 


unter Napoleons Regierung. 205 


fih leicht begreifen, welchen Schändlikeiten, Angebereyen 
und Gelderhreffungen fih eine Verwaltung überlaffen fonnte, 
die alle Geheimniffe und alle Gefhäfte gewiſſermaßen in ihz 
ren Händen hatte. Die Korrefpondenz mit einigen Ländern, 
zum Beyſpiel mit England, war nur einigen privilegirtem 
Derfonen geftattet, die dadurch in den Beſitz des Monopols 
der Gefhäfte mit diefen Staaten gelangten. Demungeachtet 
findet man in unfern neuern Geſetzen fhwere Strafen über 
alle diejenigen verhängt, die fih erlauben, das Poftgeheims. 
niß zu verlegen! | 

Uebrigens war die Korrefpondenz zur See nod weit: 
ſchwieriger, ald die zu Land. Eine befondre Gefeßgebung, 
bie von einem Chef von Sklaven, welche jeden Augenblick 
fi zu empören bereit find, herzuruͤhren ſcheint, entreißt je=. 
dem Schiffe und jedem Reifenden, die in unfern Häfen ans. 
Sommen, die Briefe und Zeitungen. Konfisfation des 
Schiffs und der Ladung ift die,. auf die Nichtbeobachtung 
diefes Reglements gefegte, Strafe. Die Briefe und Zeis- 
tungen dienen zuvoͤrderſt zur Befriedigung ber Neugierde der 
General: und Spezial: Polizeyfommiffäre,.die fib dadurch 
von allem dem unterrichten follten, was außerhalb dem grofs 
fen Gefängniß vorging, mit deffen Bewachung fie zum Theil 
beauftragt waren. Won da gelangten fe nah Paris, wo 
nur die, in die Geheimniffe des Generaljtabs der Polizey 
eingeweihten, Perfonen fie lefen durften. Allen Andern 
waren die fremden Journale gänzlich unterfagt, und bie Ge: 
neralbdireftion der Poften hatte ben befondern Auftrag, dar⸗ 
über zu waden, daß keine in Umlauf fommen konnten. 

Die ſchoöͤnſte Blume in der Krone des Polizey:Minifte: 
riumd war die Leitung der öffentliben Meinung, die bemfel: 
ben befonders übertragen war. Diefe wichtige Angelegenheit. 
wurde ber britten Abtheilung ded Minifteriums anvertraut, 
die zuerft den Hrn. Esmenard, und nad deſſen Tod den 
Hrn, Etienne zum Chef hatte. Der Letztere erhielt une, 


206 Frankreichs Zuſtand 


ter Savary's Miniſterium einen Gehalt von 42,000 Fr., 
worin freylich feine Befoldung ald Cenſor des Journal de 
YEmpire mit einbegriffen war. In diefer Abtheilung be: 
fanden ſich dud die Cenſoren aller dramatifhen Produkte. 
Veberhaupt durfte in Frankreich nichts gedruckt werden, wenn 
es nicht zuvoͤrderſt hier burchgefehen war. Keinem Zeitungs 
Verfaffer in einem Departement war geftattet, irgend einen 
politifhen Artikel in fein Blatt. aufzunehmen, ber nicht aus 
einem Parifer Journal entlehnt war, Diefe Magregel hatte 
den doppelten Zweck ‚jede freye Aeußerung zu unterdruͤcken, 
und den Pariſer Zeitungen eine größere Zahl von Abonnen: 
ten zu verfhaffen, weil man auf biefe Zeitungen mehreren 
begünftigten Literatoren Penfionen angewieſen hatte: Um 
zugleih die Abnehmer "des Gefeb:Bulletins, von beffen Er: 
trag die vornehmften Staatd:Beaniten eine jährliche Gratifi« 

kation erhielten, und des Moniteurs, deffen Eigenthämer 

der Staatöfefretär war, zu vermehren, durften die Depar: 

temente-Blätter bie ergangenen Defrete nicht abdrucken. In 
jedem Departement konnte nur eine einzige Zeitung erfdei: 
nen. Die Parifer Journale wurden auf vier rebüzirf, und 
das Eigenthum derfelben einigen begünftigten Perfonen in 
bie Hände gefpielt:e Um dazu zu gelangen, ließ man es 
nicht an Gewaltthätigkeiten gegen die bisherigen Eigenthuͤ— 
mer fehlen, wobey die Minijter eine Hauptrolle fpielten. 
Die Redaktion ded Moniteurd war eine der wichtigſten An: 
gelegenheiten des Kabinets geworden: Gie befhäftigte vor 
Allem den Staatsfetretär. Es durfte in diefes Blatt Peine 
Nachricht, felbft nicht aus dem Innern, aufgenommen wer: 
den, wenn fie nicht aus dem Staatsfefretariat fan, Man 
fah es als eine große Begünftigung ar, daß der Moniteur in 
ben legten Zeiten Artikel aus andern Parifer Journalen ent: 
lehnen durfte, bie doch im Grunde eben fo offiziell, als er 
felbft, waren. Es war dahin gefommen, daß bie Regie— 
rung die Wirkung ihrer eignen Zeitungen beforgte, Sie 





unter Napoleons Regierung. 207 
— — — — — 
fuͤhrte die Nation ihrem Untergang entgegen, und wollte 
dennoch nicht, daß irgend Jemand das gebotene Schweigen 
unterbreche. Der geringfuͤgigſte Umſtand, der geeignet war, 
Frankreich nur im Mindeſten auf ſeine Lage aufmerkſam zu 
machen, erregte ihre Aengſtlichkeit. Sehr haͤufig wurden 
der Erzkanzler und der Staatsſekretaͤr mit Vorwuͤrfen uͤber⸗ 
haͤuft, weil ſie die Einruͤckung einiger unbedeutender Artikel 
geſtattet hatten, in denen Napoleons argwoͤhniſches Auge 
oder einer ſeiner amtlichen oder geheimen Rathgeber die 
Sour irgend eines Gegenſtandes entdeckt hatten, uͤber den 
man haͤtte eine Beurtheilung anſtellen koͤnnen. Ein antiqua⸗ 
riſcher Artikel uͤber den Ort, wo Varus feine Niederlage 
in Deutſchland erlitten hatte, wurde von Dresden aus durch 
ein beſonderes Kabinetsſchreiben auf's Bitterſte getadelt. 
Niemals ſah man auffallender, in welche Vetlegenheit eine 
Regierung gerathen kann, wenn ſie ſich herausnimmt, ſelbſt 
alle Buͤcher und Zeitungen ſchreiben zu laſſen. 

Es iſt kaum glaublich, wie fehr Napoleon die Denk 
und Preßfrepheit untergraben, und wie viele Perfonen er 
gefunden hatte, bie diefen Zuftand der Dinge benugten, um 
ihren Einfluß zu vergrößern. Es ift eine Thatſache, daß es 
einigen proßen Chymiften und berühmten Mathematitern ge: 
lungen war, die Departentente der Chyntie und Geometrie 
mit einer wahren Tyranney zu beherrfhen, und daß im Mos 
niteur, der eine Zeitlang über Gegenftände der Phyſik und 
ber Künfte fein fouveraines Urtheil fällte, Beine Werke ans 
gezeigt werben durften, welde die Theorie dieſer Herren be 
kaͤmpfte. Um den Moniteur auch in literariſcher Hinſicht in 
dieſe Sklaverey zu verſetzen, bedurfte es nur einiger Worte 
Napoleons in einem feiner Abendzirkel. „Der Moni: 
eur — fagte er — hat eine ſchlechte Phyſik.“ Seitdem: 
war ed den Herausgebern diefes Journals nicht mehr geftats 
tet, etwas über diefe Wiffenfhaft ohne bie vorhergegangeng 
Erlaubniß Ger Matadors derfelben zu publizireu. Bey Ges 





208 Frankreichs Zuſtand 


legenheit des Erſcheinung von des Hrn. von Flaſſan Ge— 
ſchichte der franzoͤſiſchen Diplomatie erging em Dekret, wel: 
des die Bekanntmachung jedes, auf irgend einen Zweig der 
Öffentliben Verwaltung Bezug habenden, Werks, wenn es 
auch gleih von der Cenſur genehmigt worden, unterfagte, fo 
lange es nicht zuvor noch dem fompetenten Minifter vorgelegt 
und yon demfelben approbit war. Daraus folgte, daß in 
jedem Minifterium der gewöhnlibe Redafteur ‘der im bie 
Kournale oder Zeitſchriften einzurücdenden Artikel auch das 
ausſchließliche Recht hatte, über ſolche Materien gu ſchreiben. 
Man muß fih daher nit wundern, daß während Napos 
leons Regierung nur ganz unbedeutende Werke über bie 
öffentlihen Angelegenheiten erſchienen, und daß auch die vor: 

nehmmern Klaffen der Gefellfpaft gar feinen Unterricht über ' 
Gegenftände haben, die ihre Aufmerkfamteit in einem hoben 

Grade hätten feffeln folen. So muffte unfre Literatur ims 

mer mehr finfen. 

Selbft Werke verftorbener Gelehrter konnten biefer Ty⸗ 
ranney nit entgehen. Die legten Theile von Lesveques' 
ruffifher Geſchichte, die feine Wittwe drucken laffen wollte, 
fonnten nur nad vielfältiger Kaftration erſcheinen, bie je 
nach der Ankunft der politifhen Nachrichten aus dem Norden 
bald mehr, bald minder, beträchtlich waren. 

Bey einem folben Syfiem konnte kein Schriftfteller, 
ber ſich felbft achtete, es wagen, irgend ein Buch zu fehreis 
ben. Dumpfes Schweigen muffte in Anfehung aller nur eis 
nigermaßen intereffanter Gegenftände. herrſchen. Es wird 
daher begreiflih, wie bie Polizey felbft nur einen Fremden, 
den Dänen Malte:Brun, finden Ponnte, der die Mife 
fion übernahm, patriotifhe Gefühle bey einer Nation zu ers 
wecken, bey der ihre ganze Regierung, vom erften bis zum 
legten Beamten, nur Ekel oder Abſcheun erregen konnte, 

Die Abtheilung des Polizey: Minifteriums, Departer 
ment bes Gemeingeiſtes genannt, hatte eine fhwierige Ars 

beit, 








fr 


‘ 


ünter Napoleons Regierung. 209 








beit, und es bedurfte ganz des gewandten Geiftes des Hrn. 
Esmenard, um diefelbe mit einigem Erfolg zu leiten. Es 
Fam auf nichts Geringeres an, als die Mitte zwiſchen der 
Mevolution, an die man auch das Andenken vernichten wollte, 
und der Dynaftie zu balten, deren Ruͤckkehr durch das Un: 
gluͤck Frankreichs erleihtert werden muſſte. Man follte bie 
Revolution verwünfben, und dennob die Nation vergeffen 
maden, daß fie von den blutigſten Theilhabern und den er» 
baͤrmlichſten Erben diefer Nevolution beberrfbt war, man 
follte das Unglücd beweinen, das fie verurfadt hatte, und 
dennoch unaufhoͤrlich Bannftralen gegen ihre Schlawtopfer 
ſchleudern; man follte die tollen Begriffe laͤcherlich maden, 
die fie feit fünf und zwanzig Jahren erzeugt hatte, und dene 
noch die Kortdauer derfelben unter neuen Karben lobpreifen, 
Es muffte endlich gegen Unordnung und Ausf&weifungen des 
klamirt und zu Gunften der abfoluten Gewalt gefchrieben, 
und dennod der Umfiurz bald dieſes, bald jenes Throns, 
bald diefes, bald jenes Staats, gepriefen, jeden Tag ein 
neued Verbrechen bewundert, und irgend ein neues öffent: 
lies Unglüc bis in die Wolken erhoben werden. 

Aus diefer feltfamen und entgegengefegten Direktion 
muffte eine gänzlibe Verwirrung der Begriffe bey den Unter: 
thbanen entforingen. Und gerade diejes wollte man: Fand 
man dann auch noch, daß irgend eine Meinung fib im Stils 
len über den Zuſtand der Angelegenheiten und bie traurige 
Zufunft, die vorauszujehen war, bildete, fo fand fi irgend 
eim literarifher Hanswurſt, der bereit war, bie Bühne zu 
befteigen, um das Publikum mit einer muſikaliſchen Disfuf: 
fion oder einer andern Erbärmlibfeit, mit einer Scaujviele: 
rin oder einer Kritit des Hrn. Geoffroy, des Schreckens 
des ganzer Parnaffes, der ein fehr nuͤtzliches Werkzeug in 
den Händen der Polizey war, zu beſchaͤftigen; und auf dieſe 
Weiſe eine vortheilhafte Diverjion zu Stande zu bringen. 

Solcher Mittel bediente man fih nah den Niederlagen 
@urop. Annalen, zıted Stüd. 131%. 14 


— 


210 Frankreichs Zuſtand 








in Rußland und bey Leipzig, um den oͤffentlichen Unwillen 
in Paris und in ganz Frankreich zu beſaͤnftigen. Auch Rey: 
niers Prozeß wurde zu diefem Behuf benust, bis endlich 
die Polizey fand, daß die Sache zu weit getrieben ward, 
und“ das Intereffe, das man an der Entfheibung des Ge: 
fbwornen:®erihts nahm, beunruhigend wurde, fo daß bie 
Journale Befehl erhielten, ihre Leſer nicht mehr fo viel von 
den Sitzungen der Tribunale zu unterhalten. 

Der große Erfolg, den man zu erreihen tradtete, be— 
ftand darin, flets neuen Betrug zu erfinden, die Nation 
über ein nachtheiliges Ereigniß oder über eine tyranniſche 
und druͤckende Maßregel zu bethören, die oͤffentliche Auf: 
merkſamkeit auf einen andern Gegenftand zu leiten u. f. w. 
Zu diefem Zweck wurden Geiftlihe und Philofophen, ehe: 
malige Sefretäre und Vertraute von Emigranten, Gelehrte 
und Literatoren jeder Art, felbft Weiber in Bewegung gefeßt, 
und — im eigentlihen Sinne des Worts — gedungen. 
Der Minifter verfammelte fie gewöhnlih jede Mode einmal 
zum Fruͤhſtuͤck, und ertheilte ihnen fodann feine Befehle über 
die Richtung, bie fie, die folgende Woche über, der Literatur 
in Zeitſchriften, Sournalen und Flugblättern geben follten. 

Bey diefer wichtigen Arbeit war es in der That auffal: 
lend zu bemerken, daß die oberfien Direktoren, das heißt, 
Napoleon und feine Minifter, über die Ark zu operiren, 
felbft nit einig waren. Der Polizey:Minifter brach unauf: 
hoͤrlich Lanzen, damit die Richtung der oͤffentlichen Meinung 
in einem Sinn erhalten würde, welder der Revolution günz 
fig war, wenn fie auch ſchon verſchrieen werden follte; wäh 
rend der vom Kabinet ausgehende Trieb und die Inftrußtio: 
nen für die Verfaffer der häufig abgeforderten Denkſchriften 
über den Zuftand des Öffentlichen Geiftes ſtets antirevolutio: 
när lauteten. Die fubtilften Unterfheidungen des Janſenis— 
mus und Molinismus fommen bdiefem läderliben Streit 
nicht bey, aus dem man fich die feindfelige Stellung der mei: 


unter Napoleons Regierung. j all ı 








ften Journale und mehrerer fehr angefehener Perfonen gegen 
das Journal de ’Empire und befonders gegen Geoffroy 
erklären kann, der die Sachen bey ihrem Namen nannte und 
alle revolutionären Vergätterungen fünfzehn Jahre lang mit 
Kraft und Nabdrud angriff.e Der Kaifer beiuftigte ſich bey 
den Grimaffen feiner Minifter und mehrerer feiner erften 
Staatsbeamten, bie in der Revolution große Rollen gefpielt 
hatten, wenn ihnen zuweilen in feiner Gegenwart Geof: 
froys Journal vorgelegt wurde, der bie große Freyheit, 
die man ihm abfihtlich ließ, trefflih zu benugen wuffte, um 
diefen Herren harte Stöße zu verfegen. Sie hielten fid 
dur ihre Größe vor dem Sturm der Öffentlibeh Meinung 
gefihert, welchen die Schriftfteller und Journaliſten diefer 
Schule gegen fie erregten, und der am Ende ihren Untergang 
bereitete. Und dennoch mufften diefe Revolution: Helden, 
bie nun mit Bändern und Sternen überhängt waren, und 
die Namen von Prinzen, Herzogen oder doch wenigftend 
- Grafen führten, nicht dergleihen thun, ale ob fie fib in den 
Gemählden, die hier dargeftellt wurden, wieder erfannten.... 
Bon oben herab bewährte es fih aber immer mehr, dag Al: 
les auf einen abfiheuliben Sultanismus abgefehen war,” und 
daß die gefammte Literatur, mit einigen wenigen ehrenvollen 
Ausnahmen, bereits diefer fhädlihen Impulſion gehorcht 
hatte. 

Auch die kaiſerliche Univerſitaͤt diente ganz zu dieſem 
Zweck, und verbreitete eben dieſes Syſtem in allen Theilen 
des oͤffentlichen Unterrichts. Dieſe Inſtitution war im Grunde 
weiter nichts, als ein Huͤlfmittel, um dieſe verkehrten Ideen 
und Grundſaͤtze unter allen Klaſſen des Volks in Umlauf zu 
bringen, und vorzüglich dem Geifte der aufwachſenden Gene: 
ration einzuprägen. Wer noch daran zweifelt, darf nur die 
Perfügungen bes Dekrets vom 17. September 1808, wo: 
durch "die Grundlagen des Unterrichts feſtgeſetzt werden, ge: 
nau unterſuchen. Dieſe Grundlagen beftehen in nichts weis 


212 Frankreichs Zuftand 


ter, „als in der Treue für den Kaifer, für die Paiferlide 
„Monarchie, ald Depojitar des Glüds der Völker, für 
„die Napoleonſche Dynafiie, der Erhalterin von Frank— 
„reichs Einheit und der dur die Konfliturionen proflamirz 
„ten liberalen Ideen.’ Was verfieht man, und was kann 
man unter der Faiferliben Monarchie anders verfiehen, als 
die Univerfalmonardie, die, Napoleon in Erfurt gegruͤn⸗ 
zu haben glaubte...... | 

In diefer Univerfität wurde alleuthalben zu Paris und 
in den Departementen, im Angefiht von gan; Europa, ge: 
lehrt, daß wir Napoleon Alles verdanken, wenn er und 
gleih Alles, felbjt ven freyen Gebrauch unfrer Gedanken, ge: 
raubt hatte; daß die alte Literatur nur ihres Periodenbaug 
wegen ſtudirt werden folle; daß, die Geſchichte zu weiter 
nichts tauge, als um zu beweifen, daß bie Regierungen ſich 
nur durch Gewalt behaupten koͤnnen; daß der Geift der alten 
Republiten verabfheuungwärdig fey; daß aber alle Jüng- 
linge, von ihrer zartefien Jugend an, die Waffen führen muͤſ⸗ 
fen, um als wahre Janitfharen: Miliz einer gegen ihr eignes 
Bolt und die ganze Welt bewaffneten Regierung zu dienen; 
daß es. unnöthig fey, etwas von unfern Staats-Veraͤnderun⸗ 
gen zu wiffen, als daß die Regierung der Bourbonen, 
ihrer Schwachheit wegen, unterzugehen verdient habe; daß 
alle Kenntniffe und Talente weiter. nichts feyen, ale zweds 
mäßigere Werkzeuge der Intrigue, Mittel, um mit größes 
rem oder geringerem Erfolg im Angefibt der Voͤlker und der 
Könige aufzutreten, und feine Rolle zu fvielen u. ſ. w. 

Um diefen edeln Zwed zu erreiben, verband fidh bie 
kaiſerliche Univerfirät mit der Oberdireftion des Buchhandels, 
um für unfre Kinder und Juͤnglinge die Elementarbuͤcher um⸗ 
zuarbeiten, die bisher beym oͤffentlichen Unterricht zum 
Grund gelegt worden waren. Die Klaſſiker, durch die ſich 
bie Männer des 17ten und ı8ten Jahrhunderte gebildet hat: 
ten, waren für unfre Jugend nicht mehr tauglich, die einft 


unter Napoleons Regierung. 213 


—— — — — — — 


den klaſſiſchen Boden des Despotismus bewohnen ſollte. 
Selbſt die franzoͤſiſchen Schriftſteller des 17ten Jahrhunderts 
wollte man ummodeln, um aus denſelben alle Stellen zu ver— 
draͤngen, die der Tyranney nicht das Wort ſprachen. Den 
Auftrag zur Verfertigung der neuen Elementarwerke erhiel— 
ten Leute, die bisher, der Nation nur durch Muſenalmanache, 
Durch leicht errungene Triumphe in belletriſtiſchen Akademien 
und durch philoſophiſche Deklamationen bekannt geworden 
waren. 

Das ganze gebildete Europa * ſich gegen das Sy⸗ 
ſtem, in Paris die unmittelbare Leitung des oͤffentlichen Un: 
terrichts zu centralifiren, alle Privat : Unterrihtsanftalten 
aufzuheben, und einem Günftling des Staats-Oberhaupts — 
Großmeiſter der Univerfität genannt — die Ernennung als 
“Ser Profefforen, die Verwaltung aller Stipendien und für 
den Unterricht beflimmten Summen zu übertragen, und 
durch diefe Einrihtung die Tyranney immer mehr unb mehr 
zu begründen. 


Schlußbemerkung. 

Nur durch die gaͤnzliche Zerſtoͤrung der Tyranney und 
des Despotismus, deren Wirkungen wir beſchrieben und de— 
ren Mechanismus wir unterſucht haben, kann die franzoͤſi— 
ſche Nation wieder Gluͤck und Ruhe finden. All' ihr Ungluͤck 
entſpringt aus einer einzigen Quelle, der fehlerhaften Ver— 
theilung der Gewalten, oder vielmehr der Vereinigung aller 
Gewalten in den Haͤnden des Oberhaupts der Regierung, 
der dieſelben wieder unter ein Dutzend ſeiner Veſſiere ver— 
theilte, die er nach Gefallen ein- und abſetzte. Die Grund— 
lagen, auf welchen die Erhaltung der oͤffentlichen Freyheit 
beruht, ſind eine thaͤtige und fortdauernde Mitwirkung der 
beyden ariſtokratiſchen und volksvertretenden Gewalten mit 
den Operationen der Regierung; dieſe allein bilden vereint 


214 Garnot. 





die fouveraine Macht, und- begründen das Glüd des Volks. 
Die Nation muß beforgen und beforgt noch, daß die konſti⸗ 
tuirten Behörden das Syftem fortfegen, deffen Gebrechen in 
allem Vorbergehenden befhrieben worden find. Wenn wir 
nit vor diefem Spftem, feinen Formen und feinem Geifte 
völlig abgehen, fo haben wir keine Ruhe zu hoffen. 





Anmerkung. Hr. Pichon, der Verfaſſer diefes 
Intereffanten Werks, aus dem wir unſern Leſern das Merf: 
wärdigfte mitgetheilt haben, und das im jeder Hinficht das 
vollftändigfte und befie aller bisher erfhienenen Schriften 
über den innern Zuftand Franfreibs ımter Napoleon ift, 
wurde vor Kurzem als Maitre des Requetes in ben fünig- 
lichen Staatsrath berufen, und bat daher nun alle Gelegen: 
beit, zur Reform der franzoͤſiſchen Staats-Verwaltung auf's 
Kräftigfie mitzuwirfen, - 





| III, 
Carnaot. 
CAnhang zu dem, in das ſiebente Stuͤck 1815 der Anualen 
eingerüdten, Auffaß.) 





Seit ber Bekanntmachung feiner Denkſchrift an den Kb: 
nig hat Carnot wieder neue fonderbare Ereigniffe erlebt, 
und eine Zeitlang eine fehr bedeutende Rolle gefpielt, Man 
hatte ihn mit einer pveinlihen Prozedur bedroht, weil er an: 
geblih feine Denkſchrift felbft herausgegeben hatte, die in 
jeder Hinfiht von großer Wirkung auf die oͤffentliche Mei: 
nung war, obgleih ihr Verkauf fireng unterfagt wurde. 
Mehrere Buchhändler, bie das Verbot nicht beobachteten, 


Garnot. 215 


waren verhaftet und den Tribunalen übergeben worden, allein 
gegen Sarmot felbft wagte man nichts zu unternehmen. 
Er lebte in häusliher Stille und Ruhe im Kreife feiner Fa: 
milie bis zur Rüdtehr Napoleons von der Inſel Elba. 
Diefer fand feinen Zweden angemeffen, fih mit Männern 
zu umgeben, die bey der Nation in Kredit flanden, Er er: 
nannte daher Carnot zum Minifter des Innern, und be: 
feitigte, wenigſtens anfheinend, den alten Groll gegen den 
Mann, der fi feiner Ernennung zum Souverain des frans 
zöjifhen Volks vormals ſo lebhaft widerfegt hatte, und bey 
mehrern Gelegenheiten als furdtbarer Gegner feiner despo— 
tifhen Magregeln aufgetreten war. Garnot nahm bie 
Stelle an, und bewährte fih in derfelben wieder, wie bors 
mals im Direftorium, als thätiger Verwalter. Zeft ent: 
ſchloſſen, fih allen despotifhen Magregeln Buonaparte’g 
zu widerfegen, wenn biefen gelüften follte, das alte Syſtem 
wieder aufzuftellen, verband er fich zu diefem Behuf mit meh: 
rern Staatsmännern, die in. der Regierung und in den bey: 
ben Kammern bedeutende Rollen fpielten. Allein das Schick— 
fal geftattete Napoleon nicht, Franfreih aufs Neue zu 
"beherrfhen. Kaum als Fluͤchtling aus der Schlabt von Was 
terloo nah Paris zurücgekehrt, fah er ſich genöthigt, der 
Regierung zu entfagen, um ber angebrohten Abfesung aus: 
zuweichen. Garnot wird vorzüglich unter denjenigen ge: 
nannt, die ihn zur Entfagung beftimmten. Die beyden Kanıs 
mern ernannten nun eine proviforifche Regierung Kommiffion, 
und Carnot war der Erſte, der in diefelbe erwählt wurde. 
Nah dem Einräden der verbündeten Truppen in Paris löste 
fib die Kommiffion auf, und Ludwig ber XVIII. beftieg 
‚aufs Neue den Thron feiner Ahnen. Während nun einem 
Mitglied diefer Kommiffion (Fouch é) das vielleiht wichtig: 
fie Minifterium — das der Polizey — übertragen wurde, bie 
drey andern Mitglieder derfelben Behörde, Saulaincourt, 
Guinette und Grenier ruhig in’s Privatleben zuruͤck— 


216 \ Sarnot. 
vo 

traten, und das Publikum fogar ziemlich allgemein Sarnot 
das noch erledigte Winifterium des Innern wieder beflimmte, 
erſchien eine koͤnigliche Ordonnanz (vom 24. Juli) in welcher 
fib Garnotjunvermuthet in der Reihe derjenigen aufge: 
zeichnet fand, die Paris verlaffen mufften, und unter die 
Aufſicht des Polizey:Minifters geftellt wurden, bis die. bey: 
ben Kammern befoloffen hätten, welche von diefen Proſcri— 
birten aus dem Königreich verbannt, oder den Tribunalen zur 
Beftrafung übergeben werben follten. 

In Gefolge der Verfügungen diefer Drdonnanz hat fi 
Carnot nah Cerny bey Etampes begeben, und von dort 
aus eine vom 12. September datirte Vertheidigungfchrift feis 
nes Betragens feit dem ı. Juli 1814 herausgegeben. 

Diefe Schrift führt ven Titel: „Expose de la Con- 
duite politigue de M. le Lientenant-general Carnot 
depuis le ı" Juillet ı8ı4. Paris chez Madame Veuve 
Courcier ı8ı5. 

Nicht zu feiner Vertheibigung vor. den Kammern — 
erklaͤrt Carnot — mache er dieſe Schrift befannt, denn 

da in der Ordonnanz (im ten Artikel) eingeftanden wird, 
daß diefe Verfügung der Konftirution zuwider fey, fo glaube 
er nicht, daß die Kammern ſich mit der Volljiehung biefer 
Ordonnanz befaffen werden. Allein er halte für nothwendig, 
dem Publifum, das fich ftets leidenſchaftlos zeige, zu bewei— 

‚ fen, daß er die Achtung, mit der es ihn mitten unter den 
Berfolgungen jeder Art, die ihm zu Theil wurden, fort: 
bauernd beehrt habe, immer noc verdiene, und daß alle feine 
Gedanken und Handlungen immerfort das Glüd feines Va: 
terlandes beabjihtigt haben. 

Er unterſucht nun die Frage, warum unter allen in wirkfis 
her Aktivitaͤt befindliben Winiftern Mapoleons und unter 
allen Mitgliedern der Regierung : Kommifjion er der Einzige 
fey, den man in der Ordonnanz vom 24. Juli begriffen habe? 

Er verwirft die Idee, daß die Andern minder aufrichtig, 





Carnot. 217 








als er ſelbſt, gehandelt haben ſollen, und verſichert, daß ſie 
Alle insgeſammt eifrig in der Erfüllung ihrer Pflichten gewe— 
fen feven. Ihr Hauptzweck wäre immer gewefen, Frankreich 
vor jeder Zerftücklung, und Paris vor der Zerfidrung zu be: 
wahren, die Nationalunabhängigfeit zu behaupten, und dag 
-Blutvergiegen zu verhindern. In den Mitteln zur Erreie 
bung diefes Zwecks Pönnen fie verfhiedner Meinung gemefen 
ſeyn, aber den Zwed hätten fie erhalten. Er felbft habe da: 
zu fo viel möglih bengetragen , und berufe ſich deßfalls auf 
feine ehrenwerthen Kollegen, deren Arbeiten er getheilt habe, 
und von denen er nur durch die Drdonnanz vom 24: Juli ab: 
gefondert worden fey. | 

Carnot unterfuht mun die Urſache dieſer Behand: 
lung. Er vermuthet, daß diefelbe in feiner Denkſchrift an 
den König vom Juli I814 gefucht werden müffe. Er fieht 
nicht ein, wie man jest auf diefelbe zurüctommen koͤnne, 
da fie ihm zur Zeit feiner Erfheinung Peine andre Verfolgung 
zugezogen: habe, als die von Seiten einiger Sfribler, die 
Ihn in ihren Öffentlihen Blättern auf Befehl von Perfonen, 
die fie angeftellt hatten, heftig angegriffen haben. Es fey 
übrigens damals unterfucht worden, ob er felbft diefe Denk— 
ſchrift herausgegeben habe; dur eine gerihtlibe Inftruftion 
fey erwiefen, daß er: feinen Antheil an der Herausgabe ges 
habt habe. 

Ihm fen zwar wohl befannt, daß nab Napoleons 
Ruͤckkehr diefe Denkſchrift auf’s Neue verbreitet, verfälfcht, 
auf eine ärgerlihe Weife an allen oͤffentlichkn Orten in Paris 
verfauft worden wäre. Dies fey, jagt map, ber vornehmfte 
Klagpunkt gegen ihm, 

Man müffe ihn aber wenig fennen, um zu glauben, 
daß er zu der Zeit, da er ein fo wichtiges Minifterium vers 
ſah, ſich mit einer fo elenden Intrigue befhäftigt habe. Meh— 
rere Buchhändler hätten von ihm das Privilegium verlangt, 
diefe Schrift zu verkaufen; er habe aber Öffentlich feinen Un— 


218 | Garnot. 





willen über den Mißbrauch bezeigt, den man damit £riebe. 
Als Minifter des Innern habe er diefer Unordnung nicht 
fteuern können, fi aber darüber beym Polizey:Minifter und 
beym Kaifer felbjt beklagt; der Kaifer habe gar Feine Wich⸗ 
tigfeit auf die Sache gelegt; ber Pofizey-Mirffter hatte ibm 
verfibert, 1500 Franks dem Buchhändler ald Aufmunterung 
gegeben zu haben. Er müffe übrigens, nah der Befchaffen: 
beit der Veränderungen, die in den neuen Auflagen gemadt 
worden feyen, glauben, daß der Polizey:Minifter nur auf 
hoͤhern Befehl gehandelt habe. ° 

Dem fey aber, wie ihm wolle, fagt man, diefe Schrift 
‚ habe wenigfteng im Jahr 1814 alle Köpfe erhitzt; ohne die 
felbe hätte Niemand gegen die Maßregeln der Agenten ber 
Regierung reflamirt, Allein diefe Sprache babe man im vo: 
rigen Jahre nicht geführt. Damals hie ed, es fen nichts 
smbedeutender, als diefes Werk, es Fünne feinen Einteud 
machen, es enthalte nur falfhe Angaben, abgeſchmackte Un: 
terfubungen, auf eine alberne Weife vorgetragen. Es wa: 
ren alſo die Ausfälle der Gegner felbft, die diefer Schrift 
eine-fo bedeutende Wichtigfeit gegeben haben; fie waren es, 
welche die Zahl der Feinde der Regierung vervielfältigt und 
bie Krifis herbengeführt haben, indem fie die ſchon unrubigen 
Gemüther erbitterten, Er felbft habe. diefem Werke feine 
befondere Wichtigkeit gegeben, fondern nur merkwuͤrdige 
Wahrheiten befannt mahen wollen, Es follte anonym er: 
feinen. Auf die Denunciation, die man der Polizey ge 
macht, habe er ſich als Verfaffer angegeben. Es follte un: 
ter dem Titel: „Weſentliche Beftandtheile einer gerechten 
Freyheit und einer gefegmäßigen Macht erfheinen. Unter 
biefem Titel fey ed auch gedruckt worden. 

. Im Grunde war ed weiter nichts, als die Zufammen: 
ftellung einzelner Fragmente eines viel beträchtlibern Werks, 
das er babe herausgeben wollen. Die Umftände hätten ihn 
beftimmt, diefe Fragmente befannt zu machen, ohne viele 


Garnot. 219 





Drödnung in bdiefelben zu bringen. Dieſe Umftände Pannte 
Jedermann. Denn es fey allgemein befannt, daß man of: 
fenbar auf die heftigfte Reaktion ausging, daß man mit eis 
ner gewiffen Affeftarion die Konftitution mit Füßen trat; 
dag alle Berfpredungen des Königs ohne Scham und Scheu 
durch feine Agenten eludirt wurden ; daß man vorzüglich fuchte, 
die Vertheidiger des Waterlandes hintanzufegen; dag Alle, 
die irgend einen Antheil an der Revolution genommen haiten, 
einer Proferivtion geweiht, in ihrer Ehre, in ihrem Leben 
und ihrem Eigenthum bedroht waren, Diefe Thatſachen 
ſeyen notorifh, Auch die der Regierung ſehr ergebnen Per- 
fonen haben dieſes auf dev Rednerbühne eingeftanden, und 
feitdem habe, es der König in feiner Proffamation aus Cam: 
brai vom 28. Juni felbft zugegeben. Man hätte zwar ſchwei⸗ 
gen, man hätte fih bedrohen, verläumden laffen Finnen! 
Allein dürfe man wohl es denen als ein Verbrechen auslegen, 
welche die Vollziehung der täglich zu ihrem Nactheil verleg: 
ten Gefege begehren, wenn diefe Gefege zugleich ein fürm: 
liber Bruch der feyerlicften Verpflichtungen feyen? Man 
habe den Franzofen fo oft vorgeworfen, daß fie nicht ben 
Muth gehabt hätten, fib der Tyranney von Napoleon 
. zu widerfegen; man koͤnne es daher auch nicht Übel finden, 
wenn fih eine Stimme gegen den neuen Minifterial:Despo: 
tisurus erhebe, den man auf den Trümmern des Faiferliden 
Despotismus gründen wolle, befonders wenn diefe Stimme 
die eines Mannes ift, der fi bereits gegen ben erften Des: 
potismus erhoben hatte. Diejenigen find alfo nicht ſchuldig, 
welche die Geſetze verlegen, deren Vollziehung ihnen übers 
tragen ift, fondern diejenigen, die fi über eine eingeflandne 
Mebertretung befigweren!!!.... 
‚Wenn übrigens diefe Dentfchrift firafbar gewefen wäre _ 
— fährt Sarnot fort — fo hätte man ſich wohl nit mit 
Zeitung:Artifeln gegen mid begnuͤgt. Mein Werk ift uns 
terſucht und ‘zerlegt worden. Man hatte den lebhafteſten 


220 Sarnot. 





Wunſch, irgend einen Beweggrund zur Anklage gegen mid 
darin zu finden. Erjt als man fah, daß ji fein Vorwand 
dazu auffinden ließ, faſſte man den Entfhluß, mich auf eine 
indirekte Weife anzugreifen, weil ih das Wert dem Drud 
übergeben hatte, während ih das Gegentheil verſprochen ha: 
ben follre. Um auf diefe Beſchuldigung zu antworten, wurde 
ich ald Zeuge vor das Tribunal geladen. Meine Berantwor: 
tung war, daß ib nur bedingt verfproden hatte, meine 
Schrift nit drucken zu laffen, wenn naͤmlich die Bekannt: 
machung derfelben nicht zu meiner eignen Vertheidigung er: 
fordert würde; daß ih jedoh aus Ehrfurdt für den König 
es nicht getham und: mich auf’8 Land zurückgezogen hatte; daß 
während meiner. Abweſenheit meine Brüder zu Paris erfub: 
ren, daß man das Merk indgeheim dructe, und fie daher 
den General: Polizeydireftor davon benabrichtigten, damit 
er den Drud und den Verkauf hindern Fönnte. 

„Diejenigen Perfonen, die nicht wiffer, warum und 
wie meine Denkſchrift an den König gerichtet war, haben fin 
den Fönnen, daß fie in der Form der Sr. Maj. ſchuldigen 
Achtung zuwider fey, was allerdings von meiner Seite ein 
‚großer Fehler wäre. Wenn man aber weiß, daß diefelbe 
‚unter einem andern Titel erfheinen und anonyın bleiben fol: 
te, daß, nachdem fie von der Polizey in. Befhlag genommen 
war, ich fie dein General: Polizepdireftor felbft zuſchickte, um 
fie Er. Maj. zu übergeben; daß ich mehrere Stellen, aus 
Achtung für die Perfon Sr. Maj., wegjirib, ohne jedoeh 
ben wefentlihen Inhalt zu verändern, fo wird man fid über: 
‚zeugen, daß der angeblide Mangel an Achtung die Wirkung 
von Umftänben war, die von meinem Willen unabhängig wa: 
ren. Wenn ih das Werk gefhrieben bitte, um es wirklich 
Sr. Maj. vorzulegen, fo wird man hoffentlich glauben, daß 
es mit Beobachtung der Formen gefbehen wäre, welde mir 
ber erhabene Sharafter Sr. Mar. vorfhrieb. Mean kann 
meine Öefinnungen in diefer Hinfiht aus dem Briefe kennen 


FG Sarnot. 221 








lernen, den ic in diefer Sache am 25. Juli 1814 an den 
General: Polizeydireftor ſchrieb. (Er ift in der neuen Ber: 
theidigungferift Carnots wörtlich abgedruckt.) 

„Der wefentlibe Gegenfiand meiner Dentfhrift war, 
den König von den Urſachen der Gährung und der Unzufries 
denheit zu unterrichten, die allgemein bemerft wurden, und 
ihm die Mittel anzuzeigen, wie denfelben am zwectmäßigften 
abgeholfen werden koͤnne. Man hat mich verläumdet, indem 
man verfiberte, ic habe darin die Apologie des Königes 
mords aufgeftellt, während ich doch die Alten getadelt habe, 
daß fie nicht, wie in den neuen Konſtitutionen gefhehen ift, 
die Unverlegbarkeit der Souverains anerfannten; während 
ib Cicero's Anſicht widerlegte, und die Bibel nur darum 
anführte, um den Sanatifern zu beweifen, daß fie allein mit 
derfelben Mißbrauch treiben.’ 

Das Gelingen von Bonaparte’s Unternehmung 
fhreibt Sarnot der damaligen Stimmung der Gemüther 
zu, die durch die Fehler der Eönigliben Regierung diefe Rich— 
tug genommen habe. Man fen allgemein mißvergnügt ges 
weſen über die unaufhörliben Verlegungen der Konftitution, 
durch die Unruhe, in der alle Befizer von Nationalgütern 
ſchwebten, durch die ſtets Erneuerten Drohungen gegen Alle, 
bie an der Revolution Antheil genommen hatten. Auch jegt 
zeigen fih neue Keime von Unruhen im Innern. Es fen die 
Pfliht jedes Freundes feines Waterlandes, die Agenten ber 
Gewalt davon zu unterrichten, .und fie darauf aufmerffam zu 
maden. ‚Er felbfi halte fib vorzüglich dazu berechtigt, weil 
er, als Minifter, zu den günftigen Bemühungen bengetra: 
gen habe, die ftartfanden, um im Frühling und Sommer 
von 1815 jede. Reaktion unter Umjtänden zu verhüten, die 
wenigſtens eben fo ſchwierig waren, ale es bie jegigen fenen. 

Ueber feine Verhältniffe mit Buonaparte macht Car: 
not folgende Erklärung: „Ich betheure, daß ic weder auf 
eine direfte noch indirekte Weife an den Bemühungen Antheif 


224 Carnot. 








meine Entlaſſung nahm. Allein vormals wurde ib von vie— 
len fehr gutgefinnten Perfonen getadelt, daß ih bey einer 
ähnlihen Gelegenheit meine Entlaffung als Kriege: Meinifier 
genommen hatte. Dan behauptete, daß, wenn ich geblie: 
ben wäre, ich durch meinen Rath viel Boͤſes hätte verhindern 
koͤnnen. Nunmehr habe ich in diefem Sinne gehandelt. Ich 
babe das Zutrauen benußt, das der Kaifer in mich zu ſetzen 
fhien, um ihn von willfürliben Handlungen abzuhalten, 
wozu er fo fehr geneigt war, Ich ſprach mit meiner gewohn: 
ten Unabhängigkeit zu ihm; ich benugte, fo fehr ich es ver: 
mochte, den Einfluß feiner Brüder, die fehr liberale Grund: 
fäge zur Richtſchnur ihres Betragend genommen zu haben 
fivienen. Ich habe ihm im Rath der Minifter gegen feinen 
neuen, Konftitution:Plan die ftärffien Vorftellungen gemadt, 
bie er aber niht anhörte, und deren Richtigkeit er bald nads 
ber anerkennen muſſte, als er den übeln Eindruck bemerkte, 
ben feine Konflitution hervorgebracht hatte. Ich bin ihm bie 
zu feiner Abdankung treu geblieben; ich habe ihn mit großem 
Eifer ‚vertheidigt, weil ich nicht anders zu vertheidigen im 
Stande bin, und weil ic in ihm das Vaterland zu vertheidi: 
gen glaubte. Allein ich habe niemals bey ihm die Rolle ei: 
nes Schmeichlers gefpielt, und niemals von ihm etwas für 
mich felbfi begehrt.’ 

Carnot unterfucht einige andre Beſchuldigungen, die 
man gegen ihn vorbringt. Sie laſſen fich unter folgende Ru: 
brifen bringen, denen wir das Wefentlihe, was er jedesmal 
dagegen anführt, als Neferenten, beyfügen wollen : z 

I. „Er fey während der Revolution, vorzüglich in der 
Shredenszeit, einer der Chefs der jafobinifhen Faktion ge: 
wefen, und müffe in gewiffer Hinſicht ald Mitſchuldiger vom 
Robespierre angefehen werden.” Hierauf erwiedert er: 
„Ich habe diefen Vorwurf bereits ehemals im Nationalfon: 
vent beantwortet, als von der damals berrſchenden Partey 
eine aͤhnliche Beſchuldigung gegen mich vorgebracht wurde, 

- Meine 


Carnot. 225 


| | 
Meine Antwort war fo bündig, und meine Vertheidiguug wurs 
de fo gründlich befunden, daß die Anklage einfiimmig ,. feibft 
von der Faktion, welche diefelbe angeftellt hatte, verworfen 
wurde. Alle Befbuldigungen in dieſer Hinſicht ‚reducirten 
fib auf einige, der Form wegen, flattgehabte Unterfohriften 
wegen Gegenjtänden, die ic bey der Menge von Geſchaͤften, 
womit ich überladen war, nicht ſelbſt disfutiren Ponnte, 
Wenn man genoͤthigt iſt, ohne Beyhuͤlfe eines Sekretaͤrs mit 
vierzehn Armeen zu korreſpondiren, ſo kann man ſich mit 
nichts Anderm beſchaͤftigen. Wenn ich meine Unterſchrift den 
Atten meiner Kollegen ‚verweigert haͤtte, fo hätten fie mir 
auch ihre Unterfriften verfagt; meine ganze Mafchine (bie 
Leitung des Kriegs) wäre unter meinen Händen zu Grunde 
gegangen, und man hätte kann eine ganz andre Menge von 
Schlachtopfern zählen koͤnnen. Es ift wohl hinreichend, 
wenn Jeder für dasjenige, was er felbfi thut, verantwort: 
lich iſt. Nun hat man aber unter: ber unermeffliben Zahl 
von Schriften, bie ih im Wohlfahrt: Ausfhuß felbft verfaffe 
babe, und womit ic jeden Tag fünfzehn bie ſechzehn Stun: 
ben beſchaͤftigt war, aud nit eine einzige finden koͤnnen, 
die tadelnswuͤrdig, und ich darf es wohl fagen, die nicht bey: 
falldwerth war. Ä | 

Gibt es wohl irgend einen Mintfter, der für alle Akten; 
die man ihm unterzeichnen macht, verantwortlich feyn kanm 
Eine folhe Verantwortlichkeit wäre ungeräumt bey Perfo: 
nen, die fih an ber Spitze ‚von großen Verwaltungen befins 
den, Wenn man billig feyn will, muß man die Menfihen 
nur nad ihrem moralifhen Charafter und nad dem Ganzen 
ihrer Operationen beurtheilen. Ich fhmeichle mir, im Wohl: 
fahrt: Ausfhug mehr; Menſchen gerettet zu haben, ald Ro: 
bespierre bar verürtheilen laſſen. Wie wenig mich ber 
Konvent felbfi als Mitfhuldiger dieſes abfheuliben Men: 
ſchen betrachtete, beweist wohl am beften ver Umftand, daß, 
da nach feiner ‚Hinrichtung ber Wohlfahrt:Ausfhuß ernenert 

Europ. Annalen. ırted Süd. 1815 15 


! 


— 
226 Carnot. 


— — — — — — — — —— 
wurde, ich in demſelben beybehalten ward, obgleich damals 
eine gewiſſe Reaktion ſtatthatte. Wie in ganz Frankreich die 
oͤffentliche Meinung zu meinen Gunſten war, iſt hinlaͤnglich 
dadurch erwieſen, daß bey den folgenden Wahlen, als die 
geſetzgebende Verſammlung erneuert wurde, man mich in 
fuͤnfzehn verſchiednen Departementen erwaͤhlte; daß der Rath 
der Fuͤnfhunderte und der Rath der Alten mich zum Mitglied 
des Direktoriums ernannten. Als Direktor bin ich in der 
Folge durch die Revolution vom 18. Fruktidor proſcribirt 

“worden, und zwar als Royaliſt und Beſchuͤtzer ber 
Emigranten, weil ich verlangt hatte, daß man die gegen 
die Nusgewanderten ergangenen Geſetze ſo viel möglich zu ih— 
ren Gunften auslegen follte, wenn bewiefen war, daß fie 
nicht die Waffen gegen ihr Vaterland getragen hatten. Öeit: 
dem. bin ich wieder vom Erhaltungfenat zum Mitglied des 
Tribunats, und von der Wahlverfammlung des Goldhügels . 
Departements, meines Geburtlandes, zum Kandidaten für 
den Senat ernannt worden. Alles diefes beweist wohl hin 
laͤnglich, dag man mich in Frankreich nit für einen Mit: 
ſchuldigen von Robespierre hielt. Der ganze Nationals 
fonvent wuffte vielmehr, dag Robespierre mein Zob: 
feind war, und fein Haß gegen mich gerade daher rührte, 
daß ich feine Muth nicht theilen wollte. Man wuffte, daß 
er erflärt hatte, er würde meinen Kopf unter dem Morbbeil 
fallen machen, fobald er mich nicht mehr brauchen würde, als 
fein er beeilte fich zu fehr, ben Anklagsaft feiner Feinde zu be: 
gehren. Sein Kopf fiel zuerft mit dem von St. Juft und 
Eouthon, die ich lange zuvor als Triumvirs bezeichnet 


‚ hatte. St. Juſt hatte fogar eines Tags im Ausſchuß, und 


in meiner. Gegenwart, meine Ausftoßung aus demfelben 
verlange. Kurz zuvor hatte er baffelbe wegen von He: 
rault de Sechelles gethan und erhalten; unmittelbar 
darauf wurde ber Legtere auf's Schaffot geführt. Ich ant: 
wortete St. Juſt ganz Paltblätig, daß er. und das ganze 


Carnot. | 227 





Triumvirat vor, mir aus dem Wohlfahrt: Ausfhug kommen 
würden; der Ausfhuß fhien beſtuͤrzt, und beobachtete ein 
tiefes Schweigen. 

„Andre Perfonen, die immer nichts ale Schuldige fehen 
wollten, haben verfibert, die perfönlihe Feindfhaft Robes: 
pierres gegen mich fey blos die Wirfung einer Art herrſch— 
füchtiger Eiferfuht gewefen, indem er meine eigne Herrfchs 
ſucht gefürchtet habe, Wenn aber Robespierre in diefer 
Hinfihr einen Nebenbuhler zu fürchten hatte, fo war ich es 
fider nicht. Jedermann weiß, daß in jenen ſtuͤrmiſchen Zeis 
ten, wenn man fib an die Spiße einer Faktion ftellen wollte, 
man bie Rednerbühnen ber patriotifben Gefellihaften nicht 
verlaſſen durfte, Ich habe zu Paris niemals irgend eine pa- 
triotifhe Geſellſchaft befuht. Selbſt die Rednerbuͤhne der 
Nationalverfammlungen habe ih nur dann betreten, wenn 
ih es thun muffte, und die firengen Neben, die ih gehalten 
babe, gingen gewiß nicht darauf aus, das Volf zu demofra: 
tifiren. Man fonnte aber daraus erfehen, daß für mid das 
Vaterland Alles war, allein man Pennt, ja die gewöhnliche 
Belohnung derer, die ſich ausfchließlih dem Dienfte bes Va: 
terlands widmen.“ — 

2. „Er hätte, als ſich Napoleon ganz rechtswidrig 
wieder zum Oberhaupt der Negierung aufwarf, Peine Stelle 
in diefer ungefenmäßigen Regierung annehmen follen.” In 
Beantwortung diefes Vorwurfs wirft Carnot bie Frage 
auf: warum man benn ihm allein biefen Vorwurf made? 
Wenn — fagt er — wie man denn nun behaupten. will, 
blos rohe Gewalt fib Frankreichs bemeiftert hat; wenn alle 
an Napoleon gerichtete Adreffen nur das Werf von Par: 
teymännern und Yufrührern waren; wenn die Verſammlung 
bes Mayfeldes allgemein von der Nation mißfennt wurde; 
wenn allenthalben nur Intriguen, Zwietracht, Bedruͤckung 
an ber Tages-Drdnung waren, wie fam es denn, bag man, 
unter den Repräfensanten des Volks allgemein geachtete 


228 Carnot. 

— — — — 
Männer ſah? Warum nahmen fie dieſes Mandat an? War: 
um proteftirten fie nicht felbft gegen ihre Ernennung? War: 
um nahmen fie Miffionen von der Regierung an? Warum 
find fie, wie übrigens ganz recht und billig ift, auch jetzt wie: 
der in Gunft? — Alles diefes erklärt ſich ſehr leicht, ohne 
daß es nothwendig ift, Schuldige aufzuführen, wo feine vor: 
handen find. Jedermann war nämlich überzeugt, und ber 
einfache gefunde Menfhenverftand lehrte es fbon, daß bie 
Pflicht eines guten Bürgers darin beftehe, ftets im Sinn ber 
beftehenden Regierung zu handeln. Bey großen Krifen in 
einem Staat fann jeder Bürger augenblicklich ungewiß ſeyn, 
welche Partey er ergreifen foll; er kann zögern, und enblid 
unter den verfchiebnen Meinungen fih für eine erflären, ob: 
ne fhuldig zu feyn. Endlich fprict fi die große Mehrheit 
aus; wenn dann die Minorität in ihrem Widerftand bebarrt, 
fo ift fie nichts weiter, als eine Faftion. Diefer Grundfag 
der ewigen Gerechtigkeit bildet das Weſen jeder volitifhen 
Geſellſchaft; ohne denfelben herrfhen nur Anardie und Bürs 
gerfrieg. Man bat daher mit Recht gefagt, daß es bey 
bürgerlichen Unruhen feine Schuldige: gibt, fondern nur Sie: 
ger und Beſiegte. 

„Die Erfahrumg hat gelchet, daß bey allen Nationen 
dasjenige Band das ftärffte ift, das uns an den Boden des 
Vaterlands feffelt. In dem unfructbaren Sparta,.in ben 
Moräften von Holland, in den Gebirgen Helvetiens finder 
man die Voͤlker, die von ihrem Land am unzertrennlichften 
waren. Es iſt alfo ganz natürlih, daß die Bürger nichts 
Höheres kennen, als das Gluͤck ihres Waterlandes. Dies 
war ber Fall in Frankreich, wo ja noch vor ganz kurzer Zeit 
Napoleon der von allen Fürften und Staaten Europas 
anerkannte Regent war, der mit den auswärtigen Mächten 
Friedens- nnd Allianz: Traftate abgefchloffen, der mit meb; 
rern Monarchen Verwandfhaftbande geknüpft hatte, der im 
feiner Hauptftadt vom Papfte felbft mit allem möglihen Pomp 





Sarnot. 229 





gefalbt worden war. Wenn nun bie Regierungen felbft fo 
wenig Stetigfeit in Anfehung der Orundfäße haben, bie ihre 
Rechte feftfegen, wie foll fib denn der Privatmann benehs 
men, wenn ein politifher Sturm in feinem Lande ausbridt ? 
Wenn alddann eine Partey fiegt, hat fie ein andres Recht, 
als das des Stärkern, um diejenige Partey, die unterlag, 
für ſtrafbar zu erflären? 

3. „Er hätte wenigftens, nah Napoleons Abdan- 
kung, beytragen folen, dag Ludwig der XVII. wieder 
anerkannt würde.’ Hierauf fagt Sarnot Folgendes: „Na— 
poleon hatte nur bedingt, zu Gunften feines Sohnes, abge: 
dankt. Ueberdies hatten die Kammern eine Regierung: Kom: 
miffion, und uns zu Mitgliedern berfelben ernannt. Mir 
mufften uns daher nah ihrem Willen fügen. Die volitifche 
Frage war ung fremd, denn wir waren nur mit der Vollzie— 
bung der Gefege beauftragt. — Außerdem weiß man, daß 
die Verbündeten Paris für ihre eigne Rechnung nehmen woll: 
ten, dag fie fogar die Belagerung von Zeftungen fortfegten, 
welche die weiffe Fahne aufgenflanzt hatten. Die Projekte 
der fremden Mächte waren ung unbekannt, denn fie wollten 
fi in feine Unterhandlung einlaffen und ihre Invafion nicht 
aufſchieben. Ihre Sache ſchien in gewiffer Hinfiht mit der 
Sache Ludwigs XVIII. nichts gemein zu haben. Wir 
hatten Bevollmädtigte an fie abgeſchickt, um zu erfahren, 
auf welche Grundlagen bin fie unterhandeln wollten; wir 
mufften temporifiren, um ihre Antwort abzuwarten, und 
ſchlugen vergeblich den Engländern und Preußen einen Waf— 
fenftillftand vor. Sie näherten fih Paris immer mehr und 
mehr, und erBlärten endlich, daß fie nur zu Paris über den 
MWaffenftillftand unterhandeln würden. Die frühzeitige An- 
erfennung Ludwigs XVII. hätte alfo nur dazu gedient, 
die Verbündeten noch mehr zu erbittern, indem man fi den 
Schein gegeben hätte, die Sache ohne fie beendigen zu wol: 
len. Zu gleicher Zeit hätten wir durch einen folden Schritt 


250 Carnot. 

es 
uns gegen die beyden Kammern in Inſurrektionſtand verſetzt; 
wir haͤtten die Armee in Verwirrung gebracht, waͤhrend ſie 
ſich bey Paris unter dem Namen Napoleons wieder fam: 
melte; wir hätten die Bürger, unter denen fih noch feine 
Werfbiedenheit der Meinungen geäußert hatte, von einan: 
der getrennt, Unſre Pfliht war demnach, proviſoriſch die 
Einheit zu erhalten, jede volitifhe Trage mit Sorgfalt zu 
verſchieben, und dur alle möglihe Mittel die traurigen Un: 
glücksfälle zu vermeiden, mit denen bie Hauotſtadt bedroht 
war. Dies haben wir mit einem Erfolg gethan, den wir 
felbft nit mehr zu erhalten hoffen konnten,‘ 

4. „Er habe, aus Vorliebe für das republifanifce 
Syftem, bewirkt, daß alle Akten der proviforifben Megie: 
rung im Namen des franzoͤſiſchen Volks proflamirt wurden.” 
.Da Napoleons Sohn, nah des Vaters Abdanfung, den 
Reichsgeſetzen gemäß, zum Kaifer erflärt wurde, beitäf: 
tigte man fih mit der Frage: wie fünftig die Öffentlihen At: 
tern bekannt gemacht werden follten? Die Regierung: Kom: 
miſſion beſchloß, diefelben im Namen des franzöfifben Volks 
‚zu proflaniren, Dieſer Schluß wurde auf der Rednerbühne 
der Repräfentanten: Kammer denuncirt, weil man behaup: 
tete, daß dadurch die Ruͤckkehr Ludwigs XVIII. erleid: 
tert würde, Es ward darauf angetzagen, Feine andern Ak— 
ten befannt zu machen, als. im Namen Napoleons des 
Zweyten. Diefe Befhuldigung hätte und gerade, von ber 
Gegenpartey zum Werbienft angerechnet werden ſollen. — 
Nichts weniger! Die Gegenpartey verfibert, wir hätten 
diefen Schluß nur in der Abſicht verfafft, um dem republite: 
nifhen Syſtem neuerdings Eingang zu verfhaffen. Allein 
dieſe Anklage ift laͤcherlich, denn es iſt allgemein befannt, daß 
in. ganz. Frankreich dag republifanifhe Syſtem für weiter 
nichts mehr, als für eine Theorie gehalten wird, die man in 
. bie Reihe der philoſophiſchen Abftraftionen verweifen mäffe. 
Die der Deputirtenfammer gemachte Denunciation war unter 


Earnot. 231 








den damaligen Umftänden weit wichtiger. Inzwiſchen hatte 
fie feine weitern Folgen, da beffalls zwifhen mehrern Mit: 
gliedern diefer „Kammer und denjenigen ber Regierung: Kom: 
mijjion eine freundſchaftliche Erläuterung erfolgte. Der Be: 
weggrund unfers Schluffes war, ‚daß, da die Volks-Souve⸗ 
rainetät anerkannt worden, es alfo feine Schwierigkeit ha— 
ben koͤnnte, die Akten im Namen des Volks zu proflamiren ; 
daß hingegen die. Nation Napoleon den Zweyten no 
nicht ald Kaifer anerkannt hatte, und es auch ſchien, als ob 
bie fremden Mächte auf der Ausſchließung der ganzen Dynas 
fie Napoleons J. feft befiehen würden, ob fie gleich dag 
Recht der franzöfifben Nation anerkannt hatten, fi eine 
ihr beliebige Regierung zu erwaͤhlen. Es würde alfo die 
fremden Mächte beleidigt haben, wenn man den Namen Nas 
poleons des Zweyten an der Spibe aller öffentlichen 
Akten gefehen hätte. Die Volfs:Nepräfentanten waren mit 
biefer Erläuterung zufrieden, und ed fheint mir, bie Gegen: 
partey hätte es um fo mehr feyn follen, da wir augenſchein⸗ 
lih»sgenöthigt waren, zwifden Napoleon dem Zwey: 
ten und dem franzsjifhen Volk zu wählen.’ 

5. „Er habe den Öffentlihen Unterricht besorganifiren 
wollen, indem er die Zöglinge ber Lyzeen, der Rechts-Inſti- 
tute und der medizinifhen Anftalten zu ven Waffen berufen 
habe.’ Er erklärt hierauf, daß, wenn er biefes unter ben 
damaligen Umftänden gethan hätte, er ſtolz darauf feyn wuͤr⸗ 
de, indem jeder Bürger Soldat feyn muß, fobald das Ba: 
terland in Gefahr if. Wenn nun aber die National:Unabz 
haͤngigkeit von 600,000 Fremden ‘bedroht wird, ifi es wohl 
‚geflattet, an die Gefahr des Waterlands zu glauben, Allein 
das Faktum felbft iſt falſch. Die Regierung Napdleonsg, 
deren Minifter ich für diefes Departement war, hat fene 
Zoͤglinge aus Öffentlihen Unterrigts:Anftalten zu den Waffen 
berufen, fie hat bloß den Wunf derjenigen angenommen, 
die ſich freywillig darboten; fie hat ed mit allen den Einfhrän: 


232 Earnot. 








“Sungen gethan, die ftatthaben Ponnten, ohne ihren Eifer zu 
:erfiichen. Diejenigen, die uns diefen Vorwurf maden , ba: 
-ben vermuthlich vergeffen, was, drey Monate zuver, unter 
der Pöniglihen Regierung ftattgehabt hat; fie erinnern ſich 
nicht mehr an die Adreffen, die damals von den Zöglingen 
:derfelben Unterrichts-Inſtitute und von dem Pönigliben Kon 
feil ‚des oͤffentlichen Unterrichts übergeben worden find; fie 
erinnern fib nicht, daß die ganze Nation von der Regierung 
aufgefordert wurde, fih in Maffe zu erheben, um Buona: 
parte zu vertreiben; fie. wiffen alfo nicht, daß in jedem 
Lande der Welt die erfie Bürgerpfliht immer in der Der 
froyung des Vaterlands von auswärtigen Feinden beſtehe.“ 
6. „Er fey der Urheber der Verbindungen gewefen, 
die man unter dem Namen von Föberationen bezeihner ha— 
be.“ Hierauf erwiedert er: daß auch diefe Thatfahe unwahr 
iſt; daß, wenn er geglaubt hätte, dieſe Foͤderationen könn 
ten in einem Augenblid von Gefahr eine heilfame Maßregel 
feyn, er nicht im Mindeften gezögert hätte, ‚fie vorzufchla- 
:gen; daß ſich aber die Höderirten von felbft organifirt haben; 
daß ber Gegenjtand ihrer Vereinigung zwedmäßig fdien, 
weil er dazu dienen follte, alle Reaktionen zu verhindern , 
und die Regierung’fich weiter nicht in die Sache mifhte, als 
um die Mißbräuce zu befeitigen, die aus dieſen Föderatio- 
‚nen entfichen Ponnten; daß wenn aud einiger Nachtheil dars 
aus entftanden ift, man bedenken muß, daß Alles in der Welt 
eine Mifhung von. Gutem und Schlebtem ifi, und dag man 
bie Negierung für alles Ueble, das fie nicht verhindern konn 
te, verantwortlih feyn fol, man ja aud die jetzige Negies 
rung wegen ber Öreuel jeder Art, die zuMarfeille, Nimes, 
Montvellier, Avignon, Toulouſe ꝛc. begangen worden find, 
anflagen muffe.‘‘ 
7. Von einer andern Seite ber wird uns endlich ber 
Bormwurf gemabt: „wir hätten Paris nicht gehörig vertheis 
bist.” In Anfehung diefes Gegenflandeg gibt Carnot 


Carnot. 233 








eine ſehr intereſſante Darſtellung der damaligen Lage der 
Dinge in Paris, woraus wir Folgendes, als das Merkwuͤr— 
digſte, mittheilen. „Wir haben Paris ſo lange vertheidigt, 
als es moͤglich war, ohne das Schickſal ſeiner Bewohner zu 
?ompromittiren.. Buonaparte hatte nur das rechte Ufer 
der Seine befeftigen laffen, das durch die Anhähen von Mont—⸗ 
martre und Belleville fhon von der Natur befeftigt ift. Allein 
die linfe Seite des Fluffes war ohne alle Vertheidigung ges 
blieben; man bemerkte bort einige kaum begonnene Linien. 
Ich hatte hierüber dem Kaifer meine Bemerkungen vorgelegt. 
Er war aber überzeugt, daß man ihn niemals von der Seite 
von Montrouge her angreifen wuͤrde. Inzwiſchen hatten 
fih die Feinde von St. Germain bemeiftert, und den größten 
Theil ihrer Streitkräfte auf das linke Ufer übergefegt. Der 
Klug war beynahe allenthalben feiht, fo daß es unmoͤglich 
gewefen wäre, die feindliben Kommunikationen aufzuhalten. 
Bon hier aus konnten die verbündeten Truppen durch einen 
lebhaften Angriff fih jeden Augenblick ver Haupftadt bemeis 
fiern. Wären fie au zum Erfien: und zum Zweytenmal jue 
rücgetrieben worden, fo konnten fie inımer ihre Angriffe ers 
neuern. Sie hatten ihren Rüden frev, und waren in der 
Faſſung, den günftigften Augenblick zu erwählen. Wir hin⸗ 
gegen mufften bey allen Zugängen zu der unermefflihen Stadt 
ſtets auf unfrer Huth feyn, und zwar immer mit denfelben 
Truppen, die dur ihre unaufhärlihen angeftrengteften Mär- 
ſche ſeit der ungluͤcklichen Schlacht von Waterloo ausnehmend 
ermuͤdet waren.“ 
„Der Feind ruͤckte immer weiter vor, und fuhr fort, 

uns einzuſchließen. Die Ankunft der Subſiſtenzmittel wurde 
ſchwieriger. Man hatte zu Meaur ein bayriſches Armee: 
Porpd von 40,000 Mann angefagt, das bie Blofade zwiſchen 
ber Seine und Marne vollftändig machen follte. Die Anhoͤ— 
ben von Meudon waren dur die Verbündeten befegt. Hat: 
gen fie fih einmal dort eingefhanzt, ‚fo Mar es ummoͤglich, 


! 


234 2 Carnot. 





irgend einen Ruͤckzug bewerkſtelligen zu koͤnnen. Paris 
muſſte fih dann auf Diskretion ergeben, und die. Armee wur: 
be entweder gefangen oder zufammengehauen. Man Hatte 
indeffen den Entſchluß gefafft,-fih um jeden Preis durchzu⸗ 
ſchlagen, und. ſich Hinter die Loire zu ziehen, wenn ber, Feind 
darauf beharren würde, einen Waffenftillftand zu verweigern. 
Bluͤcher hatte erklärt, er würde nur in Paris felbft über 
eine Konvention diefer Art unterhandeln, und als erjte Bes 
dingung verlangen, daß bie ganze Armee Friegsgefangen fepn 
follte, 

„In biefer Lage fand die Regierung : Kommiffion für ' 
zweckmaͤßig, am erften Juli eine außerordentlibe Berfamm- 
lung zufammen zu berufen. Drey Marfhälle, Soult, 
Maffena und Lefebore, mehrere Generale von allen 
Waffengattungen, die vier Staatsminifter, bie Mitglieder 
der Büreaur der beyden Kammern fanden fi in derfelben 
ein, Der, Kriegsminifter Ponnte ihr nicht beywohnen, weil 
er dem Feinde gegenüberfiand. Ich legte ber Berfammlung 
ungefähr biefelbe Darfiellung vor, die ih fo eben entworfen 
habe, Die drey Marſchaͤlle wurden hierayf eingeladen, ihre 
Meinung zu fagen. Alle drey erklärten, fie glaubten nicht, 
daß Paris länger vertheigt werden dönne. Der Herzog von 
Dalmatien (Soult) bemerkte, daß, da der Feind auf der 
Seite von St. Denis Meifter des Dorfs Aubervilliers fey, 
fo könne man nur mit großer Gefahr den Damm hinter dem 
Kanal zwifhen St. Denis und La Vilette vertheidigen; denn 
wenn ber Feind fi deg Damms bemeiftern follte, fo könnte 
er auf der Stelle und ohne alle Schwierigkeit auf das Dorf 
2a Chapelle marfhiren, und während der Verwirrung mit 
unfern Truppen dur die Barriere von St. Denis eindrin- 
gen, Da man übrigens die feindlichen Verbindungen zwi: 


ſchen ben beyden Ufern der Seine-nidt hindern koͤnne, fo 


fey es auch nicht möglich, dem Feind einen gehörigen Wider; 
fand entgegenzufegen. — Der Marfhall Fürft von Epling 


Carnot. 235 





(Maſſena) erklaͤrte, daß feine eigne Vertheidigung von 
Genua einen Begriff von der Hartnaͤckigkeit geben koͤnne, 
mit der er die ihm anvertrauten Poſten vertheidige; allein 
in der Lage, in der ſich Paris befaͤnde, ſchiene es ihm unmoͤg— 
lich, dieſe Stadt laͤnger zu vertheidigen, weßhalb man die 
bereits gemachten Schritte erneuern muͤſſe, um einen Waf— 
fenſtillſtand zu erhalten. — Der Marſchall Herzog von 
Danzig (Lefebvre) ſtimmte ungefähr in demſelben Sinne, 
fügte jedoch bey, daß er es nicht für unmöglich halte, die 
Bertheidigung zu verlängern, wenn man ſchleunig die in der 
Ebene von Montrouge angefangnen Befeftigung: Arbeiten 
vollenden koͤnne, weßhalb man fogleih Alles dazu in Stand 
fegen müffe, Andre Glieder diefer Verſammlung, die mit 
geglaubt harten, daß die Lage von Paris fo beunruhigenb 
fey, machten noch verfhiedne Bemerkungen, und verlangten, 
man folle, bevor man einen definitiven Entfhluß nehme, 
nod neue Auffchlüffe begehrten. Man Fam endlich überein, — 
in der folgenden Nacht im Hauptquartier zu La Vilette ein 
großes Vertheidigung-Konſeil unter dem Praͤſidium des Mar: 
ſchalls Fürften von Eckmuͤhl (Davouft) zu halten, und 
alle in Paris befindlihe Marſchaͤlle nebft ven Generallieute: 
nants, welche die verſchiednen Armeekorps fommandirten, 
einzuladen, dieſem Konſeil beyzuwohnen. Das Reſultat 
dieſes Konſeils war daſſelbe, wie das der Verſammlung in 
den Tuillerien; inzwiſchen war der Verbalprozeß auf eine 
weniger beſtimmte Weiſe abgefaſſt. | 

„Es war alfo nicht mehr möglich, die Entſcheldung An: 
ger zu verzögern. Am 2. Juli um zehn Uhr Abends wurbe 
beſchloſſen, an die englifhen und preußifchen Generale eine 
Spezialfommiffion abzuſchicken, um ihnen in Anfehung der 
Uebergabe von Paris eine bloße militärifhe Konvention vor— 
zuſchlagen, und jede politifhe Frage zu befeitigen, weil man 
noch nit wiffen konnte, welche Gefinnungen bie verbündeten 
Fürften in Betreff unfrer Angelegenheiten dußern würden. 


236 Garnot. 








Diefe Kommiffion beftand aus Hrn. Bignon, proviforis 
ſchem Minifter der auswärtigen Angelegenheiten, dem Gene: 
ral Guilleminot, Chef des Generaljtabs der Armee, 
und dem Grafen von Bondy, Präfekt des Seine:Depar: 
tements. | 
„In Erwartung des Refultats ihrer Sendung wurben 
feine Vorfibtmaßregeln zur Erhaltung der Sicherheit von 
Paris gefvart. Die Truppen auf dem rechten Eeine:lifer 
marfbirten die ganze Nacht durch über die Brüden, um auf 
dem linken Ufer diefes Fluffes Pofition zunehmen. Am 3. 
Zuli Morgens waren fie in Schladtordnung in der Ebene 
von Montrouge, in einer fehr vortheilhaften Stellung, um 
Paris zu decken. Ihr fefter Entſchluß war, den Angriff des 
‚Feindes aufs Zapferfte abzutreiben. Sie erwarteten fogar 
mit einer gewiffen Ungeduld den Augenblict des Handge— 
menge. 
„Die Preußen hielten das Dorf Iſſy beſetzt, an deſſen 
Eingang wir einen Poſten hatten. Es beftand dort eine Art 
von ſtillſchweigendem Waffenftillftiand. Die preußifhe Linie 
entfernte ſich alsdann von der unfrigen; fie refufirte ihre 
rebte Flanke, und wollte wahrſcheinlich ihre vorzüglichfte 
Staͤrke gegen VBaugirard wenden. 
} „Die feindlihe Armee war weit ftärker, als die unfrige. 
Indeſſen fonnten wir in unfrer Stellung hoffen, ihr im Fall 
‘eines Angriffs mit Erfolg zu widerfiehen, aber nicht, fie 
ſelbſt mit Vortheil anzugreifen. Wir hätten einen vollftändi: 
gen Sieg erfämpfen, und die feindlihe Armee in gänzlice 
Unordnung bringen 'müffen, oder wir durften gar nichts un: 
‚ternehmen, denn fonft hätten wir immer wieder mit ber, 
durch ihre Ergänzungtruppen und Reſerven verfiärkten, Ar: 
mee aufs Neue zu fireiten gehabt, und wären felbft durch jede 
Schlacht eines bedeutenden Theils unfrer Streitkräfte beraubt 
worden. Außerdem hätten wir eine hinreihende Truppenzahl 
| „haben muͤſſen, um ein Beobachtungkorps zu bilden, bag in 


Carnot. 237 





den Flanken des Feindes operirt, ihn beunruhigt und verfolgt 
hätte, wenn es und auch gelungen wäre, ihn einmal zu fchlas 
gen. Allein wir fonnten feine Truppen betafbiren, und 
durften uns nicht von dem Punfte entfernen, den man vor 
allen Dingen decken muſſte. Die feindliche Armee hatte übri- 
gens auf jeden Fall einen fihern Rückzug auf die Anhöhen 
von Chatillon und Meudon, und hätten wir fie dahin vers 
folgt, fo würde eine andre Kolonne auf Vaugirard vorge: 
drungen ſeyn, wo wir ihr nit mehr zu widerftehen im Stand 
gewefen wären. ' 


„Ein folhes Refultat hätte, mehr als wahrſcheinlich, ein. 

umüberlegter Angriff gehabt, und dennoch hätte man fi dazu 
entfhließen müjfen, wenn der Feind ſich länger geweigert 
hätte, den vorgefhlagnen Waffenftillftand abzufhliegen. 
Denn wir hatten vorzüglich zu beforgen, daß, ohne ung eine 
Sclacht zu liefern, er ung zu umzingeln und uns unfre Kom: 
munifationen vollends abzufhneiden fortfahren, und ſich end: 
lih um Paris fo verfhanzen würde, daß wir ung nicht einz 
mal mehr hätten durchſchlagen Finnen, um die Loire zu er— 
reichen. = | 


„Allein diefe Beforgniffe hörten dur die wirklich ers 
folgte Abſchließung des Maffenftillfiands auf.  Unfre vors 
zuͤglichſte Abfiht war erfüllt; wir hatten die Hauptſtadt ge: 
rettet; wir hatten hinreichende Zeit gewonnen, um bie zer: 
fireuten Trümmer unfrer Armee wieder organifiren zu koͤnnen 
und dem Feinde felbft über die Folgen eines entſcheidenden 
Treffens Beforgniffe einzuflößgen. Wir haben ftets die Ruhe 
in Parid, und den beyden Kammern die Freyheit, ihre Be- 
rathſchlagungen fortfegen zu Pönnen, erhalten. Erft als die 
Feinde unfern Verſammlungort befegt, und uns Befehl er: 
theilt hatten, hundert Millionen zu bezahlen, und eine unges 
beure Menge von Kleidung: und Equipirung-Gegenftänden 
zu liefern, erkannten wir, daß wir in unfrer Lage nur no 


238 u Carnot. 


—r — —— 
Werkzeuge zur Bedruͤckung unſrer Mitbuͤrger fepn . 
und legten daher unfer Amt nieder.’ 





Zum Beſchluß will Carnot noch feine Lefer auf die 
Seltfamkeit einiger Ereigniffe feines politifhen Lebens auf: 
merffam machen, und führt Folgendes an: 

„Ich habe mit meinen Kollegen das Glüd getheilt, Pas 
ris zu retten, und durch einen Staatsſtreich bin ich aus Pa: 
ris verbannt. | 

„Ich babe mih mit Napoleons Haß beladen, weil 
ih mich allein feiner erften Thronbefteigung miderfegt habe; 
ich gehöre zu der geringen Zahl derjenigen, die ihm niemals 
Weihrauch geftreut haben, und man fett mich in die Reihe 
derer, die fonfpirirt haben, um ihn wieber-auf den Thron 
zu fegen. 

„Ich babe mich beym * uͤber die Verletzungen ſei— 
ner Konſtitution von Seiten der Agenten der Regierung be— 
klagt, und man behauptet, dieſe Klagen ſeyen eine Beleidi— 
gung für Seine Majeftaͤt. 

„Mein Grundfag ift immer gewefen, mich der beftehen: 
ben Regierung zu unterwerfen, und man f&ildert mich ale eis 
nen Parteymann, der fih nur damit befhäftigt, neue Staates 
Umwälzungen zu veranlaffen. 

„Ich war der Todfeind von Nobespierre, und man 


2 ſtellt mich als feinen Mitſchuldigen dar. Ich habe mich vor: 


angeſtellt, um Reaktionen zu verhindern, und man behaup: 
tet, ich habe fie begänftigen wollen. 

„Ich war Tag und Nacht befhäftigt, bie Operationen 
unfrer Armeen zu leiten, und man verfidert, ich habe mäh: 
rend diefer Zeit Profcriptionliften verfertigt.. Während mei: 
ner zahlreihen Sendungen habe ich niemals eine Verhaftung 
angeordnet, und man nennt mich einen biutgierigen Pros 
konful. 


4 


Garnot. 239 








„Ich bin unaufhörlih ein Gegner des Eroberung-Sy— 
ſtems gewefen; während unfers größten militärifhen Ueber: 
gewichts wollte ih nicht einmal, daß wir unfer Gebiet big an 
ben Rhein ausdehnten, und man verfihert, ich finne nur auf 
Krieg, Invafion und Ummälzung der Staaten. 

„Ich habe mic niemals um Stellen und Ehrenbezeugun: 
gen beworben; fehr ungern fah ih mic immer zu großen oͤf⸗ 
fentlihen Aemtern berufen. Ich befige kein größeres Ver: 
mögen, als zu Anfang der Revolution, und man ſchildert 
mic als einen nad Herrſchaft und Geld gierigen Menſchen. 

„Ich habe dem Oberhaupt des Staats meine Dienfte in 
einem Augenblick angeboten, wo Jedermann am Wohl des 
Vaterlands beynahe verzweifelte, und man-behauptet, es 
wäre aus Ehrgeiz gefchehen. 

„Mit Vertheidigung einer wichtigen Feſtung beauftragt, 
. flöste ih dem Soldaten Zutrauen ein; ich hielt auf Manns: 
zudt, und fhüste die Einwohner, als außerhalb Alles har: 
tem Druck ausgefeßt war. Unter meiner eignen Berantwort: 
lichkeit verhinderte ich die Werbrennung einer anfehnlichen 
Vorſtadt, und man will nun vorgeben, ich habe mich in dies 
fer Stadt immer ald Despot und Vandale betragen. 
„Ich liebe Wiffenfhaften und Literatur; ich beſchaͤftigte 
mid umunterbroden damit, und man gibt vor, ich habe den 
öffentlihen Unterricht desorganifiren wollen. nt 
„Ich habe mein Vaterland angebetet, und bald bin ih 
vielleicht genöthigt, von dem Edelmuth der fremden Fürften 
einen Zufluchtort in ihren Staaten zu begehren. 

„Verwandte, Freunde, alle liberal gefinnte und gemäf- 
figte Menſchen nehmen an meinem Ungluͤck Antheil; fie glau> 
ben, id fey durch Kummer tief gebeugt. Sie mögen ſich bez, 
ruhigen. Ih Fann ihnen die große Wahrheit der aligemei⸗ 
nen Moral beftätigen, daß man mit einem reinen Herzen nies 
mals ungluͤcklich iſt!“ 


. 0... Ile potens sui 
Laetusque deget, oui licot in dem , 
Dixisse, Vixi. Horaz 


— — 


240 


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Neuefte Schägung des Nationalvermögens 


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— 


von Großbritannien und Ireland. 243 
Veberfidt 
I. des Werths des Eigenthums in Großbritannien 
und Ireland überhaupt. 
A. Produftives Privateigenthum . . 2,250,640,000 Pf, Gt, 
B. Unproduftivee . - 2 2 2 2. 397,000,000 — — 





C. Deffentlihes Eigenthbum. . . . . 89,000,000 — — 
Il. des Nationalvermögend nad Theilen bes 
Staats: 


England und Wales, 
Probuftives Privat:Eigenthum 1,543,400,000 
Unprodultived . - » . . _ 271,500,000 





1,814,900,000 Bir 
Scotland. | 


Produftives Privat:Eigenthbum 239, 580,000 
 Unprodultived . 2 2° . 38,300,000 


278,080,009 
Steland,. 4 
-Produftives Privat⸗Eigenthum 467,660,000 
Unprodufiives . . 8387000, 000 
"554,660,000 — 
Oeffentliches Eigenthum 


In England und Wales... 32,000,000 
In Scotland . 2 2... 3,000,000 
in Seeland . 2 2 2° 02. 9,000,000 
gemeinſchaftlich in Großbritannien 

‚and Ireland.. 435 000,000 





89,000,000 
Hauptſumme: 2,736,640,000 Pf. St. 
Erlaͤuternde Anmerkungen. 


a) Aus den Steuerrechnungen von dem, mit dem zten April 
1804 endigendem, Jahre erhellet, daß ſich die Rente vom wirfli; 
hen E:genthum in England und Wales, mit Einfchluß von Berg: 
werten und Kandlen u. ſ. w., deren Flaͤcheninhalt im Ganzen auf 


244 NMeueſte Schaͤtzung bes Nationalvermoͤgens 





— — —— 
97,334,400 Were berechnet wird, auf 38,000,000 Pf. Sterling bes 
tief. Seitdem ift fie ſehr geftiegen. In Hinfiht anf das anges 
baute Land finden folgende Verhaͤltniſſe ftatt: 
Gärten und Baumſchulen ungefähr 20,000 Acres, welche 70 Pf. 
Sterl. jedes Acre gerechnet, betragen T,400,000 Pf. St.; 


Vorzüglich gut angebanted Land in der Nähe auſehnlicher Städs 
te, ung. 500,000 A., zu 50 Pf. St. jedes A., betr. 25,000,000 
Pf.St.; | 
Hopfenland ung. 100,000 A., zu 50 Pf. St, jedes A., betr. 
4,000,000 Pf. St.; 
Gut angebautes Land ung. 12,000,000 A., zu 30 Pf. St. jedes 
betr. 360,000,000 Pf. St. ; — * 
Minder gut angebautes Land ung. 18,000,000 A., zu 20 Pf. St. 
jedes A., bett. 360,000,000 Pf. Sf. 
Es beträgt demnach die Hauptſumme des angebauten Landes in 
England und Wales 30,620,000 A., welche zu 750,400,000 Pf. St. 
geſchaͤtzt find. — 

Es kommen mithin im Durchſchnitte etwas über 24 Pf. St. 
auf jedes Acre. | 

Das angebaute Land in Scotland, einfcließlid der Zebns 
ten, kann auf ein Fünftheil des Werthes des angebauten Lan⸗ 
des in England und Wales, mithin auf 150,080,000 Pf. St. ges 
ſchaͤht werden. | 


Das angebante Land in Treland *) aber zu zwen Fünfs 
theilen des obigen Werths, alio zu 300,160,000 Pf. St. 
b) Nah Beete (über bie Gintommen » Tare) beträgt der 


f 


*) Nach den neueſten Unterſuchungen enthalt Jrelanmd 12,001,200 
Acres oder gegen 19,430.000 Actes englifhen Maapes. Stes 
wenbam vercheilt diele in feinem Statistical and historical 
inquiry into the progrels and magnitude of the population 
el liclend, alfo: Seen, Flüfe, Straßen und ſolche Laͤnde⸗ 
even, die nie zum Anbau genommen werden fönnen: 1,000,000 
Mcres: wuͤſtes, aber zum Aderban geſchicttes, Land: 2,500,000. 
um Anbau gewiſſer, zur Ausfuhr beitimmten, Produlte 
werden benußt: 1,000,000: faſi unfructbar, wenigftens.obne 
Ertrag liegen. Jahr aus Jahr ein, gegen 1,500.000 Acres. 
Es bleiben alfo für das Veduͤrfniß der Volksmenge übrig: 
12,339. 960. Diele Beſtimmungen geben mirhin überhaupt 
19,459,960 Aires nach englijhem Mape. 





von Großbritannien und Ireland. 245 





Ertrag der Zehnten in Süd Britannien (England und Wales) 
jaͤhrlich 2,500,000 und ihre Werth, zu 74 Prozent gerechnet, 
75,000,000 Pf. St. Gewiß eine fehr mäßige Annahme, und da 
der Werth derfelben feitder Zeit, wo Beeke fchrieb (gegen Ans 
fang dieſes Jahrhunderts) durch Verbeſſerung der Laͤndereven ſehr 
geſtiegen iſt, fo kann man jetzt fuͤglich 80,000,000 Pf.St. annehmen. 


o) In England find Kohlen⸗, Zinn; und Eiſen⸗Bergwerke zahl⸗ 
reich und ſehr eintraͤglich. Die Blei-Bergwerke auf der oͤſtlichen 
Graͤnze von Cumberland ſollen 1100 Menſchen beſchaͤftigen. Es 
gibt Steinſalz in ungeheurer Menge in Northwich, in Cheſhire 
und in andern Theilen des Reichs, auch Bergwerke von gerins 
gern Metallen und Kupfer in großem Ueberfluß in Anglefea und 
Wales. Die Koblens, Bley⸗, Ellen: und andern Bergwerke in 
Scotland find fehr gut und können wenigſtens auf 3,000,000 
Pf. St. geihägt werden. Die Hauptbergwerte in Ireland lies 
fern Eifen und Kupfer; überdies gibt ed noch einige andere Bergs 
werte, bie jedoch nicht fehr ergiebig find, und Ueberfluß an Schie⸗ 
fer und einigen Kohlen haben. 


'd) Die Kandle in England, melde die — Haͤfen und 
Städte zum Vortheil der inländifhen Schifffahrt verbinden, find 
zahlreich und von großer Ausdehnung. Auch im ſuͤdlichen Was 
les ift die binnenländifhe Schifffahrt fehr betraͤchtlich. Die Weg: 
zölle, die durch die vermehrte Anzahl von neuen Straßen gefties 
gen find, bringen jährlich bedeutende Summen ein. Das jährlich 
zum Schifban und Häuferban gefällte Holz ift von unermeplichem 
Werth. Beeke ſchaͤtzt ed auf 40,000,000 fit Großbritannien. — 
Ein prädtiger, fieben Fuß tiefer, Kanal verbindet den Forth 
und den Clpde. Der caledoniihe Kanal iſt von ziemlicher Aus 
debnung. Ueberdies hat Scotland noch den Monkland: Kanal 
und einige andere. Im Ireland befördert ein großer Kanal die 
Schifffahrt zwiſhen Dublin, Limerif und. Waterford. Ein an- 
derer erjtredt ji von der Stadt Newry zum Rough (See) 
Neagh und zu den Kohlengeuben von Drumglafl und Dungannon. 


e) Wohnhaͤuſer — mit Ausſchluß der in der Landrente bes \ 
grifenen — find in England und Wales 1,726,871, in Scotland 
309,741, überhaupt: 2,036,612. Unter diefen Häufern rechnet 
man in den Städten | 


’ 


246 Neuefte Schägung des Nationalvermögens 


sooKänfer,bie jahtl. eint. 200 p.e &t.,bett. 100,000 





1,000 — 15 — 150,000 
2,000 — — — — Too — — 300,000 
10,000 — — — — 50 — — 500,000 
20,00 — — — — 40 — — 3800, o00 
Ioo, ooo — — — 20 — — 2,000,000 
20,000 — — — — 10 — — 2,000,000 
578,894 — — — — 5 — — 2,000,000 
8,944,470 
auf dem Lan 
500 9., ie he. eintt. 1oo pr. < St. betr. 30,000 
1,000 — 50 — 50,000 
5,000 — — — — 40 — — 200,000 
20,000 — u — — 20 — 400,000 
100.000 — — — — Io 02 — — 1,000,000 
209,000 — — — — 5 — — 1,000,000 
794,718 — — — — ui 0 — — 1,855,530 
4,555,530 


Zuſammen: 13,500,000 
Dies beträgt zu 5 Progentgerehnet . . _270,000,000 Pf. St. 
Dazu Dampfmafdinen u.a. foftbare Mafchinen 60,000,000 — 


Mithin überhaupt für Großbritannien — .  330,000,000 — 
Sreland nah Verhaͤltniß etwa oo. 70,000,000 — 
400,000,000 — 
y Eden (Observations and statements on insurance) nimmt 
116,000,000 Pf. Sterl. als Betrag der jaͤhrlich verficherten brittiſchen 
a an, die er folgendermaßen vertheilt: 
Brittiſche UNTEREN für einheimiſchen Bedarf. 


Bollvaaren : . . II,000 ooo Pf. St. 
Baummollewaarn . . 6,000,000 
Leer . : . R « 12,000,000 
Flachs 2,000,000 

anf a. a, . 2,000,000 

Re. . 2 2,000,000 


Papie «  1,500,000 
Sera; und Tpfermaare R 2,000,000 
.  1,000,000 

ai Waaren di 6,000,000 
. . . . « 10,000,000 
Branntwein —— ae 4,000,000 
GSelfe . . i a «.  1,500,000 


— FIELTTIZ 


Sal . ‘ . u” 1,000.000 . 
Lichter . . e  2,000,000: 
Vermiſchte Artikel . “ . 12,000,000 





‚000,000 
2. Beittifge Manufalturwaaren für die Ausfuhr horoe 000 


— — — 





116,000,000 


von Großbritannien und Sreland. j 247 : 





Nimmt man diefen fehr mäßigen Anfchlag an, fo werden auf 
England und Wales fommen . . _ . 100,000,000%f. St. 
Auf Scotlanddieübigen . . . 16,000,000 — 
Auf Ireland aber kann man ungefähr ein Bier 

tbeil der auf England und Wales fallenden 

Summen, naͤmlich  . .  24,000,000 — 
annehmen; ber Gefammtbetrag für Sroßbris J 

tannien und Ireland iſt mithin140, o00, ooo — 


g) Eden nimmt 39,000,000 Pf. St. als Betrag der jaͤhrlich 
verfiberten ausländifhen Waaren an. Diefer Betrag ſcheint jes 
doch auf den damaligen Werth der Einfuhr gegründet worden zu 
ſeya. Seitdem .aber ift der Werth der eingeführten fremden 
Waaren, befonders der werinäifäen Erzeugniſſe, anfehnlic ge: 
ſtiegen. 

h) Eden ſchaͤtzte den Werth der Großbritannien gehörigen 
Schiffe, mir Einſchluß der auf Werften befindlihen, auf 19,000,000 
Pf. Sterl. Diefe Schägung. ift bauptiächlich auf den Tonnens 
gehalt der, im Jahre ı801 Großbritannien gehörigen, Schiffe 
gegründet, die 1,725,390 Tonnen hielten. Im Jahr 1311 war 
derfelbe auf 2,163,094 Tonnen geſtiegen, man kann die Schiffe, 
da ihr Werth zugenommen bat, alfo füglid auf 24,000,000 Pf. 
St. rehnen. Irelands Schiffe betragen etwa ein Achttheil jenes 
Werthes, und ed werden mithin 27,000,000 für Großbritannien 
und reland zufammen angenommen, Die den britifhen Kolonien 
gehörigen Schiffe, die zufammen 252,525 Tonnen halten, fommen 

hier nicht mit in Anſchlag. 

i) Eden rechnet den Handelswerth der jährlich in Großbritans 
nien verfiherten-Erzeugnifle der Landwirthſchaft zu 32,500,000 Pf. 
Sterl., namentlih Weizen, Gerfte, Roggen, Hafer, Bohnen 
und Stroh. Rechnet man nun dazu Erbfen, Rüben, Hopfen, 
Butter, Käfe, und zugleich die landwirthſchaftlichen Geraͤthſchaf⸗ 
ten, ſo kann man im Ganzen fuͤglich 35.000,000 annehmen, von 
welchen 5,000,000 für Scotland nicht zu viel feyn werden. — Der 
Werth der landwirthicaftlihen Erzeugniffe Irelands aber, wels 

‚her, bey der großen Menge von Pachthöfen und bey dem anſehn⸗ 
lihen Betrag der Ausfuhr eines unermeſſlichen Heberfluffes, ſehr 
betraͤchtlich iſt, kann zu nicht weniger ald 10,000,000 Pf. St. ans 
genommen werden. Es ift jedoch zu bemerken, daß in ben leuten 
30 Jahren faft jeder Artikel auf den dreyfachen Werth geftiegen ift. 


248 Neueſte Shägung bes Nationalvermögens 





k) Der Werth der Thiere laͤſſt ſich im — folgenderma⸗ 

ßen beſtimmen: 
Pferde, junge und alte, ungefähr 1,500,000 

(jedes zu 13 Pf. St. 6 Schillig 3 Pence ges 

rehnet) . »  » .» 20,000,000 Pf. St. 
Hornvieh, 5,500,000 Stie,. jedes nicht völs - 

lig zu 10 Pf. St.) . Re 50,000,000. — 

‚ Schafe und Lämmer, 2500000 Sci, (jedes 

zu 32 Schilling). . . 40,000,000 — 

Schweine, Ziegen, Efel, — Stüd, (ie 

ded zu 1Pf. St. 6 Schill. g Pence) . . 2,000,000 — 
Rothwild, Jagdthiere, Geflügel aller Art 1,000,000 — 


+ Gefammtbetrag für England und Waled 113,000,000 — 
Dazu für Scotland . . 20,000,000 — 
Fuͤr das viehreihe Ireland wenigſtens 50,000,000 — 


Gefammtbetrag für Großbritannien und | 
Ireland . * u 183,000,000 ei 


I) Da in Großbritannien und Yreland alle Gemwäfler, das 
Meer, gewiſſe Flüſſe und Seen, zwar Öffentliches Eigenthum find, 
‚die Kuͤſten- und Fluß⸗Fiſcherey aber zum Vortheil von Privatper 
fonen betrieben wird und die gefangenen Fiſche allein demjenigen 
gehören, der feine Arbeit daran ſetzt; fo haben wir den Ertrag dert 
Fiicheren unter das Privateigenthum aufgenommen. 


m) Das nicht urbare Ra; ad iſt nach folgendem Verhaͤltniſſe ein⸗ 
zutheilen: 


— Gemeinland, * des —— faͤ— 
hig iſt ..5500, 000 Acres 
Straßen und Gewaͤfer 540,800 — 
Laͤndereven, die gar nicht urbar gemacht wer⸗ 
den koͤnnen, oder Feines dem Aufwande ans 


gemeffenen Anbaues fähig nd  . +. 673,600 — 
Gefammtbetrag bed — Landes 
in CEngland und Wales 6,714,400 — 
Wwelche, das Acre zu 15 Vf. St. gerechnet, 
werth find- 82,500,000 Pf. St, 
Auf Scotland rechnet man ein Fuͤnftheil des 
obigen Betrags 16, 5300, o00 


Auf Itreland eh Zünftheile 33,000, 000 = 


Mithin der Gefammtbetrag des mwülten Ges 
meinlandes in Großbritannien und Ireland 132,00,000 .— 


° 


Y 


von Großbritannien und Ireland. 249 





n) Beetle bat a. a. D. das Hausgeräthe in den Wohnhaͤu⸗ 
fern in Großbritannien zu 160,000,000 Pf. St. angeſchlagen. 
Eden fhäpt ed auf die Hälfte des Häuferwertbed, nämlich auf 
135,000,000 Pf. St. Zu ber Zeit, wo dieſe Schäßung gemacht 
wurde, gab ed gegen 1,900,000 Haͤuſer in Großbritannien, wels 
&e Hausrath enthielten. Die Zahl der Häufer ift aber jegt, wie 
wir gefehen, auf 2,163,946 geftiegen, von welchen mehr ald 1,950,000 
mit Hausrath veriehen find. Man kann daber die in der Tabelle 
angegebenen Beltimmungen wohl ald die richtigen annehmen, 

0) In Hinfiht auf Kleldungftüde, Silbergeichirr, Juwelen, 
und anderes Ziergeräthe in Wohnhaͤuſern, ift zu bemerken, daß 
Der Betrag diejer Artifel von Jahre zu Jahre aniehnliher wird. 
Auch ift der Betrag des Werthes der Kleidungitäde im Mers 
haͤltniß zu der Volksmenge geftiegen. Die in der Tabelle bes 
findlihen Säge find vielleicht noch unter dem wahren Werthe. 

p) Nad den Angaben des wohl unterrichteten Roſe (der uns 
ter Pitt im Finanzfache arbeitete) beliefen fi die im Jahre 1799 
im Umlaufe befindlichen Goldmuͤnzen auf 43,950,042 Pf. St. Da 
aber beträhtlihe Summen aus dem Lande gegangen und fehr viele 
©uineen , wegen des daraus gewonnenen anfehnlihen Vortheils, 
in Barren umgefchmolzen worden find, fo ift die in der Tabelle bes 
findlihe Angabe wohl die richtigite. un: 

q) Die Valäfte in England find: St. James, Windfor, Hamps 
ton Coutt, Kew und Garlton Houfe. Es gibt ferner 28 Kathedral; 
tirben, gegen 10,000 (mitunter fehr große) Kirchen und Kapellen, 
zwey Univerfitäten. Die vorzüglichiten gelebrten Schulen (colle- 
ges) find Weltminfter, Eton, Wincefter und Charter Honfe. Da: 
zu fommen noch Kriegs: und Schifffahrt⸗-Schulen und öffentliche 
Stiftungen zur Erziehung der Jugend. Die Spitdier in Chelfea 
und Greenwich koſten beträchtlide Summen. Auch gibt es viele 
tleinere oͤffentliche Krankenanſtalten, fehr anfehnlie Gafernen *) 
im ganzen Reiche. Ferner find In Anſchlag gebracht, die Parlia- 
mentsgebäude, WeitminftersHall, die Gerihtshöfe, das: Schap: 
anit, die Admiralität und viele andere der Krone zuftehende Ge: 
bäude, fo wie die öffentlichen Gefängniffe und Strafanftalten, In 
Scotland gibt ed, außer dem königlichen Palafte Holp⸗rood⸗houſe, 
gegen 1000 Kirchen und eben fo viele Pfarchäufer, die Univerfi- 

*) Sm %. 1813 rechnete man in Großbritannfen, Guernſey und 


Jerſey Gafernen für 107,359 Mann und 10,410 Pferde. 
Viele find freplich feitdem verkauft und eingeriffen worden. 


250 Neuefte Schäß.d. Nationalverm. v. Großbr. u. Ireland. 








tätegebäude von Edinburgh, Glasgow, St. Andrews und Aberbeen, 
und viele andere äffentliche Gebäude. 

r) Dahin gehören die Zeughäujer in Woolwich, im Tower 
zu London, viele Eaftelle, Feftungen, Thürme, die unermeflis 
chen Befefttgungen von Dover, Portsmouth, Plymouth, Sheers 
neß, Tilburp, Fort und andern Dertern. 

s) linter den Öffentlihen Ausgaben in dem Budget von 1812 
find für Schiffbau, Ankauf von Vorräthen aller Art, Ausbefferung 
von Schiffen, Ankauf der dem Feinde genommenen MVorräthe ets 
was über 4,126,291 Pf. St. beftimmt. Es läfft ſich daraus ſchlle⸗ 
fen, welche ungeheure Summe jährlich auf die Schiffwerfte vers 
wendet werden müflen. 

t) Man bedente, daß die Lintenfhiffe nad dem Verhaͤltniſſe 
geſchaͤtzt wurden, daß auf jede Kanone 1000 Pf. St. famen, zu 
einer Zeit, wo die Bauftoffe halb fo theuer als jest waren, und 
daß es außer jenen 261 Linienſchiffen noch 30 Schiffe von 50 Kas 
nonen, 264 Fregatten, 177 Sloops, 14 Bombardierſchiffe, 172 
Brigs, 46 Cutters und 84 Shooners, in Allem mehr als 1000 
im Dienſt und in Aus beſſerung befindliche Kriegsfahrzenge 
gibt. 

u) Wäre es möglich anzunehmen, daß alle biefe Worräthe 
vernichtet würden, fo möchte die Herftellung dreymal fo viel 
toften, als die Summe, wozu der Werth derſelben angeſchla⸗ 
gen iſt. 


251 





- v. 
Noch ein Beytrag 
zu den 


im ſiebenten Hefte enthaltenen Aufſatze: 


Carnot, 
eine biographiſche Skizze. 





In Zeiten wie die unſrigen, in welchen ein Volk, noch 
vor Kurzem in politiſcher Hinſicht das erſte, zum letzten 
Range herabſank, weil fuͤr die Zwecke unbegraͤnzter Herrſch⸗ 
fucht die eine beſſere Haͤlfte verblutete, und die andere vom 
Gluͤcke verzogen, in die Apathie des Eigennutzes und Eigen: 
dünfels verfunfen erfheint, find Männer, die unter allen 
Umftänden fih gleich geblieben, eine eben fo erfreuliche 
als feltene Erfheinung.: Carnot ift eine folhe, und ein 
franzoͤſiſcher Geſchichtſhreiber, der fein Volt dem roͤmiſchen 
vergleichen möchte, dürfte ihn den tegten Branzefen 
nennen. 

Der angeführte intereffante Aufſaß erzählt (S. 99.), 
dag Napoleon Carnot zum Befehlshaber von Antwer: 
pen ernannte, aber er fagt niht, wie diefe Ernennung hem 
bengeführt-wurde. Der Morning:Ehronicle vom 12. April 
1815 gibt hierüber folgende Aufſchluͤſſe: 

As Buonaparte nah dem unglüdlihen Ende bes 
Feldzugs von 1813 nah Paris zurädtam, erhielt er von 
Carnot folgenden Brief: 

„Sire! So lang als der Sieg Ihre Adler kroͤnte, ver: 
„(bloß ih mich zu. meinen Studien, und beſchaͤftigte mich mit 
„der Erziehung meiner Kinder. Jet; wo er fie zu verlaj: 
„fen ſcheint, und wo es Ihnen noth thut, ergebene Mäns 


252 Noch ein Beytr. 3. d. im 7. Heft enth. Auff. Sarnot, 





„mer zu finden, beeile ich mich, Ihnen meine Dienſte anzu— 
„bieten. Verſchmaͤhen Sie dieſelben nicht, ob es gleich die 
„eines alten Soldaten ſind, der mehr als 60 Jahre zaͤhlt. 
„Ich kann um Ihre Adler manchen Franzoſen verſammeln, 
„der gegenwaͤrtig unentſchloſſen iſt, welche Partey er ergrei⸗ 
„fen fol. Jetzt iſt es Zeit, Sire, einen ehrenvollen Frie⸗ 
„den zu erhalten, und die Liebe des Volks wieder zu gewin— 
„nen, die Sie verloren haben.“ 
Januar 1814. Carnot. 
Als Carnot dieſen Brief geſchrieben, zeigte er ihn 
einem Freunde und ſagte: Dies bringt mich entweder in's 
Schloß von Vincennes, ober es verſchafft mir einen Beweis 
von des Kaiſers Zutrauen. Das Letztere traf ein, und von 
dem Zeitpunkt an ſchoͤpfften die Freunde der Freyheit in 
Frankreich neue Hoffnung auf eine wahrhaft repräfentative 
Berfaffung. | 
As Buonaparte im März 1815 wieber in Paris 
anlangte, war Carnot einer ber erften, ben er begrüßte. 
„Sie waren der Einzige,’ fagte Buonaparte, „der 
„mir vor meinen Unglüdsfällen die Wahrheit fagte.” — 
Wollen Sie, Sire, erwiederte Carnot, baß ich biefe 
Sprache fortführe? — „Ich verlange es!“ — Nun wohl, 
Sire! Franfreih will, Frankreich muß eine freye Konftis 
tution haben! — „Ich will fie ihm geben,” rief Buon« 
parte, ‚ich bin entfhloffen, es foll fie haben.” — 
Defter verfammelten fih nun bie Freunde der Frepheit 
bey Buonaparte, und drangen in ihm, die Idee vom 
großen Reihe fahren zu laffen. Er willigte ein und 
erklärte, eine große Thorheit begangen zu haben, ale er 
gegen den Charakter der Zeit handeln wollte; doch verlangte 
er, auch fie möchten nun bie ‚Idee von einer vollkommnen 
Republik aufgeben, und fih mit einer beſchraͤnkten Monar: 
‚bie, bie auf eimer freyen Nepräfentation berube, begnigen. 
Sie, waren es zufrieden. Als ein Zeichen ber Webereinftim: 


— 


eine biographiſche Skizze. 253 





mung verlangte Buonaparte von Carnot, er moͤchte 
einen adlichen Titel annehmen. Carnot verſprach es, 
mit der einmuͤthigen Zuſtimmung aller ſeiner Freunde. So 
kam denn Carwot der Republikaner zum Grafen-Titel, 
woruͤber man ſich haͤufig gewundert hat. 


NB. Einſender hat von obgenanntem Briefe Cars 
nots in Paris im Jänner 1814 ſprechen hören, ohne ihn 
jedoh damals zu Gefihte zu befommen; feine Aechtheit 
ſcheint alfo außer Zweifel zu feyn. 





2 u — 
Kleine Hiftorifche Denkwuͤrdigkeiten. 





Vertraute Bemerkungen über den Staat von Neas 
pel, deren Gegenftändg der befondern Aufmerk⸗ 
ſamkeit Sr. E. Hoheit dem Prinzen Joſeph 
Napoleon vorgelegt werben follen. 





VBorerinnerung. 


Welche Schlinge Frankreichs Politif unter Napoleon 
um bie Völker gewicelt, ift zum Theil fbom befannt; den 
böfen Geift, der nad allen Seiten fein Wert verſucht bat, 
wird die Zeit jedoch allmählig erft ganz enthüllen. Won ihm 
waren hauptfählih die Stillen befeflen, die ihre Entwürfe 
tief anlegten, und insgeheim fiber ausfuͤhrten. Daß auch 
ber Verfaffer diefes Auffages von jenem Geiſte befeffen war, 
beweist feine Handſchrift, die in einem Hauſe liegen blieb, 
in dem öfter franzoͤſiſhe Staabs:Dffiziere einguartiert murs 
den, und die burd eine der franzöfiiben Sprache durchaus 
unfundige Perfon zufällig in meine Hände fam. Sie ſchien 
mir der Aufbewahrung zur fünftigen Vekanntmachung nicht 


f 


254 Kleine hiſtoriſche Denkwuͤrdigkeiten. 





unwerth. Mächte dag verborgne Spiel der Voͤlker-Verder— 
ber, infoferne auch Privatperfonen dur ſolche Vorſchaͤge und 
ſtille werkthaͤtige Handleiſtung daran Theil nahmen, immer 
mehr aufgedeckt werden, damit man erſchrecke vor dem Ab⸗ 
grunde, in welchen Staaten durch Solche geſtuͤrzt werden, 
welche die Tugend aufgegeben haben, und nur mehr das Eins 
zelne und ſich wollen. 
Augsburg. Prof. Kayſer. 


Jeder Staatsbürger iſt feinem Fuͤrſten und feiner Regies 
rung den Tribut feiner Kenntniffe und feiner Fähigkeiten 
fhuldig; demnach hat der Unterzeichnete es für feine Pflicht 
gehalten, Sr. koͤn. Hoheit, dem Prinzen Joſeph, als ein 
ſchwaches Zeugniß feiner ehrfurdtvollen Anhänglichkeit und 
Ergebenheit an feine erhabne Perſon folgende Bemerkungen 
vorzulegen. 

Es herrſcht in ganz Italien und namentlich im ‚neapolis 
taniſchen Staate ein Geiſt der Vorurtheile gegen die franzd- 
ſiſche Nation und Regierung; das Kabinet von London weiß 
daraus WVortheil zu ziehen. Diefdr Geift, verbunden mit 
dem Mißvergnügen einiger Individuen, kann in der Folge, 
wenn man ihm nicht begegnet, großes Elend berbeyführen. 
Aus folhen Fehlern und Zerrüttungen entftehen alle die Ues 
bei, welche den gefellfhaftliben Körper umlagern; fie koͤn— 
nen den Fall und die Auflöfung eimes noch fo gut begründeten 
Staats nad fi ziehen. Um eine ſo augenſcheinliche Gefahr 
zu vermeiden, kann die Regierung nicht genugfam ihre Wachs 
famfeit auf alle Zweige ihrer Verwaltung, vorzüglich aber 
auf die Polizey, ausdehnen. Hauptfählih auf diefen 
Zweig muß fie ihr ganzes Augenmerk richten; die Polizey ift 
bey allen Regierungen die Grundlage der Öffentliben Ruhe, 
fie wacht, über bie Mißvergnuͤgten, die fic allenthalben ums 
hertreiben, fie erleichtert, wohl verwaltet, alle bürgerlide 
und Eriegerifhe Operationen. Unter biefen Umftänden kann 
die Obergewalt ihre Wachfamkeit nicht zu weit erfiredfen, um 


: Kleine hiſtoriſche Denkwuͤrdigkeiten. 255 





diefen Zweig ihrer Verwaltung zu verbejfern, der für bie 
öffentlihe Sicherheit vorzüglih in einem Staate wichtig if, 
wo ein neues Syſtem ſich feftftellt. 

Nah dieſen wichtigen Betrachtungen ift einleuchtend, 
dag die Stadt Neapel und ihr Gebiet geeignet find, eine 
fireng verwaltete Polizey nah demfelben Syſtem zu haben, 
das man in Piemont bey feiner Vereinigung mit dem 
franzöfifhen Reiche befolgt hatte, indem man diefelben Maß: 
regeln ergreift, welde angewendet wurden, um auß eis 
nem Lande diefe Menge der der Sffentliven 
Ruhe gefährlihden Individuen zu entfernen, 
auf welde die Feinde des Staates immer ihre 
Hoffnung fügen, 

Diefe Maßregeln follen auf eine wirffame Art zur 
Ausführung fommen, ohne daß der gute Geift der übrigen 
Einwohner irgend geftdrt würde; fie laffen ſich bewerfftelli: 
gen dur die Schöpfung einiger, dur freymillige Stellung 
gebildeter, Legionen; mit Zwang müffen aber alle 
VBagabunden und bie, welde gegen dad neue 
Spyftem find, eintreten. Diefe Korps follen in einer 
vom Gebiet von Neapel entfernten Stadt gebildet, und | 
nad) ‚ihrer Drganifation nad den Antillen befiimmt werden; 
an ihrer Spige follen, um fie zu befehligen, immer Fran: 
zofen fiehen. 

Der Erfolg diefer Worfehrung Fann für den Staat un: 
ter allen Beziehungen nur der erfprießlichfte feyn, indem fib 
zugleih zwey wohlthätige Wirkungen äußern werden, bie ei- 
ne, aus einem Lande gefährlihe, und dem neuen Sy— 
ſtem entgegengefegte, Menſchen (alſo dies find des Verfaſ— 
ferd VBagabunden?) zu entfernen, die fodann denen, 
die fih dem Staate und ihrem Souverain nüßlich zeigen wer: 
ben, Plag maden, die andere, Soldaten für die Kolonien 
zu ſchaffen. 

Die Polizey: Verwaltung wird — der nl, 


256 Keine hiſtoriſche Denkwuͤrdigkeiten. 








bey dieſer großen Unternehmung als nothwendig anerkannte, 
Beſtandtheil. Ihrer Wachſamkeit wird zukommen, die Ins 
dividuen zu bezeichnen, welche durch ihre Schritte und 
ihre Handlungen den Intereſſen des neuen 
Fuͤrſten und der Ruhe des Staats den gering— 
ſten Nachtheil bringen koͤnnten; fie ſoll wähs 
rend der Dauer dieſer Verfügung raſtlos arbei— 
ten, mit der größten Thätigfeit alle in-Frage 
fiebenden Menſchen zu verfolgen, weldes au 
die Maske feyn mag, unter der fie fih hätten 
verbergen fönnen, und nichts von dem verfäues 
men, wodburd man dieſes Ziel erreihen fann. 

Der Unterzeichnete hat bis zur Augenſcheinlichkeit die 
Nothwendigfeit gezeigt, einen Schritt zu thun, der in der 
gegenwärtigen Lage für die Ruhe des Staats von Neapel uns 
erläfflich nothwendig if. Er hat die Ehre, bie ſchwachen 
Kenntniffe anzubieten, bie er fih im diefem Theile durch die 
Arbeiten erworben, die ihm bey einer ähnlichen Vorkehrung 
in Piemont anvertraut worden find; er trägt feine Dienfte 
bey der Organifation der Aushebung diefer Legionen ald Dr: 
ganifation: Kommiffär an ꝛc. ıc. 

Zulegt beruft fih der Verfaffer no darauf, Sr. fin. 
Hoheit, dem Prinzen Louis, unter andern Perfonen von 
hoher Auszeihnung, vorzuͤglich befannt zu fepn. 


92. Note der kur fuͤrſtlich-heſſiſchen Herren Bevells 
maͤchtigten, an bie faiferl. oſterreichiſchen, koͤniglich— 
preugifhen und königl. großbritennifben HH. 
Bevollmächtigten, die Fürften v. Metternich und Har— 
Den berg, und den Herzog von Wellington, datirt 
Wien den 11. März 1815, betr. die Vindikation der im 
J. 1810 von Napoleon an Heflen:-Darmftadt gegebenen 
vier hanauiſchen Aemter, und den eventuellen Wis 
derfpruc des Kurfürften gegen Abtretung des übrigen b a; 
nausmüngenbergifhenkXandes an Bayern. ©. 

93. Erklärung der zu Wien, theild perfonlich theils durch 
Bevollmäctigte verjammelten acht Mächte, welche den 
Variſer Frieden unterzeichnet haben, oder ihm beugetreten 
find, betreffend Napoleon Buonaparte’s Einfall in 
Frankreich; datirt Wien den 13. März 1815. ©. 

93. Denkſchrift derjenigen deutfchen fürftlihen und 

aräflihen Häufer, welche durch die rheiniihe Bundes; 
Alte andern deutihen Fürften ale Standesherrn uns 
tergeordnet wurden; datirt Wien den 15. März 1815, ©. 
95. Betrahtung über die (unter Niro. 93, abgedrudte) 
Erklärung der acht Mächte, Napoleon Buona— 

j parte’s Einfall in Franfreic betreffend. ©. 
96. Patent wodurdh der ſouveraine Fürft der Nies 
dDerlande feine Annehmung der Eönigliben Würde 
und des Titels König der Niederlande, Vrinz 
von Oranien Naſſau, Herzog von Luremburg 
ic. befannt macht; datirt Haag den 16. März 1815. ©. 

97. Note des Hrn. Geheimen: Mathe v. Gärtner, als Be: 
vollmaͤchtigter vieler deutiben Kürten und Grafen, 
die durch den rheinifhen Bund andern deutſchen Furften 
ald Standesberren untergeordnet wurden, an die 
HH.Bevollmäctigten der allerhöchften verbündeten Mächte, 
betr. die Beichleunigung einer deutihen Staats: und Bun— 
desverfaffung, insbejondere die MWiederherjtellung des 
Rechtszuſtandes von 1806, und die Errichtung eines allges 
meinen hoͤchſten Gerichteg; dat. Wiend. 21.März 1815. ©. 

98. Note der Bevollmäctigten der vereinigten fouverainen 
ut (mit Ausnahme Badens) und frenen Städte 

eutihlande, an die Faij. oſterreichiſchen und fünigl. 
preußifchen erſten HH. Bevollmaͤchtigten, betr. theils 
die Bereitwilligkeit ihrer Committenten zu angemeſſener 
Militaͤr⸗Leiſtung hey den durh Buonaparte’s Einfall 
in Frankreich eingetretenen widrigen Verhaͤltniſſen, theils 
ihr Begehren einer ungeſaͤumten, regelmäßigen Fortſetzung 
der wefentlichſten Grundlagen einer deutſchen Bundes: 

Verfaſſung; datirt Wien den 22. März 1815.% 

99. Note des königl. hannoͤperiſchen erften Hrn. Be; 
volmäctigten, Grafen v. Münfter, an bie HH. De: 
vollmaͤchtigten der ———— ſouverainen Fürs 
ſten und freyen Städte Deutſchlands, worin derſelbe 


260 


13 


42 


fein Einverſtaͤndniß mit ihrer Note vom 22. März 1815 u R 


Härt; datirt Wien den 29. März 1815. 

100. Rote der HH. Bevollmächtigten der vereinigten 
fouverainen Fürſten und freven Städte Deutſch— 
lands, an den fönigl. großbritanniih-hannöveriihen erften 
Hrn. Bevollmäctigten, wodurd fie demfelben ihre Note 


y, h2. Märzmittheilen; dat. Wien d. 22. Marz 1815. © 28 


—— —ñif 


Stuttgart und Täbingen: in der J. &. Eottarfhen Bupante 
kung iſt erſchieuen: | = 
>» orgenblatt 

fürgebildete Stände 1815. September, 
b inhalt. 

Die Trauernden. Bon Couz. — Brucfläde aus Roberts 
Reben. 2. 3. Bon. Fr. 2. Bährlen — NRofenketten. Bon Hg. — 
Fanatismus und Enthufiasmus., — Die pontinifhen Sümpfe und 
ihre Bgnditen. — Vernunft und Thorheit. Bon Hg. — Alters 
ley ans England. Bon D. — Sondergauiſche Hexameter. — 
Die Tterpeiniger. Von Weiſſer. — Eıifabetb Montas 
gue's Brief an Thomas Lyttelton. — Nachleſe. — Hein⸗ 
rin von Anjou. Ein Trauerfpiel von J. B. Ritter von 
Zablhas. Bon —en. — Hilarios Lebenschrontt, Bon Ag. — 
Die auf das Stammfhloß Württemberg, Bon Viſcher. — Die 
Kanzel. Bon F. A. Krummacher. — Die geraubte Heidelber⸗ 
ger Bibliothek in Paris. Bon Ib. — Jobannes v. Muͤller'⸗ 
Prophezeihung uͤber Ludwig XVII. Bon Fb. — Naturbiftoris 
ſche Varietaͤten. 1. 2. 3. 4. — Grabſchrift eines Grobfhmide, 
Bon Ha. — Volkstaufe. Bon Friederich. — Das Saamens 
toru. Eiue Parabel. Von 5. A. Krummacher. — Davids Harfe. 
Eine Parabel. Bon Ebd. — Die Schreckensnacht. Eine Szene aus 
dem Reden Erzherzog Marimilians von Defireih. Bon Neuh o— 
fer. — Roſa. Bon Hg. — in Zug aus dem Leben. Bon J. KR. 
Hd. — Neligionsduldung. — Der Kunfijünger und das Madon: 
nens Bid, Von Won. — Friedrig Wilhelm, Herzog zu 
Beraunſchweig. — Romanze, Bon A. Seyfried. — Anekdote. — 
Ein Zug aus dem Leben des ungläctichen fpanifhen Infanten Don 
Eartos. — Wanderung an den Ufern der Marne neben Paris, 
im Sommer 1814. Bon Depping. — Die Seſchenke. Bon Hs. 
— Die großen Fiſche. Ein Shwant, Won End. — Gefährliche 
Dinte, Bon 3. ſ. Hoͤck. — Gedenkbuch. Von Weiſſer. — Wirks 
licher Kauf. Bon Hg. — Marius in der Verbannung. Bon Ars 
leder. — HELENAE. Bon Hg. — Jnunſchrift auf einen Kirche 
bof. Bon End. — Das Wirthshaus bey Newmarket. — Kleis 
derfucht. — Ein Wort von Pascal. Von J. K. Hoͤck. — Pros 
ben aus dem Rheinifhen Mausfreunde für das Jahr 1816. 1. Eine 
Parabel. 2. Deutſche Rechtlichteit. z. Die deutſche Fuͤrſtinn. 4. Der 
Schuſter Flint. — Vormals und Jetzt. Bon Hg. — An Tamer⸗ 
fan II. Bon Epd. — Der Schmetterling an Fedor. Von Hg — 
Der Kapaun, Legende. Bon Ebd. — Deutſche GSiegeds Fever ber 

Tonfunft zu Franfenhanfen in Thüringen, am Schluß ber Gedaͤcht⸗ 
nißs Tage der großen Voͤlter⸗Schlacht, den 10. und 20. Oktober 1815. 
— Grinnerung. an Venedig. — Karl II. König von Spanien. 
Bon Ld. — _ An den Tod, Bon 3. ©, Zimmermann. — 
Sonderbarer Belbeis für die Ausübung der bohen Gerichtsbarkeit, — 
Wanderung von Nofta Über den großen Bernhard, nad Laufanne uud 
Bern. Bon Pfarrer Mylius. — Kleine Gedichte, 1. Unſer Bers 
gehr. 2. An Tſchudkoy's rorfiem Geburtstage, Bon Hg. 3. Myrrha. 
VonEbd. — Merkwärdige Erfheinung Im Menſchen⸗Gemuͤth aus 
dem Jahre 1399. — Ahnung einer ſchoͤneren Welt. Bon Kapf. — 
Die Raturdichterinn. Bon K. G,...d. — Die Gräfinn Eofel, 
als Staatögefangene in Stolpen. Bon Ribard Roos — Anet⸗ 
doten. — Der Strauß ob altem und neuem Wein. Bon Hg — 
Allerley aus England vom Monat Junlus 1815. — Gedanken. zu 
einer Kobrede auf die Kohle, — Korrefpondenzs Nachrichten. — 
Tharaden ıc. 

nn —— 


Europäifhe Annalen | 


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Sabroang 8 7 5 


amsiften Sie 


nenne en 


zZübingen. 
in. = G. Cotta'ſchen Buchhandlung, 
‚1 815 


Inhalt. 


1. Der Papſt und die Jeſuiten, mit beſonderer Hinſicht anf 
Frankreich. Nah dem Franzoͤſiſchen bearbeitet and mit er 
ten: begleitet von A— 3: GBeſchl.) FE _ 237 
1]. Der rufjiihe Feldiug nah Eugen Labaume, Haupt _ 
mann der Geograpb s ingenieure, vormals Ordonnanz⸗Of⸗ 
fizier des Prinzen Eugen, (Fortf.) ©. 286 
Ill. Betrachtungen über die Enropdiihen Stagten in dem 
Zeitraum von dem Parifdr Frieden bis zu dem Pariſer Wafı 
* fenftillftande, oder vom Juni 1814 bis Juni ıgı5, und 
insbeiondere über Deutichland und den deutihen Bundes: 
Vertrag. (Beſcluß.) ©. 311 
IV. Capitain Mathias Flinders Ein merkmwürbiger 
Beptrag zur geheimen Geſchichte von Buonaparte’s 
Herrſchaft. (GBeſchl.) S. 351 
V. Inhalt der europdiihen Annalen 1815. ©. 375 
2* * 
— 
Codex diplomatious. 


101. Note der Bevollmaͤchtigten ber vereinigten ſouve— 
rainen Fürften und freyen Städte Deutſchlands, an 
die königl. beierifhben und württembergifben HM 
Bevollmächtigten, wodurch diefen die Note Nr. 98. ©. 286 
mitgetbeilt wird ; datiert Wien den 23. März 1815. S. 289 
102. Alltanz- Trafat, gefcloffen zu Wien am 25. März 
1815, zwifhen Defterreih, Rußland, England und 
Preußen, mit Einladung an alle Mächte von Europa, 
demielben beyzutreten. S 290° 
103. Note der königl, preußiſchen HH. Bevollmaͤchtig⸗ 
ten, an die HH. Bevollmächtigten der vereinigten ſou— 
yerainen Fürften und freven Städte Deuticlands, 
worin fie den, in deren Note vom 22. März geäußerten, 
Gefinnungen und Anträgen ihre Zuſtimmung geben, fie zu 
vorläufiger Beiprechung einladen, und den mit Rußland 
und England geichloffenen Allianz: Traftat mittheilen; das 
tiert Wien den 29. März 1815. ©. 
104. Bemerfungen über den ald Leitfaden der Verhandlungen 
mitgetheiliev Derfaffung: Entwurf, welcher vom Fürjten 
Metternich in der Konferenz vom 16. Det. 1814 in Ge— 
genwart der Fönigl. Preußifben, Baieriſchen, Wuͤritember⸗ 
giſchen uud Hanndveriichen Minifter verlefen ward, (om 
Lönigl, Baierifhen Minifterium eingegeben.) . 
105. Bemerfungen über den als Leitfaden der Berhandlungen 
 mitgetheilten Verfaffung: Entwurf ıc. ıc. (Dom fönigl, 
Wuͤrttembergiſchen Minifterium eingegeben.) S. 299 
106. Entwurf eined Bundesvertrags der fowverainen 
Fürften und freven Städte Deutſchlands, entbals 
tend die wichtigften Grundfäge der Bundesverfaflung, deren 
. weitere Ausführung, fo wie die Abfaffung der organiſchen 
Geſetze des Bundes, einer nachfolgenden Berathſchlagung 
vorbehalten bleiben fol, Vorgelegt von dem koͤnigl. preu⸗ 
kitchen Herren Bevollmächtigten, im Anfang des Aprils 
1815. ©. 304 
107, Acte du Congres de Vienne, signe le g. Juin 1815. ©. 309 


293 








? i I. 
Der Papftund die Jeſuiten, 
| mit 
beſonderer Hinfiht auf Frankreich. 
Nah dem Franzöfiihen bearbeitet und mit Noten begleitet 
Ä von V—3. | | 
— 1 Befchluß ded im fechsten Heft abgebrachenen Aufſates.) 





Siebentes Kapitel. 

Srände gegen die Wiedereinführung der Jeſulten In Ftantrelch: 

Unerachtet ber Parlaments-Beſchluͤſſe, des koͤ— 
niglichen Ediktes und des Breve Klemens XIV: 
betradteten bie Jeſuiten fib nie ale geſetzlich aufge: 
hoben. Bon ber Idee erfüllt, das Loos der Kirche hänge 
von dem ihrer Sozietät ab, nährten fie, wie die Juden 
in ihrer Zerfireuung; bie Hoffnung, und felbft die Zus 
verſicht ihrer Zurücdberufung: In diefem Vertrauen haben 
fie nie aufgehört, häufige Beziehungen mit ihren Affiliir: 
ten zu unterhalten, fid Profelpten zu bilden, und ſich 
bereit zu halten, um raſch, zahlreih und Eräftig in dem Aus 
genblicke aufzutreten, we ihnen die Umftände erlauben würe.- 
ben, wieder in ihrem urfprünglichen Zuftinde zu erfcpeinen; 
wie Minerva, ganz geräftet, dem Gehirne Ju: 
piters entflieg: Diefes planmäßige Benehmen harte ih: 
nen, bey ihrer erfien Vertreibung durh Heinrich -IV.; 
geglüdt. Der Abbe, in der Folge Kardinal, de Berulle, 
warb im Innern, und fhickte feine Rekruten nach Lothrin— 
gen: Diefer Dienft erwarb ibm feine Affıliation durd dem 
General Aquavivaz allein er fhärte ihm nicht gegen bie 
Intriguen der Societät, ale er in der Folge die nr 
gation de l’Oratoire gründete. 

Europ. Annalen. ı2te8 Erüd, 1815: 17 


Ey 


258. Der Papft und die Jefuiten , 








Bey Gelegenheit der ParlamentarsRevolution 
im Jahr 1771, deren thätigfte Werkzeuge die Jefuiten wa= 
ren, und beren Urheber, einen ehemaligen Ordensbru— 
ber, zum geheimen Sefretär und Vertrauten hatte, war bie 
Trage davon, fie unter dem Namen Peres de la Croix zus 
rüczurufen. Gie ſtroͤmten von allen Seiten nad der Haupt: 
ftadt, zeigten fih fühn im Publifum, donnerten von den 
Kanzeln herab wütende Deklamationen gegen die Parlamente, 
erhoben die Operationen bes Kanzlere Maupeou zum Kim: 
mel, und erneuerten in mander Hinfibt die Scenen, bie 
ihre Borfahrer in den Zeiten der Ligue geliefert hatten. Ihr 
Pan war: eine Korporation von Erziehern und Inſtitute 
von der Art zu errichten, wie fie der König von Preuf: 
fen in Schleſien beybehalten hatte, ihre Direktion den 
Er:Zefuiten anzuvertrauen, und ihnen Adjunkte beyzugeben, 
die ihnen eine Art von Novizen ſeyn follten. So würde 
die Sozietät, unter einem verfhbiednen Namen, und mit eis 
nigen Abänderungen in den dußern Formen, ſich allmäblig 
wieder organifirt haben, indem fie fich vorbehielt, ihren alten 
Namen, ihre alten Formen und ihr altes Syftem wieder ans 
zunehmen, fobald fie fih ſtark und mächtig genug geglaubt 
haben würde, ſolches offen zu tun. Das Projekt fbeiterte, 
durch die dringenden Vorftellungen der Kronen von Spanien 
und Portugall, bey dem franzöfifhen Hofe. 

Unter dem Minifterium des Grafen de Saint:Ger: 
main, ber einft ihr Gewand getragen hatte, leuchtete ihnen 
ein ſchwacher Hoffnung: Schimmer zu ihrem Wiederaufleben. 
Diefer Minifter hatte den Plan, in der Ecole militaire 
zu Paris ein Senimar von Aumoniers für die Trups 
pen anzulegen, unter deffen Direktion alle Militärfhulen der- 
Provinzen ftehen follten. Auf der gedrudten Lifte der Au: 
moniers,.die diefes Seminar bilden follten, fand freps 
id kein Name eines Er:Jefuiten; ba fie aber von 
Hrn. de Beaumont, ber fein ganzes Leben hindurch nur 





mit befonderer Hinſicht auf Frankreich. 359 


von Wiederherftellung der Jeſuiten träumte, entworfen war; 
fo vermuthete man gewiß unter dieſem Projekte verborgene, 
geheime Abfihten. Man ſchlug in mehrern Brochuͤren Lärm; 
Das immer gegen Gefpenfter auf feiner Hut ftehende Par: 
lament ergriff diefe Gelegenheit, feine VWerbannung:Urtheife 
zu erneuern, und fo wurbe jenes Projekt aufgegeben: 

Im Jahr 1789 begannen die Intriguen von Neuem; 
ihr Sig war ber Hof. Es war die Fräge davotı :- eine bes 
beutende Perfon in das Konfeil einzufhieben, wel: 
che dem Könige ein Memoire uͤber den Verfall der 
öffentlichen Erziehung feit dei Aufhebung ber 
Sefuiten; über die Unzulänglihkeit der übri« 
gen Lehranſtalten zu Ausfüllung der dadurch 
entfiandenen Luͤcke; und über die daraus ent: 
fpringenbe Nothwendigkeit, fie, als daß ein 
zige Mittel zu NReorganifatiön diefes widhti- 
tigen Verwaltung: Zweiged, wieder einzufühe 
ren,:überreiht hatte, Obgleich diefe Verfuche ohne Erfolg 
blieben, fo nährten diefelben do immer die Hoffnungen der 
Anhänger des Ordens. 

Zehn Jahre ſpaͤter glaubten fie den Augenblick der 
Erfüllung diefer Hoffnungen erfbienen. “Ein gewiffer Pac: 
canari, ein Zyroler von Geburt, feines Gewerbes ein Ho: 
ſenſchneider, Soldät in ben päpftliden Truppen, legte 
die Uniform ab, und taufte fie mir dem Priefterrod. 
Er begab fih nah Wien, niftete fih in das Wertrauen ber 
Erzherzogin Marianne eiit, und legte ihr einen Plan zur 
Miederherftellung der Jeſuiten, unter dem Namen Peres 
de la Foi, vor. Die Prinzeffin ließ fih in ihrer Andacht 
bereven, das reihe Erbe, das ihr durch den Tod ihres Was 
ters‘, des Kaiſers Leopold, jugefallen war, ju Gründung 
des neuen Inftituts zu verwenden: inige ehemalige Mit: 
glieder bes Ordens gingen in ben Plan ein; fie waren über: 

zeugt, wenn fie einmal feften Fuß gefafft haben würden, 





. 


260 Der Papſt und die Sefuiten, 





werde es ihnen leicht feyn, ihre alte Eriftenz und ihren alten. 
Glanz wieder zu erlangen. Als aber von der Orbensregel 
die Frage war: ſchlug Paccanari einige Abänderungen 
jener des heiligen Jago vor. Jetzt fahen fie in ihm ei: 
nen verwegnen Hofah, ber rudlofe Hände an die Arche 
des Herrn legen wolle, und ber größte Theil verließ ı bn. 
Er erfegte fie dur andre Geiftlihe, und erwärtte ein Re: 
ferivt Pius VI., den er überredet hatte, feine Abjicht 
fey in der That, zur Wiedereinführung der Jefuiten den Weg 
zu bahnen. Seine Gönnerin verfhaffte ihm verſchiedne Eta— 
bliffements, befonders im ehemaligen Venetianiſchen 
Staate. 

Paccanari folgte der Erzherzoginn nah Rom; er 
erwarb ſich die Gunft mehrerer Kardinäle, und eröffnete ein 
Kollegium, das in kurzer Zeit, durch das Talent der Lehrer 
und das Zuftrömen von Zöglingen, einen glänzenden Ruhm 
und ein um fo fehnelleres Gedeihen erlangte, ba ihm die Frey: 

gebigfeit feiner hohen Gönnerinn in den Stand fegte, die 
Flaven gegen eine fehr mäßige Penfion anzunehmen. Der 

rden begann fon, fi in mehrern andern Städten zur ver 
breiten, als eine, feinem Stifter zugeftoßene, ſehr fatale 
Begebenheit feine Fortſchritte vlöglih hemmte. 

Die Erzherzoginn hatte, unter Paccanari’s Direl: 
tion, einen Nonnenorden unter dem Namen, JMeres 
de la Foi, geftiftet; der Mißbrauch feiner Befiimmung, 
beren fib Paccanari zu Verführung der Nonnen bediente, 
erregte ben Eifer der Inquiſition. Man machte ibm den 
Prozeß, und er wurde zu ewigem Gefängniffe verurtheilt. 
Als die Franzofen fih einige Zeit nachher Roms bemädtig: 
ten, festen, ſie ihn in Freypeit. Neue Apvantüren brad: 
ten ihn vor das Zuhtpolizey: Gericht, er wanderte 
neuerdings in’s Gefängniß, verließ ed bald wieder; im der 
Solge fand man feinen Leihnam, ‚von mehren Dolchſtichen 
durchbohrt, in der Tiber. ‘ 


⸗ 


mit befonderer Hinfiht auf Frankreich. 261 





Man mifft zwar den Peres de la Foi die Wergehungen 
ihres Stiftere nit bey; eben fo wenig, ald man den Ka: 
puzinern den Glaubend:Abfall eines ihrer erften Generale, 
Doin, zur Laft legen kann; allein es ift demungeachtet ge: 
wiß, daß jenes Ereigniß ein fehr nachtheiliges Licht auf die: 
- fen Orden warf, und daß er feitdem, befonders nachdem der 
- Mierer Hof der verfhwenderifhen Freygebigkeit der Erz: 
herzoginn Marianne Schranfen gefeßt hatte, in Italien 
und Deutſchland fih nur noch kuͤmmerlich aufrecht erhielt. 
Der Abbé de Broglie, von einer den Jeſuiten ſtandhaft 
ergebenen Familie, hatte ein Etabliſſement der Peres de la 
Foi, in der Nähe von London, errichtet. Die Anftalt 
madte, wie alles Meue und Sonderbare, wenn ed vom 
Parteygeift unterftägt wird, einiges Gluͤck, endigte aber 
durch einen Banferutt. 


In Frankreich — die Peres de la Foi ſich, ums 

ter dem Schuße bed Kardinal Feſch, zu verbreiten, das 
Gouvernement fhöpfte Verdacht, und zwang fie, auseinans 
der zu gehen. Die Rüdkehr des Haufes Bourbon (dien 

ihnen eine günftige Gelegenheit, fi wieder zu verfammeln. 

Man bezeichnet felbft den Ort ihres Vereins, in welchem fie, 

unter der Direktion eines fehr befannten Er: Fefuiten, 

leben. DBefonders aber zeigen fie fi in der Didzefe Lyon 

(dem Augapfel der Sozietät) in ihrer vollen Kraft 
und Energie; dort pofaunen fie die Plane ihrer Rade von 

allen Kanzeln; ziehen eine Scheidelinie zwifhen ihren Freun: 

den und Feinden, und verfügen rah Willfür über die Aus⸗ 

übung bes heiligen Amts; man betrachtet fie als die Elemens 

te, aud denen fih die Gefellfhaft Jeſu in dem ungebultig er: 
fehnten Augenblicke bilden foll, wo ihr .das Signal der Auf: 

erftehung gegeben wird. Sie haben dann nur das Gewand 

zu wechſeln, ihr @eift bedarf feiner Aenderung, er ift ber 

wahre und Achte diefes gefährlihen Ordens. Welche Urfas 


262 Der Papft und bie Jeſuiten, 


ben ftehen diefem Ereignigfe im Wege? Diefes fey der Ge 
genftand der nachfolgenden Erörterung, 

An der alten Verfaſſung wurden die Jeſuiten durch die 
Parlamente, durch die beyden Klaſſen des Klerus, durch 
die weltlichen und regulären Korporationen, bie ſich dem Jod 
nicht ganz gefhmiegt hatten, und durch gewiffe eingewurzelte 
Marimen kontrolirt und im Zaume gehalten, gegen die 
fie unabläffig antämpften, ohne deren Vernichtung zu be: 
wirken. 

Die Parlamente, unerſchrockne Bewahrer der Freyhei— 
ten der gallikgniſchen Kirche, waren unabläffig auf 
ihrer Huth gegen die Lehre, gegen den Kredit, die Intriguen 
und Unternehmungen einer ehrſuͤchtigen Sozietät, die es fig 
beym römifhen Hofe zum Verdienft machte, dieſe Sreyheiten 
mit größerm oder minderm Erfolge zu unsergraben, Mit dem 
Parlamenten wirkte der Advokatenſtand gemeinfhaftlich zu 
demfelben Zwecke; er zählte in feinem Schoße mehrere ge: 
lehrte, in die Kenntniß unfers alten Rechts ganz einge 
weihte, und durch ‚lange Erfahrung, in Bekämpfung des 
neuen Defretalen: Rechtes geübte, Kanonijten. In diefen bey: 
den vereinigten KRorporationen herrſchte die heilfame Lehre 
des Appels comme d’Abus, bie fo oft der Bannftralen des 
Vatikans fpottete, die aber in unfern Tagen, wo fie auf eine, 
ber Hülfquellen, welche ſolche nährten, beraubte, Behörde 
beſchraͤnkt iſt, nicht daffelbe Vertrauen einzuflößen fähig iſt. 
In diefer ehemaligen Verfaffung der Magiftratur fanden die 
beyden Klaffen des Klerus die Mittel zum Widerftande ge: 
gen bie unmäßigen Privilegien, deren fih die Jefuiten bes 
dienten, die Gerechtſamen der geiftlihen Hirten anzutaften ; 
von dorther gingen fo viele berühmte Befhlüffe aus, die ihre 
unmoralifhen Marimen niederfihmetterten, und ihre, die 
gefellige Ordnung zerfißrende, Lehre, ihre Angriffe auf die 
Gerechtſamen der Souveraind ıc. ıc. entkraͤfteten. Welden 
Damm koͤnnte man in unfern Zagen ihrem unfeligen Eine 





mit befonderer Hinficht auf Frankreich. 263 





fluffe entgegenftellen, wenn fie einft das Uebergewicht wies 
ber erlangt haben würden, unter beffen Begünftigung fie mit 
allen Ständen des Staats in unaufhörliher Fehde lagen ? 
Hatte gleih vor der Revolution der Klerus Vieles von 
jenem erleudteten Eifer, von jenem Ruhme feiner Gelehr: 
famfeit und von jener alten Energie verloren, die einft fo 
hellen Glanz über die gallitanifhe Kirche verbreitet hatten; 
fo blieben ihm doch noch ausgezeichnete Mitglieder, die, bey 
Gelegenheit, ihre Gerehtfamen zu verfünden, und benfelben 
durch das volle Anfehen ihres Amtes Achtung: zu verſchaffen 
wuſſten. Man fand in ben Verfaffern ber trefflihen In- 
structions Pastorales gegen die P. P. Pibon, Hars 
douin und Berruyer, die würdigen Nachfolger jener Bis 
ſchoͤffe des fiebzehnten Jahrhunderts, die fih durch fo viele 
energifhe Krititen gegen bie Feinde der Hierardie und der 
gefunden Moral Ruhm erworben haben. Der Muth, den 
bie Prälaten, welche ihre Stellen nicht niederlegten, bewies 
fen, und ihre gelehrten Proteftationen haben "gezeigt, daß 
diefes heilige Feuer in den Adern eines bedeutenden Theile 
der franzöfifben Geiftlihkeit noch nicht erloftyen fey. Ges 
genwärtig ift Alles verändert. Diefelbe gallitanifhe Kirche, 
an welche einft der unfterblibe Boffuet mit fo vieler Wahr: 
heit die fhönen Worte: Quam pulchra tabernacula tua, 
o Jacob, et tentoria tua, Isra&l! richtete, bietet nur 
noch ein audgezehrtes Skelett dar. Die durch das Kon: 
kordat freirte Geiftlichkeit ift zu einer Shaar von Soͤld⸗ 
nern geworden, und hat die edle Haltung, welde ihr ihre 
Unabhängigkeit verlieh, verloren. Die Mehrzahl ihrer 
Haͤupter hat ihren Charakter entwürbdigt, indem fie nicht ers 
röthete, dem Goͤtzen bilde, deffen Gunftbezeugungen fie 
erbettelte, oder deſſen Wuth zw. trogen ihr der Muth 
fehlte, entweibhten Weihrauch zu opfern; fie hat ihr 
heiliges Amt geſchaͤndet, indem fie mit geſchmeidiger Krieches 
vey aus Fremdlings: Hand einen empörenden Katehiem 


264 Der Papſt und die Iefuiten, 
U | — — — — 
empfing, in welchem das Siegel der Religion zur Heiligung 
der Ufurpation auf die unwuͤrdigſte Weiſe ge 
mißbraucht iſt. In der zwenten-Klaffe verlor der gröſ— 
ſere Theil der Pfarrer die Lebenslaͤnglichkeit ſeiner Stellen, 
die ein unaufloͤsliches Band zwiſchen dem Hirten und der 
Herde bildete; er iſt zu jenem Zuſtande der Sklaverey herab⸗ 
geſunken, den die Erniedrigung unter die Gewalt der Will 
für faft immer erzeugte. Die Priefter fehen ſich durd den 
- Mangel gezwungen, diefelbe Hand, um Hülfe bittend, 
auszufireden, bie fib einft nur, Wohlthaten zu 
fvenden, öffnete; fie haben daher ihre Würde, eine der 
maͤchtigſten Triebfedern ihrer Wirkſamkeit, verloren; durch 
vervielfachte und mühfelige Amtsverrichtungen erſchoͤpft, müfz 
fen fie fih alle Studien, die der Seele Kraft und Energie 
verleihen, unterſagen. Wer weiß es aber nicht, daß bey eis 
nem unwiffenden Klerus die Religion in Vorurtheile, ber 
Gottesdienſt in bigotte Gebraͤuche, und der Eifer in Fana- 
tismus ausarte? - Wie vielen Grundftoff mäffen nicht die Jes 
fuiten in einer ſolchen Geiſtlichkeit zu Begründung und Er: 
weiterung ihres Reiches finden, dba gerabe von diefer 
das ungeſtuͤme Geſchrey und ihre Zurückberufung ausgeht? 
Die hohe Geiftlihkeit Pam, befonders feit de 
Beaumonts Tode, allmählig von der Idee von Wichtige 
keit zurück, die fie auf die traurigen Zwiftigkeiten des Jans 
fenismus legte, welche die Jeſuiten, nur in der Abſicht, 
im Trüben zu fifben, angefponnen haften. Die in's Land 
der Dbediemz devortirten Priefter find mit einem erneu— 
ten und weit glühendern Eifer für alle diefe Chimären zurüd: 
gekehrt. Es liegt Mar am Tage, daß der in diefem Angen: 
blicke entwickelnde Plan der geiftliben Erziehung mit diefer 
Stimmung der Gemüther vollkommen harmonirt, und noth— 
wendig darauf abzwedt, unter und alle jene Keime ber Zwie: 
trächt von Meuem zu beleben, da er fie ausſchließlich im eine 
Menfbenkiaffe konzentrirt, welche den Geiſt der Jefniten 


* 
J 


mit befonderer Hinfiht auf Frankreich, 265 


am meiften geerbt hat, und gerade mitten in diefe Maffe 
brennbaren Stoffs will man einen neuen Feuerbrand 
ſchleudern, deffen Flamme unfehlbar eine allgemeine Feuers: 
brunft erzeugen müffte. Fürchtet der Klerus, der die Sozies 
tät beynahe einftimmig zuruͤckberuft, nicht, zwiſchen ihr und 
ihm felbft einen Kampf erneut zu fehen, der jenem gleicht, 
in dem er, nur mit fo großen Anftrengungen, im fiebenzehnten 
Jahrhundert triumphirte, um die Rechte der Hierarchie gegen 
die Anmafungen und Privilegien jenes Ordens aufrecht zu 
erhalten? Man erwäge auch wohl, daß dem Klerus nicht 
mehr diefelben Mittel zu glücklicher Bekämpfung feiner Geg: 
ner zu Gebote ſtehen; er wird in feiner neuen Organifation 
nicht mehr die WVeranlaffung zu jenen periodifchen Verſamm— 
lungen finden, die an bie Stelle der ehemaligen Konzilien 
getreten waren, und im denen er, ir Maffe vereint, ben 
Feinden feiner Gerechtſamen einen unuͤberſteiglichen Damm 
entgegenftellen konnte. Die zweyte Klaffe wird ihm 
kuͤnftig in ihren, dem tiefen Studium ber geiftliben Wiffen: 
fbaften aus Beruf gewibmeten, Korporationen und 
Kongregationen, jene reiben Huͤlfquellen nit mehr 
darbieten, ans denen er einft gefhörft hatte; die Jefuiten 
werden allein diefe Wiffenfhaften kultiviren; ihr die Farbe 
des Geiſtes, der fie befeelt, verleihen, und fih ihrer zu Erz 
reihung ihrer Zwecke bedienen, 

Die weltliden und regularen Kongregatio: 
nen de ÜOratoire, de lä Doctrine chretienne, de 
Saint-Maur, de Saint-Vannes, de Saint-Genevieve, 
denen man noch den Dominifaner:Drden beyfuͤgen 
muß, hatten durch die Sozietät viele Drangfale erlitten; 
allein fie hatten fib nicht gezwungen gefehen, fi deren Herr: 
ſchaft zu unterwerfen. Gie zählten noch ausgezeichnete Mäns 
ner; die Liebe zur guten Literatur hatte fih noch bey ihnen 
erhalten; fie arbeiteren im den geiftlihen und profanen Wif: 
ſchaften; fie befaffen daher die Mittel, ihren gemeinſchaft⸗ 


266 : Der Papft ımb die Jefuiten, 





lihen Feind mit Vortheil zu befämpfen, und eiferten in ebs 
renvoller Konkurrenz bey dem öffentlihen Unterricht mit ihm; 
wachten raftlos gegen diefen gefährlihen Nebenbuhler, und 
zwangen ihn, in Ausführung feiner ehrſuͤchtigen Abfichten, 
ein gewiffes Maß zu beobachten. Die Bifhäffe bedienten 
ſich der Mitglieder diefer Verbrüderungen mit Nugen in den 
Verrichtungen des geiftliben Amts, in denen fie, mit bem 
Klerus der zweyten Klaffe vermifht, einen edlen, 
Wetteifer rege machten; ba fie fi durch tieferes Studium zu 
diefem Berufe vorbereitet hatten, fo kannten fie ihre Pflich- 
ten gründliher, und wufften ihre Gerechtſamen gründlicer 
zu vertheidigen. Alle jene Korporationen find verfhwunden, 
und zugleich jede Hoffnung, fie wieder aufleben zu fehen. 

Der Jefuitengeifi, der gegenwärtig in allen Gegenden 

Frankreichs mit Macht weht, hat alle diefe Lehranftalten. 
mit einem unfeligen Brandmale der Verwerfung geftempelt. 

In den Jefuiten allein, und in einigen, von ihrem Geifte 

durchdrungenen und ihrem Intereffe blindlings ergebenen, 

Merbrüderungen haufen ausfhlieglih Talente, Xu: 
genden, Eifer, Drtbodorie und überhaupt alle, 
zur Wiedergeburt der National: Erziehung ge 
eigneten, Rülfmittel, 

Aus diefer Ueberſicht ergibt ſich ber Setup, daß Peine 
intermebdiairen Korporationen mehr erifliren, welde den 
Einfluß einer Sozietät zu hemmen vermoͤchten, deren Eri: 
fienz bey ung in allen ihren Epochen durch Spaltungen in der 
Kirche und Unruhen im Staate bezeichnet wurde; einer So: 
zietät, die vom Ultramontanifhen Geifte ganz burde: 
drungen, durch ihre Natur und Sendung die erBlärte Zein 
dinn unfrer Marimen ift; die am Ende jenen Geift verftärs 
fen wird, deffen Keime fih fhon fo deutlich im Klerus zei⸗ 
gen, und welde natürlih mit jedem Tage neue Fortfhritte 
in demfelben machen müffen, da die Art ber Drganifirung 
ber kirchlichen Erziehung im Königreiche fe ganz ausgezeichnet 


mit befonderer Hinficht auf Frankreich. 267 








begünftigt. Denn man mäffte wahrlich blind feyn wollen, 
um nicht einzufehen, daß diefelbe ganz in jener Klaffe der 
ehemaligen Erzieher fonzentrirt ift, die alle, von den Sefuiten 
erbacte, Lehrfufteme forgfam gefammelt haben, und ſolche 
zur Bafis ihres Unterrichts machen. Die großen und klei— 
nen Seminarien find freylid unter die Aufſicht der Bifwböfe 
geſtellt; allein haben die, durch folde Lehrer gebildeten, Bi: 
ſchoͤfe einen andern Geift, andre Prinzipien, eine befriedis 
gendere Lehre? Wie viele irrige Meinungen, die dem geift- 
liben Arfenale der Jefuiten entftiegen, fehen wir nit 
ſchon als Dogmen aufgefielt? Wie viele, dem Glauben 
angehörige, Wahrheiten wurden, durch Machthandlungen 
der bifhöfliben Gewalt, in von Biſchoͤfen verfafften, oder 
mit ihrer Approbation verfehenen, Bädern in die Klaffe 
(liter Meinungen verwiefen? Die ganze Lehre der Schrift 
und der Tradition über die Erbfünde wird entfiellt. Der 
heilige Paulus erklärt: „alle Menſchenkinder hät: 
ten durch Adam gefünbigt, und.alle litten bie 
Strafe diefer Erbfünde;‘ uns aber will man über: 
reden, wer biefe Sünde nicht perfänlich begangen habe, 
der könne ihrer weder fhuldig fern, neh die Strafe dafür 
erleiden. Das Evangellum lehrt und, „es gebe Fein 
Mittelding zwifhen dem Paradiefe und der 
Hölle; ‘‘ demungeabtet erfann man einen Zwifhenaufent: 
halt, in dem nicht allein die, ohne Empfang der Taufe ver: 
fiorbenen, Binder, fondern au eine große Anzahl von Un: 
gläubigen, die ed in der Unfchuld ihres Herzens geweſen, 
zwar der intuitiven Anſchauung Gottes beraubt find, 
wo fie aber doch einer fehr tröftlihen, natürliden 
Gluͤckſeligkeit genießen, deren Idee aus dem Elyfium 
der alten heidniſchen Mythologie gefhörft ſcheint. Unſre 
Katebismen fagen: „außer der Kirche feine Selig: 
feit; man fand Mittel, diefe Marime zn, mildern, und 
(immer zu Gunſten jener Uufhuld des Herzens) die gehei— 


268 Der Papſt und die Jefuiten, 


ligte Schranke niederzuſtuͤrzen, die einer Schaar von Mitglie: 
"dern heterodorer Vereine den Eingang zum Heile unter: 
Sagt. Bey folben Auslegungen bieter die Religion feine Ge: 
heimniffe mehr dar, die fih dazu eignen, die Vernunft zu 
demüthigen, und den Glauben triumobiren zu laffen; Alles 
ift flach und geebnet, und gerade von der Öozierät, durch die 
man bie Kirche regeneriren will; gingen urfrrünglich alle jene 
berrliben Entdeckungen aus, und in der Klaſſe, welcher bie 
geiftlihe Erziehung obliegt, finden dieſe Syſteme ihre eifrig⸗ 
ſten Vertheidiger. 

Die ehehin unter den verſchiednen Schulen beſtehende 
Nivalität, und die Oeffentlichkeit des Unterrichts, ſtanden 
der Suͤndfluth von fo vielen Neuerungen im Wege; allein in 
der gegenwärtig aboptirten Organifation fann diefer heilfame 
Damm nicht länger beſtehen. In diefem neuen Spfteme ges 
winnt man rüdfihtlih des Einklangs, verliert aber in Hin: 
fiht des Wetteifers; nimmt aber vollends diefer traurige 
Einflang eine falfhe Ribtung, welche Früchte wird er und 
bann bringen? 

In der alten Verfaffung hatte man die Infonvenienzen 
einer folben Konzentrirung des geiftlihen Unterrichts 
in Privatſchulen eingefehen. Darum widerfeste fih 1737 
der Kanzler D’Agueffeau der Aggregation des Semi: 
nard zu Perigueur mit der Univerfität von Bordeaur; 
und eben darum erklärte fi der Maitre des Requötes und 
Direoteur-general de Imprimerie, Casmus, im. 
1782 in feinem Rapport an den Garde-Sceaux gegen eine 
ähnliche Aggregation des Seminars zu Autun mit der Unis 
verfität von Bruges. Bor der Revolution waren bie Se— 
minarien, wenigftens in den Univerfität:Städten, verpflich⸗ 
tet, ihre Zöglinge in die oͤffentlichen Schulen zu ſchicken. 
Die Eleven waren Prüfungen unterworfen, bie ebenfalls Sf: 
fentlib gehalten wurden. Die Inbonvenienz war weniger 
wichtig; denn man nahm in die Meinen Seminarien nur 


mit befonderer Hinficht'auf Franffeic. 269 





Studenten der Philofophie auf; gegenwärtig foll für alle 
Klaffen admittirt werden, Die Bedingung, nur junge Leute, 
die fih dem geiffliben Stande widmen, darin aufzunehmen, 
laͤſſt fih leicht umgehen; auf diefe Art werden die oͤffentlichen 
Schulen entweder fih verdden, oder nur auf junge Leute aus 
dert unterfien Klaffen befhränft werben, und fo alle Achtung, 
beren fie genofjen, verlieren. 

Es läfft ſich nicht laͤugnen, die Lehrmethode in den oͤf⸗ 
fentliben Schulen ift in ihrem gegenwärtigen Zuftande dufs 
ferft mangelhaft, und bedarf einer Reform; zum Be: 
weife mag ein Artifel dienen, der über eine der wictigften 
Tragen in einem Journale erfhien. Diefer Artikel, der die 
Ehe, einen Gegenſtand behandelt, über welden die Theos 
flogen nicht leicht ihrer alten Routine entfagen werben, hat 
einen Profejfor der Theologie der Üniverfität 
' zum Berfaffer: 

Es ift ein feſt begründetes und durch die vernünftige, 
von den Vorurtheilen der Schule befreyte, Welt anerkann⸗ 
tes Prinzip: die Ehe und das Saframent ber Ehe 
feyen an und für fih durchaus verſchieden; aud 
der erftern entfpringe das, beybe Gatten unauflöslich ver: 
einigende, Band; dieſes letztere diene aber nur, daß 
ebelihe Band zu fegnen und zu heiligen; nachdem es 
bereits durch die gefeglibe Einwilligung beyber Theile abge: 
ſchloſſen iſt. Diefe Elementarlehre ift in allen Katechismen 
enthalten. Demungeadtet jtellt der gelehrte Profeffor den 
Grundfap auf: bey den Katholifen könne ohne 
bad Saframent feine wahre Ehe erifiiren, und 
dies fey fogar in den Ländern der Fall, wo die 
Staatsgefege jene Foͤrmlichkeit zu feinem im 
tegrirenden Theile des Ehekontraktes madhen 
Daher, die unmoralifhe Paradore: „es gebe vor dem 
Geſetze unauflöslihe, und bob im Gewiſſen auflösde 
bare Ehen.” Muffte der Profeffor nicht die Abgeſchmackt⸗ 


270 Der Papſt und die Jefuiten, 


heit und Mißlichkeit fühlen, auf diefe Art Gefeg und Ge: 
wiffen in Widerfprud zu bringen? 

Er fügt zu diefer Paradore eine, noch weit merkwuͤrdi⸗ 
gere, Entdeckung hinzu: „daß nämlih ein Katholike, ber, 
—„ohne Mitwirkung ber Kirde, eine Ehe kontrahirte, offen: 
„bar das Satrament entweihe.“ Ed wäre zu wünfben, er 
hätte ung belehrt, wie man ein Saframent, ohne eg zu 
empfangen, entweihen koͤnne. Dem Profeffor ift ſolches 
evident; mir zweifeln aber, ob es feinen Schülern eben 
fo evident ſeyn dürfte? Der Verfolg Ift nit weniger neu: 
„Derienige,” fagt er, „der ben ehelihen Segen empfängt, 
„indem er weder durch ben weltlichen Souverain, noch durch 
„den geifilihen Öberherrn, zur Entweihung ermächtigt iſt, 
„wird um fo weniger gefährlih,, da Er weniger Nergernig 
„gibt; und da er wenigftens der Religion feinen Tribut ger 
„zollt bat. Der Erfiere ift ein Öffentliher Gottesſchaͤnder, 
„die Entweihung des Lestern aber wird nicht befatnt.” *) 

Diefe ganze Logomadie kuͤndigt einen Schriftfieller an, 
ber die Materie, über die er Andre belehren will, felbft nicht 
kennt — einen Autor, der eher den abfürbeften Folgerungen 
froͤhnt, als has falfhe Prinzip feiner Schule aufgibt, Denn 
was ift wohl abgefhmadter als die Behauptung: „man ehre 
„die Religion, und huldige ihr mehr, wenn man ein Sakra—⸗ 
„rent, beffen man ſich in der That unwuͤrdig glaubt, oͤffent⸗ 
„lich empfange; ald wenn man fib, in Ermainglung der er: 
„forderlihen Dispoſitionen, deffelben enthalte?” In wel— 
ben Kafuiften hat der Profeffor die Lehre geſchoͤpft: „man 
„ehre die Religion durch Gottesraub? 

Es lieffen fi. über diefen Artikel noch weit mehrere Be: 
merkungen Anftellen; wir führen nir nod etwas an, was ber 
Autor nicht zu wiffen ſcheint; die bürgerlihen und kirchlichen 
Geſetze erforderten ehemals mir die einfahe Gegenwart 


*) Gazette de France vom 30. Auguſt 1814. 








mit befonderer Hinfiht auf Frankreich. 271 





des Pfarrers, als eines nothwendigen Zeugen, ohne irgend 
einige Amtsverrichtung; folglich war der Eheſegen nicht 
ſtreng erforderlich, um einer Ehe in der Kirche und im 
Staate Guͤltigkeit zu verleihen. Dieſen Grundſatz haben 
die Erkenntniſſe unſrer Gerichtshoͤfe und die Entſcheidungen 
der Kongregation der, das Tridentiniſche Konzilium erklaͤren⸗ 
ben, Kardinaͤle geheiligt. 

Die Prinzipien unſrer Freyheit werden bey dem gegen⸗ 
waͤrtigen Unterricht eben ſo wenig, als die Grundſaͤtze uͤber 
die Ehe geehrt. Die Verſammlung des Klerus im J. 1682 
lehrt uns, daß die vier Artikel ihrer, auf die heiligen 
Kanone und auf die Tradition der Kirchenvaͤter gegruͤndeten, 
Deklaration mit allgemeiner Ehrerbietung anerkannt wurden. 
Der Abbe Fleury findet ihren Grund in der heiligen 
Schrift und in der Lehre aller Zeiten. Er empfiehlt: bie» 
felben gleih dem Augapfel zu bewahren. Bof 
fuet behauptet: unfre Freyheiten feyen durd das 
Anfehen und das einförmige, ungeänderte Sys 
fiem der Kirche garantirt; fie repräfentirten 
das alte Recht, und feyen in den Kanonen ber 
Konzilien, befonbers ber Sfumenifhen, ent: 
halten. Er verwirft mit Unwillen die Eigenfhaft einfas 
her Privilegien, die man ihnen zutheilen wollte. End: 
lich ergibt fih aus allen Zeugniffen ber Tradition, die er in 
feiner berühmten Defense de la declaration de Clerge 
‚anführt und erörtert, daß bie darin enthaltene Doftrin, obs 
gleich noch nicht durch das Urtheil der allgemeinen Kirche zum 
Olaubens:Artifel erhoben, doch nichtsdeſtoweniger unter die 
Heiligthümer des Glaubens gehöre; 

Wie ftellt man demungeachtet diefe wichtigen Wahrheis 
ten in der neuern Schule dar? Als ein unwefentlihes Sys 
ſtem, und als eine, der franzsfifhen Kirche eigenthuͤmliche, 
von allen andern Kirden verworfene, und von ben Päpften 
Innocenz Al. und Alexander VIII, deren Detrete 


272 ‚Der Papſt und die Jeſuiten, 


Pius VI. in. der Bulle Autorem fidei beftätigte, foͤrmlich 
verbammite Nationalmeinung. Wollte man fonfequent ſeyn, 
fo müffte man ohne Zweifel noch viel weiter geben. Man 
müffte fagen: „die franzöjifbe Kirche befinde fich feit mehr als 
„hundert Jahren in einem Zuftande des Schismas und ſelbſt 
„ser Ketzerey.“ Denn es ift eins der ſymboliſchen Dogmen 
der neuen Theologie, daß die Majorität der Biſchoͤfe, mit 
dem Papfte vereinigt, feinen Dekreten ben Charafter und 








"die Wirkungen einer wahren Glaubengregel verleihe. Man 


wagt es zwar nicht, diefen Schluß zu ziehen, obgleih er uns 
mittelbar aus dem Prinzive folgt; allein wie viele indirekte 
Angriffe erlaubt man ſich nicht auf unfre Freyheiten ! 

Wir fahen einen Mann, der eines fehr großen Einflufs 
fes im. Klerus genoß, feine ganze Subtilität aufbieten, um 
biefe vier Artikel unter fi in Widerſpruch zu fegen, und den 
Maitre des Conferences, Abbe de C***, von einem 
feiner Seminarien ausfhlicßen, weil er fi eine feiner The: 
fen zu ändern weigerte, in der jene vier Artifel des Klerus, 
als der Kirchendoktrin angehörig, dargefiellt wurden. Wir 
fahen vor zwey Jahren einen Prälaten, Großwärden 
träger ber Univerfität, bey Vertheidigung einer The: 
fe, wo er präfidirte, dogmatifch erklären: „das Dekret des 
„Öeneraltonziliums zu Konflanz, das mit fo vieler Klarheit 
„und Beftimmtheit die Weberlegenheit der Konzilien gegen 
„den Papſt entfiheider, biete nur eine hoͤchſt gleichgüftige, 
„fattifhe Frage bar.” Auch fanden wir jüngfthin in öffent: 
lihen Blättern zwey andre Prälaten, die über Ge: 
genftände der Öffentlihen Ordnung römifhe Breven follizitir: 
ten, erwirften und publizirten, ohne eine der für Alles, was 
von einer ausländifhen Behörde herfiammt, fehr weife vor: 


geſchriebenen Formalitäten zu beobachten. *) Wie viele ans 


dre Akten des roͤmiſchen Hofes, welche dur unfre Freyheiten 


ver⸗ 
—— . 


. *) Journal general de France vom 23. Sept. u. 30. Det. 1814. 


\ 


mit befonderer Hinficht auf Frankreich. 273 





yerbennte Klaufeln enthalten, fehen wir endlib in gewiffen 
Journalen, ohne das geringfte Zeichen von Tadel, angefüns 
digt, und mit kriechender Gefälligfeit publiziert? Selbſt die 
FBiedereinführung der Ingquifition in Spanien erfuhr eine 
gleide Nachſicht; und dürften wir Privarunterhaltungen an: 
führen, fo würden wir behaupten: „die Inquifition’habe in 
‚‚mehrern Mitgliedern der Geiftlichfeit WVertheidiger gefun: 
„den, und biefelben haͤtten ſchmerzlich bedauert, daß in Frank⸗ 
„reich nicht ein aͤhnliches Tribunal exiſtire.“ 

Nach einer ſolchen Schilderung, zu der das Seväctnid 
und die Betrachtungen der Leſer noch manche andre Züge hin— 
zufügen innen, werden bie, für die Erhaltung unfrer ge: 
beiligten Marimen eifernden, Männer vielleicht die Noth— 
wendigfeit einfehen, einer Sozietät den Eingang zu verſagen, 
‚beren Intereſſe es nur zu fehr ſeyn würde, eine Stimmung 
‚zu begünftigen, welche gerade die Kirche und der Staat) 
durch einen beffern und zweckmaͤßigern Unterricht zu I, 
bemüht feyn müffen: 

Die Mängel des gegenwärtigen Unterrichts und bie In⸗ 
konvenienzen, welche er veranlaſſen kann, laſſen ſich am rich⸗ 
tigſten nach dem Charakter der Elementarbuͤcher, die ihm zur 
Grundlage dienen, beurtheilen. Der theologiſche Kur: 
fu 8 bes verftorbenen Bailly ift am meiften im Schwange. 
Der Berfaffer weist darin alle Augenblicke auf die ungluͤck⸗ 
liche Angelegenheit des Janfenismus bin, die in den’ 
beyden legten Jahrhunderten Kirche und Staat zerrätteten ; 
biefelbe ift außerdem ganz unrichtig dargeftellu Daher jener 
Geift der Streitfuht und des Schismas, ben man 
bey allen Zöglingen der Seminarien wahrnimmt, und ben fie‘ 
in daß gefellige Leben wie in die Verrichtungen des Priefters 
amts mit hinuͤbernehmen; daher die Zerfplitterung unſrer 
Kräfte und der Triumph des Unglaubens; daher die Abnei: 
gung gegen alle Gattungen des Studiums, die nicht mit dem 
Gegenftande diefer Lieblings-Leidenſchaft in Beziehung fichen, 

Europ. Annalen, ı2ted Stuͤck. 1815. 18. 


274 Der Papſt und die Jeſuiten, 





Bailly hatte ſich vorgeſetzt, in der legten Ausgabe die 
Prinzipien des geiftlihen mit jenen des franzöfifben Rechts 
über die Fragen, in denen fie von einander abweichen, im 
Harmonie zu bringen; feine ganze Arbeit befhränfte fib aber 
darauf, unfre Marimen in das Jod der Schulvorurt heile 
und der Lehre der Ultramontaner zu ſchmieden. Am 
auffallendſten ſind die Mißgriffe des Dijoner Theolo— 
gen in der Ehematerie. Er geht darin beſtaͤndig von dem 
falfhen Grundſatze aus, den wir in dem Munde des Pari— 
fer Theologen -würdigten, und verirrt fib im dieſelben 
Folgerungen, indem er, gleib ihm, ben Vertrag, ber 
das eigentlihe Band der Ehe fnüpft, mit dem Saframen: 
te, daB ihn nur fegnet, verwecfelt. Er fhreibt der, mit 
allen vom Geſetz vorgefähriebenen Formalitäten verfehenen, 
Einwilligung nur rein bürgerlibe Wirkungen zu, und folgert 
daraus: eine vor dem innern Forum gültige Ebe 
fey vor dem Yußern oft ungültig, und umge 
kehrt. Indem er diefe Theorie auf die Ehen minoren: 
ner Familienkinder, befehrter Ungläubigen 
und auf jene,.die vor dem Civilbeamten geſchloſ— 
fen, aber vonder Kirde nibtgefegnet find ıc.x. 
anwendet, fteht er in durchgehendem Widerſpruche mit der 
Surisprudenz der Parlaments: Befhlüffe, mit den 
DOrdonnanzen unfrer Könige, und mit den Verfü: 
gungen des bürgerliben Geſetzbuchs. Man jieht 
leicht ein, wie fehr diefe Doftrin des angebliben Wermitt: 
lers über eine, das wichtigſte Intereſſe der Bürger fo wefent: 
lich betreffende, Materie geeignet fey, die Unauflöslichfeit 
des Ehebandes zu ſchwaͤchen, die Ehefheidungen zu begünftis 
gen, bie Gewiffen zu beunrubigen, Unordnungen in den Fa: 
milien anzuftiften ꝛc. ac. 

Baillys Werk enthält vieles Andere, was ben fireng: 
ften Zadel verdient; befonders in den Fragen, welde fi auf 
unfre Sreyheiten beziehen. Man wollte vor ungefähr drey 


mit befonderer Hinficht auf Frankreich. 275 





Jahren eine neue Ausgabe veranftalten; der Genfor ver: 
Iangte bedeutende Abänderungen. Der Chef des Buchan— 
dels entfhied, dag Werk bebürfe einer gänzliben Umſchmel— 
zung. Die ganze theologifhe Fakultät fam in Aufruhr. Die 
vier Prälaten, welbe das Zutrauen des ehemaligen Kaifers 
befagen, verfügten fib in großer Bewegung zum Minifter 
des Kultus, der anfänglib ihre Stimmung theilte., Nah 
Durchleſung des triftig motivirten Rapportes des Cenſors 
aber beforgte er, fi bey feinem Herrn und Gebieter zu fom: 
promittiren, wenn er ſich erlaubte, den Druck zu autorifiren 
das Werk wurde an die theologifhe Fakultät rare. 
um unter Direktion des Prälaten, ber ſich an die Spige der 
biſchoͤflichen Deputation geftellt hatte, von Neuem geprüft 
und umgeändert zu werden. Diefe Unterfubung verurfachte 
große Schwierigkeiten. Die Intereffenten der Unternehmung 
wählten endlih, dur den langen Verzug ermuͤdet, ben Aus: 
weg, eine heimliche Ausgabe, Bu alle Abänderungen, zu 
veranftalten. 

Im Verlaufe diefer — wurde vorgeſchlagen, 
der Theologie Bailly's die Institutions Théologiques 
de Lyon des P. Valla vom Oratoire zu ſubſtituiren. 
Die Qualität des Verfaffers war für fein Berk eine ſchlimme 
Empfehlung. Indeffen miüffen felbft die anı meiften dagegen 
Eingenommenen der treffliben Diftribution der Materien, 
ber darin waltenden Methode, und ber Reinheit, Eleganz 
und Klarheit des Styles, der für ein Mufter in diefer Gat— 
tung gelten kann, Gerechtigkeit wiberfahren laffen. Diefes 
Handbuch war von ben gelehrtefien Parifer Theologen durch— 
gefehen, von einem koͤniglichen Cenſor (Doftor der Sorbon: 
ne und einer der Hauptofärrer von Paris) approbirt; es war 
mit einem Hirtenbriefe des Erzbifhofs von Lyon, de Mon: 
tazet, einem ber aufgeflärteften und weifeften Praͤlaten 
des Königreichs, verfehen, und in mehrern Seminarien, 
im den Kongregationen und Religioſen-Orden, in denen fi 


276 Der Papft und die Jeſuiten, 





noch bie Liebe zur guten Literatur erhalten hatte, angenom⸗ 
men. Man hatte Sorge getragen, bie Streitfragen daraus 
'zu verbannen, und fi darin, fo weit ed die Umſtaͤnde er: 
laubten, den Prinzipien des franzöfifhen Rechts anzuſchlieſ— 
fen. Allein dag perfide Stillſchweigen über den fireitigen 
Theil des Janſenismus, und die Behandlungart gewiffer 
Fragen, im Widerſpruch mit der modernen Tneologie, miß— 
fielen den Depofitarien des aͤchten Sefuitengei:- 
fee hoͤchlich. Sie hatten verfucht, bey einer der legten 
Berfammlungen bes Klerus ein Verdammung-Urtheil gegen 
diefes Buch zu erwirfen; allein ihre Denunciation wurde mit 
Geringihägung zurücgewiefen. Sie waren zu Rom glüd: 
lider ; dort gelang es ihnen, während der Unterdrücdung der 
gallikaniſchen Kirche, baffelbe unter der Regierung eines 
Papftes, der, wie früher gefagt wyrde, die Dekrete zweper 
feiner Vorgänger gegen die Deklaration des Klerus vom J. 
1682 erneuert hatte, zum Inder zu bringen. Der Bor: 
fhlag, dieſes theologifhe Handbuch zum Unterridt in den 
Seminarien zu aboptiren, blieb daher ohne Erfolg. Diefe 
Details eignen fih ganz, ung eine richtige Idee von dem iu 
einem. bedeutenden Theile bes franzöfifhen Klerus verbreites 
ten Sefuitengeifte, und von den Gefahren zu geben, welde 
bie Verzögerung einer ſchnellen Abhälfe droht, und ung folgs 
lich zu überzeugen, wie wichtig ed ſey, eine unfern Sitten, 
Meinungen und Intereffen fo geradezu wibderfireitenve So: 
zietaͤt zuruͤckzuweiſen, welde den Abfichten eines weifen Gou— 
vernements in Frankreichs gegenmärtiger .. durchaus im 
Wege fiehen muß. 

Eine andre Manipulation der Kefuiten und ihrer Nach—⸗ 
folger in.ihrem Berufe war die heimliche Entftellung 
unfrer beften Autoren; felbft jener, denen das Ges 
präge ber Öffentlihen Autorität zur Seite ſteht; diefes Schick⸗ 
fal erfuhren der berühmte Catechisme de Montpellier, 
und der trefflihe Catechisme historique de Fleury. 


mit befonderer Hinſicht auf Frankreich. 277 








Die Bibel des P. Carrieres, die unter den Auſpi— 
zien des großen Boſſuet verfaſſt wurde, die einzige, in 
der die Lektuͤre der heiligen Buͤcher in einer lebenden Sprache 
in Italien erlaubt iſt, entging ihrer verwegnen Kritik nicht. 
Der Ex-Jeſuit Proyart entbloͤdete ſich nicht, in dein Abre- 
gé de [Histoire de ’Eglise von Lhomond das Kapitel 
zu unterdrüden, welches die Erläuterung der vier Artikel 
des franzöfifhen Klerus enthält, um demfelben alle Rhapſo— 
dien feiner Ordensbruͤder über die Angelegenheiten des Jan— 
fenismus zu fubftituiren — als wäre es hoͤchſt wichtig, die 
Kinder, denen diefes Buch gewidmet ift, von diefen Shi: 
mären zu unterrichten; diefe Ausgabe ift aber die einzige im 
Gebrauch der fogendnnten chriftfiben Schulen, Die Philo- 
sophie de Lyon erfuhr Verftümmelungen andrer Art, um 
diefes Werk den nenen Syſtemen anzueignen. Die Theo: 
logie eben diefer Diszefe befindet ſich gleichfalls in den Hin: 
ben derſelben Taſchenſpieler, und wird unfehlbar baly 
mit bedeutenden Berunftaltungen erfcheinen. ’ 

Waͤhrend man auf diefe Art zur Entftellung jener Werke 
bimarbitet, welche die allgemeinfte Achtung genießen, vers 
breitet man zugleih Schriften im Üeberfluffe, in denen unfre 
Marimen befhimpft, und unfre beften Autoren auf die un: 
würdigfte Weiſe verfohrieen werden; in denen, unter Andern, 
ber fbärffihtige und tiefdentende Fleury auf das Allerun: 
anftändigfte verunglimoft wird. Man überfhwenmt das 
Publikum mit einer Sündfluch mit Albernheiten angefüllter 
Bücher, die die Religion zu einem Pharifäerdienfte entſtel— 
len, und dur Beinlibe Andacht: Üebungen und laͤcherliche 
Maͤhrchen herabwürdigen. Hier fpaltet eine Kano: 
nenfugel einen Soldaten in zwey Hälften; ein 
Stapulier verleiht ihm die Friſt, einen Beicht— 
vater zu erwarten, und mit deſſen Abſolution 
zu ſterben. Dort ſteigt ein Chriſtusbild von 
der Wand, um durch eine Ohrfeige einen Kar— 


278 Der Papft und die Jefuiten, 


thäufer zu erweden, der während bes nädbtli: 


ben Gottesdienftes eingefblafen war. Noch 
an einer andern Stelle macht die Mutter Got: 
tes inden Mettendbie Runde, undgräßt freund: 
lib die fingenden Mönche, kehrt aber denen, 
die der Schlummer überrafht bat, verädhbtlid 
den Rüden. — Doc genug diefer Pleinen Proben der 
frommen Albernbeiten und Gaufeleyen, mit denen bie Jer 
fuiten und ihre Jünger die Andacht der Gläubigen zu erfreuen 
gedenten. Denn, will man bis zum Urfprung der, in bie: 
fem Zweige des chriftlihen Unterrichts erfolgten, Veraͤnde— 
rung binauffteigen; fo wird man ſich überzeugen, baß er fid 
von den, durch die Jcfuiten eingeführten, neuen Syſtemen, 
von ihrer Methode, ihre Beihtkinder auf den Weg zum emis 
gen Heil zu bringen, von ihrem Zwecke, die Voͤlker durd 
Andacht-Uebungen in das Sklavenjoh der Abhängigkeit von 
ihnen zu zwängen, herſchreibe; daher ertönt auch nur von 
ihren Andaͤchtlern dag Geſchrey nah ihrer Ruͤckkehr; fie er: 
warten bdiefelbe, wie die Juden den Meffiag, und 
koͤnnen fib nicht überzeugen, daß es möglich ſey, ohne fie 
den Weg des Heils zu wandeln, 

Wir haben in gegenwärtiger Schrift bewiefen, dag Un; 
ruhen im Staate und Spaltungen in der Kirde alle Epochen 
der Eriftenz der Jefuiten in Frankreich bezeichneten; daß fie 
burb unwiderruflibe Geſetze der geiftliben und weltliden 
Gewalt nah einem, in den feyerlichften Formen inftruirten, 
Prozeffe aufgehoben wurden; daß fie auf feinen Fall wieder 
eingeführt werden koͤnnten, ohne fih der Prüfung einer re: 
gulären Prozedur zu unterziehen, in welcher die Thatſachen, 
die ihre Werbannung motivirten, vor einem Pfompetenten 
Richterſtuhle von Neuem unterfucht und erdrtert würden; 
und daß endlich die wictigften, aus dem Intereffe des Staats⸗ 
wohls unmittelbar herfließenden, Rüdfihten ihrer Wieder: 
einführung im Wege ftehen. 


mit befonderer Hinfiht auf Franfreid. * 279 


Diefe Ruͤckſichten feyen aber noch fo wichtig, fo muß 
man bob einräumen, daß die Hülfmittel, welche ihnen die 
Sutriguen zu Erreihung ihrer Zwecke darbietet, weit mäd« 
tiger und wirffamer find. Der römifhe Hof iſt ganz in 
ihrem ntereffe; die Hofluft in Frankreich ift ihnen 
günftig, und fie dürfen auf thätige und Freditreihe Anhaͤn— 
ger in allen Klaffen des Staates zählen. Man erinnere 
ſich, dag eine der, bey der MWiederausföhnung mit Hein: 
r ich IV. von Klemens VIII. vorgefhriebenen, geheimen 
Bedingungen die Rücberufung der Sozietät Jeſu war. 
Pius VII. ift eben fo innig, als jener Papft, von den 
bedeutenden Vortheilen überzeugt, welche ein ſolches Er: 
eigniß dem römifhen Hofe für die feftere Begründung feiner 
Anmaßungen zu gewähren vermag; verſchiedne Akten feiner 
Panfigewalt beweifen aub, daß er ihnen verfönlih noch 
mehr ergeben ſey. Es läfft fib daher nicht bezweifeln, daß 
er Alles aufbieten werde, die Wiedereinführung einer ibm 
fo theuern Sozietät in die Klaufeln. der, zwifhen beyden Hoͤ— 
fen über die Reorganifation der gallifanifben Kirde ange: 
Enüpften, Unterhandlungen mit einzuſchließen. Der geiſt— 
liche Theil der franzoͤſiſchen Legation verbürgt ihm in biefer 
Hinfiht den glüklihften Erfolg, und zwar um fo mehr, da 
eines deren Mitglieder ein von Eifer glühender Pere de la 
Foi ift, den man als den Agenten ber E Sozietät in biefer 
Angelegenheit anfehen fann. 

Sn Frankreich betet, Paftrirt ſich und faftet die ganze 
Schaar der Andähtler und Andäctlerinnen (die man jedoch 
nicht mit den wahrhaft Frommen verwechſeln muß), um die 
Ruͤckkehr der Jefuiten zu befhleunigen. Der beklagenswer— 
the. Zuftand, zu welhem der moralifbe und religioͤſe Theil 
des Öffentlihen Unterrichts herabgefunfen ift, wirft zu Be: 
günftigung diefes Ereigniffes mit; fo fehr ift es den Jefuiten 
und ihren Satelliten gelungen, die Meinung in Kredit zu 
bringen und zu verbreiten, daß unten allen, mit der öffent: 


) 


‚280 Der Papſt und die Jeſuiten, 





lichen Lehre bef&äftigten, Korporationen ihnen allein eine 
fpezielle Sendung und befondere -Gnaden zur Seite ſtehen, 
durch welche jie berufen-feyen, die Nation mieder zu gebären, 
Schon erfhallten von den Kanzeln einiger Pfarrkirchen 
Dankgebete zu Gott, daß er den heiligen Vater 
zur Bulle ihrer Wiedereinführung infpirirt habe, und Ermab: 
nungen an die Gläubigen, den Himmel anzuflehen :« er möge 
auch dem Könige den heilfamen Gedanken der Vollſtreckung 
diefer Bulle in feinen Staaten eingeben. Schon erbet: 
telt man in manden großen Städten, von Thüre zu Thüre, 
Unterföhriften, um zu jenem Endzwecke Adreffen einzureichen, 
bie, wie es und die Revolutien lehrte, bie oͤffentliche Mei: 
nung fo treu und wahr ausſprechen. 

Das Uebergewiht, weldes durch alle, in gegenmärti: 
ger Schrift auseinandergefenten, Urſachen die Lehren der Ul⸗ 
tramontaner bey uns erlangt daben, fihert den Bedingungen, 
die e8 dem römifhen Hofe in dem gegenwärtig unterhandelt 
werdenden Vertrage und vorzufhreiber belieben wird, den 
volltommenfien Erfolg. Diefes Uebergewicht verftärft und 
verbreitet ſich täglih in Werken, worin unfre Marimen be: 
ſtritten, verfhrien und mit einer Keckheit verunglimpft wers 
den, die man ehemals fireng beftraft haben würde, die df: 
fentlih zu. befhügen man fi aber in unfern Zagen zum Ges 
fee gemacht zu haben ſcheint. Welche Zuflucht bleibt und ges 
gen die Suͤndfluth fo vieler heterogenen Meinungen, die auf 
Entartung und Verderbniß des Nationafgeiftes abzwecken 2 
Nur die hohe Weisheit eines Monarden, den 
die Vorfehung den Wünfchen aller guten und rechtlichen Franz 
zofen wiederfhenkte, ber in den Annalen feiner Fa— 
milie fo zahlreiche Proben des Hochverraths 
einer Sogletät finden muffte, zu deren Wiederein= 
führung man ihn bewegen willz bie thätige Wachſamkeit eis 
ner, uͤber Frankreichs wahres Intereffe aufgeklaͤrten, Regie= 
rung, der es obliegt, alle Werkzeuge eines fremden Einfluſt 


X 


mit beſonderer Hinſicht auf Frankreich. 281 





— — 
ſes entfernt zu halten; die Feſtigkeit der Repraͤſentanten der 
Nation und die reifen Einſichten aller wahrhaft gottesfuͤrchti— 
gen Staatsbürger, bie mit einer wahren und erleuchteten 
Andacht ihre Bürgerpflihten zu vereinigen wiffen. 

Die Iefuiten werden nicht gleish im Anfange die Nevi: 
fion ihres Prozeffes nachſuchen; fie werden kein, ihre Mie- 
bereinfügrung verfügendes, Geſetz verlangen; fie werben 
fib felbjt nicht beeilen, unter ihrem Namen und ihrem Ko: 
ftüme zu erſcheinen; fie werben allen ihren Privilegien entfas 
gen, und fi fo bündig, ald man es nur verlangen mag, 
verpflichten, ihre Verrihtungen nur unter der Jurisdiktion 
der Drdinarien auszuüben; fie werden verfpredhen, wenn 
man es von ihmen fordert, die vier Artikel des Kle: 
rus zu unterfhreiben, und fib allen Bedingungen unterwers 
fen, die man ihnen aufzuerlegen, für gut finden moͤchte; ih 3J 
großer Zweck iſt für den Augenblick: ſich unter eis 
ner oder der andern Form — tales quales, wie fie fi bey 
ihrer erften Zulaffung qualifizirten, wieder einzuſchleichen. 
Aber haben fie einmal feften Fuß gefafft, dann werden fie 
nicht zögern, die Schranken, durch die man fie zu zügeln 
glaubte, niederzuftärzen, und fühn aufzutreten. Dann 
werben fie entweder ald Souverains über ein Volk von 
Sklaven herrfhen;. oder, finden ihre Anmaßungen Wider: 
fiand, dann werben die Unruhen und Stürme, bie fie im 
Staate aufgeregt hatten, und die Schiemen, burd bie fie 
einft den Schoß der gallifanifhen Kirche zerriffen, wieder 
aufleben — Quod deus avertat! 


Beylagenm 
, 1. 
+ Der Kardinal Maury an den Biſchof vom Uzes. 
| Mom den 1. Anguft 1800. 
Sie laffen mir Gerechtigkeit mwiderfabren, indem Sie glas 
ben, daß ich mit Ihrem erlauchten franzäfifhen Klerus einver⸗ 


282 Der Papſt und die Jefuiten, 





ftanden bin, und daß diefe Theilnahme an feinem Intereſſe im 
meinem Herzen ſchon herrſchend war, ehe eine ſpezielle Sendung 
mir die ehrenvolle Pflicht auferlegte, mich mit Ihren Angelegens 
beiten, wie mit den meinigen, zu beichäftigen. Ich habe den 
Großvikar von Uzes, den Abbe Broniaires, beauftragt, 
Sie von den Vorfchlägen des Erfien Konfuls Buonaparte 
und von deu Diskuffionen zu unterrichten, melde -über diefen Ge 
genitand zu Vercelli ftattfinden jollen. Der Papſt erwartet ei 
ne Antwort, um den Erzbifhof von Korinth, Spina, dabinzus 
fenden, Wahrſcheinlich werden diefe Konferenzen ohne Mefultat 
bleiben, und ich halte mich fchon im Voraus überzeugt, daß we; 
nigſtens nichts Schlimmes daraus entipringen werde. Der 
Papft konute nicht vermeiden, die Vorfchläge anzuhören, und ſich 
felbjt darauf vernehmen zu laffen; allein Unterbandeln ift nicht 
Zugefteben, Indeſſen lafle ich bier häufig Breven augfertigen, 
in denen der heilige Vater dem franzoͤſiſchen Klerus die größten 
Lobfprüde ertheilt, und ih muß fagen: er läfit ihm diefe 
Gerechtigkeit mit Freuden widerfahren. Ich folizitire 
in diefem Angenblide ein Indult, welches die franzoͤſiſchen Bis 
ſchoͤfe autorifire, ihne Diözeianen, ohne Patrimonialtitel, exira 
tempora, in ihren Privatfapellen zu ordiniren, und zwar obne 
licet der DOrdinarien,.denen fie nur, diefe Ordinationen mitzus 
tbeilen, verpflichtet fepn follen. Dieſes find fiber eben fo viele 
Dande, den heiligen Stuhl an Genehmigung von Suppreflio; 
nen zu hindern, wenn man im Ernfte vorfchlagen follte, Biſchöfe 
aus ihrem Befike zu verdrängen, die, durd ihre erleuchtete Fe⸗ 
ftigfeit und heldenmuͤthige Beharrlichleit in ihren Grundfägen, 
der Kirche unfterdlihe Ehre bringen werben. Seine Heiligkeit 
baben eine neue zahleeihe Kongregation für die Angelegenheiten 
der ‚allgemeinen Kirche, insbeiondere aber der franzöfiihen, er 
richtet. 

Die Frage über den neuen Eid fol darin unterfucht wer 
den; es fcheint unmöglih, daß man in derfelben der Meinung 
fep, ihn zu autorifiren; allein obgleich die große Maijorität der 
Biſchoͤfe ftets die wahre Stimme der Kirche bleibt; fo ift doc die 
Spaltung unfrer Prälaten ein großes Unglüd, weil fie der Furcht⸗ 
famfeit den Vorwand zu Aufſuchung von Ausflüchten leiht, zu 
denen die Menichen-unglüdlicherweife nur zu fehr geneigt find. 
Die in Ihrem trefflibden Memoire entwidelten Gründe werben 
mir zu Bekämpfung jeder Zwepdeutigkeit (moyens termes) dies 


‘ 


mit befonderen Hinſicht auf Frankreich. 283 





wen; ich babe noch andre Argumente von großem Gewichte bey⸗ 
gefügt. Wenn man die feltenen Talente, die Gelehrſamkeit und 
Herzend:Geradheit des Herrn Biſchofs von Kangres fennt, 
dann fann man unmöglih die Kirche und die Wahrheit lieben, 
obne fich herzlich darüber zu grämen, daß der Genius diefes, von 
Natur fih zum Paradoren hinneigenden, Prälaten ihn in jedem 
Falle, wo zwilchen zwey Parteven zu wählen ift, unfehlbar ftets 
der ſchlimmen zuführt; er müflte nie fchreiben, ohne einen vors 
zuͤglichen Rathgeber befragt zu haben, um fich zu überzeugen, 
daß er auf gutem Wege fen; bey Beobahtung diefer Vor 
fiht würde man ihn unter die erſten Biſchoͤfe der katholiſchen 
Kirche rechnen. 

Ich kann nicht ohne ſchmerzliche Thränen an die unbegreifiche 
Nacgiebigkeit des Etzbiſchofs von Auch denfen, ber fich bie 
jeßt durch feine muthige und treue Anbänglifeit an die gute 
Sache fo rühmlich ausgezeichnet hatte. Diefe Prüfung dauert für 
das Maß det gewöhnlichen Kräffe unſter Zeitgenoffen zu lange; 
man glaubt fib überzeugt, wenn man nichts weiter ald des 
Leidens müde ift. Der Eifer, der lich, ohne es zu willen, allen 
Heingeiftigen Täuihungen des Egoismus bingibt, ſollte indeſſen 
doch begreifen, oder wenigfteng ſehen, daß unfre Verbannung den 
Glauben in Frankreich keineswegs geibwächt, und daß unire 
Leiden die Meligion dort ſehr in Ayfnabme gebracht haben; daß 
unfre Abwefenbeit felbit ihre Sache dorten mit Erfolg vertritt; 
daß eine Heinmäthige Kapitulation uns die Ehre des Triumphs 
rauben würde, und daß unſre Ruͤskehr nach Franfreih nur glor⸗ 
reich, d. b. wahrhaft beilfam, feyn kann, ‚wenn wir die uns 
verlegte Integrität unfrer Grundiäage dahin mit zuruͤckbringen. 
Iſt unier Loos nicht ſchoͤn und neidenswerth genug, da wir leiden, 
um zu hindern, daß der Glaube mit feinen Dienern auf eine ums 
würdige Weife geopfert werde? Alle dieſe feigen, unglüdlichers 
weiſe mit reinen Abſichten verfnüpften, Konnivenzen haben das 
Konfeil des Herrn Erzbifhofs von Paris auf eine fo 
fonderbare Weife irre geleitet und erniedrigt, beionders aber Hrn, 
Emmeri, der deflen Leitftern ift. 

Man hat über dieſen gefäligen Sanhedrin allgemein den 
Stab gebroben, und doc nähern fich ihm gegenwärtig, obne es 
zu willen, viele rechtlihe Männer. Mir insbeiondere für meinen 
Theil wird mein ganzes Leben hindurch zur Privatregel meines 
Spyſtems das Andenken des Eindruds dienen, den alle jene feigen 


284 Der Papſt und die Jeſuiten, 


— — 








Kapitulationen im Beginnen unfrer Ungluͤcks-Epoche auf mein 
Gemüuͤth machten. Im erſten Augenbiide der Wahrheit und Eners 
gie unterfuchten wir nur bie Prinzipien, ohne die Folgen 
zu bedenken; jeßt im Gegentheil beihäftigt man fid nur mit 
den Folgen, ohne fib um die Prinzipien zu befümmern. 
Mit einem Worte: ich laffe durchaus Nichte zu, als was in der 
guten fhönen Zeit unfrer erften Nerfammlung von der rechten 
Seite zugegeben wurde; in jener Zeit, wo wir unfre Ehre darein 
feßten, Ale als wakre Martyrn zu rationniren, die in Melis 
gion; Angelegenheiten die einzigen wahren Logiker find,- 





' U. 


Yudzug eined Schreibend ded P. Kiltan Stumpf, elned Sefuiten, an 
feinen General, aud den römlihen Ardiven, unter der päpjllichen 
Regierung Alemend XI., gejogen. «(Missionn. oriental., Cinar. 
Vol. XXXVI.) ‘ 


Der Briefftellee bezeigt feinen Schmerz über die von Kle; 
mens Xl. an den apoftoliihen Vikarius, Biſchof von Ca— 
non, verfhwendeten Wohlthaten. (Derſelbe war von den Je—⸗ 
fuiten mehrere Monate lang gefangen gebalten worden, und 
muſſte auf Befehl des Kalfygs von China, deffen Vertrauen fie 
befagen, nah Europa zurüdtehren.) Dann fährt er fort: 

Bomae sonant calumniae’ si dicatur in urbe Roma: Je- 
suitae voluerunt toxico delere et tollere illustr. Patriarch. 
Antiochen,, deinde cardinalem. Hoc probatur manu propria 
ipsinsmet cardinalis, attestatione medici illius Burghesii et 
attestatione familiarium ejus.... Misimus testimonium manus 
propriae medici Burghesii, quo retractavit testimonium in 
hoc, contra nos latum, priusquam a R. P, Bonaventura, e 
Roma Franeiscano admitteretur ad sacram confessionem. At 
inanet testifonium aliorum familiarium, manet autoritas emi- 
nentissimi cardinalis, qui, mequidem moriens, quantum sci- 
tur, extra confessionem, testimonium contra nos latum apud 
sanctam sedem, rescidit. Sane egomet-ipse fateor difficile 
admodum videri credere falsum dici a cardinale, falsum te- 
stari tot ejus familiares, et quia hoc adeo difficile est cre- 
dere, facile est persuasum habere, viribus humanis nun- 
quam nos eluctaturos; et pene satius esse quotidiana oralione 


mit befonderer Hinfiht auf Frankreich. 285 





ad Deum ardenter sollicitare Sanotos Angelos ad represen- 
tanda adversariorum improbria coram domino, qui.non de- 
leotatur in perditione innocentiae nostrae eto. etc. 

. Man fireut zu Kom Berldumdungen aus, wenn man im, 
Mom behauptet: die Jeſuiten hätten den hochwuͤrdigen Patriar: 
hen von Antiohien, in der Folge Kardinal, durch Gift 
aus dem Wege räumen wollen. Allerdings ift diefed durch 
die eigne Handſchrift des Kardinals felbft, und durch das Zeugs 
nis feines Arztes Burgbefe und feiner Leute bemwiefen. ... 
Wir haben das eigenhändige Bekenntniß des Arztes Burgbefe 
eingefendet, worin derielbe feine deßfalſige Ausſage gegen ung, 
ebe er von dem ehrwürdigen Franziskaner zu Nom, P. Bonas 
ventura, zur heiligen Beichte zugelafien worden, widerrufen 
hat. Indeſſen beſtehen noch immer das Zengniß der übri— 
gen Diener, und die Srflärung des hochwürdigſten 
Kardinals, der, felbit auf dem Sterbebette, fein gegen und, 
dey dem heiligen Stuhle, argebrachtes Zeugniß, fo viel man, 
außer der Beichte, in Erfahrung zw bringen vermag, nicht 
zurüdgenommen bat. Ich geſtehe ed willig, daß es ſehr 
ſchwer fheint, zu glauben: der Kardinal habe ein fals 
ſches 3eugniß abgelegt, und fo viele feiner Leute häts 
ten ebenfalls unwahr ausgeſagt. Weil es aber fo fhwer 
ift, diefed zu glauben; fo iſt es leicht, fi zu überzeugen, daß 
wir und durch menfhlibe Kräfte nimmermehr heraus— 
wideln werden. Es ift daber das Beſte, daß wir dur 
täglihes Gebet zu Gott die heiligen Engel inbrüms 
ftig anfleben, die Shmähungen unfrer Gegner dem 
Herrn vorzuftellen, dem das Verderben unfrer Um 
ſchuld nicht wohlgefällig ift ıc. ıc. 

Die Ausfage des Arztes Burghefe im Augenblick ded Per; 
ſcheidens des Kardinald de Tournon ift pofitiv und beftimmt; 
fein ipäterer Widerruf fcheint mit Recht fehr verdächtig. Es 
geihieht davon in den, nab treffliben Memoiren verfaflten, 
Anecdotes de la Chine, deren verihiedne Angaben dur die, 
in den römifhben Archiven gefundenen und nach. dem Hotel de 
Soubife gebrachten, Urkunden voHfommen gerechtfertigt wers 
den, feine Erwähnung. Man weiß außerdem, wie gewandt die 
Jeſuiten fih benahmen, um ſich ſolche Widerrufer zu At 
frärtung ihnen machtheiliger Ausſagen zu verfhaffen; es wäre 
daher jehr möglih, dab der guse Franziékaner ihnen die 


286 . Der ruffifbe Feldzug 


fen Sreundihaftdienft erzeigt hätte. Endlich gibt der P. 
Stumpf felbft zu, daß, unerahtet des Widerrufs des Arztes, 
die Ausfagen ded Kardinals und aller feiner Diener in ihrer 
vollen Kraft beftünden; daß diejelben dem Faktum der Vergif- 
tung einen Grad von Authentizität verliehen, deſſen Eindrud 
durh feine menfhlihe Kraft verlöfht zu werben vermöge, 
und daß den Yefuiten Fein amdres Mittel zum Beweiſe ihrer 
Unschuld bliebe, als durch inbränftige und emfige Se; 
bete ein Mirafel zu erfleben, das fie in den Augen der 
Melt rechtfertige. Wie es fih nun auch um die Wahrbeit die: 
fer Thatſache verhalte; fo it e6 doch traurig, daß ein fo ſchwe⸗ 
ter Verdacht, der wahrlich nicht der einzige dieſer Art ift, noch 
auf dem Andenken eines geiftliben Ordens laftet, den der beis 
lige Vater als die glänzgendfte Hoffnung und die reich 
fte Hülfquelle der Kirche in unfern Kagen prokla— 
mirt!! \ 











. 





ll. 

Der 
ruffifde Feldzug 

nad 


Eugen Labaume, 
'Haupimann der Öeograpb:äingenteurb, vormaligen Ordon— 
nanz⸗Offizter des Prinzen Eugen. 


(Fortfegung von Seite 35. Im ten Stud.) 





VI. Dorogobuſch. 

Der Sieg von Malo-Jaroslawecz erwies und zwey 
traurige Wahrheiten. Erftens daß die Ruffen, weit ent: 
fernt gefhwächt zu ſeyn, dur zahlreibe Aushebungen ver: 
fiärft worden waren, und daß fih alle mit einer Muth fhlu: 
gen, bie uns an neuen Siegen verzweifeln machte. Noch 
awey Gefechte wie diefes, fagten: die Soldaten, fo hat Nas 


nach Eugen Labaume. 287 





poleon ?eine Armee mehr. Zweytens daß die Zeit vors 
über fey, einen unangefohtenen Rüdzug zu hoffen, weil 
uns ber Feind, durch Folge jenes Treffens, über 
flügelt hatte, was unfre Kolonnen hinderte, ihrem Rüd: 
zug auf der Straße von Medynsk, Juchnof und Ielnd zu 
nehmen, und uns in die verdrieglihe Nothwendigkeit vers 
feste} eiligft auf die Heerfirage von Smolensk zuruͤckzukeh— 
ren, d. h. nad der Einoͤde, die wir ung felbft gefhaffen hat: 
ten. Außer diefen nur zu gegründeten Beforgniffen hatten 
wir noch die Gewißheit, daß die Ruffen ung die Moldauiſche 
Armee entgegenſchicken wärden, während das Witgenflein: 
ſche Korps ebenfalls vorrädte, um fih mit diefer Armee zu 
vereinigen. 

Nah jenem merkwürdigen Treffen glaubten noch alle 
biejenigen, die gewohnt waren, nah dem Anfhein und den 
Volksgeruͤchten zn urtheilen, man würde auf Kaluga und 
Tula marfbiren; doch wunderte man fih, daß ein flarfer 
ruffifder Vortrab, flatt diefe Nihtung zu nehmen, unfre 
Rechte überflügelnd, auf Medynsk z0g. Wer Mandupre: 
Funde befaß, fah fogleih ein, daß die Ruffen die Abfihten 
Napoleons durhdrungen hatten, und dag wir, um ihnen 
zuvorzukommen, einen Eilmarfh auf Wiasma maden muff 
ten, um vor ihnen dort einzutreffen. Bon nun an fragte 
es fib nicht mehr um Kaluga und die Ukraine, fondern auf 
die Straße von Borowsk zurücdzufehren. Sobald unſer 

Ruͤckzug befcloffen war, bewerfftelligte das vierte Korvs ſei⸗ 
nen Ruͤckmarſch, während das ganze erfte Korps, fo wie die 
Reiterei:Divifion des Generals Safter, in Malo:$aroslae 
wecz zurücdblieb; diefe Truppen follten den Nachtrab bil« 
den, und in der Entfernung eined Tagmarfihes und nads 
rüden. ! 

(26. Dctober.) Auf unferm Weg konnten wir fehen, 
auf was fih der traurig:denfwürdige Sieg von Malo-Jaros⸗ 
lawecz beſchraͤnkte; überall trafen wir auf, aud Mangel an 


288 Der ruſſiſche Felbzug 


Zugpferden, zuruͤckgelaſſene Pulberwagen, fo wie auf Ue— 
berbleibfel aus derfelben Urfabe verbrannter Proviant: und 
andrer Wagen. Dergleiben Berlufte gleib Anfangs unfers 

Ruͤckzugs zeigte ung die Zußunft im dunfelften Lite. Auf 
erzitterten diejenigen, welche Moskau's Beute mit ſich führs 
ten, für ihre Reichthuͤmer. Keiner blieb ruhig beym An: 
blick des Pläglichen Zuſtands, in dem fi jegt ſchon unfre Rei: 
terei befand, fo wie beym Knalle der Pulverwagen, bie je: 
des Korps in die Luft‘ fprengte: 

Bey einbredender Naht erreichten wir Uwarowskoe 
(26. October); mit Erftaunen fahen wir in $lammen ftehende 
Dörfer umher, und erfuhren bey unfrer Nachfrage, daß 
der Befehl gegeben war, Alles, was wir auf um 
ferm Wege antreffen würden, anzuzünden. ) 

‚In dem Dorfe, wo wir und befanden, fiund ein Schloß, 
das, wiewohl aus Holz gebaut, an Größe und Pradt ven 
ſchoͤnſten Paläften Italiens gleich kam, Der Reichthum der 
Moͤblirung entſprach der Schönheit des Baus; nebſt ſchaͤtzba— 
ren Gemaͤhlden fand ſich beſonders eine Menge Arm: und Kron: 
leuchter von Bergkriſtall von großem Werth, die, wenn fie alle 
angezündet waren, einen wahren Feuerglanz gaben, Auf 
diefe Reichthuͤmer blieben nicht verfibont; wir erfuhren den 
folgenden Tag, daß, ba uufre Kanoniete dad Verbrennen 
zu langfam fanden, fie auf den Einfall geriethen, das 
Schloß in die Luft zu fprengen, indem fie Pulverwägen in 
das Bodengeſchoß ftellten. 

Die Dörfer, die ung einige Tage früher Schug gewaͤhrt 
hatten, brannten, als wir fie wiederfahen. Unter ihrer 
noch glühenden Afıhe, die der Wind gegen ung trieb, befans 

“den fih mande Leichname von Soldaten oder Bauern; auch 

ermors 





*) Wenn num wirklich die Nuffen in Frankreich die Mepreifalien 
gebraucht hätten, die ein gewiſſer Profonful ihnen in einer 
luͤgenhaften, zum Gluͤck todtgebornen, Proflamation audichtete ! 


nach Fugen Labaume. 289 








ermordete Kinder erblicte man, und mehrere junge Mäds 
Ken, die auf der Stelle, wo man-fie geſchaͤndet hatte, zu⸗ 
fammengehauen lagen. Wit lieffen die Stadt Borowsk, 
bie ebenfalls ein Raub der Flammen war, zu unfrer Red: 
ten, um an der Protwa hinauf zu marfhiren, und eine 
braudbare Furth für unfre Artillerie aufzufuben Man 
hatte bereits eine, eine halbe Stunde von der Stadt, ges 
funden, burd die, wiewol fie fehr fhlecht war, unfer ganzes 
Korps waten follte, aber einige Munitionwagen, die in dem 
Fluſſe fiedden blieben, verfperrten den Durdgang fo fehr, 
daß man ſich nah einer andern umfehen muffte. Da ic die 
Brüde von Borowsk refognogzirte, fand ich diefelbe noch 
vorhanden, und für das Armeegepäd fehr bequem. So: 
gleich ließ der Vicefänig die 13te Divifion, die an der Spitze 
marſchirte, zuruͤckgehen, und über diefe Brüce ziehen, was 
unferm Korps eine viel beffern und Pürzern Weg eröffnete, 
Die einzige Gefahr beftund, gefüllte Munitionwagen durch 
eine brennende Stadt zu führen. 

Deßungeachtet gelangte das vierte Korps ohne Unfall 
burch diefen großen Brand. Abends, nachdem wir durch 
mebrere fehr beſchwerliche Päffe gefommen waren, erreichten 
wir das ſchlechte Dorf Alferewa (27. October), wo faum die 
Divifion: Generale eine Scheune finden fonnten. Gelbft die: 
jenige des Vicekoͤnigs war fo ſchlecht, daß man das Schidfal 
berer beflagte, bie fie zu bewohnen beftimmt waren. Das 
Uebel volljtändig zu machen, vermehrte der Mangel an Le⸗ 
bensmitteln unfre Leiden; ber von Mosfau mitgebrachte Vor: 
raıh nahte dem Ende. Jeder geizte mit dem, was er nod 
hatte, und fing an, fi zurüdzuziehen, um im Verborgnen 
das Stüdlein Brot zu verzehren, das er feiner Regſamkeit 
verbanfte. Unfre Pferde waren nod mehr zu beflagen; fie 
hatten feine andre Nahrung, als ſchlechtes von den Dächern 
abgeriffenes Stroh. Auch unterlagen viele derfelben der Er⸗ 
muͤdung, was bie Artillerie zwang, immer mehr von ‚Ihrem 

Europ, Annalen, ı2te3 Stüd, 1815, 19 


290 Der ruſſiſche Feldzug 


Fuhrwerk aufzuopfern; daher das Verknallen der Pulver: 
wagen fich täglich ſchreckbar verboppelte. 

(28. October.) Folgenden Tags gingen wir unterhalb 
Wereja über die Protwa zurüf. Die Stadt brannte im 
Augenblick unfers Durhmarfches. In einem Augenblide hatte _ 
fie der Flammenſtrom in die Afche gelegt; Ihr Geſchick war 
um fo mehr zu beklagen, da ihre Abgelegenheit von der Heer: 
ftrage fie einen Augenblick hoffen laffen fonnte, den Uebeln, 

die fie ringe umgaben, zu entgehen, denn außer dem hier 

vorgefallenen Gefecht zwiſchen den Ruſſen und Polen hatte 
ſie bis jetzt wenig von den Kriegsſchreckniſſen erfahren. Die 
umliegenden Felder waren nicht verheert, und die Gaͤrten 
ſtunden voll Gemuͤß aller Art, das in einem Augenblick von 
unfern ausgehungerten Soldaten abgeerntet war. Abends 
fhliefen wir in einem ſchlechten Doͤrf, deſſen Namen wir 
nicht erfuhren. Wir muthmaßten, ed möchte Mitiaewa feyn, 
da wir uns dem Vernehmen nah nur eine Stunde von Ge: 
rodok-Boriſof befanden. Die heutige Lagerflätte war noch 
ſchlechter als die geftrige. Die meiften Offiziere muſſten die 
Nacht über bivouakiren, eine um fo peinlichere Lage, da bie 
Nächte kalt zu werden anfingen, und der Holzmangel bies 
noch unausſtehlicher machte. Um Letzterm abzuhelfen, brad 
man ſelbſt die Scheunen ab, worin ſich die Generale befan: 
den, fo daß manche derfelben, die in guten Hütten eingefchla: 
fen waren, fih, wenn fie mitten in der Nacht erwachten, 
unter freyem Himmel befanden. ' 

Napoleon, der und um einen Tagmarſch vorauszog, 
und ſchon jenſeits Moſchaisk war, ließ auf ſeinem Wege Al— 
les verbrennen und zerſtoͤren. Die Soldaten ſeines Gefolgs 
ergaben ſich dieſem Verheerunggeſchaͤft ſo eifrig, daß ſie auch 
die Orte anzuͤndeten, wo wir ſtille halten ſollten. Dies gab 
uns großen Beſchwerlichkeiten preis. Unſer Korps verbrannte 
abermals ſeinerſeits die wenigen noch uͤbriggebliebenen Haͤu— 
fer, und beraubte fo ben Marfhall Davouſt, der den 


nah Eugen Labaunte. 291 





Nachtrab bildete, von aller Möglichkeit einer Zufluht, um 
fib vor den rauhen Nähten zu fhägen. Außer diefer Bes 
ſchwerniß hatte diefes Korps auch noch gegen einen erbitter: 
ten Feind zu Pämpfen, der, fobald er unfern Rüdzug vers 
nahm, von allen Seiten bherbeyeilte, um feine Rache zu be: 
friedigen. Das ſchwere Gefhüg, das täglich. und im gerin: 
ger Entfernung ertönte, verkündete nur zu fehr bie großen 
und veinliben Anftrengungen, die es brauchte, um ihn in 
Schranken zu halten. 

Endlih nachdem wir (det 29. Dctober) mitten in einer 
Rauchwolke Gorodof:Borifof durchzogen hatten, gelangten 
wir innerhalb einer Stunde auf eine Ebene, die fhom vor einis 
ger Zeit verheert worden zu feyn fhien: Won Stelle zu Stelle 
traf man auf menſchliche Leichname und todte Pferde. Endlich 
beym Anblick mehrerer halbzerftörter Verſchanzungen, und be: 
fonders einer zerftörten Stadt, erkannte ich die Gegend von _ 
Mofbaist, wo wir 51 Tage früher als Sieger einherzogen. 
Die Polen lagerten auf den Ruinen der Stadt; beym Abzug 
zündeten fie die Paar, dem erfien Brand entgangenen, Haͤu— 
fer an; es waren aber deren fo wenige, daß man faum einen 
Slammenfhinimer wahrnahm: Auffallend ſchien uns nur der 
Abſtich, den der fhwarze dichte Raub, der aus all’ diefen 
Ruinen emporftieg, mit der weiffen Farbe des neuerbauten 
Kirchthurms bißdere. Dies einzige Gebäude fiund aufrecht, 
und ſchauerlich ſchlug noch das Uhrwerk die Stunden. 

Die Armee ging nicht durch Mofbaisf, fondern, indem 
wir line anlehnten, famen wir den 29. Det. auf die Stelle 
von Krasnoi, wo wir den Tag nah ber Schlacht von der 
Mostwa übernachtet hatten. Ich fage die Stelle, denn das 
Dorf war verſchwunden; nur das Schloß hatte man für Nas 
poleon aufgefvart. Wir lagerten um das Schloß her, und 
lebtäglih werde ih mid erinnern, daß, von Kälte erflarrt, 
man ſich mit Behagen in die noch heiße Aſche der gehen ver⸗ 


brannten Bea nieberlegte. 
N Br; 


292 Der ruffifhe Feldzug 





(30. Dctober.) Je näher wir famen, je mehr war bie 
Erbe ein Trauergemand. Die von taufend Pferden zufam: 
mengetretenen Felder fehienen nie bebaut gemwefen zu ‚feyn. 
Die. durh den langen Aufenthalt der Truppen gelichteten 
Waldungen zeugten nicht weniger von der allgemeinen Vermi: 
fung. Nichts aber war fohredlider, als die Menge Todter, 
bie feit 52 Tagen unbegraben lagen, und faum noch die 
menſchliche Geftalt übrig hatten. Wie wir Borodino nabten, 
flieg meine Beflärzung auf's Aeußerſte, dba ih nod an ber: 
felben Stelle die 20,000 Menſchen fand, die fi gegenfeitig 
gemordet hatten: Das ganze Blachfeld war davon überfäet. 
Ueberall nichts als halbverfharrte Leihen; bier blutge— 
tränfte Kleider; dort von Hunden und Raubvögeln benagte 
Gebeine; weiter Trümmer von Waffen, Trommeln, Hel: 
men und Harniſchen. Auch Fahnenſtuͤcke fanden ſich; die 
Sinnbilder an denfelben zeigten jedoch, wie fehr der ruſſiſche 
Adler an diefem blutigen Tage, gelitten hatte. *) 

Auf einer Seite erblickte man die Heberbleibfel der Hut: 
ten, wo Kutuſow gelagert hatte; weiter zur Linken bie 
berüchtigte Schanze; fie beherrfhte die ganze Ebene; gleich 
einer Pyramide ragte fie mitten über eine Eindde emper. 
Deym Gedanken, was fie damals gewefen, und was fie jegt 


*) Schade, daß der Verfaſſer nah einer feiner edlen Seele is 
ruͤhmlichen Schilderung der Abfcheulichfeit eined Shlawtfelds, 
fo geeignet das innigfte Grauen gegen das Würghandwerf, 
und befonders gegen den Defpot, der es über alle erdenkliche 
Gränzen mißbrauchte, zu erweden, am Ende dieſe bier nicht 
an ihrer Stelle befindlihe ungroßmüthige Ueußerung bepfüs 
gen muſſte. — Mer boshaft ſeyn wollte, würde ja bier in 
Erinnerung bringen fünnen, daß ja ſchon lange die franzoͤſi— 
{hen Negimenter, um nicht durch verlorne Adler oder Fahnen 
(was auch den Tapferften widerfährt) den Mifmutb Napo— 
leons gegen fi zu reizen, fie gewöhnlich in den Palwaͤgen 
aufbewahrten. 


nah Eugen Labaume. 293 








war, glaubte ib den Veſuv in feiner Ruhe zu ſehen. ne 
dem ich aber auf ihrem Gipfel in der Entfernung einen Krie: 
ger erblickte, ſchien mir feine unbewegliche Geftalt eine Sta: 
tue zu ſeyn. Ach! rief ih aus, wollte man je dem Kriegs: 
Dämon eine errichten, fo müffte ed auf diefem Zußgeftell feyn. 
Mährend wir über das Schlachtfeld zogen, hörten wir 
in der Ferne einen Unglüdliben, der um Hülfe rief. Dur 
feine Klagetöne gerührt, nahten ſich Mehrere, und fahen mit 
Erftaunen einen franzsfifben Soldaten auf dem Boden aud: 
geftreckt, dem beyde Beine durdfiboffen waren. Er erzählte, 
daß er am Tage der großen Schlaht verwundet worden, und 
da er fih an einem abgelegenen Drte befunden, ihm Niemand 
hätte zu Hülfe kommen Fönnen; er habe, nachdem er an den 
Hand eines Baches gekrochen, über zwey Monate von Kräus 
tern, Wurzeln und einigen bey ben Todtenkoͤrpern aufgefun: 
denen Brotftücten gelebt, und im Bauche todter Pferde über: 
nadtet. Das Fleiſch diefer Thiere hätte feiner Munde als 
ber befte Verband gedient. Da er und heute von Ferne er: 
blickte, babe er alle feine Kräfte zufammengerafft, und fi 
der Straße nad Moͤglichkeit genähert, damit feine Stimme 
gehört würde. Alle über ein folhes Wunder erftaunt, bes 
zeugten ihm ihre Ueberrafbung, und ein General, der von 
diefem eben fo außerordentlihen als rährenden Vorfall Nad: 
richt erhielt, nahm den Ungluͤcklichen in feine Kutſche auf. 
Ab! wie lange würde meine Erzählung werden, wenn 
ich alles Elend, das dieſer Schreckenskrieg erzeugte, beſchrei— 
ben wollte; noch ein Zug mag zum Maßſtab alles Uebrigen 
dienen. Es ift das Schickſal dreytaufend von Moskau mit: 
geführter Gefangener. Da man ihnen während dem Marfch 
nichts zu geben hatte, pferchte man fie wie bad Vieh, Keiner 
durfte fih unter irgend einem Vorwand von dem engen Be: - 
zirke, der ihnen angewiefen war, entfernen. Ohne Feuer, 
vor Kälte erfterbend, fihliefen fie auf dem Eis; ihren wuͤ— 
thenden Hunger zu flilleng waren diejenigen, bie ihr Leben 


294 Der ruſſiſche Feldzug 


friſten wollten, gezwungen, das Fleiſch ihrer vor Elend ver— 
ſchiednen Kameraden zu verzehren. 


Doch wenden wir den Blick von diefem zerreißenden 
Schauſpiel, den Lauf der Erzaͤhlung wieder aufzunehmen. 
Wir muͤſſen die ſchwarzen Farben aufſparen, die nicht weni— 
ger ſchrecklichen Umſtaͤnde zu ſchildern, in der nun bald unfre 
Freunde, unfre Brüder *) fich befinden werben. 


Wir gingen mit eben fo viel Haft über die Kologa zu: 
rück, ale wir noch vor Kurzem, vom Siege geleitet, darüber 
vorgeforitten waren. Der zum Fluß ziehende Abhang ift fo 
jaͤh, und war durch dag Eid fo ſchluͤpfrig, dag Menfben und 
Pferde aufeinander fielen. Glüdlih, wenn bergleicen Ue— 
bergänge, die noch oft vorfamen, fpäterhin nicht fhädlicher 
gewefen wären! Auch die Abtey Kolotskoi fahen wir wieder; 








*) Ad! find denn im Unglüd nicht alle Menihen Brüder! — 
Nur dann einft wird die Menſchheit ihren hoͤchſten Gipfel er; 
reiben, wenn, wie allbereitd der Haß von Dorf gegen 
Dorf, von Stadt gegen Stadt, ja von Provinz gegen Pros 
vinz größtentheild verfhmmnden ift, der Haß von Rolf gegen 

WVolk vertilgt ſeyn wird. Eo mie jetzt ſchon als ein Ariom 
der Menſchheit feit fteht, daß, weil die Gottheit fo verſchiedne 
Arten, ihr feine Verehrung zu bringen, geftattet, fie doch 
auch die Bekenner jeder mit Gnade anblidt, und fie felbit 
jede in mebr oder weniger volllompinem Grade ald Kultur: 
mittel des Menſchengeſchlechts hat entftehen laffen; fo muß 
auch der Begriff, daß Gott die Mannigfaltigfeit der Sprade 

- als einen Shmud der Menſchheit fhuf, fo wie die tauſen— 

derley Sefhöpfe ald einen Schmud der Natur, ein für alles 
mal begründet werden, und die Tirannep, einem Volk oder 
Nolfsftamm feine Sprache nebmen zu wollen, muß eben fo 
ald Tiranney gelten, wie die der Neligionverfolgung. Die 
Lehre, neben Racine und Gorneille feinen Schiller 
und feinen Shafespear gelten laffen zu wollen, muß eben 
fo lächerlich erfunden werden, als die Schluͤſſe des Parifer 
— gegen das 6 Breqpulves 


nach. Eugen Labaume. N 2095 


— ————————— — ————— 

m Glanze durch den Krieg beraubt, von Brandſtaͤtten 

en, gli fie mehr einem Hofpital als einem Klofter; 

Moskau war dies das erſte Gebäude, das unzerfiärt ge: 

„lieben war. Auch verlangten alle VBerwundeten und Krans 
fen in diefem Zufluchtorte zu fterben. 


Das vierte Korps hatte feinen Marſch beftändig fortges 
fest bis zu einem zur Rechten der Straße, zwifben der Ab: 
tey und Proßofewo gelegenen, erbärmlihen Weiler. Dies 
war vom allen unfern bisherigen Nactlagern dag unerträg: 
lichſte. Es fanden ſich nichts ats elende Schoppen, beren 
Strobdäher zur Nahrung der Pferde abgenommen worden 
waren; bier mujfte der Prinz mit feinem ganzen Gefolge 
vorlieb nehmen, 


Den folgenden. Tag (31. Det.) braden wir früh Mors 
gend auf. So wie wir die Höhe von Profofewo erreichten, 
hörten wir das grobe Geſchuͤtz ſo nahe, daß der Vicefünig, 
aus Beforgniß, Marſchall Davouft möchte durchbrochen wor: 
den feyn, anhalten, und feine Truppen, um demfelben Huülfe 
zu leiften, in Schlachtordnung einrücen ließ. Seit einigen 
Tagen Flagte man über die Langfamkeit, mit der daß erfte 
Korps marſchierte, und tadelte das Ruͤckzugſyſtem in Stufen, 
die fein Führer angenommen hatte, indem dadurch drey Tag: 
maͤrſche verloren gegangen, und dem Vortrab Millorabos 
witſch's die Mittel erleichtert worden feyen, uns zu erreis 
ben. Ferner bemerfte man gegen ihn, daß man burd aus: 
gezehrte Länder auf das Schnellfte durdziehen müffe. Zu 
feiner Vertheidigung konnte man entgegnen, daß ein über: 
eilter Rüdzug die Kühnheit des Feindes verdoppelt haben 
würde, da derfelbe wegen feiner Stärfe an leichter Heiterei 
und doch immer hätte einholen,. und den Nachtrab, wenn 
biefer den Kampf verweigern wollte, zufammenhauen koͤnnen. 
Auch hatte er den Kriegs-Grundſatz für ſich, daß, je über: 
eilter ein Rüdzug, deſto verderblider er fey, 


296 Der ruffifhe Feldzug 


——— —ñ — — — — — 
indem die daraus — Muthloſigkeit noch ſchaͤdlicher iff, 
als alle phyſiſchen Uebel. 

Nachdem der Vicekoͤnig auf den Anhoͤhen von ı Profo- 
fewo die Verfügungen getroffen hatte, den Marſchall Das 
vouft zu unterftügen, überzeugte er ſich, daß derfelbe nur 
von den Koſaken beunruhigt werbe, und fegte baher feinen 
Marſch gegen Gſchatzk fort, doch mit der Sorgfalt, feine 
Divifionen die größte Ordnung beobachten und jedesmal hal: 
ten zu laffen, fo oft zu befürchten ftund, daß das erfte Korps 
Hülfe benoͤthigt ſeyn möchte. Prinz Eugen blieb nidt 
allein immer der Letzte feiner Kolonne, jondern bivouafirte 
auch eine Stunde von Gſchatzk, um beftändig bereit zu feyn, 
die Angriffe des Feindes zuruͤckzuſchlagen. 

Auf diefem Bivouak brathte der Prinz und fein Gefolg 
die ſchrecklichſte und längfte der Nächte zu, die man bis jest 
gehabt hatte. Es befand fih auf einem Erdhügel, unfern 
ber Stelle, wo fonft das Dorf Iwachkowa lag, deffen Häus 
fer längft alle verbrannt waren. Run tobte ein heftiger 
Wind, und die Gegend war holzlos. 

So herb au unfre Hebel feyn mochten, fo fonnten bob 
großmüthige Seelen nicht gleihgültig gegen diejenigen ſeyn, 
bie der Feind erlitt; beun fo wie wir und des Morgens 
Gſchatzk nahten, fand man fih den Bufen beklommen, zu 
feben, daß auch dieſe Stadt verfhmwunden war, Kaum 
nahm man eine Spur berfelben wahr. Ohne die Weberbleibfef 
einiger fleinerner Häufer bie und da hätte man fib an der 
Stelle eines verbrannten Gehölzes geglaubt. Nie haben 
Wuth und Barbarey ihre Verwuͤſtungen weiter getrieben, 
Gſchatzk, ganz aus Holz gebaut, verfhwand an einem Tag, 
den Einen nichts ald den Schmerz ihres zerftörten Gewerbs, 
den Andern ihres verlornen Reihthums übrig laffend; denn 
diefe Stadt war eine ber betriebfamften ‚und blühendfien 
Rußlands gewefen. Man fabrizirte hier Leder, Leinwand, 
Theer und Seilwerk für das Seewefen, 





nah Eugen Labaume. 297 


— — 








Das Nachts kalt geweſene Wetter war den Tag über 
fehr ſchoͤn. Daher die Truppen, wiewol fihon fehr mitge: 
nommen burb Entbehrungen aller Art, dennob voll Eifer 
blieben, überzeugt, daß Niedergeſchlagenheit ihnen erfi recht 
verderblich ſeyn würde. Seit mehrern Tagen waren fie ges 
nöthigt, fib allein mit Pferdefleifb zu nähren, denn bereite 
hatte der Mangel an Lebensmitteln fo überhand genommen, 
daß auc die Generale von diefen Thieren effen mufften, und 
daß die Sterblichkeit derfelben für ein Old galt; denn ohne 
dieſes Hülfmittel hätten die Soldaten früher Hungersnoth 
gelitten. | 

(1. Rovember.) Die Kofaten, deren Annäherung man 
befürdtete, verwirflichten gar bald diefe Beforgniß. Da man 
fie bisher noch nicht gefehen hatte, marfhirten die Soldaten 
voll ihres gewoͤhnlichen Zutrauens, während das ſchwach bes 
deckte Gepaͤck fo. zahlreich war, daß es mehrere Züge bildete, 
jeder in einer gewiffen Entfernung vom andern. Unfern des 
zerfiörten Dorfs Czarewo-Saimiche befand ſich ein ungefähr 
fünftaufend Schritte langer Erddamm, worüber fonft bie 
Heerfirage zog. Jetzt hatte ihn bas Artillerie: Fuhrwerf fo 
verborben, daßer ungangbar war. Diefes zwang ung, ben Weg 
durch eine fumpfige, von einem breiten Bach durchſchnittene, 
Wieſe zu nehmen. Den zuerft Kommenden erleichterte das 
Eis den Uebergang; allein dur die Menge brach daſſelbe, 
und nun muffte man es entweder wagen, über ben Bach zu 
fegen, oder die Beendigung ſchlechter Brüden, die man in 
der Eile baute, erwarten. Während deswegen die Kolons 
nenfpige ſtockte, kam unaufhörlih neues Fuhrwerk herbey ; 
Artilleriewagen, Kutfben und Marketenderfuhren, Alles 
ftund untereinander auf’ der Straße, indeffen die Fuhrleute 
nah Gewohnheit diefen Halt benugten, um euer anzuzün: 
den, und ihre vor Kälte erftarrten Glieder zu erwärmen. 
In diefem Augenbli von Sorglofigkeit brachen bie Koſaken 
unter furdtbarem Gefchrei aus einem dichten Wald zu unfrer 


208 ı Der ruffifde Feldzug: 


Linken berdor ,. und fiürzten auf alle diefe Ungluͤcklichen. 
Bey diefem Anbfick folgte Jeder dem erften Anſtoß, ben ihm 
feine Furcht gab.. Die Einen flübteten fib in’s Gehoͤlz, Ans 
dre liefen zu ihren-Wagen, ſchlugen mit Ungeflüm auf ibre 
Pferde ein, und zerfireuten fib auf’8 Ungefähr in die Ebene; 
diefen gerieth es am übelften, Baͤche, Moräfte und alle 
andre Zufälligkeiten des Bodens hielten bald ihren Lauf auf, 
und fo fanden fie fih als eine leichte Beute dem nachſetzenden 
Feinde überliefert. Am beften gelang es denen, bie fi bin- 
ter-die große Anzahl Wagen verbargen, um fo ihre Befreyung 
zu erwarten, die bald erfolgte; denn fobald die Kofaten die 
vorräckende Infanterie erbliften, zogen fie fib zurüd, ohne 
und andern Schaden beygefuͤgt zu haben, als einige Nat: 
zügler zu verwunden, und einige Gepäcdwagen zu plünbern, 

Die Bedeckung-Mannſchaft des Gepaͤcks benutzte die, 
durch den Koſakenbeſuch veranlaſſte, Unordnung, um eben: 
falls das ihnen anvertraute Gut zu pluͤndern. Von nun an 
verbreitete ſich Dieberey und Unredlichkeit mit ſolcher Scham— 
loſigkeit in der Armee, daß man unter den Seinen wenig ſichrer 
als bey dem Feinde war. Wen nah eines andern Gut ger 
lüftete, benußte den erfien Lärm, um es ſich zuzueignen, und‘ 
Viele, die an diefer bequemen Ermwerbart Gefbmad fanden, 
veranlafften oft felbft falfhen Lärm 2 um bie Diebdgelegen: 
heiten zu vervielfältigen. 

Die koͤnigliche Garde hatte eben den Pag von Szaremwos 
Saimice zurüdgelegt, als das Gepaͤck angegriffen wurde; 
fogleih erhielt fie Haltbefehl; während fie anbielt, zeigten 
fih zu unſrer Linken, nur zweyhundert Schritte vor uns, 

Kofafen, die und beobachteten; man behauptete, daß fogar 
einige die Straße bey einer Lüde, die unfre lange Kolonne 
ließ, durchkreuzten. Dergleiden Prahlereyen, die mit Er: 
folg gegen unfre Bedienten angewandt werden fonnten, brads 
ten niemals eine Wirkung hervor, wenn fie gegen bewaffnete 
Truppen verfucht wurden. Auch befepleunigre bie königliche 








nah Eugen Labaume. 299 


Garde, wiewof fie die Kofafen auf ihren Slanten erblickte, 
feineswegs ihre Bewegung. Die andern Divifionen lagers 
ten um den DVicefünig her, der, feitdem die Ruffen unfern 
Rürfzug beunrubigen zumgllen ſchienen, beftändig am Schluffe 
feines Korps blieb, _ 

(2. Nov,) Folgenden Tags um drey Uhr früh verlief: 
fen wir diefe Stellung. / Unfer nähtliber Marſch hatte etwas 
Graufenhaftes. Die Naht war furdtbar dunfel, daher Je: 
der, um nicht an den Andern zu flogen, befiindig im Geben - 
unıbertappte, was den Zug fo langfam machte, daß Jeder 
nur zu viele Muße hatte, feinen traurigen Gedanfen nachzu— 
hängen, Ungeachtet unfrer Vorſicht fielen doch viele in die 
Seitengräben der Straße; Andre rollten in die Schluchten, 
die die Straße felbft durchſchneiden. Wir wuͤnſchten daher 
Alle mit Sehnſucht das Tageslicht, zur Erleichterung unfere 
Marſches, und um den Verftecken des Feindes, deffen Ma: 
nöuores eine vollfommne Keuntniß des Bodens fo fehr zu 
Statren kam, zu entgehen, 

In der That hatten wir die Gewißheit, bald angegrif: 
fen zu werden. Wer die Topographie Pannte, befürctete 
die Stellung von Wiasma, da bey diefer Stadt die viel für: 
zere Seitenftiage uͤber Medynsk und Juchnof, die ein Theil 
der rufjifbes Armee feit dem Treffen von Malo-Jaroslawecz 
befolgte, hervorzieht. Daher auch die Kofaten, die ſich ge: 
ſtern blicken liefen, für den Vortrab der zahlreichen Neiterei 
unter Platow und der zwey Divifionen des Generale Mil: 
loradowitſch, die im Begriff fhünden, bey Wiasma her: , 
vorzubreben, angefeben werden mufjten. 

Unfre Späher (Eclaireurs), nebjt dem Gepäde des Di: 
cetönige, waren nur noch eine Stunde von diefer Stadt, und 
noch zeigte nichts die Gegenwart des Feinded an. Da jedoch 
der Prinz nebft dem erfien und fünften Korps den Nachtrab 
bildege, und die. Entfernung der beyden Endpunkte feiner 
Kolonne die Sicherheit feiner Armee führden konnte, fanbte 


300 Der ruſſiſche Feldzug 








er den vorwärts befindliben Truppen den Befehl, Halt zu 
machen. Indeſſen traf der Adjutant des Prinzen, Schwa— 

ronchef Labedonere, von Wiasma an. Ben der Erzäb- 
lung der Oefahren, denen er ausgeſetzt war, blieb Fein Zwei: 
fel, daß wir und Morgen durch die in, der Waffen wür: 
den den Weg bahnen müffen. 

Der Vicekoͤnig hielt zu Fedoroskoe, wiewol er zu Wias— 
ma erwartet war; um ihn ber lagerten feine Disifionen; 
rechts befanden fib die Polen, dem Feind gegenüber ; etwas 
vorwärts die Divifionen des erften Korps, die, wiewol jie 
den Nacıträb bildeten, beynah die unfrigen berührten, fo 
lebhaft waren fie gedrängt, und eben fie zu unterflügen, ver: 
jögerte der Bicefdnig feinen Marſch. 

(3. Nov.) Heute fegten ſich unfre Truppen gegen ſech 
Uhr Morgens in Bewegung. Man nahte ih Wiasma, und 
{don war das Gepäde unfers Korps in die Stadt eingerädt, 
als die Koſaken ihre Anweſenheit dur den Angriff einiger, 
ganz nahe von da bey einer Pleinen Kirche gelagerten, Fuhren 
fund thaten. Sie zerftreuten fih, fo wie unfre Truppen an: 
famen; als aber dieſe ihren Marfh auf Wiasma fortſetzen 
wollten, wurde bie erfte Brigade der 13ten Dioiſion unter 
General Nagle, die unfern Nachtrab bildete, anderthalb 
Stunden von Wiasma in ihrer linken Flanke angegriffen; 
mehrere Schwadronen ruffifher Reiterei, die gerade an der 
Stelle, die man fürdtete, hervorbraden, warfen fib in den 
fhmalen Zwifchenraum, der das vierte Korps vom erſten 
trennte. Der Vicekoͤnig, der die Gefahr feiner Lage fühlte, 
ließ feine Divifionen Halt machen und feine Xrtillerie zurüd: 
fommen, um burc gut gerichtete Batterien den Feind, deſſen 
Manoͤuvres alle dahin zweckten, fih Wiasma's zu bemächtigen, 
um uns den Rüdzug abzuſchneiden, in Schranken zu halten. 

Nah Maßgabe, dag unfre Divifionen verfhiedne zur 
Hintertreibung des ruffifhen Plans geeignete Schwenkungen 
ausführten, folgten ihnen diejenigen des erften Korps, bey 


* 


nach Eugen Labaume. 301 





welcher Gelegenheit wir mit Leidweſen wahrnahmen, daß 
diefe Truppen, vermuthlid dur das Uebermaß der Mühfes 
ligfeiten und die unaufhoͤrlichen Gefechte erſchoͤpft, die ſchoͤne 
Haltung verloren hatten, wegen ber man fie bis jetzt bewun: 
derte. Die Soldaten beobachteten faft feine Mannszucht 
mehr, ja, da der größte Theil derfelben verwundet, ober 
durch Ermüdung erkrankt war, vermehrten alle diefe den 
Haufen der Nachzuͤgler. 

So muffte das vierte Korps zuerft allein nicht nur den 
Anftoß einer zahlreihen Reiterei, fondern aud die wieder: 
holten Anftrengungen einer über zwölftaufend Mann ſtarken 
ruſſiſchen Infanterie:Divifion aushalten. Indeſſen 309 dag 
erfie Korps hinter ung rechts der Straße ab, und faffte bier: 
auf lints der Straße, zwifhen Wiasma und dem Angriffe: 
Punkt, wofelbfi es die Truppen des vierten Korps, die der 
Wicekönig gleich, im Beginnen ded Gefehts in Schlachtord— 
nung aufgeftellt hatte, ablöste. Diefe befegten hierauf die 
rechts der Straße befindliben Stellungen, um gemeinfbaft- 
li mit dem erfien Korps das Zreffen, das und bie Ruffen 
anboten, anzunehmen. 

Unfre 14te Divifion, bie ih vor der 13ten befand, ließ 
leßtere vorbeyziehen, und löste fie ab, wie um den Nadı: 
trab zu bilden. Die ı5te, bie der I4ten folgte, blieb mit 
der fönigliben Garde bey Wiasma wie zur Reſerve. So 
war die Schlabtorbnung getroffen, als die ruſſiſche Infante— 
rie anrädte, worauf das Treffen mit großer Lebhaftigkeit 
begann, wiewol mit einer großen Artillerie: Leberlegenheit 
ruſſiſcher Seits, da der ſchlechte Zuſtand unfrer Pferde ung 
nit erlaubte, unfre Stüde mit der nämlihen Schnelligkeit 
in. Bewegung zu feßen. Bey dieſem Gefechte warb dem 
Dbrift Banco, Adjutanten des Vicekoͤnigs, durch eine Kas 
nonenfugel der Kopf weggefchlagen. 

So fehr aub unfre Truppen in mehrerer Rıdfiht uns 
terlegen waren, behaupteten fie dennoch ihre Stellungen, 


302 Der ruſſiſche Feldzug 





während der ganzen zum Abzug unſers Gepäds erforderlichen 
Zeit. Mährend diefes in größter Ordnung durch Wiasme 
fuhr, fucte ein Theik der feindlihen Reiterei unfre benden 
Flanken zu überflügeln. Der Theil deffelben, der währen? 
unfers Ruͤckzugs gegen unfre Rechte vorrücte, fand. ſich durch 
ein beträchtlibes Infanterieforns, das mit grobem Geſchuͤtz 
auf dem Gipfel einer Anhöhe marfhirre, angehalten. Der: 
jenige linfs ward es gleichfalls durd die bayriſche Reiterei, 
‚die man ihm entaegenfegte, und durd zahlreihe Plaͤnkler— 
rotten, die in dem häufigen Buſchwerk, womit der Kampf: 
plag uͤberwachſen war, im Verfted lagen: 

Das Manbuvre der Ruffen verbreitete Beftürzung um: 
ter ber, befonders bey der Reiterei, bie faft alle Pferde ver: 
loren hatte, zahlreihen Klaffe derjenigen, die wegen. Kör: 
perfhwädhe oder aus Murhlofigkeit ihre Reihen verlaffen 
satten, unı nach Belieben zu marſchiren. Diefe vereinzelte, 
bey einer folben Gelegenheit unnäge, ja fehr ſchaͤdliche 
Mannfbaft hinderte nieht nur die Manoͤuvres, ſondern ver: 
breitete auch überall Schreden und Unordnung, indem fie ſich 

“ mit Weberellung vor einem Feinde flüchtete, den fie aus Feig: 
berzigkeit hit mehr zu bekämpfen wagte; was unſre Lage 
um fo fritifher machte, als die Kofaten, fo wie fie diefe 
geſchwaͤchten und unbewaffneten Maffen fliehen fahen, ihren 
Eifer und Muth verdoppelten, da fie glaubten, es ſeyen bes 
waffnete Kolonnen, die floͤhen. 

Zum Gluͤck hielt eine, links der Straße befindliche, be— 
traͤchtliche Schlucht, befonders aber die ſchoͤne durch Marſchall 
Ney beſetzte Stellung die Anftrengungen der Ruſſen, bie 
uns bey diefer Gelegenheit in eine bedenkliche Lage brachten, 
auf, Demnach gebührt diefem Marfball, der geftern bey 
Wiasma zurücgelaffen worden war, um dag erfte Korps ab: 

zuloͤſen, und an feiner Stelle den Nachtrab zu bilden, ber 
Ruhm, uns durch feine bloße Gegenwart aus der größten 
Gefahr, ‚die wir big jegt erfahren hatten, geriffen zu. haben. 


x 


nad Eugen Pabaume. 303 








Während des ganzen Gefechte blieb er berfönlih anweſend, 
um dem Vicekoͤnig und dem Marfhall Davouſt nuͤtzlich zu 
feyn, und begleitete diefelben nod eine geraunte Zeit, um 
ſich mit ihnen über bie zu treffenden Maßregeln zu beſprechen. 

Es war gegen vier Uhr Nachmittags, als unfer Korps 
durch Wiasma 509. Beym Herausfommen aus der Stadt 
erblictten wir zu unfrer Linken, auf einer Anhöhe gelagert, 
das dritte Korps, dem wir wegen der gelungenen Behaup: 
tung biefer wichtigen Stellung Dankbarkeit fhuldig waren. 
An der Ausdauer, mit ber es biefelbe während der ganzen 
Zeit des Gefechts vertheidigte, brach ſich die Hartnaͤckigkeit, 
mit der fie der Feind zu nehmen ſtrebte. Diefe preiswürdige 
Tapferkeit trug viel zur Rettung des erfien, fünften und 
vierten Korps bey, indent eg namentlih Legterm die Mittel 
erleichterte, ſich hinter die Wiasma zu ziehen, wofelbft der 
Prinz den Schiden herzuftellen fuchte, den ihm ein ungluͤckli— 
cher aber ehrenvoller Kampf, in einer Lage befländen, wo 
die geſchickteſten Ausrechnungen keinch — Erfolg ver⸗ 
ſorechen konnten, verurſacht hatte. 

Als wir durch den, unterhalb der Anhoͤhe von Wiasma | 
befindlihen, . Wald kamen, begegneten wir ein@n, vor ung 
von Moskau abgegangenen, Krankenzug. Seit einigen Tas 
gen aller Hülfe beraubt, Tagerten-diefe Ungluͤcklichen in dem 
Wald, der ihnen zum Hofpital und zum Grab diente; denn 
die Schwierigkeit, die Pferde fortzubringen, zwang die Fuhrs 
leute, Alles im Stich zu laffen. Wir lagerten unfern, und 
zündeten bey anbrechender Nacht auf dem Abhang eines, mit 
Buſchwerk überwachfenen, Huͤgels ein großes Feuer all. 
Die koͤnigliche Garde umgab das Bivouak des Prinzen, bie 
13te und ıgte Diviſion mufften die Flanken beſetzen. Die 
I5te, wiewol beträchtlib geſchwaͤcht, bildete den Nachtrab. 

Bon dieſem Hügel erblickte man den ganzer Horizont im 
Feuer; ed waren bie dem erfien Brand entgangenen Häufer 
von Wiasma, die wir im. Abziehen den Flammen preisgaben, 


304 Der ruſſiſche Feldzug - 


— —— —— 
Das dritte Korps, das beſtaͤndig ſeine Stellung behielt, um 
den Ruͤckzug zu decken, ſchien, wiewol ein Bach und tiefe 
Schluchten es von den Ruſſen trennten, oͤfters angegriffen zu 
werden. Das Bruͤllen der in den dichten Waldungen abge— 
feuerte, dumpf durch das Thal wiederhallenden, Kanonen: 
ſchuͤſſe ſtoͤre uns jeden Augenblick aus dem Schlafe, und 
zwang ung, zu den Waffen zu greifen, aus Furcht, der nahe 
Zeind fomme, ung zu überfallen. 

(4. Rov.) Gegen Ein Uhr Morgens fand der Viceko— 
nig für rathfam, die Dunkelheit der Naht zu benugen, um 
feinen Ruͤckzug zu bewerffielligen, und fo einige Stunden 
vor den Ruffen, die man nicht befämpfen Fonnte, ba der 
Hunger und nicht geftattete, in veröbeten Feldern zu verwei: 
len, voraus zu gewinnen. Wir tappten auf ber überall mit 
Artillerie und Gepaͤck bedeckten Heerftraße fort. Menfcen 
und Pferde, von Müdigkeit erſchoͤpft, konnten fi kaun 
fortf&leppen; fo wie einige Pferde fielen, zerfiückten fie bie 
Soldaten, und brateten das Fleifh auf glühenden Kohlen. 
Dies war feit einigen Tagen ihre einzige Nahrung. Wiele, 
bie noch mehr von der Kälte als vom Hunger litten, verlief: 
fen ihr Geithck, um fich bey einem großen Feuer, bag fie ans 
gezündet hatten, nieberzulegen. Jedoch im Augenblick des 
Aufbruchs hatten diefe Unglüdlichen die Kraft nicht mehr, aufs 
zuftehen, und wollten lieber in die Hände des Feindes fallen, 





als ed verfuben, ihren Weg fortzufegen. 


er 


Es war längft heller Tag, ald wir vor dem Dorfe Pos 
lianowo, bey welchem die Osma vorbeyfließt, eintrafen. Die 
Brüde war fhmal und aͤußerſt ſchlecht, und das Gebränge, 
um hinüber zu geben, ungeheuer. Der Vizekoͤnig beaufs 
tragte daher einige Stab8: Offiziere, dur ihr Anfehen bey 
diefem ſchwierigen Uebergange Ordnung zu erhalten. Auch 
er felbft blieb eine Zeitlang gegenwärtig, um die Maßregeln 
jur Beförderung der Artilleriezäge mitten unter dem Andrang 


der Packwagen nad diefem Paffe anzuordnen. 
. Unter: 


nah Eugen Labaume. 305 








Unterhalb des Fleckens Semlewo fließt ein andrer bes 
träcdtliherer Arm der Osma; aber, Danf einer breiten 
und" feften Brüde, litten die Truppen feinen Aufenthalt 
bey biefer Stellung, die, wenn ber Feind fih ihrer bemäd: 
tigt hätte, ihm fehr vortheilhaft gemwefen wäre. Denn das 
auf einer fteilen Anhöhe "erbaute Semlewo beherrfht die 
ganze Straße, auf der wir famen, und die am Fluffe hin= 
fliegende Osma hätte uns gehindert, die Stellung zu ums _ 
gehen. | 

Gegen Abend hatte man dem Prinzen fein Quartier in 
einer kleinen, dieſſeits eines ziemlich betraͤchtlichen moraftigen 
Bades befindlihen, Kavelle bereitet. Raum hatte man fih um 
die Kapelle herum niedergelaffen, ald die zum Zutterhofen aus 
gegangenen Bedienten von den Koſaken angegriffen und ges 
zwungen wurden, eiligft zurüdzufehren. Einige Hatten 
Pferde und Kleider verloren; Andre waren von Säbelhieben 
und Lanzenftihen übel zugerichtet. Alſobald muffte man fi 
zum Rüdzug entfbliegen. So wie die Padwagen des Prins 
zen die Stellung verlieffen, fahen wir feindliche Reiter auf 
uns zu fommen. Bey diefer Gelegenheit ward es recht fühl: 
bar, wie wichtig es ift, ſich bey einem Rüdzug bes Ueber: 
gangs der Flüffe zu verfihern. Wiewol wir nur einen Bach 
vor uns hatten, war er faum zu durchwaten, und hatte feine 
Brüde. Um hinüber zu fommen, warfen ſich Menſchen und 
Dferde mit Wem Fuhrwerk in’s Waffer. Unfre Lage ward 
um fo peinlicher, als die Ruffen fie benugten, und ben Hin: 
derthen unfrer Kolonne zu beunrubigen anfingen. Beſtuͤr— 
zung serbreitete fih daher unter der großen auf dem jenfeitis 
gen Ufer noch zurücgebliebenen Menge, die fi gezwungen 
fah, dur& einen breiten, tiefen, halbgefrornen, mit Mord: 
fien umgebenen, Bach zu feßen, während bereits die feind— 
lihen Kugeln über ihren Köpfen binfausren. Deßungead: 
tet hatte diefer Uebergang wenig erhebliche Folgen, da bie 
Kofaten wegen einbredender Nacht befürchteten, ſich blos au 

Europ. Annalen. L2ted Stil, 1815. 20 


306 Der ruſſiſche Feldzug 


geben, und ihren Angriff einfellten. Wir verloren deswe— 
gen nur einige Wagen, die mitten im wu zuräcdgelaffen 
werden mufften. » 

Nach Ueberſtehung diefes Hinderniffes gelangte man in 
einen Wald; an feiner äugerften Gränze links, unfern des 
Dorfs Rubki, an der Stelle einesigroßen hölzernen, bereits 
früher zerfiörten, Schloffes fegten wir und. Wir genoffen 
fon längft Bein andres ald Pferdefleifh. Doc blieb in eis 
nem der Packwagen des Generalfiabs etwas von Moskau 
mitgebrachtes Mehl übrig. Um fparfamer damit zu feyn, 
machte man jedesmal Brey davon, und beflimmte, wie vie 
Löffel voll jeder Offizier genießen dürfe. Unfern Pferden 
waren wir froh, das Stroh zu füttern, das beym Hinzug 
zur Streu gedient hatte. 

65. Nov.) Mit früheftem Morgen braben wir auf, 
und trafen zeitig genug bey einem großen Dorfe ein, worin 
einige Käufer verfpart worden waren, darunter ein ziemlich 
großes fieinernes, weswegen wir feitdem diefed Dorf mit 
dem Namen, das fleinerne Haus, bezeichneten. (Zu: 
folge der im Oeneral:Depot angefertigten Karte von Ruß: 
land wäre es eigentlih Jalfow Poftoia Dwor.) — Da wir 
felten den Namen der Ortſchaften, dur die wir famen, wuffs 
ten, gewöhnten wir ung, fie nachdem, was fie auszeichnete, 
entweber in ihrer Geſtalt, oder in den dafelbft erlittenen Ue⸗ 
bein, zu benennen. Nach dem in jedem erduldeten Hunger 
warb Peines benannt, denn diefes Uebel boten uns alle ges 
meinſchaftlich. 

Bis jetzt hatte man alle dieſe Uebel, in der Hoffnung, 
daß fie bald endigen würden, mit Ruhe und Ergebung ertras 
gen. Als wir Moskau verliefen, hielten wir Smolensk für 
das Ziel unſers Ruͤckzugs. Hier gedahten wir und mit ben 
am Dnieper und an ber Dwina zuräüdgelaffenen Korps zu 
vereinigen, indem ung diefe beyden Flüffe zur Linie dienen, 
und wir unfre Winterquartiere in Lirhauen beziehen würben. | 








nad Eugen Labaume. 487 





In Smolenst, hieß es, fey Veberfluß an Vorrath aller Art, 
auch follten wir dafelbft, und von unfern Arbeiten abzuldfen, 
das aus 25,000 Mann frifiher Truppen beftehende neunte 
Korps antreffen. Somit war biefe Stadt der Gegenfiand 
unfrer fehnlihften Träume, Jeder glühte, dahin zu gelan: 
gen, überzeugt, daß bey ihren Manern unfer Elend endigen 
wuͤrde. Auch flog ihr Name von Mund zu Mund; ihn 
nantte man voll iinniger Weberzeugung, allen Ungluͤcklichen, 
die unter ihren Leiden zu erliegen im Begriff ſtunden, als den 
einzig geeigneten Troft, fie die uͤberſtandnen Uebel vergeffen 
Zu machen, und ihnen den Muth zur Ertragung der noch bes 
dorftehenden Strapazen wieder einzuflößen. 

(6. Nov.) Wir marfhirten auf Smolensk mit einem 
unſre Kräften verboppelnden Eifer. Schon berührten wir bey: 
nahe dag nur zwanzig Stunden davon entfernte Dorogobuſch, 
und nur der Gedanke, in drey Tagen bafelbft anzukommen, 
erregte eine allgemeine Wonnetrunfenheit in unfern Bufen, 
als ploͤtzlich der bis jest fo glänzend = reine Horizont fich mit 
falten duͤſtern Dünften umhüllte. Dichte Wolfen entzogen 
bald die Sonne unfern Augen; in mächtigen Flocken herab: 
ftärzender Schnee verdunkelte den Tag, und vermengte bie 
Erde mit dem Firmament. Ein wüthender Wind durchheulte 
bie Wälder, und bog bie ſchwarzen, eisbeladnen Tannen zu 
Boden. Eine weiffe, oͤde Dede überzog das ganze Gefilde. 
Unringt von folder düftrer Schreckniß, von Schnee und 
Wirbelwind erdruͤckt, konnte der Soldat die Straße nicht 
mehr von den Seitengräben unterſcheiden. Viele vertieften 
fi in legtern und fanden darin ihr Grab. Die Andern, voll 
Eile anzufommen, während fie ſich kaum ſchleppen fonnten, 
ſchlecht beſchuht und befleidet, ohne Speiſe noch Trank, feufz: 
ten zaͤhnklappernd, und gaben denen, die ohnmaͤchtig neben 
ihnen niederfanfen und ben Geiſt ausathmeten, weder Hülfe 
noch Mitleids-Zeichen. Ah! wie viele diefer Ungluͤcklichen, 
die aus Entfräftung ftarben, kaͤmpften ſchreckbar mit dem Tode! 


308 Der ruffifhe Feldzug. 


ERENEO SEES OFERFERENUN: ee 
Die Einen riefen ihren Brüdern, ihren Kameraden ben letz⸗ 
ten Abſchied zu; die Andern ſprachen mit dem legten Seufzer 
den Namen ihrer Muster, ihres Waterlandes aus. Bald 
ergriff die firenge Kälte ihre erſtarrenden Glieder, und ums 
fing ihr Inneres. Auf dem Wege ausgefiredt, erkannte 
man fie nur noch an ben Schneehaufen, bir ihre Leihen über: 
deckten und auf ber, ganzen Straße die wellenförmigen Er: 
höhungen bildeten, die fi auf den Kirhhöfen zeigen. Schaa- 
ren von Raben, die, die Ebene verlaffend, fih über unfern 
Köpfen hin in die benachbarten Waldungen flühteten, erfülk 
ten die Luft mit ihrem omindfen Gefhrey. Ganze. Derben 
von Moskau mitgefommener Hunde, bie 'nur von unfern 
blutigen Weberbleibfeln lebten, heulten um ung ber, wie um 
den Augenblick zu befpleunigen, wo wir ihnen zur Aegung 
bienen follten. 

Bon diefem Tage an verlor die Armee ihre Kraft und 
militärifhe Haltung. Der Soldat gehorchte feinen Offizie, 
ren nicht mehr; der Offizier entfernte fi von feinem Gene: 
ral. Die aufgelösten Regimenter marfhirten nad Belieben, 
um ſich etwas zu leben zu verſchaffen; ‚verbreiteten fi in's 
flache Land, alles fengend und verbrennend, wag fie antrafen. 
Bald aber wurden biefe von uns getrennten Abtheilungen 
von den bewaffneten Reſten einer wegen alles ausgeftandnen 
Unheils racheſchnaubenden Bevoͤlkerung angefallen; die Ko: 
faten, die den Bauern zu Huͤlfe famen, trieben alle diejenis 
gen diefer Nachzügler, bie nicht niedergemadt wurden, auf 
die Verderben fhwangere Heerfiraße zuruͤck. 

Solches war die Lage der Armee, ald wir in Dorogobuſch 
anlangten. So flein diefe Stadt war, hätte fie in unfrer 
Bedraͤngniß manchem Ungluͤcklichen das Leben friften koͤnnen, 
hätte niht Napoleon in feiner blinden Wuth vergeſſen, 
dag feine Soldaten am allererften durch die Verheerung, bie 
er felbft anordnete, leiden würden. Dorogobuſch war ver: 
brannt und feine Magazine geplündert worden, ber Brannt: 





nach Eugen Labaume. 309 





wein, den kegtere im Ueberfluß enthielten, floß in den Gaſ— 
fen umber, während der Neft der Armee aus Mangel an 
geiftigem Getränfe dahin farb. Etliche Generale und Offi⸗ 
ziere beſetzten die wenigen noch vorhandnen Haͤuſer. Was 
noch von bewaffneten Soldaten vorhanden war, muſſte, der 
ganzen Strenge der Witterung preisgegeben, gegen den 
Feind ſtehen, waͤhrend diejenigen, die ſich von ihren Regi— 
mentern entfernt hatten, überall zuruͤckgeſtoßen wurden, und 
nicht einmal ,eine Stelle innerhalb der Bivouafg fanden. 
Mer vermag fih die Lage aller diefer Ungluͤcklichen vorzuftels 
fen! Vom Hunger gequält, fah man fie auf ein Pferd bins 
eilen, wie es fiel, und fih wie Waͤhrwölfe um die blutigen 
Stüde zanfen, von Schlaf und Muͤdigkeit erfhöpft, erblid: 
ten fie nur Schnee und wieder Schnee, und nirgends eine 
Stelle, um auszuruhen; von Kälte erflarrt, irrten fie um: 
ber, um Holz zu fuchen, aber ver Schnee hatte es begraben; 
fanden fie welches, fo wufften fie nicht, wo es anzünden; 
kaum fing das Feuer, fo zerflörte der heftige Wind und bie 
feuchte Luft die Frucht ihrer Bemühungen, und ben einzigen 
Troft in diefem gränzenlofen Ungluͤck. Auch fah man überall 
nichts als Menfhen, den Thieren glei aneinander gedrängt, 
fib unter den Birfen und Tannen, ober unter den Wagen 
nieberlegen. Andre riffen Bäume aus, oder zändeten die 
Häufer an, worin die Dffiziere wohnten; dann fah man fie, 
wiewol von Müdigkeit entfräftet, aufrecht und unbeweglich 
wie Gefpenfter,, die ganze Nacht über, um dieſe ungeheuern: 
Scheiterhaufen ftehen bleiben. 

Die unglüklide Paulomna, deren wir beym Brande 
von Moskau erwähnten, hatte bis jegt immerfort einen Theil 


unfrer Beute ausgemadt, und wie eine Sklavin alle unſre 


Uebel und Entbehrungen getheilt. Sie ertrug fie mit dem 
Muth, den nur Tugend gibt! Sie glaubte im Bufen das 
Pfand einer Liebe zu fühlen, die fie für gefeglich hielt, fie 
war ſtolz, Mutter zu werden, und ihrem Gatten zu folgen. 


310 Der ruffifhe Feldzug nah Eugen Labaume, 





Aber diefer, der ihr Alles verſprach, da er gleich heute Mor: 
gens erfuhr, daß wir feine Winterquartiere in Smolensk be: 
ziehen würden, bef&loß, eine Verbindung zu breden, bie 
er nur als vorübergehend betrachtet hatte. Mit ſchwarzer 
Seele und mirleidlofem Herzen naht er dem unfbuldigen 
Weibe, und verkündet ihr unter einem fheinbaren Vorwande, 
daß fie fib trennen müfften. Bey diefer Ungluͤcks-Botſchaft 
ſchreit die Ungluͤckliche laut auf, und erklärt, daß, ba fie ihre 
Familie und ihren eignen Ruf dem geopfert hatte, der ihr 
Gatte werben follte, fie es für Pflicht halte, ihm überall zu 
folgen, und daß weder Strapazen noch Öefahren fie vom ei: 
nem Entfbluffe, den ihr Liebe und Ehre beföhlen, abbrin: 
gen würden. Der General, unbewegt durd eine ſolche An: 
bänglichkeit, erwiedert ziemlich troden, man müffte fi tren: 
nen, dba die Umftände nicht mehr erlaubten, Frauensperfo: 
nen bey fih zu haben; überdies fey er verheirathet, und fie 
Pönne ja, wenn fie fhnell nah Moskau zurüctehrte, den 
Bräutigam no finden, den ihre Eltern ihr beftimmten. Bey 
diefen Worten blieb das liebevolle Schlachtopfer wie vernid: 
tet; bleih, noch entfeelter, als da fie aus den Gräbern von 
Moskau fam, verfiummt fie, erfeufzt tief und finkt, von 
Schmerz erſtickt, ohnmaͤchtig nieder. Diefen Augenblick be: 
nußt ihr herzlofer Verführer, nicht, um fi einer ſchmerzlo⸗ 
fen Trennung zu entziehen, denn folde Gefühle waren ihm 
fremd, fondern vor den Ruſſen zu fliehen, deren Rachege⸗ 
ſchrey feine feige Seele fhon zu hören wähnte, 


(Die Fortſetzung folgt.) 


311 





I. 


Betrahbtungen 
über 
die Eutopäifhen Staaten in dem Zeitraum von dem 
Parifer Frieden bis zu dem Parifer Waffenftill- 
fiande, oder pom Juni 1814 bis Juni 1815, 
und insbefondere über Deutſchland und den deutz 
hen Bundes⸗Vertrag. 


Befdhlu SG, 


Die Schriften, *) welde dort befonders gegen bie Herr 
ftellung der Familienrehte in ben arifiofratifhen Kantons 
erſchienen, athmeten mehr Leidenfhaft, als die Deutſchen, 
wenn diefe auch die theuerften Güter des oͤffentlichen und 
häuslihen Lebens betrafen. So groß der Augenblid war, 
und fo fehr die Begeifterung der Heere eine gleihe Gemuͤths⸗ 
Erhebung für die Gaben des Friedens hoffen ließ; fo ib doch 
noch fein Werk erfhienen, weldes auf den Preis Anfpruc 


*) Was die gegenwärtige Regierung von Bern iſt? Geſchicht⸗ 
libe Darftellung der Urſachen der Unzufriedenheit des Berner 
Oberlandes. Du canton de Vaud et de la ville de Berne. 
Exposition de la situation politique du peuple Fribour- 
geois — Observations sur la constitution emanee. 

Frepbeiten der Kantons Bürgerichaft Luzern. Nachtrag zur 
diefer Schrift. Wahrhafte Darfiellung der politifhen Ereigs 
niffe im Kanton Solothurn. Verfaſſung vom 2. Juni, ents 
gegengeftellt der vom 8. Juli. 

Lettre de Helvetius sur les diverses questions qui agitent 
la Suisse. Weber den a — bie Au⸗ 
ſpruͤche Berns. 


3i2 Betrachtungen über bie Europäifhen Staaten 








maden, ober fib mit frühern Staatsfhriften vergleichen 
‚  tönnte. In der Geſchichte iſt durch Dohms Denkwuͤrdig— 
keiten, durch Gagerns Beytraͤge zur Zeitgeſchichte, durch 
Hormayrs Oeſtreich und Deutſchland mehr geleiſtet; auch 
verdienen die Briefe des in Spanien gefallenen Prinzen von 
Neuwied, zur Bildung und Veredlung des Gemuͤths, un: 
fern Jünglingen empfohlen zu werden, weil ſich darin eine 
reine Seele im Feuerglanz bes Murhes, und im Zauber bes 
Geiftes:Reihthums zeigt. Für ihn und für alle zu „Deutſch— 
lands Ehre“ Gefallene erhebt Jacobs feine ernſte Rebe: 
„Kein waderes Gemüth mag, wenn das Licht der Tugend 
„und bes Geiftes gewichen ift, in den feuchten Grüften ei: 
‚nes folhen Lebens dauern.” Schön, wie der flammende 
Aetna, ift das Gedicht: „das Räthfel der Zeit.” Solche 
Zändeleyen dagegen, als die Wortfpielerey mit deutſcher 
Volksthuͤmlichkeit, Gemuͤth u. f. w., ald der National: 
Kleiderfram, sale Okens taufenbfältige Feldlager *) über 
ganz Deutſchland, hat fib feines ber mit dem bdeutfchen 
wetteifernden Wölfer vorzumerfen. Was Conſtant von 
Frankreich fagt, dag man nur Zeitungen und hoͤchſtens Zeit: 
föriften leſe, gilt eben fo fehr von Deutfhland. Der Friede 
bat uns an beyden bereidert, und diplomatiſch bemerkens— 
werth ift eg, daß die neueften Verhandlungen mit Frankreich 
ausfhlieglich in den Zeitungen geführt werden; indeß 
man auch früher gewiffe deutfhe Eiferfüchteleyen und Dr: 
densumtriebe nicht fowol in Flugſchriften als in Zeitungen zur 
Sprache brachte. Unter den deutichen Zeitungen laͤſſt ſich Peis 
ne an Größe des Plans, an Reichthum und Gehalt mit der 
Allgemeinen Zeitung vergleihen. Unter den Zeit: 
ſchriften fheint weder Buchhol z „Journal für Deutſch⸗ 
land“ noch „Lüdens Nemeſis“ die altern Schweſtern um 





*) Neue Bewaffnung, neues Frankreich, neues Deutſchland. 
Jena bey Croͤker, 1814. 


vom Parifer Frieden bis zum Parifer Waffenſtillſtanb. 313 








die Kundſchaft bringen zu koͤnnen, da ſie nach gleichem Plan 
angelegt und den Quellen der ausuͤbenden Staatskunſt nicht 
zugaͤngiger find als jene. Eine bloß für deutſche Sachen ein: 
gerichtete, von einem großen Hofe unterftügte Zeitfehrift 
fehlt ung nod, worin der Gang der Staatd:Verhardlungen 
fo vollftändig, als es die Verhältniffe geftatteten, verfolgt 
würde. An das von Dümge zu Heidelberg angelegte ‚‚dis 
plomatifche Archiv für die neuefle Zeitgefhichte”” laſſen ſich 
mit Billigfeit.folbe Forderungen nit maden. 

Ueber den Kongreß hatten die Wiener Zeitungen am 
Angſtlichſten geſchwiegen, die andern hatten feine Befhlüffe 
immer verheißen, und nie gegeben. Es Fam daher die Nach⸗ 
richt Vielen unerwartet, daß am 8. Jun. der Vertrag über den 
deutfhen Bund unterfärieben worden ſey; namentlid traten 
jedoch die Würtembergifhen Gefandten ihm erft am 9. Jun. 
bey, „ob fie gleich,“ nad ihrer ausdrüdlihen Erklärung, 
„gegen den einen oder gegen den andern Punkt 
wohlErinnerungen zu maden hätten.” Es fommt 
alfo nicht auf die Frage an: Was geworben feyn würde, wenn 
MWürtemberg, das in dem Vertrage ausdrücklich ald Bundes: 
glied genannt war, feine Zuftimmung ferner verweigert hätte? 
Sehr wichtig ift dagegen, daß die Arbeit eines ganzen Jah: 
res nicht hingereicht hat, um zu vermeiden, baß felbft das, 
was man in den Vertrag aufgenommen hat, von einem fo 
angefehenen Staat Sffentlih gemißbilligt werden muß; und 
dag man ſich alfo wohl nit ſchmeicheln kann, alle Hoffnuns 
gen und alle Wünfhe, bie Deutfhland an das Bundeswerf 
machte, befriedigt zu haben. Einer feiner Könige, den es 
in allen Verhältniffen mit Kraft und Einfiht handeln fah, 
erflärt fi noch in dem Augenblid, wo er der Stimmenmehr: 
heit nadgibt, gegen mehrere Beftimmungen des Vertrages, 
und gibt dadurch mwenigftens die Wermuthung, daß die Meis 
nung über den ®ertrag in Deutſchland getheilt ſeyn werbe. 
Das erfte Urtheil, welches man über ein Geiſteswerk fällt, 


314 Betrachtungen uͤber die Europäifhen Staaten 


it Sache des Gefühle, dann entwideln fih die Gedanken, 
und daraus treten die Gründe Plar aus dem Bewuſſtſeyn ber: 
vor, nah welden man tadelt oder lobt. In der deutſchen 
Gefeßgebung find es römifhe Vorbilder, melde unfer Ge: 
fühl für die Hoheit der Gedanken, für die Tiefe des Urtheils 
‚ und für die Würde der Worte, die über ein ganzes Wolf ent: 
fbeiden follen, gebildet haben. Was man in bie Sprade 
Roms übertragen will, muß feinen Geift athmen, oder es 
erfolgt die befannte, von Aefop angedeutete, Wirkung, 
Es Läfft ib darin mit den Gedanfen nit Verſtecken fpielen, 
was die Worte fügen, das fagen fie; auch wiberfegt ſich bie 
Sprade dem Verſuch, der Gebanfenfolge Gewalt anzuthun, 
und von dem Einzelnen zu reden, bevor des Ganzen erwähnt 
ift; am wenigften verträgt fi das aͤcht Roͤmiſche mit gemei— 
ner Selbſtſucht und läberliber Eitelkeit, der ehrfurdtgebie: 
tende Ernft der Vernunft und die Heiligung der Vaterlands: 
liebe ift in ihm, Wir möchten hiernach wohl verfuben, den 
Bundesvertrag in's Lateinifhe zu überfegen, müffen es uns 
aber für eine andre Gelegenheit vorbehalten, da wir zwei⸗ 
fein, dag er fo, wie ihn bie Allg. Zeit. Nro. 173. geliefert 
bat, vollftändig und richtig abgedrudt fey. Nah diefem Ab: 
druck iſt der Vertrag eigentlih ein Bündnif, um den deut: 
fhen Bund zu ſchließen, da nad S. 10. die Bundes: Berfamm: 
lung die Abfaffung der Grundgefese des Bundes und 
beffen organifhe Einyihtung beforgen fol. Indeß find doch 
in diefem Vertrage nit allein die Bundesglieder, 38 an der 
Zahl, mit 17 Gefammtflinnmen und 69 einzelnen Stimmen 
aufgeführt, welche fib am I. Sept. zu Frankfurt, als dem 
Bundesfige, verfammeln follen, fondern es find au darin 
mehrere Beftimmungen enthalten, die fih nicht wohl ändern. 
laffen werden, weil nach $. 7. über die Annahme oder Ab: 
Anderung ber Grundgefeße, über organifhe Bundes-Ein: 
rihtungen, jura singulorum, oder Religion : Angelegens 
heiten weder in der engern Verfammlung, noch in pleno, 


vom Pariſer Frieden big zum Parifer Waffenſtillſtand. 315 


ein-Beſchluß durch Stimmen-Mehrheit gefafft werden ſoll; 
mithin eine einzige Stimme hinreichend iſt, um das Veto gel: 
tend zu machen. Hier bleibt alfo nur der Wunſch, daß es in . 
dem beutfhen Bunde nicht gehe, wie in dem deutfhen Reich 
bey der befannten General: Majorewahl, welche auf zwey 
Proteftanten gefallen. war, und wobey man zuerft die Itio 
in partes geltend machte. Uebrigens ift bey den Stimmen 
diefesmal auf die Religion Peine Rüdfiht genommen, da 
felbft im Pleno, wenn aub die Pinigl. fähfifhen Stimmen 
für atholifh gerechnet würden, nur 15 fatholifhe Stimmen 
gegen 54 proteftantifde Stimmen gezählt werden. Hierin 
haben fih die Zeiten fhnell geändert, denn noch 1803 genehs 
migte ber Kaifer das Reichsgutachten über die Stimmen auf 
dem Reihstage wegen der Minderzahl von katholiſchen Stim: 
men niht. In Abfihe der Stimmen:Drdnung foll das 
gegen au bey der fünftigen Berathung der Bundes: Ver: 
fammlung auf dem Reihs-Deputationfhluß von 1803 Rüds 
fiht genommen werden. Diefer beftinmt darüber $. 32.% 
„Die Alternirungen, welche bisher flatthatten, werden auch 
fünftig beobachtet, und die verfbiednen Käufer fowol als bie 
Hefte des naͤmlichen Haufes haben fi über neue Alterniruns 
gen zu vergleihben.” Auch ijt den jeßigen Standesherren 
die Hoffnung nicht benommen, $. 6. in pleno einige Curiat: 
flimmen zu erhalten. Die ausdruͤckliche Beziehung auf bie 
Reihtags:Verhältniffe gibt dem ehemaligen beutfhen Staates 
seht wiederum geſetzlichen Werth; der Bundestag wird das 
durh an den Reichstag angefnünft, und die Beziehung, 
welche in Abjiht des Stimmmefens für rechtsbegründer er; 
Märt ift, kann nun auch in analogen Fällen nicht beftritten 
werden; befonders wenn der Bundes-Vertrag, auch ohne 
des Reichstags oder des letzten Deputationfbluffes zu er> 
wähnen, von Verhäftniffen ſpricht, die barin ihren Grund 
haben. Der Rheinbund iſt dagegen mit Stillfhweigen über: 
gangen; und flatt beffen $. 14. wegen der Berhältniffe der 


316 Betrachtungen über die Europaͤiſchen Staaten 





dadurch unterbräcdten Reichsſtaͤnde die koͤnigl. bayrifhe Ber: 

ordnung vom Jahr 1807 zur Richtſchnur gewählt. Hieraus 
folgt erftlih: daß die Verordnungen andrer Staaten, infos 
fern fie ihr widerſprechen, nicht anerkannt find; ferner: daß 
man den gegenwärtigen Beſitzſtand von dem Rechtszuſtande 
unterfiheidet; endlich aber, daß es bey dem beftehenden Be: 
fiß bleibt, infofern er nit durch den Bundes: Vertrag ober 
durch Pünftige Beflimmungen der Bundes: Berfammlung ver: 
ändert wird. Auf diefe Art ift alfo eine Art vorläufigen 
Vergleichs zwifhen dem, was war, und zwifchen dem, was 
ift, gefhloifen, und der Bundes: Berfammlung das Recht 
ber Entſcheidung ertheilt. 


Der Zwed des Bundes ift, nad $. 2, Erhaltung ber 
äußern und innern Sicherheit Deutfchlands, und der Unab: 
bängfeit und Unverlegbarkeit der einzelnen deutſchen Staa: 
ten. Wenn die Wörthen „innern Sicherheit“ darin 
nit vorfämen, fo würde der Bund ein bloßes Bündniß 
feyn; von welchem weiten Umfang aber der Sinn biefer bey: 
den Wörtben in der Bundesfprade ift, ergibt ſich daraus, 
daß darunter nah $. 6. gemeinnügige Anordnungen, 
nad $.13. landfiändifbe Verfaffungen, nad 4. 14: 
die Privilegien in Steuerfaben, nab $. 14. bie 
bürgerliden Rechte der Juden *), nab $. 15. bie 
allgemeinen Rechte beutfher Unterthanen, und bie 
Preßfreyheit begriffen werden. Won den Anftalten, 
melde die innere Sicherheit begründen follen, wird nur im 
Allgemeinen gefagt, $.10., daß bie organiſchen Einrihtungen 
auf der Bundes-Berfammlung getroffen werden follen; und 


*) Ihre Anzahl in den preufifhen Staaten betrug 1802 hoͤch⸗ 
ftend 30,000, Köpfe. Darftelung der büärgerlihen Verhaͤlt⸗ 
niffe der Juden vom Grafen Donnersmark. Leipzig bei 
Cuobloch 1814. 


som Parifer Frieden bis zum Parifer Waffenſtillſtand. 317 


es iſt wegen ber Appellation-Inſtanz *) $. 12, wegen ber 
Rheinzoͤlle **) $. 15., und wegen der Thurn: und Tari—⸗ 
(hen Poften $. 17. einige Vorſchriften ertheilt. Der Vers 
trag ſchweigt über das Bundesgericht, über die Bundesfaffe, 
über die Bündeskoften, und ihren Aufbringungfuß, fo wie 
- über bie Mittel, um zu bewirfen, daß nad $. 11. die fireis 
tenden Bunbdesglieder fih dem Ausſpruch ber Austräge und. 
feiner. Vollziehung unterwerfen. Da hiernach der Vertrag 
theils von Saden handelt, welhe das altdeutfhe Staates 
recht nicht ad tuendam et firmandam securitatem publi: 
cam, fondern ad conservandam et promovendam salu- 
tem publicam rechnet, und da wiederum theild von Sachen 
nicht namentlich geredet wirb, welche nicht blos zu des Bun⸗ 
des Wohlfahrt und Nugen, fondern zu feinem Wefen und 
Sicherheit, im roheften Verftande, gehören; fo fheint nur 
das nahmhaft gemacht zu feyn, worüber Streit feyn Pönnte, 
und das nicht nahmhaft gemadt zu feyn, worüber in kei⸗ 
nem Staatsrecht eines chriftliben Reihe Streit ifl, und was- 
ſich von felbft verfieht. So läfft ſich z. B. nicht. bezweifeln, 
daß ben chriftlihen deutſchen Bauern ihre angefauften Frey—⸗ 
güter-eben fo gut verbleiben follen, als den Juden, obgleich 
nur für den Lestern $. 16. verordnet ift, daß ihnen die in 
den einzelnen Bundesſtaaten eingeräumten Rechte erhalten 
werden follen. Es fcheint daher nit, bag der Ausdruck, 
innere Sicherheit, die Wirkſamkeit des Bundes befchräns 
ten, und von ihr das ausſchließen fol, was nicht gerade 


*) Weber die Nothwendigkeit der Anordnung eines deutichen 
Reiche: oder Bundess Gerihts von Berlepſch. Kaflel bey 
Krieger 1315. R 

**) Welches Schikſal wird der fünfte Artikel des Pariſer Fries 
dene, der von der freyen Rheinſchifffahrt und einem freyen 


Voͤlkerverkehr fpricht, haben? Frankfurt am Main bey Ans 
breä 1814. 


318 Betrachtungen über die Euroväifhben Staaten 





zum Zweck der peinlihen Halsgerichts-Ordnung gehört; die 
Ehre des deutfben Namens, die Entwicklung 
der Kunftträfte, und die Veredlung der Sit: 
ten. Am wenigften aber ſcheint diefe Wirkſamkeit des Ban: 
des mit der beliebten Unabhängigkeit der Fürften in Wider—⸗ 
ſpruch zu ftehen, fondern vielmehr der Vertrag bie vorläufige 
Ausgleihung unter den FZürften zu feyn, um altdeutſch für 
„gemeine Wohlfahrt und das Beſte des armen Mannes “ 
berathen, foren und handeln zu koͤnnen. Iſt dieſes ver 
Sinn, fo fann es uns gleihgältig ſeyn, ob die Engländer 
den Kopf ſchuͤtteln, wenn fie auch nicht einmal beyläufig bed 
deutfhen Volks in dem Vertrage erwähnt finden, und 
an die Bill von dem unbezweifelten Resten des engliſchen 
Volks dabey denfen, worin weder von Penfionen noch von 
Juden, und lediglich von dem, was ſeyn ſoll, die Rede iſt, 
was nicht ſeyn follte, braucht man allerdings” nicht in 
Geſetzen zu fbreiben, es findet fih vom felbft an. In dem 
obenerwähnten Sinn ift ohne Zweifel der 12te $. abgefafft, 
woburd den Unterthanen der Staaten, bie nidt 300,000 
Einwohner haben, das, Recht eines Apvellation:Gerichts ge: 
fibert, und von diefen für mehrere Länder gemeinfhaftlichen 
Gerichten der Anruf an einen Schoͤppenſtuhl geftattet wird, 
Hierbey ſcheint die Frage von Wichtigkeit: ob durch diefe mit 
Ruͤckblick auf das Reichsherkommen gemachte Verfügung zu: 
gleih das Reichsherkommen wieder erwaht, wonach Fein 
Richter, ohne Urtheil und Rect, feines Dienftes entfegt 
werden darf. Die Regierungen maden jegt mit Recht, mehr 
als fonft, gemeinfhaftlibde Sache, wenn boshafte oder gall- 
fühtige Tadler fih zeigen, und die Schmäbungen, welde 
gegen bie eine gerichter werden, find auch bey den übrigen ges 
haͤſſig; und die Raͤnkemacher, welchen die Thüren des einen 
Staats verfhloffen werden, finden fie au bey den Nachbarn 
nicht mehr geöffnet; aber von dem, der fih gegen die Regie⸗ 
tung auflehnt, ift doch der fehr verfhieben, welder zwiſchen 


som Parifer Frieden bis zum Parifer Waffenftillftand. 319 





ihr und dem Unterthanen Rest ſprechen foll; und wie foll er 
ein freves Urtheil fällen, wenn ein mißfälliges ihn um Amt 
und Stand bringt? Go kurz und ſchoͤn der 15te $. ift, wos 
nach eine landfiändifhe Verfaffung ftattfinden wird, nnd wos 
nach alfo Herren und Ständen in ben einzelnen Staaten über: 
kaffen bleibt, fi einzurichten, wie fie es für fih am zuträgs 
lichſten halten, fo weitläufig ift der I6te $., welcher die 
Standesherren betrifft. Ihre Anzahl ift dur Iſenburg vers 
mehrt, welches fih unter ben Bundesgliedern nicht finder. 
Die hauptſaͤchlichſte, und nicht allein für fie wichtige, fondern 
für das Familienwefen der übrigen Zürften nothwendige Bes 
ſtimmung ift die ihnen zugefiherte Ebenbürtigkeit, wodurd 
jeder Zweifel der über die Standesmägigkeit der Vermaͤh⸗ 
kungen erhoben werden koͤnnte, gehoben wird. Mit ihnen 
ſchließt fib der Hohe Adel, und der Zufag, : dag ihnen dad 
Recht der Ebenbürtigkeit, ‚‚in dem bisher damit verbundenen 
Begriff, verbleibt,‘ nimmt als erklärt, was nah dem Zus 
fag der Wahlfapitulation von 1790 erft erflärt werben folls 
te. „So viel aber die noch erforderlihe nähere Beftimmung 
anbetrifft, was eigentlich notorifhe Mißheirathen feyn, wols 
ken wir den zu einem barüber zu faffenden Regulativ erfors 
Eichen Reihsfhluß bald möglicht zu befördern Uns angelegen 
feyn laſſen.“ Aber neben ver Sicherung der Ebenbürtigkeit 
forderte zugleich das Recht, daß den Standesherren die Mit 
tel gefibert wuͤrden, diefer gemäß ihr Haus zu maden, und 
Miemand, als eine feile Seele, würde ohne Unwillen haben 
fehen können, daß unter Napoleon erhöhte Fürften fich 
durch die Beute der unter Napoleon gefallenen Fürften 
bereichert hätten. Der ſchlichte deutfhe Werftand wird nie 
begreifen können, daß es von ber Meilenzahl abhängen folle, 
ob ein Land ſchlecht oder gut verwaltet werde, und daß in als 
len unterdrücten Regierungen die höhern Staatszwecke fid 
nicht haben erreichen laffen, daß diefes aber in allen be: 
ſtehenden größern Staaten, fo unbeflimmt das größere 


\ 


320 Betrachtungen über die Europaͤiſchen Staaten 


m—— —— — —ñ — — —ñ — —— — — — — — 
auch zwiſchen den Staaten (ſelbſt ohne Zurechnung der damit 
verbundenen Reiche) von einem Flaͤchen-Inhalt von ı% bis 
1600 Qu. Meilen it, fehr wohl geſchehen könne! *) Mer 
wird fi ferner nicht fagen, daß der Kongreß recht gethan 
babe, den Standesherren das taufendjährige Recht ihres 
Eigenthums an den Früchten des Bodens zu fibern, den ihre 
Vorfahren tragbar gemacht haben, ihnen die Ehrenvorzäge 
zu fihern, welche fie feir Menfhengedenten befeffen haben, 
und ihnen die erfie Stelle unter denen zu geben, welche aw 
dem Geſetzgebung-Recht der Landfhaften theilnehmen? Wer 
wird von der Bundes: Berfammlung nicht noch erwarten, daß 
auch wegen der bisher entzogenen Einkünfte und geleifteten 
Zahlungen eine billige Uebereintunft getroffen werde ? - Biels 
feiht hat man aber nicht fo allgemein erwartet, daß ihnen: 
Gerichtsbarkeit, Polizev, und Aufſicht über Kirden und 
Säulen verbleiben werde; befonders, da felbft für bie klei⸗ 
nern Staaten gemeinfhaftlide Dbergerichte angeordnet find; 
da durch diefe” Zerfplitterung der Behörden in einem Lande, 
und oft Laͤndchen, der Dienft ohne Zweifel leidet, und Streis 
tigfeiten zwiſchen beyden Theilen erzeugt werden, wie benn 
3. B. unter den heſſiſchen Häufern nit weniger ald 400 
Rechtshaͤndel obmwalteten; da ferner der Standesherr von 
folben eignen Behörden fehr wenigen Nugen bat, weil bie 
Landesbehörden ihre Wirkſamkeit auf alle Weife beſchraͤnken, 
ſondern vielmehr dafür baare Ausgaben machen muß; da auch 
die Befeßung folder Stellen nicht ſowol feinem Haufe als 
feiner Umgebung Nugen gewährt, und ihm hoͤchſtens die Ge: 
legenheit gibt, einigen um ihn verdienten Leuten eine anftäns 
dige Verforgung zu verfhaffen; wogegen das Recht einige 
Stellen in den obern Landesbehörden zu befegen die ®ele: 
genheit gegeben hätte, für die Verwandten des Haufes zu 

8*8* ſor⸗ 





>) Politiſche Anſichten über Deutſchlands Vergangenheit, Ges 
genwart und Zufunft, 1814. 


vom arifer Frieden bis. zum Parifer Baffenftillitand. #21 








forgen, und Einfluß auf die Sandesverwaltung zu behalten, 
wozu weder die Berichte uͤber Forſtfrevel, noch über die Ver: 
handlungen der Untergerichte führen koͤnnen. Der Grund 
übrigens, daß man durd eigene Gerichtsbarkeit und Polizey 
fein Eigenthum beffer ſchuͤtzen koͤnne, beweist zu viel, und 
führt zu Folgerungen, woraus man dje undeutſchen Geſin⸗ 
nungen ber Eljaffer erklären koͤnnte. Auch ift es ja fein Ges 
heimniß, daß der Hauptſchutz, deffen das Eigenthum jegt bes 
darf, gegen Ueberjieurung gerichtet ifl. Eine Gewähr ges 
gen die Entziehung des Eigenthums, durch ÜUrberfteurung, lieg 
. fih den Standesherren nit verweigern, die Art, wie diefe 
Gewähr abgefafft ift, weicht indeg fo fehr von allem dem ab, 
was in den großen deutſchen Staaten feirher als Orundfag 
aufgeftellt ift, daß ſich nit ohne Grund vermuthen läffe, dag 
bie von Würtembergifiber Seite angeregten Erinnerungen 
auch diefe Faſſung zum Gegenjiande haben mögen. Die- Stans 
desherren und ihre Familien, heißt es, ‚‚bilden die priviles 
girtefte Klaffe in denfelben (Staaten), insbefondere in 
Unfehbung ber Befteurung.” Nach diefer Faſſung 
fbeint nicht ‘allein anerfannt, daß e8 Privilegien in 
Steuerſachen gebe, und zwar nah mehrern ‚Klaffen von 
Derfonen, fo daß es Belaftere, Belafterere und Belaftetefte 
gebe, fondern au daß diefes fo feyn-und bleiben folle; 
benn ift Keiner privilegirt, fo hilft es ja dem Standesherrn 
nit, daß er dir privilegirtefte ift; und koͤnnen die Steuern 
ber Uebrigen erhöhet werben, fo ift es ein ſchlechter Troſt, daß 
e8 bey dem Standesherrn nod am wenigfien geſchehe. Alfo 
folgte wohl daraus, daß alle. und jede Befreyung oder Bes 
gimftigung in Steuerſachen, wie fie jest beſtehe, au ‚ferner 
beftehen müffe, weil fonft der Maßſtab, wonach die Beſteu⸗ 
rung der Standesherren fid richten foll, verändert- werden 
würde. Mit diefen Grundfägen fiehet aber, um nur ein 
Benfpiel anzuführen, der Geiſt der preußifben Geſetzgebung 
im offenbarften Widerſpruch, melden der Kanzler Harden— 


Aurop. Annalen. 12108 Stuͤck. 1815. 21 
⸗ 


432 Betrachtungen über die Europaͤiſchen Staaten 


berg ben verfammelten Ständen 1811 alfo anfündigte: 
„das neue Syſtem beruht darauf, daß jeder Einwohner des 
Staats perfönlidh frey, feine Kräfte aub frey entwideln und 
benugen inne, daß Niemand einfeitig eine Läſt 
Erage, die nit gemeinfam mit gleichen Kräf— 
ten getragen werde. Die oben erwähnte Faſſung der 
Gewähr gegen Steuerdruck ſtehet überdem noch mehr ale mit 
dieſen Grundfägen , mit fich felbft im Widerſpruch, weil fie 
auf den Fall nicht pafft, worin es feine privilegirte Klaffen 
gibt, und worin fie durch die Landesgefege abgefhafft find, 
befonders weil es im Werfolge des $. heißt: „‚diefe Medte 
werden jedoch nur nach Vorſchrift der Randesgefege ausgeuͤbt.“ 
Außerdem fiheint es auf der einen Geite nicht zart genug für 
vie Fürften, welche bisher in dem Zuftande der natuͤrlichen 
Freyheit waren, fie mit ihren alten Unterthanen zu vergfei- 
ben, um das rechte Steuermaß für fie zu finden; und auf ber 
andern Seite fbeint es für die eigentlichen Unterthanen unge 
bührlihe Anſpruͤche erregen zu Binnen, wenn fie fich den Für: 
ften zur Seite gefet fehen. Würde man dem landesherrlis 
ben Recht etwas vergeben haben, wenn man über Steuer: 
Magen der Standesherren Austraͤge zugelaffen hatte, die 
nach Lage und Befhaffenheit des Steuerweſens und des be- 
fteuerten Haufes nach beftem Wiffen und Gewiffen entfchieden 
hätten? Wenn dieſe Entfheidung auch nicht fo günffig ferm 
würde, als die Webereinkunft, welche der König von Preufs 
fen dem Grafen von Stolberg Wernigerode bewilligt 
bat; fo würde eine ſolche Entſcheidung doch, um bey dem 
Benfpiel ftehen zu bleiben, das Kopfgeld des Grafen wohl 
nit nach dem Konfgeld des Landgefindes, weldes 
dabeyam privilegirteften ift, .angefeßt, fondern, wie 
jest gefhehen, völlig geftrihen haben. 

Eine andre Stelle deffelben $. ift ung völlig unverftänds 
lich geblieben; fie lautet: „Es follen ihnen (Standesherren) 
überhaupt in Rücfiht ihrer Perfonen, Familien und Be: 


vom Pariſer Frieden bis zum Parifer Waffenſtillſtand. 323 


ſitzungen alle diejenigen Rechte und Vorzüge zugeſichert wer: 
den, welbe aus ihrem Eigenthum und deffen ungefidr: 
tem Genuß herruͤhren.“ Perſonen und Familien rechnete man 
bisher nit zum Eigenthbum, und vom Grundeigenthum oder 
von der beliebten Grundberrlichfeit kann die Rede auch wohl 
nicht feyn, weil daraus denn doch das Recht nicht herrührt, 
feinen Aufenthalt in jedem befreundeten Staate zu wählen, 
ober von der Militaͤrpflicht befreyt zu feyn. 

Die Verfügungen. des ı5ten $. beziehen fih theils 
auf die Beflimmungen des Reichs-Deputationſchluſſes wegen 
Schuldentheilung und Penfionzahlungen; wovon weder das 
Eine noch das Andere zur vollftändigen Ausführung gefom: 
men ift, und woran fib nun die Bundesgewähr in.aller 
ihrer Kraft bewähren fann, theils auf die Einziehung der 
beutfben Ordensguͤter. So langfam wıe ed mit der Schuls 
ventheilung und Penfionzahlung gegangen war, fo fehnell war 
die Einziehung der deutſchen Ordensgüter erfolgt, fobald das 
franzsfifhe Dekret vom 24. April 1809 erfhienen war, deſ⸗ 
fen Inhalt in dem sten Artikel des Preßburger Friedens anz 
erkannt ward. In diefem Artikel ſtand, nur bie Mitglieder 
des Ordens follten Penfion erhalten; diefes erklärt nunmehr: 
der Bundes: Vertrag guͤnſtig durch die Vorſchrift, daß die 
Penfion nab den Grundfägen des Reichs-Deputationſchluſſes 
für die Domftifter beftimmt werden folle. Hiernach wird alfo 
der deutfhe Drdem nicht wieder aufleben, wie man fi ge-- 
ſchmeichelt hatte; für den Johanniter-Orden fheint von guter 
Borbedeutung zu feyn, daß er in dem Bundes: Bertrage mit 
Stillfhweigen übergangen iſt; und wenn er früher mit dem 
deutfhen Orden im Rheinbunde gleiches Schickſal hatte, fo 
verjüngte und hob ihn zu gleicher Zeit Preußen bey fib. Die 
Penſionſache der überrheinifhen Geiſtlichkeit foll wenigſtens 
in Sahresfrift entſchieden ſeyn. Wenn doc die Gewohn⸗ 
heit, ſolche Friften zu ſetzen, in Deutſchland einheimifh wer: 
ben möchte! Bon der Fuͤrſorge des Kongreffes für die Juden . 


324 Betrachtungen über die Europaͤiſchen Staaten 








$. 16. ift fon oben geredet; über die Staatsgläubiger im 
ben Ländern, melde dieffeits und jenfeits des Rheins wieder 
erworben und eröffnet, über die Staatöbeamten und Penfionäre 
derfelben, fo wie über ihren gefammten Rechtszuſtand iſt kein 
Wort geäußert, obgleich man darauf gehofft, darnach gefeufjt 
haben fol! Won den Reichspoften find die Trümmern erhal: 
ten, die ed 1803 davon gab; unb fie haben auf dem linken 
Rheinufer und bis zum Meer fih während des Krieges aus: 
gedehnt, auch nachher durch Verträge bie Einfahrt in bie 
Hanfeftädte erlangt. Hier ift alfo wenigftens Fortgang und 
Reben, und wenn ber Vertrag Peine Bunbes:Anftalt ftiftet, 
fo befhränft er doch au die Hoffnung darauf nit. Der 
ı8te $. handelt von den Rechten des Deutſchen, und von ber 
Preßfreyheit; in erfterer Hinfiht aber nur von den Bebin: 
gungen, worunter man fi in andern deutſchen Staaten an- 
faufen oder dahin auswandern kann. . Darf-jeder Deutſche 
im eignen Lande freye oder nur unfreye Güter faufen? Darf 
er es in andern Staaten? Weber Beydes ift nichts gejagt; 
von dem erworbenen Gut in fremdem Staat foll er nidt 
mehr als die landuͤblichen Abgaben und Laften der Einwohner 
tragen; das iſt allerdings recht nüglich bey Erbſchaft-Anfall; 
wird es aber nicht veranlaffen, daß man die Anfiebelungen 
erfhwert? „Die Befugniß des freyen Wegzuges aus einem 
Bundesflaat in ben andern, ber erweislich fie zu Uns 
tertbanen annehmen. will,‘ ſcheint wegen bes Zus 
faßes nicht allein von den Perfonen, ſondern auch von ihrem 
Vermögen zu verftehen zu feyn; und mithin eine allgemeine 
Abfhoßfrepheit zu begründen; übrigens wenn ein Mißbrauch 
bes Regierungrechtes denkbar wäre, fo Pännte der Zufag dazu 
. Gelegenheit geben, wongch der Unterthan, um auswandern 
zu dürfen, beweifen muß, daß ihn ein andrer Staat anneh⸗ 
men wolle; wie leicht Tieffe ſich durch eine vertrauliche Mit: 
theilung diefe willige Aufnahme hintertreiben, und fo Gefan⸗ 
gene auf Lebzeit in freyer Luft auf ihre eignen Koften halten; 


⸗ 


— 


vom Pariſer Frieden bis zum Pariſer Waffenſtillſtanb. 325 


auch die Erlaubniß, in Staats- oder Kriegs-Dienſte zu tre— 
ten, wird durch die Dienftpflichtigkeit im Geburtlande ſehr 
beſchraͤnkt, und würde, feit der Landfturn die Unterthanen 
bis zum zoften Jahr in Anſpruch nimmt, wohl gar feinen 
Erfolg haben können, wenn nicht ausdruͤcklich heſtimmt wäre, 
bag die Bundes-Verfammlung darüber weiter berathſchlagen 
werde. Die Berfügungen über Preßfreyheit, womit fi 
die Bundes: Verfammlung bey ihrer erften Zufammentunft 
befhäftigen foll, find allerdings zur „Sicherſtellung der 
Rechte der Schriftfteller und Berleger gegen ben Nachdruck“ 
ſehr nothwendig; im Abfiht der Preßfreyheit felbft {deinen 
die Künfteleyen, nah Bogenzahl zu befiimmen, ob ein Bud 
cenſurpflichtig ift, oder den Buhhändlern zu verbieten, ihre 
Berlagsfhriften im Auslande drucken zu laffen u. dgl., hoͤchſt 
überflüffig, da es in Deutfchland Beine Hauptftadt gibt, von 
welder Alles ausgehen muß, was von Wichtigkeit für den 
Staat feyn foll; da die giftigfte Schrift alfo die ploͤtzliche 
Wirkung nicht haben kann, welde fie zu London oder Paris 
haben mag; ba die Deutfhen überhaupt zu Palt find, um 
durch die begeifterndfte Schrift aus ihrem ruhigen Gleiſe ge: 
bracht zu werden; wie denn in der Reformationzeit Zus 
thers Donnerworte von weit geringerer Wirfung waren, 
als feine Bibel:Weberfegung, welche zu dem ruhigen Vers 
fiande ſprach; und da bey den vielfahen Staaten und den 
zahlreihen Preffen Deutſchlands dur Peine Künfteley ver: 
hindert werden kann, daß Druck und Umtrieb von Schriften 
dem Polizeyauge entzogen werden. Unter diefen Umftänden 
ſcheint den kuͤnſtlichen Vorfiht:Mafregeln vorzuziehen, bie 
Buchdrucker und Verleger zu verpflichten, Beine Bücher ohne 
ben Namen der Verfaffer, oder ohne ihren Namen zu drucken 
und zu verlegen, und die Buchhändler zu verpflichten, feine 
Bücher, worauf fih weder die Einen nd die Andern ge: 
nannt haben, auf dem Lager zu haben; werden biefe Bedin: 
gungen erfüllt, fo find die Gerichte hinlänglih im Stande, 


— 


— 


326 Betrachtungen über bie Europaͤiſchen Staaten 





dem Mißbrauche der Preſſe eben fo zu ſteuern, wie ſie demz 
Mißbrauche Sffentliber Reden fteuern; und welchen Schaden 
hat die Prepfreyheit in Deutfhland angerihtet? Man bat 
berühmte Namen, woran wir nit reich find, geſchmaͤhet, 
aber die Schmähung ift längft vergeffen, und unfern großen 
Männern ihre Ehre geblieben. Man hat in Romanen und 
Schaufpielen die guten Sitten heimtüdifh angegriffen, und 
Deutſchland mit f. 9. Lefebübern überfhwenmt, aber fie 
verpoltern doch nad grade in den Bedienten-Stuben, und 
finatsgefährlich ift weder das eine nach das andere geworben. 
Ein Bub, deffen Inhalt wirklich gefaͤhrlich geweſen, kennt 
die deutfhe Geſchichte nicht, und noch weniger erzählt fie, 
daß eine Schrift (wohl aber mande Predigt) gefährliche Fols 
gen gehabt habe ; traurige hat allerdings „Deutſchland in fei: 
ner tiefften Erniedrigung‘’ gehabt. Doch jene fhredlichen 
Zeiten find vorbey, und es ift zu wänfhen, daß endlich bie 
Zeit fommen werde, wo die Hauptforge feyn wirb, wie die 
Erhebung des kriegerifhen Geiſtes in Deutſchland allmaͤhlich 
wieder gemäßigt, und zur Ordnung des ruhigen Arbeitfleiges 
zuräcgeführt werde; baß die Zeit kommen wird, wo man 
nicht noͤthig hat, fi mit der Aufſchreibung von Vorſchriften 
über die Preßfrenheit vor der Beftimmung über unfre heiligs 
ften und theuerfien Rechte zu befhäftigen. Ueber Hanvel, 
Verkehr und Schifffahrt ift nichts beftimmt, fondern nur $. 19. 
Berathſchlagung nah Anleitung der von dem Kongreß anges 
nommenen ©rundfäge vorbehalten. Hoffentlich mit ganz 
andrer Wirkung, als der Vorbehalt in der Wahlkapitulation 
feit 1750 gehabt hat, wonach ein Reichsgutachten gefordert 
werden follte: „wie zur möglihften Werbefferung der zu 
Waſſer und Lande zum Wohl des Reiche ꝛtc. ꝛc. zu befördernden 
Kommerzien — dur gemeinfame — Maßregeln zu gelans 
gen ſey?“ Der weftphälifhe Friede fagt groß und einfach: 
ber Handel foll frey, die Fahrt zu Land und zu Waffer aller 
Drten gefihert, und der Wandel und Verkehr unbenommen 


# . 
B 


vom Parifer Frieden bis zum Parifer Waffenftillftand. 327 





ſeyn; nachdem er zuvor befohlen: Alles, was. den Handel 
und bie Schifffahrt wider Herfommen und Gebrauch be: 
ſchwert, foll durchaus weggeräumt werben, Art. Io. 9. 1. u. 2. 
Auch hatte man während des zojährigen Krieges ben Gig ber 
Handels: Krankheit nicht verfannt, und kaiſerlicher Seite 
1628 darüber ungleich Praftvoller geflagt, als jeßt der f!g. 
Herr Gregoring zu thun wagt: „England hat die deut: 
ſchen Hanfeftädte — ihrer uralten, mit Gut nnd Blut-theuer 
erworbenen Privilegien und Freyheiten eigenmädtig beraubt 
— bie Deutfhen dabey für lauter Kinder angefehen. — 
Endlich find die Engländer fo weit fortgefahren, daß fie fi 
mit ihren verbannten und verdammten Monopoliis und Pros 
poliis den Deutfchen mitten in's Neft gefeßt, ben ganzen 
Tuch⸗- und andre Handlungen an ſich gezogen, den Deutſchen 
das Anfehen dabey gelaffen, und dadurch fo viele Millionen 
aug unfern Saͤcken mit fih heimgeführt haben.’ 

Noch iſt der Hauptſache nicht erwähnt, wozu der Ver: 
trag abgefchloffen zu fern fheint, man mag die Worte erwaͤ⸗ 
gen, wonad er ausdrüclih für Äußere Sicherheit ein- 
gegangen ift; oder man mag die Zeit erwägen, worin er, 
gerade bey dem Ausbruch eines Krieges, entſtanden iſt. 
Diefe Hauptſache ſcheint das Kriegsweſen zu ſeyn, obgleich 
der Vertrag daruͤber auch nicht eine Beſtimmung enthaͤlt. 
Die Bundesglieder verſprechen ſich blos F. 11. Schutz, ge— 
waͤhren ſich ihre deutſchen Beſitzungen, entſagen dem Kriege 
untereinander, und im Bundeskriege allen einſeitigen Ver— 
handlungen und Friedens-Annahmen. Nun iſt zwar nicht ge: 
ſagt, von wem und wie der Bundeskrieg erklaͤrt werden ſoll, 
doch kann es wohl nicht ohne Zuſtimmung der Bundes-Ver— 
fanimlung geſchehen. Dieſe wird erſt am 1. Dec. zu Franf: 
furt eröffnet; alfo Pfann bis dahin dem Buchſtaben nad von 
feinem Bundeskriege die Rede ſeyn, und der Antheil an dem 
jeßigen Kriege von den Bundesgliedern nicht in Gemäßheit 
des Bundes, fondern in Gemäßheit der Beytritts-Vertraͤge 


328 Betrachtungen über vie Europaͤiſchen Staaten. 





zu dem Bündnig von Chaumont und Wien genommen werben. 
Ferner ift nicht gefagt, auf welche Weife gegen den verfah— 
ren werden foll, welder fib in.unerlaubte Verhandlungen eins 
laͤſſt; „die wohlgeoydnete Auſtraͤgal-Inſtanz“ möchte dabey 
wohl freylich nicht zur Anwendung kommen; indeß bat man 
nach den fruͤhern Beyſpielen von der großen und kleinen Acht, 
aus dieſem Mangel geſchriebener Geſetze keine Langſamkeit 
bes Verfahrens oder gar Unthaͤtigkeit zu befuͤrchten; beſon⸗ 
ders weil die Einrede, daß noch kein Bundeskrieg erklaͤrt ſey, 
ſchon von ſelbſt wegfaͤllt, und uͤberdem auch durch die allges 
meine Verpflichtung abgeſchnitten iſt, ſich in keine Verbin⸗ 
dung einzulaſſen, welche gegen die Sicherheit des Bundes 
“ober einzelner Bundesglieder gerichtet wäre, Ss iſt bey ber 
Beftrafung folder Vergeben das Wort bloͤder als die Hand: 
-fung; und hiebey tritt einer der vielen Fälle ein, worin bad 
ungeſchriebene Gefeß weiter führt als das gefhriebene. Daß 
man das Vaterland nicht verratben darf, weiß Jedermann; 
und wer. es thut und beftraft wird, der wird felbft fich mict 
über Unrecht beflagen. Uebrigens ift es fehr bemerkenswerth, 
bag der Bund, faum empfangen, und nod nicht geboren, 
fbon Krieg führt; baß er große Heere, und ‚weder einen 
Bundes:General, noch einen einzigen Bundes:Soldaten bat; 
daß er die Heere aller Verbündeten verpflegt, und bie jetzt 
über keinen Magazinfhreiber zu gebieten bat. So bewährt 
er auf's Neue, daß die Beftaltung der Staaten fi durch die 
_ Umftände und durch den Geiſt der Ereigniffe bilden, und ge» 
ſchriebene Gefege nicht ſowol bilden (leider verbilden fie oft), 
fondern das Gebildete fbügen, und die allgemeinen Gedan⸗ 
en aufftellen follen, welche unbedingt zur Richtſchnur dienen 
würden, wenn dag Unbedingte nicht im Widerſpruch mit Sem 
Staatsverein flände. Da es nun fo ſchwer ift, eine Be: 
fhränfung der natürliben Frepheit, welche in die Staats⸗ 
BVerhältniffe aufgenommen ift, mieder aufzuheben; fo follte 
man wenigfiens fehr vorfihtig fepn, wenn noch beftrits 


vom Parifer Frieden bis zum Parifer Maffenftillftand. 329 


tene Beſchränkungen, oder gar neue Befhrän: 
Pungen fih im gefhriebene Gefege einfhleiben 
wollen. Ze 

Der Bundes:Bertrag hat Deutfchland, mit Ausnahme 
des Burgundifben Kreifes und der Veränderungen an der 
franzöfifben Gränze, die Reichsgraͤnzen wiedergegeben, die es 
1792 hatte; das Großherzogthum Luremburg, das Herzogs 
thum Holftein gehören vertragsmäßig zu dem Bundesreich, und 
obgleich Schwedifh: Pommern nit genannt ift, fo hat es doch 
feinen Zweifel, daß es dazu gerechnet werden muß, wenn 
es an Preußen abgetreten ift, da Preußen für „alle dormals 
zum deutfhen Reich gehörigen Beſitzungen“ dem Bunbe beys 
getreten ift. Der Bunded:Vertrag hat die Landeshoheit der _ 
Zürften in eine Unabhängigkeit verwandelt, welche ihre Be— 
dingung durch bie Berfaffung des Bundes, und durd bie 
Berfaffung der Landftände erhält. Er hat den Standesher—⸗ 
ren die fürftenmäßige Ebenbürtigteit’ gefibert, den unmittels 
baren Reichsadel in einen bevorrechteten Bundesadel umgeäne 
dert; und für den ehemaligen Reihe: Poftmeifter, für geifts 
liche und weltlibe Penfionäre, und für die Juden geforgt. 

Gleich find die ©lieder des Bundes, und unter den 
Gleichen hat Deftreih den Vorfig. Wenn ſich flaatswirth: 
ſchaftlich auf die Frage: was ift der deutfhe Bund? mit ans 
ders antworten Täfft, ale, er ift ein Freyſtaat von Fürften; 
fo ift zu wünfden, daß fib von ihm auf feine Art bewähre, 
was fih von dem römifhen Senat fo herrlich bewährt hat. 
Er ward eine Berfammlung von Königen genannt, und wahrs 
ih, er handelte im Pöniglihen Sinn, fo lange er frey war. 
Wo und wann aber die Fürften im Geift und Sinn ihres 
Volks handelten, da und dann waren fie am gluͤcklichſten. 

Der Beſchluß des Kongreffes über die Schweizer Anges 
legenheiten ward von der Tagfagung, nachdem die Mehrzahl 
dafür geftimmt hatte, für angenommen erklärt. Am 13. 
März hatte fie die Aufrechthaltung der Neutralität beſchloſſen, 


\ 


330 Betrachtungen über bie Europäifhen Staaten 


wozu 30,000 Mann ausgerüftet werden follten. Am 20. 
May ward jedoh mit den Verbündeten eine Uebereinkunft 
geſchloſſen, wodurd fie für diefe an dem Kriege leidenden 
Antheil nahm; nachdem fhon unterm 14. April die Eidwei- 
gerung der Schweizer im franzöjifhen Dienft gebilligt, und 
für ihren Unterhalt geforgt war. Die Uebereintunft vom 
20. May gibt die Hoffnung zu Hülfgeldern, ohne weſche auf 
die Länge die Schweiz von den Rüftungfoften erbrückt wer: 
ben würde. 

Indeß man in Deutfchland ein Jahr zubrachte, um fid 
zu vereinigen, daß man fi eine Verfaffung geben wolle, 
kam die VBerfaffung der Niederlande an einem einzigen Tage 
zu Stande. Sie ward am 29. Mär; 1814 der Stände: Ber: 
fammlung vorgelegt und von ihr angenommen. Gie enthält 
eine Art Vergleich zwifchen dem Alten und Neuen., Der 
Wirkungfreis der Generalftaaten in den einzelnen Provinzen 
ift ziemlih auf den alten Fuß hergeftellt, an die Spige ber 
Staats-Verwaltung das koͤnigliche Recht mit voller Gemalt 
getreten; das Abgaben: Wefen größtentheils vorläufig bepbe: 
halten. Diefe Verfaffung war nur auf Holland berechnet, 
da die Erweiterungen des Staats und die Bedingungen dar: 
über noch im dunfeln. Schoog der Zufunft lagen; nachdem fie 
aber wirklich eintraten, vermehrte fih die Schwierigketg bed 
Verſchmelzens dadurch, daß man fo früh zu fehreiben ange: 
fangen hatte. Auch im Innern möchte es wohl unvermeibdlid 
gewefen feyn, die Meinungen der Männer von den überein: 
ſtimmendſten Grundfägen, welche an'die Spige von Gefdhäf: 
ten getreten, wovon bie Einen nad der neuen, bie Andern 
nach der alten Ordnung zu behandeln waren, im fortdauern: 
den Widerſtreit untereinander zu fehen. Doch, was auch im 
Innern zu wuͤnſchen übrig blieb, und worauf fih von Außen 
noch hoffen ließ, bie wiedereroͤffnete Schifffahrt und Fiſche⸗ 
rey, bie hergeftellte Verbindung mit Deutfehland und Eng: 
fand waren für die Holländer zu theure Güter, um ihnen nicht 


vom Parifer Frieden bie zum Pariſer Waffenſtillſtand. 331 


die Koſten und Beſchwerden ihres Wiedererwerbes gern tra⸗ 
gen zu laſſen. Anders dachten die oͤſtreichiſchen Niederlaͤn—⸗ 
der, welche ihr fruchtbarer Boden reichlich ernaͤhrt, und die 
den Handel nicht bey andern Völkern zu ſuchen, ſondern viels 
mehr ihn bey fih zu geftatten haben. Sie waren noch (mes 
nigftens in den höhern Ständen) an Deftreih gewöhnt; durch 
Religion und Sprade von ben Holländern getrennt; und ohne 
allgemeine Staatsfhuld. Hier, wie in vielen andern Ges 
genden, entfland dadurch ein Zerrwefen, daß man die Vers 
gangenheit aufwühlte, und fih fo felten mit treuer reiner 
Seele den Umftänden hingab. Die Ungewißheit eines lanıs 
gen Jahres über die Beftimmung des Landes kam hinzu; Hol⸗ 
land richtete fi ein, und in den Niederlanden Eonnte ed nicht 
gefhehen. In Holland hatte fhon am 25. März 1814 bie 
Bank ihre Einrihtung erhalten, am 14. May erfhien das 
Geſetz über das Reihe: Schuldenwefen, und am 17. May 
1814 f&ilderte der Finanzfefretär den Zufland des Staates 
baushalts, woraus fih zwar eine Mehrausgabe von 25 Mil: 
lionen Gulden ergab, wobey man aber auf die Unterftüßung 
von England, und auf die vermehrten Geldkräfte des Landes 
rehnen konnte. Am 25. Febr. 1815 erfolgte endlich die Ers 
Märung, daß die Öftreihifhen Niederlande mit Holland ver: 
bunden werden, und unterm 16. März die Errichtung des 
Thrones der vereinigten Niederlande. Dieſes Königreich 
bildet mit dem durch Hildesheim und Dfifriesland vergrößer: 
ten Königreih Hannover ein zufammenhängendes Küftenland, 
welches durch alte Gewohnheit und Bekannfhaft, fo wie dur 
alle Bande der jegigen Staatskunft, aud infofern ed dem 
Könige von England nicht unterworfen ift, doch feinem Reihe 
angehört. Diefes Küftenland zählt ungefähr fehs Millionen 
Einwohner. | 

/ Dänemark ift in den alten Verband mit Deutfchland zus 
rücfgetreten, und die erſte Folge davon fhon für Holftein fes 
genreih gewefen; deſſen Geld: und Stenerwefen nun der 


332 Betrachtungen über die Europäifhen Staaten 








Ungewißheit entriffen worden. Unterm 8. April 181 5 iſt die 
die Einfommenfteuer aufgehoben. Die Vorwürfe, welde 
Schlegel gegen die Staats:Berwaltung mit geübter Kunſt 
geſchleudert hat, find zwar nicht mit der gefülligen Gemanbt- 
beit, aber dennoch mit glüdliher Kraft zurüdgeworfen; *) 
auch hat Schweden den Befig von Norwegen feit geraumer 
Zeit, Dänemark aber für Norwegen nob immer den Beſitz 
von Schwediſch-Pommern nicht erhalten, alfo bis jegt weder 
die Sache noch ihre Vergätung. Die innern Streitigeiten 
über die Juden und über dag Papiergeld deuten das 
Uebel an, woran der Staatshaushalt leidet. Bey feinen 
Wehen konnten die englifben Hülfgelder von 400,000 Pf. 
St. feine fühlbare Linderung geben; dieneuen Staats-Schulb⸗ 
fheine (Kommittezettel) verloren gegen baares Geld, wie 
die Reiche: Bankzettel, und die Verwirrung flieg bie dahin, 
daß unterm 16. Det. 1814 nahmhaften Männern geftattet 
wurde, Scillingszettel unter ihrem Namen in Umlauf zu 
fegen. Die Urfahen des Verfalls diefes Reihe lagen mehr 
in den Handels-Stoͤrungen, als in den Kriegs-Drangfalen, 
und die Regierung ließ ed nab dem Frieden vom 14. Jan. 
1814 auf feine Weife an fib fehlen, um die Handels-Ver— 
hältniffe überall wieder anzuknuͤpfen; aber auch hierin harte 
fie das Unglüdf, daß die Fregatte, welche nad den Kolonien 
gehen follte, ſcheiterte. Ein Verluft, der ſchon an bloßen 
Ausrüftungkoften über 200,000 Rthlr. betrug, und bey 
dem Zuftande des bänifhen Seewefens bopvelt fühlbar ges 
wefen, da damit auch zugleih die Ausfiht auf ſchnelle 
Benugung der Kolonien untergegangen ift. Diefer Un: 
glüdsfall fteht mit der Grundurfah in Werbindung, aus 
welcher Dänemarks Lage felbft in den gluͤcklichſten Zeiten be: 
drängt gewefen if. eine Stellung gegen Schweden und 





9 Behrmanns kurze Darſtellung bes politiſchen Verhaltens 
Daͤnemarks in den letzten Jahren, Kopenhagen 1813. 


vom Parifer Frieden bis zum Parifer Waffenftillffand. 333 


gegen Beutfhland hat es verführt, zugleih See: und Land: 
macht ſeyn zu wollen; worauf felbft Deftreih nie Anſpruch 
gemadt hat, und wozu das dänifhe Staats:Einfommen von 
fieben Millionen Thalern die Kräfte nicht gab. Die Bered: 
nung, welde Macdonald in feinen Reifen darüber lie 
fert, mag in der Abfibt entworfen ſeyn, damit die Dänen 
ſich Gluͤck wuͤnſchen follen, daß die Engländer fie von einem 
fo freffenden Krebs, als die Flotte war, befreyt haben; und 
diefe Abfibt mag, wie billig, ihren Zweck verfehlen; aber 
laͤugnen läfft es fib doch nit, daß die dänifhe Flotte nie im 
Stande gewefen ift, den Handel des Landes gegen die afris 
kaniſchen Raubftaaten, geſchweige denn gegen die Willkür der 
eigentlichen Seemädte zu fhügen. Auch jebt gelang es zwar 
wieder, fib mit Marocco, aber nicht mit Algier zu verftän: 
digen. In Abfiht des neuen Landfrieges fheinen die Grunde 
fäge wieder angenommen, welde fi durch die ehemalige Ers 
fahrung beftätigt haben, und nach welchen Daͤnemark wegen 
feiner Befigungen auf dem feften Lande fib an Deutfchland 
ſchloß, und feine Verpflihtungen ald Reichsſtand treulich er- 
füllte; an dem Seefrieg aber feinen Antheil nahm, fondern 
die Frachtfahrt zwifhen den Priegführenden Mächten nad 
Möglichkeit an fib zu ziehen fuchte. Indeß darf es nad dem 
Frieden mit England den Sund niht mehr fperren, und die 
Oſtſee niht mehr als ein gefhloffenes Meer ‚betrachten, da 
Stralfund zu einem Stapelort für alle engliſche Waaren ge: 
gen einen Zoll. von ı pr. E. erklärt iſt. Gluͤcklich genug in 
fo ſchwerem Unglüd für Dänemarf, daß der einträglihe 
Sundzoll, welden Macdonald zu 800,000 Rthir. jähr: 
licher Einkünfte anfblägt, der Eroberungſucht entgangen ift. 
Schweden war in den Befis von Norwegen getreten, 
nabdem England, Preußen und Dänemark den Verkehr da: 
bin unterfagt, und dadurch den Norwegiſchen ‚Städten bie 
nothmwendige Getreide:Zufuhr abgefhnitten, für das Heer 
aber unmöglich gemacht hatfen, Magazine anzulegen; und x 


“334 Betrachtungen über die Europäifhen Staaten 
— — — —— — — — — — 
nadbdem die Verfaſſung-Urkunde von beit König ind dem 
Kronvrinz befbworen war. Unter den Beflimmungen, mel: 
che der Storthing zur Sicherheit der bürgerlihen Verhaͤltniſſe 
in Norwegen für noͤthig gehalten hat, ift au die, daß we: 
der Jeſuiten noch Juden nah $. 2. in dem Reiche geduldet 
werden follen. Mit der Annahme ber Verfaffung glanbte 
. man, fey die Normegifhe Sache völlig beendigt, indeß zeigte 
ſich nun erft die Anwendung bes völferrehtliben Grunb: 
fages, welcher zwiſchen den norbifhen Alpen aufgeftellt war, 
bag der Hof nicht berechtigt gewefen fey, das Reich ohne def: 
fen Zuftimmung abzutreten. Ein Grundfag, den Grey 
am 10. May 1814 im englifhen Oberhauſe männiglid ver: 
theidigte. ı „Der König,’ fagte er: „war der Souverair, 
nit der Eigenthimer von Norwegen, und die Souveraine: 
tät Ponnte ohne Beyftimmung des Volks nicht veräußert wer: 
den. Der König konnte fih zurüdziehen, die Nation von 
ihrem Gehorfam losſprechen, aber die Gouverainetät, ge: 
gen ihren Willen, auf einen Andern übertragen, war eim 
ſchreyende Rechts: Verlegung. Groot, Puffendorf, 
Vattel, Barbeyrac find fiämmtlih der Meinung, dag 
eine willfürlihe Veräußerung diefer Art nit flattfinden 
koͤnne. Die Benfpiele, welche man aus der Gefhichte dages 
gegen aufftellt, beweiſen hoͤchſtens, dag Niemand widerfpro: 
hen hat, oder daß der Mißbraud der Gewalt die Stimme 
bes Rechts erftickt hat. Man zeige aber einen Fall, wo ein 
Volt, das fih wirklih dem aufgedrungenen Fürften wider: 
feste, deshalb der Rebellion befhuldigt worden. Wenn der 
König von England fih einfallen lieffe, Schottland oder Ir⸗ 
‚land abzutreten, und das Volt Widerftand leiftete, würde 
irgend ein Freund des Rechts und der Freyheit das Volk für 
firafbar erklären?’ Es fehlte ihm dabey nit an Beyſpie⸗ 
len aus der Geſchichte, worin der Grundfag geehrt worden 
war: bey den Korfitanern, bey den Schotten, bey den Spas 
 niern. Grenville und mehrere Andere unterftügten feine 





vom Parifer Frieden bis zum Parifer Waffenftillftand. 335 








Meinung, welhe der Minifter Liverpool in feiner Ant- 
wort umging, indem er, fehr folgereht, nicht von bem re- 
dete, was die Norweger zu thun berechtigt waren, fondern 
von dem, was England gegen Norwegen, womit es offen: 
bar eben fo gut, ald wie mit Dänemark, Krieg geführt hat, 
zu thun berebtigt, und mas es für Schweden vertragsmä- 
Sig zu thun verpflidtet war. Norwegen vertheidigte fein 
Recht gegen Schweden nıir den Waffen, zwifhen beyden galt 
mithin der Kieler Vertrag nit; auch der Waffenftillftand 
ward zwifhen ihnen nicht auf den Grund diefes Vertrags, 
fondern auf den Grund ber neuen VBerfaffung :Urfunde un: 
terbandelt, und über diefe dann bis zu ihrer Annahme von 
Schwediſcher Seite verhandelt. Norwegen erfhien unter allen 
diefen Umftänden als felbfiftändiges Reich, und da es den 
Kieler Vertrag in der Hauptſache anfocht, fo folgte daraus 
(don von felbjt, daß es auch in der Nebenbedingung gefhah, 
wodurch nah feinem 4ten $. die Mebenländer, welche von 
Norwegern bevölkert worden, wie die Faroer Infeln und Is: 
land, oder wo fie, wie auf Grönland, die Ehre der Ent: 
deckung und Anfiedelung haben, von Norwegen abgeriffen, 
und mit Dänemark vereinigt bleiben follten. Auch erließ der 
Storthing fowol wegen der Nebenländer, ald wegen der mit 
Dänemark gemeinfhaftlihen Staatsfhuld ausdrüdlihe Ver— 
ordnungen, worüber ſich jedoch eine Schwediſche Zeitung alfo 
ausdrückt: „man glaubt nicht, daß der König in feiner Ei: 
genſchaft als König von Norwegen irgend eine Reklamation 
an Dänemarf wegen diefer Forderungen ber Norwegiſchen 
Nation gemacht hat.“ Naͤher lag auch allerdings fuͤr Schwe— 
den, ſich an den Kieler Vertrag zegen Daͤnemark zu halten, 
und Entſchaͤdigung fuͤr die gegen Norwegen aufgewandten 
Kriegskoſten zu fordern, bis zu ausgemachter Sache aber 
Schwediſch-Pommern nicht zu raͤumen, oder ſeinen Beſitz 
und feine Anſpruͤche auf Entſchaͤdigung gegen drey Millionen 
Thaler an Preußen abzutreten. Kaum war Norwegen für 


336 Betrachtungen über die Europäifhen Staaten 





Schweden gewonnen, fo gab Schweden felbft Urſache zu Be: 
forgniffen, wozu die Lehre feines neueften Staatsrechts über 
‚Königswecfel und Thronerbenwahl führte. Der Schluß 
des Jahrs 1814 fah auf den europäifhen Thronen nur ange: 
ſtammte Könige, da das Haus Neapel no nicht anerkannt, 
und bereits in die geheime Act des Mißtrauens genommen 
war. Um bdiefe Zeit erfhien eine Erklärung des abgetretenen 
Koͤmgs von Schweden, welche auch in bie badifhe Zeitung 
am 30. an. 1815 aufgenommen wurde: „daß er niemals im 
Namen feines Sohnes dem Thron entfagt, auch dazu fein 
Recht“ habe.“ »Dieſe Erklärung Fonnte kaum nah Schwe— 
den gelangt fenn, ald am 13. Dec. der Reichstag auf den 
27. Febr. zufemmenberufen wurde, dem der Kronprinz auf 
eine Danfadreffe folgende Antwort (Allgem. Zeit. Ro. 118.) 
ertheilte: „der Unwille, den ihr empfunden habt, als ihr 
bie Angriffe lafet, die gegen eure Freyheit und eure Unab: 
haͤngigkeit gemacht worden, würde, wenn ed möglich wäre, 
meine hohe Achtung gegen Eu und meine gänzlihe Ergeben: 
heit für die Nation noch vermehren, Stark durd die Rede, 
die ihr mir gegeben habt — werde ih mit Ruhe diejenigen 
erwarten, bie fo rechtmäßige Anſpruͤche uns fireitig machen 
wollten — und die ganze Kraft meiner Seele und den Mutb, 
ben mir Gott gegeben, aufbieten zur Vertheidigung eurer 
und meiner Rechte.“ Zugleih ward, wegen der erwähuten 
Erklärung, dad Vermögen, welches der König Guftay 
Adolph dort von feiner Mutter her noch in Anfpruc zu 
nehnien hat, mit Befchlag gelegt (Allgem. Zeit. No. 118.). 
In dem Staatshaushalt war keben und Kraft dur den reiben 
Zufluß englifber Hülfgelder, und weil die Freundſchaft Eng: 


—lands der Schifffahrt größern Schug verlieh, ald die koſt— 


barfte eigne Flotte gewähren konnte. Indeß fonnten doch die 
Spuren der frühern Erſchoͤpfung der Geldfräfte nicht vertilgt, 
nob weniger aber die ſoweren Bedingungen, worunter ber 
nordifhe Himmel die Betriebfamfeit gefangen hält, fortges 

(daft 


# 


vom Varifer Frieden bis zum Parifer Waffenftillftand. 337 


ſch afft werden. In der Schilderung, welde der Kronprinz 
von feiner Verwaltung am 7. Jan. 1812 machte, erſcheint 
noch immer das als Hauptfahe, wovon in der Vorzeit gute 
Könige benannt und der Kornreihen Anden?en -gefegnet 
wurde. Die Verbindung mit Norwegen macht die Sorge 
für die Siherung des Brotbedarfs des Reihe noch wichtiger 
als zuvor, da fih nun in dem fruchtbarften Jahre nicht mehr 
hoffen Jäfft, daß ihn der eigne Boden liefere, Aus diefem 
Grunde, und wegen der bisherigen Handels: Verhältniffe 
Norwegens wird man fih vor der Verwiclung in einen neuen 
Seetrieg fürbten, indeß der kriegeriſche Geift beyder Voͤlker 
an einem Landkriege frendig Antheil nimmt, der zwar Men: 
ſchen koſtet, an denen man nicht reich ift, aber auch für Hohe 
und Niedere einen reiheren Erwerb gibt, als ihn der -treufte 
Arbeitfleiß im Innern nit zu verfhaffen vermag; wie bie: 
fes auch in dem größten Theile der Schweiz der Fall if. 

Die Gewaltgröge Rußlands ifi nun allen Augen enf: 
huͤllt. Die europaͤiſche Staatsordnung, welche es mit afias 
tifhen Sitten feit einem Jahrhundert vertauſcht hat, Better 
es unauflösbar an das Verhängniß Europas, wenn man auch 
noch das umgefehrte Verbältniß anzunehmen Bedenken trägt. 
Man mag auf der Landkarte die Fortſchritte meffen, die: es 
in Europa gemacht hat, man mag im Geift die Verbandmittel 
betradten, wodurch es fo viele europäifche Voͤlkerſchaften in 
ſich vereingt und an ſich gewöhnt hat, man mag endlich das 
Getriebe*der neueften Staatskunft, melde es in feinen aus— 
wärtigen Berhältniffen in Bewegung feßt, erwägen; in Al: 
lem erkennt man den riefenhaften Gang eines Reis, das 
feit Peter dem Großen nie einen Schritt zurädtrat, 
und woraus es Peine Nüdkehr gab. Nachdem es feine No: 
mabden:Bälfer in Afien unter den Gehorfam der europaͤiſchen 
Kriegskunſt gebracht hat, die von allen Künften vielleicht die 
einzige ift, welche in Hocafien einheimifch werden fantı, bar 
es feine Kriege hauptſaͤchlich auf ihre Koften führen, und fein 

Europ. Annalen. ı2ted Stud. 1315: | 23 


338 Betrachtungen über bie Europäifhen Staaten > 


— 








| europäifhes Fußvolk ſchonen koͤnnen. Diefe Art des Krieg: 
führens kann fein andrer europäifher Staat nahahmen, und 
felbft bey überlegnen Kräften wird das Verhaͤltniß dadurch 
ungleich, daß es auf den ruſſiſchen Haushalt feinen Einfluß 
bat, ob die Koſaken am Don und Ural ihr Kriegs: Handwerk 
treiben, oder am Rhein und der Seine; wogegen bie Reiter 
rei, welche ihnen entgegengeftellt werden fol, in andern 
Staaten bie Arbeitpferde und die Steuerkräfte des Landes in 
Anfpruh nimmt. Rußland ift, nach der Errichtung feines 
Königreichs Polen, bis zu den Gränzen vorgeruͤckt, welde 
Tacitus ale Abmarkung zwifhen Deutſchland und Sarmas 
tien angibt, und Stammverwandte der Ruſſen ziehen fih 
‚noch jeßt bie zur Donau, wo zu Herodot’s Zeit Scythien 
endete. Die Kriegstunft hat das Eigenthuͤmliche, daß fie 
mit erſtaunlichem Erfolg geübt werden kann, wenn aud nur 

Wenige in dem Beſitz ihrer Wiffeufhaft find, und fo hat ſich 

Rußland weit eher den erften Kriegsmächten gleihftellen, als 

einem einzigen Dorfe die deutfhe Dorfverfaffung geben Fön: 
nen. Wie fehr feine Küftenländer an der Dfifee von dem 
übrigen Europa abhängig find, zeigte fi, nicht ganz unbe: 
denklich, in der Sperrzeit; bier hat auch nur das Fallen feis 
nes Papiergeldes Wirkung; im Innern, wo man nichts 
braucht, als was man felbft bereitet, oder wenigſtens weit 
mehr verkauft ale Pauft, hat dad Papiergeld nur wohlthätige 
Folgen, wenn fein Zallen feine Steuer-Erhoͤhung veranlafft. 
In Geldverlegenheit ift der Staat felbft dann nit gekom— 
men, als die Hauptfiadt preisgegeben ward, vielmeniger 
nachher. Eine Anleihe von 10 Millionen, welde in Hol: 
land 1815 eröffnet ſeyn foll, halb auf holländifhe, halb auf 
engliſche Rechnung, würde Agentlih nur eine Abrechnung mit 
dieſen beyden Staaten und die Tilgung rufjifber Schulden 
durch Uebertragung feyn. Auch fbeint die Meinung niet 
ganz gegründet, daß, wegen des Mißverhältniffes zwiſchen 
ber Einmwohners und Meilenzahl, der Aufenthalt des Heeres 


vom Pariſer Frieben bis zum Parifer Waffenftillftand. 339 








im Auslande dem innern Haushalt nachtheiliger, als in an: 
dern Ländern fey; denn Rußland ift nicht deswegen fo dünn 
bevölkert, weil es viele Menfhen verbraudt, fondern weil 
wenige anwacfen, und wenige, wegen ber dortigen Verthei— 
lung des Grundeigenthums und Vermögens, anwachſen Pins 
neu. Weit leichter laͤſſt ſich die Meinung vertheidigen, daß 
man den Aufenthalt der Heere im Auslande als ein wirffames 
Bildungmittel betrachte, da man faft um diefelbe Zeit anfing, 
Linienfchiffe zu den englifhen Flotten, und Hülftruppen zu 
den oͤſtreichiſchen Heeren ſtoßen zu laffen; frenlid mit ber 
fehr verſchiednen Folge, daß die ruffiibe Flotte endlich in 
England bewahrt, und baß ein Theil von Deftreih durch 
Rußland erobert wurde. Anch find die Vorgänge bekannt 
genug, welde ed rathſam machen, die rohen Naturkräfte 
lieber nah außen, ald nah innen, toben zu laffen. Wie viel 
Gutes im Innern gefbehen fey, ift in „Rußlands glorreiher 
Selbſtaufopferung“ von einer geſchickten Hand zufammengez 
ftellt; was fih dagegen von Petersburg Trübes und isräl, 
liges fagen läfft, hat Chriſtian Müller nicht verſchwie⸗ 
gen, fo daß Hr. v. Kotzebue fogar meinte, der Parifer 
Eriede werde nicht zu Stande kommen, weil diefes Buch zu 
Mainz gedruckt fey. 

- Die hohe Pforte flieht zwar auf euronäifbem Grund 
und Boden, ift aber deßungeachtet eine afiatifhe Anftalt, 
die mit den europäifben Staaten nichts gemein hat; weber 
in gutem noch böfem Sinn. Bey dem gemeinen Mann in 
Deftreich heißt fie nur der gute Nachbar, und bas hat feine 
guten Gründe, weswegen au alle Theilung-Vorſchlaͤge über 
fie vom der Hand gewiefen find, wenn fie gleich von einer et⸗ 
was mäctigern Stimme, als des Herrn Doktor Lips zu 
Erlangen *), unterftägt wurden, Die Pforte verfennt indeß 





‘*) Der Wiener Kongreß, oder was muß geſchehen, um Deutſch⸗ 
land von ſeinem Untergang zu retten, und das Intereſſe aller 


340 Betrachtungen über die Europaͤiſchen Staaten 





nicht, daß ihre Lage immer mißliher wird, und hat von 
Neuem das europäifbe Kriegs: und Steuerwefen nachzuah— 
men gefucht, welchen Verſuch der Kaifer Selim mit dem 
Tode büßte, und der auch jet nicht glücken fann. Der Geift, 
welben Mahomed in feine Staatsordnung legte, macht 
die Völker unüberwindlih, wenn ihre Machthaber ihn wal: 
ten und wirfen zu laffen verſtehen; ohne ihn gehören fie dem, 
welcher zuerſt kommt, und koͤnnen ſich am wenigften durd 
ausländifhe Handhaben, wozu fie weder Geſchick noch Vor: 
richtungen haben, retten. In dem jegigen Augenblick ges 
woͤhnen ſich die Griechen nah und nach an Oeſtreich; die 
Inſeln au England; man ahnet Ereigniffe, ohne fi einen 
beflimmten Grund geben zu koͤnnen. Er liegt in ben Ge: 
mütbern. 

Frankreichs Haushalt war dur mehr als zo gefahrvolle 
Jahre dem Kriege angebildet.. Frühe Ehe und Hausvaters 
ſchaft blieb das einzige Mittel, fi den Aushebungen zu entz 
jlehen, nachdem der Ankauf von Stellvertretern Kofien ers 
forderte, welche die Menigfien aufzubringen vermodten, 
Immer wiederkehrende Aushebungen, oder dreyfache Mens 
fhenernten in einem Jahr, wie man e8 fürdterlih ſchoͤn ges 
nannt hat, erleichterten die Gründung neuer Hausweſen für 
die Zuruͤckbleibenden, oder-erleichterten, um das Bild zu vers 
folgen, .das Auffommen der jungen Saat. Die Männer fies 
len, im Felde, und die Juͤnglinge traten zu Haus an ihre 
Stelle. In den bürgerlihem Unruhen verfhmanden die grofs 
fen Grundeigenthümer, durch Gefege oder Ankauf (faft-eine 
Million Verträge wurden über den Ankauf von Nationals 
Gütern geſchloſſen) vertheilte ib ihr Erbe unter ihren Hinter: 
faffen und Zagelöhnern.; Die eigenthumlofe Menge verrins 
gerte fib. Aus allem, diefem erklärt ſich, wie, troß des 





—— — — 


Fuͤrſten und Nationen Bande zu vereinen? Grlangen bey 
Hepder 1814. 


vom Parifer Frieden bis zum Parifer Waffenftillftand. 341 








großen Menfben: Berluftes im Kriege, gerade durch ben 
Krieg die Bevölkerung fih vermehrte. Die Gewerbe, welde 
für den Hof gearbeiter hatten, verfielen, aber der Bedarf 
der Tagelöhner und kleinen Eigenthümer, wovon fo eben ge: 
redet, vermehrte fih. Die Zeit war vorüber, worin,’ nach 
Tonthivn, der größte Theil der Franzofen entweder gar 
Fein, oder doch unbedeutend wenig Fleifh aß; die Zeit war 
gleichfalls vorüber, worin Lauderdale behauptete, daß 
alle Waaren, die für Glanz, Prunk und Geſchmack bered: 
net waren, in Sranfreich, die Waaren für den Genuß und die: 
Bequemlichkeit des großen Haufens in England beffer wären, 
Die franzöfifhen Bauimwollen: Fabriken wetteiferten z. B. 
gluͤcklich mit den englifhen. Ja, nahdem Pitt verfuchte, 
eine Acht über ganz Franfreih ausfprehen und ed aushun— 
gern zu laffen, weckte er einen fohlafenden Löwen. Frank: 
reich, auf ſich felbft befhränkt, zeigte, was ein Volk im Bes 
ſitz aller, bis jest befannten, Kunftfräfte vermag, und wie 
wenig fih die Wirkung des Vereins diefer Kunftträfte berech— 
nen läfft. Frankreich hielt feitdem feft an dem Gedanken, 
Alles, was es zum Krieg bedurfte, fich felbft zu leiften umd 
zu geben. Was der Staat Faufen muffte, ward in Franf: 
reich gekauft; dadurd entfiand allerdings ein falfher Geld: 
umlauf und unnatürliher Gewerbbetrieb, aber er beftand 
feit langer Zeit, und verfhlang fih dem Hausweſen von taus 
fend und taufend Arbeitern. Selbſt das Sperrwefen war 
eine Kriegs: Maßregel gegen England, und der Gewerb: 
zweig, welden fie hervortrieb, war alfo auh eine Schöpfung 
des Kriege. Der Zuftand in Frankreich läfft fih in mehrerer 
Hinfiht mit dem Zuftande von Preußen unter Friedrich 
dem Großen nah dem fiebenjährigen Kriege vergleichen. 
Hätte fih damals das große Heer ploͤtzlich auflöfen, die durd 
den Krieg aufgeblühten Gewerbe, durch Abbejtellung aller Lie: 
ferungen vernichten, und das Sperrwefen gegen England, wel: 
bes auch Friedrich zum Theil angenommen hatte, aufhe: 


342 Betrachtungen über die Europäifhen Staaten 


ben laffen, ohne den Haushalt tiefer zu zerrütten, als es der 
Krieg gethan hatte? In Frankreich fehrte die Eöniglibe Ne: 
gierung mit dem vorherrfhenden Gedanken zurücd, die Klivpe 
zu vermeiden, woran fie, dem Anſchein nah, früher geſchei⸗ 
tert war; das Mißverhältnig zwiſchen Ausgabe und Eins 
nahme, Sie ſchadete jih aber mehr durch Sparſamkeit, ale 
die Verſchwendung unter Ludwig XVI. geſchadet hatte, 
fo trefflich und ſhoͤn berechnet wie auch ihr Finanzplan, für 
ruhige Zeiten, geweſen wäre. Gegen England konnte man 
das Zollmefen nicht plöglih Ändern, das fühlte man wohl, 
und änderte es auch nicht; defto rafber verfuhr man mit Eins 
ſchraͤnkungen aller Art, befonders bey dem Kriegs: und See: 
wefen, und bradte dadurch Mißvergnügen, Armuth und 
Verzweiflung über Millionen Einwohner. An den Mitteln, 
die bisherigen Ausgaben darauf fortgehen zu laffen, hätte es 
nicht gefehlt, auch gluͤckte es ja auf gewiffe Weife, fi bey dem 
- Kongreß an England Zu fliegen, und wenn man Frieden 
zur See behielt, fo war felbft ein Landkrieg, worin Frank; 
reib nur als Huͤlfmacht auftrat, eher zu wuͤnſchen als zu 
fürdten. Hätte man nur im Anfang nit jo unermefflich 
fparen, und dem Geift des Volks plögli die der bisherigen 
gerade entgeyengefegte Richtung geben wollen, fo würbe fi 
im Innern Alles leicht und glücklib gefügt, und der reizende 
Anblick der erften Segnungen bes wahren Friedens die Rüds 
ehr reihbeladener Handelsfhiffe, dad Zu: und Abſtroͤmen 
der Ausländer, der freye Geiftes: Verkehr mit der gebildeten 
Melt, Hoffnungen weit erhebender Art erregt haben, als 
früher die glänzendften Sieges-Nachrichten, oder num bie 
Vorfhriften über die würdige Sonntagsfeier, das Gefeg 
über die Entfhädigung für die Ausgewanderten erregten. 
Nur eine aufglänzende Hoffnung, und Frankreich wäre ge: 
wonnen gewefen, jenes Land, mo fi die Lebhaftigfeit der 
Einbildungbraft fo gern der Hoffnung hingibt. Die Ned: 
nung bes Minifters Louis war in Abficht des Geldanſchlags 


“ 


som Pariſer Frieden bis zum Parifer Waffenftillftand. 343 


‚meifterhaft, und hätte am Ende des Jahrs einen angefüllten 
Schatz gegeben, aber der Hauptabfhluß, wie man mit den 
franzöfifben Herzen fiehe, war darin RL R: und Frantk⸗ 
reichs Verhaͤngniß ſollte erfuͤllt werden. 
In die Berechnung der Stimmen, wodurch das neue Er: 
eigniß genehmigt, Läfft fib Zweifel fegen, und mit Grund 
behaupten, daß die Mehrzahl der Wahlbirger nicht geftimmt 
bat, da 1200 Taufend Stimmen, nah Abzug der Beamten, un: 
möglib die Mehrzahl der Stimmfähigen ausmachen koͤnnen; 
aber es Läfft fi doc auch nicht denken, daß Zwang die Mehr: 
zahl entſchieden hätte, fi leidend zu verhalten; wie es fich 
nicht denken läfft, daß die Unternehmung zu Stande g@om: 
men, baß fie von ben beften Köpfen des Landes unterftügt, 
ja durch Theilnahme an ber Verwaltung unterftügt worden 
wären, wenn ber Ölaube nicht durch Frankreich verbreitet gewe⸗ 
fen wäre, daß fib das Werk gegen den vereinten Angriff Euros 
ropa's halten laffe. Im England ift diefe Trage in ernfte 
und offene Unterfuchung gezogen, aber mit leidenfhaftlichen 
Angriffen gegen die dortigen Minifter. Es ift bier der Drr, 
ohne Leidenfhaft (die ſchlechteſte Begleiterinn des Verftan: 
des) die Gründe zufammenzuftellen, welde fih dafür anfüh: 
ren lieffen. Zuerft richtet fich die Frage, der Ordnung ge: 
mäß, an die Erfahrung; die Gefhihte Franz I. und Lud— 
wig XIV: zeigt aͤhnliche Bündniffe gegen Frankreich, auch 
(äfft der Ausgang des fiebenjährigen Krieges und des fpani: 
fen Kronwechſels (1808) fih anführen. Won der andern 
Seite fann man fib auf Spanien im Erbfolge:Kriege, auf 
Polen 1794, auf Frankreich und Norwegen 1814, auf Nea: 
pel 1815 berufen. Doc find alle diefe Fälle in Wefen und 
Geftalt zu ungleih, um zu einem beflimmten Schluß zu be: 
rechtigen. Die Unterfubung muß hiernach zu den Kräften 
übergehen, wodurch die Entſcheidung über Franfreich erfolgen 
muſſte; daß es bey der Ausmittlung diefer Kräfte nicht auf 
Menſchenzahl und nicht auf Geldkraͤfte allein anfommıe, weiß 


‘ 


344 Betrachtungen über bie Europäifhen Staaten. 





— — 





jeder Schüler der Staatswirthfſchaft, fo entſcheidend auch am 
Schlachttage die größern Maffen, und jo wirfjam bey ber 
Kriegs : Verwaltung das Uebergewicht der Geldfräfte if. 
Diejenigen, welhe am tiefften über diefe Srage nacgedacht 
baben, machen die Entſcheidung von der Gewalt der Kunſt— 
fräfte abhängig, welche Muth und Geiſt in Bewegung fegen; 
aber fie geftehen, daß fih die Wirfjamkeit der vereinten 
Kunftfräfte der Berechnung entzieht, und daß fie nur in dem 
Helldunkel einer unbefannten Welt erfheint. Mo man eine 
Schlacht annehmen, wann man fi ihr entziehen foll, in wel— 
ber Zeit, zu welchem Preife eine Zeftung fallen muß, läfft 
fih beflimmen und berechnen; indeß eine einzige Erfindung 
oder die Benußung eines neuen Huͤlfmittels die Geftalt des 
Krieges Ändert; wovon bie Telegraphen für Franfreich nnd 
die Songrevefihen Raketen für England das neuefte Beyfpiel 
find, In Sranfreih hatte man nun (um von ber noch nicht 
bewährten Erfindung des Generald Ducaſtel, mit Kartäts 
ſchen weiter als bisher zu fhießen, nicht zu reden) das Anfe: 
hen angenommen, nicht fowol dem Volk die Anfirengungen 
für den Krieg zu gebieten, ale feine freypillige Erhebung zu 
leiten. Die ehemaligen Soldaten waren nicht geradezu ge« 
jwungen, fondern nur dringend aufgefordert, in ihre Regi— 
menter wieder einzutreten, Die Bertheidigung der Feſtun— 
gen war zur Ehrenfabe der Ein: und Anwohner gemadt, 
und für ihren guten Zuftand Fonnte man fi auf den Meifter 
in der Kunft, Carnot, verlaffen. Die Konföderationen 
waren ber Landſturm nah franzoͤſiſchem Geſchmack, und grif: 
fen in dag Voͤlkerſchaftliche ein, wodurd der Elfaffer, wie ber 
Normann, fih noch als folhen erkennt, obgleih das Depar: 
tements:Befen feine Eigenthuͤmlichkeit vertilgen follte. (Sie 
find der befte Beweis, daß man mit den bloßen Handhaben 
und Oetrieben der Staats-Verwaltung nicht ausreicht, wenn 
e8 darauf anfommt, die Kräfte des Volks in Anſpruch zu 
nehmen, und nicht zu lähmen oder daran-zu zehren.) Das 


vom Parifer Frieden bis zum Parifer Waffenftillftand. 345 





alte Gefhrey, Frankreich werde in Gelbverlegenheiten foms 
men, war nit wieder erhoben, obgleih die Franzofen fi 
von jeher lieber geſchlagen als Steuern bezahlt haben, und 
obgleich die Aufbringung der Kriegskoſten jest allerdings die 
f&wierigfie Aufgabe für die Regierung war. Doch auch biefe 
hatte fie gelöst, Indem fie die Vertheidigung zur Sache ber 
einzelnen Voͤlkerſchaften machte, erfparte der Schaß Koften, 
und was die Provinzen aufwandten, ward unter ihren Aus 
gen verwandt, und fhon dadurch williger geleiftet, weil man 
wuffte, was man dafür hatte, und weil der Gewinn, wel: 
hen bisher Parifer Lieferanten bezogen hatten, in den Pro: 
vinzen blieb. Zugleich benußte der Staat für die immer noch 
großen allgemeinen Ausgaben die Weberbleibfel des frühern 
Hülfmittels der verfäuflihen Gemeingäter, um eine Anleihe 
von 120 Mill. zu eröffnen; und da die Steuererheber den 
Betrag ber direkten Abgaben durch Wechfel auf ſich felbft an 
den Staatsſchatz abliefern müffen, fo ließ fih, ohne Schwies 
rigfeit, im Nothfall der Steuerertrag des Jahres im Voraus 
beziehen, Auf diefe Weife hatte man Mittel genug, bie 
Rüftungen zum Feldzuge ohne bedenkliche Störungen bes 
innern Haushalts zu beftreiten. Die Hauptſache war indeß 
noch übrig, die guten Köpfe und die vernünftigen Water: 
terlandsfreunde für die ngue Ordnung zu gewinnen; zu dem 
Ende fuhte man einen Verein zwifden ben Haͤuptern der 
verfhiednen Meinungen zu fliften, und die Gedanken von 
Staats wegen auszufpreden, melhe von allen denfenden 
Köpfen für wefentlih nöthig zur guten bürgerlihen und euros 
päifhen Staats:Drdnung gehalten werden. Die Preßfrey: 
heit ward anerkannt und geachtet; der Sklavenhandel, ohne 
Beſchraͤnkung, abgefhafft; dem voͤlkerſchaftlichen Verkehr 
Feine neue Sperre vorgeworfen; die Sprache der Maͤßigung, 
des Anftandes und des Friedens gegen die übrigen Staaten 
geführt, und in einzelnen Sällen, gegen die Geſandten, den 
Herzog von Angouleme u. f. w, bethätigt; am meiften 


346 Betrachtungen über die Euroväifchen Staaten 








aber dadurch, daß man den König von Neavel vor den Aus 
gen von Frankreich fallen ließ, fo muthſchwaͤchend diefes Bey: 
fpiel quch ſeyn konnte. Auch verdiente Carnots Gefell: 
fbaft für Vaterland und Humanität Aufmerkſamkeit, und 
ſchien eine Nabahmung des Tugend-Bundes, zu deffen Na— 
men eine Stelle in Pailter 8 Don Carlos die Erfiä- 
rung geben kann: X 
Mir bat die Tugend eignen Werth das Gluͤck, 

Dad der Monarch mit meinen Händen pflanzte, 

Erſchuf ich felbft, und Freude wäre mir 

Und eigne Wahl, was mir nur Pflicht ſeyn follte, 
Hiezu‘ kam das größte Schaufpiel, weldes in unfern Zeiten 
gegeben ift, die Verſammlung auf den Maifeldern, der 
Schwur des Kaifers vor ihr. Diefes Schaufpiel war bered: 
net, um nach dem Gefeg, weldem jeder große Menſchen⸗ 
verein unterworfen ifk, zu begeiftern, ohne daß ſich darüber 
eine andre Erklärung geben lieffe, als der Marſchall von 
Sachſen von der Begeifterung, worin ein Paar Worte feine 
flübtigen Grenadiere verfegt hatten, gab: c'est le cur 
humain. Die Unruben, welde in verfhiednen Theilen 
Frankreichs ausbrachen, bewiefen allerdings, daß der König 
bort leidenfhaftlibe Anhänger hatte, aber auch daß fie bie 
Mehrzahl nicht ausmachten, und fie Ponnten an die "Wir: 
fung, welde Montesquien unter folbden Umftänden 
beobaßtet hatte, erinnern. Aus allem vdiefem folgt, daß 
der jegige Krieg eine andgge Natur und Geftalt, als der vor: 
bergehende Krieg hatte, daß es nicht darauf anfam, den 
Willen eines Einzigen, fondern den Willen der herrſchenden 
Zahl i f einem Volk zu breden, und daß man felbft nad der 
Nied (age des Heeres, und nad der Eroberung der Haunt: 
ftadt noch andre Anftalten, als fremde Waffen, nöthig ba: 
ben werde. Waffen waren nicht die einzigen Anftalten ber 
Römer, als fie den Sinn der Griechen breden, unb das ver: 
baffte Macedoniſche Koͤnigshaus ſtuͤrzen wollten; nicht durch 


vom Parifer Frieden bis zum Parifer Waffenftillftand. 347 
biefe ward das deutfhe Kalſerthum vernichtet; nicht durch fie 
flieg Wilhelm von Dranien auf den englifhen Thron; 
waͤre der polnifhe Sinn ohne Diffidenten und ohne Konfödes 
rationen gebroden? Wie vorfihtig waren die Päpfte, wel: 
be zu ihrer Zeit mit Thronen und Kronen nicht fbonend vers 
fuhren, mit den Voͤlkern, und wie viele Anftalten befaßen 
fie, um barauf zu wirken? Die Franzoſen haben fi bey 
den andern Völkern verhafft gemacht, und diefer Haß trifft 
fowol die, welche unter der Lilie, als die, welche unter dem 
Adler fiehen. Die Franzofen find den übrigen Voͤlkern ge: 
fährlich geblieben, und das lange Schwanken ber viertägigen 
Schlacht beweist hinlänglih, wie fehr die Meinung der vers 
bündeten Mächte gegründet war, daß man fihnell mit ges 
fammter Macht fih dagegen erheben muͤſſe. Das Gefühl 
des Haffes und der Gefahr wird unftreitig auf das Verfah: 
‚ren der Bundesmächte bey dem Frieden Einfluß haben. Die 
Unftatthaftigkeit der Buͤrgſchaft ift, dur die Erfahrung ges 
zeigt; eine dinglihe Bürgfwaft hat ihre Schwierigkeiten; 
das Beſatzungrecht in einigen Oränzfeflungen ſcheint dazu 
nicht zu genügen, am wenigften, wenn ſich die friedlichen Ges 
finnungen unter andern Mäcten trüben follten. Die Stif: 
tung mehrerer Staaten würde eine gute Buͤrgſchaft feyn, 
und um Kronbewerber brauchte man nicht verlegen zu feyn; 

diefe Bürgfchaft dürfte fih gber bey dem Verhaͤltniß der 
Hauptftadt zu Frankreich nur auf zwey Wegen erreihen: ent» 


weder burd den Erfolg eines laugen innern Krieges, od er‘ 


durch die Vollziehung von Cato's befländiger Schlußmei: 
nung. Wie aber, wenn das (bon in Polen bewährte Mittel 


nabgeahmt würde, und die Heere in Frankreich ftehen blieben ?. 


Wenn zugleih Gericht‘ gehalten, und eine neue Beamten: 
Wahl vorgenommen würde? Dieſe Buͤrgſchaft wäre bie 
fiherfte, und Bönnte, ift fie geleiftes, von Frankreich am mes 
nigften verfümmert werden. Das Volk ift in unfern Zeiten, 

was die Staatd:Gewalt daraus machen will; find die Behoͤr⸗ 


* 


/ 


548. Betrachtungen über die Europäifchen Staaten 





den neugeordnet; die Beamten neu und gut gewählt, fo ift 
fein neuer Aufruhr zu befürdten. Wie ferner, wenn das 
Geſetz des Siegers bribt, zugleih Frankreichs Äußere Kraft 
bricht? Es tritt alsdann aus ber Reihe der Reihe, welde 
den Gang der europäifben Ordnung beftimmen, und über: 
nimmt eine dienende Rolle; auch ſcheint in der That für 
Frankreich die neuefte Weltbegebenheit von entfhiedener, umb 
"nicht mehr zweifelhafter Wirfung zu ſeyn. Ob diefe Bege: 
benhejt dagegen auch dem übrigen Europa dauerhafte Ruhe 
bringt, ob nicht felbft das Gluͤck feine Gefährde haben koͤnnte, 
befonders wenn man fich theild wegen der Entfhädigung für 
die Kriegsfoften, theils wegen der neuen Gränzberihtigungen, 
nicht ausgleichen koͤnnte, möchte um fo zweifelhafter ſeyn, je 
trauriger die neuefte Erinnerung an das Wedhfelverhältnig 
zwiſchen deutſchen und polnifchen Beſitzungen war; und bier 
ſes möchte auch denen zweifelhaft bleiben, die nicht glauben, 
daß England des Krieges bedurfte, daß England den Krieg 
wollte, dag England den Krieg größtentheils bezahlte, und 
daß der Haß aller Höfe gegen Napoleon, daß ber Haß 
der Völker gegen die Franzofen ihrem Wunſch zuvorfam, 
fondern die glauben, daß Europa feit Jahrhunderten an 
ſchweren Staats: Krankheiten leidet, die bey allen Völkern 
zu befiimmten Zeiten ausbrechen, und fih zwar verfdieden 
geftalten und äußern, aber doch zulegt gleihen Erfolg haben; 
daß Europa Peine dauerhafte Ruhe geniegen wird, wenn es 
diefen Krankheiten nicht zu feuern ſucht. Die europaͤiſche 
Einbildungfraft hat zu allen Zeiten einen kriegeriſchen 
Schwung gehabt, deffen Richtung felbft die Froͤmmigkeit 
gefolgt ift, und der bewirkt hat, daß Livius Bemerkung: 
wonach zu Rom nicht das Wolf, fondern feine gnädigen Her: 
ren kriegsluſtig gewefen, nicht ganz auf den jegigen Zuftand 
pafft, welder krankhafterer Art iſt. Ein franzöfifber Arzt 
fagt von feinen Landsleuten: Leur courage surpasse 
leur force physique. Die Eitelfeit ferner fpielt in der 


vom Parifer Frieden bis zum Warifer Waffenſtillſtand. 349 


neuern Geſchichte eine weit groͤßere Rolle, als in der alten 
Welt; alle geſchriebene Staats-Verfaſſungen wimmeln von 
„Kennzeichen dieſer Krankheit, und fo reich wir an Erfinduns 
gen find, fo haben wir uns doch in Erfindungen für den 
Dienft der Eitelkeit felbft übertroffen. Faft das erſte Mal, 
daß bie.Gefhichte von den Deutſchen ſpricht, iſt es eine 
Rangftreitigkeit, die fie von ihnen erzählt, Am niedrigften 
und fihmußigften erfcheint aber das gepriefene Zeitalter der 
Aufklärung und Menſchenwuͤrde in feiner Gefräßigkeit, um 
deutfch zu reden, und in der abspnce entiere de la con- 
science dans le rapport de l’individu a son gouverne- 
ment; um franzöfifh zu reden, da die deutſche Sprade in 
der That noch zu blöde ift, von biefer wohl befannten Sache 
zu reden. Gregoire hat fie feinen Landeleuten laut und 
öffentlihd bey Beurtheilung der Verfaffung: Urkunde vorges 
worfen. In Abſicht der Gefräßigkeit laͤſſt fih fragen: wo 
ſchlug man fih je in ber alten Welt (vielleiht.mit Ausnahme 
ber Gallier, wenn der Wein fie nach Italien gelockt haben 
follte) um den fügen Trank von ein Paar Pflanzen? Hat 
dagegen irgend eine Staatsgewalt jetzt bie Kraft gehabt, die 
Genußgier nah den Kolonialwaaren zu unterdrüden, oder 
bat fie fih fo weit erniedrigen müffen, fie durch Stellvertres 
ter zu befriedrigen, wenn ber verhängnißvolle Zaubertranf, _ 
den die Zwietrabt zum Verderben von Europa bereitet hat, 
nicht. gereicht werden Eonnte oder follte? Im Afien. lag. eine 
Haupturſache der Kriege in der Hoffnung, daß die Ruhe des 
Sieger durch die Arbeit des Bejiegten genährt werde. In 
Europa war das Streben nach der Mannigfaltigfeit der Ges 
nußmittel die häufigfte Urfahe zu innern Unruhen; und wie 
viele Kriege wurden geführt, damit man von Dichtern befungen 
würde, damit man in Amt und Gehalt bliebe, und damit 
man bie größte Gewürzfrämerey hätte?‘ Wie felten war 
große Arbeit auf große Gedanken gerichtet. Es gefhah al: 
lerdings, aber die Gebanfen, denen die geiftreihen Männer 


350 Betrachtungen über bie Europaͤiſchen Staaten 





aller Ränder jegt huldigen, haben ſich muͤhſam aus dem Volke 
emporgearbeitet, und werden von dem dunkeln Gewühl ber 
Leidenſchaften im Helldunkel gehalten. Die Berhäftniffe, wel 
be der Grundriß der. europäifhen Ordnung im Idten Jahr: 
hundert zeigt, find unverändert geblieben, aber in's Große 
ausgedehnt; was fonft von Städten, von Volksſtaͤmmen, 
von Landſchaften gefhah, gefbieht jegt von Staaten, Bil: 
#ern und Yändern. Daß Europa viel Gemeinfhaftlihes in 
Sitten, Gewohnheiten, Kunft, Wiffenfhaft und Religion 
bat, ſteht in allen ftaatewiffenfhaftliden Schriften, aber 
den Schlüffel dazu hat noh Niemand gegeben, und noch wes 
niger ift die Ausſicht enthüllt, welche durch ihn geöffnet wird. 
Die Meinungen darüber laffen fib darauf zurädführen, daß 
man entweder nab dem Bildungtrieb, der in der Natur 
liegt, auf die Entwiclung der Voͤlker, eines Jeglihen nad 
feiner Art, und in feinen Gränzen fließt, und jedes Volk 
erhalten, fie alle aber durch eine Art Eidgenoffenfhaft gefis 
chert wiſſen will; oder, daß man die Geſchichte ber Reiche 
zu Huͤlfe nimmt, und dur Vergleihung die Kennzeichen aufs 
ſucht, melde in, Europa auf die Gründung eines einigen 
Reichs deuten. Die ausübende Staatsfunft hat ſich mit ei— 
nigen Ausnahmen für die erfte Meinung erklärt, und ber 
Kongreß in diefem Geift gehandelt. Eine dreyhundertjährige 
Erfahrung ftand ihm dabey zur Seite, worin die germaniſchen 


Voͤlker und ihre Reihe nah allen Kriegen, die ihren mit im: 
mer fürdterliberem Stoß Vernichtung drohten, immer in : 
wenig veränderter Außerer Geftalt und Stellung erfbienen. 
Dennoc hat diefe Meinung von Neuem eine gefährlibe Prüs 
fung zu beftehen, aber, wie es fbeint, die legte. Die Ent: 
wiclung der Begebenheit, wovon der Thatbeftand vielleicht 
ſchon volljtändig vor unfern Augen liegt, mag ſeyn, welche 
fie wolle, alle Umftände berechtigen zu dem Glauben, daß fie 
Gemißheit über das geben wird, was Europa zu hoffen, und 
was Europa zu fürdten hat; daß die Zeit gefommen ift, 
worin Europas Verhaͤngniß erfüllt werden fol. . 





* 


351 





IV. 
Eapitain Mathias Flinders, 


- 





4 
1 


| I Ein 
merkwuͤrdiger Beytrag zur geheimen Geſchichte von 
Buonaparte's Herrſchaft. 


(Geſfſchlus.) 





Allen Nachrichten zufolge hatte der Gouverneur in An⸗ 
ſehung unſrer noch keinen beſtimmten Entſchluß gefaſſt. Die 
mildere Behandlung meiner Leute ſchien mir alſo von guter 
Vorbedeutung zu ſeyn. Dieſe Hoffnung flieg, als ih am 14. 
San, von dem Dolmetfher vernahm, wir würden wahrf&ein: 
lich Erlaubnig zum Ausgehen erhalten, auch abfegeln bürs 
fen, fobald nur erfi die holländifhe Flotte ausgelaufen fey. 
Diefe Flotte beftand freylich nur ‚aus drey Schiffen, aber fie 
waren mit einer Pfefferladung von Batavia nah dem Terel 
beftimmt. Es ließ fich denfen, daß unfer gezwungener Auf⸗ 
enthalt mit ihrer Reife in Verbindung ftand. So erhielten 
nämlih unfre Kreuzer feine Nahricht davon. Ueberhaupt 
verhinderte man auf alle Art und Weife, daß ung nicht die 
mindefte Schifföneuigfeit zufam. Selbſt mein Bedienter 
Ponnte wenig ober nichts erfahren, da Niemand mit ihm fpres 
en durfte, und er beftändig beobachtet ward. 

Am 29. fegelten die holländifhen Schiffe ab, wir felbft 
‚waren nun in voller Erwartung. Da erfibien auf einmal der 
Dollmetfher, und Pündigte ung einen Befehl zur gänzlicen 
Ausraͤumung des Cumberland an. Mr. Aken fellte beym 
Inventarium zugegen feyn. Ich erinnerte an meine Bücer 
und Papiere; es war nichts darüber verfügt. Zwey Tage 


252 Sapitain Mathlas Flinders. 


vergingen nun über jenem Gefhäft. Das Schiff war inwen⸗ 
dig mit Moder bededt, und ein Theil des Vorrathe bereits 
unbraudbar. Mer. Akten follte das franzöfifhe Inventa- 
rium unterzeichnen; allein er vermweigerte es. Alle meine 
Hoffnungen waren nun wieder dahin. Wir fonnten jet un⸗ 
fer Schickſal als entſchieden anfehen. Demzufolge fhrieb id 
am 3. Febr. an den Gouverneur, und bat um eine Audiem. 
Fünf Tage vergingen, ohne daß ih eine Antwort erhielt. 
Endlih ließ ih durh den Dollmetfher anfragen, und ward 
mit einem trocdnen Nein abgefpeist. Späterbin erfubr ich 
erft folgende Aeußerung bes Gouverneurs ® — „Sapitain 
Flinders“ — hatte er gefagt — „hätte aus meinem 
Schweigen abnehmen Pönnen, daß ich ihn nit fpreden will. 
Wozu foll ih ihn fehen? Die Unterredung wird vermuthlich 
damit endigen, daß ich ihn in's Fort fegen lajfen muß!” — 
Hierin irrte er ſich indeſſen. Ich hatte den Plan, ihm ſehr 
gemaͤßigte Vorſchlaͤge zu thun. Am 12. Febr. theilte ich 
ihm nun dieſelben ſchriftlich mit. 

Zuerſt verlangte ich freye Abfahrt mit allen meinen Leu—⸗ 
ten, Papieren, Büchern und Charten ohne Unterſchied. 
Dafür verbürgte ih aber mein Ehrenwort, über den Zuftand 
von Fele de France durchaus nichts befannt zu maden, bis 
eine beliebige Zeit vergangen fey. Ich erbot mi in diefer 
Hinfiht zu jeder beliebigen Einſchraͤnkung. Sollte man dies 
nicht annehmen, fo verlangte ich wenigjtend bie Ueberfahrt 
nah Frankreich. Sollte ih aber für meine Perfon durchaus 
nicht abreifen dürfen, fo drang ich doch in Anfehung meines 
Schiffes, und der Befagung darauf. Man follte fie na 
England fegeln laffen, um der Admirafität und unfern Fami— 
lien Nächricht von ung zu bringen; ich gäbe mein Ehrenwort, 
‘fie würden in Anfehung der Inſel verfhwiegen ſeyn. Ends 
lich bat ih im legtern Zall um mehr Freyheit für mich, be: 
fonders was das Ausgehen betraf. Allein diefer Brief blieb 
ohne alle Antwort, Um diefelbe Zeit erhielt ih einen Beſuch 

von 











Capitain Mathias Flinders. 353 


— 
von dem Schiffskapitaͤn Bergeret. Er ſagte mir, ber 
Gouverneur fehe mich nicht als Kriegsgefangenen an; au 
zühre meine Einfhließung von feiner widerrechtlichen Hands 
Iung ber. — „Nun wovon denn?“ — fragte id. — Er 
zuckte die Achfeln und fhwieg. Eine Weile darauf äußerte er 
fein Bedauern, bey meiner Ankunft nicht in der Stadt gewes 
fen zu ſeyn. Wielleipt hätte er den ganzen Unfall abge: 
wandt. Zuletzt bot er mir für den Nothfall einen Wor: 
1 
Vierzehn Tage vergingen nun „ohne, alle Neuigfeit. 
Meine feorbutifhen Gefhwüre befferten ſich merklich; ber 
Mundarzt erfhien feltner; der Dollmetſcher beynahe gar 
nit; wir lebten faft in gänzliher Abgeſchiedenheit. Defto 
eifriger befhäftigten wir ung daher mit unfern Arbeiten; fie 
waren unfre einzige Erholung, unfer einziger Troſt. Da 
mir aber zur Vollendung meiner Charten noch mandes Buch 
u. f. w. abging, fo wendete ich mich deshalb abermals an den 
Gouverneur, erhielt aber eben fo; wie das vorige Mal, 
Peine Antwort von ibm. Ende Februars ward eine englifche 
Priſe eingebrabt. Es war ein Dflindienfahrer, mit meh: 
rern Paffagieren an Bord. Diefe wurden in eine Taverne 
gebracht. Ih wagte, meinen Bebienten hinzufbiden, und 
er fam zu meiner großen Freude mit mehrern Zeitungen, 
Sournalen und Sciffsliften zurüd, die ih durch die Guͤte 
meiner Landsleute erhielt. E 

Am 1. Maͤrz wendete ſich der Dollmetſcher wegen der 
von mir verlangten Buͤcher und Charten perſoͤnlich an den 
Gouverneur. Die Antwort war: bey groͤßerer Muße wuͤrde 
man ſehen, was zu thun ſey. Ich fragte hierauf den Dolls 
metſcher über feine Muthmaßung wegen unferm kuͤnftigen 
Stidfal. Er erwiederte: wahrſcheinlich Gefangenfhaft auf 
Kriegszeit; jedoch vielleiht im Innern der Infel, und wenis 
ger eingeſchraͤnkt. Ic überlaffe den Lefern meine Empfin⸗ 
dungen dabey. Nimmermehr hatte der Gouverneur ein Recht 

Europ. Annalen. rated Stud, 1815. 23 








254 Sapitain Mathias Flinders. 





dazu. Es fprang in die Augen, daß er mir die Früchte mei: 
ner Entdesfungen zu rauben Willens war. Am 6. erbielten 
wir eimen zweyten Befuh vom Capitain Bergeret. Er 
befiätigte die Meinung des Dollmetſchers, und bot mir dabey 
alle nur mögliche Dienfte an. Ic ließ hierauf den Gouver: 
neur dur den Dollmetfher erfuhen, mein Schiff verfaufen 
zu dürfen, da doch das Verfaulen deffelben zu befürdten war. 
Zehn Tage darauf erhielt ih zur Antwort, in Kurzem würde 
Alles entfbieden fern. Am 23. wurden meine Leute nebſt 
andern englifhen Gefangenen an's Land gebracht, und gin: 
gen hierauf in den für fie befiinmten Diftrift Flacq an ber 
Oſtſeite der Infel ab. Vorher erhielt ih noch Erlaubnig, 
meinen Steuermann zu fpreben, doch blieb ein Dffizier bev 
und. Ih empfahl ihm die möglichfie Aufrechthaltung derguten 
Ordnung, und tröftere ihn, wiewol gegen meine eigue We: 
berzeugung, mit baldiger Freyheit. 

Außer einigen offnen Briefen, die dur den Platzmajor 
beforgt wurden, hatte ich bis jett im Geheimen noch feine 
Zeile nah England geſchickt. Nun aber entſchloß ih mid 
dazu, und fegte einen umftändlichen Bericht an die Admirali— 
tät auf.  Diefes Paket ward an einen Londoner Freund 
abreffirt, und ging über Amerifa. Späterhin las ih im den 
Zeitungen, baß es im folgenden Auguft richtig angefommen 
war. In den legten Tagen des Märzes faffte ib den Ent: 
ſchluß, wenn ih nur irgend Erlaubniß erhaften koͤnnte, mit 

Mr. Aken zu meinen Landsleuten zu ziehen. Sie wohnten 
in einem fehr geräumigen Haufe, bey dem fih ein großer 
Garten befand. Der Gouverneur bewilligte es, und Oberſt⸗ 
lieutenant Moniftrel führte uns ſelbſt dahin. Es ge: 
hörte einem Wundarzt, Namens Defpreur, jest aber 
hatte es die Regierung zum Gebraud der englifhen Offiziere 
gemiethet, und bezahlte monatlich fünf und zwanzig Piafter 
dafür. Fruͤherhin hatten auch Tippo's Gefandten darin 
gewohnt. Es lag mitten in der Stadt, etwa eine Bleine 


Sapitain Mathias Flinders. 355 





halbe Stunde vom unfrer jegigen Wohnung, und genoß einer 
weit beffern Luft. Wir befamen zwey ziemlich gute Zimmer, 
und mahmen mit großer Freude davon Befis. Unfre Saden 
wurden uns nachgebradt. | 

Wir trafen in diefer unfrer neuen Wohnung act Lands 
leute an. Es waren Offiziere theils von der Marine, 
theils von der indiſchen Landarmee. Unſre Freude darüber 
war ſehr groß; bald aber erfuhren wir eine neue Demuͤthi— 
gung. Bis jest hatten wir naͤmlich, meinen Bedienten mit 
inbegriffen, ju unferm Unterhalt monatlib hundert und ſech— 
zig Dollare gehabt. Dies war in einem fo theuern Lande 
Hewiß nicht viel, und ging auch wirklich blos für Tifh und 
Wohnung auf. Jetzt fand der General Decaen für guf, 
uns noch eilf Dollars abzuziehen. Der Dollmetſcher muffte 
dabey erflären, daß dies der und betreffende Beytrag zur 
monatlichen Hausmiethe fey. Wielleiht das Erfiemal, dag 
man Gefangene noch ihr Gefängniß bezahlen lieg. Der 
brave Dollmetfber fand indeffen Gelegenheit, mir no& einen 
Theil meiner Kleider u. f. w. vom Cumberland zu vericaffen; 
auch wirkte er meinem Bedienten die Erlaubnig aus, wie 
vorher in die Stadt zu gehen. 

Ungefähr in der Mitte des Mondts lief REN: 
Linois ein; Er hatte den Ruf eines rechtſchaffenen, men: 
fbenfreundlihen Mannes; ich wendete mih ohne Zögerung 
in einem Briefe an ih. Seine Antwort war aͤußerſt ver: 
bindlih ; er verſprach fein Möglichftes für mic zu thun. Zum 
Unglücf aber zerfiel er mit dem General Decaen, und fo: 
nad konnte nichts weiter gefbehen: Unterbeffen hatte ich 
die Bekanntſchaft eines Capitains Halgan gemadt. Dies 
fer war während des furzen Friedens von 1802 in England 
geweſen, und hatte dafelbft viel von meiner Reife gehört. 
Er befuchte mich verfhiedene Male, bezeigte mir die lebhaftefte 
Theilnahme, und bot mir im Nothfall auch Geldhülfe an: 
Als er num bald darauf nah Frankreich zurückgehen muffte, 


- 


356 Sapitain Mathias Flinders. 





gab ih ihm zwey Briefe nah England mit. Sie wurden 
auch, wie ich fpäterhin erfuhr, mit erfier Gelegenheit von 
ihm abgefandt. Im März fhrieb ich ebenfalls an den Mar— 
quis von Wellesley zu Galcutta, und erſuchte ihn um 
feine Vermittlung. Zwar wuſſte ih wohl, daß fib kaum 
einige Wirkung davon erwarten ließ; allein ich rechnete auf 
irgend einen glüdliden Zufall dabey. 

Am 1. Juni forderte man uns und allen unfern Landes 
leuten ganz unvermuthet alle unfre Ferngläfer ab. Zu gleis 
ber Zeit ward die Thür vernagelt, die auf das platte Dach 
unfers Haufes ging. Da nach Sonnen:Untergang Niemand 
mehr aus dem Haufe-dburfte, fo gab dieſes doch einen fehr aus 
genehmen Spaziergang für ung ab. Am folgenden Morgen 
verlangte man auch bie Degen und andre Waffen von uns. 
Ich weigerte mid indeſſen, den meinigen herzugeben, und 
behielt ihn auch. Drey Monat nachher ward er mir aber 
dennoch abgenommen, und zwar, wie es hieß, auf aus: 
drücklihen Befehl des Generald Decaen. Einige Tage 
nach jenem Vorfall erſchien einer meiner Matrofen nebft noch 
einem andern Öefangenen vor unfrer Gartenmauer, und fragte 
nah mir. Gie flagten bitterlih über fpärlide Nahrung, 
und gewiß nicht mit Unrecht, da man ihnen aller vier nnd 
zwanzig Stunden nur anderthalb Pfund Brot und zmälf Loth 
Fleiſch oder Fifh gab. Ich ſchenkte Jedem einige Schillinge, 
um nur gleich ihren Hunger zu fillen, und ließ fie durch meis 
nen Bedienten zu dem Dollmetfher führen, mit der Bitte, 
ihnen nah Möglichkeit nüglih zu feyn. Allein der Platzma⸗ 
jor nahm fie fehr übel auf, und fhicte fie an Bord des Ges 
fangenenfgiffs zurüd. Hier wurden fie fofort in Ketten ger 
legt, und erft nah mehrern Wochen wieder befreyt. Ih 
that, was ib fonnte, um fowol ihnen, als den übrigen Mas 
trofen mit Thee und etwas Geld beyzufiehen. 

Am 2. Juli Fam Eapitain Bergeret mit einer anges 
nehmen Nachricht zu uns. Er hatte mit dem General De 


= Sapitain Mathias Flinders. | 357 


caen wegen meiner Bücher und Papiere gefproden, und 
dieſer erlaubte mir endlih, noch davon zu nehmen, mag mir 
nöthig ſchien. Zu gleiher Zeit war die Rede von meinem 
Aufenthalte auf dem Landergemefen, und auch in diefer Hin: 
ſicht hatte fi & der General nicht ungeneigt erklärt. Was num 
ben erften Punkt betrifft, fo führte mich ber Dollmetſcher 
wirklich einige Tage nachher in das Sekretariat, wo man das 
Felleiſen mit den Buͤchern u. ſ. w. öffnete, und mid alles 
Bensthigte herausnehmen lieg. Den dritten Band meines 
 Rogbuhes indeffen, um den ih fo oft gebeten hatte, befam 
ib abermald nicht. Was meinen fünftigen Aufenthalt auf 
dem Lande anlangt, fo hieß es jegt, der General wolle fi 
weiter darüber bedenfen, was, wie man mir zu verfichen 
gab, fo gut wie eine Zuruͤcknahme feines Verſorechens war. 
Um diefe Zeit hatte ich indeffen ven Troft, dag ih ein Pater 
mit Charten an die Admiralität abfenden konnte, und zwar 
durch einen Landsmann, den der General über Amerifa nach 
England zuruͤckkehren ließ. Eben fo fand ih Mittel, im fol: 
genden Monat (Auguſt) über Bengalen nab Port Jadfon 
zu ſchreiben, und erfah fpäterhin mit Vergnügen, daß ſich 
ein Auszug meines Briefes in der Zeitung diefer Kolonie, 
und hieraus inden Times 19. October 1805 befand. ns 
zwiſchen liefen eine Menge widerfprehende Gerüdte über 
mich auf der Inſel um, doch warb dem General im ae 
fein Betragen gar fehr verdacht. 

‚ Unter den vielen Perfonen, von denen ih Befuche em: 
pfing, befand fi auch der Bruder des verftorbenen Capitains 
Baubdig. Er erzählte mir, wie oft fein Bruder die gute 
Aufnahme in Port Jakſon geribmt habe; aud. verfiherte er 
mi, daß ein hierauf Bezug habender Brief nod in den 
Händen eines hiefigen angefehenen Beamten ſey. Wirklich 
hatte ich bald darauf das Vergnügen, einen begfaubigten Aus: 
zug daraus zu erhalten, der dem ganzen Edelmuth unfere 
Gouverneurs, und bie dankbare Anerkennung deffelben von 


1 
i 


358 . Capitain Mathias Flinders. 


— — — — —— —— 
Seiten des Capitains Baudin bewies. Ein andre, ſehr 
werthe, Bekanntſchaft machte ih in Herrn Thomas Pr 
tot, einem jungen franzöfifhen Kaufmann. Er war des 
Englifden vollfommen maͤchtig, und trug fehr viel zu meiner 
Aufheiterung bey.. Ich weiß, daß fein Name, auch bey meh: 
rern andern englifhen Gefangenen, in ehrenvollem Anden: 
fen ift. ; 
Am 27. Auguft traf eine englifhe Eskadre bey der Iufel 
ein. Sie beftand aus zwey Linienfhiffen und zwey Fregat- 
. ten, unter Kommando des Sapitains Osborne. Einige 
Tage darauf fanden mein Bootsmann und ſechs andre See: 
Dffiziere Mittel, aus ihrem Diftrift zu entfliehen, und be 
gaben jib an Bord bes genannten Garitaind. Dies verfegte 
den General Decaen in heftigen Zorn. Demzufolge be 
fabl er, alle auf der Inſel befindlihen Engländer aufs 
Schärffte zu bewachen, auch flug er alle ihm angebotene 
Auswechslungen ab. Meine Befube wurden jest feltner; 
faum Bam noch dann und warn Gapitain Bergeret, oder 
der Dolmetfher Mr. Bonnefoy zu mir. Letzterer ward 
bald darauf feines Amtes entfegt, und das um einer Kleinig- 
feit willen, die nicht der Rede werth war. Er hatte nämlich 
am Bord eines amerikaniſchen Schiffes zwey Eremplare von 
einer und derfelben Zeitung: Nummer gefunden, und eines 
davon für fib bebalten zu Finnen geglaubt. Dies rechnete 
ihm jedoch der General wie ein Verbrechen an. 

Am 31. Dct. lief Admiral Linois mit einigen reichen 
Priſen ein. Unfre Eskadre vermochte nicht, ihn daran zu 
hindern, ba fie fib gerade an einem andern Theile der Injel 
befand. Sie felbft fegelte nob am nämlihen Tage wieder 
ab. Bald darauf erhielten abermals zwey Landsleute die 
Erlaubniß, üder Amerifa nah England zurüczugeben. Ich 
benugte diefe Gelegenheit, und fendete eine Generalcharte 
von Auftralien, mit allen meinen neuen Entdedfungen, an 
bie Abmiralität, fo wie eine Abhandlung über den Magne: 


Capitain Mathias. Flinders, 359 


tismus der Schiffe, an Ritter Banks ab. Legtere ward 
in den Transactions von 1805 abgedrudt. Um diefe Zeit 
erfuhr id, daß ed meinen. armen Matrofen, fo wie den an: 
bern englifhen Seeleuten, befonders in Anfehung der Be: 
kleidung fehr übel ging. Ich fhrieb daher an den General 
Decaen, und erhielt fogleih eine fehr befriedigende -Ant- 
wort. Allein ſechs Wochen nachher war no nicht das Min: 
befte gefchehen.. Sch bat daher um Erlaubniß, -. die armen 
Leute auf meine Koften leiden zu dürfen, worauf ih zwar 
Feine Antwort erhielt, aber jedoch ber Sache abgeholfen warb. 

So fam der December heran, und ich befund mid nun 
ein volles Jahr in diefer ſchmaͤhlichen Gefangenſchaft. Meh: 
rere Briefe, die ich deshalb abermals an General Decaen 
fendete, blieben ohne Antwort. Eben fo vergeblich war meine 
Bitte um einen Landaufenthalt.e. Gleichwol nahm meine Ge: 
fundheit bey der wieder eintretenden Hitze fehr merklich ab. 
Noch kraͤnker befand fi mein Lieutenant; ich fürdtete alles 
für ihn. Dennoch vermochte fogar das Zeugniß des Arztes 
nichts über den General. Mein armer Freund ward in das 
Hoſpital gebracht; ich felbft rettete mic, nur duch flarke 
Morgenbewegungen, und durch. faft ununterbrocene Arbeit. 
Sée vergaß. ich über meinen Charten und Nehnungen- oft Ta— 
gelang meine Gefangenfhaft, und bekam endlich die Ges 
müthsruhe wieder, die fo lebenerhaltend if. Da mehrere 
Dffiziere jest Erlaubniß erhielten, nad, Bengalen abzugeben, 
fendete ih mit denfelben zwey Briefe dahin ab. Der eine 
war an ben General Rainier, den Oberbefehlshaber unfrer 
dortigen Seemacht, gerichtet, und enthielt. die Umſtaͤnde mei— 
ner Öefangenfhaft. Der andre war für Lord Bentink, 
Gouverneur von Madras, beflimmt, und betraf zwey fran: 
zöfifhe Kriegsgefangene, Freunde von dem braven Pitos. 
Ich will nur gleih bemerken, daß der Lord fie 3 
frey gab. 

Am 29. Jan. kam ein —— Schif Zrauf: 


360 Capitain Mathias Flinders. 





reich an. Es befanden fih mehrere Paffagiere auf vemfelber, 
unter Andern aub ein Mr. Barrois, der Schwager des 
Generals. Er war, mie ich erft jeßt von guter Hand erfuhr, 
im December 1803 mit Depefhen dahin abgefandt worden, 
und brachte deren auch wieder mit zuruͤck. Jener Umſtand 
klaͤrte mir nun auf einmal manches Vorgefallene auf. Mr. 
Barrois hatte die Reife in dem Entdeckungſchiff le Geo: 
graphe gemacht. Diefes war aber mif einem englifcben 
Paſſe verfehen, der nah ber Natur der Sache feindliche 
Kouriere von felbft ausſchloß. Kapitain Melius fühlte 
dies au, und wollte fih anfangs durchaus nit dazu verjie: 
hen. Gerade um diefe Zeit Fam ih mit dem Cumberland 
bey der Infel an. So wie man meines Schooners anfichtig 
warb, begab ih Mer. Barrois auf ausdruͤcklichen Befehl, 
an Bord des Geogranhen, und Capitain Melius muffte 
| noch denſelben Abend unter Segel gehen. Jetzt ward ich 
ohne Urtheil und Recht in firenge Haft gebracht, ohne dag, 
wie der Dollmetfher mir gleich anfangs fagte, das Mindefe 
von mir verbroden worden war. Ein zehntägiges Embargo 
machte es unſern Krenzern unmoͤglich, von irgend einem 
Schiffe einige Nachrichten einzuziehen. Sonach hatte Gene— 
ral Decaen das Voͤlkerrecdt doppelt verlegt. 
Vergebens hoffte ich nun von Tag zu Tag, in Folge 
der angekommenen Depeſchen, mein Schickſal entſchieden zu 
ſehen. Der ganze Februar verging, ohne daß das Geringſte 
geſchah. Endlich ward aus dem Munde des Generals vers 
breitet, daß feine Maßregeln gebilligt worden feyen. Was 
aber aus mir werben follte, darüber hatte er nichts gefagt. 
In den erfien Tagen des Märzes (1805) brachte man mir 
den Moniteur vom 7. Jul. 1804, worin ein langer vor 
Duͤnkirchen aus datirter Artikel über meine Reife und Gefan: 
genſchaft fand. Das Ganze mar fehr günftig für mi, letz⸗ 
tere, hieß es, ſcheine auf einem Mißverftändniffe zu bern» 
ben. Im Meoniteur vom*II. Juli erſchien hierauf eine o di fi⸗ 


Capitain Mathias Flinders. 361 





zielle Berichtigung, die ganz im Geifte des Generals De: 
caen abgefaflt, und wahrfheinlih aus feinem Berichte felbft 
gezogen war. Bis jeßt harte ih noch immer einiges Ver: _ 
trauen auf die Gerechtigkeit der franzöfifben Regierung ges 
habt. Nun aber fahe ib, daß ohne befondere Empfehlun: 
gen von biefer Seite nichts zu erwarten war. Demzufolge 
ſchrieb ih an den Staatsrath de Fleurieu, und erfudte 
ihn um feine Vermittlung. Zu gleiher wendete ſich mein 
Freund Pitot an die Herren Bougainville, de la 
Lande, Chaptal und Dupuis. Eben fo ließ aub Ad: 
miral Linois in Betreff meiner eine fehr dringende Ems 
pfeblung an de Fleurieu abgehen. Ich felbft ſchrieb eis 
nen zweyten Brief an den Sekretär unfrer Admiralität, und 
ſchloß eine Abfhrift des erften bey. Alles ward auf den be— 
ſten Wegen und in Duplicaten erpebirt. 

Der arme Mr. Alten, mein Lieutenant, befand fi 
noch immer inedem Hofpital. Da nun fo viele Dffiziere auf 
ihr Ehrenwort entlaffen wurden, fu beſchloß er, zu verfus 
hen, ob dies nicht auch für ihm zu erwirken fey. Ich bes 
ftärfte ihn darin; er gab die Bittfhrift ein, und fiehe da, bie 
Sade ging mit den übrigen ohne Schwierigkeit durch. Ic 
muß indeffen bemerken, er hatte, in Zolge meines Rathes, 
durchaus fein Wort von feinen Verhaͤltniſſen mit mir ges 
fagt. Mir benußten nun die Zeit bis zur Abreife mit neuer 
Thaͤtigkeit, und vollendeten alle Charten für die Nbmiralität. 
Am 20. May endlich fegelte Mr. Aken auf einem amerifas 
niſchen Schiffe ab. Am 4. Jun. traf Eapitain Osborne 
mit vier Kriegsfchiffen abermals bey der Infel ein, und fos 
gleih ward ein neues Embargo bekannt gemadt. Am 23. 
lief die Thetis von Bengafen mit Stilfftandsflagge ein. Sie 
hatte meinen Freund, Sapitain Bergeret, mit dem Refte 
feiner Sciffsmannfhaft an Bord. Ich muß nämlih fagen, 
daß feine Fregatte nad einem heftigen Gefechte von einer der 
unfrigen genommen worden war. Aller enghifgen Gefanges 


362 Capitaͤn Mathias Flinders, 





nen Hoffnung und auc die meinige febte nun von Neuem auf, 
zumal da uns der Gapitain der Thetid, und mein Freund 
Dergerer die beften Verjiberungen geben lieg. Allein am 
3. Juli erfbien er ſelbſt, und fündigte mir mit Schmerzen 
an, daß in Betreff meiner Alles vergebens fey. Am 5. er 
hielt ich einen Brief von Mr. Lumsden, Generalfefretär 
der Regierung von Calcutta. Er befand fih in einem andern, 
den mir der Sekretär des Genera'8 Decaen fhrieb. Jh 
erfahe aus Allem, erftlih, daß der Marquis Wellesier 
fib wirklich für mich verwendet hatte, zweytens, dag feine 
Depeſche mit der Thetis angefommen, und an General De: 
caen adreffirr gewefen war. Der Getretär des Letztern 
verfhanzte fih, wie gewöhnlih, hinter die Unmöglichkeit, 
ohne befondere Entfbeidung von Frankreich aus, irgend etwas 
in diefer Sache auf eigne Gefahr zu. thun. Die übrigen Ge: 
 fangenen wurden indejfen bald nachher ausgewechfelt, doc 
fanden in Anfehung der Commodore’g und Polfapitaine eini- 
ge Ausnahmen ftatt. 

Am 13. Augufi verließ Commodore Dsborne bie In: 
fel wieder, und alle Gefangenen gingen auf der Thetis nad 
Bengolen ab. Außer mir, meinem Bebienten und einem 
meiner Matrofen, der früher das Bein, gebrochen hatte, 
blieb nun fein-einziger Engländer zuräd. Zwey Tage darauf 
meldete mir Capitain Bergeret, daß General Decaen 
mir erlauben. wolle, aufs Land zu ziehen. Ich hätte nur 
eine Plantage zu wählen, und dann friftlih einzutommen, 
wie gewöhnlich fey. Dies gefhah mit feiner. Bephälfe, und 
am 19. (don Fam die Bewilligung. Bon diefem Augenblid 
. durfte ich das Gefängniß verlaffen, und auf einige Tage, 
der nöthigen Einrichtungen wegen, zu meinem Freunde Pi: 
tot zichen. Doch muffte ih einen Revers unterfhreiben, 
mich von der Plantage nicht über zwey Lieuen zu entfernen, 
auch für das Betragen meiner Leute verantwortlich zu fepn. 
Die vier Tage, die ich noch in der Stadt blieb, beſuchte id 


Sapitain Mathias Flinders, * 363 








mehrere Bekannte von meinen Freunden Pitot und Ber— 
geret; auch ſchickte ich durch gute Gelegenheit noch mehrere 
Briefe und Papiere an die Admiralitaͤt und den Praͤſidenten 
der koͤniglichen Geſellſchaft ab. 

Am 29. Auguſt Nachmittags verließ ich endlich Port: 
Louis, um nach dem Drte meiner Beflimmung abzugehen, 
Diefes gefbah in Geſellſchaft meines Freundes Pitot, der 
ungefähr auf halbem Mege dahin ein Landhaus beſaß. Wir 
braten die Nacht dafelbft zu, ſprachen gegen Mittag bey eis 
nem Mr. Plumet ein, der mehrere Jahre in-Dftindien ge: 
wefen war, und famen endlich Abende auf der Plantage dv’: 
rifat an. Da aber meine Leute noch nicht angelangt waren, 
fo uͤbernachteten wir in der Nähe bey einem Mr. Chazel, 
woranf denn am andern Morgen Alles in Ordnung fam. Ich 
bezog nebft meinen Leuten zwey Fleine, vom Haufe abgefon> 
berte, Pavillons, und g.nof, bey der hohen Lage diefed Dis 
firiftes, einer, eben fo gefunden als gemäßigten Luft. Die 
herrliche Gegend bot mir unzählige Spaziergänge dar; eben 
fo fand ih in einem Klitfthen zum Baden Gelegenheit. Dies 
Alles wirkte fo vortheilhaft auf meine Gefundheit, daß ich in 
wenig Wochen faft ganz wieder hergeftellt war. Nun trat 
zwar freylich die Regenzeit ein, indeffen fand ich in dem Um: 
gange mit mehrern benachbarten Plantagen: Befigern immer 
noch Erheiterung, genug. | 

Am. 22. Hdober erhielt ich endlich, nach drey Jahren, 
wieder die erſten Nachrichten von meiner Familie, und mei— 
nen Freunden in England. Mr. Robertſon, ehemals 
mein Mitgefangener zu Port-Louis, hatte Mittel gefunden, 
das Paket an Mr. Pitot abzuſenden, der es mir augen: 
blicklich zukommen ließ. Mr. Banks meldete mir, er habe 
fih mit Bewilligung des Minifteriums in Betreff meiner an 
das National: Inftitut gewendet, und Pönne, nad den erhal: 
tenen Verfiberungen, ber beften Verwendung verfihert feyn. 
Indeffen verging der November, December und Januar, 


— 


364 Capitain Mathias Flinders. 








ohne daß irgend eine Depeſche ankam. Endlich lief eine Kor: 
vette mit einem Adjutanten bes Generals, und vierzehn Tage 
darauf eine Fregatte mit feinem Bruder ein; aber die Depe— 
fben erwähnten meiner noch immer niht. ch verlangte jetzt 
zum Drittenmal wenigftens Ablieferung nah Franfreih, er: 
bielt aber, wie von jeher, nur eine ausmweichende Antwort 
darauf. 

Am 21. März 1806 kam das englifhe Schiff Ruffel 
bey der Infel an. Es machte auf eine franzöfifhe Fregatte 
Jagd, die fi) mit genauer Noth in den Hafen zu retten im 
Stande war. Ich erfuhr bald darauf, daß fie eine Menge 


Nachrichten mitgebracht hatte, wovon der General Decaen 


indeffen nur einen Theil befannt werben ließ. Dies waren 
die Siege über Defterreih. Won ber Schlabt von Trafalgar 
ſchwieg er ganz. In Betreff jenes glänzenden Feldzugs wur: 
den ſaͤmmtliche Bulletins in der Zeitung abgedrucdt, während 
man von diefer entfheidenden Schlacht nur einen ganz kurzen, 
auf Schrauben geftellten, Bericht zu lefen befam, woraus 
fib eigentlich fo gut als gar Nichts abnehmen lieg. Um bie: 
ſelbe Zeit befah ih auch die ehemalige Wohnung bes unglüd: 
liben La Peroufe. Sie befindet fih auf der Plantage 
Menil, beynahe im Mittelpunfte der Infel, auf dem Wege 
von Port:Louis nah Port:Bourbon. Das Haus liegt in 
Ruinen, aber der Pleine Garten mit feinen Rofenheden 
bluͤhte noch immer recht üppig fort. Mit einem Gefühle ft: 
ler Wehmuth betrachtete ich diefen Plaß, und weihte den 
Manen des edeln Menfhenfreundes ein fheinernes Denkmal. 

Am 15. April fendete ih abermals zwey Briefpakete, 
das eine nah England, das andre nah Frankreich, ab. Letz⸗ 
teres enthielt einen zweyten Brief an be Fleurieu, und 
eine umſtaͤndliche Vorftellung an den Marine:Minifter De: 
eres. Zu gleiher Zeit Heß mein Freund Pitot aberma- 
lige Dupfifate von feinen im März 1805 an den Herrn Bou: 
gainville u. f. w. gefandten Briefen abgehen. Endlich 


Capitain Mäthias Flinders. 365 


7 
ſchrieb auch die hieſige gelehrte Geſellſchaft, in Betreff meiner, 
an das National-Inſtitut, und verwendete ſich in den drin— 
gendſten Ausdrüden für mid. In den erften Tagen des Mo: 
nats May führte mein Freund Pitot einen franzoͤſiſchen 
Dffizier zu mir, der fo eben aus Frankreich angefommen war: 
Er fagte mir, daß Mr. de Fleurieu, nebft mehrern ans 
dern Perfonen, an meiner Lage großen Antheil nähme; noch 
wiffe man aber nicht, was die Regierung zu thun Willens fey. 


Am 6. May fhidte mir der Obrift Moniftrel zwey —. 


offene Briefe von dem Admiral Sir Eduard Pellew 
zu. Gie waren vom Januar datirt, und enthielten die bes 
ſten Berfiberungen feiner Verwendung. Gegen Ende des 
Monats brachte ih, mit Erlaubniß des. @enerald Decaen, 
einige Tage in Port:2ouis bey meinem Freunde Pitot zu, 
und erneuerte bey biefer Gelegenheit mande frühere Be— 
kanntſchaft. Depefhen aus Frankreich durfte ih nun fobald 
nit mehr erwarten, da bie gewöhnliche Jahrszeit voriiber 
war. Sch befhäftigte mich inzwifhen mit eier umſtaͤndlichen 
Geſchichte meiner Gefangenfbaft, und lieg diefelbe mit Gas ' 
pitain Larkins abgehen, deffen Schiff hier aufgebracht wors 
den war, und der für feine Perfon nach England zurüczus 
kehren Erlaubniß erhielt. Im September verbreiteten fich 
Schiffergeruͤchte von der angeknuͤpften Friedens : Unterhands 
lung. Im November war ih abermals ſo gluͤcklich, ein grofs 
fes Pater Briefe zu erhalten. Auch erfuhr ich mit unbes 
f&hreiblider Freude, daß Mr. Aken mit allen Charten, 
Inftrumenten u. ſ. w. glücdlic in London angfommen war. 
Das neue Jahr 1807 begann, und noch immer Feine Des 
pefben aus Frankreich. Ich wendete mi abermals an den 
General Decaen; er gab die gewöhnliche ausweichende Ant: 
wort. Um dieſe Zeit befiel meinen treuen Bedienten eine 
fhwere Gemuͤthskrankheit. Er quälte fih unaufhoͤrlich mit 
bem Gedanken, daß wir zum Tode verurtheilt feyen. Im 
wenig Monaten nahm das Uebel fo überhand, daß er ohne 


366 Capitain Mathias Flinders. 








Rettung verloren ſchien. Ich entſchloß mich daher, ihn nach 
England zuruͤckzuſenden, ſuchte um die Erlaubniß dazu nach, 
und erhielt dieſelbe ohne Schwierigkeit. Dies wirkte wie 
durch einen Zauber auf ihn, er fing wieder an, Schlaf und 
Appetit zu befommen, und fonnte wirklih Anfang Zuli über 
Baltinnore nah London abgehen. Am 18. deffelben Mo: 
nats lief ein Gartelfhiff von Madras mit franzöfifhen Ge— 
fangenen ein. Bier Tage darauf’ fendete mir Obriſt Mo: 
niſtrel einen Brief von dem Sefretär bes Admiral Perl: 
few zu. Ich fand barin den Auszug einer Depeſche an Ge: 
neral Decaen, und zivey Briefe an mid, don dem Amis 
ral ſelbſt. In dem einen Pünbigte er mir den Abgang eines 
erwirften Befehls vom Seeminifter zu einer Befreyung an; 
in dem zweyten Ind er mi vorläufig zu fib nah Madras ein: 

Ich ſchrieb nun fogleih an General Decaen, und bat 
um Beftätigung; allein es vergingen volle aht Tage, ehe ich 
endlib Antwort und zugleih die Abſchrift folgenden Akten: 
ſtuͤckes erhielt. | 


Ministere de la Marine. 
Administration general des coloni®s. 
Bureau des colonies orientales et des cötes d’Afrique. 
No. 8. — 4ta. | 
Envoi d'un avis du conseil d’etat, approur& par S. M. pour lä 
mise en libert du capitaine Flinders, et la restitution de son 
bätiment. 
Paris le 21. Mars ı806. 

Le 11. Thermidor an ı2 (July 30. 1804.) Monsieur, j'ai 
repondu à votre depeche du 26. Nivose (Jan. ı6. 1804.) de la 
m&me annee, Nr. 27. relativement & la goeletie Anglaise le 
Cumberland, commandee par le oapitaine Flinders, et aux mo- 
tifs qui vous ont porte a retenir ce capitaine jusqu’ä ce que j’aie 
pu vous faire connoitre les intentions de S. M. Je vous pre- 
venois a cette epoque que le conseil d’etat venoit, sur mon rap- 
port, d’etre saisi de la connoissance de la detention, dont il 
s'agit; et je vous transmeis aujourd’hui, ci-joint, l’avis de ce 
conseil approuve par l’Empereur et Röi le 11. de cemois. Vous 


Capitain Mathiad Flinders. 367 





y verrez que volre conduite est approuvée, et que, par un pur 
sentiment de generosite, le gouvernement accorde au capilaine 
Flinders sa liberte et la remise de son bätiment. 


Recevez, Monsieur, l’ässurance de ma 
consideration distingue. 
Le ministre de la marine et des colonies. 
Signe Decres. 


Au Capitaine gen@ral des Isle 
de France et de la BEER 


Es bedarf nur einer fluͤchtigen Vergleichung der Be 
um das ganze Gewebe von Hinterlift und Bosheit durchzufes 
ben. Im Juli 1804 ward bereits über mein Scickſal ent: 
fhieden; im März 1806 wird diefe Entfcheidung erft ausge: 
fertigt, und im Juli 1807 läuft das Aktenſtuͤck erft über Oft: 
indien ein. Indeſſen vergaß ich jet Alles, und befhäftigte 
mich blos mit den Mitteln zu meiner Abreife nah England. 
Demzufolge bat ih um Erlaubniß, nad der Stadt fommen 
zu dürfen, erhielt aber abfhläiglihe Antwort darauf. — 
„Benn meine Abreife feftgefest fen,‘ — hieß ed — „wäre 
noch immer Zeit dazu, — Ih fhrieb diefen unvermuthe— 
ten Aufſchub allerhand Urſachen, unter Anderm auch dem Um: 
ftande zu, daß man erfi den Cumberland auszubeffern Wil: 
lens war. Da id dieſes aber gar nicht thunlich fand, fo 
verbat ih ed, verlangte blos den Werth des Schiffd u. f. w. 
und erbot mid, über Amerifa oder Oftindien nab England 
zu gehen. Zu gleicher Zeit verlangte ich meine ſaͤmmtlichen 
Papiere und Bücher zurück. Drey Moden vergingen, ehe 
ich Antwort erhielt. Endlich ſchrieb mir Obrift Moniftrel, 
die Erlaubniß, nach ber Stadt zu fommen, fey mir ertheilt; 
das Uebrige behalte er fih mündlib vor. Bey meiner Ans 
kunft in dem Sekretariat erhielt ih num zwar den größten, 
Theil meiner Papiere und Buͤcher zuruͤck; doch fehlten die 
fämmtlihen mir anvertrauten, Devefhen und mein Schiffs: 
Sournal. Jene — hieß es — wären längft nah Frankreich 


* 


368 apitain Mathias: Flinderk 








abgeſchickt; diefes bebürfe man noch. Was meinen Degen 
And meine Ferngläfer anlage, fo würde ich fie bey meiner 
Abreife erhalten, eben fo den Betrag bes Cumberland. 
Wann aber diefe Abreife erfolgen follte, darauf lieg fid der 
Obriſt durchaus nit ein. Go kehrte ich hoͤchſt mißvergnuͤgt 
nach meiner Plantage zuruͤck. 

Als ih meine Papiere genauer unterfuchte, fand id, 
daß ein großer Theil derfelben, jedoch zum Gluͤck nicht die 
wichtigſten, von den Ratten zerfreffen war. Nah Abrede 
mit dem Sapitain unfers Gartelfhiffes ordnete ih num Alles, 
fo gut ih fonnte, und fendete ihm das Selleifen an Bord. 
Unter diefen Arbeiten war der Auguft, und September vergans 
gen, ohne daß etwas über meine Abreife, entſchieden warb. 
Ploͤtzlich, Anfang Dctobers, erhielt der Capitain des Cars 
telfhiffs Befehl, in See zu gehen. Nah unfrer Ueberein: 
kunft verlangte er mich mitzunehmen, allein der General De— 
eaen verweigerte ed. Die Umſtaͤnde — hieß es — erlaub: 
ten es noch nicht. Kurz vorher waren auch zwey Schiffe gerade 
nad Franfreich abgegangen, allein auch diefe Gelegenheit blieb 
für mich unbenußt. Ich ſchrieb demnach einen langen Brief au 
den Obriſten Moniftrel. Allein die Antwort, die ich act 
Tage darauf erhielt, war abermals auedeiqent und unbe: 
ſtimmt. 

Ich ſahe nun klar, daß General — in Folge 
geheimer Befehle handelte, und daß jene Depeſche des See: 
minifters nur ein Blendwerk war. Folgender Vorfall bewies 
mir die Richtigkeit meines Urtheild. Ich hatte einem mei: 
ner biefigen Freunde, einem braven Schweizer, Namens 
Boand (?) mehrere Briefe nah Dftindien, fo wie eine Abs 
ſchrift meiner umſtaͤndlichen Geſchicht-Erzaͤhlung anvertraut. 
In dem Augenblicke, wo er ſich an Bord begeben wollte, 
drangen Polizey-Beamte bey ihm ein, brachen ſeinen Koffer 
auf, und nahmen alle ſeine Briefſchaften weg. Zum Gluͤck 
hatte er die meinigen beſonders verborgen, und ſo blieben ſie 

anent: 


Capitain Mathins Flinders. 359 





unentdedt. General Decaen fuhr fort, mid als Gefan: 
genen zu behandeln, fo fehr auch die Sffentlihe Meinung ba: 
gegen war. | 
Das Jahr 1807 und noch ſechs volle Monate vergingen, 
ohne daß meine Lage die mindefte Veränderung erlitt. Ans 
faug Juli famen zwey Schiffe mit Devefben aus Frankreich 
an; ich hoffte vergebens auf meine Freyheit. Im Septem⸗ 
ber madten fib mehrere Schiffe fertig, um nah Franfreih 
abzugeben. Ich fegte demnach eine lange Vorftellung an den 
Eeeminifter auf, und bemerkte unter Anderm, vielleicht zw 
offen, daß ich durch feinen früähern Befehl eigentlich meines 
Worts entbunden fey. Diefe Vorftellung ward zwey zuvers 
läffigen Männern anvertraut. Bald darauf ward auch noch 
ein drittes Schiff, die Fregatte la Semillante, zu gleicher 
Abſicht ſegelfertig gemacht. Einige franzoͤſiſche See⸗Offiziere, 
die die Ueberfahrt darauf machten, veranlaſſten mich zu dem⸗ 
ſelben Geſuch. Allein ich erhielt zur Antwort, der General 
Decaen habe dem Seeminiſter ſeine Gruͤnde angezeigt; 
daher die Entſcheidung abzuwarten ſey. Ich muſſte mich day 
ber begnügen, das Tripfifat meiner Bittfhrift, fo wie ei« 
nen umftändlihen Bericht des Vorgefallenen an / die Admiras 
lität abzufenden, was man Alles auf's Befte zu beftellen ver- 
ſprach. Auf diefe Art verlor ich abermals ein Jahr. | 
s. Im März 1809 fam Gapitain Hamelin aus Frank: 
reich an, derfelbe, der mit dem Naturaliften (dem bekannten 
Entdefungfoiffe) zu Port: Yadfon gemefen war. Er ers 
zählte meinem Freunde Pitot, daß fehr viele Perfonen 
Antheil an mir nahmen, auch bitten fih mehrere ehemalige 
Dffiziers vom Naturaliften und Geographen deshalb au den 
Seeminifter gewendet. Diefer antwortete Jedem, der Bez 
fehl zu meiner Freylaffung fey längft ertheilt. Indeſſen 
wiffe man in Frankreich, daß ich noch immer nit abreifen 
duͤrfe; die eigentliche Abfiht der Regierung aber fen unbes 
fannt. An der franzsfifhen Entderfungreife (won Peron) 
Eurep. Annalen. ı21ed Stuͤch. 1815. 24 


370 Sapitain Mathias. Flinders. 





werde fleißig gedrudt, Buonaparte habe eine anfehnlide 
Summe dazu beflimmt. Diefe Nachricht war ein bedeuten: 
der Fingerzeig für mid; meine Reife follte der franz: 
fifhen nachſtehen. Bald darauf fam mir der Moniteur 
yom Juli 1808 zu Geſicht. Hier ſah ich, daß man ſich alle 
meine Entdeckungen auf der Suͤdkuͤſte von Neuholland, fo 
wie bie von Sapitain Grant, mit großer Beftimmtheit 
zuſchrieb. Man hatte alle Namen franzoͤſiſch umge: 
tauft. Von der ganzen Reife hieß es, nie hätten noch eng: 
lifhe Seefahrer eine ihr aͤhnliche gemacht. Gleichwol er: 
hielt Sapitain Baudin die erfte Nachricht von alle diefen 
neuen Küftenpunften von Niemand, als von mir. est 
fah ih nun den ganzen Zufammenhang ein. Man hatte meine 
Bücher, Papiere und Sharten fehr unredlich benußt; man 
fhrieb fih meine Entdeckungen mit Keckheit zu, während 
man mich fern von Europa in der fhmählichftien Gefangen: 
fhaft hielt. *) 
Im May (1809) fam ein Schiff von St. Malo ar. 
Ich erhielt mit demfelben Nachricht, daß das Duplifat mei: 
ner Bittſchrift an den Seeminifter glüdlih angefommen fer. 
Wenig Zage nachher lief eine Zregatte mit Depefben ein. 
Ich hegte große Hoffnungen, ward jedoch abermals getäufet. 
Sm Juni erfoien ein englifches Boot mis einer Stillftandt: 


- + Flagge verfehen. ‚Es war von unfern Kreuzern abgefanbt, 


und lieferte eine Dame nad Port-Louis, die auf einem ge: 
nommenen Schiffe gewefen war. Sie brachte mehrere Briefe 


*) Was Cook für die Hftfüfte, und hollaͤndiſche Seefahrer 
für die Nord:, die Welt: und SüdweftsKüften gethan hatten, 
dad that der trefflihe Flinders für den füdlihen Tbeil, 
der zwiſchen Nuyts-Land und dem Punkte liegt, von dem 
EooF ausging. Die Entdedung und Unterfuchung dieſes grof; 
fen Reiches ſchrieben fi nun die Franzofen zu, und nannten 
diefe ganze Küfte Terre Napoldon. ©. Moniteur du 15. Janr. 
1615. D. Ueb. 


Gapitain Mathias Flinders. 271 








mit, aus denen man aud den richtigen Eingang meines Iris 
plikats erfuhr. Ich entfhloß mid jegt zu einer Anfrage, 
worauf die Antwort entfheidend ſchien. „Darf ih meine 
Frau zu mir nehmen — ſchrieb ich an General Decaen — 
im Fall fie vor dem Hafen erfheint ? ’ Nach ſechs Wochen 
kam der Beſcheid — „Der Generalcapitain habe nichts das 
wider, vorausgeſetzt, daß die Sicherheit ihrer Ueberfahrt 
auf diplomatiſchem Wege ausgewirkt ſey.“ Jetzt ſah id deut⸗ 
lich, daß an meine Freylaſſung noch gar nicht zu denken war. 
Meine Frau wirklich kommen zu laſſen, fiel mir uͤbrigens 
durchaus nicht ein; ich hatte blosades Generals geheime Abz 
ſicht zu erforſchen geſucht. ) 

Um diefe Zeit ward viel von einem englifhen Angriffe 
auf die Infel geſprochen, und alle eigentliben Kriegsgefans 
genen wurden daher in enge Verwahrung gebradt. In der 
Mitte des Monats verlieffen indeffen unfre Krenzer die Ins 
fel ganz unvermuthet, und gingen zu einer andern Unternehs 
mung ab. Diefe war gegen bie Inſel Bourbon gerichtet, 
und lief, wie man nach vierzehn Tagen erfuhr, fehr gluͤcklich 
ab. Wir bemaͤchtigten uns der Stadt und Bay von St. Paul, 
und eroberten, außer einer Fregatte, auch noch zwey kuͤrzlich 
genommene Oſtindienfahrer von ſehr großem Werth. Die 
Naͤhricht von dieſem Unfall machte viel Aufſehn anf Jsle de 
France, zumal da es der Regierung an Geld gebrad. Gie 
hatte für mich ſelbſt die unangenehme Zolge, daß ih In 
meinen Spaziergängen auf den Umtreis der Plantage einge: 
fhräntt ward. 

Im Detober erfhien Commodore Rowley mit einer 
Eskadre, und fing die Blofade der Infel mit verboppelter 
Strenge an. Matürli lief nun auch Fein einziges Schiff 
mehr aus. Anfang Decembers ſollten, wie es hieß, Depe— 
ſchen aus Frankreich angefommen ſeyn; es ward aber in Bes 
treff meiner auch diesmal nichts verfügt. Am 12. lief ein 
engliſches Cartelſchiff mit gefangenen Offizieren aus Madras 


"3713 Capitaͤn Mathias Flinders. 





ein. Der dabey befindlihe Agent, Mr. Hope, warb von 
meinen DVerhältniffen unterrichtet, und verwendete fi fehr 
thätig für mid. Ein-Brief von ihm, den ib Ende des Mo— 
rate ethielt, gab mir hierüber fehr beruhigende Verſicherun⸗ 
gen; ich aber Fannte bereits den General Decaen viel zu 
gut, um feinen freundliden Morten zu trauen. Am Pen: 
jahretage 1810 lief ‚die franzoͤſiſche Fregatte Venus, und 


am 3. Ian. die Fregatte la Manche und la Bellone ein, ohne 


daß ed unfre Eskadre wegen des Windes und der Strömung 
zu verhindern im Stande war. Sie hatten noch zwey englis 
fbe Kauffahrer, eine engliſche Kriegefhalupve und eine por: 
tugiefifhe Fregatte als Prifen bey fib. Diefes verurſachte 
große Sreude, befonders unter den Befoldeten, denen bie 
Regierung mehrere Monate fhuldig war. Die gewöhnlichen 
Hülfquellen waren naͤmlich (bon längft erſchoͤpft; auch fah 
man feine Möglichkeit zu einer Anleihe vor fib; denn der 
franzöfifhe Schatz hatte nur den Pleinften Theil der früber 
. gezogenen Wechſel (drey Millionen Livres hieß es) zu bezab: 
len beliebt. Der Gavitain:General hatte bereits eine Kon: 


tribution an Geld und Naturalien ausſchreiben muͤſſen, und 


dennoch waren bie Koloniften felbft ruinirt. 
| Die Regenzeit war nun eingetreten; ber Orkane wegen 
muffte unfre Eskadre unter Segel gehen. Am 29. lief ein 
franzöfifbes Cartelſchiff nad dem Vorgebirge der guten Hoff: 
nung aus. Es hatte mehrere englifhe Capitains, auch eine 
Anzahl Matrofen und Soldaten an Bord; ih vertraute ei: 
nem Zreunde, Gapitain Lymor, ben größten Theil meiner 
Buͤcher und Kleider an. , Am ı. Jan. 1810 kam ein Schiff 
mit Depefhen von Bayonne an. Da diefelben dußerft ge: 
heim gehalten wurden, gab dies zu allerhand Geruͤchten Per: 
anlaffung. Am 13. März, wo ich es am wenigften vermu⸗ 
. thete, erhielt i& einen Brief von Mr. Hope, der, wie ic 
oben fagte, mit der Auswechslung der Gefangenen befpäftige 
wir, Er meldete.mir, daß der General Decaen endlich 


1 


Sapitain Mathias Flinders. 373 


—— ——— "EEHERBRERIELER 
verſprochen habe, mich frey zu geben, und daß der Augenblick 
unſrer Abreiſe nahe ſey. Ich war zu oft getaͤuſcht worden, 
um mich recht von Herzen freuen zu koͤnnen; doch ſchwankte 
ich unaufhoͤrlich zwiſchen Furcht und Hoffnung hin und her. 
Endlich am 28. erhielt ich die offizielle Beſtaͤtigung von dem 
Obriſten Moniſtrel, nahm ſogleich von meinen freundli— 
chen Nachbarn Abſchied, und eilte nach Port-Louis in das 
Haus meines Freundes Pitot. 

Indeſſen hielt man das Cartelſchiff noch einen ganzem 
Monat auf. Es befanden ſich naͤmlich zwey hollaͤndiſche und 
ein amerikaniſches Schiff im Hafen, alle drey nach Batavia 
befiimmt. Sie hatten franzoͤſiſche Offiziere und Sergeanten 
an Bord, die General Daendels zur Erridtung einiger 
Malayen:Regimenter Pommen ließ. Man befürchtete natür: 
lich, wir koͤnnten unfern Kreuzern Nachricht davon geben, 
und fo warb befhloffen, uns nicht eher abreifen zu laffen, 
als bis jene Schiffe eine gewiffe Zeit vorher abgefegelt feyen. 
Am 2. May maste eine Truppen -Abtheilung. von unfrer 

Blokadeflotte eine Landung auf der Infel bey Port-Jakolet, 
nahm ein Paketboot weg, vernagelte die Kanonen im Hort, 

“ umd führte zwey Offiziere nebſt zwey Feldſtuͤcken ald Gefan: 

gene ab. Dies veranlaffte eine fehr heftige Proflamation 

son Seiten des Generald Deocaen, die aber beynahe ohne 
alle Wirfung blieb. 

Am 8. May erhielten wir plöglich Befehl, uns — 
zuſchiffen; allein: die Kaufleute von Port-Louis gaben eine 
Vorftellung dagegen ein. Sie erwarteten nämlich mehrere 
Schiffe aus Frankreich, von denen wir unfrer Eskadre Feine 
Nachricht geben follten, und ihre Wünfhe wurden erfüllt. 
Am 10. kam das früher abgegangene Cartelſchiff von dem 
"Borgebirge der guten Hoffnung zurüd. Es brachte die Nach⸗ 
richt von einem im Werke feyenden Angriff auf Isle de France 
und Bourbon mit. ‚Der General reiste fogleih von Port: 
Louis ab, und unternahm eine Küften:Befichtigung. Auch 





374 Capitain Mathias Flinders. 





wurden überall die Werke vermehrt. "Am 2. Juni warb 
Buonaparte’s Vermählung gefeyert, die Nachricht davon 
Fam durch ein Schiff von Bordeaur an. Am 7. muffte ich ei- 
nen Revers unterſchreiben, in biefem Kriege nicht gegen Fran: 
reich zu dienen; am 13. endlich befamen wir einen Zootfen an 
Bord, auch erhielt ih meinen Degen zuruͤck. Won meinem 
Logbuche aber, fo wie von dem Cumberland, ben Vorräthen und 
den Ferngläfern war durchaus feine Nede mehr. Mr. Hop: 
machte dies zum Gegenftande einer befondern Unterhandlung; 
allein ohne den mindeften Erfolg. "General Decaen blieb 
feinem Charafter bis zum legten Augenblide treu. “Diefer 
Theil meines Schiffs-Tagebuches enthielt gerade die wichtigften 
Entdeckungen von mir. So kamen wir gluͤcklich in See; der 
Lootſe verließ uns, und nad einer Gefangenſchaft von 6 Jab⸗ 
ren, 5 Monaten und 27 Tagen fah ich mic endlich mit un: 
beſchreiblichem Vergnügen in Freyheit. 

Als wir bey unfrer Esfadre anlangten, traf es fih glüd: 
Ticherweife gerade, daß die Kriegsſchaluppe, die Ölter, mit 
Devefiben nah dem Kap abzugeben im Begriff war. Ich er⸗ 
hielt fofort die Ueberfahrt darauf, und kam nach einer Reife 
von ſechs und zwanzig Tagen glüdklih auf dem Vorgebitze 
der guten Hoffnung an. Hier muffte ich vom 12. Juli bis 
28: Auguft verweilen, wo ich endlich in bem Cutter Olympia 
nah England abging. Unfre Reife dauerte gerade zwey Mo: 
nate; endlich war ich fo gluͤcklich, mein Vaterland, meine 
Zamilie und meine Freunde wieder zu fehen.: - 


Hier endigen wir Sapitain Flinder's Erzählung von 
feiner Gefangenſchaft; die Leſer mögen ihren eignen-Betrad: 
tungen überlaffen feyn. Nur die Bemerkung wollen wir noch 
hinzufügen, daß ber trefflihe Mann eine fehr ehrenvolle Stelle 
unter den Entdedern behauptet, und daß er noch die Freude 
gehabt hat, feine Reife gedruckt zu fehen. Wenig Monate dar: 
auf ging er, im vorigen Jahre, mit Tod ab. D.YUeb. 





375 





[ 





V. | 
Inhalt der europäifchen Annalen 1815. 
® * Pr 
Erftes Stüd. ' 


" Stellung der Nationen Europas am Ende des 


Jahrs 1a 14. ©. 

1. Dänemarks politifhe Werhältniffe feit dem Nüdzuge ber 
Franzofen ans Rußland bis zum Abſchluß des Friedens 
mit den Alliirten und der Kriegs:Erflirung gegen Frank⸗ 
reib. Aus offiziellen Betanntmachungen und Aftens 
ftüden. (Forti.) : © 3 

II. Tagebuch) der Sitzungen des im Jahr 1812 zu Prefburg , 
abgebaltenen ungariihen Landtages. (Fortf.) S. 31 

111. Die Unruhen im bernifhen DOberlande im Sommer 

1814. | . S. 48 

IV. Denfichrift des ehemaligen Fürften von Piombino und 
der Infel Elba an-den Kongreß zu Wien. &: 7 

V. Denunziation der Verlegung der Konftitution durch die 
Minifter) Memoire an ©. M. Ludwig XVIII., König 
von et von Meheede la Touche, ehemals 
Divifions:Chef im Minifteriun der auswärtigen Ungele: 
genheiten. Zwepte Auflage, Paris ı814. Nah dem 
Sranzöfiihen. | >. S. 9% 

Zweptes Stüd. 

I. Der ruffiihe Feldzug nah Eugen Labaume, Haupt: 
mann der Geograpbsjngenienre, vormald Ordonnanz⸗Of⸗ 
fister des Prinzen Eugen. . S. 113 

11. Politiſche Keflerionen aber einige Schriften des Tage 
und über dag Intereffe aller Franzofen; nad dem Franzd: 
fiiben des $. a. de Chateaubriand frey bearbeitet, 

don Theodor von Haupt. ©. v 

IM. Biographiihe Notizen von der Kaiferin Joſephine. ©. 24 

IV. Kleine hiſtoriſche Denkwuͤrdigkeiten. ©. 263 

—  Englifhe Beredfamteit. ©. 263 . 

Gemähtde von Europa, ehe bie franzdfifche Revolution 
ausbrach, von Edmund Burke, | ©. 267 
Edmund Burke's Gemähide von England während des 
- Kampfes gegen die franzdfifhe Revolution. ©, 269 


Drittes Stüd. 


I. Der ruſſiſche Feldzug nah Eugen Labaume, Haupt | 
mann der Geograph⸗Ingenieure, vormaligen Ordonnanz⸗ 
- Dffigier des Prinzen Eugen, (Fortfegung.) “ _ ©. 273 


| | 
376 _ Anhalt der europäifhen Annalen 187%. 





II. Ueber die Schweiz. Bon einem fbweizeriihen Vater; 
landsfreunde. Herausgegeben von K. A. Varnhagen 
von Enfe. 


. 29 
JI. Appelation an Europa. Bon einen Buͤrger > 
3135 


digs. Aus dem Italieniſchen. 3 
IV. Fragmente zur Charakteriſtik Napoleons, aus den 
Meroiren eines Mannes, der ihn feit fünfzehn Jahren 
nicht verlaffen hatte. Nah dem Franzöfiihen von Che os 
dor v. Haupt. , 
V. Non dem Wiederaufbau der enropäifhen Staaten:Ges 
' felihaft, oder von der Notbwenvigfeit und den Mitteln, 
‚bie Wölter Europens, mit Benbehaltung der Nationals 
Unabhaͤngiglet eines jeden von ihnen, in einen einzigen 
politifben Kötper zu vereinen, Aus dem Fran oͤſiſchen 


des Hin. Grafen von Saint-Simon und U. Thier⸗ 


tn, feines, Zöglings. Ueberſetzt von F. Bernhard, 


„ 


Koͤniglicher Senjor. Mitglied der Königlihen Afademies 
“ Gefeillihaft der Wiſſenſchaften in Paris. S. 368 





©. 333 


„VI. Kleine hiſtoriſche Dentwürdigfeiten. ©. 398 


„Corgespondance entre le Duc de Holstein-Eutin et 


le Colonel Hauser. S. 398 


WViertes Stuͤck. 
‚I. Der ruſſiſche Feldzug nah Eugen Labaume, Haupt: 
mann der Geographs Ingenieure, vormaligen Orvonnanzs 
Dffirier des Prinzen Eugen. (Forti.) ©. 
II. Bon dem Wiederaufbau der eutopdiihen Staaten-Ge 
ſeüſchaft Ic. Aug dem Franydfiihen des Hm. Grafen 
v. Saint-⸗Simon und A. Thierrv, feines Zoͤglings. 
Ueberfent von $. Bernhard, Königliber Cenſor ıc: 
(Geſcl.) S. 
IH. Adnigreih Hapti. Manifeſt, welches auf König Heins 
richs Befehl im Kap Henry, den 2. Oktober öffentlich 
bekannt gemadt worden. ©. 
AV. Ueber die Unmöglicfeit, eine verfaffungmäsige Megies 
rung unter einem militäriihen Oberdaupt, und insbes 
fondere unter Napoleon, zu begründen. Von Com— 


te, Mitverfaffer des Cenſeurs. S. 129 


V. Der Papft. und die Jeſuiten, mit beſonderer Hinſicht 
an — J—— Nach dem Franzoͤſiſchen bearbeitet und 
m 


Fünftes Stüd. 
I. Dänemarks politiſche Werhältniffe felt dem Ruͤckzuge ber 
Franzofen ans Rußland bis zum Abichluß des Friedens 
“ mit den Aliitten und der SrlegssExtldrung gegen Frank⸗ 


reib. Aus offiziellen Belanntmahungen. (gFortſ. * 
1 


S. 30 im erſten Heft d. J.) 
II. Ueber die Unmoͤglihkeit, eine verfaſſungmaͤßige Regie⸗ 
zung unter einem militäriigen Oberhaupt, und insbeſon— 


oten begleitet von A—3. S. 134 


Anhalt der europäifhen Annalen 1815. 





dere unter Napoleon, zu en Bon Eomte 
Mitverfafler des Cenſeurs. (Befchluß. 
— neueſte Akt der großen — ſchen Revolution. 
Beſchluß 
IV. Der Yapıt und die Jefuiten, mit befonderer Hinficht auf 
ranfreih. Nah dem Sranzöfiichen bearbeitet und mit 
oten begleitet von A— 3. (Fortf.) &; 


Sechsſstes Stud, 

1. Dänemarks politiihe Verhaͤltniſſe ſeit dem NRüdıng ber 
Sranzoien aus Rußland bis zum Abichluß des Friedens mit 
den Aflirten und der Kriegs:Erflärung gegen Frankreich. 
———— Bekanntmachungen und re” ) 

e 


) 
11. Nachrichten über den Feldzug der Verbuͤndeten gegen - 


2 Marihal Davouft, im Jahr 1813. Don einem 

- Yugen 

IH. hats — des Aufſatzes im erſten Stuͤck der euro; 
paͤiſchen Annalen von 1815 über die Unruhen im Berni—⸗ 
ſchen DOberlande im Sommer 1814. S. 3 

IV. Norwegen im Jahr 1814. Aus — Norwegiſchen Scrif, 
ten, Zeitungen und den Jauptprotofollen des a 
gefammelt. 


"877. 





©. 177 
©. 194 


230 


©. 259 


©. 278 


V. Der Papft und die Jeſuiten, mit befonderer Hinſicht auf a 


ranfreih, Nach dem Franzöfifchen bearbeitet und mit 


oten begleitet von A—3. (Fortf.) ©. 355 
Siebentes Stüd. | 
I. Der ruffiibe Feldzug nah Eugen Labaume, Haupts 
mann der Geograph⸗Ingenieure, vormaligen Ordonnanz⸗ 
Dffizier ded Prinzen Eugen. (Fortf.) 3 
1. Spanien zu Ende bes Jahres 1808, oder: Carl IV, 
und Godoy. (Aus fpanifhen Nachrichten.) ©. 36 
JL. Spanien am Anfange des Jahres 1814, oder: Kerdis 
nand VII. und die Cortes. (Aus dem Manufeript eines 
Spaniers.) © 354 
N. Tr an Seine Majeſtaͤt Ludwig XVII. F 
77 
V. Sarnot. Zugleich Hanptzäge feiner Denkſchrift an 
den König F rankreich. Eine biographiſche Skizze. ©. 90 
Vi. Buonapartiana, oder Anekdoten über Napoleon 
aus verſchiednen Zeitichriften gefammelt, ©. 112 
Achtes Stüd. | 
I. Norwegen im Jabr 1314. (Aus den Norwegifhen Schrifs 
ten, Zeitungen und den Hauptprotofollen des Storthings 
gefammelt.)_ Geſchluß.) . 121 
11. Mede des Grafen Webel-Yarlöberg, gehalten im norwe⸗ 
giſchen Storthing am 20. October 1314. S. 146 


378 Inhalt der europäifchen Annalen 181 5. 





III. Geheime Nachrichten aus Napoleons eben. ©. 161 
IV. Der König von Polen und die (hweizerifhe Eidgenoi- 


fenfchaft im Jahr 1772. . 213 

V. Ueber das Verhaͤltniß des deutfhen Adels zu feinen 
Mititänden in Bezug auf die Verfaſſung. ©. 217 
VI. Kleine hittoriihe Dentwürbdigteiten. ©. 2» 
Einiges Über Spaniens Finanzen. e. 2% 


Neuntes Stüd 


I. Ueber das Verhaͤltniß des deutſchen Adels zu feinen 
Mititänden in Bezug auf die Verfaflung. (Beihl.) ©. 29 
II. Der Krieg in Spanien und Portugal in den Jahren 
1808 — 1814... Nach engliihen Originalquellen. ‚©. 29% 
111. Die Kunft des Krieges. ES S. 331 
IV. Weber den Werth der Kolonien von 3... Simon 
de de Sismondi. — 68,353 
V. Sapitain Matbias Flinders. Ein merfwürbiger 
Bentrag zur geheimen Gefhichte von Buonaparte’s 
Herrſchaft. ©. 363 


Zehntes Stuͤck. 


1. Der Krieg in Spanien und Portugal in den Jahren 
1308 — 18314. Nach engliſchen Originalquellen. (Beſchl.) S. 3 

II. Einige hiſtoriſche Notizen die neuerlichen Ereigniſſe in 
Frankreich betreffend. | "©. 
Ill. Geſchichte der Verfhwörung Buonaparte's gegen 
A, XVII oder: Kurze Erzählung der Exeigniſſe 
feit der Kapitulation von Paris am 30. März 1314 bie zum 
22. Yun. 1815, als dem Tage der zweyten Thronentias 
gung Buonaparte’sd. Nah dem Franzöfiiben des 
Zamarteliere, mit Noten begleitet von Theodor 
v. Haupt. 7B. 
IV. Betrachtungen über die Ehropäifhen Staäten in dem 
Set von dem Pariier Frieden bis zu dem Parifer 
afenitilltande, oder vom Juni 1814 bis Yuni 1815, 
und insbefondere über Deutihland und den deutſchen 
h. Bundes; Vertrag. S. 10 


Eilfted Stud. 


I. Sefhichte der Werfhwörung Buonaparte’d gegen 
Ludwig XVII. ıc. (Beihluß)- S. 19 
1. Sranfreihd Zuftand unter Napoleons Megierung. 


(eſchluß). — - 165 
Ill. Sarnot. (Anhang zu dem, in das fiebente Städ ı815 
der Annalen eingerüdten, Aufiag.) 214 


IV. Neueſte en, des Nationalvermögens von Großs 
britannien und Sreland, (Aaus dem New Monthly Ma- 
gazin; Auguſt 1815). S. 2» 


Inhalt der europaͤiſchen Annalen 181 5. 379 





VW. Noch ein Beptrag zu dem im ſiebenten er enthaltenen » 
Auflage: Earnot, eine biographifche Skizze. ©. 251 
VI. Kleine hiftorifbe Denkwuͤrdigkeiten. ©. 253 
Vertraute Bemerkungen Über den Staat von Meapel, deren 
Gegenftände ber befondern Aufmerkfamkteit Gr. e. Hoheit 
dem Prinzen Joſeph Napoleon vorgelegt werben 
follen, © 253 


Swölftes Stac. 
1. Der Papſt und die Jeſuiten, mit beſonderer Hinſicht Pr 
Kranfreih. Nach dem Franzöfifhen bearbeiter und mit No: 
ten begleitet von W— 3. (Beichl.) ©. 257 
13. Der ruffiihe Feldzug nah Eugen Labaume, Haupt: 
mann der Geographsingenieure, vormals Ordonnanz⸗Offi⸗ 
zier des Prinzen Eugen. (Fortf.) ©. 286. 
J1l. Betrachtungen über die —— Staaten in em 
Zeitraum von dem Parifer Frieden bie e dem Pariier Warz 
fenftillitande, oder vom Juni 1814 bis Juni 1815, und 
insbeiondere über Deutihland und den deutihen Bundeds 
wertrag. Beil.) ©. 311 
IV. Gapitain Mathias Klinders Ein u. 
Bentrag * — eſchichte von Buonaparte's 


Herrſchaft. a1.) ©. 351 
V. Inhalt der En (hen Annalen 1815. "©, 375 


x 5 
1 * F 


Codex diplomatious. 


1. Mlianz:Traftat, geſchloſſen zwifben Deftreih, Rußland 
und Preußen, zu Chaumont am ı. März 1815. & 1 
2. Pariſer Sriedensichluß, errichtet von Oeſtteich, Rußland, 
“ England und Preußen, und ihren Allilrten, mit Franfreidy 
am 30. May 1814. S. 6 
3. Konvention zwiſchen Sr. brittifhen Majeſtaͤt und Gr. 
Maieftät dem .Kaifer aller Reußen, unterzeichnet zu Neis 
chenbach den 15. Jun, 1813. © 23 
2. Bassiemeniet Konvention zu den Webereinfunft: und 
Subfidien: Traktaten zwiihen Sr. brittifhen Mai. und 
FF. MM. dem Kaifer aller Reußen und dem Könige von 
Preußen. © 27 
5. Articles separes et secrets du traite d’alliance, entre 
l’Autriche et la Baviere, conolu a Ried ie 8. Octobre 
1615. S. 30 
6. Extrait du traite preliminaire d’alliänce entre l’Autriche ;: 
et la Baviere; conclu & a Ried le 8. Octobre 1815. © ©. 32 
7. Articles separes et secrets du traite d’alliance, entre 
l’Autriche et le Roi de —— conchu ä Fuld le 2. 
Novembre ı8ı3. S. 33 
3. Extrait du traite preliminaire d’alliance entre l’ — 
et le Wirtemberg, conclu à Fuld le 2. Novembre 1815. © 34 


380 Anhalt der. eueopäifchen Annalen 1815. 


— REN 


9. Erflärung. ©. 

Io. Auszug eines Protofols, datirt Paris dem Io. April 
1814. ©. 

J1. Konvention zwiſchen den verbündeten Mächten und 
den Kommiſſarien Napoleons. 


12. Depeſche des Lords Caſtlereagh an ben Grafen Ba: 


thurſt. 
18. Weptrittsatte von Seite Großbritanniens zu dem 
Napoleon Bonaparte betreienden Traktate. ©. 


34. Konventionen des Bruders des Könige von Frankreich, 


Ludwig des XVIII. als General:Lieutenant des Königreichs, 
mit den alliirten Mächten, vom 23. April 1814. ©. 


15. Entwurf der Grundlage der deutfhen Bundes⸗Ver⸗ 
faffung. — * * — 
16. Memoire presente par les Ministres plenipotentiaires 
de l’Ordre souverain de St. Jean de Jerusalem au Con- 
gres de Vienne. ©. 


17. Bekanntmachung, baf die förmlihe Eröffnung bes 
Wiener Konareffed auf den 1. Nov. 1814 ausgeſetzt wor; 
den ſey, datirt Wien den 8. Dft. 1814. ©. 
38. Franzdfifhe Bemerkungen zu der Bekanntmachung, (da; 
tirt Wien den 8. Oft. 1814) daß die foͤrmliche Eröffnung 
des Kongreſſes anf den 1. Nov. 1814 ausgefeht fy. ©. 
19. Note, wodurh'der Hannöverifhe Staats: und Kabi; 
nets; Minifter Graf von Münfter auf dem Wiener Kons 
greß erfiärt, daß der Kurfürſt von Hannover den 
Königs: Titel angenommen habe, datirt Wien den 12. 
Oft. 1814. S. 
20. Note des großpersnoli -badtihen Bevollmäd tig⸗ 
ten, batirt Wien den 15. Dft. 1814, worin Baden be; 
gehrt, in das Comité für die deutfchen Angelegenheiten 
ded Kongreifed aufgenommen zu werden, ©. 
21. Verfaffung » Entwurf, welcher vom Fürften Metter 
nic tm der Konferenz vom 16. Dft. 1814 in Gegenwart 
der königl. Preufifhen, Bayerſchen, Württembergiihen 
und Hanndverifhen Minifter verleſen ward. S. 
22. Schriftlihed Votum der bevden Hannöverifben 
Kongreß Bevollmächtigten, welbes der Gomite der fünf 
deutfhen Höfe (Deftreih, Preußen, Baiern, Hannover, 
Württemberg) übergeben ward, datiert Wien den 21. Oft. 


1814. S. 
23. Anrede an Se. k. k. Mai: den Kaiſer von Deftreic, 
gehalten am 22. Dt. 1814 von der verwittweten Fuͤrſtin 
von Färftenberg, in der Audienz, welde die Depu: 
tation der Standesherren (der durch die rheiniſche 
DundessAlte untergeordneten vormaligen regierenden 
reihsftändifhen Neihsfürften und Neihsgrafen) bey dem 
Salfer hatte. | ©. 


34 


67 


zi 


72 


76 


Anhalt der europaͤiſchen Annalen 1815. 





381 





24. Bittfhrift, Sr. f. f. Majeftät dem Kaifer von Deft: 
reich am 22. Oft. 1814 von emer Deputation der 
Standesherren in einer Audienz übergeben. ©. 

25. Mote der beififiben, herzoglich-ſaͤchſiſchen 
und naſſauiſchen Bevollmädtigten, an. die kaiſerlich⸗ 
öftreihifhen und königlib-preußifchen erften Bes 
vollmäctigten, enthaltend den Antrag, Mainz für ei: 
nen Waffenplatz und eine Zeitung des deutfhen Bundes 
zu erflären, datiert Wien den 25. Oft. 1814. +... 1 

26. Parent, wodurch der Kurfürkt von Hannover feine 
Annehmung der fönigliben Würde befannt mat, 
Datirt Sarltonhoufe den 25. Dft. 1874. CH 

27. Ludwig des XVIII. Proklamation an die Franzofen 
vom ı. Febr. 1814. R 

28. Des Grafen von Artoid Proflamation an die Franzo—⸗ 
fen, vom 21. März; 1314. i 

29. — des Senats vom 3. April, wodurch Napo— 
Leon des Throns verluſtig erklaͤrt wird. S. 

30. Vorlaͤufige Konſtitution Frankreichs, die Ludwig den 
XVIII. freywilig zum Throne beruft, vom Senat entwor⸗ 
fen am 6. April 1814. ©. 

31. Erflärung Ludwig des XVII. am 2. May, worin er 
Franfreich eine neue Konititution verfpricht. - ©. 

32. Konftitutiönsiirfunde von Ludwig dem XVII. $ranf: 
reich gegeben den 4. uni 1814. ©. 

33. Belanntmahung wegen Weberreihung und Prüfung 

- der Vollmachten der für den Kongreß bevollmäctigten Mi: 
nifter, Abgeordneten und Gejcäftsführer, datirt Wien 
den 1. Nov. 1814. en ©. 

34. Nebteverwahrung des Könige von Sachſen ger 
gen die koͤniglih-preußiſch-proviſoriſche Beſütz— 
nehmung feiner Staaten, und gegen jede Verfügung 
über diefelben, datirt Friedrichsfelde (bey Berlin) 4. No: 
vernber 1814. S. 

35. Belanntmachung ber kaiſerlich-ruſſiſchen Leber: 

abe der oberften Verwaltung des Känigreichs Sach— 
en an Preußen, datirt Dresden den 27. Dftober (8. 
- Mov,.) 1814. ©. 

36. Bekanntmachung der königlib:preußifchen pro; 
piforifchen Beſitznehmung des Königreihs Sachſen, datirt 
Dresden den Io. Nov. 1314 ©. 

37. Note confidentielle de la Russie & l’Autriche et 
a la Prusse. | ; 

38. Note der bevollmäctigten Abgeordneten neun und 

. zwanzig deutihber fouverainer Fürften und 
Städte, an den kaiſerlich-öſtreichi ſchen Staats; und 
Gonferenz : Minifter ıc., Herrn Kärften von Metter: 
nic, und an den föniglib-preußifhben Staatskanzler, 
Heren Fürften von Hardenberg, datirt Wien den 16. 
Nov. 3814. 


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S. 111. 


382 Inhalt der europaͤiſchen Annalen 1815. 





39. Verbal-Note des herzoglih-braunfhmweigifhen 
Abgeordneten, Heren Geheimen Raths von Schmidt ge; 
nannt Phiſeldeck an den königlibshannöverifhen ers 
ften Bevollmächtigten, Herrn Staatd; und Eabinet&; Mir 
ntiter, Grafen von Münfter, datirt Wien den 16. No⸗ 
vermber 1814. j 3 

40. Note der bevollmäctigten Abgeordneten neun und 
zwanzig deutiher fouverainer Fürften und Städte 
an den fonigl. großbrittannifihbshbannöverifchen Herrn 
Staats; und Gabinerd: Minifter and Erblandmardall, 


S. 115 


Grafen von Münfter, mit Ueberfendung ihrer, unter - 


- dem 16. Nov. 1814 an die Bevollmächtigten der Höfe von 
Wien und Berlin erlaffenen Note, datire Wien ben 16- 
November 1814. S. 

41. Antwort des königl. großbeittanniih:hannöveris 
fhen Herrn Staats- und Gabinetd:Minifters und erfien 


S. 118° 


Bevollmäctigten, Grafen von Münfter, an. die Abs 


- geordneten neun und zwanzig deutiher fouverainer 
en und Städte, auf diejenige Zuſchrift, womit 
ie ihm ihre an die Höie von Wien und Berlin gerichtete 
Note vom 16..Nov. 1814 überjendet hatten, datırt Wien 
den 25. Nov. 1814. 2 

42. Note des großherzoglich-badiſchen bevollmäctigten 
Geſandten an dem Wiener Hofe, an den Faiferlibsö ter: 
reichiſchen Staats- und Conferenz-Miniſter, aub Mis 
nifter der auswärtigen Angelegenheiten, Fürften von 
Metternich, datirt Wien den 16. Nov. 1814. ©. 

43. Note der königlib :wärttembergifihen Bevoll 
mächtigten an die übrigen Mitglieder der Comité für die 
deutſchen Angelegenheiten (Deitreich, Preußen, Bayern 
und Hannover), datirt Wien den 16. Nov. 1814. S. 

44. Gegen-Note des kaiſerl. oſterreich iſchen Staats— 
und Conferenz⸗-Miniſters ıc. Herrn Fuͤrſten von Met— 
ternich, auf vorftehende Föoniglih-württembergifde 
Note, datirr Wien den 22. Nov. 1814. ©. 

45. Erwtiederungs: Note der königlibswürttember: 
giſchen Bevollmädtigten an den Faiferlibsöfterreibis 
ſchen erften Bevollmadtigten, datirt Wien den 24. No: 
vember 1814. ©. 

46. Note der großherzoglich-badiſchen und heſſiſchen, 
dann herzoglic-naſſauiſchen Bevollmädtigten, an den 
Etaatd:Minifter Freyherrn von Stein, ald Vorſteher 
des ioberiten Verwaltung : Departemente, enthaltend den 
Antrag auf ungefdumte Niederſchlagung der Ariegetoften: 
Liquidation ıc., datirt Wien den 21. Nov. 1814. ©. 


47. Note, wodurch die Bevollmactigten der Fuͤrſten von 


Hohenzollern: Hechingen und Hohenzollern 

igmaringen, dem failerl. fönigl. öfterreibiihben 
Staats: und Sonferenz:Minifter ıc., Herrn Fürfien von 
Metternich, den Beptritt ihrer Gommittenten zu 


©. 119 


122 


126 


130 


Inhalt der europäiſchen Annalen 1815: 





383 





der Note 29 deutſcher fouverainer Fürften und Städte vom 
16. Nov. 1814, erklären, datiert Wien den 24. November 
1814. J 
48. Zwey, von dem Geſandten des ſchweizeriſchen Kantons 
Bern dem Congreß in Wien eingereichte Denkſchriften. ©. 


49. Note der großherzoglich-badiſchen Bevollmaͤchtigten 
an den k. k. oͤſterreichiſchen Staats- und Konferenz 
Miniſter ıc., Herrn Fuͤrſten von Metternich, und 
eben fo an den fönigl, preußiſchen Staatskanzler, Hrn. 
Fuͤrſten v. Hardenberg, wegen Einführung einer land: 
ſtändiſchen Verfafung,datirt Wien den 1.Dec.ıg14. ©. 

50. Erklärung in dem Pariier Amtsblatt (Moniteur uni- 
versel) am 5. Dec. 1814, betreffend die Bereinigung 
Sachſens mit Preußen. ©. 

51. Note des bevollmäctigten Abgeordneten vieler 
deutſchen fürftliden und gräfliden Häuſer, 
welche dur die rheiniihe Bundes; Akte andern deutichen 
Fürften untergeordnet wurden, an die kaiferl. öfters 
reichiſchen, königl. preußiſchen und königlic:großs 
britanniſch -hannoͤveriſchen erſten Bevollmäctigten, 
datirt Wien den 7. Der. 1814; betreffend die Rechtsver—⸗ 
wahrung der erften gegen die Note der bevollmaͤchtigten 
Abgeordneten. 29 deuriher unabhängigen Fürften und 
freven Städte v. 16. Nov. 1814, mit Bevfuͤgung einiger 
Wuͤnſche in Abfibr auf die fünftige Verfaſſung des deut: 
fchen Staatenbundes und der deutſchen Laͤnder. ©. 

52. Erwiederung: Note der bevollmäctigtem Abgeord⸗ 
neten 31 vereinigter deutſcher foWwerainer Kür: 
ften und freyen Städte, an den koͤnigl. großbritan: 
niib:bannöverifchen erften Bevollmächtigten, Staats; 
und Gabiners: Minifter, Grafen von Münfter, die 
MWiederherftellung der Kaiſerwürde betreiend, datirt 
Wien den 20. Dec. 1814. " ©. 

53. VBorftellung der fürktliben Gefammtbäufer Solms 
und Wied, wegen Aufhebung ihrer Unterordnung unter 
Souveraine des vormaligen rheinifhen Bundes, Datirt 
Wien den 27. Dec. 1814. i 

54. Antwortſchreiben des Fönigl. großbritannifhshan: 
növeriichen erften Bevollmädtigten, Hrn. Grafen v. 
Münfter, auf die unter dem 27. Dec. 1814 im Namen 
der Gejammthäufer Solms und Wied an ihn erlafiene 
Vorſtellung, datirt Wien den 6. Jan. 1815. - S, 

55. Note des fuͤrſtlich ſraniſchen und naſſaniſchen 
Bevollmächtigten, Freyh. von Gagern, an den königl. 
hannoveriſchen erjien Bevollmädtigten, Hrn. Graien 


136 


Bas 


43 


144 


148 


152 


©. 157 


159 


v. Münfter, ale indlvidueller Nachtrag zu der ‘ 


an diefen, unter dem 20. Dec. 1814 von den Bevollmaͤch⸗ 
tigten der vereinigten deutſchen Fuͤrſten und Städte erlaſ—⸗ 
fenen Erwiederungs Note, datirt Wien d. 13. Jan. 1815, ©. 


160 


384 Anhalt der europaͤiſchen Annalen 1815. 





56. Memoire der Bevollmächtigten des ehemaligen un: 
mittelbarem deutfben Reichsadels, entbaltend po: 
litiſche Gründe für Erhaltung des unmittelbaren alten 
beutfchen Neihhsadels, datirt Wien den 28. Jan, 1815. ©. 

57. Rehtsverwahrende Vorfiellung und Bitte 
der, durch die rbeinifhe Bunded:Afte, verfbiedenen deut: 
fhen Ehurfürften und Fürften als Standesherren un; 
tergeordneten vormaligen regierenden reichsftändifhen 
Fürften und Grafen, betreffend ihre Wiedereinfegung im 
die ihnen entzogenen Rechte, und ihre Zugiebung zu der 
Berathſchlagung über die Fünftige deutfhe Bundesverfafs 
fung , datirt Wien den 30. Jan. 1815. S. 

58. Erinnerung-Note und vorläufige Erklaͤrung der Be: 

 vollmäwtigten der 32 vereinigten unabhängigen 
deutihen Fürften und freyen Städte, an die fais 
ferl. öterreihifhen und königl. preußiſchen erfien 
Bevollmächtigten, die Herren Türften von Metternich 
und v. Sarbenberg, datirt Wien den 2. Febr. 1815. ©. 

59. Mittbeilung:Note der Vevollmädtigten der 32 
vereinigten unabhängigen deutſchen Zürften 
und freuen Städte, an den Föonigl. groftbritannifchs 
hannoͤveriſchen erften Bevollmädtigten, Hrn. Grafen 
v. Münfter, datirt Wien den 2. Febr. 1815. , 

60. Antwort bes koͤnigl. großbritannifh s banndverk 
ſchen erjien Bevollmäctigten, Hrn. Orafen von Mün: 

‚ fter, auf vorftebende Mitrheilungs Note, batirt Wien 
den 7. Febr. 1815. ©. 

61. Note der königl. preufifhen Bevollmächtigten an 
den Ffaiferl. öfterreihiichen erſten Bevollmächtigten, 
Hrn. Fürften von Metternich, betreffend eine Einlas 
dung an die 32 vereinigten dentichen gg al Füriten 
und frepyen Städte, den Gonferenzen über die deutſchen 
Angelegenheiten dur eine Deputation bepzumwohnen, das 
tirt Wien den 4. $ebr. 1815 ©. 

62. Antwort des Eaiferl. öfterreibifhen erften Bes 
vollmaͤchtigten, Hrn. Fürften v. Metternich, auf vor 
ftehende Mote der königl. preußifhen Bevollmaͤchtig— 
ten, Datirt Wien den 9. Febr. 1815. . 

63. Königl. Bair. Patent, die Beligergreifung des Groß: 
herzogthums Würzburg betreffend. ©. 

6. Großherzogl. Würzburg. Neyierung-Abtrittes Patent. S. 

65. Erklärung, unterm 18. Juni in Xondon von Sr. Mai. 
dem König von Preußen ausgeitellt, über die Ver— 
fefung, Rechte und Freyheiten des Fürſtenthums Neuf— 
chatel. 

66. Koͤnigl. Bayr. Patent, die Abtretung der gefuͤrſteten 
Grafſchaft Tyrol betreffend. S. 

67. Koͤnigl. Bayr. Patent, die Abtretung der Vorarlber— 
giſchen Herrfhaften betreffend, ©. 


187 


191 
193 


195 
197 
198 


48. Ueber⸗ 


® “ 


n Inhalt ber europäifhen Annalen 1815. 485 








68. Uebergabs, Patent des Großherzogthums Würzburg an 
Bayern. ©. 19 

69. Kalferl, Defterreihifhes Hebernahmd:Patent von Typ: 
rol, vom 24. Juni 1814. N S. 201 

70. Kaiferl. Defterreichiihes Uebergabs:Patent des Fürften; 
thums Afchaffenburg an Bayern, vom 26. Juni 1814. ©. 202 

71. Declaration, die Eröffnung des Wiener Kongreffes be; 
treifend,, vom 7. Juli 1814. ı ©. 

72. Mote der bevollmäctigten Kommiffarien der alllirten 
Mächte an den Prinzen Chriſtian Friedrich von Daͤ— 
nemark, den Abtritt des Königreihs Norwegens an 
Schweden betreffend. ©, 203 

73. Friedens-Traktat zwiſchen Dänemark und Preußen, v. 

25. Auguſt 1814. ©. 205 

74. Königl. Hannoverifhes Patent, die Organifirung der 
Hanndveriihen Landftände betreffend, v.12. Aug. 1814. ©. 207 

75. Denkſchrift der deputirten Mitglieder ber fd: 
cularifirten Erz:, Doms und andern geiftlihen 
Stiftein Deutihland, auf beyden Seiten des Rheind. S. 209 

76. Patent des Herzogs und des Fürften von Naffau, die 
Drganifirung der Kanditände betr. vom 2. Sept. 1814. ©. 213 

77. Note, welde die Minifter von Wien, St. Petersburg 
und St. James, die HH. v. Schraut, v. Krudener, 
in Abwefenbeit des Grafen v. Capo d'Iſtria und Ads 
dington in Abweienheit des Heren Stafford: Can 
ning, unterm 23. Det. 1814 den Deputirten des Wal: 
lie, ehe diefelben nach Haufe kehrten, zuftellten. ©. 222 

78. Note des Königl. Franzöfiihen Miniſters von Tal: 
leyrand, an die Schweizerifche Gefandticaft. Die po: 

Ulitiſche Organifation der Schweiz betr. v. 16. Det.1814. ©. 225 

79. Note des Kaiferl. Ruſſiſchen Bevollmäctigten, die fünf: 
tige Verfaffung Deutſchlands betr. v. 1. Nov: 1814. ©. 226 

80, Brittifhe Proflamation zu Genua, v. 27. Dec.1814. ©. 237 

53. Note des fönigl. franzöfiihen Bevollmädtigten, Hru. 
Fürften v. XZalleprand, an den Faif. öfterreihifhen Bes 
vollmächtigten, Hrn. Fürften v. Metternich, die füne 
tige Beftimmung über Sachſen und Polen betreffend. S. 228 

82. Mote des Koͤnigl. Preufifben Staatskanzlers, Fürften 
v. —— vom 20. Dec. 1814. S. 233 

83: Patent des Königs von Sardinien, die Befißnahme 
von der Nepublif Genua betreffend, v. 20. Dec. 1814. ©. 238 

84. Rede Sr. Excellenz des General-Gouverneurd Furſten 
Repnin, als er bey Lebergabe des Gouvernementd des 
Koͤnigreichs Sahfen am 3. Nov. 1814 zu Dresden feine 
Abſchieds⸗Audien; gab. I ©. 243 

85. Patent des Shurfürften von Heſſen-Kaſſel, v. 27. Der. 
1814, die Herftellung der vorigen Verfaflung betr. ©. 245 

86. Note mehrerer (mediatifirten) Fürften und Grafen, 
dem Kongreß im, Dec. 1814 überreight, S. 248 


Europ. Unnalen, Iated Stud, 1915; 25 


586 Inhalt der europäifiher Annalen 1815. 








87. Patent des. Königs von. Württemberg, die landftändi: 

ſche Verfaffung betreffend. ©. 251 

88. Schreiben des faif. Öfterreichifchen Staats- und Con: 
ferenz:Minifters, auch Minifters der auswärtigen Ange: 
legenbeiten, Heren Fuͤrſten von Metternich, an die 
Frau Fuͤrſtin von Jfenburg, wegen Aufhebung der bis: 
berigen Abhängigkeit des Fürſtenthums Jfenburg 
von dem General: Gouvernement zu Frankfurt; batirt 
Wien den ı5. Febr. 1815. ©. 253 


89. Pro Memoria des Hrn. Grafen von Bentind, 
an die 32 vereinigten deutichen unabhängigen Fürften und 
freven Städte, um ale fouverainer Beliger von Inn 
und Kniphaufen, In den Verein berielben aufgencm: 
men zu werden, datirt Wien den 20. Febr. 1815. ©. 254 


90. Note des Bevollmächtigten vieler deutihen fürftlis 
hen und gräfliben Häufer, welche durd die rheint: 
ſche Bundes: Afte andern Fürflen untergeordnet wur 
den, Hrn. Geheimenraths von Gärtner, an die HI. 
Bevollmächtigten der allerhoͤchſten verbündeten Mächte, 
betreffend eine Fönigl. württembergifhe Verfügung 
wegen Binführung Fandftändifher Verfaſſung: 
Datirt Wien den 27. Febr. 1815. &. 255 

91. Note des bevollmäctigten Abgeordneten vieler deut: 
(hen fürſtlichen nnd gräflichen Häufer ıc. ıc., Hrn. 
Geheimenraths von Gartner, an die Herren Bevoll— 

maͤchtigten der allerhöciten verbünderen Mächte, betr. 
zwey Fönigl. württembergiicde Crllärungen wegen 
Einführung landitandifher Verfaſſung: datiert Wien den. 

5. März 1815. Mir zwey Benlagen. S. 257 

92. Mote der kurfuͤrſtlich-heſſiſchen Herren Bevoll— 
mäctigten, an die kaiſerl. öfterreiwifcen, koͤniglich⸗ 

. preußifhben und königl. grogbritannifben HP. 
Bevollmächtigten, die Füriten v. Metternidb und Hars 
dDeuberg, und den Herzog von Wellington, datirt 
Wien den 11. März 1815, betr. die Windikation der im 
J. 1810 von Napoleon An Heflen: Darmftadt gegebenen 
vier hanauiſchen Aemter, und den eventuellen Wi: 
derſpruch des Kurfürften gegen Abtretung des übrigen ba: 
nausmüngenbergifhbenkanded an Bapern. S. 2% 

93. Erflärumg der zu Wien, theils perſoͤnlich theils durch 
Bevollmäctigte verfammelten abt Mächte, welbe den 
Jarifer Frieden unterzeichnet haben, oder ihm bepgetreten 
ind, betreffend Napoleon Buonaparte's Einfall im 

tanfreich; batirt Wien den 13. März 1815. ©. 263 

94. Denffchrift derjenigen deutſchen fürflihen und 
graͤflichen Häufer, welche dur bie rheiniihe Bundes: 
Alte andern deutichen Fürften ald Standesberren un 
tergeorduet wurden; Datirt Wien den 15. März 1815. ©. 264 


- 


inhalt der europiſchen Annalen 1815. 





387 


95. Betrachtung über die (unter Nro. 93. abgedrudte) 


Grilärung der acht Mächte, Napoleon Buona: 
parte’s Einfall in Frankreich betreifend. S. 
96. Patent wodurd der fouveraind Fürft der Wie 
berlande feine Annehmung der fönigliben Würde 
und des Titels König der Niederlande, Prinz 
. von Dranien Naffau, Herzog von Luremburg 
1c. befannt mabt; datirt Haag den 16. März 1815. ©. 
97. Note des Hrn. Geheimen: Rathe v. Gärtner, ald Bes 
vollmaͤchtigter vieler deutſchen Fürften und Grafen, 
bie durch den rheinischen Bund andern deutihen Fürften 
ald Standesherren untergeordnet wurden, an die 
HH.Bevollmächtigten der allerhöchiten verbündeten Mächte, 
betr. die Beſchleunigung einer deutfchen Staats: und Bun: 
deöverfaflung,,  insbefondere die Wiederherftelung des 
Mechtszuftandes von 1806, und die Errichtung eines allge: 
meinen hoͤchſten Gerichtes; dat. Wiend.r.März 1815. ©. 


279 


98. Note der Bevollmächtigten der vereinigten jouverainen _ 


ürften (mit Ausnahme Badens) und freuen Städte 
eutſchlands, an die kaif. öfterreihifhen-und Fonigl. 
preußiſchen eritien HH. Bevollmächtigten, betr. theils 
die Bereitwilligfeit ihrer Committenten zu angemeffener 
Milirär:Leiftung bey den durch Buonaparte’s Einfall 


in Kranfreich eingetretenen widrigen Verhaͤltniſſen, theils 


ihr Begehren einer ungefäumten, regelmäßigen Fortfegung 
der wejentlihften Grundlagen einer deutſchen Bundes: 
Berfaffung; datirt Wien den 22. März 1815. 


« « 


99. Note des fönigl. bannöverifchen erften Hrn. Bes 


vollmadtigten, Grafen vw. Münfter, an die HH. Be: 
vollmädtigten der [on fouverainen Pür 
ften und freuen Städte Deutichlande, worin derfelbe 
fein Einverftändnip mit ihrer Note vom 22. März 1815 ers 
Hart; datirt Wien den 29. März 1815. ©. 
100. Note der HH. Bevollmächtigten der vereinigten 
fouverainen Kürften und freven Städte Deutid: 
lands, an den koͤnigl. großbritannifch:hanndverifchen erſten 


287 


Hrn. Bevollmächtigten, wodurd fie demielben ihre Note _ 


v. 22. März mittheilen; dat. Wien d. 22. März 1815. ©. 
101. Note der Bevollmächtigten der vereinigten ſouve— 
rainen Kürften und freven Städte Deutfchlande, an 
die königl. baierifben und württembergiiben HI. 
Bevollmächtigten, wodurd diefen die Note Nr. 98. S. 286 
mitgetheilt wird; Datirt Wien den 23. März 1815. ©. 
102. YUllianz: Traltat, geſchloſſen zu Bien, am 25. Märı 
1815, zwiſchen Defterreih, Rußland, England und 
Preußen, mit Einladung an alle Mächte von Europa, 
demfelben bepzutreten. - ©. 
103. Note der Eönigl. preußiſchen HH. Bevollmädtig: 
ten, an die HH. Bevollmäctigten der vereinigten fou: 
yerainen Zürften und frepen Städte Deutſchlands, 


290 


388 Inhalt der europaͤiſchen Annalen 1815. 

—ñ — — 
worin fie den, in deren Note vom 22. März geaͤußerten, 
Gefinnungen und Anträgen ihre Zuftimmung geben, fie zu 
vorläufiger Beſprechung einladen, und den mit Rußland 
und England geſchloſſenen Alliang-Traftat mitthellen; das 
tirt Wien den 29. März 1815. ©. 293 

104. Bemetkungen über den als Leitfaden der Verhandlungen 
mitgetheilten Verfaſſung⸗ Entwurf, welder vom Fuͤrſten 
Merternich in der Konferenz vom 16. Oct, 1814. in Ge: 
genwart der koͤnigl. Preußiſchen, Baieriſchen, Württember: 
giſchen und Hannöveriiben Minifter verlefen ward. (Vom 
königl. Baierifhen Minifterium eingegeben.) ©. 296 

105. Bemerkungen über den als Leitfaden der Verhandlungen 
mitgetheilten Verfaflung : Entwurf ic. ic. (Vom fönigl. 
Wuͤrttembergiſchen Minifterium eingegeben.) S. 299 

106. Entwurf eines Bundesvertrags der fouverainen 

Fuͤrſten und freven Städte Deutſchlands, enthals 
tend die wichtigſten Grundfäge der Bundesverfaffung, deren 
weitere Ausführung, fo wie die Abfaffung der organifchen 
Gefehe des Bundes, einer nabfolgenden Berathihlagung 
vorbehalten bleiben fol. Worgelegt von den Fönigl. preus 
ßbiſchen Herren Vevollmaͤchtigten, tm Anfang des . 
1815. . 30 

107. Aote du Congres de Vienne, signe le g. Juin 1815. ©, = 





Antünbigung 


; einer 
Zeitſchrift für Afronomie und ver—⸗ 
wandte Wiffenfhaften, 
herausgegeben 
von 
gLindenau und DBohnenberger., 


Im Verlag der Cotta'ſchen ———— zu Stuttgart. 
1815. 

Aufgefordert durch mehrere der amsgezeichnetiten Aftros 
nomen und Mathemarifer, des Ans und Auslandes, haben 
ſich Unterzeichnere vereinigt, um mit Anfang des Jahres 1816 
ein aſtronomiſch-mathematiſches Journal unter dem Titel: 
„Beitfhrift für Aftronomie und verwandte Wifr 

fenfhaften‘ 
in monatlichen Lieferungen erfcheinen zu laffen. Unferm Plan 
zu Folge foll durdy diefe neue Bearbeitung die Luͤcke ausgefuͤllt 
werden, die in unfrer aſtronomiſchen Literatur, dur Eingeben 
der „Monatlichen Korrefpondenz; für Erd: und 
Himmelskunde“ feit dem Jahr 1814 entftanden ift. 

-Da es nidt an Beitfchriften fehlt, die, für ein gröfieres 
Publikum beftimmt, aus allen Theilen der Scienzen Notizen 
mittheilen, fo'ylauben wir die unfrige, deren Gegenitand ers 
afte Wiffenfhaften ausfchliefiend find, auf eine rein wiſſenſchaft⸗ 
liche Art bearbeiten zu können. Der Inhalt diefer neuen Zeits 
ſchrift wird daher befiehen, in aftronomifchsmathematifchen Dris 
ainals Abhandlungen, fritifhen Anzeigen, Blaffifch = aftronos 
mijch « matbematifhen Werfen und Korreſpondenz-Nachrichten. 
Mon Geographie berüdfichtigen wir blos den eigentlich mathes 
matifchen Theil. Bey diefer Beſchraͤnkung des Inhaltes glaus 
ben wir jährlich nihr mehr, als 48 Bogen, verfpreden zu koͤn⸗ 
nen, die in monatlidyen Lieferungen von 2— 6 Bogen ausge— 
geben werden follen, 

Die beriihmteften deutfchen Aftronomen und Mathemstifer: 

DBeigel, Beffel, Brandes, Burg, Buzengeiger, 

David, Ende, Gauf, Gerling, Harding, Yein- 

rich, Horner, Ideler, Mollweide, Minders, Ni— 

eolai, Dibers, Dftmanns, Pasyuid, Pfaff, 

GSoldner, Triesneder, Wadhter, Wurm, 
haben ſich mit uns zur Herausgabe diefer Zeitichrift vereinigt; 
auch Freyherr von Zach hat aus Ftelien uns mit Benträgen 
zu unterſtuͤtzen verſprochen: geftügt auf die Theilnahme folder 
Männer, ſchmeicheln wir uns mit der Hoffnung, daß dieſe Bears 
beitung Korrefpondenz“ würdig zur 
Seite treten und zur reellen Beförderune aftronomifd) = mas 
thematifcher Kenntniffe beytragen folle. - 

- Wir glauben auf die Theilnahme Aller, denen die exak⸗ 
ten Wiffenfchaften lieb und werth find, um fo beitimmter rech— 
nen zu fönnen, je mehr der Zweck, den wir bey dieſer Befannts 
machung vor Augen haben, reim wiffenfhaftlich it; die Redak⸗ 
toren, fo wie fimmtliche Heren Mitarbeiter, leiften auf alles 
zes durhaus Merzicht; die Verlagshandlung gibt jedem 

itarbeiter ein Freu⸗ Exemplar und den Redaktoren deren drey. 
Ein weiteres Detail über Zweck und Art der Bearbeitung 
wird die Einleitung im Januar-Heft enthalten, wp wir eine 


furze UWeberficht des Merkwirdigfteri geben werden, mas feit 
dem Jahre I814 in aftronomifcher Dinfiht geſhah, um das 
durch diefe Zeitichrift mit der, Mongtlihen Korrefpondenz ie 
unmittelbare Berührung zu beingen. 


Sternwarte , Seeberg, - Tübingen, 
Dftober 1815. Oktober 1815. 
von Zindenau, Buoßnenberger, 
Direktor der Sternwarte Profeſſor zu Tübingen. 


eeberg. 

"Die Verlags: Handlung (häft es fih zur befondern Ehre, 
bey einem fo gemeinnügigen Zweck, wie ihn.die Derren Ders 
ausgeber und Verfaſſer diefer Zeitfchrift ſich vorgeſetzt haben, 
von ihrer Seite mitwirfen zu fönnen; fle wird mit der größten 
Bereitwilligkeit Alles beytragen, was zur Verbreitung und 

Örderung eines fo fhönen Inſtituts dienen fann, fo mie fe 

ch ed befonders wird angelegen fenn laffen, durch forgfältigen 
und korrekten Drud die Freunde diefes Ziteraturzweiges aufs 
Molltommenfte zu befriedigen. Gtuttgart, im Nov. 


Sn ber 3. ©. Eotta’fhen Buchbandlung iſt erfchienen: 
orgenbilatt 
für gebildete Stände 1815. Detober, 


Anf den Sarfopbag Friedrich Wilhelms von Brauuchweis. 
Der Poltergeiit. Ein Mähren. — Allerley aus England vom Pics 
nat Junius mund Julius 1315. — Anekboten. — Die Rısbrkgel, 
— Die Belehrung, — Haarmahlerey. — Der Friedpof. — u 
Held Bluͤcher Doctor Juris, "2, Doctor und Apotheker. 3. Bike 
ner und Wellington Hoch! 4. Das IhnglingssBreifens Past, 
— Knut und Orlaſon. — YAusjüge aus den Memoires des Amelet 
de la Houfiaye. — Kraftvergeudung. — Betrachtungen über 
eine Stufenfeiter ber Humanität, nach welcher die Bölter in Mäds 
ſicht ihrer geringern oder größern menfchlichen Borgäge georbnet wers 
den. — Der Seelſorger. — Winters Zehfpründe, — Gommem 
Zechſpruͤhe. — Noch zwey Zechſpruͤche. 1. Theorie des Raute. 
2. Ausnahme von der Regel. — Eungliſche Bonmots. — An For— 
aues Undine. — Lied eines deutſchen Sängers. — St. Helma. 
— Der blinde König. — Unſtern — Der geisige Barou. — Ib 
‚gemeine Grabſcriſt. — Der achtzehnte Oktober. — Narren und 
Kinder, — Ueber Krito’s Urthelle —. Der Auszug, — Mels 
Belang: — Die Schlummernde. — Dad Staͤndchen. — Kheaterr 
Beleuhtung. — Gina. — Anekdoten. — Gieilien, — Auf be 
Schlacht bey Leipzig. — Lady Hamilton. — Ueber Dodbritgt 
Motto: Dum vivimus, viramus. — Syrakus. — Die feltfame 
Korrefpondeng. — Amors Pfeile. — Der Tempel ber großes 
Männer: — Der wüde Jaͤger. Eine Verwandlung. — Reiſe von 
Birgenti nach Palermo. — Curiosa. — SFtalienifye Diszelen. — 
Üllerlev aus England. Rihard Jones. Männers Werfauf — 
Seſchichte des Epos. — Excurfion gu den Tempein des alten Selb 
nunts. — Nekrolog — Mahnung — Der Löwe. — Ein fow 
derbares theologifyes Examen, — Palermo, Allgemeine Auſicht von 
der Gegend umber. — Scene aus Schillers Demetrius. — Bon 
fihlag su Dentmählern, — Dat Grab des Seliebten, — Die Stabi 
Palermo felöft mit ihrer nähften Umgebung, — Korsefpondenp 
Naqrichten, Charaden und Raͤthſel. 








Codex Diplomaticus. 





(Wir machen hiemit den Anfang mit dem Abdrud der Akten— 
ftüde der neueften Zeiten, die wir aufs Vollfiändigfte nachtra— 
gen werben.) 





7 
Allianz Traktat, gefchloffen zwiſchen Deftreih, Ruß— 
land, England und Preußen, zu Ehaumsnt am 
1. März 1814. 


Au nom de la trös-sainte et indivisible Trinite. 


Sa Majeste Imp. et Royale Apost. l’Empereur d’Autriche, 
Roi de Hongrie et de Boheme, Sa Majeste I’Empereur de tou- 
tes les Russies, Sa Majeste le Roi du Royaume-uni de la Bre- 
tagne et de l’Irlande, et Sa Majeste le Roi de Prusse, ayant 
fait parvenir au Gouvernement frangais des propositions pour 
la conclusiön d’une paix generale, et desirant, au cas que la 
France refusät les conditions de cette paix, resserrer les liens 
qui les unissent pour la poursuite vigoureuse d’une guerre, 
entreprise dans le but, salutaire de mettre fin aux malheurs de 
V’Europe, d’en assurer le repos futur par le xetablissement 
d’un juste equilibre des Puissances, et voulant en meme tems; 
si la providence benissoit leurs intentions pacifiques, determi- 
ner les moyens de maintenir contre toute atteinte l’ordre des 
choses, qui aura ete l’heureux resultat de leurs eflorts, sont 
convenus de sanctionner par un traite solennel, signe separe- 
ment par chacune des quatre Puissances avec les trois auires, 
ce double engagement. 

En consequence S. M.I. et R. A. anomme pour discuter, 
arreter et signer les conditions du present traite avec S. M. 
1’Empereur de toutes les Russies, Je Sieur Clement Wenceslas 
Lothaire Prince de Metternich - Winnebourg - Ochsenhausen, 
Chevalier de la Toison d’or etc. etc., son ministre d’etat, des 
conferences et des aflaires etrangeres; et $.M.J. des toutes les 


Codex Diplomaticus. (Eur. Annal. 1313.) 1 f 


— — 


2 
Russies ayant nomme de son cöte le Sieur Charles Robert 
Comte de Nesselrode, son conseiller prive, secretaire d’etat 
etc. etc.; Lesdits Plenipotentiaires, apres avoir echange leurs 
pleinpouvoirs, trouves en bonne et düe forme, sont conye- 
nus des articles suivans: 

Art. T 

Les hautes parties contraciantes ci-dessus denommees s’en- 
gagent solennellement l’une envers l’autre par le present traite, 
et pour le cas ou la France refuserait d’acceder aux conditions 
dela paix proposee, de consacrer tous lesmoyens de leurs etats 
respectifs a la poursuite vigoureuse de la presente guerre 
contre elle, et de les employer dans un parfait concert, afın 
de se procurer à ellesmemes et a l’Europe une paix generale, 
sous la protection de laquelle les droits de la liberte de toutes 
les nations puissent etre elablis et assures. 

Cet engagement ne pourra pas porter prejudice aux stipu- 
lations, que les etats respectifs ont deja contractces relative- 
ment au nombre de troüpes & tenir en campagne contre l’enne- 
mi, et ilest bien entendu, que les cours d’Autriche, de Rus- 
sie, d’Angleterre et de Prusse s’engagent par le present traite 
a tenir constamment en campagne chacune cent-cinquant-mille 
hommes au complet, sans compter les garnisons, et de les 
employer aclivement contre l’ennemi coımmun. 

Art. 1. 

Les hautes parties contractantes s’engagent reciproque- 
ment A ne pas negokcier separement avec l’enneini commun, et 
ane signer ni paix, ni treve, ni convention, que d’un com- 
mun accord. Elles s’engagent de plus a ne pas poser les armes 
avant que l’objet de la guerre mutuellement convenu et enten- 
du n’ait ele atteint. 

Art. III. 

. Pour contribuer de la maniere la plus prompte et la plus 
decisive a remplir ce grand objet, S. M. Britannique s’engage 
à fournir un subside de cing millions livres sterlings pour le 
service de l’annee mil-huit-cent-quatorze, à reparlir en parties 
egales entre les trois Puissances, et ladite Majesté promet en 
sus de convenir avant le premier Janvier de chaque annee avec 
Leurs Majestes Imperiales et Royales de secours ulterieurs à 
fournir pendant chayue annee subse ;uente, si, ce qu’a Dieu 
ne plaise, la guerre devoit se prolonger jusque -la. 


— 5 

"Le subside ci- dessus stipule de cing millions livres ster- 
ling sera paye & Londres en termes mensuels et en propor- 
tions egales aux ministres des Puissances respeclives düment 
autorises a le zecevoir. | 

Dans le cas que la paix entre les Puissances alliees et la 
France füt signee avant l’expiration de l’annee, le subside, 
calcule sur l’echelle de cing millions livres sterlings, sera paye 
jusqu’a la fin du mois dans lequel le traite definitif aura ete 
signe, et.S. M. Britannique promet en. outre de payer a l’Au- 
triche et a la Prusse deux mois, el a la Russie quatre mois en 
sus du subside stipule pour couvrir les frais du retour de leurs 
troupes dans leurs propres fronlieres. 

Art. IV. 

Les hautes parties contractantes auront la faculte d’accre- 
diter respectivement aupres des generaux commandant leurs 
armees des officiers, quiaauront la liberte de correspondre aveo 
leurs gouvernemens pour les informer des evenemens militaires 
et de tout ce qui est relatif aux operations des armées. 

Art. V. 

Les hautes parties contraclantes, se reservant de se con- 
certer entre elles, au moment de la conclusion de la paix aveo 
la France, sur les moyens les plus propres à garantir à l’Eu- 
rope et à se garanlir reciproquement le maintien de cette paix, 
n’en sont pas moins convenues, d’enirer sans delai dans des 
engagemens defensifs pour la protection de leurs Etats respectifs 
en Europe contre toute alteinte que la France voudrait porier 
à l’ordre des choses resultant de cetie pacification, 

| Art. VI 

Pour obtenir ce resultat elles conviennent que dans les cas 
ou les etats de l’une des hautes parties contraclantes seraient 
menaces d’une attaque de la part de la France, les autres em- 
ploiront activement tous leurs efforts pour la prevenir par une 
intervention amicale. 

Art. VII. 

Les hautes parlies contractantes se promettent pour le cas 
oü ces eflorts resteraient sans eflet, de venir immediatement 
au secours de la puissance attaquee chacune aveo un Corps de 
soixante-mille hommes. 

Art. VII, 
Ce corps auxiliaire sera compose respectivement de cin- 


— 4 — 
quante-mille hommes d’infanterie et de dix-mille hommes de 
cavallerie, avec un train d’artillerie et des munitions propor- 
tionnes au nombre de ces troupes. Le corps auxiliaire sera 
pret a entrer en campagne de la maniere la plus efficace pour 
la sürete de la puissance attaquee ou menacee deux mois au 
plus tard apres que la requisition en aura cte faite. 


Art. IX, \ 

La situation du theätre de la guerre, ou d’autres circon- 
stances, pouvant rendre difficile pour la Grande - Bretagne 
l’envoi des secours stipules en forces anglaises dans le terme 
convenu, et le maintien de ces forces sur le pied de guerre, 
$. M. Britannique se reserve le droit de fournir à la puissance 
requerante son conlingent en troupes etrangeres a sa solde, ou 
de lui payer annuellement une somme d’argent au taux de vingt 
livres sterlings par homme pour l’infanterie, et de trente livres 
sterlings pour la cavallerie, jusqu’a la cöncurrence du secours 
stipule. Le mode du secours que fournira la Grande- Bretagne 
sera determine a l’amiable, dans chaque tas particulier, entre 
elle et la puissance menacee ou attaquee, au moment ou la 
reqnisition sera faite. Le m&me principe sera adopte a l’egard 
des forces que $. M. Britannique s’est engagee a ſournit par 
l’article premier du present traité. 


Art. X. 

L’arınde auxiliaire sera sous le commandement du General 
en chef de l’armee de la puissance requérante, elle sera con- 
duite par un general a elle et employee dans toutes les opera- 
tions militaires selon les regles de la guerre. La solde de 
l’armee auxiliaire sera a la charge de la puissance requise, les 
rations et les portions en vivres, fourages elc., ainsi que les 
quartiers, seront fournis par la puissarice requerante, aussitöt 
que l’armee auxiliaire sera soflie de ses frontieres, et cela sur 
le pied sur lequel elle entretient ou entretiendra ses propres 
troupes en campagne et dans les quartiers. 


Art. XI. 
L’ordre et l’economie militaire dans l’interieur de ces trou- 
pes dependront uniquement de leur propre chef. Elles ne 
pourront etre separees. Les trophees et le butin qu'on aura 


faits sur les ennemis, apparliendront aux troupes qui les au- 
ront pris. 


— 5 — 
Art. XII. 
Les hautes parties contractantes se reservent, toutes les 
fois que le moutant des secours stipules sera trouve insuffisant 


"pour l'exigence du cas, de convenir ulterieurement, et sans 
perte detems, dessecours additionnels qu’on jugera necessaires. 


Art. XIII. 

Les hautes parties contractantes se promettent mutuelle- 
ment pour le oas ou elles seraient engagees reciproqueiment 
dans les hostilites par la prestation des secours stipules, que la 
partie requcrante et les parties requises, et agissant coınme 
auxiliaires dans la guerre, ne feront la paix que d’un commun 
accord. 

Art. XIV. 

Les engagemens contractes par le present traite ne sau- | 
roient prejudicier a ceux que les hautes parties contractantes 
peuvent avoir pris envers d’autres etats, ni les empecher d’en 
former avec d’autres etats, dans le’ but d’atteindre au möme 
resultat bienfaisant. 

Art. XV. > 

Pour rendre plus efficaces les engagemens defensifs stipu- 
les plus haut, en unissant pour une defense commune les püis- 
sances les plus exposees a une invasion frangaise, les hautes 
parties contraclantes conviennent entres Elles d’inviter ces 
puissances a acceder au present traite d’alliance defensive. 


Art. XVl. 

Le present traite d’alliance defensive, ayant pour 
but de maintenir l’equilibre en ‚Europe, d’assurer 
le repos et l’independance des puissances et de 
prevenir les envahissemens qui depuis tant d’annees 
ont desole le monde, les hautes parties contractantes sont con- 
venues entre elles d’en etendre la duree à vingt ans, 
à dater du jour de la signature, et elles se reservent 
de convenir, si les eirconslances l’exigent trois ans avant son 
expiration, de sa prolongation ulterieure. 


Art. XVII. 
Le present traite sera ratifie et les ratihications en seront 
echangees dans deux mais ou plutöt si faire se peut. 
En foi de quo: les Plenipotentiaires respectifs l’ont signe 
et y ont appose le cachet de leurs arınes. | 


u 


Fait à Chaumont le ı. mars (17. fevrier) l’an de grace 
mil-huit-cent-quatorze. 


Le Prince Le Comte 
pE METTERNICH. DE NESSELRODE. 
(L.S,) cL. S.) 


(Les traites , signes le mòme jour arec Sa Majeste le Roi duRoy- 
aume uni de laGrand-Bretagne et de 1’Irlande «et 
avce Sa Majeste be Roi de Prusse, sont litteralement con- 
formes au traite ci-dessus. Le premier porte lasignature de 
Lord Castlereagh, Secrctaire d’etat de $. M. Britanaique 
pour les a aires etrangeres, et le second celle de Mr. le 
Baron de Hardenberg, Chancelier d’etat de S. M. Prussienne.) 


eo) 


Parifer Triedensfhluß, errichtet von Deftreich, Rufe 
land, England, und Preuffen, und ihren Alürs 
ten, mit Tranfreih am 30. May 1814. 


Au nom de la tres- sainte et indivisible Trinite. 

S, M. le Roi de France et de Navarre, d’une part, et 
S. M. P’Empereur d’Autriche, Roi de Hongrie et de Boheme 
et ses allies, d’autre part, etant annimes d’un egal desir de 
melire fin aux longues agitations de l’Europe et aux malheurs 
des peuples, par une paix solide, fondee sur une juste reparli- 
tidn de forces entre les puissances, et portant dans ses stipu- 
lations la garantie de sa durce; et S. M. l’Empereur d’Au- 
triche, Roi de Hongrie et de Boheme et ses allids ne voulant 
plus exiger de la France, aujourd’hui que, s’etant replacee 
sous le göuvernement paternel de ses Rois, elle offre ainsi a 
l’Europe un gage de secyrite et de stabilite, des conditions et 
des garanties qu'ils lui avdient à regret demandees sous son 
dernier gouvernement; leurs dites Majestes ont nomme des ple- 
nipotentiaires pour discuter, arreler et signer. un traite de 
paix et d’amilie; savoir: 

S. M. le Roi de France et de Navarre, M. Charles Mau- 
rice Taileyrand-Perigord, prince de Benevent, grand aigle 


— 7 — — 
/ 
/ 


de la Legion -d’honneur, grand-.croix de Fordre de Leopold 
d’Autriche, ohevalier de l’ordre de St. Andre de Russie, des 
ordres de l’Aigle-noir et de l’Aigle-rouge de Prusse, etc., son 
‚ministre et secretaire-d’etat des aflaires etrangeres; 


Et S. M. l’Empereur d’Autriche, Roi de Hongrie et de 
. Boheme, MM. le prince Clement Wenceslas Lothaire de Met- 
ternich. Winnebourg - Ochsenhausen, chevalier de la Toison- 
d’or, grand-croix de l’erdre de St. Etienne, grand-aigle de la 
Legion d’honneur,, chevalier des ordres de St. Andre, de St. 
Alexandre-Newsky et de Ste. Anne de la premiere classe de 
Russie, ohevalier grand-croix des ordres de l’Aigle-noir »t de 
l’Aigle-rouge de Prusse, grand-croix de l’ordre de St. Joseph 
de Wurzbourg, chevalier de l’ordre de Saint-Hubert de Ba- 
viere, de celui de l’Aigle-d’or de Wurtemberg et de plusieurs 
autres; chambellan, conseiller intime actuel, ministre d’ctat, 
des conferences, et des aflaires etrangeres de S. M. J. et R. 
Apostolique; 

Et le comte Jean-Philippe de Stadion Thannhausen et 
Warthausen, chevalier de la Toison-d’or, grand-croix de l’or- 
dre de St. Etienne, chevalier des ordres de St. Andre, de St. 
Alexandre-Newsky et de Ste. Anne de !a premiere classe, che- 
valier grand.croix des ordres de l’Aigle-noir et de l’Aigle-rouge 
de Prusse; chambellan, conseiller intime actuel, ministre d’etat 
et des conferences de S. M. I. et R. Apostolique, 


Lesquels, apres avoir echange leurs pleins-pouveirs trou- 

ves en bonne et de forme, sont convenus des articles suivans: 
i Art. 1. 

Ilyaura, à compter de ce jour, paix et amitie entre S. M. 
le Roi de France et de Navarre, d’une part, et S. M. Eupe- 
reur d’Äutriche, Roi de Hongrie et de Boheme, et ses allies, 
de l’autre port, leurs heritiers et successeurs, leurs etats et 
sujels respectifs A perpetuite. 

Les hautes parties contractantes apporteront tous leurs 
soins a maintenir, non seulement entr’elles, mais encore, au- 
tant qu’il dpend d’elles, entre tous les etats de l’Europe, la 
bonne harmonie et intelligence si necessaires a son repos. 

j Art. 1. 

Le royaume de France conserve l’integrite de ses limites, 

telles qu’elles existoient à l’epaque du ı. Janvier 1792. Ilre- 


Zn 


cevra en dutre une augmentation de territoire comprise dans 
la ligne de demarcalion fixee par l’article suivant. 
Art. 11. 

Du cöte de la Belgique, de l’Allemagne et de !’Italie, l’an- 
eienne frontiers, ainsi qu’elle existoit le ı. Janvier 1792, $era 
retablie en commengant de la mer du Nord, entre Dunkerque 
et Nienport, jusqu’a la Mediterrande, entre Cagnes et Nice, 
avec les rectifications suivantes: 

ı. Dans le departement de Jemmapes, les cantons de 
Dour, Merbes-le-Chäteau, Beaumont et Chimay resteront ala 
Frarce; la ligne de demarcation passera, la ou elle touche le 
canton de Dour, entre ce canton et ceux de Boussu et Patu- 
rage, ainsi que, plus Join, entre celui de Merbes-le-Chäteau 
et ceux de Binch et de Thuin. 

2. Dans le departement de Sambre et Meuse, les cantons 
de Valcourt, Florence, Beauraing et Gedinne appartiendront 
a la France, la demarcation, quand elle atteint ce departe- 
ment, suivra la ligne qui separe les cantons precites, du de- 
partement de Jemmapes et du reste de celui de Sambre et 
Meuse. 

5. Dans le departement de la Moselle, la nourvelle de- 
marcation, la ou elle s’ecarte de l’ancienne, sera formee par 
une ligne a tirer depuis Perle jusqu’a Fremersdorf et par celle 
qui separe le canton de Tholey du resie du departement de la 
Moselle. 

4. Dans le departement de la Sarre, les cantons de Saar- 
brück et d’Arneva! resteront a la France, ainsi que la partie 
de celui de Lebach, qui est situee au midi d’une ligne ä tirer 
de long des confins des villages de Herchenbach, Ueberhofen, 
Hilsbach et Hall cen laissant ces diflerens endroits hors de la 
frontiere frangoise), jusqu’su point on, pris de Querielle (qui 
appartient a la France), Ja ligne qui separe les cantons d’Ar- 
neval et Ottweiler atteint celle qui separe ceux d’Arneval et 
de Lebach; la frontiere de ce cöt& sera formee par la ligne ci- 
dessus designce, et ensuite par celle qui separe le canton d’Ar- 
neval de celui de, Bliescastel. 

5. Laforteresse de Landau, ayant forme, avant l’annde 
1792, un point isole dans l’Allemagne,, la France conserve au- 
dela de ses frontieres une partie des döpartements du Mont- 
Tonnerre et du Bas-Rhin, pour joindre la forteresse de Landau 


et son rayon au reste du royaume. La nouvelle demarcation, 
en partant du pomt ou, pres d’Obersteinbach (qui reste hors 
des limites de la France), la frontiere entre le departement de 
la Moselle et celui du Mont- Tonnerre atteint le departement 
du Bas-Rhin, suivra la ligne qui separe les cantons de Weis: 
senbourg et de Bergzabern (du cöte de la France), des can- 
tons dePirmasens, Dahn et Anweiler (du cöte de l’Allemagne), 
jusqu’au point ou ces limites, pres du village de Wolmers- 
heim, touchent l’ancien rayon de la forteresse de Landau. De 
ce rayon, qui reste ainsi qu’il etoit en 1792, la nouvelle fron- 
tiere suivra le bras de la riviere de la Queich, qui, en quit- 
tant ce rayon, pres de Queichheim (qui reste ä la France), 
passe pres des villages de Merlenheim, Knittelsheim et Belheim 
(demeurant egalement frangois), jusqu’'au Rhin, qui continuera 
ensuite a forıner la limite de la France et de l’Allemagne. 

“Quant au Rhin, le Thalweg constituera la limite, de ma- 
niere cependant que les changemens que subira par la suite le 
cours de ce fleuve n’auront a l’avenir aucun effet sur la pro- 
priete des isles qui s’y trouvent. L’etat de possession de oes 
isles sera retabli tel qu'il existoit a l’Epoque de la signature du 
traite de Lunewville. 

6. Dans le departerient du Doubs, la frontiere sera rec- 
tiiee de maniere a ce qu’elle cominence au-dessus de la Ran. 
gonniere pres-de Locle, et suive la crete du Jura entre le Cer- 
neux - Pequignot et le village de Fontenelles, jusqu’a une eime 
du Jura situee a environ sept ou huit mille pieds au nordouest 
du village de la Brevine, ou elle Ketombera dans l’ancienne 
limite de la France. 

7. Dans le d&partement du Léman, les frontieres entre 
le territoire francois, le pays de Vaud et les diflerentes por- 
tions du territoire de la republique de Geneve (qui fera partie 
de la Suisse), restent les m&mes qu’elles etoient avant l’incor- 
poratiön de Geneve ala France. Mais le canton de Frangy, 
celui de Saint-Julien à l’exgeption de la partie situee au nord 
d’une ligne à tirer du point o la riviere de laLaire entre pres 
de Chancy dans le territöire genevois, le long des confins de 
Seseguin, Lacouex et Seseneuve, (qui resteront hors des limites 
de la France), le canten de Reignier (& l’exception de la por- 
tion qui se trouve à l’est d’une ligne qui suit les confins de la 
Muraz, Bussy, Pers et Cornier, qui seront hors des limites 


- 12 — 


seront ci-apres fixes, les colonies, pächeries, comptoirs et 
etablissewens de tout genre güela France possedoit au ı. jan- 
vier 1792 dans les mers et sur les continens de l’Amerique, de 
V’Afrique et de l’Asie, al’exception toutefois des isles de Tabago 
et de Sainte-Lucie, et de l’isle de France et de ses dependan- 
ces, nomiement Rodrique et les Sechelles, lesquelles & M. 
' Tres-Chretienne cede en toule propricte etsouverainetea S. M. 
Britannique, comme aussi de la partie de Saint Domingue cedee 
ala France par la paix de Basle et que S. M. Tres-Chretienne 
retrocede à S. M. Catholique en toute propriete et souverainete. 
| Art. IX. 

S. M. le Roi de Suede et de Norweg&, en consequence 
d’arrangemens pris aveo ses allids, et pour l’execution de l’ar- 
ticle precedent, consent à ce que l’isle de la Guadeloupe soit 
restituce a S.M. Tres-Chretienne, et cede tous les droits qu'il 
peut avoir sur celte isle. | 

Art. X. 

S. M. Tres fidele, en consequence d’arrangemens pris aveo 
sesallies, et pour l’execution de l’article 8, s’engage A resti- 
tuer à S. M. Tres-Chretienne, dans le delai ci-apres fixe, la 
Guyane frangoise, telle qu’elle existoil au 1. janvier 1792. 

L’effet de la stipulation ci-dessus, etant de faire revivrela 
contestation existante a celte @poque au sujet des limites, il est 
convenu que cetie contestation sera terminee par un arrange- 
ment amiable entre les deux cours, sous la mediation de S. M. 
Britannique. 

Art. XI. — 

Les places et forts existans dans les colonies et établisse- 
mens qui doiveht etre rendus AS. M. Tres-Chretienne, en ver- 
tu des articles B, get ı0 seront remis dans l’etat ou ils se_ 
trouveront au moment de la signature du present traite. 

Art. XII, 

$. M. Britannique s’engage & faire jouir les sujets de S. M. 
Tres- Chretienne relalivement au commerce et ä la sürete de 
leurs personnes ei proprietes dans les limites de la souverainete 
britannique sur le continent des Indes, des memes facilites, 
privileges et protection qui sont A present ou seront accordes 
aux nalions les plus favorisees. De son cöte, S. M. Tres- 
Chretienne n’ayant rien plus à cur que la perpetuite de la 
paix entre les deux couronnes de France et d’Angleterre, et 


voulant eontribuer, autant qu’il est en elle, à ecarter des à 
present des rapports des peuples, ce qui pourroit un jour alte- 
rer la bonne intelligence mutuelle, s’engage a ne faire aucun 
ouvrage de fortification dans les etablissemens qui lui doivent 
_ &tre reslitues et qui sont situes dans les limites de la souve- 
rainete britannique sur le continent des Indes, et a ne meltre 
dans ces etablissmens que le nombre de troupes necessaires 
pour le maintien de la police. 
Art. XIII. 

Quant au droit de peche des Frangois sur le grand banc de 
Terre-Neuve, sur les cötes de l'isle de ce noın et des isles 
adjacentes, et dans le golfe de Saint-L.aurent, tout sera remis 
sur Je meme pied qu’en 1792. 

Art, XIV. 

Les colonies, comptoirs et elablissemens qui doivent etre 
restitues a $. M. Tres-Chretienne par $. M. Britannique ou 
ses allies seront remis, savoir: ceux qui sont dans les mers du 
Nord ou dans les mers et sur les continens de l'Amérique et de 
’Afrique, dans les trois mois, et ceux qui sont au dela du Cap 
de Bonne Esperance dans les six mois qui suivront la ratifica- 
tion du present traite. 

Art. XV. \ 

Les hautes parties contractantes s’etant reserve parl'art. 4 
de la convention du 25. Avril dernier, de regler dans le pre- 
sent traite de paix definitive le sort des arsenaux et des vais- 
seaux de guerre armes et non arınds qui se trouvent dans les 
places maritimes remises par la France en execultion de l’art. ⸗ 
de ladite convention, il est convenu que lesdits vaisseaux et bä- 
timens de guerre armes et non armes, comme aussi l’artillerie 
navale etles munitions navales etttous les matcriaux de construc- 
tion et d’armement, seront parlages entre la France et le pays 
ou les places sont situees, dans la proportion de deux tiers pour 
la France et d’un tiers pour les puissances auxquelles lesdites 
places appartiendront. 

Seront consideres comme materiaux et partages comme tels 
dans la proportion ci-dessus enoncee, apres avoir ete demolis, 
les vaisseaux et bälimens en construction qui ne seroient pas 
en etat d’ötre mis en mer six semaines apres la signature du 
present traite. 

Des commissaires seront nommes de part et d’autre pour 


arröter le partage et en dresser l’elat, et des passeports ou sauf- 
conduits seront donnes pars les'puissance alliees pour assurer 
le retour en France des ouyriers, gens de mer et employs 
frangois. 

Ne sont compris dans les stipulations ci-dessus les vaissezur 
et arsenaux existant dans les places maritimes qui seroient tom- 
bees au pouvoir des allies anterieurement au 25. Avril, ni les 
'vaisseaux el arsenaux qui appartenoient à la Hollande, ei nom- 
mement la flotte du Texel. 

Le gouvernement de France s’oblige a retirer ou à faire 
vendre tout ce qui lui appartiendra par les stipulations ci-des 
sus enoncees, dans le delai de trois mois apres le pariage 
efleciue. 

Dorenavant le port d’Anvers sera uniquement un port de 


commerce. 
Art. XVI. 

Les hautes parties contraclantes, voulant mettre et faire 
metire dans un entier oubli les divisions qui ont agite l’Euro- 
pe declarent et promettent que, dans les pays restitues. et ce- 
des par le present traite, aucun individu, de quelgte classe et 
‘condition qu’il soil, ne pourra éêtre poursuivi, inquiete ou 
trouble, dans sa personne ou dans sa propriete, sous aucun 
pretexte, ou a cause de sa conduite ou opinion politique, ou de 
son attachement, soit a aucune des parties contraclantes, soit 
a des gouvernemens qui ont cesse d’exister, ou pour toute 
autre raison, si ce n’est pour les deltes contractees envers des 
individus, ou pour les actes posterieurs au present traite. 

Art. XV. 

Dans tous les pays qui devoient ou devront changer de 
maitres, tant en verlu du' present traité, que des arrange- 
mens qui doivent ötre faits en consequence, il sera accorde 
aux habitans naturels et etrangers, de quelque condition et na- 
tion qu’ils soient, un espace de six ans, a compter de l’echan- 
ge des ratificalions, pour disposer, s’ils le jugent convenable, 
de leurs proprietcs acquises, soit avant, soit depuis la guerre 
actuelle, etse retirer dans tel pays qu’illeur plaira de choisır. 

i Art. , XVII. 

Les puissances alliees voulant donner à S. M. Tres-Chre- 
tienne un nouveau temoignage de leur desir de faire disparoi« 
tre, autant qu’il est en elles, les consequences de l’epoque de 

\ 


1 


malheur si heureusement terminee par la presente paix, re- 
noncent à la totalite des sommes que les gouvernemens ont A 
reclamer de la France a raison de contrais, de fournitures ou 
d’avances quelconques failes au gouvernement frangois dans 
les differentes guerres qui ont eu lieu dequis 1792. 

De son eöte, S. M. Tres-Chretienne renonce à toute re- 
clamation qu’elle pourroit former contre, les puissances alliees 
aux mömes titres. En execution de cet article, les hautes par- 
ties contractantes s’engagent à se remettre ınutuellement tous 
les titres, obligations et documens qui ont rapport aux crean- 
ces auxquelles elles ont reciproquement renonce. 

| Art. XIX. 

Le gouvernement frangoiss’engage a faire liquider et payer 
les somınes qu’il se trouveroit devoir d’ailleurs dans des pays 
hors de son territoire,, en vertu de contrats ou d’autres enga- 
gemens formels passes, entre ‘des individus ou des etablisse- 
mens particuliers et les autorites frangoises, tant pour fourni- 
tures qu’a raison d’obligations legales. 

Art. XX. 

Les hautes puissances contractantes nommeront immedia- 
tement apres l’echange des ratifications du present traite des 
commissaires pour regler et tenir la main a l’execution de l’en- 
semble des dispositions renfermees dans les articles ı8 et 19. 
Ces commissaires s’occuperont de l’examen des reclamations 
dont il est parle dans l’article precedent, de la liquidation des 
sommes reclamees, et du mode dont le gouverneiment francois 
proposera de s’en acquilter. Ils seront charges de meme de 
le remise des titres, obligations et documens relatifs au cre- 
ances auxquelles les hautes parties contraclantes renoncent mu- 
tuellement, de maniere que la ratification du resultat de leur 
travail complettera cette renonciation reciproque. 

Art. XXI. 

Les dettes specialement hypothequees dans leur origine sur 
les pays qui cessent d’appartenir à la France ou contractées 
pour leur administration interieure, resterent a la charge de 
ces mêmes pays. Il sera tenu compte en consequence au gou- 
vernement frangois, à parlir du 22. Decembre 1815, de celles 
de ces dettes qui ont ete converties en inscriplions au grand 
livre de la dette publique de France. Les titres de toutes cel- 
des qui ont ets preparees pour l’inscription et'n’on pas encore 


— 16 — 


ete inserites seront remis aux gouvernemens des pays respet 
tifs, Les etats de toutes ces deltes seront dresses et arreies 
par une commission mixle, 

Art. XXII. 

Le gouvernement frangois restera ‘charge, de son cöte, 
du remboursement de toutes les sommes versees par les sujels 
des pays ci-dessus mentionnes, dans les caisses francoises, soit 
a titre de caulionnemens, de depöts ou de consignations. De 
meme les sujeis frangois, sefvileurs des dits pays, qui ont 
verse des sommes a titre de caulionnemens, depöts ou consig- 
nations, dans leurs Iresors respectifs, seront fidelement rem- 
bourses. 

Art. XXI, 

Les titulaires des places assujetties a cAutionnement, gui 
n'ont pas de maniement de deniers, seront rembourses avec 
les interets jusqu’a parfait pafement a Paris, par cinquieme et 
par annee, a partir de la date du present traite. 

Al’egard de ceux qui sont comptables, ce remboursement 
commencera au plus tard six mois apres Ja presentation deleurs 
comptes, le seul cas de malversation excepte. Une copie du 
dernier compte sera reise au gouyernement de leur pays, 
pour lui servir de renseignement et de point de depart. 

Art. XXIV. 

Les depöts judiciaires et consignations faits dans la caisse 
d’amortissement en execution de la loi du 28 Nivöse an ı5 (18 
Janvier ı805) et qui appartiennentä des habitans des pays que 
la France cesse de posseder, seront remis, dans le terme d’une 
année a compter de l’echange des ralifications du present trai- 
te, entre les mains des autorites des dits pays, & l’exception 
de ceux de ces depöls et consignations qui interessent des sujets 
frangois, dans lequel cas ils resteront dans la caisse d’amor- 
tissement, pour n’etre remis que sur les justifications resultantes 
decisions des autorites competentes. 

\ Art. XXV. 

Les fonds deposes par les communes et etablissemens pu- 
blics dans la caissse de service et dans la caisse d’amortisse- 
ment ou dans toute autre caisse du gouverment, leur seront 
rembourses par cinquiemes d’annee en annde, A partir de la 
date du present fraite, sous la deduction des avances qui leur 
auroient etö faites, et sauf les oppositions regulieres failes sur 

ces 


— 


ces fonds par des creanciers desdites communes et desdits eta- 
blissemens publics. | 5 
Art. XXVI. 

A dater du ı. Janvier 1614, le gouvernement frangois cesse 
d’ötre charge du paiement de toute pension civile, militaire 
et ecclesiastique, solde de retraite et traitement de reforme, 
& tout individu qui se trouve n’ötre plus sujet francois. 


Art. XXVII. 

Les domaines nationaux acquis à titre onereux par des su: 
jets frangois dans les ci-devant departemens de la Belgique, 
de’la rive gauche du Rhin et des Alpes, hors des anciennes 
limites delaFrance, sont et demeurent garantis aux aequereurs. 


Art. XXVIII. 

L’abolition des 'droits d’aubaine, de detraction et autre de 
la m&me nature dans les päys qui l’on reciproquement stipulee 
avec la France, ou qui lui avoient precedemment été reunis; 
est expressement maintenue. 


Art. XXIX. 

Le gouvernement frangois s’engage & faire restituer les 
obligatiens et autres titres qui aurdient été saisis dans les pro- 
vinces dccupees par les armees ou administrations frangoises; 
et, dans les cas ou la restilution ne pourroit en etre effectude, 
ces obligations et titres sont et demeurent aneantis. 

Art. XXX. 

Les sommes qui seront dues pour tous les'traveaux d’uti- 
lite publique non encore terminds , ou fermines posierieurement 
au 3ı Decembre ı8ı2 sur le Rhin et daris les departemens de- 
taches de la France par le present traite, passeront à la char: 
ge des futures possesseurs du lerritoire, et seront liquidees par 
la commission chargee de la liquidation des dettes des pays. 

Art: RXXI. 

Les archives, cartes, plaris et documens quelconque ap- 
partenans aux pays cedes, ou concernant leur administration, 
seront fidelement rendus en m&me tems que le pays, ou, si 
cela etoit impossible, dans un delai qui ne pourra ètre de plus 
de six mois apres la remise des pays ınemes. 

Cette stipulation est applicable aux archives, cartes et 
planches qui pourroient avoir été enleves dans les pays mo» 
mentanement occupes par les differentes armees: 


Codex Diplomaticus. (Enr, Unnal. 1315.) 2 


Art. XXX. 

Dans le delai de deux’mois toutes les puissances qui ont 
ete engagees de part et d’autre dans la presente guerre enver- 
ront des plenipotentiaires a Vienne, pour’ regler, dans un 
congres general, les arrangemens m cirent completer les 
dispositions du present traite. 

Art: XXXIII. 

Le present traite sera ratihie, etles ratifications en seront 
echangees dans le delai de ı5-jours, ou plutöt si faire se peut. 

En foi de quoi, les plenipotentiaires respectifs l’ont signe 
et y ont appose le cachet de leurs armes. 

Fait a Paris, le 50 Mai, l’an degrace 1814. 

Le prince de Benevent. 
. Le prince de Metternich. 
ö Jh V. Comte de Stadion. 


Article additionnel. 

Les hautes parties contraclantes voulant eflacer toutes les 
traces des evenemens malheureux qui ont pese sur leurs peu- 
ples, sont conivenues d’annuller explicitement les eflets des trai- 
tes de ı805 et ı8og, en aufant qu’ils ne sont deja annulles de 
fait par le present traile. En consequence de cette determi- 
nation, S. M. Tres-Chretienne promet que les decrets portes 
contre des sujets francgois ou reputes frangois etant ou Ayant ete 
au service de S. M. J. et R. Apostolique, demeureront sans 
effet, ainsi que les jugemens qui 0 ont pu etre rendus en execu- 
tion de ces decrets. 

Le present article additionnel aura la m&me force et va- 
leur que s’il etoit insere mot A mot au traite patent de ce jour. 
ll sera ratifie et les ratifications en seront echanzees en meme 
tems. En foi de quoi les plenipotentiaires respectifs l’ont 
signe et y ont appose le cachet de leurs armes, 

Fait à Paris, le5o Mai, l'an de grace ı8ı4. 
„ WSuwent les memes signatures.) 


\ 


* 


Le même jour, dans le même lieu et au méême moment, le 
" m&me traite de paix definitive a ete conclu entre la France et 
la Russie, entre la France et la Grande-Bretagne, entre la 
France etla Prusse, et signe, savoir: 

Le traite entre la Erance et la Russie: Pour la France, 
par M. Charles- Maurice Talleyrand-Perigord, prince de Be- 


| u. 
nevont eto,; etpour laRussie, par MM. Andre, comte de Rasu- 
mowsky, conseiller prive actuel de S. M. l’Empereur de tou- 
tes les Russies, chevalier des ordres de Saint-Andre, de Saint- 
Alexandre-Newsky, grand-croix de celui de Saint- WiAdimir 
de la premiere classe; et Charles- Robert, comte de Nessel- 
rode, conseiller prive de Sa dite Majesté, chambellan actuel, 
secretaire-d’etat, chevalier des ordres:de St. Alexandre-News- 
ky, grand-croix de celui de Saint- Wladimir de la 2. classe, 
grand-croix de l’ordre de S. Leopold d’Autriche, de celui de 
l’Aigle-rouge de Prusse, de l’Etoile polaire de Suede et de 
l’Aigle d’or de Wurtemberg. 

Le traite entre la France et la Grande-Bretagne: Pour la 
France, par M. Charles-Maurice Talleyrand-Perigord, prince 
de Benevent etc.; et pour laGrande-Bretagne, par le tres-hono- 
rable Robert Stewart, vıcomte Castlereagh, conseiller de S. M. 
le Roi du royaume-uni de la Grande-Bretagne et d’Irlande en 
son conseil prive, membre de son parlement, colonel du re- 
giment de milice de Londonderry et son principal secretaire» 
d’etat, ayant le departement des aflaires etrangeres, etc., elc., 
etc. Le sieur Georges Gordon, comte d’Aberdeen, vicomte 
de Formatine, lord Haddo, Methlic, Tarvis et Kellie, etc., 
l'un des seize pairs, representant la pairie de l’E.cosse dans la 
chambre haute, chevalier de son ires-ancien:et tres-noble or- 
dre du Chardon, son ambassadeur extraordinaire et plenipo- 
tenliaire pres S. M. I. et R. Apostolique. Le sieur Guillaume 
ShawCathcart,vicomte de Catheart, baron Cathoart, et Greenock, 
conseiller de Sa dite Majeste en son conseil prive, chevalier de 
son drdre du Chardon et des ordres deRussie , general dans ses 
arnees, etson,ambassadeur extraofdinaire et plenipotenliaire 
pres S. M. l’Einpereur de toutes les Russies. Et l’honorable Cha- 
rles-Guillaume Stewart, chevalier de son tres-honorable ordre 
du Bain, nembre de son parlement, lieutenant generaldans ces 
armees, chevalier des ordres de PAigle-noir et de l’Aigle-rou- 
ge de Prusse et de plusieurs autres, et son envoye eXtraordi- 
naire et ministre plenipotentiaire pres S. M. le Roi de Prusse. 

Le traite entre la France et la Prusse: Pour la France, 
par M. Charles-Maurice Talleyrand-Perigord, prince de Be- 
nevent, etc. Et pour la Prusse, par MM. Charles- Auguste 
baron de Hardenberg, chancelier d’etat de S. M. le Roi de 
Prusse, cheyalier du grand ordre de l’Aigle-noir, de l’Aigle- 


rouge, de ceiui de St.-Jean de Jerusalem et de la Croix de 
fer de Prusse, grand-aigle de la Legion-d’honneur,, chevalier 
des ordres de St. Andre, de Ste. Alexandre-Newsky et de Ste.- 
Anne de premiere olasse de Russie, grand-croix de l’ordre de 
St.- Etienne de Hongrie, chevalier de l’ordre de St.- Charles 
d’Espagne, de celui des Seraphins de Suede, de l’Aigle d’or 
de Wurtemberg et de plusieurs autres; et Charles-Guillaume, 
baron de Humboldt, ministre-d’etat de Sa dite Majeste, cham- 
bellan et envoye extraordinaire et ministre plenipotentiaire 
aupres de S. M.I. et R. Apostolique, chevalier du grand ordre 
de l’Aigle-rouge, de celui de la Croix de fer de Prusse ei de 
celui de Ste.- Anne de premiere classe de Russie. 

Avec les articles additionnels Suivans: 

Article additionnel au traite avec la Russie. 

Le duche de Varsovie etant sous l’administration d’un con: 
seil provisoire etabli par la Russie, depuis que ce pays a eie 
occupe par ses armes, les deux hautes parties contractantes 
sont conyenues de nommer imnediatement une conmission 
speciale composee de part et d’autre, d’un nombre egal de 
commissaires qui seront charges de l’examen, de la liquidation 
et de tous les arrangemens relatifs aux pretentions reciproques. 

Le present artiole additionnel aura la même force et va- 
leur que s’il etoit insere mot a mot aw traite patent de ce jour: 
Il sera ratifie, et les ratificalions en seront echangees en meme 
tems. En foi de quoi les plenipotentiaires respectifs l’ont sigue 
et y ont appose le cachet de leurs armes. 

Fait a Paris, le 30 Mai ı8ı4. : 

Le prince de Benevent. 
\ Andre, comte de Rasumowsky. 
Charles - Robert, comte de Nesselrod®. 


Articles additionnels au traite avec la 
Grande - Bretagne. 
Art. 1. 
S. M. Tres-Chretienne, partageant sans reserve tous les 
“ sentimens de S. M. Britannique relativement a un genre de 
commerce que repoussent et les principes de la justice naturel- 
le et !es lumieres des tems ou nous vivons, s’engage a unir, au 
futur congres, tous ses eflorts A ceux de $. M. Britannique, 
pour faire prononcer par toutes les puissances de la chretiente 


— 


V’abolition de la traite des noirs de telle sorte que laditetraite 
cesse universellement, comme elle cessera definitivement et 
dans tous les cas, de la part de la France, dans un delai de 
eing annees, et qu’en outre, pendant la duree de ce delai, 
aucun trafiquant d’esclaves n’en puisse importer, ni vendre 
ailleurs que dans les colonies de l’etat dont il est sujet. 


Art. Al, 

Le gouvernement britannique et le gouvernement francais 
nommeront incessament des commissaires pour liquider leurs 
depenses respeclives pour l’entretien des prisonniers de guerre, 
afın de s’arranger sur la maniere d’acquitter l’excedent qui se 
_ trouveroit en faveur de l’une ou de l’autre des deux puissanoes. 


Art. II. 

Les prisonniers de guerre respectifs seront tenus d’acquit- 
ter, avant le depart du lieu de leur detention, les dettes par- 
ticulieres qu’ils pourroient y avoir contractees, ou de donner 
au moins caution satisfaisante, 


Art. IV. 

Il sera accorde de part et d’autre, aussitöt apres la ratifica- 
tion du present traite de paix, main-levee du sequestre qui 
auroit ete mis depuis l’an mil sept cent quatre-vingt-douze, 
sur les fonds, revenus, creances et autres eflets quelconques 
des hautes parties contragtantes ou de leurs sujels. 


Les mömes commissaires dont il est fait mention A l’art. a, 
s’occuperont de l’examen et de la liquidation des reclamations 
des sujets de $. M. Britannique envers le gouvernement fran- 
cois, pour la valeur des biens meubles ou immeubles indue- 
ment confisques par les autorites frangoises, ainsi que pour la 
perte totale au partielle de leurs oreances, ou autres proprie- 
"tes induement retenues sous le sequestre depuis l’annee mil 
sepi cent quatre-vingt-douze. 


La France s’engage à traiter à oet egard les sujets anglois 
aveo la m&me justice que les sujets frangois ont eprouvee en 
Angleterre, et le gouvernement anglois desirant concourir 
pour sa part au nouveau temoignage que les puissances alliees 
ont voulu donner à S. M. Tres-Chretienne de leur desir de 
faire disparoitre les consequences de l’epoque'de malheur, si 
heureusement terminee par la presente paix, s’engage de son 


oöte à renoncer, des que justice eomplette sera rendue à ses 
sujets, à la totalile de l’excedent qui se trouveroit en sa fa- 
veur, relativement a l’entretien des prisonniers de guerre, de 
maniere que la ratification du resultat du travail des commis- 
saires susmentionnes et l’aoquit des sommes, ainsi que la resti- 
tution des eflets qui seront juges appartenir aux sujets deS.M. 
Britannique, completleront sa renonciation, 


Art, V, 


Les deux hautes parties contraotantes desirant d’etablir 
les relations les plus amicales entre leurs sujets respectifs, se 
reservent et promettent de s’entendre et de s’arranger, le plu- 
töt que faire se pourra, sur leurs intereis commerciaux, dans 
V’intention d’encourrager el —— la prosperite de leurs 
etals respectils, 


Les presens articles additionnels auront la même force et 
valeur que s’ils etoient inseres mot a mot au traite de ce jour. 
Ils seront ratifies, et les ratifications en seront echangees en 
meme lems. En foi de quoi les plenipotentiaires respeclifs les 
ont signes et y ont appose le cachet de leurs armes. 


Fait a Paris, le 50 Mai, de l’an de gräce ıBı4. 
"Le prince de Bendvent. 
& astlereagh. 
Aberdeen, 
Cathcart. 
ü Charles Stewart , lieut,- general. 


Article additionnel au trait& avec la Prusse. 


Quoique le traite de paix conclu à Basle le 5 Avrilı795, 
celui de Tilsit du g Juillet 1807, la convention de Paris du 20 
Septembre ı808, ainsi que toutes les conventions et actes quel- 
conques conclus depuis la paix de Basle entre la Prusse et la 
France soient deja annules de fait par le present traite, les 
hautes parties contraotantes ont juge neanmoins à propos de 
declarer encore expressement que lesdits trailds cessent d’etre 
obligatoires pour tous lenrs arlicles tant patents que secrets, 
et qu’elles renoncent mutuellement à tout droit et se degagent 
de toute obligation qui pourroient en decouler. 


$. M. Tres-Chretienne promet que les decrets portes con- 
tre des sujets frangois ou reputes frangois, elant ou ayant ele 
Au service de S. M. Prussienne, demeureront sans effet, 'ainsi 
que les jugemens qui ont pu être rendus en @xecution de ces 
decrets. 

Le present article additionnel aura la m&me force et va- 
leur que s’il etoit insere mot a mot au traite patent de ce jour. 
ll sera ratifie, et les ratifications en seront echangees en m&me 
“tems. En foi de quoi les plenipotentiaires respectifs l’ont gas 
et y ont appose le cachet de leurs armes. 

Fait a Paris, le 50. Mai 1814. 

Le prince de Benevent. 
"Charles- Auguste baron de Hardenberg. 
C harles-Guillaume baron de Humboldt. 


3+ | 
Konvention zwifchen Or. brittifhen Majeftät und 
Sr. Majeftät dem Kaifer aller Reußen, unters 
zeichnet zu Reichenbach, den 15. Sun. 1813. 


Im Namen der allerheiligften und untheilbaren Dreveinig: 
feit! Se. Maj. der König des vereinigten Königreichs Großbri— 
tannien und Irland und Se, Mai. der Kaiſer aller Reußen has 
ben fein Opfer geipart, feine Anjtrengung vernachläßigt, um 
den Vernichtungplanen des Feindes von Europa Graͤnzen zu fe: 
pen. Zu einer Zeit, wo die Borfehung ihre Waffen fo offenbar 
begünftigt hat, find 33. MM,, befeelt von dem Wunſche, den 
Voͤlkern Unabhängigkeit, Frieden und Wohltahrt wieder zu ges 
ben, mit der Abſicht, alle in Ihrer Gewalt ftehende Mittel zur 
Grreihung diefes heilſamen Endzwecks anzuwenden, übereinge: 
fommen, dur eine befondere Konvention die Beichaffenheit 
der Geldiubfidien und der Hülfe feitzuiegen, welde beyde Kro— 
nen einander während des Kriegs gegenfeitig leiften follen. Sie 
haben zu ihren refpeftiven Bevollmächtigten ernannt: Se Mai. 
der König des vereinigten Königreibe Großbritannien und Ir— 
land, William Shaw, Viscount Catbcart, Baron Cath— 
cart und Grenock, einen der Pairs des Parlements, Ihren 


Geheimenratb, Wiceadmiral von Schottland und General in der 
Armee, Obriften des zweyten Leibgarde-Negiments und Nitter 
des ſeht alten und ſehr edeln Diftelordens ıc., auferordentlicen 
Geſandten und Bevollmächtigten be» Sr. Maj. dem Kaifer aller 
Meufen; und Ee, Maieftät der Kaiſer aller Reußen, den Grafen 
Karlvon Neifelrode, Ahren Gebeimenratb, Staatsiefre: 
tar, wirfliben Kammerberrn, Nitter des St. Wladimirordens 
dritter Klaffe, und Johann von Anftetr, Shren Geheimen: 
rath, Nitter des St. Wiadimirordens erfter, des St. Anmenor: 
dens erfter,Klaffe, und des heil. Nobannes von Jerufalem; die, 
nach Vergleichung und Auswehelung ihrer Vollmachten, nads 
ftehende Artikel abaefchlofien haben: Art. ı. Se. Mai. der Kais 
fer aller Reußen, feſt entibloffen, den gegenwärtigen Krieg mit 
der duferiten Energie zu führen, machen ji anheiſchig, anfer 
den Feſtung-Garniſonen, fortwährend einhundert und ſechzig— 
taufend Mann Truppen von aller Gattung auf den Beinen zu 
erhalten. — Art. 2. Um Ihrerſeits zu demielben Zwede auf 
die wirkfjamfte und fchnellite Weife mitzumirfen, maben Ib Se. 
Majeftät der König von Großbritannien anheiſchig, für den Be; 
darf des Jahrs 1813 folgende Summen zur Diipotion Sr. Mai. 
des Kaifers aller Reußen zu ftellen: 1) Eine Milton bundert 
und drey und dreyßigtauſend, drenhundert und vier und drepßig 
Pfund Sterlinge, zabibar in London. 2) Uebernimmt England 
die Unterhaltung der gegenwärtig in den Häfen Grofbritannieng 
befindlichen rufliiben Flotte und des darauf befindlihen Soiffs— 
volfs; eine Ausgabe, die auf fünfmalhunderttaufend Pfund 
Sterling angefchlagen wird. — Art. 3 Die Summe von eis 
ner Million drepbundert und drey und dreißigtaufend, drevhun— 
dert und vier und dreyßig Pfund Sterling foll monatsmweiie bes 
zahlt werden, fo daß das Ganze am ı. Yan, 1814 abgetragen 
ſeyn fol. — Art. 4. Um dem Mangel an baarem Gelde, der 
ben der Cirfulation auf dem Kontinente tagtäglich fühlbarer 
wird, abzuhelfen, und in diefem wichtigen Kampfe alle Mittel 
zu vereinen, welche den Grfolg deſſelben fiber ftellen können, 
find die beyden hohen Fontrahirenden Mächte, im Cinveritänds 
nis mit Er. Mai. dem Könige von. Preußen, übereingefommen, 
unter dem Namen Föderativgeld, Banfnoten, an den Bor: 
zeiger zahlbar, auszugeben. a. Die Eumme dieſes Papiergelds 
ſoll fich nicht über fünf Millionen Pfund Sterling belaufen, wos 
für die drey kontrahirenden Mächte fich verbürgen. Swep Drits 


theile diefer Summe werden zur Diepofition von Mußland und 
ein Drittheil zur Dispofition von Preußen gefeht. b. Die Wie; 
derbezahlung diejer Summe von fünf Millionen Pfund Sterling 
Toll durch die drey Mächte in folgendem Verhaͤltniſſe und auf 

volche Weife gefbehen, daß England nur drey Sechstheile, 
Mußland zwen, und Preußen eins übernimmt. c. Diefe 
MWiederbezahlung foll nicht vor dem ı. Jul. 1815 oder ein halbes 
Jahr nah Abſchluß eines Definitivfriedeng ftattfinden. d. Die 
fünf Millionen Pfund Sterling des auf folbe Weile im Namen 
der drey Mächte ausgegebenen Föderativgeldes follen nur für die 
Kriegsausgaben und um die Armeen in Aktivität zu erhalten, 
angewandt werden. e. Eine von den drey Mächten ernannte 
Kommiſſion wird Alles, was auf die Vertbeilung diefer Summe 
Bezug bat, in Ordnung bringen. Die Zahlungen follen nad 
und nah monatsweiſe geleiftet werden. Alles jedoch, was die 
Form, die Garantie, die Ausgabe, die Hebertragung, die Cir— 
fulation und die Miederbezahlung diefes Papiergelds betrifit, 
ſoll no befonders von einer Spezialfommiifion regulirt werden, 
und die Stipulationen darüber ſollen diejelbe Kraft und Gültigs 
tigfeit haben, als wenn fie Wort für Wort im gegenwärtigen 
Traktat ftünden. -— Art. 5. Da die brittiihe Regierung, 
dem zweyten Arrifel zufolge, für die Summe von 500,000 Pfund 
Sterling die Unterhaltung der ruſſiſchen Flotte übernommen bat, 
fo willigen Se. Majeftät der Kaifer aller Reußen Ihrer Seite 
ein, daß Se. brittiſche Majeftät die befagte Flotte in den euro: 
paͤiſchen Meeren fo gebrauden, wie Sie es am zuträglicften 
für die Operationen gegen den gemeinſchaftlichen Feind erachten. 
— Urt. 6, Obgleich durch gegenwärtige Konvention ftipulirt 
wird, daß die Eubfidien von Großbritannien nur während des 
Jahrs 1813 geleifter werden follen, fo veriprechen jedoch die 
bevden hohen Fontrahirenden Mächte, weil ihre gegenfeitigen 
Berpflibtungen fo fange in Kraft ſeyn follen, als der gegenwär— 
tige Krieg dauert, über eine neue, wegen der Hülfe, die fie ein: 
ander leiften wollen, übereinzufommen, wenn, was Gott ver: 
büte, der Krieg über die oben angegebene Zeit binauswähren 
follte; da ein ſolcher neuer Vertrag hauptſaͤchlich zur Abſicht bat, 
Ihren Anftrengungen noch mehr Ausdehnung zu geben. — 
Art. 7. Die beuden hoben Fontrabirenden Maͤchte werden in 
Ruͤckſicht der militäriihen Operationen im größten Einverftänd: 


=. — 26 — 

niſſe miteinander handeln und ſich Alles, was ihre. bepderſeitige 
Politif betrifft, freymuͤthig mittheilen. Die obengenannten 
Maͤchte verpflichten ſich gegenfeitig, nicht abgefondert mit ibrem 
gemeinfchaftliben Keinde zu unterhandeln, und weder einen 
Frieden, Warenftilliiand, oder was immer für eine Konvention, 
anders, als mit gegenieitiger Zuftimmung, abzuſchließen. — 
Art, 8. Es foll vergönnt fepn, Offiziere beo den Oberbefehlsha— 
bern der verſchiednen, im aktiven Dienfte befindlichen Armeen 
zu beglaubigen, und diejen foll frey fieden, mit ihren Höfen zu 
forreipondiren, und fie beftändig von den militärifhen Ereigniſ— 
fen jowol, als Ulem, was auf die Operationen diejer Armeen 
Dezug hat, in Kenntnip zu erhalten. — Art. 9, Gegenmwär: 
tige Konvention foll, fobald als möglich, ratifizirt werden. Ur 
kundlich deſſen haben die gegenfeitigen Bevollmächtigten die aus 
genwärtige Konvention eigenhändig unterzeichnet, und Ihr In— 
fiegel bepgedbrudt. Gegeben Reichenbach den 3. (15.) Jun. 1813, 

Cathcart. 

Karl Graf v. Neffelrode, 

Joh. v. Anſtett. 





4. 
Supplementar⸗Konvention zu den Uebereinkunft⸗ ugd 
Subſidien-Traktaten zwiſchen Sr. brittifchen Maj. 
und IJ. MM. dem Kaiſer aller Reußen und 
dem Koͤnige von Preußen. 


Im Namen der allerheiligſten und untheilbaren Dreveinig— 
feit! Indem die Seltenheit des Metallgeldes bey Verabfolgung 
ber Geldaushülfe, weldbe Se. brittifhe Maj. Ihren Allüirten, 
um die Koften des Krieges gegen Frankreich beftreiten zu beifen, 
jeifien wollen, Schwierigfeiten und bedeutenden Verluſt nad ſich 
sieht, ift zwiihen Sr. Mai. dem Könige der vereinigten Reiche 
Großbritannien und Irland einerfeirs, und II. MM, dem 
Kaifer aller Reußen, und dem Könige von Preußen anderieits 
verabredet worden, daf ein Theil diefer Subfidien mittelit des 
Staatöfredits von Großbritannien und unter der Form von 


Kreditſcheinen entrichtet werden, welche ausichließend für 
die Siriegsausgaben verwendet und in den bier unten beftimm: 
ten Terminen auf die in diefer Kouvenfce feftgefepten Bedin— 
gungen mit baarem Gelde eingelöst werden jolen. Dem zufolge 
und zur Vollziehbung des vierten Artikels der am (3.) 15. Jun. 
laufenden Jahres zu Reichenbach abgefchloffenen Konvention 
haben Se, Maj. der König des vereinidten Reichs Großbritan: 
nien und Irland und Se, Mai. der Kaiſer aller Reußen, Bevoll; 
mächtigte zur Abſchließung gegenwärtiger Konvention ernannt, 
naͤmlich: Se. Maj. der König des vereinigten Reichs Großbri— 
tannien und Irland den Herrn Nobert Stewart Viscount 
Caſtlereagheꝛc ꝛc., und ©. Maj. der Kaifer aller Reußen, den. 
Grafen v. Lieven, General: Lieutenant Ihrer Armee ıc. ꝛc., 
weiche nach Auswechslung ihrer gegenfeitigen, in guter und ges 
höriger Form befundenen, Vollmachten über folgende Artikel 
übereingefommen find; 

‚Art. 1. Se, brittiibe Majeſtaͤt machen fih anheiſchig, Ih: 
rem Varlement vorzuichlagen, daß es feine Zuftimmung ertheile, 
daß für dritthalb Millionen Pfund Sterling, oder fünfzehn Mil; 
lionen preufifher Thaler (nach dem Münziufe von 1764) folder 
Krediticheine zum Beten SF. MM. des Sailers aller Reußen 
und des Königs von Preußen ausgefertigt werden; und von dies 
fer Summe joll eine Million preußiihe Thaler monatlih big 
drey Monate nach der Unterzeichnung des allgemeinen Friedens, 
falls fie früber ftattfinden follte, als die ganze oben belagte 
Summe in Umlauf ift, binausgegeben werden, Der Werth ei: 
nes jeden diefer Scheine ſoll zugleich in preufiichen Thalern und 
in fpanifchen Piaftern (piastres fortes d’Espagne), den Piajter 
zu anderthalb Thaler gerechnet, darauf ausgedruckt ſeyn. Das 
Formular iſt dem gleich, welches gegenwaͤrtiger Konvention bey— 
gefuͤgt iſt. Dieſe Scheine werben ausſchließend und ſobald als 
moͤglich von der brittiſchen Regierung verfertigt. Sie werden 
geſetzlich garantirt, und ſind einen Monat nach Ratifikation des 
Friedens in baarem Gelde zahlbar. — Art. 2. Zwev Drit— 
theile der folchergeſtalt jden Monat hinausgegebenen Summen 
ſollen Sr. Majeſtaͤt dem Kaiſer aller Reußen und ein Drittheil 
Er. Majeſtaͤt dem Koͤnige von Preußen für die Beduͤrfniſſe ih— 
rer Armeen zulommen. Die Hinausgabe joll vom (3.) 15. Jun, 
laufenden Jahre an gerechnet werden. Seine brittiihe Majeftät 
machen fich daher anheiichig, Ihren Majeſtaͤten tem Kaifer nnd 


— 28 — 


dem König das erſte Mal fo viel Millionen Thaler dieſer Schei— 
ne, als Monate feit dem 3. (15.) Yun. dieres Jahrs verfloſſen 
find, und dann jeden Monat eine Million Thaler jo lange zur 
Difpofitton zu geben, bis die obbefagten ı5 Millionen Thaler 
vol find. — Art. 3. Dieſe Kreditſcheine sollen Milios 
nen Thalerweife nah dem Datum ihrer Hinausgabe befonders 
Haflifiziert und numerirt, auggefertigt, und jede Million in 
Reihen (Series), und diefe Neihen wieder in Nummern abge: 
theilt werden; fo daß auf den Scheinen der Monatdtag, an 
welchem fie binausgegeben, die Millionen, zu welcher fie geb: 
‚ ren, die Meibe, im welcher fie ftehen, und die Nummern im 
diefer Reihe ausgedrudt find. Es follen feine Scheine unter 
hundert preußifben Thalern verfertigt werden. Art. 4. € 
follen von Seite der hoben fontrabirenden Theile Kommiffarien 
auf dem Kontinent ernannt werden, um die Girfulation der be: 
fagten Papiere, den in gegenwärtiger Konvention aufgeitellten 
Grundfdgen gemäß, zu leiten; diefe Kommiſſarien follen vor: 

zugsmwelfe aus dem Handelsftande gewählt werden. Eie bean 

ſich uber alle die Maßregeln einzuverftehen, welche fie zu Gunften 
des Kredits der befagten Papiere für dienlich erachten werden, 

und den rußiihben und preußiſchen Kommiffarien, welchen die 
obenerwähnten Scheine eingehändiat werden follen, liegt es ob, 
befonders dafür zu forgen, daß die Hinausgabe derfelben der: 
geſtalt requlirt werde, das ihr Kredit dabey nicht gefährdet wer: 
de. — Art.5. Diefe Kreditibeine tragen feine Zinfen; allein 
es ſoll in irgend einer Stadt von Nord» Deurtichland, welche die 
brittiihe Negierung in Cinverftändniffe mit der rußiſchen und 
preußiſchen bierzu beftimmen wird, ein Hauptfomtoir errichtet 
werden, wo die Befiser diefer Scheine fie zu 6 Prozent fundis 
ren, d. b. in fechsprozentige Staats: Obligationen verwandeln 
fünnen, woruber auf diefelbe Weile, wie über die engliibe Nas 
ttionalihuld, in den Rechnungbüchern der engliiben Bank ein 
Regiſter geführt werden fol; auch fteht es den Innbabern bes 
fagter Scheine frey, fie gegen Schuldfcheine (Debentures) wel: 
che 6 Prozent Zinfen tragen, einreafftrirt und numerirt werden, 
umzujeßen. Die englifhen Kommiffarien auf dem feften Lande 
follen angewiejen werden, dieſes Regiſter, wovon zur Sicher; 
heit der daben intereſſirten Perjonen jeden Monat ein Duplis 
fat nad England zu jenden iſt, zu führen. — Art. 6. Die Sins 
fen der, in Gemäßheit des Art. 5. fundirten und in 6 Prozens 


tige Staats: Obligationen verwandelten, oder gegen Schuld— 
feine umgeiesten, Scheine jollen in was immer für einer 
Stadt von Norddeutichland, welde der Kommiſſar Sr, brittiſchen 
Majeität hierzu befiimmen wird, alle ſehss Monate, von dem 
Monat nach ihrer Ablieferung in das Hanptfomptoir an gerech— 
net, bezahlt werden. Die Zahlung dieſer Zinfen ſowol als Zah— 
lung des Kapitals fol in einer oder der andern der im Art. 1. 
erwähnten Münzforten geihbeben, Die ganzen Scheine, weidhe 
vor Unterzeichnung der Friedend ; Präliminarien weder einregift: 
rirt noch fundirt worden ſeyn follten, genießen vom Tage dieſer 
Unterzeichnung bis zum Tage ihrer Einlöfung monatlich 4 Pros 
zent Interefien. — Art.7. Die Einlöfung fämtliher fünfzehn 
Millionen Thaler Krediticeine, welche Se. brittifhe Majeftät 
auf Sich nehmen, fol, wie im Art. ı, beftimmt iſt, in baarem 
Gelde, entweder in preußifhen Thalern, nah dem Muͤnzfuße 
von 1764 oder in ivanlfchen Piaftern, den Piafter zu anderthalb 
preußifben Thalern gerechnet, monatweife, von dem Monat 
nach Unterzeichnung des allgemeinen Friedens an, Statt finden, 
fo daß jeden Monat eine Million Thaler eingelöst werden wird. 
Diele Einlöofung foll auf folgende Weiſe bewerfftelligt werden: 
Zuerft die fundirten Scheine nah der Zeitordnung ihrer Fundi— 
tung und dann die Monatweife hinaus gegebenen, nicht fundirz 
ten Scheine, nah dem Datum ihrer Hinausgabe, fo daß die 
Ginlöfung der ganzen Summe in fünfzehn Monaten völlendet 
fepn wird. Diefe Einlöfung fowol, als die Zahlung der Binfen, 
wird in denjenigen Städten des feſten Landes Statt finden, 
welche man hierzu befiimmen wird. In dem Kalle, welhen Gott 
verhuͤten möge, daß der als Anfangstermin der Einlöjung feſt— 
geiente Friedensitand vor gänzlich vollendeter Einlöfung neuer; 
dings gejtört werden follte, sollen die Zahlungen nichts defto 
weniger ununterbrochen ihren Fortgang haben. — Art. 8. Se. 
brittiſhe Majeftät behalten ſich dad Recht vor, den Zeitpunkt 
der Einlöfurg der Gprogentigen Staats: Obligationen fowol, ald 
der nicht in folhe Staats: Obligationen verwandelten Scheine, 
falls Sie es für dienlich erachten ſollten, früher eintreten zu lafs 
fen. — Urt. 9. Gegenwärtige Konvention foll von den hohen 
fontrahirenden Theilen ratifiziet und die Natififation jobald als 
möglih in guter und gehöriger Form zu London ausgewed: 
felt werden. Zur Beglaubigung deifen baben wir Endegunters 
ſchriebene, Kraft unferer Vollmachten, gegenwärtige Konvens 


— 30 — 


tion unterzeichnet, und derſelben unſer Inſiegel beydrucken 
laſſen. 
So geſchehen zu London den 18. (30.) Sept. im Jahre 
Eintaufend achthundert und dreyzehn. 
Caſtleragh. 
Graf v. Lieven. 


— — — 


* 5. 
Articles separes et secretd du traite d’alliance, entre 
V Autriche et la Baviere, conclu a Ried le $. 
Octobre ı8ı3. 


Le but des puissances en guerre contre la France ne pou- 
vant eire alteint, et les heureux resultats de leurs efloris ne 
‚pouvant être assures que par une juste repartilion des forces re- 
spectives des puissances et par l’elablissement de leurs limites 
sur des bases naturelles elreciprogues convenables, L. L. M. 
MEmpereur d’Aufriche etle Roi de’Bavicre voulant ecarter 
dorenavant toutes les difficultes qui, dans l’application de ce 
principe a l’epoque de la paix, pourraient se presenter entre 
elles, sont couvenues des arrangemens suivans, savoir: 


Art. ıer. Les deux hautes puissances contractantes re- 
gardent comme un des objets principaux de leurs,eflorts, dans 
la guerre actuelle, la dissolution de la confederation du Rhin, 
et lindependance entiere et absolue tie la Baviere; de sorte 
que, degagee et placee hors de toute intluence eirangere, elle 
jouisse de la plenitude de sa sowerainete. 


Art. 2. Sa Majeste le Roi de Baviere se pretera a toutes 
les cessions, qui seront jugees necessaires pour assurer aux 
deux elats une ligne militaire convenable. 


Art.5. $.M.l’Empereur d’Autriche s’engage en retour, 
pour elle-m&me et de concert avec ses allies, a employer son 
intervention la plus efficace, et s’il en est besoin, toutes ses 
forces a l’eflet de procurer à S. M.le Roi de Baviere l’indem- 
nite la plus complete et caloulee sur les proportions geogra- 
phiques, statistiques et financieres des provinces cedees; la- 





— 31 — 


dite indemnite devra être a la bienseance du Royaume de Ba- 
‚viere, et de maniere à former avec lui un contigu complei et 
non interrompu. 


Art. 4. La situation geographigue des deux etats exi. 
geant une nouvelle demaroation entre eux, S. M. J. et R. A. 
promet, de concert et sous la garantie des puissances alliees, 
a Sa M. Bavaroise une pleine et entiere indemnite pour les 
cessions qu’en suite de ce principe la Baviere seroit dans le 
cas de faire & l’Autriche. Tout ehangement dans l'état des 
possessions actuelles de la Baviere est loutefois expressement 
reserve à l'époque de la päcification future, et ne pourra 
avoir lieu que par un arrangement de gre a gre entre les 
deux puissances. 


Art.5. Quoique$.M.1l’Eimpereur d’Äutricheet$.M.leRoi 
de Baviere aient consacre au soutien de-la cause qu'ils defendent 
la totalite de leurs forces, ils prennent encore l’engagement 
formel de miaintenir leurs armees au plus grand complet pen- 
dant toute la duree de la guerre actuelle. Cependant pour pre- 
eiser davantage leurs engagemens à cet egard,. ils promettent 
de tenir chacun constamment en campagne, savoir S. M. l’Em- 
pereur d’Autriche pour le moins 150,000hommes, et $S.M.leRoi 
de Baviere pour le moins 56,000 hommes, les garnisons des 
places de l’interieur non comprises, et d’augmenter le nombre 
en autant que leurs moyens le permeitront. 


Art. 6. Les hautes puissances oontractanter se reservent 
de convenir, le plutöt que faire se pourra, des arrangemens 
militaires detailleds, que pourroit exiger la cooperation de l’ar- 
ınee bavaroise avec l’armee Autrichienne. 


Art. 7. Les operations militaires exigeant, que le Tyrol 
soit ouvert aux troupes Autrichiennes, $. M. le Roi de Baviere 
n’y mettra aucun obstacle, et promet d’y traiter lesdites trou- 
pes, comme les siennes propres, et de leur preter tous secours 
necessaires pou® atteindre le but devenu desormais commun 
entre les puissances contractantes. Si par la suite de circon- 
stances inaltendues l’armee passeroit de l’oflensive a la de- 
fensive, S. M. le Roi de Baviere, dans le cas que ses troupes 
ne fussent pas à portee de defendre le Tyrol bavarois, ne 
mettra aucun obstacle A ce que celles de $. M. l’Empgreur 


E 32 — 


d’Autriche se porlent partout ou les interets de la Baviere l’exi- 
gent, en observant les stipulations particulieres dont ont est 
convehu à cet egard. 

Art. 8. En consequence de l’union intime de principes 
et d’intentions, que regne entre les puissances alliees, S. M. 
l’Empereur d’Autriche prend sur Elle de promettre en leur 
nom, que du moment que le present traile aura regu sa sanc- 
tion, les hostilites cesseront entre les troupes alliees et celles 
de S. M. le Roi de Baviere. S. M. I. et R. d’Autriche est 
 €galement pröle & interposer ses bons offices aupres de L.L. 
M.M. !’Empereur de Russie et le Roi de Prusse, pour facili- 
ter la restitution recipröque des prisonniers faits sur l’armee 
bavaroise par les puissances alliees. 

Art. g. Danslecas, que S. M. le Roi de Baviere desire: 
röit l’entreprise des bons oflioes de l’Autriche, pour faciliter 
un arrangement avec l’Ängleterre,, l’Autriche est prete à les 
faire valoir aupres de cette puissance. 

Art. ı0. S. M. l’Empereur d’Autriche prend egalement 
l’engagement de faire acceder L. L. M. M. lEmpereur de 
Russie et le Roi de Prusse, par un sacte formel d’adhesion et de 
garantie aux arlicles tant patents que seorets du present traite. 

Art. 11. Les articles secrets auront la meme force et va- 
leur, que s’ils etaient inseres dans le traite present. 

En foi de quoi nous soussignes, emvertu de nos plein pou- 
voirs , les avons signes et munis du cächet’de nos armes. 

Fait a Ried le 8. Octobre 18:5. 

Henrı XV. Prince de Rzvss; 
Le comte de Wraps; 


6. 


Extrait du traite preliminaire d’alliance entre Ü Au: 
triche et la Baviere, conclu a Ried le 8. octobre 
1613. 

Art. 2. L’alliance entre les deux hautes parties contrac- 
tantes aura pour but la cooperation la plus active des deux 
puissances pour le retablissement d’un ordre des choses en Eu. 


rope, qui assure à toutes l’independance, et leur tranguillite 
| fu- 


future. La Baviere en consequence se degage desliens de la 
confederation du Rhin, et elle joindra immediatement ses ar- 
mees à celles des puissances alliees. 

Art. 4. $. M. l’Empereur d’Äutriche garantit, tant en 
son nom qu’au nom de ses allies, a S. M.le Roi de Baviere la 
jouissance libre et paisible, ainsi que la souverainete pleine et 
entiere de tous ses etats, villes, domaines et forteresses, dont 
Elle se trouvoit en possession avant le commencement des ho- 

# stilites. - 
Fait à Ried le 8. Octobre 1815. 
Henrı XV, Prince de Rzuss. Le comte de Wrıns. 


— 





7. 
Articles separes et secrets du traite d’alliance, en- 
tre Ü.Autriche et le Roi de Wirtemberg; conclu 
a Fuld le 2. Novembre ı8ı3. 


- Eingang und Art ıer wie oben bey Baiern, bis , , du 
Rhin. $, M. le Roi de Wirtemberg, degage de tout lien con- 
stitutionnel etranger,, jouira en consequence de toute sa sou- 
verainete, sous la garantie des rapports politiques qui devront 
etre la suite des drrangemens à prendre & l’epoque de la paix 
future, dans la vue de retablir et assurer l’endependance et la 
liberte de l’Allemagne. 

Art. 2. SaM.le Roi de Wirtemberg se prötera à toutes 
les cessions qui seront jugees necessaires, pour atteindre le but 
indique dans l’article precedent, et fixec des rapports geogra- 
phiques, militaires et politiques des etats de l’Alleınague d’une 
maniere conforme à ce but. Sa M. l’Empereur d’Autriche 

donne neanmoins à S. M. le Roi de Wirtemberg la garantie 
formelle, que ces cessions ou reviremens ne sauroient point 
ötre etendus à d’anciennes possessions Wirtembergeoises. 

Art. 5.. Sa M. l’Empereur d’Autriche s’engage en retour, 
pour Elle-me&me et de concert avec ses allies, à procurer a 8. 
M. le Roi de Wirtemberg, en echange des cessions qu’Elle 
pourroit etre dans le cas de faire, une indemnite aussi com- 
plete que le permettra la masse des objets disponibles & la pais, 


Codex Dipl. (Europ. Annal, 1815) — 3 


= 44 * 
et la plus rapprochee des dimensions presentes du royaume. 
‘Cette indemnite sera fixee, autant que possible, à la conve- 
nance du royaume de Wirtemberg et de maniere aformer avec 
lui un contigu complet. 
Fait a Fuld le 2. Novembre ı8ı3. 
Le Prince de Merrennıcn. Le comte Zerrrim. 


8. 
Extrait du traite preliminaire d’alliance entre U An- 
triche et le Wirtemberg, conclu a Fuld le 2. No- 
vembre 1813. j 


Art. 2. wie oben bey Baiern. | 
Art. 4. S. M. l’Empereur d’Autriche garantit, tant en 
“ son nom qu’au nom de ses allies, a S. M.le Roi de Wirtemberg 
la souverainet et la jouissance libre et paisible de ses etats. 
Fait a Fuld le s. Novembre Pan de grace mille huit cent 
treize. 
Le Prince d« Mirtternıcn. Le comte de Zarrrin. 


9. 
Erflärung 


Die Armeen der verbündeten Mächte haben Frankreichs 
Hauptftadt befegt. Die verbündeten Herrfher genehmigen den 
Wunſch der franzöfifben Nation: daß, wenn die Friedensbe: 
dingungen ftärfere Garantien in fi ſchließen mufften, fo lange 
e8 fih darum handelte, Bonapartes Herrfhaft zu felleln, die: 
felben um fo günftiger dusfallen müffen, wenn durch die Ruͤc— 
fehr zu einer weiſen Regierung Frankreich felbft die Gewähr: 
leiftung diefer Ruhe darbieten wird. Die verbündeten Souve: 
rains proflamiren demzufolge, daß fie nicht mehr mit Napoleon 
Bonaparte, noh mit einem feiner Familie unterhandeln wer: 
den: daß fie die Integrität des alten Frankreichs refpektiren, 
fo wie dafelbe unter feinen gefenmäßigen Königen beftanden 
bat ;. fie können felbft un mehr thun, weil fie beſtaͤndig ſich 


ME — 
zu dem Grundfage befennen, daß Frankreih zum Gluͤcke Eu; 
ropend groß und flarf ſeyn muͤſſe; daß fie die Konftitution, 
welche fih die franzofiihe Nation geben wird, anerfennen und 
garantiren werden. Sie laden demnah den Senat ein, ein 
proviforifhes Gouvernement zu ernennen, weldes den Bedürf: 
nifen der Nömtiniftration vorfiehen und die Konftitution vorbe: 
reiten fonne, die dem franzöfiiben Volke angemeffen ſeyn wird. 
Ich theile die hier ausgedrudten Gefinnungen mit ‚allen vers 
bündeten Mächten. 

(Unterz.) Alerander. — Durch Se. Majeftät, 
der Staatsfefretär Graf v. Neßelrode, 
Paris, den 31. März, 1814, um 3 Uhr Nachmittags, 


10. 


Auszug eines Protokolls, Datirt, Paris, den 10. 
April 1814. 

Die Bevollmächtigten Napo leons und die der Alliirten 
haben fih heute verfammelt und find über die Artikel des Trak— 
tats, welcher die Verfügungen rüdfihtlih au Napoleon und 
feine Familie enthält, übereingefommen. Lord Caſtlereagh, 
als Minifter Sr. großbritanniihen Majeftät, erklärte, England 
fönne bey befagtem Traktat nicht ald Partey erſcheinen; jedoch 
verſprach er, blos in Betreff deffen, was den freven Beſitz und 
den ruhigen Genuß in voller Souverainetät der Infel Elba und 
der Herzogthümer Parma, Piacenza und Guaftalla angehe, in 
möglichft kurzer Zeitfrit, Namens feines Hofes, eine Ben: 
trittsafte augzuftellen. Auch verſprach er, zur Neife die nöthis 
gen Paͤſſe und Sicherheit zu gewähren, — 





11. — 
R onvention Zwifchen den verbündeten Machten 


und den Kommiſſarien Napoleons. 


1. Se. Maj. der Kaiſer Napoleon entſagt fuͤr ſich, ſeine 
Nachkommen und alle Glieder ſeiner Familie, allen Rechten der 


— 36 — 


Souverainetät fowol auf das franzoͤſiſche Neih, ale auf dag 
Königreib Italien. 

2. ZI. MM. der Kailer und die Kaiferinn, Marie Louiſe, 
behalten ihre Titel und Eigenichaften auf ihre ganze Lebens— 
zeit. Die Mutter, die Schweitern, Neffen und Nichten des 
Kaifers behalten ebenfalls, wo fie ſich befinden mögen, die 
fürftlihen Titel bey. 

3. Die Inſel Elba, welche ſich der Kaifer Napoleon zu 
feinen! Aufenthaltsort gewählt hat, wird während feiner Les 
bengzeit ein eigenes Fürftenthum bilden, welches er in voller 
Souverainetät eigenthuͤmlich beſitzen wird. Weberdies wird der 
Kaiſer Napoleon noch eine jaͤhrliche Rente von zwey Millionen 
Franken auf das große Buch erhalten, wovon eine Million ruds 
fällig auf die Kaiſerinn fallen wird. 

4. Die Mächte verfprecben, ſich thätig zu verwenden, daß 
das Territorium und die Klagge der Infel Elba von den Maͤch— 
ten der Barbarey refpektitt und diefelbe in ihren Verhaͤltniſſen 
mit jenen Mächten Frankreich gleichgeitellt werde. 

5. Die Herzogthämer Parma, Piazenza und Guaftalla wer: 
den 3. Mai. der Kaiferinn Marie Lonife als Eigenthum mit 
vollfommener Sonverainetät abgetreten und auf Ihren Sohn 
und feine Nachkommen in gerader Linie übergetragen. Der 
Prinz, Ihr Sohn, führt von diefem Augenblid an den Titel 
eines Herzogs von Parma, Piazenza und Guaftalla. 

6. Es wird vom Kaifer Napoleon für fih und feine Ka: 
milie auf den Laͤndern, denen er entiagt, eine Revenuͤe, ent: 
weder an Domänen oder an Renten auf das große Buch, von 
zwey Millionen 500,000 Franken vorbehalten. Diefe Repen— 
nuͤen gehören den Prinzen und Prinzeilinnen feiner Kamilie in 
vollem Eigenthum, mit der Befugniß, hierüber nach gefallen zu 
diiponiren. Gie werden unter denjelben auf folgende Weiſe 
vertheilt: Madame Mutter erhält 300,000 Franken; der Prinz 
Joſeph und die Prinzeffinn feine Gemahlin 500,000 Fr.; der 
Prinz Jerome und feine Gemahlin 500,000 $r.; der Prinz 
Louis 200,000 Fr.; die Prinzeffinn Hortenfie und ihre 
Söhne 400,000 &r. ; die Prinzeffinn‘E life 300,000 $r. ; die Prin: 
zeiliun Pauline 300,000 $r.; die Prinzen und Prinzeifinnen 
der Familie des Kaifers Napoleon behalten übrigens alle ihre 
bewegliden und unbeweglichen Güter, von welcher Art fie auch 
ſeyn, als Partikular : Eigenthum und namentlich die Renten, die 


fie auf dad große Buch von Franfreih und den Mont: Nas 
poleon zu beziehen haben. 

7. Die jährliche Appanage der Kaiſerinn Jofephine wird 
auf eine Million in Domainen oder in Inſcriptionen auf das 
große Buch reduzirt. Sie bleibt fortwährend Eigenthuͤmerinn 
aller ihrer bewegliben Güter, und fann nach den franzdſiſchen 
Geſetzen darüber disponiren. 

8. Der Prinz Eugen wird eine ftandesmäßige Verforgung 
außerhalb Franfreih erhalten. 

9. Die Beſitzungen des Kaifers Napoleon in Frankreich 
fallen wieder der Krone heim. Doch foll darauf ein Kapital, 
welches die Summe von zwey Millionen nicht überfteigen darf, 
erhoben und als Gratififetion unter diejenigen Perfonen ver; 
theilt werden, die Napoleon hierzu vörzeihnen wird. 

10. Ale Diamanten der Krone bleiben bey Frankreich. 

ı1. Der Kaijer wird alle Summen, die auf feine Befehle 
dem Scape oder den vffentliben Kaffen entnommen worden 
fepn könnten, wieder herben fchaffen laffen. 

12. Die Schulden feines Hauſes, bid zum Tage des ges 
genmwärtigen Traktats, werden unter der Aufſicht eines hlezu 
benannten Kommiffärs auf die Eivillifte bezahlt werden. 

13. Alle Obligationen des Mont: Napoleon werden zu 
Gunften feiner Gläubiger fowol ins als außerhalb Frankreich 
eingelögt. 

14. Es wird für fihered Geleit zur ungehinderten Neife 
des Kaiferd Napoleon, der Kaiferinn, der Prinzen, Prin; 
zeiinnen und aller Perionen ihres Gefolges, welche fie aus 
Sranfreih begleiten wollen, und für ihre Equipagen geforgt 
werden. 

15. Ein Detaihement von 1200 bis 1500 Mann aus ber 
kaiſerlichen Garde begleitet Se. Majeität ald Bedeckung bis zu 
ihrem Einſchiffungort St. Tropez. 

16. Der Kaifer Napoleon darf 400 Mann Frepywillige, 
fowol Ober: als Unteroffiiere und Soldaten, mit fihb nehmen 
und bepbehalten, um bey ihm den Dienjt der Garde zu ver; 
ſehen. 

17. Eben fo wird für-eine bewaffnete Korvette und die nd: 
tbigen Fahrzeuge zur leberfahrr des Kailers Napoleon an 
feinen Beftimmungort geiorgt werden. Die Korvette verbleibt 
St. Majeftät ale Eigenthum. 


18. Die Franzoſen, welche dem Kaifer Napoleon oder 
feiner $amilie folgen werden, find gehalten, nah Verlauf von 
drey Jahren, wieder nach Frankreich zurädzufehren, wenn ſie 
nicht ihre Eigenſchaft ald Sranzofen verlieren wollen, oder nicht 
in den Ausnahmen begriffen find, welche die franzöfiibe Res - 
gierung nah Verlauf diefer drey Jahre aufzujtellen ſich vor 
behält. — 

19. Die polnifhen Truppen werden entlaffen, um in ibr 
Vaterland zurüd zu ehren. Als eine Belohnung für ihre 
Dienſte werden ihnen Waffen und Bagage überlaffen. 

20. Die verbändeten Mächte garantiren die Vollziehung 
des gegenwärtigen Traftate. 

21. Die Ratifikation und Auswehslung geſchieht zu Paris 
in Zeit von zwey Tagen, oder, wo möglih, nod früher. 

Sp gefhehen zu Paris, den 11. April 1814. 

(Unterz.) Saulaincourt, Herzog von Vicenze, 
Mey, Herzog von Elchingen. 
Macdonald, Herzog von Tarent. 
Fürft von Metternid. 

J. 9. Graf Stadion. 

Andreas Graf Raſumowsky. 

Karl Robert Graf Neßelrode. 
Gaftlereagb. 

C. Auguft Frephere v. Hardenberg. 

Wir haben obenftehenden Traktat in allen und jeden Artis 
keln genehmigt; erklären ihn für angenommen, ratifizirt und 
beftättigt, und verfprechen deſſen unverleglibe Beobachtung. 
Zu deffen Beglaubigung haben Wir Gegenwärtiges ausgeftellt 
unterzeichnet und mit Unferm Eatferlihen Siegel verfeben. 

So geſchehen zu Fontaineblean, den ı2. April 1814. 


Napoleon. 
Der Minifter : Staatsiefretär Herzog 
von Bafiano, 





nd: Se 
I2. 


Depeſche des Lords Caſtlereagh an den Gra— 
fen Bathurft. 


Paris, den 17. April, 1814. 


Molord! ich habe die Ehre, Ew. Herrlichfeit eine heute 
von mir unterzeichnete Akte zu überienden, welche Großbritan: 
niend Beytritt zu einem gemwiffen Theile des neulih in Bezug 
auf Napoleon Bonaparte gefchloffenen Traktats enthält, 


(Unterz.) Gaftlereagb. 


.. 13 
Beytrittsäfte von Seite Großbritanniens zu 
dem Mapoleon Bonaparte — 
Traktate. 


Nachdem IJ. MM. der Kaiſer von Oeſtreich ıc., der Kai: 
fer aller Reußen und der König von Preußen dem zu Paris 
am ı1. April d. J. unterzeihneten Traftate, welcher zur Ab; 
fiht hat, gegen die wechielfeitig feftgefegten Bedingungen, fo 
wie fie im befagten Traktate enthalten find, der Perſon und 
Familie Napoleon Bonapartes den fouverainen Befik der 
Inſel Elba und der Herzogthuͤmer Parma, Viacenza und Gua— 
ftalla zu bemwilligen und mehrere andere Gegenftände zu regu: 
liren, beygetreten find; auch befagter Traftat dem Prinzen Re— 
genten des vereinigten Königreihs Großbritannien und Ireland 
durch die Minifter Shrer obenerwähnten k. k. Majeftäten mit der 
Einladung Namens Ihrer Souverains mitgetheilt worden ift, 
demielben im Namen und für Se. Majeſtaͤt beyzutreten: fo 
tritt Se. fonigl. Hoheit der Prinz Regent, nad vollftändig ge: 
nommener Kenntnip vom Inhalte befagten Traktats, im Na: 
men uud für Se, Majeſtät inioweit demfelben bey, als der 
Inhalt die Stipnlationen wegen ıdes fouverainen Befites der 
Inſel Elba und der Herzogthämer Parma und Guaftalla betrift; 
hingegen darf Se, Fönigl. Hoheit nicht ale beitretender Theil 
ruͤckſichtlich der übrigen darin enthaltenen Bedingungen und 
Stipulationen angefehen werden, 


So gegeben unter meiner Unterfcrift und Wappen, Paris, 
den ı7. April, 1814. Auf Befehl Sr. fönigl. Hoheit des Prins 
zen Regenten, im Namen und für Se. Maieſtaͤt. 

'  (Unterz.) Caſtlereagh. 





14. 

Am 23. April 1814 find von Gr. koͤnigl. Hoheit, Mons 
fieur, Sohn von Franfreih, Bruder des Könige, Generals 
Lieutenant des Königreihs Frankreih, Konventionen mit jeder 
der hohen alliirten Mächte abgeichloffen worden, folgendes Zus 
halte: | 

Die alliirten Mächte, die fich in der Abjiht vereinigt ba; 
ben, dem Unglüde Europens ein Ziel zu fegen, und deſſen 
Ruhe auf eine gerechte Vertheilung der Kräfte zwiſchen den 
Staaten, aus welchen es beiteht, zu gründen; Willens, Franfs 
reib, welches zu einer Megierung zurüdgefommen ift, deren 
Grundfäge die nöthige Gewährleiftung zu Handhabung des Frie: 
dens darbieten, Beweiſe ihres Verlangens zu geben, ficb mit 
ihm in Freundſchaftsverhaͤltniſſe zu feßen; Willens, auch Frank; 
reih, fo viel möglib, zum Voraus die Früchte des Friedens 
geniepen zu laſſen, fogar che nod alle Verfügungen defielben 
feitgefegt find, haben beſchloſſen, in Verbindung mit Sr. koͤnigl. 
Hoheit, Monfieur, Sohn von Frankreich, Bruder des Königs, 
General:Lieutenant des Königreihs Frankreich, zu einem Waf— 
fenftillftand zwiſchen den gegenfeitigen Streitkräften und zur 
Herftellung der alten Freundſchaftsverhaͤltniſſe zwiſchen ihnen 
zu (breiten. Se. königl. Hoheit, Monfieur, Sohn von rauf 
reich 20. einerfeits und Se. Majeftät ic. andrerfjeits, haben 
diefemnah Bevollmächtigte ernannt, um in Anfehung einer Afte 
übereinzufommen, welde, ohne die Verfügungen des Friedens 
zum Voraus zu bejtimmen, die Verbindung einer Aufhebung 
der Keindfeligfeiten in fi halte, und auf welche, fo bald wie 
möglih, ein Friedensichluß folgen fol, naͤmlich: (Bezeichnung 
der hoben Eontrahirenden Mächte und ihrer Bevollmaͤchtigten) 
welche nah Auswechslung ihrer Vollmachten über folgende Ar: 
tifel übereingefommen find: " 

Art, 1. Alle Feindfeligkeiten, zu Lande und zu Waſſer, 


— 41 — ’ 


find und bleiben zwifchen den alliirten Mächten und Frankreich 
aufgehoben; nämlih für die Landesarmeen, fobald die kom— 
mandirenden Generale der franzofiiben Armeen und Feſtungen 
den Generalen, welde die ihnen entgegenftehenden alliirten 
Truppen fommandiren, werden befannt gemacht haben, daß fie 
die Autorität des Generals Lieutenants des Koͤnigreichs Frank; 
reich anerfannt; und fowol zur See, als in Nüdfiht der See 
feftungen und Stationen, fobald die Klotten und Häfen des 
Koͤnigreichs Franfreih, oder die von franzöfifben Truppen be- 
fegt find, diejelbe Deklaration werden gethan haben. — 2. Um 
die Wiederherfiellung der Freundichaftsverhältniffe zwiſchen den 
alliirten Mächten und Frankreich zu beweiſen und es, fo viel 
möglih, im Voraus die MWortheile des Friedens genießen zu 
laffen,, werden die alliirten Mächte ihre Truppen aus dem fran- 
zöfifchen Gebiete, fo wie ed am 1. Yan. 1792 beihaffen war, 
herausziehen, nah Maßgabe, als die noch außer diefen Gräns- 
zen von franzöfifiben Truppen befegten Keftungen werden ges 
räumt und den allirten Truppen übergeben werden. — 3. Der 
General: Lieutenant des Königreichs Franfreih wird diefemnad 
den Kommandanten diefer Feſtungen den Befehl zuichiden, fie 
in folgenden Terminen zu übergeben, nämlich: die Feftungen 
am Rhein, welche nicht innerhalb der franzöfifhen Gränzen von 
1. San. 1792 liegen, und die zwifchen dem Mheine und eben 
diefer Gränze, innerhalb zehn Tagen von ber Unterzeichnung 
der gegenwärtigen Afte an gerechnet; die Feftungen in Piemont 
und in den übrigen Theilen von Italien, die Frankreich gehörs 
- ten, innerhalb- vierzehn Tagen; die in Spanien innerhalb zwans 
zig Tagen und fo fort alle andern feiten Pläpe ohne Unterfchied, 
die von den franzöfifchen Truppen befept find; fo, daß die gänzs 
libe Webergabe bis zum nächiten -ı. Zuny bewerfftelligt ſeyn 
fann. Die Garnifonen diefer Feſtungen ziehen mit Gewehr und 
Bagage und mir dem Privateigentyum der Militärs und An- 
geftelten aller Grade ab. Sie können die Feldartillerie im Ver— 
hältniffe von drey Stüden anf 1000 Mann, die Kranken und 
Derwundeten mit gerechnet, mitnehmen. ‚Die Dotation der 
Keftungen und Alles, was nicht Privateigenthbum iſt, bleibt zus 
rüd, und wird den Alliierten übergeben, ohne daß irgend etwas 
‚davon weggethan werden kann. In der Dotation find nit nur 
die Artillerie : und Munition: Niederlagen, fondern aud alle ans 
dern Vorräthe aller Urt, fo wie bie Archive, Smventarien, 


— 42 — 


Plane, Karten, Modelle ıc. begriffen. Sogleich nah Unter: 
zeichnung gegenwärtiger Konvention folen Kommifarien von 
den alliirten Mächten und Franfreih ernannt und in die Fes 
ftungen gefandt werden, um den Zuftand, in welchem fie find, 
zu bewahrheiten und um gemeinihaftlih die Vollziehung dieſes 
Artifeld zu reguliren. Die Garnifonen werden etappenweife 
auf die verfchiedenen Linien gewiefen, in Anfehung welber man 
zu ihrer Ruͤckkehr nach Frankreich fich einverftehen wird. Die 
Blofade der Feſtungen in Franfreih wird auf der Stelle von 
den alliirten Urmeen aufgehoben. Die franzöfiihen Truppen, 
die einen Theil der Armee von Italien ausmachen, oder Fes 
ftungen diefes Landes, oder im Mittelmeere inne haben, wer: 
ben ſogleich von St. königl. Hoheit, dem General:Lieutenant des 
Königreichs, zurüdgerufen, — Art.4. Die Stipulationen des vor: 
bergehenden Artikels werden gleichfalld auf die Seepläge ange; 
wandt, indem die Eontrabirenden Mächte fib gleichwohl vorbe: 
halten, in dem definitiven Friedenstraftat das Schidfal der Zeugs 
bäufer, bewafineten oder nicht bewaffneten Kriegsſchiffe, die fich 

in diefen Plägen befinden, zu beftimmen. — 5. Die Flotten und 

Schiffe Frankreichs bleiben im ihrer wechfelfeitigen Lage, mit 

Vorbehalt der mit Sendungen beauftragten Schiffe; aber die 
unmittelbare Wirkung der gegenwärtigen Afte, in Nüädficht der 
franzöfifben Hafen, wird die Aufhebung jeder Dlofade zu Waſ— 
fer oder zu Lande fenn, bie Freyheit zu fiſchen, die der Kuͤ— 
ftenfahrt, befonders die, welche zur Verprovtantirung von Pa: 
ris und zur Herftellung der Handelsverhältniffe, nah Maßgabe 
der innern Verordnungen jenes Landes, nothwendig ift; und 
diefe unmittelbare Wirfung in Ruͤckſicht des Innern die frepe 
Derproviantirung der Städte und der freve Tranſit der Militär: 
oder Handelstransporte feyn. — 6. Um allen Urfaden zu Kla: 
gen und zu Streitigfeiten zuvorjufomme; , welche in Anfehung 
der auf-der See gemadten Prifen nach Unterzeichnung der ge: 
genwärtigen Konvention entitehen könnten, ift man wechſelſeitig 

übereingefommen, dag die Schiffe und Effekten, welde in dem 

Kanal und in den nordifhen Meeren, nach zwölf Tagen, vom 

Tage der Auswechslung der Natifitationen der gegenwärtigen 

Akte an, koͤnnten genommen worden fepn, bepderfeits zuräd: 

genommen werden follen; daß der Termin vom Kanal und den 
nordiiben Meeren bis zu den fanarifhen Inſeln, bis zum We: 
‚quator, von einem Monat und endlih von fünf Monaten in 


allen andern Theilen der Welt, ohne einige Ausnahme, noch 
eine mebr partifulare Beftimmung der Zeit und des Orts fern 
fol. —. 7. Die Sefangenen, Offiziere und Soldaten, zu Land 
und zu Wafler, oder welcher Art fie feven und befonderg die 
Geiieln, werden unmittelbar in ihre wechielfeitigen Länder, ohne 
Mansion und Auswechslung, zurüdgefbidt. Es werden bevder- 
ſeits Kommifarien ernannt, um zu diefer Befreyung zu fchreiten. 
Art. 3. Unmittelbar nah Unterzeihnung der gegenwärtigen 
Akte fol die Verwaltung der Departemente oder Städte, die 
jest von den friegführenden Truppen bejegt find, von ihnen 
den DObrigfeiten übergeben werden, weldhe feine königl. Hoheit 
der General: Lieutenant des Königreichs Frankreich ernannt hat. 
Die koͤnigliche Autoritäten forgen für den- Unterhalt und die 
Bedürfniffe der Truppen bis zum Augenblide, wo fie das franz 
zöfifhe Gebiet geräumt haben werden. indem die alllirten Maͤch— 
te, als Wirkung ihrer Freundfchaft für Franfreih, den Milis 
tärrequifitionen ein Ende machen wollen, fobald die Uebergabe 
an die rechtmäßige Gewalt bewerkitelligt fenn wird. Alles, was 
auf die Vollziehung diefer Artikel Bezug hat, wird dur eine 
befondere Konvention geordnet. — 9. Man wird fich gegenfeis 
tig, nad Inhalt des zwepten Artikels, über die Straßen, wels 
de die Truppen der alliirten Mächte auf ihrem Marſche eins 
ſchlagen follen, einverftehen, um auf denfelben die Unterhalte- 
mittel vorzubereiten, und es follen Kommiffarien ernannt wers 
den, um alle nähern Verfügungen zu treffen und die Truppen 
bis zu dem Augenblicke zu begleiten, wo fie das franzöfiihe 
Gebiet verlaffen. Zur Urkunde defien haben die gegenfeitigen 
Bevollmächtigten gegenwärtige - Konvention unterzeichnet und 
ihre Siegel darauf druden laffen. Geſchehen zu Paris, den 23, 
April 13814, 


(Folgen die Unterſchriften.) 


Zufan-Artifel: Der Termin von zehn Tagen, der, 
vermöge der Stipulationen des dritten Artifeld der Konvention 
diefes Tages zur Raͤumung der Feftungen am Rhein und zwis 
fhen diefem Fluffe und den alten Gränzen Frankreichs anges 
nommen worden, ift auf die Feſtungen, Forts und Militärnie; 
derlaffungen, welcher Art fie feven, in den vereinigten Pro; 
vinzen ber Niederlande ausgedehnt. Gegenwärtiger Zufap-Ars 
‚titel fol diefelbe Kraft und denfelben Werth haben, als ob er 


wörtlich der Konvention diefed Tags einverleibt wäre. Zu defs 
fen Urkunde haben ihn die gegenfeitigen Bevollmächtigten um: 
terfchrieben und ihm ihr Siegel aufdräden lafen. Geſchehen 
zu Paris, den 23. April 1814. 


15. 
Entwurf der Grundlage der deutſchen WBundess 
Berfaffung. 

1) Ale Staaten Deutichlands vereinigen fid — einen 
feyerlichen Vertrag, den jeder Theilhaber auf ewige Zeit ſchließt 
und beſchwoͤrt, in einen politiſchen föderativen Körper, 
der den Namen deutſcher Bund führt, und aus dem Nies 
mand heraustreten darf. WBerlegungen des Bundes : Vertrags 
werden mit Acht beitraft. 

2) Diefer Bund fol in fih begreifen folgende dem Haufe 
Deftreich gehörende Kinder: Salzburg, Tyrol, Bergtolsga— 
den, Voralberg und dasjenige, was dieſes Erzhaus am Ober— 
rhein erhalten wird. Alles was Preußen links der Elbe be; 
fit und erhält, ferner alle deutihen Staaten, io wie fie von 
der Oſtſee, der Eyder, der Nordfee , dem niederländiihen, franz 
zöfifhen und fchiweizerifhen Gebiete bearänzt werden. 

1) Die bier nicht genannten öftreihiihen und preußiicen 
Staaten bleiben befer außerhalb ded Bundes, damit es 
defto. weniger Schwierigfeiten habe, diejei igen Theile je 
ner beyden Monarchen, die mit in den Bund aufgenommen 
werden, allen Bundesgefepen zu unterwerfen, um das Band 
defto feiter zu fnüpfen. Deftreih und Preußen, ald Mäch— 
te, aber fließen mit der Föderation ein unauflöglices 
Buͤndniß und garantiren befonders die Verfaſſung und ns 
tegrität derfelben. 

3) Jeder jest im Befig der Landeshobeit fih be 
findende Staat übt in feinen Gränzen die landeshoheitli 
hen Rechte aus, welche die Bundesakte nicht zum gemein: 
ſchaftlichen Beiten ausnimmt oder beichränft. 

4) Diejenigen vormals mit der Reichsſtandſchaft verfehen 
geweienen Fürften, Grafen und Herren, welde media 
tifirt wurden, nehmen Antheilam Bunde, wie weiter 


unten beftimmt werden wird. Sie bleiben zwar der Landeshos 
heit unterworfen, ihre Rechte und Pflichten find aber fowol in 
Abſicht auf ihre Perfon als auch ihre Befisungen genau zu be; 
ftimmen und unter die Garantie des Bundes zu fepen. Ihnen 
find beionders perfönlihe Ehre, Macht und Vorzüge 
einzuräumen, auch die Renten und Einfünfte wieder zu 
geben, die am ı2. July 1806 in die Kontribution : Kafen 
floffen. In den Ländern, zu denen fie gehören, find die Fas 
milien:Häupter erblih die erften Stände. In ihren 
Kamilien genießen fie die alte Deutfhe Autonomie. In 
Kriminal: Sachen jollen fie von einem judicio parium ges 
richtet werden. Ihnen werden Jurisdiktions-Rechte ges 
fihert, und Praͤſentations-Rechte in den landesherrlichen 
hoͤchſten Gerichten zugeflanden. 

2) Billig follten die mediatifirten ehemaligen Reichsſtaͤnde mit 
den übrigen gleihgeient werden, da diejes aber ohne 
große Zerrüttungen nicht geihehen kann, fo ift wenigſtens 
alles mögliche hier zu thun, und fie jeder insbeſondere ges 
gen alle Bedrüdungen jiber zu ftellen. 

5) Aehnliche Beftimmungen find wegen der übrigen fait 
unmittelbar gewefenen Perfonen zu treffen. 

6) Jedem Bundesunterthan werden durch die Bun— 
desakte näher zu beitimmende deutſche Bürgerrechte ges 
ſichert, infonderheit 

1. die Freyheit ungehindert und ohne eine Abgabe zu ent: 
richten, in einen andern zum Bund gehörenden Staat aus: 
zuwandern,, oder in deffen Dienjte zu treten. 

2. Die Sicherheit des Eigenthums, auch gegen Nach— 
drud. 

3. fehlt. 

4. das Recht der Beihwerde vor dem ordentliden 
Richter, und in den dazu geeigneten Fällen bey dem 
Bunde. \ 

5. Preßfrepheit nach zu beftimmenden Modififationen, 

6. Das Recht fih auf jeder deutſchen Lehranftalt zu 
bilden. \ 

7) In jedem zum Bunde gehörenden Staat foll eine fans 
diſche Verfaffung eingeführt oder aufrecht erhalten wers 
den. Allgemeine Grundfäge find dieferhalb als minimum der 
Rechte der Landfiände feſtzuſetzen. Sie follen beftehen aus den 


Kamilienhäuptern der mediatifirten vormaligen 
Reichsſtände, des fonft unmittelbaren und übrigen 
Adels, als erbliben und auserwäblten Ständen. Ihre Bes 
fugniffe folen zugleih ſeyn, ein näher zu beitimmender An; 
theilan der Gejeggebung, Vermwilligung der Lan: 
desabgaben, Vertretung der Verfaffung bey dem 
Landesherrn und dem Bunde. 

5) Man. fol fuhen, allgemeine näßlice Einrich— 
tungen und Anorduungen zum Wohl des Ganzen 
herzuſtellen, als z. B. ein allgemeines Geſetzhuch, gleiches 
Muͤnzweſen, eine zweckmaͤßige Regulirung der Zölle, des Poſt— 
weſens, Beförderung und Erleichterung des Handels und wech— 
felfeitigen Verkehrs ꝛc. 

9) Die Bundesſtaaten ſollen in ſieben Kreiſe eingetheilt 
werden, naͤmlich: 

Norder; Deftreic. 
Baiern und Franfen, 
Schwaben. 
Dberrhein. . 

- Niederrhein und Weſtphalen. 
Niederſachſen. 
Oberſachſen und Thuͤringen. 

10) Der vorderoͤſtreichiſche Kreis enthält: Salzburg, 
Tyrol, Vergtolsgaden und Voralberg. | 

11) Der bairifhsfräntifhe Kreid ale Staaten dee 
Königs von Baiern. 

12) Der ſchwaͤbiſche Kreis alle Staaten des Koͤnigs von 
Wirtemberg. 

13) Der oberrheiniſche Kreis das Land, welches 
Oeſtreich am Oberrhein erhalten wird, die großherzogl. badi— 
ſchen Laͤnder und die hohenzolleriſchen Fuͤrſtenthuͤmer. 

14) Der niederrheiniſch-weſtphaͤliſche Kreis alle 
Lande, welche ber König von Preußen an beyden Mheinufern 
“und bis an die Wefer befigt oder erhalten wird, die lippe det: 
moldiihen, naſſau-weilburg- und uſingiſchen, auch waldeckſchen 
Laͤnder, die deutſchen Beſitzungen des ſouverainen Fuͤrſten der 
Niederlande. 

135) Der niederfähfifhe Kreis die Linder, welche 
das bisherige Kurhaus Hannover in Niederfachien und Weſtpha⸗ 
len befigt oder befigen wird, die des Hauſes Braunſchweig, die 


des Hauſes Slüdftadt und Oldenburg, SchaumburgsLippe, und 
die drev Städte Hamburg, Kübel und Bremen. 

3) Einige ftimmen dahin, die drey Hanfeftädte dem oberſaͤch— 
ſiſch-thuͤringiſchen Kreife anzufhliegen. 

16) Der oberfähfiih:thüringifhbe Kreis das Kb: 
nigreih Sachſen, die herzogl. merklenburgiichen, fächfiihen, ans 
baltiihen, fhwarzburgiihen, reußiſchen Länder, die Staaten 
der Haufer Hefen: Kaffel und Darmjtadt und die freye Bun— 
desitadt Frankfurt. 

17) Zeder Kreis fol einen oder zwey Kreigobriften 
haben, deren Befugniffe und Obliegenheiten zunaͤchſt die Aufs 
rechthaltung und Befolgung des Bundesvertrags, der Bundes; 
beihlüfe und der bundesrichterlichen Sprüche, die Militärvers 
faſſung und allgemeine Ordnung und Sicherheit im Kreije bes 
trefen. 

Wo zwey Kreisobriiten find, übt fie der erfte aus und wird 
dabep vom ziventen sublevirt. 

Der vorderöftreichifhe Kreis, der Kalfer von Oeſtreich. 

Der baierifch + fränfifche, der König von Baiern. 

Der fhwäabiihe, der König von Wirtemberg. 

Der oberrheinifhe, der Kaifer von Deftreih und Groß; 
herzog von Baden. 

Der niederrbeinifch:weitphäliiche, der König von Preußen. 

Der niederfähliihe, der König von England als Beſi⸗ 
Ber von Hannover. 

Der oberfähliih:thüringifche, der König von Preußen 
und der bisherige Kurfürft von Heilen. 

4) Man ift bier von der Vorausſetzung ausgegangen, daß, um 
fo viel ald möglich Zufriedenheit zu bewirken, allen zulegt 
gewejenen Kurfürften ald Kreisobriften Sig und Stimme 
in dem eriten Rath der Bundesverfammlung gegeben wer: 
den. Zugleich ift die Zahl der Kreife, um fie nicht zu fehr zu 
vervielfältigen, auf fieben befchränft, und den Häufern Ba; 
ben und Heffen nur eine zweyte Kreisobriftenftelle anges 
wiefen. Wollte man diefe ausichließen, fo würde ed nur. 
ſieben Kreisobriftenftellen bedürfen, zwey für Oeſtreich, 
zwey für Preußen, eine für Baiern, eine für Hannover, ejne 
für Wirtemberg. Ich halte es aber nicht für billig und raͤthlich. 
Es iftin Vorſchlag gefommen, Belgien, und wo möglich die 
ganzen Niederlande, in den deutfchen Bund einzuziehen, Die 


Idee fcheint vortreffih! Dann müßte man aus Mefen Läns 
dern den burgundifchen Kreis machen, und dem Fürften der 
Niederlande eine felbitftandige Kreisobriftenftelle geben. 


18) Es foll eine Bundesverfammlung zu Frankfurt 
am Main fern. Diefe Stadt wird für eine freye Bundesitadt 
erklärt. 

19) Die Bundesverfammlung fol beitehen: 

1) Aus dem Direftorio. 
2) Aus dem Nath der Kreisobriften, 

ı 3) Dem Rath der Fürften und Stände. 

20) Das Direktorium führt der Kaifer von Deftreic, 
welcher den Vorfiß bey allen Bundesverfammlungen hat, und 
der König von Preußen, gemeinſchaftlich. 

21) Im Math der Kreisobriften haben Stimmen: 

e Dejtreich, ale Direktor 

vom vorderoͤſtreichiſchen Kreis, 

vom oberrheinifhen Kreis, 
Preußen, als Direltor 

vom oberfächfifch = thäringifhen Kreis, 

vom niederrheinifh: wertphältihen Kreis, 
Baiern, vom baierifhrfränfifchen Kreis, 
Hannover, vom niederfähliihen Kreis, 
Wirtemberg, vom ſchwaͤbiſchen, 
Baden, vom oberrheiniſchen, 
Kurheſſen, vom oberſaͤchſiſch-thuͤringi⸗ 

ſchen Kreis, 1 


— ee Er u Bi Zu ZU 





Ä 11 
22) Der Rath der Kreisobriften fol fih mit Aus— 
ſchluß der übrigen Bundesftaaten mit Allem befibäftigen, 
was die auswärtigen Verhältnifie des Bundes angeht, 
und durch Mehrheit der Stimmen darüber entſcheiden, auch 
allein dag Recht der Verträge mit Auswärtigen, 
der Annahme und Abfendung von Gefandten und Ges 
fhäftsträgern von und bey auswärtigen Staaten, des 
Kriegs und Friedens, und nach den unten folgenden Bes 
flimmungen die militärifbe Gemalt ausüben. Weber; 
dem bat der Kreisobriftenrath die Keitung und bie ganze 

erefutoriihe Gewalt des Bundes, 
23) 


23) Der Rath der Fürften und Stände fol aus den 
übrigen Bundes: Mitgliedern beftehen. Diefe find: 
1) Alle diejenigen Fürften, welche Länder befisen, die eine 

Bevölferung von 50,000 Geeten und darüber baben. 

Diefe Länder mögen fich felbitftändig befinden, oder medie⸗ 

tiſirt ſeyn, mit einer Stimme. 

Die Bevölkerung wird da, wo mehrere Zweige des Se 
fes find, zufammengezählt, 3. B. Hohenyollern Hechingen 
und Siegmaringen führen nur eine Stimme, 

2) Die vier Bundesftädte Hamburg, Lübeck, Bremen 

- und Franffurt am Main, jede mit einer Etimme. 

3) Sechs Euriat:Stimmen, in welhbe fämmtlibe Gras 
fen und Herren zu vereinigen find, welche vormals die 
Reichsſtandſchaft hatten, und deren Beſitzungen eine ‚Bes 
völferung von 50,000 Seelen nicht erreichen. 

4) Deftreich bat auch in dem Math der Fürften und Stände 
den Borfiß, und gemeinfhbaftlih mir Preußen das 
Direktorium, aub Sis und Stimme. Bepdes wird 
durch befondere zweyte Bothſchafter ausgeübt. . 

24) Der Rath der Fuͤrſten und Stände Ffonftituirt 
mitdem Rath der Kreis:DObriften, und mit dem Dis 
reftorio, die gefengebende Gewalt des Bundes, 
Dieſe beichäftigt fih mit Allem, was die Wohlfahrt deffelben 
im Innern und ein allgemeines Intereſſe betrifft. Dad Bers 
hältniß zur Territorlal: Gejepgebung beſtimmt ſich dadurch, daß 
fih die Bundesverfammlung nur mit Nerordnungen beichäf: 
tigen kann, die ein allgemeines Intereſſe angehen. Ein Lanz 
desgejeß darf aber nie und in feinem Fall gegen ein Bundes; 
geſetz ſeyn. 

25) Der Rath der Fuͤrſten und Staͤnde verſammelt ſich 
jaͤhrlich an einem naͤher zu beſtimmenden Tag, und bleibt nur 
zuſammen bis die vorliegenden Geſchaͤfte abgemacht ſind. 

26) Sowol der Rath der Kreisobriften ale der Rath der 
Fürften und Stände deliberiren abgefondert für ſich, 
und die Eonclufa werden nah Mehrheit der Stimmen 
abgefaſſt. Das Direktorium fallt das gemeinfhaftlihe Con— 
clufum, und fuhrt die abweihenden Meinungen der 
beyden NRäthe zu vereinigen. Iſt folbes nicht möglich, fo 
enticheidet das Direktorium. 

27) Es wird ein eigenes Bundesgericht zu Frankfurt 

Codex Diplomaticus. (Eur. Annal. 1815.) 4 


— 50 — 


am Main angeordnet, deffen Mitglieder von den Bunbesftäns 
den nach einer zu beftimmenden Form zu präfentiren find, und 
welches einen Senat zur Anftruftion, und einen zum Sprud 
in erfter Inftanz in Steitfähen der Fürften und Stände unter 
fih enthalten fol. Mediatifirte Fönnen nur in perfönlihen 
Sachen, oder in folben, die aus MWerlegung des Bundesver; 
trags entitehen, vor diefem Bundesgericht Necht fiehen. Uebri— 
gend gehören ihre Prozeſſe vor die Landesterichte. Der Rechts⸗ 
gang iſt naͤher zu beſtimmen. 


28) Kein Bundesglied darf das andere bekriegen, oder 
ſich durch Selbſthuͤlfe Recht verſchaffen. Die Erefution 
der Urtheile liegt dem Kreisobriſten ob, wenn es ein zu 
ſeinem Kreis gehoͤrendes Bundesglied angeht. Betrifft es einen 
Kreisobriſten, ſo ſind alle Kreisobriſten ſchuldig die Exekution 
zu uͤbernehmen. 

29) Rekurſe der Unterthanen an das Bundesgericht 
finden nur in ſolchen Fällen Statt, wo fie über Bedrüädungen zu 
lagen haben, die dem Bundesvertrag und den ihnen zugeſicher— 
ten Mechten zumider find, oder in Fallen verweigerter Juftiz, 
Appellationen an das Bundesgericht; in Streitigkeiten derjeni- 
gen, die der Landeshoheit unterworfen find, unter fi, find 
fie nicht zuläffig; eben fo wenig in Rechtsſachen gegen die Lan: 
desherren. Solche Gegenftände gehören vor die höchften Ge: 
richte der Kreisobriften, denen aber durch den Bundesvertrag 
die fhon in der Natur der Sache liegende Unabhängigkeit in 
ihren Urtheilsſpruͤhen zu fibern if. Nur in dem Fall daß 
‚diefe gekränft werden, findet der Rekurs an die Bundesvers 
fammlung Statt. 

30) Die hoͤchſten Gerichte der Kreisobriſten ents 
fheiden, in lester Inſtanz, in Sachen aller zum Kreis gehö— 
renden Unterthanen, und auc in Prozeffen derſelben ges 
gen ihre Landesherren. Man könnte aber anorditen, daß 
nach gewiſſen Beftimmungen von dem höchften Gericht eines 
Kreisobriiten an das eines benachbarten zu appelliren geftattet 
ſey. Criminal-Urtheile der Gerichte der Kreigftände, über 
eine gewiſſe Strafe hinaus, ſind der — on jener hoͤchſten 
Gerichte unterworten, 

31) Die Militärverfaffung des — muß ſtark 
und kraͤftig ſeyn und ſchnelle Huͤlfe gewaͤhren. Jeder Kreisobris 





fter und wo in einem Kreiſe zwey find, der erfte, ift Ober; 
befehlshaber des ganzen Kreis: Militärs, 

32) Das Kontigent eines jeden, fowol an Linientrups 
pen als Landwehr ift zu beſtimmen. Stände, die ein ganzes 
Regiment mit allem Zubehör oder mehr ftellen fünnen, haben 
nur die Befugniß, eigne Truppen zu halten, die übrigen ftel: 
leır eine zu beftimmende Anzahl Nefruten zu dem Heer des 
, Kreisobriften, und leiften einen verhältnigmäßig zu beftimmen: 
den Beptrag zu den Kriegskoften dejielben, doch ift ihnen vers: 
‚ftattet, Ehrenwachen zu haben; die Kontingente müfen ſtets 
vollzählig mit allen Kriegsbedürfniffen verjehen und marfchfertig 
feyn. 

Wegen der Konfkription und Merpflichtung zur Land: 
wehrt und zum Landfturm, desgleihen wegen Befreyung 
davon, find allgemeine Grundfäge anzunehmen, und gefeßlich 
feſtzuſetzen. 

Dem Kreisobriſten ſteht die Aufſicht über die ganze 
Kreis—-Kriegsverfaſſung und das Recht darüber zu halten, 
mithin die DOberinfpeftion und Mufterung,, au wenn e8 nöthig 
ift die Befugnig zu, unvermeidlihbe Zwangsmittel anzumenden. 

33) Die zu einem Kreife gehörenden Truppen follen eine 
und diefelbe Bezahlung haben, wie die des Kreisobriften. 

34) In Friedenszeiten bleiben fie zur Dispofition des 
. Randesherren. Ben entftehenden Kriegen aber, oder zur Exe— 
kution gerihtliher Sprüdhe, zur Erhaltung der Ruhe und Ord— 
nung im Kreife, bat der Kreisobrift das Recht, fie zufammen: 
zuziehen und zu befepligen. 

35) Daß die nöthigen Fonds zur Bezahlung der Trup— 

pen und Behufs der Kriegsbedürfniffe, Feftungen.c. 
geſichert find, iſt der Aufliht und Kontrolle der Kreisobriften 
zu unterziehen. Es find einzelne Einkünfte hierzu auszufegen, 
und auf jandere Gegenftände unter feinem Vorwand zu vers 
wenden, 
36) Es ift feinem Bundesgliede erlaubt, Truppen in 
den Sold eines andern Staates zugeben. Diefed kann 
nur Durch einen Befhluß des ganzen Bundes ge— 
ſchehen. | 

37) Gewiſſe, näher zu beftimmende, Pläge find zu Buns 
desfertungen zu beftimmen. Wegen ihrer Befapung ift das 
Noͤthige feitzufegen, und dazu ein fiherer Fond anzuweiien, 


— 52 — 


Sie ſtehen, nach den getroffenen Beſtimmungen, unter dem 
Befehl des Kreisobriſten, in deſſen Bezirk ſie liegen. 

38) Wird ein Bundesſtaat angegriffen, fo find alle 
Glieder des Bundes zu feiner Vertheidigung verpflichtet. Sol; 
he, die zugleich Länder befigen, die nicht zum deutihen Bun: 
de gehören, haben in Abfiht auf diefe feinen unbedingten Ans 
ſpruch auf die Hülfe des Bundes, in fo fern das zu errictende 
beitändige Buͤndniß mir Deftreihh nnd Preußen in Abſicht auf 
dieſes nichts hieruͤber beſtimmt; eben fo wenig, wenn fie in 
Kriege verwidelt werden, wo fie der angreifende Theil find. 
Der Rath der Kreisobriften entſcheidet, ob diejes der Fall und 
ob es nörhig fen, ein befonderes Bündnig mit den Bedrohten 
oder in Krieg verwidelten Bundesgenoffen abzufchliefen oder 
nicht. j 
39) Bundesftaaten, die nicht zugleihb auswärtige Läns 
der befigen, dürfen allein und ohne den ganzen Bund weder 
Kriege führen, noch Theil nehmen; eben fo wenig für 
fi allein mit fremden Mächten unterhbandeln. 

40) Die vereinigten Niederlande, nnd wo möglich 
die Shweiz, find zu einem beftändigen Bündnig mit dem. 
deutfhen Bunde einzuladen. 

41) Die politifhe Griftenz deffelben ift auf dem —— 
henden Congreſſe von den kontrahirenden Mächten zu 3“ raus 
- tiren. 


* 


16. 


Memoire presente par les Ministres plénipoten- 
tiaires de ÜOrdre sonverain de St. Jean de Je- 
rusalem au Congres ‘de Vienne. 


Nous ferions tort aux lumieres-comme aux vastes connais- 
sances des personnes illustres qui composent le Congres gene- 
ral de paix sur lequel l’Europe entiere fonde aujonrd’hui, & 
si juste titre, son espoir et son bonheur; et ce serait abuser 
de leurs momens precieux, si pour plaider la cause de l’Or- 
dre souverain de St. Jean de Jerusalem, nous nous permet- 
tions de parler en detail de son origine, des grands hommes 
qui en tout tems l’ont combld de gloire, et des hauts faits qui 


— 53 — | 


lui ont merite l’estime et la bienveillance des Princes chretiens, 
dont la magnanlınite l’a enrichi des dons et des faveurs et des 
privileges les plus distingues. 

Neanmoins lorsqu’il s’agit d’attirer P’attention sur cet Or- 
dre meritoire, et de solliciter en sa faveur les suflrages de 
cette assemblee dont depend son destin, nous croyons meriter 
quelque indulgence, si, pour eclairer davantage la suite de 
ce Menoire, nous nous permettons de relracer ici en peu de 
mots, quel a ete son commencement, le but de ses institu- 
tions, Ja maniere dont illes a remplis, et les vicissitudes qu’ij 
a €prouvees durant le cours de plusieurs siecles, jusqu’a la 
derniere et la plus deplorable dont il fut frappe en 1798. 

Il est notoire que ce fut a la fin de l’onzieme siecle que 
l’Ordre de St. Jean s’etablit. Un homme inspire de Dieu et 
vraiment venerable (Gerurd Tum) se devoua, avec d’autres 
ehretiens qui partageaient ses sentimens nobles et vertueux, 

"secourir les pelerins qui tombaient malades en allant 
visiter le St. Sepulchre, ainsi que les guerriers couverts de 
blessures en combattant pour sa delivrance. En peu de.tems 
les compagnons de Gerard s’accrürent à tel point qu’ils ne pu- 

rent plus ötre tous employes aux soins de l’hospitalite. Il les 
dirigea a un devouement non moins important et genereux. 
Le trajet depuis la mer jusqu’a la Ville Sainte etait trouble par 
les ennemis de la foi chretienne repandus dans toute cette con- 
tree. Souvent' les pelerins etaient non seulement depouilles, 
mais massacres et reduits a l’esclavage, Pour des ames aussi 
elevees, il n’etait pas difficile de passer de l’etat d’hospitalier 
à celui de guerrier; et aux soins d’accueillir les pelerins, ils 
ajoulerent celui de leur servir d’escorte. Ils exposerent leur 
vie pour leur defense, et des actions extraordinaires signale- 
rent leur valeur et leur piete. De la deriva le double objet de 
Yinstitution de l’Ordre: l’hospitalite etla milice. 

Ces devoirs, volontairement pratiques sous Gerard, fu- 
rent eriges en loi fondamental de l’Ordre sous Raimond du Puy, 
son successeur, et les statuts qu’il erigea avec ses freres, ob- 
tinrent la sanction du St. Siege apostolique. 

Persuade que le respect que l’on attache a un nom illustre, 
est propre & inspirer à celui qui le porte, cette elevation 
d’ame qui, jointe à des sentimens religieux, est la source des 
plus hautes vertus et des plus grandes actions, cespremiers in- 


stituteurs de l’Ordre etablirent egalement en principe que la 
premiere et la plus nombreuse classe de ses membres, celle 
quise vouait a l’exercice des armes, düttoujours &tre de la plus 
genereuse noblesse; et depuis lors,. comme jusques à pre- 
sent, l’Ordre de St. Jean n’a point cesse de conserver dans 
leur pleine vigueur ces trois prineipes, qui, pour le bien de 
l’humanite, I’honorerent des sa naissance, 

N’ayant d’autres ennemis que les persecuteurs des chre- 
tiens, les chevaliers de l’Ordre prodiguerent leurs secours en 
tout genre indistinctement a tous les pelerins, à tous les guer- 
. riers infirmes, de quelque rang, de quelque nation qu’ils fus- 
sent, sans jamais prendre part aux diflerens,, et moins encore 
aux guerres qui s’elevaient entre les nations ähretiennes, Ils 
les regardaient tous egalement comme freres; et si cette mode. 
ration, cette sagesse n’eüt point etel’eflet des vertus qui distin- 
guaient de;a alors l’Ordre, on aurait pu la considerer comme 
dictee par la politique la plus sage, la mieux raisonnee. De 
la deriva le quatrieme principe constitutif de l’Ordre, celui 
d’une neutralite parfaite et inviolable envers tous les chre- 
tiens, 

Ce furent ces principes, qui, joints au merite et aux vertus 
de la plupart desesmembres, et soutenus par l’eclat desactions les 
plus glorieuses,, eleverent l’Ordre a ce degre de reputation et de 
splendeur,, ou l’Europe l’a si long-tems contemple. Le roy- 
aume de Jerusalem comme les autres colonies etablies dans la 
Sirie, lui durent ainsi qu’aux autres Ordrcs militaires institues 
a son exemple, leurs premiers succes et la prolongation de 
leur existence, Les monarques, les nations, convaincus de la 
bravoure, de l’'honneur comme de la fidelite que les chevaliers 
de l’Ordre de St. Jean ne cessaient de deployer pour la cause 
commune, leur temoignerent leur admiration et leur reconnais- 
sance, en versant sur eux leurs bienfaits, tandis qu’un grand 
nombre de gentilshommes, en se rangeant sous leurs bannie- 
res, consacrerent leurs personnes etleurs biens au soutien d’une 
institution aussi meritoire. De leur cötc les Souverains Pon- 
tifes comme peres communs de la chretienie et chefs de toute 
instilution religieuse, prirent, des sa naissance, l’Ordre sous 
leur puissante protection, en lui decernant pour son soulien et 
sa propagation les encouragemens, les graces et les privileges 
les plus etendus. 





Mais la mesintelligence et la jalousie, qui s’etaient intro- 
duites parmi les successeurs des premiers croises, jointe & l’im- 
puissance ou l’Europe, dechiree par des guerres intestines, se 
trouvait pour les assister, firent bientöt deoliner la situation 
des chretiens en Asie. De meme qu’eux, l’ordre füt contraint 
à ceder peu a peu le terrein, en se retirant d’abord a Mar- 
gat et puis a St. Jean d’Acre. Toute cette terre fut baignee 
mille fois de son sang. Enfin, epuise par les pertes qu’il fai- 
sait dans les combats journaliers avec des ennemis infiniment 
superieurs en nombre, l’Ordre des Hospitaliers dut s’exiler de 
sa terre et se retirer a Lissimo dans l’isle de Chypre. Son 
existence dans cette isle etait triste et precaire, Le grand 
Foulques de Villaret conquit celle de Rhodes, Le seul nom 
de ceite isle rappelle tant de vertus eclatantes, tant de hauts 
faits de valeur et de courage, un si grand nombre de services 
importans rendus à la chretiente, à a ses Puissances et à ses na- 
tions, que l’imagination se plait a se les retracer. Les peuples 
temoignerent a l’Ordre souverain de Rhodes toute l’admiration 
et l’estime qui lui etait düe, et les princes et pontifes, en lui 
prodiguant leur generosite, ne crurent qu’etre reconnaissans. 


Nous serions prolixes, si nous entrions en detailj’sur la 
glorieuse defense que fit de cette isle V’illustre Grand- Maitre 
d’Aubusson. Ilsuffit de la citer, ainsi que celle non moins belle 
mais moins heureuse faite par l’immortel Villiers de l’Isle- Adam, 
Dieu permit alors, pour accomplir ses desseins impenetrables, 
qu on vit parmi les chevaliers le —— traitre. Que n’a-t-il 
ete le dernier! 


Apres la retraite de Rhodes, l’Ordre etait long-tems er- 
rant, mais non abattu. Il semblait que le ciel avait voulu 
tirer delä ce grand homme, pour, apres avoir Eprouve, pen- 
dant des annees, son courage, sa constance et leg vertus qu’il 
deploya dans le gouvernement de l’Ordre incertain et abandon- 
ne, le placer dans une situation plus propre a la /defense de 
l’Europe et à prouver de nouveau ala chretiente, qu’il n’avait 
rien perdu de ses droits a l’estime et a la gloire. Ce fut alors, 
que l’Empereur Charles. V. doue d’une sagesse rare et d’un 
coeur magnanime, -et non moins touche par les vertus eminen- 
tes de l’Isle-Adam que persuade de l’utilite dont l’Ordre, avan- 
tageusement place, pouvait ötre encore à l’Europe et particu- 


— 56 — 


lierement à ses états, le tira de son inactivite forcee, et lui 
donna en touie souverainete en ı550 l’isle de Malthe. 

Les annales de l’Ordre sont remplies des belles actions par 
lesquelles les chevaliers de Malthe se sont illustres en tant d’oc- 
casions et particulierement dans le long siege où La Valette 
defendit si vaillamment cet @cueil contre toutes les forces de 
V’Empire Ottoman. Un devoir moins brillant, mais dont l’uii- 
lite precieuse etait de tous les jours, de tous les instans, les 
appelait à couvrir l’Italie et l’Europe contre les armes des Infſi- 
deles, et ils la couvrirent! à proteger les cötes et les isles de la 
Mediterranee et avec elles le commerce des peuples europeens, 
et ils les protegerent avec constance et efhcacite! Dans toutes 
les saisons, les bätimens de l’Ordre parcoururent assidüment 
la mer et parvinrent a detruire les escadres des pirates barba- 
resques et à les forcer a ne plus oser se mesurer avec eux. Des 
la’ ils furent reduits a des armemens plus faibles et a ne pou- 
voir exercer leurs brigandages qu’avec des bätimens legers aussi 
propres a fondre sur les marchands desarmes qu’a fuir à l’a- 
spect du pavillon de l’Ordre; et le seul bruit de la sorlie de 
nos vaisseaux du port de Malthe suffisait pour les faire ren- 
trer precipitamment dans les leurs. C’est ainsi que l’Ordre 
assurait la navigation et le commerce d’une grande etendue de 
la Mediterrande. Ce service, cette utilite reelle a ete rendu 
constamment de sa part jusques dans les derniers instans de sa 
possession de Malthe; et encore la veille meme de laggression 
malheureuse de ı798 une des escadres de l’Ordre etait rentree 
avec une prise faite sur des cörsaires afrioains. 

es chevaliers de l’Ordre de St. Jean n’etaient pas moins 
prompts a 'se preter a tout ce que les Puissances de l’Europe 
poüvaient reclamer d’eux. Jamais ces Puissances n'ont tente 
d’entreprise contre les ennemis communs du nom chretien et de 
leur sürete, sans qu’ils y aient pris part; et pour rappeler 
seulement quelques exemples qui ne sont peint trop eloignes, 
on se bornera & citer ici, qu’on les a vus sous Tunis avec les 
forces navales de Louis XIV., sur le Danube pour le service de 
l’Empereur Charles VI., et devant Alger pour celui de Char- 
les III., Roi d’Espagne. 

‚Nous croyons pouvoir nous dispenser d’mdiquer, de quelle 
maniere l’Ordre remplissait soh premier devoir institutif, Fho- 
spitalit&i On sait avec quelle charite,-avec quel devouement 


je 


— 3171 - 


il s’en aoquitia en Palestine et a Rhodes, et tows les naviga- 
teur de la Mediterranee ont eu des preuves des soins et de l’ac- 
cueil avec lesquels les chevaliers Hospitaliers de $t. Jean 
recevaient dans leur vaste höpital a Malthe et y soignaient in- 
distinotement tous les malades de quelque nation, de quelque 
religion qu’ils fussent, et de quelque infirmite qu'ils pouvaient 
etre atteints. Ce n’etait pas seulement au retablissement de la 
sante individuelle que l’Ordre ouvrait ses höpitaux, mais il 
s’interessait tout-autant à Ja conservation de la sante publique. 
Il avait a cet eflet etabli un lazaret commode et bien entendu, 
qui servait de barriere à ce fleau terrible qui si souvent desole 
V’humanite, et l’Ordre peut se flatier d’en avoir preserve main- 
tefois l'Italie et peut etre meme l’Europe. 
Tel etoitl’Ordre a Malthe, et telil y serait encore, — 
de la bienveillance des princes et des nations, si le tems n'avait 
pas amene celte epoque malheureuse, ou la subversion de tous 
les principes moraux, causee par des maximes soi-disant phi- 
losophiques, n’avait point dechire les liens les plus sacres com- 
me les plus necessairys au maintien de la sürete. L’Ordre da 
St. Jean, d’institution religieuse, noble et militaire, ne put 
&tre preserve de ce poison que la revolution dirigeait princi- 
palement vers ces corporations. Des lors, ni la sagesse de ses 
lois, ni le bon usage qu'il faisait de ses moyens, ni les services 
qu'il rendait a l’Europe, ni sa rigoureuse neutralite, ni enfin 
les mers qui separaient son siege du foyer revolutionnaire, ne 
purent l’en garantır. L’Ordre, comme d’autres Etats, eut 
malheureusement des sujets perfides, et (ce que la posterite 
aura peine a croire) un nombre a la verite petit, mais trop 
grand par son infame activite et trop puissant par sen influen, 
ce, des chevaliers meme, oubliant leurs sermens et les devoirs 
de la reconnaissance, agiterent en mille fagons un peuple im- 
prudent et credule, qui a l’arrivee de l’ennemi commun se 
souleya contre son gouvernement bienfaisant et paternel, qui 
V’avait fait fleurir depuis pres de trois siecles. Ces traitres, 
baignes du sang de leurs freres qu’ils avaient fait massacrer par 
les soldats trompes ou seduits, vendirent la defense, le salut 
de l’Isle,-sept siecles de gloire, et l’honneur même de leur 
nation, en livrant la pläce. Non, un malheur de cette espece 
ne sera pas, aux yeux de la juste posterite, une tache pour 
un Ordre en tout items si jaloux de sa reputation et si delica 


1 


-- BB, 


' sur son bonneur, qu’il avait conserve si long-tems a l’abri de 
tout reproche ! Bien different etait certainement l’esprit de 
l’Ordre en general, comme celui du Grand -Maitre, qui, pas 
plus de trois mois avant cette funeste catastrophe, avait eu 
occasion de se cönvaincre de la fidelite, du zele et de l’ardeur 
de ses chevaliers et des habitans de l’isle, Et plein de confi- 
ance dans le temoignage de ces sentimens qu'il devait croire & 
V’abri de tout soupgon, il se persuada que les ordres qu’il don- 
nait, & l’approche du danger, pour la defense de la place, 
comme pour le maintien de la tranquillit@ publique, auraient 
ete pleinement executes, et que chacun aurait rempli la täche 
ou le poste qui lui avait ete designe. Le-premier soussigne, 
qui a ele malheureusement temoin oculaire de tout ce qui se 
passa a Malthe en cette occurence funeste, peut attesier sur 
son honneur, d’avoir vu et entendu les chevaliers de tout äge 
et de toute nation montrer par leur oontenance et leurs paro- 
les, qu'ils etaient prets et brülaient d’ardeur de signaler leur 
courage pour defendre la mere commune jusqu’& la derniere 
goutte de leur sang, et de rendre, à l’instar de leurs prede- 
cesseurs, leurs noms dignes de l’immortalite.. On ne pouvait 
voir un plus bel enthousiasme. Les malheureux, ils furent 
trahis! Qu'on nous pardonne cette digression que nous ar- 
rache un souvenir a jamais douloureux. 

Le chef de l’Ordre, apres ce fatal evenement, dut aban. 
doner Malthe, et ilse rendit à Trieste, ou, des son arrivee, 
il organisa, autant que les circonstances pouvaient le permet- 
tre, le couvent et un conseil provisoire de l’Ordre. Quelques 
mois apres il abdiqua la Grande-Maitrise, L’Empereur Paul I, 
de glorieuse memoire, accepta cette dignite et il etablit le con- 
seil de l’ordre de St. Jean de Jerusalem dans sa capitale de St. 
Petersbourg. Son glorieux successeur employa sa haute in- 
fluence, pour que l’Ordre püt avoir un chef, un Grand -Mai- 
tre reconnu par toutes les Puissances, et cet auguste Monar- 
que daigna conserver a l'illustre Ordre l’honneur et l’avantage 
precieux de sa puissante protection, 

Jean Baptiste Tommasi, l’un des membres les plus meri- 
toires de l’Ordre, fut nomme Grand-Maitre par sa Sainteie 
Pie VII. actuellement regnant; et toutes les Puissances le re- 
eonnurent. Il residait en Sicile, et ce fut la qu'il établit, 
aussi regulierement que les circonstances le permirent, le.con- 


— 59 — 

seil et le couvent. Tous les prieures de l’Ordre, exceptes 
ceux de la France, furent en correspondance avec lui. Apres 
son dece-, survenu en ı805, le conseil d’Etat de l’Ordre nom- 
ma d’abord un lieutenant du Magistere; et camme les cheva- 
liers qui se trouvaient au couvent, n’etaient pas en nombra 
suffisant pour pouvoir proceder a l’election d’un Grand- Mai- 
tre en suivant ce que les statuts de l’Ordre prescrivent a cet 
egard, ils durent se borner à se reunir en assemblee generale 
pour designer un candidat pour cette dignite, et le presenter, 
pour cette fois, a la confirmation du Souyerain Pontife. Mais 
Sa Saintete, en approuyant tous les autres actes emancs par 
le couvent, trouva dans sa sagesse de diflerer cette approba- 
tion. En consequence, elle laissa continuer les renes du gou- 
vernement de l’Ordre dans les.mains du lieutenant du Magi- 
stere et du sacre conseil, en leur decernant les points d'auto- 
rite et les facultes necessaires. Cet ordre provisoire des .cho- 
ses fut notifie a toutes les puissances et à tous les prieures ou 
l’Ordre etait conserve, 

Ce resume, tire des annales de YOrdre, prouve, ‚que 
pendant l’espace de plus de sept cents ans il n’a pas cesse un 
instant d’exister, d’exercer les points Principaux de son insti- 
tution utile, de conserver ses principes constitutifs et de bien 
meriter de toute l’Europe, Si d’apres ces considerations, les 
hautes Puissan6des aujourd’hui assemblees, veulent 
bien, en lui continuant leur genereux appui, donner a l’Or- 
dre de St. Jean de Jerusalem un emplacement conve- 
nable, lui restituer la partie de ses biens qui en 
serait susceptible, et l’aider, au moins pour les pre- 
mieres annees, des moyens necessaires pour four- 
nir aux depenses de son etablissement etä la re- 
prise de ses oroisieres oontre les pirates, il est cer- 
tain qu’ilpourra denouveau rendre les mémes yervices, les mömes 
avantages, qu’il a rendus en d’autres tems et en d’autres lieux. 

L’histoire nous apprend que depuis les tems les plus an- 
ciens, les mers ont ete troublees par des pirates, et qulils 
n’ont jamais pu ötre reprimes qu’au moyen d’eflorts extra- 
ordinaires, et cela pour peu de duree, vraisemblablement 
parce qu'alors il n’y ayait pas d’institutions semblables à celle 
de l’Ordre de St. Jean; et ce qui vient a l’appui de cette 
supposition, c’est qu’aujoürd’hui la Mediterranee surtout en 


\ 
— 60 — 


parait plus infectee que lorsque l’Ordre y avait son siege. 
Cela demontre, combien il serait desirable pour toutes les 
nations, qu’il nüt de nouveau y exercer sa vigilance et som 
activite. L’Ordre n’entend pas de vouloir y faire une guerre 
de religion; à cet egard les circonstances d’aujourd’hui ne 
sont plus les m&mes qu’autrefois. Enyprotegeantle com- 
merce et la navigation, il voudrait briser les fers 
des Chretiens qui gemissent dansl’esclavage, et 
preserver d’autres de oette calamite. Et pour met- 
tre derechef l’Ordre a même de rendre ce service important, 
il ne serait pas necessaire de fournir a sa disposition de 
tres-grands moyens. Les biens qui lui restent, ceux qui 
pourraient lui etre rendus, quelques secours, pour ainsi 
dire, collectifs, qu'il ose esperer d’obtenir des Puissances 
proteotrices, au moins pour les premiers tems, seraient suf- 
fisans; et le devouement de ses chevaliers, leur noble ambi- 
tion et leur desir de. bien meriter du salut public, supplee- 
raient a ce qu’on pourrait souhaiter de plus, pour parvenir 
a atteindre le_degre d’utilite et la ceJebrite de leurs ancetres. 

L’Ordre de $t. Jean presente d’ailleurs encore un autre 
avantage, qui lui est particulier. Ilest desa nature une ecole 
de navigation et de valeur militaire. Les grands 
hommes qu’il a fournis, m&me dans les derniers tems, à leurs 
souverains, tant dans carriere militaire que civile ou politi- 
que, sont trop connus, pour qu'on ait besoin de les nontmer. 

Nous croyons egalement pourvoir nous dispenser de nous 
etendre sur la convenance et les avantiages de la neutralite 
constitutionnelle de l’Ordre, dont nous avons dejä 
parle. Ils sont si palpables pour le cas ou l’Ordre obtien- 
drait un emplacement convenable et propre a We frequente 
par tous les navigateurs, qu’il serait superflu de vouloir les 
mettre ici en evidence. Les secours seraient toujours preis, 
eomme ils l'’etaient a Malthe, au besoin des toutes les nations 
chretiennes, et nos ports seraient Jeurs ports communs. L’ho- 
spitalite que l’Ordre pourrait y exercer de nouveau, in- 
distinctement envers tons ceux qui en auraient besoin, com- 
me dans ses tems les plus heureux, mérite aussi l'attention 
des ministres sages et philantropes. L’etendue de son utilitd 
serait naturellement en raison de la convenance de notre em- 
placement; et le lazaret que l’Ordre y entretiendrait sur le 


— 61 — u 


modele de celui de Malthe, offrirait pour l’humanite un se- 
eours non moins bienfaisant. 

En passant maintenant & Ja consideration du troisieme 
principe constitutif de l’Ordre de St. Jean, oelui de la No- 
blesse, il est certain qu’il est du plus grand comme du plus 
precieux interet, particulierement dans les monarchies. Aussi 
dans tont le cours de sa longue existence, l’Ordre a veille 
constamment & la oofiservation rigoureuse de ce principe. 
Toutes les nations qui y elaient adınises, ne peuvent qu’en 
rendre le juste temoignage. La Noblesse de nom et d’ar- 
mes, que l’Ordre exige dans ses preuves, ei qui a tant con- 
tribue- A sa reputalion, est celle que le pouvoir meme, ne 
saurait accorder, mais que le merite fonde et le tems seul 
consacre. Elle est le plus ferme soutien des :Souvernemens 
monarchiques , et c’est un patrimoine d’honneur qui har- 
monise merveilleusement avec leur autorite.. On a dit sage- 
ment: Point de Monarque, point de Noblesse; point de No- 
blesse, point de Monarque. On pourrait sans-doute s’eten- 
dre amplement sur celte maxime, ei citer maintes raisons 
qui en fondent la verite; mais on croit pouvoir d’autaet plus 
s’en.dispenser, que ce memoire s’adresse a des personnes 
qui sont toutes de cetie premiere classe distinguee de l’Etat 
et qui sont imbues non seulement de la necessiteque le tröne 
a, de la conserver dans toute sa purete, mais de lui decer- 
ner constamment son appui et ses faveurs. D’apres cela on 
ne peut que regretter que les principes subversifs qui ont do- 
mine dans ces derniers tems, aient porte une'si vive atteinte 
au lustre comme au respect qui de töut tems ont ete le partage 
de la Noblesse. Un autre resultat amene par les memes cir- 
constances, est la spoliation, la perte de la plus grande par- 
tie des etablissemens et des ressources si sagement fondees par 
"nos ancetres pour pourvoir les cadets de familles d’une exi- 
stence convenable a leur naissance. Et il est certain que le 
retablissement de l’Ordre de St, Jean fournirait encore au- 
jourd’hui pour eux des moyens precieux. Il ne contribuerait 
pas moins a relever et,donner une nouvelle splendeur & la 
noblesse, en ce qu’il est tres- essentiel que dans tous les etats, 
ou elle est etablie, elle paraisse a tous les yeux sous les m&mes 
formes et, pour ainsi dire, sous les memes traits et couleurs. 
Il faut donc un model, un type commun, et l’Ordre de St. 


* 


— 62 u 
Jean de Jerusalem, qui possedait dans son sein l’elite de la 
Noblesse de l’Europe, a toujours ete considere comme etant 
‚ particulierement le gardien de ce precieux depöt. 

Apres avoir , demontre brievement, comment l’Ordre n’a 
pas cesse d’etre digne de faire encore une partie du corps po- 
litique de l’Europe et de servir au bien-etre general, nous 
exposerons avec non moins de verite, qu’il n'est pas, comme 
on pourrait le croire, depourvu des moyens, pour continuer 
cette honorable carriere, En designant ceux dont il n’a point 
cesse d’etre en possession, nous citerons egalement ceux dont- 
il peut esperer la restitution immediate de la magnanimite 
‚et justice des souverains ; et ceux que /'avenir promet de lui 
amener. | 

L’Ordre jouit dans ce moment de ses anciennes posses- 
sions en Sicile et en Sardaigne. Celles qui lui appartenaient 
dans le prieure de Rome ont dejä ete restituees dans la pres- 
que-totalite, Il en a ete de même dans les duches de Parıne 
et de Plaisance. Gelles qu’il possede dans le grand -prieure de 
Boheme, sous la domination de l!’Auguste Empereur d’Autriche, 
sont intactes. Voila ce que l’Ordre possede en ce moment. 

Plein de confiance dans les sentiments genereux et equitables 
qui caractetisent le Monarque vertueux qui vient de recuperer 
les Etats de Venise et de la Lombardie, l’OÖrdre ose se per- 
suader d’obtenir la restitution de la partie de ses biens qui y 
ont ete conserves par leur reunion aux domaines du ci-devant 
royaume d’Italie. Il peut sans doute nourrir la meme persua- 
sion a l’egard de ses anciennes proprietes dans le prieur& de 
Pise, rentre sous la domination d’un prince aussi sage que ver- 
tueux et qui a ete rendu à la Toscane comme un gage assure 
du renouvellement de ses jours heureux. 

Quant aux biens de l’Ordre en Espagne, on ne peut pas 
dissimuler que par la guerre desastreuse qui a desole ce roy- 
aume, plusieurs Commanderies ont dü beaucoup souflrir; mais 
il n’est pas moins vrai, qu’elles existent encore toutes, et que 
l’Ordre peut se flatter avec raison, que par la volont€e du Mo- 
narque, assis sur ce tröne qui Jui a toujours prodigue ses grä- 
ces et ses faveurs, elles lui seront rendues, et qu’a l’instar 
de ses ancetres, ce Monarque protecteur des institutions re- 
ligieuses, ne se bornera pas vis-A-vis de l’Ordre à ce seul 
bienfait. 


— 63 


L’Ordre ayant joui en tout tems de la haute protection du ‘ 
prince magnanime qui gouverne le Portugal, pouvons-nous 
craindre la perte des commanderies qui ont &te conservees par 
. ce prieure avec tant de zele et de vigilänce; 

A cömbien d’heureuses et justes esperances nötre coeur ne 
s’ouvre-t-il pas, en portani nos regards vers cet Auguste Em- 
pereurꝰ) qui avec une grandeur d’ame dont les annales de l'Or- 
dre ne furnissent que bien peu d’exemples, s’est declare so- 
lemnellement son protecteur et son soutien! Ilm’ya rien que 
nous ne puissions attendre de sa generosite; et c’est sans doute 
en ce moment qu'il daignera nous en.faire eprouver les puis- 
sans eflets. 

Et cette grande nation **) qui de tout tems a si bien merite 
de l’humanite, et qui dans les circonstances actuelles s’est ac- 
quis de si grands droits a la reconnaissance de l’Europe entiere 
par les eflorts prodigieux et les sacrifices immenses qu’elle a 
faits pour lui procurer la paix et sa liberte — ne partagera- 
t-elle pas a l’Ordre de St. Jean de Jerusalem ses sentiments ge- 
nereux avec lesquels elle vient au secours de tant d’autres qui 
ont et€ frappes par les evenemens et qui certainement n’ont 
pas plus de droits a ses egards et (nous osons le dire) à sa jus- 
tice. N’aimera-t-elle pas mieux renouveler aveo lui ses an- 
ciennes liaisons qui augmenteraient sa sürete, sa force et sa 
gloire ! | 

Et ce Louis tant desire, rendu au tröne de ses anceires 
pour le bonheur de son peuple, ne rendra pas vaines les espe- 
rances que l’Ordre fonde sur lui à tant de titres. Quoique 
malheureusement il ne reste dans l’etendue de son royaume que 
peu de ses proprietes non alienees ou non vendues, et que 
douloureusement il paroit, que ses intentions liberales ne pour- 
ront pas avoir de sitöt un effet bienfaisant pour l’Ordre, un 
jour arrivera pourtant, et nous esperons qu’il n’est pas tras- 
eloigne, ou la France sera rendue à ce bonheur et & cette 
trangquillite qui permettra a son Monarque d’ötre, comme ses 
predecesseurs, un des principaux souliens et protecteurs de 
l’Ordre, que sa noblesse a tant illustre. 





*) De Russie. 
**) ’Angleterre. 


La Baviere, de möme que laPrusse, ainsi que d’au- 
tres Couronnes, excitees par de si beaux exemples, ne de- 
daigneront pas de concourir, comme dans les tems passes, à 
notre regeneration et à notre entretien. 

La Suede et le Danemaro, qui ont offert a l’Ordre, 
lors desa derniere existence active, des-subsides considerables 
pour qu’il se chargeät de convoyer leur bätimes dans la Me- 
diterranee et d’y proteger leur commerce, pourraient renouer 
cette negociation, qui fournirait a l’Ordre un moyen de plus 
pour remplir sa täche. | 

: Il est certain d’ailleurs que fe lieu meme de notre etablis- 
sement nous offriroit plas ou moins de revenus selon sa nature 
et sa capacite, dont l’Ordre profiterait avec moderation et sa- 
gesse. Mais c’est la un point qui doit @tre entierement aban- 
donne A notre autorite legislative, qui recherchera et fixera les 
ressources qu’on peut tirer du sein mèê me del’Ordre. Les plus, 
süres, les plus honorables, et peut-etre les plus productives, 
sont celles qui proviennent d’une sage &economie, d’une admi- 
nistration atientive, enfin du zele et de l’amour de la cause 
publique dont nous esperons de voir tous les membres de 
l’Ordre vivement 'penetres. Ä . 

Il faut enfin parler du dernier, mais tres-important ob- 
jet — du lieu de notre etablissement futur. Nous 
respectons trop les droits de chaque Souverain et ceux de la 
confederation entiere pöur oser en designer aucun. Ü’est aux 
Monarques memes et a leurs sages representants, qui connais- 
sent parfaitement les interets de tous les Etats et ce dont on 
peut disposer pour compenser les pertes faites par chacun 
d’eux, a examiner ei delerminer avec la penetration et la ma- 
turite qu’ils deploient dans toutes leurs operations, quel est 
V’endroit le plus convenable {pour le retablissement du siege 
de l’Ordre. 

Nous indiquerons seulement a peu pres les qualites qu’un 
tel etablissement devrait avoir, pour que nous puissions encore 
nous y rendre utiles, ll faudrait qu’il ne füt pas trop eloig- 
ne du centre dela Mediterrane; il deyrait avoir un 
port sur et capable de contenir toute espece de bätimens, 
tant des nötres que des Puissances amies, soit de guerre, 
soit marchands, qui seraient dans le cas d’y aborder. Il y 
faudrait en outre un emplacement convenable pour un arse- 


— 65 — 


n’al et un autre pour un lazaret aussi utile que necessaire, 
non seulement pour nous, mais pour l’humanite en general. 
ll serait egalement indispensable d’y trouver, surtout des les 
premiers momens, une sürete suffisante pour ne pas être ex- 
pose a des insultes; enfin de quoi loger le personnel en général 
de l’Ordre, si non commodement, du moins a l’abri de V'in- 
temperie des saisons. Une eglise, un höpital au moins 
provisoire, sont de l’essence de notre institut. 

L’Ordre ne demande pas de grandes choses. Il suffit de: 
n’etre pas dans la necessite de poser la premiere pierre; ce 
qui epuiserait ses moyens, et l’empecherait de se livrer ä a co 
qui fait l’objet de son institution. 

Nous ne pouvons pas terminer cet ecrit sommaire , sans 
y observer et declarer avec la franchise dont nous faisons pro- 
fession, une chose liee si essentiellement à l’honneur et a la 
dignite de l’Ordre ainsi qu’a ses devoirs. Ü’est que, quel que 
pourrait être le chef-lieu que la volonte et le concours des 
Hautes Puissances assignerait A l’Ordre, il faut que celui-ei 
y soit independant et libre comme autrefois; qu'il y 
jöouisse de tous les drois et prerogatives delasouve- 
rainete et de tous ses anciens privileges, quil: 
puisse y professer sa religion catholique romaine; envoyer des 
ministres et des agens de tout rang pres des puissances; entre- 
tenir avec elles des rapports politiques et commerciaux; faire. 
observer, pour le maintien de sa, neutralite constitutive , les 
lois et les reglemens qu'il a suivis pendant plusieurs siecles 
sur l’admission dans ses ports des bätimens armes des diverses , 
nations en paix ou en guerre; enfin que l’Ordre n’y soit jamais 
qu’a des conditions honorables et conformes à la nature d’un 
ẽtat souverain, tel qu'il a toujours ete a Rhodes comme aMalthe. 

Apres avoir expose, quelle a ete l’origine de l’Ordre de; 
St. Jean de Jerusalem, quelles sont ses principales institutions . 
ei ses principes; comment, en les observant avec exactitude, 
il s’etait eleve au haut degre de sa gloire; comment il a meritd 
et obtenu:de toute part les honneurs, privileges et bienfaits dont 
il etait enrichi; comment, toujours fidele à ses institutions et 
principes m&me au milieu de ses revers, il a ete accueilli dans 
ces derniers tems malheureux sous l’egide et la protection d’un 
puissant et genereux monarque qui a prolonge son existence; 
comment il pourrait etre derechef utile & töute l’Europe, pour- 

Eodex Diplomaticus. (Eur, Annal. 1815.) 5 


— 66 — 


vu qu’il füt place de nouveau dans un lieu convenable; et en- 
fin, comme il n’est pas entiereinent denue de moyens pour 
reprendre l’exercice de son illustre profession, particuliere- 
ment si les Puissance proteotrices voudraient bien l’aider dans 
le commengement de sa nouvelle carriere selon ce qu’elles daig- 
neraient determiner à cet égard; il ne nous reste que de nous 
adresser avec pleine confiance aux Ministres plenipoten- 
tiaires de ce.Gongres general, pour les prier tres-in- 
stamment de bien vouloir adopter la maxime de sa conser- 
vation et en consequence, de la restitution de toutes 
celles de ses proprietes qui dans les circonstances ac- 
tuelles en seraient susceplibles. — Nous croyons ‚.relative- 
ment à cette restitution de biens, devojr exposer encore avec 
verite, que ires-certainement la partie qui en est situce dans 
chacun des Etats respectifs, est de bien peu d’importance; 
qu'il en est de m&me de la faible portion de leur revenugque, 
pour l’entretien du gouvernement de l’Ordre, les comman- 
deurs respectifs payent au tresor commun; de maniere que 

presque la totalite de leur produit est pour les cadets des famil- 

les nobles une ressource, une recompense,, quiles met d’autant 
mieux a meme de servir plus utilement leur Souverain. 

C'est A l’appui de ces consideration reunies, que nous sup- 
plions tous les Ministres en general et chacun d’eux en ‚parti- 
cülier, de vouloir bien mettre aux pieds de leurs augustes 
Monarques les ferventes prieres que nous leurs adressons, 
pour qu’il leur plaise, de prendre de nouyeau l’illustre Ordre 
de St: Jean de Jerusalem sous leur puissante protection, de 
l’encourager par leurs faveurs et bienfaits, en un mot de sou- 
tenir, comme autrefois, son destin et sa gloire. 

Finalement, comme par la separation actuelle.des lanques 
ei la dispersion des chevaliers, ceux qui se trouvent reunis au 
couvent de Ü'Ordre siegeant a Catane en Sieile, ne sont pas 
suffisamment nombreux et qualifies pour pouvoir y proceder 
legalement à l’election d’un Grand-Maitre, nous ne pouvons 
qu’implorer de meme les Ministres plenipotentiaires, d’em- 
ployer leurs bons offices pres de leurs augustes Souverains,. 
pour qu'en oas de la realisation si ardemment desiree du reta- 
blissement de l’Ordre de St. Jean, ils daignent soliciter de 
Souverain Pontife comme chef de tous les Ordres religieux, dr 
nommer (pour ceite fois seulement, et sans: prejudice aux 


droits et privileges de l’Ordre) son Grand- Maitre, afın que 
la reorganisation statutaire del’Ordre n’eprouve aucun retard. 


Plein de confiance dans le genereux et magnanime appui 
des augustes Souverains et de leurs sages representans, ei non 
moins penetre de la plus respectueuse et vive reconnaissance 
pour tous les bienfaits dont il a deja joui et dont il espere à 
si juste litre la continuation, l’Ordre de St. Jean de Jerusalem 
voue, dece moment meme, au service, à l’utilite et à la gloire 
de ses Protecteurs, ses travaux, ses soins et ses biens, meme 
le sang et la vie de ses:chevaliers, qui, stimules par sept siecles 
- de gloire et de vertu de leurs predeoesseurs, dirigeront tous 
leurs efforts pour meriter, comıne eux, la consideration et l’es- 
time generale qui les honoraient. 


Vienne, le 20. Septembre ı814. 
Le Bailli Miari. 
Le Commandeur Berlinghieri. 


! 





| — | 
Bekanntmachung, daß die fürmlide Eröffnung 
des Wiener Kongreffes auf den J. November 
1814 ausgefeßt worden fey, datirt Wien den 8, 


Dftober 1814. 
Deflaratiom ı 

Die bevollmächtigten Minifter der Höfe, von denen am 
50. May 1314 der Parifer Friedens; Traktat unterzeichnet wurde, 
haben den 32, Artikel deſſelben, durch welchen beſtimmt war, 
daß die von einer und der andern Seite in dem lebten Kriege 
begriffen geweienen Mächte Bevollmaͤchtigte nah Wien {dis 
den follten, um auf einem allgemeinen Kongreß die zur 
Vervollſtaͤndigung jenes Traktats erforderlihen Mafregeln fefts 
‚ zufeßen, in Erwägung gezogen, und nach reifem Nachdenten 
über die daraus entipringenden Verhältniffe und Pflichten er: 
kannt, daß es ihre erfte Sorge feyn muſſte, zwiſchen den Bevolls 
mäctigten ſaͤmmtlicher Höfe freye und vertrauliche Erdrkes 


| 


— 68 — 


zungen einzuleiten. Zugleich aber find fie zu der Ueberzeu— 
gung gelangt, daß es dem gemeinfcaftlihen Intereſſe aller 
Theilnehmer angemeffen ſeyn wird, eine allgemeine Zus 
fammenberufung ihrer Bevollmächtigten bis auf den Zeitz 
punft zu verfhieben, wo die von ihnen zu entfheidenden 
Sragen den Grad von Neife gewonnen haben werden, ohne 
welhen ein mit den Grundfäßen des Voͤlkerrechts, den Stipus 
lationen des Pariſer Friedens, und den gerechten Erwartungen 
der Seitgenoffen moͤglichſt übereinftimmendes Mefultat, nicht zu 
erreihen feyn würde. Die foͤrmliche Eröffnung des 
Kongreffes ift demnah bie aus den 1. November ausgeſetzt 
worden, und die obgedachten bevollmächtigten Minifter leben 
der Hoffnung, daß die in der Zwiſchenzeit vorzunehmenden Ar: 
beiten, zur Berichtigung der Ideen, zur Ausgleihung der Ans 
fihten und zur Beförderung des großen Werkes, weldes der 
Gegenstand ihrer gemeinfhaftliden Sendung ift, weſentlich bep: 
tragen werden. Wien, den 8. Dftober 1814, 


J 


18. | 

Franzöftihe Bemerkungen zu der Bekanntmachung, 
| Satire Wien den 8. Dftober 1814) daß die 
foͤrmliche Eröffnung des Kongreffes auf den 1. 
Movember 1814 ausgefeßt fey. 


La deelaration precedente, en exposant les motifs qui font 
differer l’ouverture du congres de Vienne, est le premier ga- 
vant de l’esprit de sagesse qui dirigera les travaux des pleni- 
potentiaires assembles. C’est een eflet, par la maturite des con- 
seils, c’est dans le oalme des passions que doit renaitre la 
tutelaire autorite des principes du droit public invoques et re- 
connus dans le dernier traite de Paris. 

Ainsi la juste attente des contemporains sera remplie, et 
Yon obtiendra, dans les prochaines negociations, un resultat 
conforme à ce que le droit des gens et la loi universelle de 
justioe prescrivent aux nations entr’elles. 

A l’epoque ou de grandes puissances se sont liguees pour 
ramener dans les relations mutuelles des etats le respect des 


— 


— 609 — 


proprietes et la sürete des trönes, on ne peut attendre que des 
transactions poliliques revetues de cet equitable caractere. 

Deja l’Europe accepte cet heureux augure, etla France, 
qui n’est jalouse d’aucun des avantages que d’autres etats peu- 

vent raisonnablement esperer, n’aspire qu’au retablissement 
d'un juste Equilibre. Ayant en elle tous les elemens de force 
et de prosperite, elle ne les cherche point au-dela de ses 
limites ; elle ne prete l’oreille a aucune insinuation tendant à 
etablir des syst&mes de simple couvenance; et reprenant le röle 
qui lui assura jadis l’estime et la reconnoissance des peuples, 
elle n’ambitionne d’autre gloire que celle dont les garanties 
reposent sur l’alliance de la force avec la moderation et la ju- 
aↄtice; elle veut redevenir l’appui du foible et le defenseur de 
Yopprime. 

Dans cette disposition, la France concourra aux arrange- 
mens propres à consolider la paix generale ;* et les souverains 
qui ont sinoblement proclame les m&mes principes, consacre- 
ront aveo elle ce pacte durable qui doit assurer le repos du 
monde. | 


I. | 

Note, wodurd der Hanndverifche Staats: und Ka 
binets-Miniſter Oraf von Münfter auf dem 
Wiener Kongreß erklärt, daß der Kurfürft 
von Hannover den Königs: Titel angenoms 
men babe, datirt Wien den 12. Dftober 1814, 


Der unterzeihnete Hanndveriihe Staats » und Gabinetd- 
Minister ift von feiner allergnädigften Landesherrſchaft beaufs 
tragt, zur Kenntniß des ...... Hofes folgende Erklärung über 
den Titel zu bringen, womit feine fonigl. Hoheit der Prinz Res 
gent von Großbritannien und von Hannover den Titel 
eines Shurfürften des heil. rom. Neichs erfegen zu muͤſſen glaubt. 
Da die Mächte, welhe an dem Parijer Frieden Antheil genom: 
men haben, im 6. Artikel deffelben feftgeiegt haben, „daß die 
Staaten von Deutichland unabhängig und dur ein Föderativs 
band vereinigt ſeyn ſollen“, fo iſt der Titel eines Churfürften des 


— 70 — 


h. r. 9. den Umſtaͤnden nicht mehr angemeſſen. Mehrere der 
vornehimften Mächte haben von Sr. fönigl. Hoheit dem «inzen 
Megenten begehrt, daß diefer Titel aufgehoben werde, und 
zu erfennen gegeben, daß mande für das Fünftige Wohl von 
Deutihland nöthige Anordnungen dadurch werden erleichtert 
werden, wenn der Königstitel an die Stelle trete. Es find dieie 
Betrachtungen allein, welche Se. königl. Hoheit bewogen haben, 
einzuftimmen. Da das Haus Braunfbweig s Lüneburg 
eines der angefehenften und dlteften in Europa ift, da die 
Hanndverifhe Linie deffelben feit einem Jahrhunderte einen der 
größten Thronen einnimmt, ihre Befigungen in Deutichland zu 
den beträchtlichften deutfihen Staaten gehören, alle ältere Churs 
fürften des Reiche, fo wie auch das Haus Württemberg, ibre 
Staaten zum Königreich erhoben haben, und der Prinz Regent 
den Nang nit aufgeben fann, den Hannover big zu der Auflös 
fung des deutfhen Reichs eingenommen hat; fo haben Se. föngl. 
Hoheit ſich entfchloffen, indem Sie für Ihr hohes Haus den Furs 
fürftlihen Titel ablegen, dur gegenwärtige Note, welde der 
Unterzeichnete den Befehl erhalten, Sr. .... dem ...... zu 
übergeben, zu erklären, daß Sie die Provinzen, welche das Hanz 
növerifhe Land ausmachen, zu einem Königreich erbeben, 
und fürs künftige für deffen Landesherrn den Titel eines Könige 
von Hannover annehmen. Das Band enger Freundicaft, 
welches zwifhen Sr. fünigl. Hoheit und dem ..... Hofe 
‚beftept, Läfft keinem Zweifel Plag, daß dieſe Erklärung mit den 
obgedachtem Verhältniffe angemeflenen Geſinnungen werde aufs 
genommen, und der Titel, den der Prinz Megent unter den obs 
maltenden Verhaͤltniſſen fi bewogen gefunden, für Sein Haus 
in Deutſchland anzunehmen, anerkannt werde. Der Unterzeichs, 
nete ergreift diefe Gelegenheit mit befonderem Vergnügen, um 
Sr....... dem Herrn ... feine ausgezeichnetefte Hochachtung 
zu bezeugen. Wien, den 12. Oktober 1814. 


Srafv. Muͤnſter. 


— 71 —- 
20. 


Note des großherzoglich-badiſchen Bevollmaͤch— 
tigten, datirt Wien den 15. Oktober 1814, wo: 
rin Baden begehrt, in das Comitẽ für die deutfchen 
Angelegenheiten des Kongreffes aufgenommen zu 
werden, 


Sn Gemaͤßheit der von den bevollmaͤchtigten Minifte:n jener, 
den Parijer Frieden unterzeichnet habenden, Höfe gegebenen 
Deklaration hat ſich für die deutichen Angelegenheiten eine Ver: 
einigung gebildet, wovon Deftreih, Preußen, Baiern, 
Württemberg und Hannover die Mitglieder find, 


Es muſſte für Baden, welches unter Deutichlands Fürs 
fien immer mit den erfien Nang einnahm, deſſen Land an Flaͤ— 
chen⸗-Inhalt nnd Seelenzahl Hannover überfteigt, deſſen Nechte 
Kaifer und Meih bey der jüngften Meichsfriedend ; Depntation 
nicht mißfannten, ein Eräntendes Gefühl erzeugen, fi hievon 
ausgeſchloſſen zu ſehen. 

Es durfte dies um fo weniger erwarten, da es mit den größ— 
ten Aufopferungen zu Erreihung des großen Zwedd mitgewirkt, 
und alfo ein wohlerworbenes Recht bat, zu Berichtigung der 
deutſchen Angelegenheiten auch mitzuwirfen. Die Deklaration - 
felbiferfennt den Grundſatz, wenn fie von einzuleitenden Fra— 
gen und vertraulichen Erörterungen fämmtliher Höfe fpricht. 


Der unterzeihnete Staats: und bevollmächtigte Minifter 
Sr. königl. Hoheit des Herrn Großherzogs von Baden hatte 
die Ehre, juͤngſthin in eine Unterredung mit Sr. Ercellenz dem 
koͤniglich- preußifben zum Kongreß bevollmädtigten Staatsmi— 
nijter Frepheren von Humboldt zu kommen, und, da ©e. 
fürftlihe Onaden der Herr Staatsfanzler Fürt von Harden— 
berg zu.beihäftigt waren, um ihn zu empfangen, diefe Gründe 
vorzulegen, derey Rechtlichkeit und Billigkeit Hochderſelbe eins. 
räumte, - . 


Der Unterzeihnete hat nun vor feinem hier anmwefenden 
gnädigften Souverain den ausdrüdlihen Befehl erhalten, biefes 
Anfinnen zu erneuern, und auf das dringendfte fchriftlic zu 
wiederholen, da Ehre und Pflicht gleihmäßig gebieten, als einem 


— 72 — 


der erſten deutſchen Fuͤrſten feine Stelle in dieſer erlauchten Ver—⸗ 
ſammlung feſt zu behaupten. 

Er ſchmeichelt ſich um ſo mehr eines guͤnſtigen Erfolgs, als 
von den hoͤchſten Souverains nur die liberalſten Geſinnungen und 
der reinſte Eifer zu Erreichung eines allgemein befriedigenden 
Reſultats mit dem vollſten Vertrauen zu erwarten find. 

Es gilt hier die Rechte Aller, bey welben nah den in ber 
Deklaration felbft aufgerufenen Grundfägen des Voͤlkerrechts 
feine Ungleichheit Statt finden ann. 

Der Unterzeichbnete vereinigt hiemit die Bitte, die Ermeues 
rung feiner der Verfiherung unbegrenzten Hochachtung zu ges 
nehmigen. 


Wien, den 15. Dftober 1814. 
Schr. von Hade. 





— 


21. 

Perfaffung: Entwurf, welcher vom Fürften Mets 

ternich in der Konferenz vom 16. Oktober 1814 

in Gegenwart der koͤnigl. Preußifhen, Baicrs 

fen, Württembergifhen und Hannoͤveriſchen Mis 
niſter verlefen ward. i 


1) Die Staaten Deutfhlands (mit Inbegriff Deftreihe und 
Preußens für ihre deutihen Staaten) vereinigen fib zu einem 
Bunde, welcher den Namen des deutſchen führen wird, 
Jeder Eintretende leiftet Verzicht auf dad Recht, fih ohne Zus 
fimmung der übrigen davon zu trennen. 

2) Der Zwed diefed Bundes iſt, die Erhaltung der äußern 
Ruhe und Unabhängigkeit, und die innere Sicherung der verfais 
fungmäßigen Necte jeder Klaffe der Nation. 

3) Indem die Staaten Deutichlande zu Erreihung diefes auf 
das Wohl des gemeinfamen Waterlandes gerichteten Endzweds 
in einen Bund zufammentreten, behalten fie, alle und jeder, ben 
vollen und freven Genuß ihrer Regierungsredte, 
in fo weit biefelben nicht durch den im vorigen Artifel bes 
ftimmten Zweck eingeſchraͤnkt, und diefe Einihränfungen im 
der Bundes⸗Urkunde namentlih ausgedrudt find. 

4) Der Zwed des Bundes wird erreicht, 


a 

a) duch die, mit einer Eintheilung Deutfhlands in eine Ans 
zahl von Kreifen verbundene, Anordnung einer Buns 
desperſammlung, welhe aus einem Nathder Kreis 
oberften, und einem Rath der übrigen Stände 

beſteht. 

b) Durch den Einfluß, welcher jedem Kreisoberſten nach 
dem Inhalte der Bundes-Urkunde und unter der Aufſicht 
der Bundesverfammlung über die Stände feines 
Kreife sd anvertraut wird. 

5) Im Rathe der Kreisoberften erfcheinen: 

Deitreih mit 2 
Preußen mit 2 
Baiern mit 1 
Hannover mit 1 
Württemberg mit ı Stimme. 

Er ift ununterbroben in derfelben Stadt ver 
fammelt, entiheidet nab der Mehrheit der Stimmen, und 
ed werden fo viele Kreije gebildet, ald Stimmen in diefem 
Mathe find. Ihm gebührt 

a) ausſchließlich und allein: 
die Leitung und ausübende Gewalt des Bundes; 
— die Vertretung deflelben, da wo er als ein’ Ganzes 
gegen auswärtige Mächte erfheinen muß; — die Ents 
fheidung über Krieg und Frieden; " 

b) zugleih mit dem Kürjten: und Staͤnde-Rath: 
die Bejorgung derienigen Gegenitände, welde den Wirs 
fung s Kreis diefes letztern ausmachen. | 
6) Der Rath der Stände beſteht: 

a) aus einer Anzahl Fürftliben Haufer, die der Kreids 
Dberften mitgerechnet, mit Birilftfimmen. Diefe Hdus 
fer wurde man nah dem Alter der Fürftenwärbe, dem 
Glanz der Gefhlehter und der Volfämenge dergeftalt auss 
wählen, daß außer allen altfürſthichen Häufern, eis 
nige neufuͤrſtlichen darin wären; jedoh nur ſolche, 
deren Länder in ihren verfhiednen Zweigen eine Bevölfes 
tung von mehr als 100,000 Seelen in fi fallen; 

b) aus den übrigen fuͤrſtlichen Haͤuſern und den 
freien Städten, mit Curiat; Stimmen. 

Ihm gebührt, aber nur zugleich mit dem Rath der Kreis 

Oberſten, jedoch fo, daß beyde als abgefouderte Kammern raths 


£ 


ſchlagen, die gefeggebende Gewalt, und er beicdäftist 
fib daber hauptiählih mit allgemeinen, auf die inner: 
Wohlfahrt gerihterem Anordnungen. 

Er verfammelt fib nur allidährlib einmal, und 
bleibt nur bis zur Abmachung der jedesmal vorliegenden Ge 
fhäfte bepfammten. 

7) Die Kreigoberften find in ihren Rechten voll: 
Tommen glei; nur führt Oeſtreich in bevden Mäthen 
der Bundesveriammlung das Geihäfts : Direktorium, 
worunter jedoch blog eine formelle Leitung der Gefchäfte zu ver: 
fteben ift. 

8) Den Kreisoberften ſteht das Geſchaͤft zu: 

a) den Bundesvertrag und dieBundesbeſchlüſſeauf— 
recht zu erhalten; 

. b) die Kreisverjammlung'en zu leiten; 

c) die hoͤchſte Aufficht über das Kriegsmwefen eines 
Kreifes auszuüben; 

d) mit feinen Gerichten die lepte Inftanz für diejenigen 
Kreisttände zu bilden, welche nah dem ——— 
nicht ſelbſt eine hoͤchſte Inſtanz heben ſollen. 

Ihr Verhaͤltniß zu den einzelnen — — 
‚wird verſchieden nah der gröfern oder geringern Be 
traͤchtlichkeit derfelben befiimmt; wozu die obige Eintheis 
lung der mit Virilftimmen und Euriatftimmen begabten zur Uns 
-feitung dienen kann. 

Ale Rechte, welche den Kreisoberftien nah dem Bundes; 
vertrag zuftehen, üben diejelben niht vermöge einer eige— 
nen, mit ihrer Eigenſchaft ald Landesherren verbundenen, Ge— 
walt, da vielmehr in dieſer Hinfiht alle übrige deutide 
Stände gleihe Rechte mit ihnen haben, fondern als Be 
-auftragte des Bundes, und vermöge des ihnen von 
demfelben übertragenen Amtes aus. 

j 9) Um zu verhindern, daß nicht ein einzelner ——— 

die außere Sicherheit Deutſchlands in Gefahr bringen 
koͤnne, verpflichtet fid jeder, welcher Feine Linder außerbalb 
Deutichland befiget, Feine Kriege für fih mit auswät— 
tigen Maͤchten zu führen, noch an denjelben Theil zm neb: 
men, aud ohne Worbehalt der Zuftimmung ded Bundes feine 
darauf Bezug habende Buͤndniſſe noh Subfidien, oder 


4 


— 75 — 
andere die Ueberlaſſung von Truppen betreffende 
Derträge einzugehen. 

Wenn Staaten, welhe aud außerhalb Dentſchland Laͤnder 
beſitzen, in Kriege mit andern Maͤchten verwickelt werden, ſo 
bleibt es der Berathung des Bundes uͤberlaſſen, auf den Vor— 
ſchlag des kriegfuͤhrenden Theils daran Theil zu nehmen, oder 
nit. 

10) Die deutfhen Fürften begeben fich gleichfalls 
bes Rechts der DBelriegung unter einander, und 
"erwerfen ihre Streitigkeiten (in fo fern fie ſich nicht 
durch Auſtraͤgal-Inſtanz abmakhen lafen), einer nad fefts 
zufegenden Beſtimmungen, von dem Natb der Kreigobers 
ften und einem Bundesgericht zu erlafenden, richterli— 
hen Entſcheidung. 

Das zu diefem Behuf anzuordnende Bundesgericht ſpricht 
auch über Klagen, die über Verlepungen des Buns 
Desvertrages in einzelnen Ländern bev demfelben erhoben 
werden, 

11) Der Bundesvertrag feht die Nothwendigfeit einer fLäns 
difhen Verfaffung in jedem einzelnen Bundesftaate feit, 
und beftinmt ein Minimum der ftändifhen Rechte, 
überläßt e3 aber übrigens den einzelnen Staaten, ihren Stän: 
den nicht nur ein Mehreres einzuräumen, fondern auc ihren 
eine der Landesart, dem Charakter der Einwohner und dem 
Herfommen angemeflene Einrihtung zu geben. 

12) Der Bundesvertrag beſtimmt gewiffe Nedte, 
welhe jeder Deutſche, wie 3.2. dad der Auswande— 
rung unter newiffen Befchräntungen, dee Annahme Kriegs— 
oder bürgerliher Dienfte in andern deutihen Staaten, 
u. f. f. in jedem deutiben Staat ungefränft genießen ſolle. 
Bey den beyden legten Paragraphen bleibt Defterreih und 
Preußen die Beruͤcſichtigung ihrer befondern Verhaͤltniſſe in 
Hinficht ihres größern Umfangs und ihrer Zuſammenſetzung aus 
Ländern, die nicht zum Bunde gehören, unbenommen, 


Schriftliches Worum der beyden Hannoͤver iſchen 
Kongreß = VBevollinächtigten, welches der Comite 


der fünf beutfhen Höfe (Deftreih, Preußen, 
Baiern, Hannover, Württernberg) übergeben 
ward, datirt Wien den 21. Dftober 1814. 


Unterfchriebener Bevollmäctigter Sr. koͤnigl. großbritan: 
niſch-hannoͤveriſchen Majeität hielt fich verpflichtet, auf die von 
Seite der königl. baierifhen und fönigl. württembergi: 
{ben Höfe geäußerten Widerfpräcde gegen den $. 2 und 
11 der zur Deliberation geftellten 12 Punkte, welde beſoen— 
ders die ſtaͤndiſchen und individuellen perfönliden 
Rechte derdeutihen Unterthanen überhaupt betreffen, 
‚Diejenigen Grundfäge an den Tag zu legen, welde fein aller 
anädigfter Herr zu behaupten für eine heilige Pit gegen das 
deutſche Baterland anfiehet. 

Se. königl. Hoheit der Prinz Regent von Großbritannien 
und Hannover können den Sag nicht anerkennen, daß felbit 
nah den Veränderungen, die in Deutihland vorgegangen find, 
ben Fürften ganz unbedingte, oder rein despotiſche 
Rechte über ihre Unterthanen zuſtehen. 

Der Grundſatz, dab der Verfall der deu tfcben 

Reihsverfaifung auch den Umſturz ber Territorial; 
Berfaffung deutiher Staaten (infofern dieſe nit Punkte 
betraf, die ausfchließlich ihr Verhältnig mit dem Reich bezwed: 
‚sen), im rechtlichen Sinne nach fich ziehen, laͤſſt ſich keines— 
wegs zugeben. 
Ein Repräfentativ:Spyftem ift in Deutfchland von 
‚den dlteften Zeiten ber Rechtens geweſen. In vielen Staaten 
berubeten deffen nähere Beitimmungen auf förmliden Verträ; 
gen zwifhen dem Landesheren und ihren Unterthanen; und 
felbft in denen Landen, wo keine ftändifhen Verfafungen er: 
halten waren, hatten die Unterthanen gewiſſe und michtige 
Mechte, welche die Reichsgeſetze nicht allein beftimmt darlegten, 
fondern auch ſchuͤtzten. 

Kann man nicht zugeben, daß der Verfall der Reichsver— 
faſſung die Territorial: Berhältniffe unter den Fuͤrſten und ihren 


Unterthanen (infofern diefe auf die Neichsverfaffung feinen Be; 
zug hatten) nothwendig auffchob, fo Läfft fih auch nicht behaup⸗ 
ten, daß die zwijchen den deutſchen Fürften und Buonas 
parte gefhloffenen Verträge den Rechten ihrer In: 
terthbanen de jure etwas vergeben fonnten;z fie durf: 
ten fein Gegenftand der Transaktionen ſeyn. Kein Fürft würde 
wuͤnſchen, in dem Licht fi darzufiellen, ald hätte er mit einem 
fremden Fürften einen Vertrag gegen feine Unterthanen ein; 
gehen wollen, und felbft die Rheinbunds-Akte, weit 
entfernt, den Fuͤrſten despotifhe Rechte einzurdumen, be 
ſchraänkt diefelben in wefentliben Stuͤcken. Ohne— 
bin biieb die Beendigung der Bundesgefege aus AEIOMDEER Urs: 
ſachen ftetd ausgeſetzt. 

Eben ſo wenig laͤſſt es ſich behaupten, daß die ſpaͤterhin 
mit den alliirten Maͤchten geſchloſſenen Verträge, 
in denen diefe die Souverainetäts:Mechte der dem Bunde 
beptretenden Fürften fihern, diefe vorhin nicht legaliter 
befeffenen Rechte über ihre Unterthanen ihnen hätten 
beylegen wollen oder können. Gene Mechte machten einmal 
Teinen Gegenftand der Transaktion aus; andern Theils liegt 
in dem Begriffe der Souvernainetätd:Mecte Feine Idee 
der Despotie. Det König von Großbritannien if un 
läugbar eben fo fouverain, als jeder andere Fürft in Europa, 
und die Freyheiten feines Volks befeftigen feinen 
Thron, anftatt ihn zu untergraben. 

Unter Vorausfegung diefer Grundfäge, muͤſſen Unterzeich 
nete darauf beftehen, daß fünftig in Deutfchland, 

1) die Rechte beſtimmt werden mögen, die den deuts 
fhen Unterthanen von Alters her mit Recht zugeſtan⸗ 
den haben; 

2) daß es ausgeſprochen werden möge, daß bie auf Geſetze 
oder Verträge berubende Territorial:DBerfaf- 
fung, unter Vorbehalt der nöthig werdenden Mo difi— 
fattonem, beiteben folle; 

5) daß da, wo Feine ftändiihe Verfaſſung gemwefen, 
auch auf den Fall, daß Dejterreih, Preußen, Baiern und 
Württemberg, entweder wegen ihrer befondern Berhältniffe, 
oder auf die angeführten Traktaten geftüget, fib davon 
ausſchließen follten, für die Stände, die ſich zur Unter: 
werfung unter ale, für Deutſchlands Wohl noͤthi— 


ge, Maßregeln verftanden haben, für die Folge, als 
Geſetz, erflärt werde, daß die Einwilligung Der 


Stände, . 
- a) zu den aufzulegenden Steuern (wohlverftanden, daß fie 


zu den Bediürfniffen des Staats beyzutragen fchuldig find) 
erforderlich fep, 

b) daß fie ein Stimmenrecht bey nen zu verfaffenden 
Geſetzen, 

c) die Mitaufſicht über die VBerwendung ber zu bes 
willigenden Steuern haben follen, 


d) daß fie berechtigt find, im Fall der Malverfation, 
die Beftrafung [hnldiger Staatsdiener zu bes 
> gehren. 

Schließlih it es zwar nicht der Wunſch Hannovers, daß 
Civilfaben Fünftig durch AUppellationen an daß 
Bundesgericht in gewöhnlichen Fällen gebracht werden ol: 
len, oder zu verhindern, Daß die Landesherrn nidt vor 
ihren eigenen Gerichten Recht geben oder nehmen 
folen. Nur muß man es hannöverifcher Seite für nöthig hal⸗ 
ten, daß in folhen Fällen die Richter von ihren Pflics 
ten von dem Herrn entbunden, und lediglih nad 
den Geſetzen, mit Hintanfegung aller etwaiger Cabinets— 
Meffripte, zu fprehen angewiefen feven. In ſolchen Fällen 
aber, wo Stände gegen den Mißbrauch der Souves 
rainetätsrechte der Fuͤrſten Hagen wollen, muß noths 
wendig der Rekurs an den Bund ihnen ofen fteben. 

Nur durch ſolche liberale Grundiäpe-fönnen wir beym 
jeßigen Zeitgeiit, und bey den billigen Forderungen 
der deutihen Nation, Ruhe und Zufriedenheit her— 
zuftellen hoffen. 

Wien, den 21. Oktober 1814. 

Münfter. 
Hardenberg. 


: za: 1; 


. 23. | 

Anrede an Se E. k. Maj. den Kaifer von Deft 
reich, gehalten am 22. Dftober 1814 von der 
verwitweten Fürftin von Fürftenberg, in der 
Audienz, welche die Deputation der Stan— 
desherren *) (der dur die rheinifche Bus 
des⸗Akte untergeordneten vormaligen regierenden 
reicheftändifchen Reichsfuͤrſten und Neichsgrafen) 
bey demKaiſer hatte. 


Das Zutrauen meiner Mitftände verſchafft mir das Gluͤck, 
vor dem Ungefihte Ew. Faiferl. Maijeftät zu erfcheinen, Ich 
Könnte in Verlegenheit feyn, vor dem größten Monarchen zu 
ſprechen, wenn unfere Sache nicht die gerechtefte wäre, welde 
je vor den Thron Ew. kaiſerl. Majeftät gebracht worden ift. 


Die vor Gm. Faiferl. Majeftät unterthänigit erfcheinenden 
deutfben Reihsftände und ihre Familien haben feit 
unvordenflihen Jahren mit unerfchütterliher Treue an Deutſch— 
lands Konftitution und dem erlauchten Kaiferbaufe gehangen. 
Diefe Treue an Kaifer und eich haben ihre Bölfer und Ahnen 
zu allen Zeiten, und noch im legten entiheidenden Feldzuge, - 
fie felbft und ihre Kinder mit ihrem Blute befiegelt. Dafür 
aber find fie von ihren angebornen Rechten, von dem wohler: 
worbenen Erbe ihrer Ahnen, ja fogar von ihrem Eigenthume 
entfernt, und in einen ſchlimmern Zuftand verfegt worden, ale 
der legte ihrer vormaligen Unterthanen. 


Aus den Händen der gerehten und weiſen Monarchen, 
welche Europa die Ruhe nicht nur wiedergeben, fondern auch 
fibern wollen, erwarten fie, vertrauensvoll, die Zurüdgabe 
ibres väterliben Erbes und der unveräußerlihen Rechte ihrer - 
Haͤuſer. Indem ih Ew, kaiſerl. Majeſtaͤt unfern in gegenwärs 





>) Fürft von Wied: Neuwied, Graf von Erbach-Er⸗ 

“bach, Landgraf von Kürftenberg und Fürftinn Vor 
— von Fuͤrſtenberg, welche letzte das Wort 
uͤhrte. 


— 80 — 


tiger Schrift”) enthaltene allerunterthaͤnigſte Bitte in tiefſter 
Ehrfurcht zu Füßen legen, darf ih im Namen jo vieler treuer 
deutſcher Reichsſtaͤnde das Wort ausipreben: daß wir feine 
Gewährleiftung einer Verfaſſung vorausiehen, wenn mich ber 
Pater fo vieler und fo großer Völker fih bewegen läfft, aus 
unier Mater und Kaifer wieder zu werden. Gottes Gnade, die 
uns bis hieher geführt hat, wende das Herz unfers guten ai; 
fers wieder zu uns, und lenfe feinen Willen, auf daB er zu 
Deutſchlands Heile wieder nah dem Beige desjenigen greife, 
was in andern Händen nothwendig ein Keim zu innerer Zerräts 
tung, und fogar eine Ware gegen ihn felbft werden könnte. 


Anmerkung. 


Die Antwort bed Kaiſers auf vorſtehende Anrede war un: 
gefähr folgende: | 

„Ich habe meine lieben Deutſchen fennen gelernt, und 
es iſt mir unendlich rührend und ſchmeichelhaft den Aus: 
druck diefer Anhänglichfeit neuerdings zu vernehmen. Glaus 
ben Sie ſicher, daß ih Alles, was in meinen Kräften 
fteht, anwenden werde, um Deutſchlands Ruhe und Wohl: 
fahrt für die Zufunft zu jibern. Ich bin fon von mebres 
ren Seiten angegangen worden, die deutſche Krone wieder 
anzunehmen, und es ift aub mein Wunſch, wenn deſſen 
Erfüllung ih mit dem Intereffe meiner eigenen Laͤnder ver; 
einigen laft. So gerührt ih durch ihre Anrede bin, io 
wenig bin ih in Verlegenheit, Shnen zu antworten; denn 
ih habe feinen andern Wunſch noh Willen, ald den nad 
Recht und Gerechtigkeit, und daß Jedem das 
Seinige wieder werde. Sie werder aub aus dem 
Verlaufe der Verhandlungen feben, daß dies mein fteter 
und einziger Wille war. Ih weiß nun, wag die Deuts 
{ben für ein gutes und braves Volk find, md 
Sie können darauf zählen, daß ib Ihr gerechtes und 
billiges Verlangen, fo viel an mir liegt, unterftüs 
gen werde.“ 





2) Man f. die folgende Nummer. 


zE Bu 
224. 

Bittſchrift Sr. k. k. Majeſtaͤt dem Kaiſer von 
Oeſtre ich, am 22. Oktober 1814 von einer Des 
putation der Standesherren, in einer 
Audienz übergeben, 


Allerdurchlauchtigſter ꝛc. 


Ew. Kaiſerlichen Majeſtaͤt wagen es die Unterzeichner 
ten für fih, und im Namen aller derjenigen Reichsftände, wels 
hen die gewaltfame Auflöfung der deutſchen Reichsverfaſſung ein - 
allgemein hartes Schickſal bereiter hat, die ehrerbietigite Bitte, 
um Allerhoͤchſt Ihren mächtigen und buldreihen un aufs 
Neue allerunterthänigft vorzulegen. 


Sie wagen ed mit dem unerſchuͤtterlichen Vertrauen in Em. 
Kaiferliben Majeftät Gerectigfeitsliebe, und zugleich 
mit den froheften Hoffnungen, in diefem Augenblid, wo die ers 
habenon Zufiherungen der mädtigften Monarchen, baf das bes 
frepte Deutihland durch eine auf Grundfäge der Gerechtigkeit 
gebaute, feine Unabhängigkeit und Selbitftändigkeit fihernde, 
und eines Jeden Rechte ſchuͤtzende Merfaffung wieder vereinigt 

werden folle, ihrer Erfüllung nahe find. 


Un diefer Berfaffung gleihen Theil zu nehmen, 
und demnah auch für fih einen den Grundfäpen der 
Gerechtigkeit gemäßen Zuftand hergeftellt zu fs 
ben, dürfen die Unterzeichneten von den fo oft laut ausgeſpro⸗ 
chenen gerechteften Abfichten der hohen verbündeten Mächte, und 
von Ew. Kaiſerlichen Majeftät preiswärdigen Gefinnuns 
gen infonderbeit um fo mehr vertrauensvoll erwarten, je ges 
wiffer die bedrüdte Lage, in welche fie und ihre Unterthanen 
verjent worden find, bey der bevorftehenden Begründung der 
deutſchen Verfaffung die allerhöchfte Aufmerkſamkeit und Beher⸗ 
zigung verdient. 


Die Darſtellung dieſes Verlangens iſt nicht allein der Wunſch 
und die ſehnſuchtsvolle Erwartung der Unterzeichneten, ſondern 
Codex Dipl. (Europ. Annal. 1815.) 6 


— BB — 


auch ihrer Unterthanen, welche eben fo einer gleichen Berichti— 
gung ihres zeitherigen gewaltſamen Verhaͤltniſſes entgegen ſehen. 
In tiefſter Ehrfurcht, 
Ew. Kaiſerlichen Majeſtaät 
Wien den 22. Dftober 1814. — 
Ye unterzeichnet von dem ne 
Fürften von Wied: Neumiebd, 
Grafen von Erbach-Erbach, 
Landgrafen von Kürftenberg, und von der 
Fuͤrſtin Wormünderin von Fürftenberg.) 


25. 

Note ber heffifhen, herzoglich— ſaͤchſiſchen 
und naſſauiſchen Bevollmaͤchtigten, an die 
Baiferlihsöftreihifhen und Füniglih-preußis 

ſchen erften Bevollmächtigten, enthaltend den 
Antrag, Mainz für einen Waffenplag und eine 
Feftung des deutfchen Bundes zu erklären, das 
fire Wien den 25. Oktober 1814. 


Unterzeichnete heſſiſche, herzoglich-ſaͤchſiſche und nafs 
fauifche Bevollmaͤchtigte find beauftragt, nachſtehende für ganz 
Deutfhland, zunächft aber für die heſſiſchen und naſſaui— 
{hen Staaten im hoͤchſten Grade wichtigen Wuͤnſche des Herrn 
Kürften von Metternich (von Hardenberg) hodfürklis 
en Gnaden niht nur zur geneigten Beruͤckſichtigung zu ems 
pfehlen, fondern auch ald den Anfichten ihrer Höfe entiprebend 
auszudrucken. 

Es iſt bekannt, daß die Stadt und Feſtung Mainz auf der 
Seite des Rheins als der Punkt betrachtet werden muß, von deſſen 
Beſitz nicht nur die Sicherheit des noͤrdlichen, ſondern auch des 
mittlern und ſuͤdlichen Deutſchlands und zunaͤchſt der unmittelbar 

angrenzenden heſſiſchen und naſſauiſchen Staaten abhängig iſt. 
Die neueften Vorgänge haben diefes bewiejen. In dem 
Jahren 1799, 1805 und 1809 diente Mainz ald Hauptwaffenplatz 
zur Invaſion des füdlihen Deutfchlandes, fo wie in den Jahren 
1806, 1811 umd 1812 zu der des nördlichen. 


Die Sicherheit aller deutfchen Biester und felbft ‚der ent⸗ 
fernteren europaͤiſchen Reiche fordert alſo, daß der Beſi itz der 
Stadt Mainz nicht an eine einzelne Macht uͤbergehe, 
deren politiiches Sntereffe und Verbindungen in irgend einem 
Zeitpunfte innerer oder duferer Schwädhe, von dem Intereſſe 
oder den Allianzen des ganzen, fowol füdlichen und nördlichen, 
als mittlern Deutichlandes fi entfernen könnte. Nichts kann 
alfo natürlicher und dem Intereſſe von ganz Europa, insbefendere 
aber dem von ganz Deutihland entſprechender erfheinen, als 
wenn der Belig von Main; an mehrere dazu geeignete 
Staaten Deutſchlands übergehet, oder, mit andern Wor⸗ 
ten, Mainz ald Waffenplap und Feſtung des ganzen 
Tünftigen deutſchen Bundes betrachtet wird. 

Es kann nicht ſchwer fallen, beftimmte Normen zu 
finden, wie von diefen Staaten des Fünftigen deutſchen Bundes 
das Beſatzungrecht gemeinfhaftlidh ausgenbt, und das 
durch der Beſitz dieſes wichtigen Punktes ganz Europa und 
Deutfchland unter allen Umftänden garantirt werde kann. 

Leicht ließe ſich auch mit dem gemeinfhaftlihen Befig von 
Mainz die Wiederberftellung eines dem alten Deut: 
{den DOrden ähnlichen Inſtituts ‚verbinden, das den 
Wünfhen der ganzen Nation und insbefondere den gerechten Er; 
mwartungen des deutfhen, vieler Vorzüge dur die neueften 
Begebenheiten beraubten, Adels entiprechen würde. 

Alle deutfhen Staaten find militärifh organifirt, 
und werden ed noh mehr werden; fie find alfo geeigens 
(haftet, zur Errichtung eines folhen gemeinichaftliben wichs 
tigen Zweds in beftimmten MWerhältniffen mitzuwirken. Sie 
find auch fämmtlid verpflichtet, den Aufwand, der hieraus 
fitr fie hervorgehen würde, zu tragen, fomweit derjelbe nicht dur 
Einkünfte des ganzen deutſchen Bundes, wie 3. B. 
durch die Nevenuen der Rhein-Octroi, ſchon gededt iſt, 
oder künftig gededt werden wird. 

Insbeſondere find Unterzeihnete ermächtigt, die Ber eitwils 
ligkeit ihrer Höfe dazu auszudruden. Es läft fih alfo 
gegen die Ausführbarkeit dieied Vorſchlags von dieſer 
Seite nichts erinnern. 

Wenn Unterzeichnete fih dazu für berufen geachtet haben, 
diefe vaterländifche Angelegenheit in Anregung zu bringen: fo 
find fie, außer dem allgemeinen Intereſſe der Sache für Deutfche, 


noch durch den Umſtand beionders dazu Aufgeforbert, daß ihre 
Staaten Mainz zumächft gelegen find, ja daß fi fogar 
ein Theil der Mainzer Feitungwerte in ihrem Staatögebiet be 
findet. Die Feſtungwerke der Mainfpige liegen zum 
Theil befanntlih auf heſſiſchem, — die Feftungmwerfe 
von Caſſel und der Kurfürſten-Juſel aber auf naffauis 
{dem Gebiet, da nur durch die Uebermacht ded damaligen 
Machthabers in Franfreih, zu Anfang des Jahrs 1806, ohne 
allen Erfag Naſſau gezwungen worden ift, Caſſel und Kofis 
beim fowol als die Rheininſelu an Frankreich zu überlaſſen. 

Indem Unterzeichnete den Inhalt gegenwärtiger Note des 
Herrn Fuͤrſten :c. fürftliben Gnaden nochmals empfeblen, ver; 
binden fie damit die Werfiherung ihrer verehrungvollen Gefins 
nungen. Wien, den 25. Dftober 1314. 

(Folgen bie Unterfcriften.) 





26. 
Patent, wodurd der Kurfürft von Hannover 
feine Annehmung der Fönigliden Würde 
befannt macht, datirt SSLEMIME den 26. Ok⸗ 


tober 1814. 

Wir Georg, Prinz Regent, im Namen und von wegen Unfers 
Herrn Vaters Majeftät, George des Dritten, von Gottes 
Gnaden Königs des vereinigten Reichs Großbritannien und 
Itland, auch Königs von Hannover, Herzogs zu 
Braunſchweig und Lüneburg ıc. ıc. 

Entbieten ſaͤmmtlichen Unfern Unterthanen, Prälaten, Kit: 
tern, Herren und Dienern, Unfern gnädigften und geneigten 
Gruß, und thun ihnen zu Jedermanns Nachachtung hiermit fund > 

Nachden im Parifer Frieden mit Unferer Zuftimmung von 
den vorzüglibften Mächten Europas beichloffen worden ift, die 
ehemalige Verfaffung des deutſchen Reichs ihrer 
Form nah niht wieder herzuſtellen, fondern an deren 
Stelle einen Bundes:Verein unter unabhängigen deuts 
{ben Staaten zu errihten, der dem Zwede der Sicher: 
ffellung bed gemeinfhaftlihen Materlandeg gegen aus waͤr— 
tige Feinde und gegen die Mißbraͤuche der Willfür im 


9 — 


Innern entſprechen möchte; fo hat durch das Megfallen eines 
electiven Reichs-Oberhaupts der bisher von Unferm 
koͤnigl. Haufe geführte FurfürftliheXitelaufgehört, den nun— 
mehr beliebten jtaatsrechtliben Verhältniffen angemeifen zu fepn. 

Bei der Wahl eines an die Stelle der kurfuͤrſtlichen Würde 
— uͤbernehmenden Titels haben wir in Erwaͤgung gezogen, daß 

ie Kurfuͤrſten des heil. roͤm. Reichs geſetzlich den Koͤ— 
nigen gleich geachtet wurden, und daß fie koͤnigliche 
Ehre genofen; daß ferner nicht nur alle übrig bleibende alt: 
furfürftlibe Haufer, (ondern felbit eines der neuern *), 
welches im Range Unferm Haufe nahftand, die königliche 
Würde angenommen haben; dab Wir endlich in Unferh deuts 
fhen Verhaͤltniſſen um fo weniger dem Glange Unſers Tönigl. 
Hauſes etwas zu vergeben geneigt feyn koͤnnen, ald dAffelbe feit 
mehr als einem Jahrhundert einen der größten Throne der Welt. 
beftiegen, und durch dieje Verbindung dem deutfhen Waters 
lande vielfältig Schuß und Unterftüßung hat angedeihen laffen, 

Wir haben dennah in Erwägung aller diefer Umftände Uns 
entſchloſſen, Unfere deutſchen Staaten, unter Erbit: 
tung des göttlihen Segend, zu einem Koͤnigreiche zu er: 
heben, und für diefelben den Titel eines Königs von Sau⸗ 
nover anzunehmen. 

Wie nun dieſe im Voraus ſchon von mehr eren Maͤch⸗ 
ten genehmigte Maßregel bereits durch eine, von Unſerm 
Staats- und Kabinets-Miniſter, auch Erb-Landmarſchall Gras 
fen von Muͤnſter, als Unſerm erſten Bevollmaͤchtigten beym 
Kongreß zu Wien, daſelbſt am 12. Okt den vorzuͤglichſten Höfen 
Europa's uͤbergebene Note zu deren Kenntniß gebracht worden iſt; 
ſo befehlen Wir nunmehr allen Unſern getreuen Unterthanen und 
Den Landesbehörden, von nun an, kuͤnftig in allen zu erlaſſenden 
Verfuͤgungen und Schreiben, ſtatt des alten Titels, ſich 
des nachſtehenden zu bedienen: König des vereinigten 
Neichs Großbritannien und Irland, auch König 
von Hannover, Herzog zu Braunſchweig nnd . 
neburg ꝛc. 

Gegeben Garltonhoufe, den 26. Dftober des 1814. Jahre, 
Unſers Herrn Vaters Majertät Regierung | im fünf und funfzigfien. 

Georg, PR 
ii.“ \ „re 
*) Württemberg, 





EB 


2% 
Ludwig des XVII. Proffamation an die Franzo⸗ 
zoſen vom ı. Februar 1814. 


Endlich ift der Augenblid gefommen, wo die göttliche Bor 
fehung das Werkzeug ihres Zorns zerbrechen zu wollen ſcheiatl 
Leber den Räuber des Throns des heiligen Ludwig , über dıa 
Verwuͤſter Europens fommen jetzt auch Unglüdsfälle. Werden 
fie nun die Uebel Srantreihs vermehren? Wird dieſes nict 
wagen eine verhaffte Gewalt umzuftürzen, welde das Trugbild 
des Sieges nicht mehr ſchuͤzt? Welche Vorurtheile oder weise 
Beforgnife könnten es jegt noch hindern ‚„ ſich in die Arme feines 
Königs zu werfen, und in der Wiederherjtellung feiner geſetz⸗ 
mäßigen. Gewalt das einzige Unterpfand der Vereinigung, des 
Griedens und des Glüdes zu erfennen, welche feine Verſpre— 
dungen feinen unterdrüädten Unterthanen fo oft zugefibert has 
ben. Er will und kann nur von ihren Anftrengungen den Thron 
erhalten, welden feine Rechte und ihre Liebe allein befeitigen 
Tonnen, and welche Wünfhe würden dann den feinigen entgegen 
fen? Welcher Sweifel könnte fih gegen feine vaterliben Ab⸗ 
fibten erheben? Der König hat es in feinen fruͤhern Erfläruns 
gen gefagt, und er wiederholt hier die Verſicherung, daß bie 
Verwaltung: und Jufiizbehörden den ganzen Umfang ibrer Amts: 
verrichtungen behalten jollen; daß er Jedem feine Stelle lafen 
wird, welcer ihm den Eid der Treue fbwört; daß die Tribw 
näle, die Bewahrer der Geſetze, ſich aller Verfolgungen, in 
Bezug auf diefe ungluͤckliche Zeit, deren Andenten feine Räds 
kehr für immer vertilgen wird, enthalten werden; daß endlich 
das Geſetzbuch, welbes mit dem Namen Napoleons beindeit 
ift, welches aber größtentheils nur alte Verordnungen und Se— 
bräuce des Königreichs in ſich faſſt, in Kraft bleiben fol, aus 
genommen die den religiöfen Dogmen, welche fo lange (dom zu: 
gleich mit der Frepheit des Volts den Launen des Tyrannen 
unterworfen waren, entgegen fichende MWerorbnungen. Der 
Senat, worin Männer finen, welche duch ihre Talente eine 
fo gerechte Auszeichnung verdienen, und welhe duch fo viel 
Dienfte in den Augen Sraufreihs und der Nahmelt berühmt 
ſeyn werden; diefe Verſammlung, deren Nusen und Wichtigs 
Beit nur erſt nach der Wiedereinfegung erkannt werden wird, 


4 


kann fie die ruhmvolle Beſtimmung überfehen, welche fie beruft, 
bas erfte Werkzeug der großen Wohlthat zu feun, welche die 
dauerhafteſte und ehrenvollſte Garantie ihrer Eriftenz und ihrer 
Vorrechte werden wird? Was das Eigenthum betrifft, fo hat 
der König.bereits feine Abficht erflärt, die angemeſſenſten Mit; 
tel zu Vereinbarung der Rechte und ntereffen eines Jeden am 
zuwenden; indeflen ſieht er, daß die zahlreihen, zwiſchen bei 
alten und neuen. Eigentbämern abgeſchloſſenen Privatverträge 
diefe Sorge beynahe überflüfjig mahen. Er verpflichtet ſich das 
ber, den Gerichtshöfen jedes befagten Privatverträgen zuwi⸗ 
derlaufende Verfahren zu unterfagen, die frepwilligen Ueberein— 
fünfte zu befördern, umd felbft, fo wie feine Familie, dad Bep⸗ 
fpiel zu jedem Opfer zu geben, das zur Ruhe Frankreichs und 
zur ‚aufrichtigen Vereinigung der Frangofen beytragen kann. 
Der König hat der Armee die Benbehaltung der Grade, Stel—⸗ 
len, Gehalte und Befoldungen, deren fie gegenwärtig genieft, 
zugeſichert; er verſpricht auch den Generalen, Dffizieren und 
Soldaten, die fi zu Gunften feiner, vom Intereſſe des französ 
fifchen Volks ungertrennlihen, Sache auszeichnen werden, reellere 
Belohnungen, ehrenvollere Uuszeihnungen, als die, welde fie 
von einem Ufurpator empfangen fonnten, der ftetd bereit war, 
ihre Dienfte zu verfennen und feibft zw fürdten. Der König 
übernimmt neuerdings die Verpflichtung, jene unbeilbringende 
Konicription abzuſchaffen, die das Glück der Familien, und- bie 
Hoffnungen des Vaterlands zerftört. Died waren ftets, dies find 
noch die Sefinnungen des Könige. Seine Wiedereinfegung auf 
den Thron jeiner Worfahren wird für Franfreih nur der glüds 
liche Uebergang von .den Leiden eines: durch bie Tyranney ends 
108 gewordenen Krieges zu den Mohlthaten eines dauerhaften 
Friedens fepn, deſſen Buͤrgſchaft die auswärtigen Mächte nur 
in dem Wort des rechtmäßigen Souverains finden fünnen. (Un⸗ 
terzeichnet) Ludwig. Hartwell in der Grafihaft Bucingham, 
den ı. Februar 1814. Ze 


| 28. 

Des Grafen von Artois Proflamation an bie 
Franzofen, vom 21. März 1814. 

Bir Korl Philipp von Franfreih, Sohn von Frantfreih, 
Monfieur, Graf von Artois, Bruder des Königs, General 
8teutenant bes Königreihs ıc., allen Franzofen unfern Gruf! 
Franzoſen! Eine Erklärung eured Königs hat euch bereits Seine 
wohlthaͤtigen Abfichten verkündet, Wir beftätigen fie euch ges 
genwärtig. Wir empfinden feit unfrer Ankunft in Frankreich 
mit füßer und tröftliher Ruͤhrung, daß Zeit und Unglück der 
Karakter eines wegen feiner Liebe zu feinen Königen berühmten 
Volkes nicht zu verändern vermochten. Zu gleicher Zeit hat der 
gefeggebende Körper -durh feinen hochherzigen Widerftand ber 
wieien, die $ranzofen ſeyen nüht zu Sklaven eines Tpraumen 
geboren. Der König, ber für fih und für feine Familie durch 
Hingebung aller feiner Nationaldomainen ein fehr großes Dpfer 
gebracht hat, hegt das fefte Zutrauen, daß alle feine Untertha⸗ 
nen, die ihre Guͤter durch die Geſetze, bie während der Staats; 
ummälzung gegeben wurden, ganz oder zum Theil verloren bas 
ben, dem DBepipiele ihres Souveraing folgen werden. Schon 
bat ein großer Theil derfeiben fih an uns gewendet, und ſein 
inniges Verlangen und den Wunfh ausgebrudt, unſerm Kö 
nige und der Ruhe des Staats diefen neuen Beweis ihrer Yu: 
bänglichfeit zu geben. Da in Erwägung diefer Gründe der Koͤ⸗ 
nig jeden Keim der Furcht und der Unruhe erftiden, alle Frans 
zoſen um feinen väterlihen Thron verfammeln, und jeden Zwei 
fel über diefen Gegenftand beendigen will, fo unterfagen mit 
biemit im Namen St. Majeftät allen Gerihtshöfen, irgend 
eine gegen die dermaligen Befiger der Nationalgüter erhobene 
Klage anzunehmen oder abzuurtheilen. Der König bat bereits 
jene fürdterliche, und. alle Klaſſen des Volle fo graufam dris 
Tende Militärkonfeription verbannt. Se. Majeftät hebt gleiss 
falls die unter dem Namen der vereinten Rechte befannte ge— 
bäffige Abgabe auf, und wir erklären im Namen bes Könige, 
daß alle den Gemeinden unrehtmäßiger Weile entzugene Güs 
ter denfelben zurüdgeftellt werben, infofern ſolche noch in 
den Händen der Bermwaltungbebörden find, und daf Se. Mus 
jetdät die Gemeinden für jene Güter zu entſchaͤdig en bo 
ſchloſſen haben, die bereits verkauft ſeyn folten. Se. Majeftät, 


um "7 a Bd a m ui u ua — 


. u er 

deren väterlihe Güte fih über alle Klaffen Ihrer Unterthanen 
erftredt, hat jene der. Penflonirten nicht vergeffen. Wir erkläs- 
ren im Namen des Königs, daß alle in diefer Klaffe begriffene 
Perſonen wenigftend die Hälfte ihrer Penfionen erhalten wers 
den, wenn der Staat nicht in der Lage feyn follte, mehr für 
fie. thun zu koͤnnen, und wenn die Dienfte, die fie dermal lei⸗ 
ften werden‘, fie nicht zu höhern Anſpruͤcheu berechtigen. - Jene 
Sranzofen, die. wegen der Meligion oder ihrer Treue gelitten 
haben, oder noch leiden, werden den von ihnen immer beabs 
fihtigten Lohn erhalten: das Andenken ihrer Dienfte und ihrer 
Ergebenheit mit unauslöfhlihen Zügen in das Herz ihres Koͤ⸗ 
nigs gegraben zu fehen. Um endlich in jeder Hinficht den Ab⸗ 
fihten und dem Willen des Königs unfers Bruders befoͤrderlich 
zu feyn, verpflichten wir ung im Namen Sr. Majeftdt, allen 
Kranzofen die jtrengfte Gerechtigkeit in Verbindung mit jenem 
Wohlwollen angedeihen zu laffen, welches die eignen Opfer nies 
mals berüdfihtigt, wenn fie zum MWohlftand der Nation beys 
tragen können. E68 lebe der König! Nancy, den 21, 
März 1814. | 


\ 


29. 
Erklaͤrung des Senats vom 3. April, wodurch Nas 
poleon des Throns verluſtig erklärt wird. 


Der Erhaltungfenat, in Betrabt: Daß in einer konftitus 
tionelen Monarchie der- Monarch nur in Kraft der Verfaſſung 
oder: des gefellichaftliben Vertrages eriftirt; — daß Napo— 
leon Bonaparte zwar- eine Zeitlang durh eine fefte und 
kluge Regierung der Nation Urfadye gegeben hatte, für die Zus 
Zunft auf weiſe und gerehte Handlungen zu rechnen; daß er 
aber hernach den Vertrag, der ihn mit dem franzöfifchen Wolke 
vereinigte, zerriffen hat, namentlich durch Erhebung von Auflas- 
gen und Einführung von Zaren ohme Autorifation des Geſetzes, 
gegen den ausdrüdlihen Inhalt des bey feiner Thronbefteigrng 
in Gemäßheit des Art. 53. der Konftitutionsafte vom 23. Flo⸗ 
real Jahr All. abgeleifteten ‚Eides; — daß er biefen Eingriff 
in die Rechte des Volks felbit dann begangen hat, als er ohne 
Nothwendigkeit den gefeßgebenden Körper vertagte, und einen 


31 


Bericht dieſes Körpers, dem er feinen Titel und Antheil am 
ber Nationalrepräfentation ftreitig machte, unterdrüden lies; — 
daß er gegen Inhalt des Artikels 50, ber Konjtitutiongafte vom 
22. Ftimaite Jahr VIII., welcher jede Kriegserklaͤrung gleich den 
Gefegen vorzufhlagen, zu berathen, zu beſchließen und bekannt 
zu machen. befiehlt, eine Reihe von Kriegen unternommen hat; 
— daß er untonftitutionell mehrere, Todesſtrafe drobende Des 
frete erlaſſen hat, namentlich bie zwey Defrete vom 5. März 
d. %., deren Zweck war, einem Krieg, der nur feiner unges 
meſſenen Ehrſucht halber unternommen war, das Anfehen eines 
Nationalkrieges zu geben; — daß er duch feine Defrete über 
bie Staatögefängniffe die Konflitutionsgejege verlegt hat; — 
daß er die Merantwortlichkeit der Minifter vernichtet, alle 
Gewalten verwirrt, und die Unabhängigkeit der richterlichen 
Behörden zertört hat; — in Betracht ferner, daß die, als 
eins der Nationalrechte eingeführte und gebeiligte Preßfrepheit 
beitändig der willkuͤrlichen Cenfur, feiner Polizey unterworfen 
geblieben it „während er ſich unaufhörlih der Preſſe bediente, 
um Franfreih und Europa mit erdichteten Thatſachen, mit fals 
fhen Srundfägen, mit zum Despotismus führenden Lehren, 
und mit Beleidigungen gegen die freniden Regierungen anzu— 
füllen; — daß Altenftüde und Berichte, die der Senat ans 
gehört hatte, bey ihrer Bekanntmachung Abänderungen erlits 
ten haben; — in Betracht, dag Napoleon, ftatt feinem Eibs 
ſchwüre gemäß bey feiner Negierung blos das Intereſſe, das 
Glück und den Ruhm des franzöfifchen Volks vor Augen zu 
haben, das Ungluͤck des Waterlandes durch feine Weigerung, 
auf Bedingungen zu unterhandeln, welche dad Nationalinterefie 
anzunehmen gebot, und welde die franzöfiihe Ehre nicht ges 
fährdeten, auf den hoͤchſten Punkt gebracht hat; dur den 
Mißbrauch aller ihm anvertranten, Mittel an Menihen und 
Geld; durd die Verlaſſung der Verwundeten ohne Verband, 
ohne Huͤlfe und ohne Nahrungmittel; dur verſhiedene Maß: 
regeln, deren Folgen der Ruin der Städte, die Entvolferung 
des Landes, Hungersnoth und anſteckende Krankheiten waren; 
— in Betracht endlih, daß vermöge aller diefer Gründe die 
buch das Senatuskonfult vom 28. Zlor, All. eingeführte fais 
ferliche Regierung zu eriſtiren aufgehört hat, und daß der offens 
bare Wunſch aller Franzofen eine Ordnung ber Dinge berbens 
ruft, welche die Herfiellung des allgemeinen Friedens zum er: 


— 


— 91 — 
ſten Reſultat haͤtte, und die zugleich der Zeitpunkt einer feyver⸗ 
lichen Verſoͤhnung zwiſchen allen Staaten der großen europaͤi⸗ 
ſchen Familie wire, — erklaͤrt und beſchließt was folgt: Art. ı. 
Napoleon Bonaparte ift des Throns verluftig erflärt, und 
das feiner Familie zugefprodbene Erbrecht aufgehoben, Art. 2; 
Das franzöfiihe Volk und die Armee find von, dem Eid der 
Treue gegen Napoleon Bonaparte entbunden. Art. 3. 
Gegenwärtiges Defrer fol der proviforifben Regierung durch 
eine Botſchaft uͤbermacht, in alle Departements und an die Ars 
meen verjendet, und unverzüglich in allen Bierteln ber. Hauptis 
ſtadt proflamirt werden. Paris, den 3, April 1814. 





3% 
Vorläufige Konftitution Frankreichs, die Ludwig 
den XVII. freywillig zum Xhrone beruft, von 


Senate entworfen am 6. April 1814. 

” Auszug aus den Megiftern des Erhaltungfenats vom Mits 
woh den 6. April 1814. Der Erhaltungfenat, in Berathung 
über den Entwurf zur. Konftitution, weicher ibm durch die pros 
vijorifhe Negierung in Vollziehung der Alte des Senats vom 
1. d. M. vorgelegt worden iſt, bat, nah Anhörung des Bes 
richts einer Spezialtommilfion von fieben Mitgliedern, Folgens 
des beſchloſſen: Art. ı. Die franzöfiihe Negierung ift monats 
chiſch, und nah Ordnung der Eritgeburt auf den männlichen 
Stamm forterbend. — Art. 2. Das franzöfifhe Volk beruft 
frey auf den Thron von Franfreih: Ludwig Stanislaud 
Kavier von Franfreih, Bruder des lehten Königs, und nad 
ihm die andern Glieder des Bourboniſchen Hauſes, nad Alter 
Drdnung. — Art. 3. Der alte Adel nimmt wieder feine Titel 
an. Der neue bebält die feinigen erblihd bey. Die Ehrenles 
gion ift mit ihren Prärogativen bepbehalten. - Der König wird 
die Dekoration beftimmen. — Art. 4. Die vollziehende Ge 
walt gehört dem König. — Art. 5. Der König, der Genat 
und der gefengebende Körper arbeiten gemeinfhaftlib an Bils 
dung der Gelege. Die Geſetzes-Entwuͤrfe fünnen gleichfalls 
in dem Senat und in dem geießgebenden Körper vorgetragen 
werden. Die hinfihtlic der Kontributionen koͤnnen es nur im 
geiengebenden Körper werden. Der König kann ebenfalls die 


benden Körper einladen, ſich mit den Gegenftänden, die er für 
angemefien bält, zu befchäftigen. Die Sanftion des Könige ift 
zur Volgültigkeit des Gefepes nothwendig. — Art. 6. Es 
gibt 150 Senatoren zum Mindelten, und 200 zum Hoͤchſten. 
Ihre Wurde ift beftändig, und auf die Erftgeburt des männs 
lihen Stammes erblich. Sie werden durch den König ernannt. 
Die gegenwärtigen Senatoren, mit Ausnahme derjenigen, die 
auf die Eigenfhaft franzöfifber Bürger verzichten wollen, find 
bevbebalten, und machen einen Theil diefer Zahl aud. Es 
kommt ihnen die vorhandene Eintheilung des Senats und der 
Senatorten zu.. Ihre Einfünfte find gleichfalls unter fie gerheilt, 
und gehen auf ihre Nachfolger über. Trifft fih der Fall, daß 
ein Senator ohne direkte männlihde Nahfommenfhaft ftirbt, 
fo fallt fein Antheil dem oͤffentlichen Schage heim. Die Se 
natoren, welche erft in Zufunft ernannt werden, fünnen feis 
nen Theil an diefer Dotation haben. — Art. 7. Die Prins 
zen der Fönigliben Familie, und die Prinzen vom Geblüt, find 
von Rechts wegen Mitglieder des Senats. Man kann die 
Sunftionen eines Senators nicht ausüben, bevor man majsrenn 
geworden ift. — Art. 8. Der.Senat beftiimmt die Fälle, wo 
die Diskufjion der Gegenftände, welche von ihm verhandelt 
werden, befannt gemacht oder geheim gehalten werden foll. — 
Art. 9. Jedes Departement wird zum gejeßgebenden Körper 
diefelbe Anzahl ernennen, die es bisher dahin fandte. Die 
Deputirten, melde bey der legten Vertagung im geſetzgeben⸗ 
den Körper Sitz hatten, werden bafelbit bie zu ihrer Erſetzung 
zu fipen fortfahren. Alle behalten ihr Gehalt. In Zukunft 
werden fie unmittelbar dur die Wahlkollegien ernannt, wels 
he vorbehaltlih der Veränderungen, die durch ein Geſetz an 
ihrer DOrganifation gemaht werden könnten, bepbehalten find. 
Die Dauer der Funktionen der Deputirten beym geſetzgeben— 
den Körper ift auf fünf Jahre beftimmt. Die neuen Ernens 
nungen werden für die Gigung von 1816 Statt haben. — 
Art..Io. Der geießgebende Körper verfammelt fich von Rechts 
wegen jedes Jahr den 1. Dftober. Der König kann ihn außer 
ordentlih zufammenberufen; er kann ihn vertogen; er kann 
ihn auch auflöfen; im lestern Falle aber muß ſpaͤteſtens in 
drey Monaten ein andrer gejeßgebender Körper durch die Wahl: 
follegien gebildet fepyn. — Urt, ıı. Der gefepgebende Körper 
bat das Recht zu diskutiren. Die Sigungen find öffentlich, 


\ » 
— 93 — 


ausgenommen den Fall, wo er für gut findet, fi in ein Ges 
neralfomite zu bilden. — Art. ı2. Der Senat, der gefenges 
bende Körper, die MWahlkollegien und die Kantonsverſammlun— 
gen wählen ihren Präfidenten aus ihrer Mitte. — Art. 13. 
Kein Mitglied des Senats oder des gefengebenden Körperg 
fann ohne porgängige Autorijation des Körpers,«dem er ange; 
hört, verhaftet werden. Das Urtheil über ein angeflagtes Mit; 
glied des Senats oder des gefehgebenden Körpers ficht aus— 
fhließlih dem Senate zu. — Art. 14. Die Minifter fünnen 
Mitglieder fowol des Senats als des geießgebenden Körpers 
fepn. — Xrt. 15. Die Gleihftellung des Verhältniffes bey 
den Auflagen geichieht von Rechts wegen. Keine Auflage fann ‘ 
weder eingeführt, nocd erhoben werden, wenn nit der gefeßs 
gebende Körper und der Senat freymuͤthig ihre Zuftimmung 
dazu gegeben haben. Die Grundftener kann nur für ein Jahr 
eingeführt werden. Das Budget des folgenden umd die Rech— 
nungen des, verfloffenen Jahres werden jährlih dem gefeßges 
benden Körper und dem Senat bey Eröffnung der Sitzung des 
geiengebenden Körpers vorgelegt. — Art. 16. Das Gefeh 
wird die Art und das Maß der Aushebung für die Armee be: 
ſtimmen. — Art. 17. Die Unabhängigkeit der richterlichen 
Gewalt ift garantge Niemand Fann feinem natärlihen Nics + 
ter entzogen werden. Die Einrichtung der Gefchwornen ift beys 
behalten, fo wie die Deffentlichfeit der Verhandlungen in Krimi: 
nalfällen. Die Strafe der Konfisfation der Güter ift aufges 
hoben. Der König hat das Recht zu begnadigen. — Art. 18. 
Die gegenwärtig eriftirenden ordentlihen Gerichtshöfe und Tris 
bunale find bepbehalten. Ihre Zahl kann nicht anders vermehrt 
oder vermindert werden, ald Kraft eined Geſetzes. Die Nic; 
ser find es für Lebenszeit und unveränderlih, ausgenommen 
die Friedens; und Handelsrichter. Die außerordentlichen Koms 
miſſionen und Tribunale find aufgehoben, und fünnen nicht wies 
der hergeitellt werden. — Art. 19. Der Kafationhof, die 
Appellationhöfe, und die Tribunale erfter Inſtanz ſchlagen dem 
König drey Kandidaten für jede ledige Richterſtelle in ihrer 
Mitte vor. Der König wählt einen von den dreyen. Der 
König ernennt die eriten Präjidenten und öffentlihen Anklaͤger 
bev den Gerichtöhöfen und Tribunalen. — Urt. 20. .Die in 
Aktivität ſteheuden Militärperfonen, die entlaffenen Offiziere 
und Soldaten, die penfionirten Wittwen und Offiziere bebals 


# 


— 94 — 


ten ihre Grade, ihre Ehren und Penſionen. — Art. 21. Die 
Perſon des Königs iſt unverleglich und heilig. Ale Aktenſtuͤcke 
der Megierung werden von einem Minifter unterzeihnet. Die 
Miniſter find für Alles verantwortlib, was diefe Aften Uns 
techtmäßiges gegen das Anfehen der Geſetze, gegen die öffents 
liche und Privatfrepheit und die Rechte der Bürger enthalten 
mögen. — Art. 22. Die Religions und Gewiſſensfrevheit ift 
garantirt. Die Diener des Kultus werden gleihfals befolder 
und beſchuͤzßt. — Art. 23. Die Preffrenheit wird nicht bes 
ſchraͤnkt, die gefegmäßige Unterdrüdung der Vergeben ausge— 
nommen, weldhe aus dem Mißbrauche diefer Frevheit hervors 
gehen könnten. Die fenatoriihen Kommiſſionen der Preß- und 
individuellen Frepheit find bepbehalten. — Art. 24. Die öfs 
fentlibe Schuld If garantirt. Die Käufe der Nationaldomais 
nen find unwiderruflich beubebalten. — Art, 25. Kein Frans 
zofe kann wegen geäußerter Meinungen oder wegen feinen Ab: 
ſtimmungen belangt werden. — Art. 26. Jedermann bat das 
Recht individuelle Petitionen an jede Fonftituirte Autorität zu 
tihten. — Art. 27. Alle Franzofen konnen gleihmäfig zu 
allen Givils und Militärftellen gelangen. — Art. 28. Alle 
wirklich beftehenden: Gefege bleiben in Kraft, big fie geſetzmaͤ⸗ 
fig aufgehoben werden. Der Koder der Givilgefege foll die 
Aufſchrift haben: Code civil des Frangais. — Art. 29. &e 
genwärtige Konftitution fol dem franzöfifhen Molfe in der 
Form, die dazu vorgezeihnet werden wird, zur Annahme vor 
gelegt werden. Ludwig Stanislauß Zavier foll ald Kir 
nig der Franzofen proflamirt werden, fobald er eine Alte, 
welche fo lautet: „Ich nehme die Konjtirution an; ih ſchwoͤre 
ihr Gehorſam zu leiften und Gehorſam zu verſchaffen,“ beibwos 
ren und unterzeichnet haben wird. Diejer Eid wird. ben der 
Seyerlichfeit wiederholt, wo er den Eid der Treue der Franzo: 
fen empfängt. (Unterz.) Der Fuͤrſt von Benevent, Präfident, 
Die Grafen von Walence und von Paftoret, Sefretäre. 
Der Prinz Erzſchatzmeiſter; die Grafen Abrial, Barbe— 
Marbois, Emmerp, Barthelemp, Belderbufd, 
Bertholet, Beurnonville, Cornet, Carbonara, Le 
grand, Chaffeloup, Sheller, Colaud Davouft, de 
Gregorv, Decroir, de Fere, Dambarrere, Daubar, 
ſaet, Deſtut Tracy, d'Harville, Hedouville, Fabre 
(de l'Audey), Ferino, Dubois Dubap, de Fontanes, 


| ce 

Garat, Gregoire, Hervin be Nevele, Jauconrt, 
Klein, Journu-Aubert, Lambrechts, Laujninaig, 
Legend, LZebrun de Rohemont, Lemercier, Meer: 
mann, de Kefpinaffe, de Montbaddon, Renoir La— 
rohe, de Malleville, Nedon, Roger: Ducos, Pere, 
Taſcher, Vorher de Niwebourg, dePontecoulant, 
Saur, Migat St. Martin, de Lamotte, St. Sw 
ganne, Sieves, Schimmelpennint, BansDeden: 
BansdesGelder, Ban:des Pole, Venturd, Bau 
bois, Duc de Balmy, Villetard, sun Dan 
Zupllin, Ban Npevelt. 





31. 


Erklärung Ludwig des XVII. am 2. May- worin 
er Frankreich eine neue Konſtitution verfpricht. 


Wir Ludwig von Gottes Gnaden König von 
Franfreih und Navarra. Allen, die Gegenwärtiges leſen 
werden, Gruß! Zurüdgerufen durh die Liebe Unſers Volks 
auf den Thron Unfrer Väter, aufgeklärt durch die Unglüdsfälle 
der Nation, zu deren Regierung Wir beftimmt find, geht Unjer 
eriter Gedanke dahin, jenes wechjelieitige Vertrauen, das zu 
Unfrer Ruhe und zu ihrem Glüde fo unentsehrlih iſt, anzu: 
rufen.- Nah aufmerffamer Durdlefung des vom Genate in 
feiner Sipung vom 6. legtverfloffenen Aprils vorgeſchlagenen Kon: 
ftitutionentwurfg haben Wir Uns überzeugt, dag deſſen Grund; 
lagen gut waren, daß aber eine große Menge Artikel den 
Stempel der Eile, womit fie abgefaſſt wurden, tragen, und 
daher nicht in ihrer gegenwärtigen Geftalt Grundgefege des 
Staats werden fünnen. Eutſchloſſen eine liberale Verfaſſung 
anzunehmen, wollen Wiraber auch, daß fie mit Weisheit durch— 
dacht fen, und da Wir eine, die nothwendig abgeändert werben 
muß, nicht genehmigen können, fo rufen Wir auf den 10. Jun. 
d. 3. den Senat und gefengebenden Körper zufammen, und 
verpflihten Uns die Arbeit, welche Wir mit einer, aus ber 
Mitte beyder Korps gewählten, Kommiljion werden verfertigt 
haben, ihnen vor Augen zu legen, und dieſer Verfaflung ‚nad: 
ftebende ‚Garantien zu geben: Die repräfentative Megierung 
wird, fo wie fie jetzt befteht, das heißt, im zwey Körper, den 


Senat und die Kammer der Mepräfentanten dere Departements, 
getheilt, benbehalten werden. Die Auflagen werden frey bewil⸗ 
ligt, die öffentliche und individuelle Frepbeit gefihert, die Pref: 
renbeit, mit Vorbehalt der für die öffentlide Ruhe noͤthigen 
Borfihtmaßregeln, geachtet, die Frepheit der Gottesverehrun: 
gen verbärgt, das Eigenthum als unverleglih und heilig be: 
handelt werden; mithin der Verkauf der Nationalgüter unwider⸗ 
ruflich bleiben. Die Minifter werden verantwortlih ſeyn, und 
von einer der gefeßgebenden Kammern verklagt und von der 
‘andern gerichtet werden fünnen. Die Nichter werden fbrer 
Stellen nicht entfept werden fünnen, und die richterlihe Ges 
walt unabhängig feun. Die Staatsfchuld wird garantirt, die 
Militärpenfionen, Grade und Ehrenzeichen, fo wie der alte und 
nene Adel, bepbehalten werden. Die Ehrenlegion, deren De: 
Foration Wir beftimmen wollen, wird gleichfalls bevbehalten. 
Jeder Franzofe wird die Eivils und Militärftellen zu befleiden 
fähig fepn. Endlih wird Fein Individuum wegen Meinungen 
oder Abftimmungen beunruhigt werden können. Eo gefhehen 
zu St. Ouen, den 2. May 1814. (Unterz.) Ludwig. 


32 
Konftitution Urkunde von Ruonig ı dem XVIIT. 


Srankreich gegeben ben 4. Juny 1814. 


Wir Ludwig von Gottes Gnaden König von 
Frankreich und Navarra: Allen denen, welchen Gegen: 
wärtiged zu Gefihte fommt, Unfern Gruß zuvor. Die göttliche 
Vorſehung legte Uns, indem fie Uns nach einer langen Abweſenheit 
in Unfre Staaren zurüdrufte, ſchwere Pflichten auf. Der Friede 
war das erfte Beduͤrfniß Unfrer Unterthbanen, Wir haben Uns 
ohne Unterlaß mit demfelben beichäftigt, und nun iſt dieſer Friede, 
deffen Franfreih fo fehr als das übrige Europa bedurfte, um 
terzeihnet. Der derimalige Zuftand des Königreihs forderte 
eine neue Staatsverfaffung,, Wir verfpraden fie, und fie wird 
hier öffentlich befannt gemacht. Wir haben erwogen, daß, ob: 
gleih in Franfreich alle öffentlihe Gewalt auf der Perfon des 
Königs beruht, Unfre Vorfahren dennoch Feinen Anftand nad: 
men, deren Ausübung nach den verfdiedenen Zeitbedürfniffen 
wu. modifiziven , dag ſolchergeſtalt die Gemeinen unter Ludwig 
dem 


dem Diden die Deirening von der Reibeigenibaft erhielten, 
daß unter dem beiligen Ludwig und Philipp dem Schönen 
diefe Befrepung befidtigt und. vermehrt ward, daß durch Lud— 
wig Al., Heinric Il. und Karl IX. die Gerichtsverfaſſung 
gegründet und entwidelt worden,ift, und daß endlih Ludwig 
XIV. duch mehrere Verordnungen, deren Weisheit noch uns 
übertroffen blieb, beynahe alle Zweige der öffentliben Adminis 
ftration regulirt hat. Wir glaubten nun auch, nach dem Bev⸗ 
fpiele der Könige Unirer Vorfahren, die Wirfungen der immer 
zunehmenden Aufklärung, die neuen Verhaͤltniſſe, welche diefe 
Sortihritte in der bürgerlichen Gefellicaft. hervorgebracht haben, 
die dem menſchlichen Geifte feit einem halben Jahrhundert das 
durch gegebene Richtung, und die tief greifenden Veränderung 
- gen, welde daraus hervorgegangen ‚find, würdigen zu müſſen. 
Mir erblidten in dem Wunſche Unſrer Unterthanen nah einer 
neuen Konftitutionnefunde den Ausdrud eines weſentlichen Bes 
duͤrfniſſes; allein, indem Wir diefem Wunfche nachgeben, haben _ 
Wir zugleih alle Maßregeln ergriffen, diefe Konftitution ſowol 
Unierer als bed Volks würdig zu mahen, auf befien Veherrs 
fhung Wir ftolz find. Mit Kommiffarien Unferd Konfeils ha— 
ben ſich weife Männer aus den erften Staatsförpern vereintgt, 
um an diefem wichtigen Werke zu arbeiten. Indem Wir den 
Grundſatz anerfannten, daß eine freve und monarchiſche Kons 
ftitution den Erwartungen bed aufgeflärten Europa’s entfpres 
hen muͤſſe, durften Wir zugleich nicht vergeſſen, daß Unſre ers 
fte Piliht gegen Unfre Völker darin beftand, die Rechte und 
Vorzuͤge Unfrer Krone in ihrer ganzen Meinheit aufrecht zw 
erhalten, Wir hoffen, daß Unfre Völker, von der Erfahrung 
belehrt, fib davon überzeugt haben werden, daß die hoͤchſte 
Staatsgewalt allein den von ihr getroffenen Ginrihtungen jene 
Kraft, jene Daner und jene Majeftät verleihen fann, womit 
fie felbft befleider ift, daß daher nur dann, wenn die Weisheit 
der Könige mit den Wuͤnſchen ihrer Völker im zwanglofen Eins - 
klange fteht, eine folhe Konftitutionnrfunde von langer Dawer 
fepn fann, und daß. dagegen dort, wo Troy und Gewaltthätigs 
feit einer fbmwacen Regierung Bewilligungen abzwingen, die 
Öffentliche Frepheit im eben fo großer Gefahr fhmwebt, als der 
Thron felbit. Wir fuchten endlich die Grundlagen Unfrer neuen 
Konſtitutionurkunde in dem ftanmzoͤſiſchen Karakter, und in den 
ehrwuͤrdigen Denkmaͤlern der vergangenen Jahrhunderte auf. 
Codex Diplomatious. (Gar; Annals 1815.) 7 


Daher erblidten Wir In der Wiederhetftellung der Pairswürde 

eine wahrhafte Nationaleinrihtung, woburd jede Erinnerung 
der Vergangenheit mit allen Hoffnungen verknüpft und die alte 
und neue’ Zeit mit Einem Bande umfchloffen wird. Durd bie 
Kammer der Deputirten wolten Wir jene alten Verfammim: 
gen des März: und Maifeldes, fo wie bie Kaminer des brit, 
ten Standes, erfepen, weldhe indgefammt fo viele Proben von 
ihrem Eifer für das Wohl des Volks und ihrer Treue und 
Verehrung gegen ihre Könige abgelegt haben. Indem Wir anf 
diefe Weife bemüht waren, bie Kette der Zeiten, melde trau: 
tige Verirrungen zerriffen hatten, wieder zufammenzufnüpfen, 
beftrebten Wir Uns dad Andenken an Alle die Uebel, welche 
das Vaterland während Unfrer Abweſenheit erlitten Hat, im 
Unferm Gedächtniffe zu verlöfhen, und wünfhten, daß dieſes 
in dem Buche der Weltgefchichte eben fo zu bewertftelligen wäre. 
Durh Unſre Zurüdkunft in den Schoß Unfrer großen Familie 
beglüdt, glaubten Wir den vielfältigen Beweiſen, die Wir von 
ihrer Liebe empfangen, nur dadurch entiprehen zu können, daß 
Wir Worte des Friedens und des Troſtes an fie zu richten be: 
muͤht find. Der theuerſte Wunſch Unfers Herzens beitebt da: 
ein, daß fich alle Franzoſen als Brüder lieben, und daß Fein 
bitteres Andenken jene Ruhe und Sicherheit tfüben moͤge, die 


- ihnen die feyerlihe Urkunde gewähren fol, welche Wir ihnen 


am heutigen Tage bemilligen. Unfrer guten Abfihten gewiß, 
und ſtark durch die Meinheit Unſers Gewiſſens, verpflichten 
Wir Uns hiermit im Angeficht der gegenwärtigen Verſammlung, 
diefer neuen Konjtitutionurfunde getren zu ſeyn, tind behalten 
Und vor, deren Aufrechtbaltung bep einer neuen fenerlichen 
Handlung vor dem Altare desijenigen zu beſchwoͤren, welcher 
die Könige und die Nationen in der nemlihen Wagſchale ab 
wiegt. Aus diefen Gründen haben Wir freywillig und in frener 
Ausübung Unfrer fönigliben Gewalt fowol für Uns, ale für 
Unfere Nachfolger, auf ewige Zeiten Unfern Untertbanen biefe 
Konftitutionurtunde,, fo wie fie bier folgt, zugeftanden, berg 
ben und bewilligt. — Staatsrehteder $tangofen. Art.ı. 
Die Franzofen find vor dem Geſetze gleih, ihre Titel und Rang 
feyen übrigens welche fie wollen. — 2. Sie tragen ohne Um 
terfhied nah Verhaͤltniß ihres Vermoͤgens zu den Laften des 
Staats bey. — 3. Sie koͤnnen Alle, ohne Unterſchied, zu dem 
Eivils und Militärämtern gelangen. — 4. Ihre individuelle 


Freyheit wird ebenfalls garantirt; Niemand kann verfolgt oder 
verhaftet werden, außer in den von dem Gefegen vorgeſchrie— 
benen Fällen und nur nach der gefeplihen Form. — 5. Jeder 
übt feine Religion mit gleicher Freyheit aus, und erhält für 
feinen Gottesdient den nämliben Schub. — 6. Indeſſen ift 
die römiich : fatholiihe Meligion die Neligton des Staats. — 
7., Die Diener der roͤmiſch-apoſtoliſch-katholiſchen Neligion, 
und jene der andern criftliben Gottesverehrungen, erhalten 
allein ihre Beſoldungen aus dem Fönigliben Schatze. — $. Die 
Franzoſen haben das Recht, ihre Meinungen öffentlich befannt 
machen und druden zu laffen, wenn fie ih nah den Geſetzen 
fügen, welhe die Mißbraͤuche diefer Freyheiten verhindern fol; 
len. — 9. Alles Eigenthum ift, ohne Ausnahme von jenem, 
welches man Nationaleigenrhpum nennt, unverleglih, da das 
Geſetz zwiihen beyden Feinen Unterſchied macht. — ro. Der 
Senat fann die Anfopferung eines Eigenthums für ein gefeg: 
lich erwieienes Staatsintereffe verlangen, jedoch nur nah vors 
ausgegangener Entihädigung. — 11. Alle Nahforichungen über 
Meinungen und Voten bis zur Miederherftellung der jegigen 
Regierung find unteriagt. Die nämlihe Vergeffenheit wird den 
Tribunalen und den Bürgern anbeföhlen. — 12. Die Konferip: 
tion ift abgefhaft. Die Art der Nefrutirung für die Land: und 
Seearmee wird von dem Geſetze befiimmt. — Formen der 
Regierung des Königs. — 13. Die Perfon des Königs iſt 
unverleglih und heilig. Seine Minifter find verantwortlich. 
Dem Könige allein ſteht die vollgiehende Gewalt zu. — 14. Der 
König ift hoͤchſtes Oberhaupt des Staats; er befehligt die Land: und 
Seemact, erklärt Krieg, fließt Friedens;, Allianz: und Handels; 
Traftate, ernennt zu allen Stellen der öffentliben Verwaltung, 
und erläfft die zur Vollziehung der Gefere und zur Sicherheit 
des Staats nöthigen Verfügungen und Verordnungen. — 15 
Die gefepgebende Gewalt wird gemeinſchaftlich von dem Könige, 
der Kammer der Pairs und der Kammer der Deputirten der 
Departemente ausgeubt. — 16. Der König ſchlaͤgt das Geſeth 
vor. — 17. Der Vorſchlag eines Geſetzes gefhicht, nach But: 
befinden des Königs, in der Kammer der Pairs oder in der 
Sammer der Deputirten; das die Auflagen betreffende Gefeß 
ausgenommen, welches zuerit vor die Kammer der Depntirten 
gebracht werden muß. — 18. Jedes Geſetz fordert freye Bera⸗ 
thung und Zuftimmung von Seite der Mehrheit jeder der beps 


nn 


ben Kammern. — 19. Die Kammern haben. das Recht, den 
König zu bitten, über irgend einen Gegenftand ein Geſetz vor 
zuſchlagen, und anzugeben, was fie glauben, daß das Geſet 
enthalten ſolle. — 20, Ein folder Vorſchlag kann von jeder 
ber beyden Kammern gemacht werden; jedoch muß er in gebei- 
mem Ausſchuſſe berathen werden. Er darf von der vorichlagens 
den Kammer erft nah Verfluß von zehn Tagen der andern 
Kammer zugefertigt werden. — 21. Wird der Morichlag von 
ber andern Kammer-angenommen, fo wird er dem König vors 
gelegt; wird er verworfen, fo kann er in der nämlichen Seſſſon 
nicht wiederholt werden. — 22. Der Kbnig allein fanftivnirt 
‚und promulgirt die Geſetze. — 23. Die Eivillifte wird durch 
die erfie Legislatur nah der Thronbefteigung des Königs für 
die ganze Regierung » Dauer feitgefeßt. — Von der Kammer 
ber Pairs. — 24. Die Kammer der Pairs if ein weſentlichet 
Theil der Geiepgebung. — 25. Sie wird von dem Könige zu 
gleiher Beit mit der Kammer der Deputirten der Departentents 
zufammenberufen. Die Seflion der einen begimnt und endigt 
zu gleicher Zeit mit der andern, — 26. Jede Verſammlung 
der Kammer der Paird, bie außer der Zeit der Seilion der 
Kammer der Deputirten gehalten, oder nicht vom König bes 
fohlen feyn würde, ift unerlaubt und in ſich nichtig. — 27. Die 
Ernennung der Paird von Frankreich fteht dem König zu. Ihre 
Zahl ift unbeichränft; der König kann nah Willkuͤr ihre Wür 
den abwechieln, fie auf Lchengzeit ernennen oder erblih mas 
hen. — 28. Die Pairs haben Zutritt in der Kammer mit 
ihrem fünfundzwanzigften, eine Deliberativftimme aber erjt mit 
ihrem dreigigiten Jahre. — 29. Die Kammer der Pairs wird 
von dem Kanzler von Franfreih und in deffen Abweſenheit von 
einem durch. den König ernannten Pair präfidirt. — 30. Die 
Glieder der königlichen Familie und die Prinzen vom Seblüte 
find Pairs durh Geburtredt; fie haben ihren Sig unmittelbar 
nach dem Präjidenten, allein eine Deliberativtimme erft mit 
 fünfundzwanzig Jahren. — 31. Die Prinzen können nur auf 
einen in einer Botſchaft für jede Seſſion ausgedrudten Befebl 
des Königs Sig in der Kammer nehmen, bey Strafe der Nich⸗ 
tigkeit von Allem, was in ihrer Gegenwart verhandelt worden» 
wäre. — 32. Ale Berathſchlagungen der Kammer der Pairs 
find geheim: — 33. Die Kammer ber Pairs erfennt über die 
Verbrechen des Hochverraths und der Gefährdung, der Sicher 


= 101 .— 


heit des Staats, woruͤber das Geſetz das Nöthige beftimmen 
wird. — 337. Kein Pair kann in Kriminalſachen anders, als 
vermöge eines Befehld der Kammer, arretirt und gerichtet wer; 
den. — Bon der Kammer der Deputirten der De 
Jyartementd. — 35. Die Kammer der Deputirten beftebt aus 
den von deu Wahlfollegien, deren Organifation durh die Ge 
fege feitgefent werden wird, ernannten Deputirten. — 36. Je 
des Departement behält die Zahl der Deputirten, bie es bie 
jeßt hatte. — 37. Die Deputirten werden auf fünf Jahre et; 
wählt, und fo, daß die Kammer jedes Jahr zum fünften Theile 
erneuert wird. — 38. Kein Deputirter kann in die Kammer 
zugelaflen werden, wenn er nicht vierzig Jahre alt ift, und eine 
birefte Aontribution von 1000 Fr, bezahlt. — 39. Wenn ſich 
inzwifben in einem Departement Feine 50 Perfonen von dem 
angegebenen Alter, die nicht wenigſtens 1000 Fr. direfte Steu— 
ern bezahlen, vorfinden, fo wird deren Zahl durch folde er: - 
gänzt, welche die ftärfften Steuern unter 1000 Fr. bezahlen, 
welche jedoch mit erftern nicht zugleich erwählt werden können. 
— 30. Die Wähler, welche an der Ernennung der Deputirten 
Theil nehmen, haben fein Stimmrecht, wenn fie nicht eine di- 
rekte Kontribution von 300 Fr. bezahlen, und wenigftens drey— 
Big Jahre alt find. — 41. Die Präfidenten der Mabltolfegien 
werden von dem König ernannt, und find gefenlib Mitglieder 
ded Kollegiumd. — 42. Wenigſtens die Hälfte der Deputir— 
ten wird aus den Wällbaren ernannt, 'welde ihren politifchen 
Wohnſitz in dem Departement haben. — 43. Der Präjident 
ber Kammer der Deputirten wird von dem König aus einer von 
der Kammer vorgelegten Lifte von fünf Mitgliedern ernannt, 
— 44. Die Sigungen der Kammer find öffentlih; das Begeh⸗ 
ren von fünf Mitgliedern reiht aber hin, zu bewirken, daß fie 
ſich in einem geheimen Ausſchuß bilder. — 45. Die Kammer 
theilt fib in Buͤreaur, um die ihr von Seite des Königs vor; 
gelegten Gefegentwärfe zu berathen. — 46. Keine Abänderung 
kann in einem Gefege, getroffen werden, wenn fie nicht in einem 
Ausſchuß von dem König voraefhlagen, und nicht in die Bi; 
teaur geſchickt und darin berathen worden iſt. — 47. Die Kam: 
mer ber Deputirten empfängt alle, die Auflögen be:reffende 
Vorſchlaͤge, und nur, wenn diefelben darin zuläfiig befunden 
worden find, können fie in die Kammer der Pairs gebracht wer; 
den, — 43.’ Keine Auflage kann ausgeſchrieben noch erhobeu 


— 102 — 


werden, wenn ſie nicht von beyden Kammern bewilligt und von 
dem König ſanktionirt worden iſt. — 49. Die Grunditeuer 
wird nur für Ein Jahr hewilligt. Die indirekten Auflagen fün: 
nen für mehrere Jahre bewilligt werden. — 50. Der König 
ruft jedes Jahr bepde Kammern zujammen; er prorogirt gi 
und kann die der Deputirten der Departements auflöfen; im 

fegterm Falle aber muß er binnen drey Monaten eine neue Vers 
fammlung zufammenberuien. — 51. Es fann feine Verbafts 
nehmung gegen ein Mitglied der Kammer, während der Sefs 
fion, und in den vorhergehenden oder folgenden ſechs Moden, 
Statt haben. — 52. Kein Mitglied der Kammer kann wäbs 
rend der Dauer der Sejjion in Kriminalſachen, ohne vorgängige 
Stlaubniß der Kammer, verfolgt oder arrerirt werden, den Fall 
einer Ergreifung auf frischer That ausgenommen. — 353. Alle 
Petitioyen an eine oder die andere Kammer müllen ſchriftlich 
abgefaſſt werden. Das Geſetz verbietet, deren peridnlih und 
vor den Schranfen zu überreihen. — Von den Minittern. 
— 54. Die Minifter fonnen Mitglieder der Kammer der Pairs und 
der Kammer der Deputirten ſeyn. Sie haben überdies freven 
Zutritt in einer oder der andern Kammer, und müfen gehört 
werden, wenn fie ed verlangen. — 55. Die Kammer der De; 
putirten bat das Recht, die Minifter anzuflagen, und fie vor 
die. Kammer der Pairs zu ziehen, die allein das Recht bat, fie 
zu. richten. — 56. Sie fünnen nur wegen Verrätheren oder 
Veruntreuung angeflagt werden. Befondere Geſetze werden dieje 
Gattung von Verbrechen und die dabey eintretende Prozedar 
beftimmen, — Bon der Gerichtsverfaſſung. — 57. Alk 
Rechtspflege geht vom Könige aus; fie wird in feinem Namen 
durch Richter verwaltet, die.er ernennt und einfeßt. — 58. Die 
vom Könige ernannten Richter find unabſetzbat. — 59. Die ber 
‚malen befiehenden ordentlihen Gerichtehöfe und Tribunale wer 
ben bepbehalten. Es darf in Hinſicht derfelben nichts geändert 
werden, als vermittelt eines Geſetzes. — 60. Die dermalige Eins 
richtung der Handelsgerichte wird beubehalten. — 61. Die 
Friedensgerichte werden gleichfalls bepbehalten, Die Friedens: 
richter, obgleich vom Könige ernannt, find inzwiſchen nit un: 
‚abießbar, — 62, Niemand kann feinen yatürliben Richtern 
entzogen werden. — 63. Es koͤnnen demnad feine außeror: 
dentlihe Kommiſſionen und Tribunale errichtet werden, unter 
welcher Benennung jedoch die Prevotalgerichtsbarfeiten nicht be: 


— 103 — er 

griffen ſind, inſofern deren Wiederherſtellung noͤthig erachtet 
werden ſollte. — 64. Die Verhandlungen im Kriminalfaͤllen 
find öffentlich, infofern diefe Publizitaͤt nichr für Ordnung und 
Sitten gefährlich ift, in welhem Falle das Tribunal diefes durch 
einen Urtheilsipruch erklärt. — 65. Die Gefhwornen werden 
bepbehalten; die Veränderungen, die eine längere Erfahrung 
in dieſer Einrichtung anrathen könnte, dürfen nur vermittelft 
eines Sefeped Statt haben. — 66. Die Strafe der Güter: 
Eonfisfation iſt abgefhaft, und kann nicht wieder eingeführt 
werden. — 67. Der König hat bad Recht, zu begnadigen und 
die Strafen zu mildern. — 63. Das bürgerlihe Geſetzhuch und 
die dermalen beſtehenden Gejege, welche gegenwärtiger Urfunde 
nicht entgegen find, bleiben in Araft, bis fie anf gefeßlichen 
Wege abgefhaft werden. — Befondere, vom Staate gar 
rantirte Rechte. — 69. Die Militärperfonen In Dienfithätig» 
teit, die Offiziere und Soldaten, welche ihre Netraite haben, 
die penfionirten Wittwen, Offiziere und Soldaten behalten ihre 
Grade, ihren Rang und ihre Penſionen. — 70. Die öffentliche 
Schuld ift garantirt; jede von Seite des Staats gegen feine 
- Gläubiger übernommene Verbindlichkeit iſt unverleglih. — 71. 


Der alte Adel nimmt wieder feine Zitel an; der neue behält 


die feinigen. . Der König erhebt nah Willfür in den Adelftand; 
aber er verleiht Titel und Rang ohne irgend eine Befreyung 
von den Laften und Pflichten der Geſellſchaft. — 72. Die Ch: 
renlegion wird ‚bepbehalten. Der König wird ihre innere Ein; 
richtung ynd Deforationen beſtimmen. — 73. Die Kolonien 
folfen nad befondern Gefegen und Reglements regirt werden. 
74. Der König und feine Nachfolger ſchwoͤren bey der Zeper: 
„lichkeit ihrer Krönung, die gegenwärtige Verfaſſungurkunde treu 
zu beobabten. — Artifel von vorübergehbender Wirk 
famfeit. — 75. Die Deputirten der Departements von Frank; 
reih, welche in dem geſetzgebenden Körper zur Seit der legten 
Dertagung deſſelben Sig hatten, bleiben bis zu ihrer Erfegung 
Mitglieder der Kammer der, ‚Deputirten. — 76. Die erfte Er; 
neyerung eines Fuͤnftels der Kammer der Deputirten wird fpd- 
teitens im Jahr 1816, nad der unter din Serien eingeführten 
Drdnung, Statt haben. — Wir befeblen, daß gegenwärtige Kon⸗ 
ftitutionurfunde,, Unfrer Proflamation vom 2. May gemäß, dem 
Senat und dem gefeggebenden Körper vorgelegt, und dann fos 
gleih der Kammer der Pairs und ‚ber Deputirten zugefertigt 


s 


) 
werde. Gegeben zu Paris im Jahre der Gnade 1814, und Unfs 


ver Regierung dem nennzehnten. (Unterz.) Ludwig. 
Der Abbe von Mon tesquien. 





33. | 
Bekanntmahung wegen Weberreihung und 
Prüfung der Vollmachten der für den Kongreß 
bevollmächtigten Minifter, Abgeordneten und 
Geſchaͤfisfuͤhrer, datirt Wien den 1. Novem⸗— 
ber 1814. | | 
Deklaration. 


Da durch die Deklaration vom 8. Dftober die Eröffnung 
des Kongreffes bis auf den 1. November ausgefebt worden 
iſt; ſo haben die bevollmäctigten Minifter det Höfe, welche den 
Griedens : Traftat vom 30. Map unterzeidneten, ih dabin vers 
einigt, einander wecdfelfeitig ihre Bollmadhten mit; 
 zutbeilen, und folde in einem ben der geheimen Hof: und 
Staatskanzley Sr. kaiſ. fönigl. apoftol, Maj. hierzu beftiimmten 
Bureau niederzulegen, Damit man aber auf eine authentiſche 
Weife zur Kenntniß der von den übrigen Höfen beauftrag 
ten, Perfonen gelange, werden alle diejenigen, die mit 
Vollmachten zum Kongreß verfeben find, bierdurd 
aufgefordeet, folde in dem:nämliben Bureau zu überreichen. 
Die Verifikation der Vollmachten wird dur eine, aus 
drey bevollmäctigten Miniftern beftehende, Kommiffion vol; 
zogen werden; und nach Beendigung dieſes Gefhäftes, werden die 
Minister der obgedachten Höfe die Mafregeln in Vorſchlag 
bringen, die fie für die zwedmdfigften balten werden, um den 
fernern Geihäftsgang des Kongreſſes zu beftimmen. 

Daus Bureau zur Annahme der TIER wird am 3, No 

yember: eröffnet werden. 
| Wien, den 1, November 1814, 





— 105 — 
| 34. j 
Rechtsverwahrung bes Königs von Sadfen, 
gegen die koͤniglich-preußiſch-proviſoriſche 
Befißnchmung feiner Otaaten, und gegen 
jede Verfügung über biefelben, datirt Friedrichs⸗ 
felde (bey Berlin) 4. November 1814. 


Wir Friedrib Auguft von ©. ©. König von Sachſen, 
Herzog von Warſchau ıc. 


Wir vernehmen zu Unſerer tiefen Belümmerniß, daß vou Seite 
Er. Majeftät des Königs von Preußen zu einer proviforis. 
ſchen Befipnahme Unfexen ſaͤchſiſchen Lande vor vor; 
geſchritten werden. 

Unſer feſter Vorſatz, alle und jede Schickſale Unſeres Landes 
zu theilen, Unſer Vertrauen auf die Gerechtigkeit und den Edel⸗ 
muth der verbuͤndeten Monarchen, und Unſere Abſicht, ihrer Ders 
bindung beyzutreten, ſobald es in Unſerer Willkuͤr ſtehen wuͤrde, 
beſtimmten Und nah der Schlacht von Leipzig, die Sieger dort 
abzuwarten, Aber das verlangte Gehbdr wurde Uns vers 
fagt, und man nöthigte Uns, das Land zu verlaffen; 
und nah Berlin Uns zu begeben, 

Se, Majefiät der Kaiſer von Rußland liefen Uns je: 
doch zu erfennen geben, daß Unfere Entfernung aus Sachſen nur 
In militärifber Hinfiht nöthig fen, und Sie forderten line 
zugleih auf, Ihnen ein unbefchränftes Vertrauen zu widmen, 
Auch erhielten Wir von J. J. M. M. dem Kaifer von Defts 
reih und dem König von Preußen unverfennbare Beweiſe 
von Ihrer Freundihaft und Theilnahme. Wir durften Ind das 
ber der Hoffnung uͤberlaſſen, daß Wir, fobald die. militäriichen 
Nücdfichten aufgehört haben würden, in Unſere Gerechtiame wies 
derum eingeſetzt, und Unfeem geliebten Bolt zurücdgegeben werden 
würden Wir Fonnten eine baldige glüdlihe Veränderung Unſerer 
Lage mit deſto größerer Zuverfipt erwarten, da Wir Unſern aufs 
richtigen Wunſch, zur Herſtellung der Ruhe und der Freyheit mit⸗ 
zuwirken, den verbuͤndeten Monarchen auf das angelegentlichſte zu 
erkennen gegeben hatten, und in jeder Und moͤglichen Maße bes 
muͤht geweſen waren; Unſere wahre Ergebenheit gegen Ihre Per 


— 106 — 


fonen, und Unfere unverſtellte Anhänglichkeit an der Sache, weis 
che der Zwed ihrer Anftrengungen war, an den Tag zu legen. 

Es gereihre Uns daher zum empfindlibiten Schmerz, als 
nach dem Abſchluſſe des Parifer Friedens Unfere wiederholten 
Bitten um die unverlängerte Zurüdgabe Unſerer 
Staaten feinen Eingang fanden, und Wir Unſere geredten 
Erwartungen getäufcht, und die Entſcheidung über Unſer und Unies 
rer Lande theuerjted Intereſſe biö auf den zu Wien zu haltenden 

Kongreß ausgefegt faben. Doc weit entfernt, den Gerädten 
Glauben beyzumeffen ‚die feit dem Parifer Frieden über das Ums 
ſere Lande bedrohende Schiafal ſich zu verbreiten anfingen, jegten 
Wir ein volles Vertrauen in die Gerechtigkeit der verbündeten Me: 
narchen, ob Wir gleih die Urfahen der Ung widerfahn 
nen Behandlung nicht gu erforihen vermögen. 

Der große Zweck bed fo gluͤcklich beendigten Kriegs if 
die Erhaltung und Befefiigung der rechtmäßigen 
Throne gemeien; die dazu verbuͤndeten Mächte baben es in 
feverlihen Proflamationen mehrmals ausgeiproden, daß 
ihre Abfiht nur auf Wiederhberftellung des Rechts und 
ber politifhen Frepheit von Europa, nicht auf Eros 
berungen und Bergröferungen gebe; es it Sachſen ins; 
beipndere die Erhaltung feiner Integrität auf das bes 
ſtimmteſte zugefihert worden: und von dieſer macht bie 
Erhaltung feines Regentenſtammes, gegen den die 
Nation ihre fortwährende Anhaͤnglichkeit und ihren einmuͤthigen 
Wunſch der Wiedervereinigung mit ihm oͤſſentlich kund gethan 
hat, einen weſentlichen Beſtandtheil aus. 

Wir haben den Gang und die Gruͤnde Unſers politi— 
ſchen Benehmens in der letztyerwichenen Seit den größern 
Mächten von Europa offen und vollfidändig mitgetbeilt. 
Wir dürfen auch zu dem einſichtsvollen und gerechten Urthelle 
berfelben das zuverfihtlihe Vertrauen hegen, daß fie die Mein 
beit Unferer Abfihren anerfannt, und davon, daß Unſete 
Theilnahme an dem für Deutihland unternommenen Kampfe 
nur durb die Lage Unferer Lande und burh bie 
Macht der Umftände behindert worden iſt, ſich überzeugt 
baben werden. 

Die Unverletzlichkeit der auf Unfere angeflammten, nur 
durh rechtmäßige Erwerbungen vereinigten, Lande Uns und 
Unfern Haufe zuftändigen Gerechtfame liegt am Tage; die ums 


gefäumte —— in dieſe Gerechtſame iſt 
eine nothwendige Folge davon. 


Wir würden den Pflichten gegen Unſer Haus und gegen 


uUnſer Wolf ungetren werden, wenn Wir der gegen Unfere 


— 


Lande im Moment der zu erwartenden gaͤnzlichen Zurückgabe ders 
felben beabfichtigten neuen Mapnehmung ftillihweigend zufchen 
wollten, Wir finden Uns daber duch die Eönigl. preußiſcher 


Seits intendirte proviforifhe Beſitznahme Lnferer 


fähfifben Staaten gedrungen, Unſere heiligen Rechte ges 


‚gen dieie Beſitzznahme und gegen alle daraus zu zie— 


henden Folgen auf das feverlihfte zu verwahren, 


Wir thun diefes andurch, unter Unferer eigenhändigen Unter; 
fhrift, vor dem Kongrefie zu Wien und im Angeſicht 
von ganz Europa, und Wir wiederholen dabey öffentlich 
die gegen die verbündeten Monarchen fchon früher geſchehene Er: 
klaͤrung, dag Wir in die Abtretung ber von Unferen Ahns 
herrn eredbten Staaten niemals willigen, und zur Ans 
nahme eines Nequivalents dafür Uns unter feiner 
Bedingung verftehen werden. 

Gegeben zu Friedrisfelde, den 4. November 1814. 

Friedrich Auguſt. 


35 

Bekanntmachung der kaiſerlich-ruſſiſchen 

Uebergabe der oberſten Verwaltung des Königs 

reichs Sahfen an Preußen, datirt Dreds 
den den 27. Dftober (8.Mov.) 1814. 


Nachdem bie oberfte Verwaltung des Koͤnigreichs 
Sachſen, in Folge einer zwiſchen Rußland und Preußen 
geihloffenen Uebereinkunft, welher Deftreih und Eng 
land beygetreren find, in die Hände Gr. Majeftät des Könige 
von Preußen gelegt, und den von Allerhöchftdemfelben bierzu 
ernannten General: Gouverneurd , des Herrn Staatsminiftere 
Srepheren von der Ned und des Herrn General: Majord Frey; 
bern von Gaudi Erzellenzen, heute feyerlih von mir übergeben 


— 18 — 

Ä l 
worden ift; fo werben ſaͤmmtliche ſaͤchſiſche Bebärden und Einwoh⸗ 
ner bievon in Kenntniß gefett, an dad neue General: Gouvern«s 
ment formlich verwiefen, und zu eben dem Vertrauen in daffelbe, 
und zu eben dem Geiſte der Ordnung und ded Geborſams aufge: 
fodert, wodurch fie fich während meiner Geihäftsführung aufge 
zeichnet haben. 


Se, Majeftät der Kaifer, mein allerguädigfter Here, wird 
übrigens nie aufhören, Sachſen Seiner Gnade und Seines bes 
fondern Untheild zu würdigen , und indem Allerböchitderielbe dei- 
fen Leitung dem Mufter eines edein, tugendhaften und großs 
- gmütbhigen Fürften übergibt, glaubt er den Wohltand und das 
Gluͤck diefes durch fo viele Stürme erſchuͤtterten, und der Ruhe fo 
bedürftigen Landes am beften gefihert und begründet zu haben. . 


Sachſen, id ſcheide von Euch mit gerührtem Herzen. Send 
meiner Achtung umd Liebe auf immer verfibert, und laßt mid 
ben Trojt-mit von Euch nehmen, daß mein Andenken unverdnder: 
% Euch fortlebe. Dresden am 27. Dftober (3.Nev.) 18134. 


Gmeral: Gonverneur 
Fuͤrſt Repuin. 





36. 


Bekanntmachung der koͤniglich-preußiſchen 
ze Beſitznehmung des Königreichs 
Sachſen, datirt Dredden den 10. November 

1814. . 

Vermoͤge einer zwiſchen den —— Maͤchten ge— 
troffenen Uebereinkunft iſt die Beſetzung und Verwaltung 
bes Königreichs Sachſen, welche bisher von kaiſerlich-r u ſ⸗ 
ſiſcher Seite geſchehen, auf des Königs von Preußen Maje— 
ſtät übergegangen. Won Allerhöbftdemfelben hiezu beauftragt, 
haben Wir Unterzeihnete die Gefhäftdführung des Gene 
tal: Gouvernements von Sachſen aus den Händen des 
bisheriaen General: Gouverneurs, des faiferlich sruffiihen Gene: 
ale Yieutenannts und Generals Adiutanten, Herren Kürten Nep- 
nin Durchl. übernommen, und heute angetreten. 


\ 


— EOS — 


Wir machen dieſes den LandessKollegien und übrigen 
Behörden, fo wiefämmtlihen Einwohnern des Königs 
‚reihe Sachſen hierdurch bekannt, und fordern dieielben auf, in 
allen, nad den bieherigen Berbältniffen und Anordnungen, vor 
das kaiſerlich⸗ ruſſiſche Generals Gouvernement von Sachſen gehds 
rig gemweienen Angelegenheiten und Geſchäften fünftig an das 


nunterzeichnete General⸗Gouvernement ſich zu wenden. 


Unſer eifrigſtes Beſtreben wird darauf gerichtet ſeyn, durch 
die uns anvertraute Geſchaͤftsverwaltung die gnaͤdigen und wohl⸗ 
thaͤtigen Abſichten in Erfüllung zn bringen, welche des Königs‘ 
von Preußen Maieftät, Unfer allergnädigiter Herr, dem Koͤniga 
reihe Sachſen ganz befonders gewidmet haben, Mir erwarten das 
gegen mit Zuverläßigfeit von den Kandes: Kollegien und andern 
Behörden fo wie von den fämmtlihen Einwohnern des Königs 
reichs Sachen, ein feſtes Vertrauen auf die Gewiſſenhaftigkeit 
Unferer Geſchaͤftsverwaltung, die gebührende Befolgung Unferer 
Unordnungen, die ftetd das allgemeine Wohl zum Zweck haben 
werden, und überhaupt die Fortiekung des von Biederfinn und 
von einer richtigen Erwägung der obwaltenden Verhaͤltniſſe geleis 


teten Betragens, wodurch die ſaͤchſiſche Nation fi bisher fo ehten⸗ 
voll aufgezeichnet hat, 


Dresden den Io, November 1814. 
General-Gouvernement von Sachſen. 
Freyherr von der Red, , 
fönigl. preuß. Staats : Mintfter, 
‚$repberr von Gaudi, 
fönigl. preuß. General: Major und kom⸗ 
A 'mandirender General in Sachen. 


— — —— 


87. 
Note ———— de la Russıe à PAutriche 
ü et A la Prusse. 


Wodurch — 12 Artifel enthaltende, Bundesplan (ſiehe No. 21. 
J S. 72.) gebilligt und unterſtuͤtzt wird.) 


Vienne, le ıı Novembre 1814. 
Le söussigrie secretaire d’ Etat a rendu compte & S. M., 


VEmpereur son auguste maitre des resultäts, que presentent 


⸗ 


— 110° - | 

les conferences relatives à l’organisation future de l’Allemagne. 
S. M. Imperiale a vu avec une vive satisfaction, que les cabi- 
nets de Vienne, de Berlin et d’Hanövre ont propose le 14. Oc- 
tobre un plan de federation, qui est conforme aux prin- 
cipes de justice et d’organisation sociale, au bonheur des indi- 
vidus et aux interets de l’Europe, en demandant que le droit 
de faire la guerre et la paix, celui-.de decider des contestations 
entre les Princes, et de veiller aux interöts generaux soit dek- 

gue a la confederation, et qu’il soit forme des etats prorin- 

ciaux tutelaires de la liberte et de la pröpriete garantis par la 
federation. 


L.L. M. M. TEmpereur de Russie et le Roi de Prusse de- 
olarerent à Calisch, le 15. (25.) mars 1615, la dissolution de la 
Ligue du Rhin, et leur ferme et immuable resolution d’aider 
les Princes et les peuples allemands a reconquerir leur liberie 
et leur independance, 


Les succes des puissances alliees eurent pour suite l’affran- 
chissement de l’Allemagne du joug etranger. Des traites d’ac- 
cession assurerent aux Princes leur conservation, mais rien ne 
fut alors statue sur leurs rapports interieurs. 


Le traite de l’allianoe de Chaumont et la paix de Paris sti- 
pulerent que l’Allemagne seroit un etat federatif. Les princes 
d’Allemagne trouveront sans doute dans ce principe une nou- 
velle preuve de la söllicitude des puissances alliees et recon- 
noisront d’ailleurs la necessite d’etablir un systäine qui les pre- 
serve de l’instabilite et de tous les daugers d’une existence 
isolee. 

Ce n’est que dans un pareil systeme que l’Europe peut 
retrouver la garantie de la tranguillite interieure de l’Alle. 
magne et par consequent l’espoir, que les forces desormais 
soumises a une direction concentree, ne soient employees que 
pour l’interet general que l'état d’irritation, Yyui existe encore, 
esse entierement, que les abus de l’aulorile soient prevenus, 
les rapports de la noblesse fixes, et que les droits de tous soient 
determines et proleges par des institutions fortes, sages ei 
liberales. 

Ces principes se-retrouvent, dans toute leur force et dans 
toute leur purete, dans le plan de federation propose par les 
cabinets de Vienne, de Berlin et d’Hanovre. $. M. l’Empe- 


= TII. — 


reur de Russie ne peut donc qu’y donner son entier assentı- 
ment, decide a appuyer ce projet par son intery ention, si les 
circonstances devoient l’exiger. 


Le soussigne est charge d’en donner l’assurance à S. A. M. 
le prince de Mettetnich (de Hardenberg) ; et de s’expliquer con- 
fidentiellement avec lui sur les moyens de le faire generale- . 
ment adopter. L’interet que l’Euröpe prend a ceiie belie et 
noble cause est motive par des considerations plus decisives 
encore pour son auguste allie et d’un pareil concours de oir- 
constances il ne peut que resulter des decisions salutaires et 
dont la nature repond à l’importance de l’objet. 


‚Le comte de Nesselrode. 





38... 

Note der bevollmächtigten Abgeordneten nenn und 
zwanzig deutfcher ſouverainer Fürften 
und Städte, an den kaiſerlich-oͤſtreich i ſchen 
Staats: und Conferedz Minifter 2c., Herrn Fuͤr⸗ 
ſten von Metternich, und an den königliche 
preußifhen Staatskanzler , Herrn Fürſten 
von Hardenberg, datirt Mien deit 16. No— 
bember 1814. 


Nachdem der 6. Artifel des von den Hauptmacdten Europa's 
unterzeichneten Parifer Traftats, ald allgemeiner Ausſpruch über 
die fünftine Verſaſſung Deutichlande den Grundiak anfgeftellt 
baite, daß die dentfchen Staaten unabhängig und durch ein foͤdera⸗ 
tiges Band vereint ſeyn follten, durften die allerieitigen Kommits 
tenten der Unterzeichneten fowol, ald andere in gleichen Verhaͤlt⸗ 
nig mit ihnen flehende deutfche Staaten mit Recht erwarten, zu 
den Verhandlungen, welche die künftige Verfaſſung und Wereint: 
gung des gemeinjchaftlihen Waterlandes betreffen, zugezogen zu 
werden. 

Dies ift bisher nicht geſchehen, und außer denen als Pacis: 
centen beym Parifer Frieden aufgerretenen hoben Mächten, Deft: 


— ım — 
reich und Preußen, ſcheinen einige, in aͤhnlicher Kategorie mit 
mehrern nicht Eingeladenen jiehende, deutſche Höfe ald Mepräfens 
tanten für die Mehrheit ihrer übrigen deutihen Mitftaaten aufs 
treten zu wollen. 

In diefer Lage der wichtigſten Angelegenheiten Deutfchlands 
find die Unterzeichtteten, nah nunmehr ofnciell angefünbigter Er 
Öffnung des Kongteffes, und nah geſchehener Ueberreichung ibrer 
Vollmachten, der Würde ihrer Kommittenten, den Pflichten geaen 
das deutſche Vaterland und den Millionen, die auch fie zu vertre: 
ten haben, fchuldig, nicht länger gu Ihweigen. 

Die Souverainetät der deutfben Staaten it von dem boben 
alliierten Mächten anerkannt und garantirt worden; und wenn das 
"gegen in den-von den meiſten deutihen Fürften abgeſchloſenen 
Ücceffionsverträgen dieſelben verſprochen haben, in diefer Hinſicht 
den Mapregeln beyzupflichten, welbe zur Behauptung der Unab⸗ 
bängigteit von Deutſchland für nöthig eradtet werden würden: 
fo liegt in diefem Verſprechen kein Verzicht anf das Mehr, zur 
Anordnung jener Mafregeln mitzuwirken. Darüber, das das 

Urtbeil über die Frage, welche Mafregeln zu jenem böcditen End: 

zweck nothwendig ſeyen? ausſchließlich mund entiheidend von elmi- 
gen deutihen Mächten und von der Minderzahl der Intereffenten 
folle ausgefprohen werden, beobachten die icceilionsverträge ein 
gänzlihes Stillſchweigen, und laflen demnach die urſptuͤnglich 
gleihe Befugniß aller in den Gefellidaftsvertrag des deutichen 
Stastenbundes eintretenden Intereffenten, ihre freve Stieme-zu 
den organifhen Gejegen der einzugehenden Staatengefellichaft abs 
zugeben, unangetaſtet beftehen, . 

Geftägt auf dieſe Verträge, auf die, Beftimmung des Parifer 
“Friedens, und die Grundſaͤtze des Voͤlkerrechts, werden die Untere 
zeichneten allerfeitigen Committenten ihrer Theilnahme am der 
Konftituirung ded Bundes niemals entfagen, fondern müffen Durs 
auf beftehen, daß diejes allen deutfhen Volksſtaͤmmen zuſtebende 
Recht auch von den Megierungen aller nach billig feftzufeßens 
den Normen ausgeibt werde, und behalten fih ſolches auds 
druͤcklich bevor. 

Dagegen werden fie es mit Dank erkennen, wenn Ihre Mas 
jeftäten der Kaifer von Deftreich und der König von Preußen ihnen, 
auf der Baſis gleiher Rechte und einer volltändigen Nepräfent:: 
tion aller Bundesglieder berubende Vorſchlage über die Fünftigs 


Verſaſſung, „und die zur Sicherung der Frepheit und Unabhaͤngig⸗ 
feit 





feit Deutihlands und der Deutſchen nothmendig-fcheinenden Maps 
regeln, zur freien Berathung und Beſchlußnahme mittheilen wols 
len, und werden ihre Vereitwilligkeit beweilen, zum Veften des 
Ganzen, denjenigen Einfhräntungen Ihrer Souverainetär ſowol 
im Innern ihrer Staaten, als im Verhältnig gegen Auswärtige, 
beyzupflihten, welche als allgemein verbindlich für Alle werden be; 
ſchloſſen werden. ;“ 

Namentlih find fi ie damit einverſtanden, daß aller und jeder 
Billtür, wie im Ganzen durch die Bundesverfafung, fo im 
Einzelnen’ in allen deutfhen- Staaten, durch Ginfübrung lands 
ſtaͤndiſcher Verfaſſungen, wo diefelben voch nicht beſtehen, vorges 
beugt und den Ständen folgende Mechte gegeben werben: 

1) das Recht der Verwilligung und Negulirung ſaͤmmtlicher zur 
Staatsverwaltung nothwendiger Abgaben ; 

2) das Mecht der Einwilligung bep neu zu erlaffenden agemels 
nen Landesgeſetzen; | 

3) das Recht der Mitaufſicht über die Verwenduus der Steuern 
zu allgemeinen Staatszwecken; 

MH das Recht der Beſchwerdeführung, Indbefonbere In Fällen 
der Malverfation der Srentbdiener, und bey ſich ergebenden 
Mißbraͤuchen jeder Art. 

Woben übrigens den einzelnen Staaten die ahgeineffene 


‘ Einrichtung,.der ftändiihen Verfaſſung, nah dem Charicter-der 
Einwohner, den Localitäten und dem Hertommen überfaffen bleibt. 


Eben io iſt es ihr Wunſch, daß der’ Juftisgang, in jeder 
Beziehung, unabhängig von Wilfür-erideine, und insbeſondere 
jede Claſſe unter se ae Richter bleibe oder 


werde. -" 


Endlih halten’ fie fi ch überzeugt, die deutſche Berfaffung 


‚würde ihfen’ feſteſten Beſtand alddann erft behaupten koͤnnen, 


wenn ein gemeinfames Oberhaupt welches dem -betfchen! Ners 
band den erſten Rang unter den eurdpaͤiſchen Nationen gab; an 
der Spitze der deutſchen Berbindung dem von den Staͤnden des 
Bundes gemeinfambeihloflenen die unverbrüchliche Vollziehung 
fihern, die Saͤumigen oder Weigernden ohne Unterſchied, mit 
erforderlichem Nachdruck zur Erfüllung des Bundesvertrags ats 
halte, der Bundesjuftiz fehnelle und vollfommne Folge verſchaffe, 
die Kriegsmacht des Bundes leite, und fo im Innern und gegen 
Außen allen Staaten deifelben, auch dem maͤchtigſten ald Bes 
ſchuͤtzer, erſter Nepräfentant der deutfihen Nation, und Gegen⸗ 
«odex Diplomaticus. (Eur, Annal. 1815.) 8 


fand allgemeiner Ehrfurcht, der Verfaſſung aber ald kraͤftigſter 
Garant, als deutfcher Freiheit Aegide, fi darſtelle. 

Indem die Unterzeichneten Seiner des Herrn Fürften von N. 
Hocfürftlihe Gnaden gehoriamft bitten, diele ihre Erklärung zur 
Kenntniß Er. Maj. zu bringen, und fonft davon zweckdienlichen 
Gebrauch zu machen, freuen fie fi eine Veranlajlung zu Haben, 
die Verfiherung ihrer vollfommenften Verehrung zu erneuern, 

Wien den 16. November 1314. 


Graf von Keller, kurheſſiſcher Staatsmiuiſter und Bevol; 
mädtigter. 

G. F. von Lepell, kurheſſiſcher zweyter Bevollmaͤchtigter. 

Freyherr von Tuͤrkheim, gtoßherzogl. heſſiſcher Geheimer 
Rath und Bevollmaͤchtigter. | 

von Wolframsdorf, Bevollmaͤchtigter des herzoglichen Ge— 
fammthanfes Anhalt. 

von Schmidto⸗Phiſeldeck, berzogl, braunſchweigiſcher Be⸗ 

vollmaͤchtigter. 

Schmidt, Bevollmaͤchtigter der freyen Hanſeſtadt Bremen. 
Dan;, Bevollmaͤchtigter der freyen Stadt Frantfurt. 
Gries, Bevollmächtigter der freyen Hanſeſtadt hamburg. 
Hellwing, füͤrſtl. lippe-detmoldiſcher Bevollmaͤchtigter. 
Hach, Bevollmaͤchtigter der freyen Hanſeſtadt Luͤbeck. 
Frepherr von Pleſſen, herzogl. medlenburg⸗ ſchwerinſchet 

Staatsminiſter und Bevollmäaͤchtigter. 
von Oer zen, herzogl. mecklenburg ⸗ ſtrelitziſcher Staatsminiſter 
und Bevollmaͤchtigter. 
Frhr. von Gagern, Bevollmäntigte des naſſauiſchen 
en Frhr. von Marſchall, Hauſes. 
von. Wieſe, Bevollmaͤchtigter des Gefammthaufes der Füuͤtſten 
von Neuß. 

von Gersdorf, Berollmähtigter von Sachen «Weimar, 

‚ von Mintwiß. berzoglic ſagſen- gothaifher Bevollmächtigter. 
von Erffa,. berzogl. iachien » meinungiſcher Bevollmächtigter. 

von Baumbad,. berzogl. ſachſen⸗-hildburghauſiſcher Bevoll— 

mächtigter, 
Baron Fifchler von Treuberg, herzogl. ſachſen⸗-koburg ⸗ faal 
feldiſcher Bevollmaͤchtigter. 

— von Berg, als fuͤrſtl. ſhaumburg⸗ lippifher, und als fürll. 

waldeckiſcher Bevollmädhtigter. 


— 15 — 


von Weife, fürftl. ſchwarzburg⸗ſondershauſenſcher Bevoll⸗ 
maaͤchtigter. 
von Kettelhodt, fuͤrſtl. (gwarzburgs rudolſtadtiſchet Bevol⸗ 
maͤchtigter. 





| 39. | 

Berbal:Note des herzoglich = braunfhmweigis 
{hen Abgeordneten, Herrn Geheimen Raths von 
Schmidt genannt Phiſeldeck, an den königlich 
banndverifhen erſten Bevollmaͤchtigten, 
Herrn Staats- und Cabinets-Miniſter, Gras 
fen von Muͤnſter, datirt Wien den 16. No⸗ 
vernber 1814. 


Der Unterzeihnete bat bie übrigen — deutſcher 
Fuͤrſten und Gebiete von der Privatänßerung. welche er ſich über 
den gemeinſchaftlichen Wunſch Aller, die Werfaffung des deutihen 
Bundes zu deſſen beffern Zufammenhaltung durch Wiederhers 
ftellung der Kaiferwürde geknüpft zu fehen, am ıı. d. 
M. gegen Se. Ercellenz den königl. hanndverifhen Staats: Mit: 
nifter Grafen von Miünfter erlaubt hat, und von der ihm ges 
wordenen Gegenäußerung unterrichtet: 

„daß Se. Ercellenz zwar ald Privatınann denfelben Wunſch 
begten, deſſen Erfüllung aber die Parifer Berhandluns 
gen und die Worte des Friedensfchluffes entgegenitäns 
den, daher Se. Erc. ehe fie Ihre Meinung über die Ausführs 
barkeit der Sache beftimmt äußern könnten, unterribter ſeyn 
möüften, was für Attribntionen man der Würde eis 
ned Kaifers oder Bundeshauptes beygelegt zu fehen 
vermeine, | 

und bat darauf nicht nur völlige und einftimmige Billigfeit ber 
gegen Se. Erc. gethanen Aeußerung, fondern auch den Auftrag 
erhalten, in Beziehung auf vorftehende Trage Folgendes als die 
gemeinſchaftliche Anfiht und Meinung zu erfennen zu geben! 

Es erſcheine ſehr ſchwer und faſt unthunlich, über die dem 
Haupte des deutſchen Bundes bepzulegenden Attributionen ein 


— 116 — 


vollſtaͤndiges Detail vorzulegen, weil damit zugleid ein 
volltommener Entwurf einer Conftitution bes 
Bundes verbunden: werden müfe, welchen ausznarbeiten es 
bis jest an Veranlaſſung gefehlt habe. Inzwiihen glaube man, 
vorläufig, folgende Attribntionen der Würde eines 
Bundeshauptes ald wefentlich vorausfegen zu müſſen: 

1) die Aufſicht überdieBeobadtung der Beichlüffe 
des Bundes und deren Vollſtreckung, oder Auſehen der 
Perſon; 

2) Aufſicht über die Juſtizverfaſſung, und beſonders 
die richter liche Behörde, welche im Namen bes Hauptes 
und des Bundes fpriht, mit dem Befugnife zur Ernennung 
des Perfonald und Bollfiredung der Erfenntniffe, 
wo ſolches nöthig ſeyn follte; 

3) Vorfig Inder Bundesverfammlung, welde neben 
der Geſetzgebung bejonders über Krieg und Frieden 
und Bündniffe gemeinfchaftlich beſchließt, auswärts aber 
befonders durch das Bundeshanpt repräfentirt 

- wird; 

4) Direction ber Reichsbewaffnung und Anfübs 
rung im Reichskriege. 

Man glaube dabey vorausfegen zu können, daß dieſe Attris 
butionen von der Art feven, daf fie bey weiterer Ausarbeitung 
eines Conftitutiong s Plans hinreibenden Raum liefen, und bils 
lige Aniprübe auf Auszeichnung, einer oder def andern der 
vorzüglichften deutſchen Mächte zulaffen, fo wie ed fih auch von 
felbft verftehe . daß. die vorftebenden Attributionen bey der wirt 
lichen Ausarbeitung eines Conſtitutions⸗ Plans den Umftänden nad 
näber beſtimmt werden müjlten. 

VUehrigens fönne man darin mit Sr. Erc. nicht gauz einftim- 
mig feyn, wenn Sie dafür hielten, daß der Pariier Frieden 
der Anüpfung des Bundes an ein Haupt entgegen ftehe, müͤſſe 
vielmehr vom -Gegentheil ſich überzeugt halten, indem die beabs 
fihtigte, fo wie überhaupt jede Bundesverbindung die Eris 
fen, eines Vorſtandes oder Hauptes nicht ausidlöffe, viel 
mebr die bekannten Staatenverbündniffe durb ein Haupt oder 
Vorſteher geknüpft werden: es auch in der. Natur der Sache lies 
ge, daß felbiges viel mehr Einheit und Kraft in der Wermwals 
tung im Innern, viel mehr Stärle von Auſſen gewähre, als 
wenn die erecutive Gewalt mehreren Perionen anvertraut jey, 


J — II7 — 


deren Beratbihlagungen und Entihlüfe anf der. ſchwankenden 
Mehrheit der Stimmen berube. Ä 

Wenn: dagegen der Satz aufgeftellt werben wolle, daß eine 
folhe Webertragung diefer Gewalt an ein aus den vornehbmften 
Ständen zufammengefepted Collegium, dem Mißbrauche 
der Macht um fo fiherer begegne, ſo fen zu erwägen, daß bey 
allen erecutiven und Sidherungmaßregeln ed viel 
mehr auf Einheit und Schhnelligfeit der Ausführung 
anfomme, damit nicht während der Deliberationen ein: unwieder⸗ 
bringlicher Nachtheil gefhehe, und dem. Mipbraude übrigen 
durch conftitutionelle — hinreichend begegnet 
werden koͤnnte und muͤſſte. 

Man habe in dieſer Ueberzeugung fo eben eine Note an bie 
Höfe von Wien:und Berlin übergeben, welde denfelben Vor⸗ 
wurf, und übrigens dad Erbieten entbalte, feiner Geits in Als 
lem, was zur Errichtung einer-liberalen Verfaſſung erfor; 
derlich jep, gern und willig die Hand zu bieten, und glaube ſchon 

dadurch feine Ueberzeugung zu rechtfertigen , daß. man die Idee 
eines Bundeshauptes fo wenig an fi, als aud in den ges 
genwärtigen Verbältniffen für unausführbar halte, s 
Man glaube daher, nachden (hon.gezeigt worden, daß ſelbige 
dem Pariſer Frieden nicht widerftrebe, nur noch bemerken zu müfs 
fen, daß die jetzt in Deutfchland eriftiirenden Königstronen 
derfelben fein Hindernis im den Weg legen dürften; denn es fey 
ſchon vorhin die Krone Böhmen unter den Reichsſtaͤnden und 
Kurfürften geweien,-und habe felbige die im Reiche erforderlichen 
Masregeln nicht als ihrer Würde entgegen ftrebend angeichen. 
Ruͤhmlich fen es bekannt, wie fehr der preußiſche Hof auch 
nah erhaltener Königsfrone die Freyheit Deutſchlands und die 
Aufrehthaltung der deutihen Verfaſſung bey mehrern Gelegens 
heiten bereitwillig befördert habe, und daher zu erwarten, daß 
beyde genannten Kronen gern zu gleibem Zwecke ferner zu wirs 
fen. ſich bereit finden laffen werden. Die Krone von Bayern, 
-Hannover und Württemberg aber glaube.man um fo viel 
mehr, als dazu vor allen andern bereirwilig annehmen zu dürfen, 
da alle drey lediglich deutſche Staaten Beherrfchen, das 
ber in der Aufrechthaltung der deutſchen Verfaflung auch für 
ſich ſelbſt Howlich intereffirt ſeyen, und die künftige Con; 
ftitution ſolche Maßnehmungen enthalten fönne, welche, obne 
den übrigen deutihen Ständen nachtheilig zu werben, ihnen dies 


! 


— 118 — 


jenigen Attributionen devlegte, welde ein billiges Sach ver⸗ 
hHältmif erfordern, Dagegen ihr eigener Beſitzſtaud durch 
eine kräftige Verfaſſung um fo viel mehr befeſtigt und 
beruhigt werde. 

Es fep daher nur noch übrig, die Frage zu berühren, ob man 
die Wurdereines Bundeshauptes, unter welbem Titel es 
übrigens ſey, als erblich zu übertragen wüniche? Dieje Frage 
aber fen an ſich ſehr verichiedenen Betrachtungen unteriworfen, 
und glaube: man, daß diefelden, von mehreren politifcen 
Hinſichten abhängig, fürdiefen Augenblid noch unberührt 
gelaſſen werden bürfe. 

Man bemerkte für jegt nur noch ſchlleßlich, daß man fich über: 
zengt halte, in obigen den gemeinfamen oder den ange: 
wohnten Begriffen der ganzen dentſchen Nation 
gemäßen Wunſch ausgeiprohen zu haben, weil auf feine an: 
dere Meile die erforderliden Bedingungen des deutſchen 
Bundes, nämlib der Gerehtigkleit gegen Alle, der Ein: 
heit der Nation, der Dauerbaftigkleit und Stärfe, nach 
Außen ſowol ald im Innern, in der gebörigen Rollftändiateit 
zu erreichen Münden, und erſuche daher Ee. Erc. den Hern Gras 
fen von Münfier , dazu Ihrer Seite fräftigft mitzuwirken. 
IInndem der IUnterzeimnete des Auftrags, dieſes zur Kenntnig 
Er. Erc. zu bringen, fi hiedurch entledigt, bittet er zugleich die 
Verſicherung feiner vorzuͤglichſten Hochachtung und verehrunge⸗ 
vollen Ergebenheit erneuern zu dürfen. 

Wien, den 16. November 1814. 

Schmidt PEN 


| 40. | 

Note der bevollmächrtigten Abgeordneten neun 
und zwanzig beutfcher fonverainer Fürften 
und Städte an den Fönigl. großbrittannifch- 
banndprifhen Herrn Staats- und Cabinctde 
Minifter auch Erblandmarfhall, Grafen von 
Münfter, mit Ueberfendung ihrer, unter dem 


16. Nov. 1814. an bie Bevollmächtigten ber 
Höfe von Wien und Berlin erlaffenen Note, 
datirt Wien den 16. November 1814. 


Die unterzeichneten Bevollmächtigten deutſcher Fürften und 
Stäbte beehren fih, Sr. Ercellenz dem königl. großbritannifchs 
hanndveriihen Heren Staats : und Gabinets : Miniiter, Grafen 
von Münfter, diejenige Note bierduch mitzutheilen, welche 
fie dato an die beyden Höfe von Wien und Berlin zu erlaſſen 
fi für verpflichtet gehalten haben. 

Sie erſuchen Ge. Excellenz, diefe Mittheilung eben fo, als 
wenn die Note den Umftänden nah an Se. Excellenz Selbft 
hätte gerichtet werden koͤnnen, betrachten, davon Gebrauch mas 
chen, und das Eriuben um gefällige Unterſtuͤtzung bes Inhalte der⸗ 
felben als einen beiondern Beweis des Ihnen gewidmeten pers 
fönlihen Zutrauens anfeben, und übrigens die Verfiherung der 
unwandelbaren Hochſchaͤzung und Verehrung annehmen zu wollen.’ 

Wien, den 16. November 1814. ‘ 

(Folgen die Unterfchriften, wie unter der 
naͤchſtvorhergehenden Note, Nro. 38). 


41. 

Antwort des koͤniglich großbritanniſch⸗ hans 
noͤveriſchen Herrn Staats- und Cabinets⸗ 
Miniſters und erſten Bevollmaͤchtigten, Grafen 
von Muͤnſter, an die Abgeordneten neun und 
zwanzig deutſcher ſouverainer Fürften und 
Städte, auf diejenige Zuſchrift, womit fie 
ihm ihre an die Höfe von Wien und Berlin 
gerichtete Mote vom 16. Mov. 1814 überfendet 
hatten, datirt Wien den 25. November 1814 


Der unterzeichnete Gabinets + Minifter und erfte Bevoll⸗ 
mädtigte Sr. großbritannifhen und haunoͤveriſchen 


— 


— 120 — 
Majeſt at / bey dem Congreß in Wien, hat die Zuſchrift zu er 
halten die Ehre gehabt, womit die Herren Bevollmächtigten meh: 
reret beutihen Höfe, die von Ahnen am 16. Nov. an die Höfe 
von Wien und Berlin gexichtete Note zur Mittbeilung an 
Se. konigl. Hoheit den Prinzen Megenten von Großbritannien 
und Hannover haben zukommen laffen. Er erlaubt ſich pre 
Ercellengen Hochs und- Hocwohlgebornen bey diefer Gelegen— 
heit inateich für das unichäpbare Zutrauen feinen ganz ergebeniten 
Dank darbringen zu dürfen. womit Diefelben ihn durch den Ans 
trag geehrt haben, im ⸗Namen Ihrer hoben Höfe Ihren Wunſch 
für die Wiedereinführung der Katferwürde fan 
Deutftland bev'dem Gomite, welcher ib mit der Entwer 
fung des Plans zu einer Bundes; Acte beichäftigt, in Vorſchlag 
zu bringen. 

- Der Unterzeichnete theilt vollfommen die Ueberzeugung, daf 
der zweckmaͤßigſte Weg, um zu einem -befriedigenden Bundes—⸗ 
WVerein aller deutiben Staaten zu gelangen, der geweien fepn 
. Würde, die alte Mekbeverfafiung ald Grundlage benzubebalten, 
die Erfabrung der legten verhängnißvollen Epoche zu benußen, 
und Verbeflerungen einzuführen, um die Gebrechen zu vermeis 
den, welde die Neichsverfaflung vorhin untergraben hatten. 

Se. Köntal. Hobeit der Prinz Regent hatten dieſe Anſicht 
des Unterzeichneten volllommen genehmigt, und deſſen Juſtruc⸗ 
tioxen in Beziehung anf die deutſchen Neichdangelegenbeiten dem 
gemäß au ertheilen gerubt. 

Es wird bey diefer Gelegenheit nicht überfiüfßg fepn zu be; 
merken, daß die Abjicht, die Kaiferwürde aufrecht zu erhalten, 
mit defto größerer Conſequenz von Seite Hannovers verfolgt wer 
den Fonnte, als Se. Königl. Majeftät von Großbritannten, in 

Ihrer Eigenfhaft als Kurfürft des heiligen römifben Reichs, 
die Aufhebung deſſen Verfaſſung niemals als gültig hatten anfe: 
. ben wollen. In diefem Sinn war auf die vom faiferl. öfterreis 
chiſchen Hofe zu feiner Zeit erfolgte Anzeige, wegen Niederler 
gung der deuffhen Katierftone, von Sr. königl. Majeität erwies 
dert worden, daß Sie diefen Schritt, als einen erzwum 
genen, nicht anertennen könnten, und daß Sie bag Reid 
und deſſen Haupt, als den Rechten nad fortwäbrend, 
anfeben würden. 

Auf dieie Vorgänge geſſuͤtzt, hat der Unterzeichnete von der 
Zeit des Bepttitts Oeſterreichs zur großen Allianz an, auf Ber 


— 





— 133 — 


fehl ſeines Hofes, alle Mittel der Ueberredung angewendet, um 
Oeſterreich zu bewegen, die deutſche Kaiſerkrone 
von Neuem anzunehmen. Dieſe Bemübungen find aber, 
wegen der dagzgen eintretenden Schwierigkeiten vergebens gewe⸗ 
fen und faiferl. öfterreihifher Seits hat man fib auf eine Arc er⸗ 
Härt, daß endlib im Pariſer Frieden die bekannte Beſtim⸗ 
mung erfolgt ift, daß die unabhängigen Staaten Deutichs 
lands durch ein füderatives Band vereinigt werden follen. 

Srofbritannien und Hannover jind dem Parifer Frieden beys 
getreten; und wenn dem obneradtet die Meinung und der 
Wunſch Er. fönigl. Hoheit ded Prinzen Regenten in obiger 
Hinſicht unve rändert bleibt, fo künnen Sie denfelben dens 
noch jetzt nur ald einen folben anjehen, den ‚eine freve Hebereins 
kunft mit den paciscirenden Theilen allein zur Wirklichkeit brins 
gen, der aber niet in Widerſpruch mit Negociationen durb Ih⸗ 
ten Miniker- aufgeftelle zen darf, die ſich auf die obige Verei⸗ 
ulgung gründen, 

Mare über die Wiedereinführung ber Kaiſerwuͤrde in dem 
Pariſer Frieden feine Negociation vorhergegangen, hätten andere 
Mächte nicht auf deren Aufhören Nüdfiht genommen; fo würde 
der Unterzeichnete der Anficbt, welche in der gefälligen Aeußerung, 
die ihm durch den herzogl. braunſchweigiſchen Herrn Gebeimens 
Math von Schmidt: Phiieldet zugekommen, enthalten ift, nämlich 
die Behauptung, ale ſchloͤſſe der oben erwähnte Nrtitel des Pa— 
rifer Friedens. die Ernennung eines Bundeshauptes nit 
aus, bevpflihten. Wie die Sache aber liegt, glaubt Er ſich auf 
die Vorlegung dieſer feiner Antwort beym Comité um fo mehr 
beihränfen su muͤſſen, als die Abficht der deutſchen hodfürftlihen 
Höfe, Ihren Wunſch in Anfehung jenes wichtigen Gegenftandes 
an den Tag zu legen, durch deren an den kalferl. öfterreichiichen 
und Fönigl. preußiſchen Hof gerichteten, und auch dem Unterzeichs 
neten für den jeinigen mitgetheilten Note erfüllt ift. 

Gern würde derielbe jenen Wunſch noch weiter zu unterſtuͤtzen 
gefuht haben, wenn er dazu Erfolg verfprehende Mittel vor ſich 
fähe! Es war in diefer Rüdfiht, daß er auf den erften durch ben 
Herren von Schmidt: Pbifeldedihm gewordenen Antrag dad Begehren 
gedufßert hatte, außer von den Rechten, welbe man ber Kaiſer⸗ 
würde beyzulegen gedenke, auch von den Mitteln unterrichtet" 
zu werden, die man dem Fünftigen Sailer würde anvertrauen 
wollen und Fönnen, um ihn in denStand zu ſetzen mit 
Nachdruck zu handeln, 


— 122 — 


Bon dieſem letzten Punkt ſchweigt die erhaltene Antwort. 
Schwerlib würde felbft die geringe Gewalt, die ein roͤmiſcher 
Kaifer im Reich im den legten Zeiten befaß, anders als durch 
die Anerkennung einer militärifben Macht, 3. B. einer pers 
manenten Neiche: Armee, erfent werden können. Ohne eine Ber 
fügung der Art, würde Defierreich eine Würde ohne Rea— 
Hrät und Einfluß nicht leicht übernehmen. Aber die Webers 
tragung folder Mittel würde auf der andern Geite in den Ans 
fihten der geößern deutſchen und einiger europaͤſſchen Höfe große 
Schwierigkeiten finden. 

Der Unterzeihnete wird nicht verfehlen, die erhaltenen Nos 
ten der bocfürftlihen deutſchen Höfe-fetnem allergnädigiten Herrn 
mitzutheilen, der darin einen fhäßbaren Beweis des Zutrauens 
feiner hoben —— Mitſtaͤnde finden und dankbarlich erlen⸗ 
nen wird. 

Der Unterjelömete hat die Ehre, Ihro Ercellenzen, Hode 
und Hochmohlgebornen bey dieſer Gelegenheit feine befondere 
Hochachtung zu verfihern. 


Wien, den 25. November 1814. 
C. Graf von Münfter. 





42. 

Note des großherzoglich = badifchen bevollmaͤch⸗ 
tigten Gefandten an dem Wiener-Hofe, am den 
Eaiferlih söfterreihifchen Staats⸗ und Cons 
ferenze Minifter, auch Miniſter der auswärtigen 
Angelegenheiten, Fürften von EIER 
datirt Wien, den 16. Nov. 1814. 


Der Unterzeichnete hat nicht ermangelt, jene mündlide 
Antwort, welche Se. fürftlide Gnaden der Fürft Metternich, 
ftatt einer fchriftlichen,, demfelben auf feine unterm 15. Dctober 
uͤberreichte Note zu ertheilen beliebten, feinem gnaͤdigſten 
Souverain vorzutragen. 

Es mußte allerdings Se. königl. Hoheit {ehr befremden, 
einen Wertrag gegen fi anführen zu hören, den Sie bisher, 


t 


— 


— 123 — 


in hingebendem Vertrauen auf Fuͤrſteunwort, als das Pallad {um 
Ihrer Rechte aniehen mufften. Der vierte Artikel ber 
in Frankfurt mit den hohen Aliirten abgeſchloſſenen Bers 
träge, welcher Land und Spouverainetät garantiert, ver 
bindet den Großherzog von Baden, fih jene Anordnungen ges 
fallen zu laffen, welche zu Handbabung der deutihen Unabhängigs 
Teit würden nothwendig erachtet werden. | 

Wie bieraus aber fünf einzelne deutſche Fuͤrſten fi das 
Met ableiten wollen, die Geſetzgeber der übrigen zu wers 
den, wie die Unabhängigkeit des deutſchen Baterlandes In der 
deutichen Abhängigkeit der übrigen beftehen fol, und wie jene 
Artifel zu diefer Anerkennung verbinden koͤnnen, Fonnten Höchfts ’ 
dieielben durchaus nicht begreifen. Mang und Würde, Familien⸗ 
und politiſche Verhaͤltniſſe, Größe und Bevoͤllerung des Großher⸗ 
zogthums, vorzuͤglich aber Aufopferungen, wie kein Fuͤrſt Deutſch⸗ 
lands wegen des Landes eigener geographiſchen Lage zu des Va⸗ 
terlandes Befreyung von dem fremden Joch ſie leiſtete, — be⸗ 
rechtigten zu andern Erwartungen als zu det Ausfihr, Frems 
de Ketten abgeftreift zu haben, um vielleicht eigene zu 
tragen. 

Se. koͤnigl. Hoheit konnten ruhiger Beobachter bleiben , feft 
entichlofen , in feinem Falle jenem zu entfagen, was Fürftenehre 
und Fürftenpflicht gebietet. Sie durften fogar hoffen, man werde 
bevde nicht länger mißkennen. Allein der Schleier des Geheim⸗ 
niſſes, welcher die deutſchen Angelegenheiten umhuͤllet, der 
Mangel aller vertranlihen, allein zum Ziel zu führen 
vermögender Erdffnungen, muß nothwendig den Gedanken 
erzeugen, als wollte der Verſuch gewagt werben, die feyer- 
lihft zugefiherte Souveralnetät und Unabhängig: 
feit bedeutend einzufhränten. 

So wenig auch ein folher Verſuch in den hoͤchſt gerechten 
und liberalen Abſichten der hohen alliirten Mächte liegen Tann, 
die fi nie erlauben werden, feyerlide Verträge zu bre— 
hen, fo ruhig man alfo Aber deffen Miplingen fepn kann; ſo 
haben dennoch Se. koͤnigl. Hobeit, gewohnt ſtets offen zu handeln, 
und feinen Zweifel über die Gefinnungen , die Sie befeelen, 
übrig zu laflen, dem Unterzeihneten ausdrädlid befohlen, Se. 
fuͤrſtl. Gnaden dem Herten Fürften von Metternich, als hochbe⸗ 
trautem Miniſter eines fuͤrtrefflichen, von dem badiſchen Hofe 
von jeher ſo tief verehrten Monarchen, unumwunden und feyer ⸗ 


lich zu erflären, dbaß Sie fih nie dazu verftehen werden, 
jener Stelle zu eutfagen, die Sie bisher unter den 
erften Kürten Deutihlands einnabmen, und daher, nie 
bie Ausübung einzelner, dem deutiben Bunde zuftebender 
Mecte, an welhen Sie ganz gleibe Theilnahme zy forbern 


nn. beredtigt find, einzelnen Mitgliedern deflelben zu über 


laſſen, fondern feft und unabmweihlih auf Ihrer, Ihnen 
ſo feverlich zugeficherten und garantirten, ohne diefe Theilnahme 
nicht den’baren Souverainetät befteben werden. 
Der Unterzeichnete ergreift diefe Gelegenheit ıc. 
Mien, den 16. Nov. 1814. 
— 23 —— von Hacke. 


F 


43- 

Note der Föniglih -württembergifhen Be 
vollmaͤchtigten an die übrigen Mitglieder der Cor 
mite für die deut ſchen Angelegenheiten (Defts 
reih, Preußen, Bayern und Sumape), das 
tirt Wien den 16. Nov. 1814. | 


Die unterzeichneten koͤniglich wuͤrttembergiſche Bevnlimäk: 
tigte haben den König, ibren Herrn, fowol durch Vorlegung ber 
Sitzung-Protokolle ald durch nadtriglide "Beriht>Erftattungen, 
über den Gang ber Verhandlungen in gegenwärtiger Verſammlung 

auf das Genauefte in Kenntniß geſetzt. 
N Ge. Majeftät haben ſich hierdurch in tieffte Bekümmerniß 
gefegt zu werden nicht erwebren fünnen.- = 

Bon dem aufrihtigen Wunſche befeelt, ben Hauptzwec 
dieier Verſammlung, Ruhe und Ordnung im Innern, Sicherung 
gegen Außen erzielt zu ſehen, nahm der König die ihm gemachten 
mündlihen-Eröffnungen, fo wie die erfien Entwürfe, 
mit vollem Zutrauen und mit dem Wunſch auf, zu deren Aus: 
führung nach allen Kräften bepzutragen; und wenn auch duch 
den erften Ueberbli bey Sr. Majeftät die Ueberzeugung entſtand, 
dap manche Mobificationen eintreten würden, fo glaubten 


Sie jedoch dem im Allgemeinen gegebenen Leitfaden folgen zu 
fönnen; allein fhom die erften Sitzungen gaben Allerhoͤchſtden⸗ 
felben die traurige Ueberzeugung, daß dem nicht ſo ſeyn follte. 

Kaum hatten die. Berathichlagungen über den erſten Ent: 
wurf angefangen, ſo trat unter ‚Zorm bee nöthigen Ents 
wideluugen ein fi weit von demfelben entfernender an defs 
fen Stelle, und dann wieder ein anderer, und io fort; jelbit 
diejenigen Puncte, über die man allgemein übereingefommen 
war, wurden duch neue Anfichten verdrängt. und bey allen 
diefen partiellen Entwürfen mangelte immer dad Wichtigfte, 
dasjenige, was allein beſtimmen könnte, — oder zu 
verſagen: 

Die Leberfidt bes Ganzen. 

Nicht einmal die Glieder deu Bundes find mit Ber 
ftimmtheit befannt, wicht der Umfang ihrer Befigungen), 
nicht die phyſiſchen und politifhen Grenzen des Bun 
des, und die daburd allein zu entnehmenden Streitkräfte 
deflelben; und doch werden in den partiell vorgelegten Forderungen 
die Uebernahme von Verbindlichkeiten, die Verzicht 
leiftung und Entfagungen auf inbeitrittene Rechte 
verlangt, zu denen wohl nichts vermögen fann, als die wohl 
überlegte Erwägung der dadurch anderieit zu erhaltenden Vor⸗ 
theile. Der Zwed des Bundes fanın, wie fchon oben gefagt, 
fein anderer feyn, als Ruhe und Ordnung im Innern, Sicherung 
gegen Außen; und wie iſt die Beurtheilung, ob derſelbe erreicht 
wird, moͤglich, wenn man die Beſtandtheile deſſelben, die 
Berhaͤltniſſe dieſer unter einander, die Kräfte der Einzelnen 
und des Ganzen nicht kennt, wenn man nicht weiß, mit weh 
man abichliefen, gegen wen man fi verbindlich machen ſoll? 

Der König ift hierüber in der volllommenften Unwifs 
fenbeit, und wenn gleich die Bereitwilligfeit, mit welcher meh: 
tere Mitglieder diefer Berfammlung über die zwey ganz vers 
fhiedenen, von einander abweichenden, ja beynahe im Wider; 
fpruch ftebenden, gefchehenen Anträge eingegangen find, bey Sr, 
Majeſtaͤt die Meinung berbeoführen koͤnnte, dag folde diefe eben 
angeführte Unwiſſenheit nicht theilen, fo können Höchfifie, 
jedob aus eben dieiem Grund nicht mit. ibnen gleihen Schritt 
halten, und haben daher unterzeichneten Bevollmäntigten aufge; 
geben, den Bevollmächtigten der Dnianmen — Hoͤfe zu 
erklaͤren, 


daß, fo aufrichtig Ihr Wunſch ift, zu dem großen Swe des 

Bundes ferner mitzuwirken, Sie fib demungeachtet aufer 

Stand befinden und mit den gegen Ihren Staat und Haus 

obhabenden Pflichten nicht als -vereinbarlib anfeben, ſiq 

fernerbin immer nur über einzelne Gegenftände 
zu erklären, oder angefonnene Verbindlihfeiten 
zu übernebmen. ehe und dann Sr. Majeftät der 

Plan des Ganzen und bie oben angeführte noch abs 

mangelnden Erörtterungen mitgetbeilt worden 

ſeyn werden, und Höchftdiefelben allein dadurch zur Abs 
ſtimmung fib ermächtigt finden fünnen. 

Se. Majeftät beglaubigen Sich, durch dieſe gegen Ihre 
Hoͤchſt⸗ Verbündeten vertrauungvoll abgelegte Erflärung einen 
ueuen Beweis der Aufrihtigteit und Unbefangenbeit 
Ihrer Sefinnungen gegen Höcfidiefelben zu geben. 

Die Unterzeichneten ergreifen diefe Gelegenheit 2c. ze.” 

Wien, den 16. Nov. 1814. 


Graf von Winzingetode. 
R Ftreih. von Linden. 





| 44 | 

Gegen: Mote des Faiferlich » dfterreihifchen 

Staats und Conferenz + Minifters rc. Herrn Fürs 

ſten v. Metterni ch; auf vorftehende königlich 

württembergifhe Mote, datirt Wien den 
22. November 1814. 


Der unterzeichnete kaiſerlich⸗ dfterreichifche Bevollmaͤch⸗ 
tigte hat die von Seiten der koͤnigl. wuͤrttembergiſchen Herrn 
Minifter am 16. d. den Mitgliedern der deutſchen Gomite über: 
gebene Note, gemeinfhaftlih ‚mit dem koͤnigl. preußiſchen 
um fo mebr in ernftbafte Weberlegung ziehen zu müffen gelaubt, 
als die in derfelben enthaltene Erklärung der fo winihenswertben 
Beendigung des Entwurfs einer Bundes⸗Acte für Deutichland 
nene, und den Umftänden nah böcft Hedenflide Sh wies 
rigkeiten in den Weg zu legen droht 





Diefe Note enthält die Beihuldigung, daß man von dem 
erften,, dem Comité vorgelegten Plane wiederbolt, und naments 
li bey der Ausführung der einzelnen Deliberation : Punkte abs 
gegangen fev. Sie rügt den Mangel einer Heberficht des Ganzen, 
und fließt mit der Erklärung, „daß Ihre Majeſtaͤt von Wuͤrt⸗ 
temberg es mit ihren Pflihten für unvereinbar anſe— 
be, ſich fernerhin über einzelne Gegenftände sauer 
tlären, mit dem Zufaß , daß Sie ehe, was Höchftiie den Plan 
des Ganzen zu ernennen belieben, vorgelegt würde, ſich zur Abs 
fimmung niht ermädtigt finden fönnten. Nebenber 
iſt auch geäußert worden, „daß Se. Majeftär zu Uebernahme von 
Verbindlichkeiten, zu Verzichtleiſtung auf unbeftrittene Rechte 
nichts vermögen koͤnne, als die wohl überlegte Erwägung der ans 
derſeitig zu erbaltenden Bortheile.’ 

Bey der Aufftellung des Plans zu einem deutſchen Foͤderativ⸗ 
Soſtem haben die kaiſerl. oͤſterreichiſch- und koͤnigl. preußiſchen 
Bevollmaͤchtigten es nicht uͤberſehen können, daß zwey Haupt⸗ 
fragen in Betracht kommen muͤſſten, nämlich: 

1) der Territorial⸗Zuſtand der zum deutfchen Bund ges 

hören follenden Staaten, 

2) die politifhe Verfaifung des Bundes felbft. 
Da nun bey dem erften, die Territorials®erbältniffe 
befonders betreffenden Punct die Frage über die vertragsmäßig 
zu bewerkſtelligende Meiche s Eonftruction ber öfterreichiiben und 
preugifhen Monarhien, und die erforderlibe Abrundung der 
Grenzen der deutihen Staaten zur Frage koͤmmt, fo gehört der 
felbe unftreitig zu den großen europdifhen Angelegen— 
beiten, worüber die deutſche Comité nicht zu entiheiden bat. 
Das Verlangen, welches in der württembergiichen Note liegt, 
die politiiche Frage bis zur endlihen Beftimmung der Territorials 
Ausgleichungen ausſetzen zu wollen, würde daber eben io viel 
heißen ‚ als die wichtige Aufftellung des politifhen, für Deutſch⸗ 
land zu beftiimmenden Verbands auf das Ende des Congreſſes 
verſchieben zu wollen. 

Eine ſolche Anſicht würde die oͤſterreichiſchen und preußiſchen 
Bevollmaͤchtigten um ſo mehr jetzt befremden, als ſie es nicht 
verbergen koͤnnen, daß der fo hoͤchſtwuͤnſchenswerthe Abſchluß 
der. Geſchaͤfte der deutihen Comité (mie foldes die Protocolle 
der-Seflionen an Tag legen) bauptiahlih durch die von 
wärttembergifd:.4 Seite gegen die mehren Bow 


Pr 


— 128 — 


ſchlaͤge erregten Widerſprüche, oder unerledigt ze⸗ 
bliebenen Reſervationen aufgebalten worden find, 
und weil durch den eingetretenen. langen Verzug nicht nur bey 
deutihen Fürften, welche niht Mitglieder der EComite find, Um 
zufriedenheit entfianden ift, als vorzüglih, weil dadurch in 
vielen Gegenden Deutſchlands ein nicht länger zu duldender Zu⸗ 
ftand der Willkür auf der einen, und ber Irrita tion auf 
der andern Seite erhalten wird. 

* Kaiferlich röfterreidh: und koͤnial. preußiſcher Seite muß mar 
dafür halten, daß die ganze fpecielle Kenntnif des Das 
tails der TerritorialsBerduderungen bep Beendigung 
der Bundes⸗Acte nicht erfordertich fen, zumaldadiegrößern 
Verhaͤltniſſe, die eintreten, den Mitgliedern ber Comité hinlaͤng⸗ 
lich befannt find, weilen es ferner auf kleinere Abweichungen 
der Territorials Berhältniffe um fo weniger anfommen wird, je 
fefter die Vereinigung der Bundesftaaten zu einem Ganzen 
gelnüpft wird, und endlich, weil bey der fpäterhin vorzunchmens 
den Medaction der Bunded + Acte jelbft die etwa während der 
Dauer des. Congreſſes nöthig nn Veränderungen noch nady 
getragen werden koͤnnen. | 
| Nah Vorausfhidungen dieer Site, glauben die Bevollmãch⸗ 

tigten Defterreich® und Preußens die: Beichuldigung,, ald ob von 
dem eriten der Comité vorgefchlagenen Plan ſtets, und. befonders 
dur die Ausführung der einzelnen Deliperation: Puncte abs 
gewichen worden fen, durch die Bemerkung erwiedern zu müſ⸗ 
fen, daß dieſe Abweihung nicht ſowol in der Sade 
felbit, als in der Borftellung ihren Grund babe, die man 
fönigl. württembergifher Seits befonders Anfangs ange 
nommen zu haben fhien, und die voraugfegte, daß es die Ah: 
fit dieſes Plans geweſen ſey, den Mitgliedern des projectirten 
eriten Mathe Befugniffe über die Mirftände einzurdumen, wel 
de von den übrigen Mitgliedern der Eomite einſtimmig als ſol⸗ 
che angeſehen worden find, welche weder mit den Rechten der 
andern Fürften Deutſchlands vereinbarlib, noch zur Erreichung 
des beabſichtigten Zweckes erforderlich ſeven. 

Geringere Abweichungen vom erſten Plane ſind auf 
Erinnerungen angenommen worden, die koͤnigl. bayeriſcder, hau⸗ 
noͤveriſcher, oder wuͤrttembergiſcher Seits gemacht worden ſind. 
Es iſt ja die Abſicht bey den Deliberationen, die gemachten Vor⸗ 
ſchlaͤge prüfen zw wollen, und es würde. bie Maͤchte, welche fie 

gethan 


gethan haben, ein gerechter Vorwurf treffen, wenn Sie fich bils 
ligen Bemerfungen nicht fügen, und allen Veränderungen des 
Plans entgegen fireben wollten, 


Die Bevollmächtigten Defterreih und Preußens Füns 
nen ſchließlich bey diefer Gelegenheit bie Bemerkung nicht unters 
drücken, daß das wichtige Geſchaͤft, zu deſſen Beförderung das 
Comitẽ fih confituirt hat, unftreitig fchneller von ftatten gehen 
würde, wenn die Frage vom dentichen Bunde im gehörigen 
Kichte angejehen und gewürdigt würde, 


Diefe Frage kann keineswegs als von der Willkür 
der Paciscenten in der Maße lediglih abbängend aus 
geiehen werden, daß ed einem deutſchen Fürften frep ftes 
ben follte, dem Bunde beyzutreten oder nicht, oder 
daß es anderer, ald der Vortheile, die für das Ganze der 
deutſchen Nation aus dem Bunde entipringen werden, bedürfte, 
um die Entfagungen zu leiiten, oder die Opfer zu bringen, 
die dad Wohl des Ganzen befördern. 


Der Zweck der großen Allianz, melde Europens Bes ' 
frepung von einem ſchimpflichen Joche beabfihtiget und pünfts 
lih ausgeführt bat, ift in Anjehung Deutſchlands durch die als 
liirten Mächte feyerlich und öffentlih ausgeiprohen worden: 
Aufhebung des Mheinbundes, und Wiederherſtel— 
lung der deutſchen Freyheit und Verfaſſung unter 
gewiſſen Modificationen. 


Für dieſe Zwecke haben bie Wölfer die Waffen ergriffen, 
und die Staaten, welde der Allianz bevtraten, erklärten ſich 
durch ihren Beytritt allein fhom für denfelben Zwed. ‘Der Pas 
zifer Friede hat endlich, durch den Beptritt aller an den Krieg 
theilnehmender Mächte, feitgeiegt, daß Deutihland durch ein 
Föderativ: Band vereinigt werden fol. Europa's Intereſſe 
fordert es, daß Deutfchland durch eim folhes Band beruhigt und 
befeftiget werde, und ed würde eben io wenig mit dem wohlvers 
ftandenen ntereffe von Europa zu vereinigen fiehen, wenn man 
einem deutfben Staate gejtatten wolle, fib durch 
Ausihliefung vom Bunde mit dem Wohl des Sams 
zen geradezu in Widerfprub zu ftellen, als wenn 
man diefes auf inditecte Weiſe zulaifen wollte, indem 

Codex Diplomaticus. (Eur, Unnal, 1815.) 9 


— 330. — 
man bie Berwerfung der Mittel, die allein zum Zwede 
führen tönnen,"zuliefie, 
Wien, den 22. Nov. 1814. 
Fürft von Metternid. 





| 45 · 

Erwiederungs— ⸗Note der koͤniglich -wuͤrt— 
tembergiſchen Bevollmaͤchtigten an den kai— 
ſerlich- oͤſte rreich iſchen erſten Bevollmaͤchtig— 
ten, datirt Wien den 24. Nov. 1814. 


Die Unterzeilineten haben aus der verehrlichen Note vom 22. 
1. M. zwar mit Vergnügen entnommen, daß Ihre Note vom 16. 
diefes mit dem Eönigl. preugiichen Heten Bevollmächtigten in Bes 
rathung gezogen worden fit, fie muͤſſen es aber fehr bedauern, 
daß das Meiultat der gemeinfchaftlichen Weberlegung den dieſſei— 
tigen eben fo wohl gemeinten als gründlichen Ablihten und Wüns 
[hen nicht entipridt. 

Die in jener Note enthaltenen Anträge und Bemerfungen 
find fogar von einer Seite betrachtet worden, melde die Note 
ſelbſt, in DVergleihung mit dem Benebmen Mürttembergs ber 
den bisherigen Verhandlungen des deutſchen Gomite, wie aus 
deſſen Protofollen fich ergiebt, nicht zeigen fonnte. Die Unter 
zeichneten finden fi dadurch veranlajit, über die Sache ſich wei 
ter zu erllaͤren. 

Se. koͤnigl. Maieftät von Württemberg ſchon früber üben 
zeugt von der Nothwendigfeit und Dringlichkeit einer engen Wer 
bindung der deutihen Staaten, baben Ihre Vereitwilligkeir des 
Beptritts zu einem Bunde (ber übrigens, wenn er feine Natur 
nicht verlieren foll, auf frevwilliger Webereinfunft be 
ruhen muß), erklärt, und man hat diefjeits nie aufgehört, dieie 
Sefinnungen mwerfthätig zu ermweifen. | 

Da, in der Sitzung vom 16. v. M., zur Errihtung eines 
folben deutinen Bundes ein Entwurf zur Beratbung mitgerbeilt 
ward, fo baben Se. Majeftät der König denfelben, feinen weſent⸗ 
lichen Befrimmungen nah, Ihren Abfihten gemäß befunden. Die 
Mobdificationen, welche in dem Dieffeitigen Erklärungen vorgefchlagen 


worden, lagen in einer nothwendigen Ableitung von den in dem 
Entivurf feldft audgedrüdten Hauptarundfäßen, welche als Baſis 
der Berathichlagung Faiferl. königl. öfterreihifher Seite, im Eins 
verftändniffe mic Preußen, in Antrag gebracht worden waren. 

Schon damalen gaben alſo Se. fönigl. Majeftät den unläugs 
baren Beweis des Bevtrittes und der Anerfennung der 
Grundzüge des mitgetheilten Entwurfed Nur auf 
Modificationen beihräntten ſich die dieffeitigen Anfichten, 
welde ©. k. M. aud mit andern Höfen theilten. Man hat diefs 
feits, felbit in minder weſentlichen Beftimmungen einer künftigen 
Bundes: Afte, fih von dem vorgefchlagenen Entiwurfe nicht ent; 
fernt, fondern nur dabey ſolche Modalitäten in Vorſchlag 
gebraht, melde man nah feiner Anfi m den Zerhältnifen ans 
gemeilen fand, 

Die Interzeichneten glauben dieſes bemerfen zu müffen, um 
zu zeigen, daß man Föniglich »württembergifcher Seite ganz con⸗ 
fequent mit dem erften Plane, (f. No. 15.) feine Anfihten und 
Meuferungen abgegeben und dienfelben alfo gerade fo, wie er mits 
getbeilt ward, verftdnden und angewendet hat. 

Vorausſetzend die großen, in der jenjeitigen Note bemerften 
und andern Inconvenienzien, welche eine vergögerliche Behandlung 
des fo hochmichtigen Gegenftandes, ein längeres Hinhalten der 
endliben Berichtigung der deutihen Angelegenheiten, herbeyfühs 
ren muſſten, fonnte man fönigl. württembergifher Seite fib nicht 
enthalten, ein Project zu einer Bundes Acte, unter keis 
tung des mitgetheilten Entwurfes, über alle Beſtimmungen nad) 
den beyden, in der jenfeitigen Note felbit ansgedrädten Nüdfichs 
ten des geographiichen Umfanges des: Bundes im Ganzen, fo wie 
derneinzelnen Kreiſe und der politifben Werbältniffe deſſelben, 
dem deutſchen Comité, zur Beförderung einer gemeinſchaftlichen 
Uebereinkunft, als die diefleitige Anſicht über das ——— mit⸗ 
zutheilen. 

Aus eben dieſem Geſichtspuncte ging man aus, als man Inder 
Note vom 16. I. M. eine Ueberficht des nennen Plans, (fh 
No. 21.) nady den inzwifchen vorgefchlagenen Abweichungen von dem 
erften, zu erhalten wünfhte; indem man ſich nad) einer Prüfung 
und Vergleihung überzeugt hielt, daß jene Abweichungen fogar 
die Weſenheit des erften Planes änderten. So war 
in jenem erften Entwurfe dem erften Rath die ausübende 
Gewalt, die Eutſcheidung über Krieg und Frieden, aus—⸗ 


fhlieglich und allein (Art. 5. Lit, U. des Entwurfs) bepgelkat, 
die Eintheilung der deutihen Staaten in Kreife unter der ki 
tung der Kreis: DObriftien, als eine der Hauptbeftimmungen 
vorgefchlagen worden (Urt. 4. Lit: a et b des Entwurfs). & 
ift befannt, daß bie nahfolgenden Borihläge den erſter 
Punct änderten, und der andere, der io fehr in das * 
eingreift, nicht zur Eroͤrterung kam, weil ſtatt der Kreife, 

andere Eintheilung Deutſchlands durch den — 
koͤnigl. öfterreihiiben Bevollmaͤchtigten in Vorſchlag "gebradt 
wurde, deſſen Mittheilung jedoch bisher noch nicht erfolgt iſt. 

Aus dieſer veraͤnderten Lage der Verhandlungen muſſte der 
Wunſch nothwendig entſtehen, eine Ueberficht des Ganzen 
nah den neuen ,‚Anfichten, welche in einzelnen Punkten vorge 
legt, in einem andern aber noch nicht mitgetheilt waren, zur erhal 
ten, und die Sache felbit rechtfertigt die dieſſeitige ErHärung, 
dag man fih außer Stand finde, über einzelne Beſtimmungen 
fi zu dußern, ehe und bevor man das Ganze nach den neuern 
Anfichten in feinem Zuſammenhange zu überfehen nit Gelegen; 
heit habe. Auch ward dieje Anficht von allen Mitgliedern des 
Somite in dem Mafe getheilt, daß in der 12. und 13. Sigung 
allgemein beliebt wurde, eine Zufammenftellung und 
Weberfiht ber bidher eingegebenen Entwürfe, Er 
Tlärungen und Beftimmungen zu verfertigen, auch kaiſerl. 
öfterreichifcher und koͤnigl. preußiſcher Seite dieje Darſtellung über 
nommen, und fünigl, württembergiiher Seite auf eben biefen 
Zweck hin eine gleiche Bearbeitung unternommen ward, 

Die Natur eines Bundes fpricht der weiter in der dieffeitigen 
Note enthaltenen Bemerkung, daß es nothwendig ſey, Dieicent 
gen zu wiſſen, mit,welben der Bund geſchloſſen wird, 
und welche ald Fünftige Bundesglieder zum betrachten find, 
fo fehr das Wort, daß eine Nacfrage hierüber von ſelbſt jede 
Mißdeutung um jo mehr entfernen follte, als irgend von den be 
fondern Grenzberihtigungen diefer Staaten etwas er 
wähnt ward, und auch in diefem Punkte manche Abweichungen von 
dem im Art. 6. des DVerfaflung: Entwurfed angegebenen Beſtim⸗ 
mungen ftatt finden zu wollen fcheinen, 

Es Fann nicht mißfannt werden, daß bey einer fo wichtigen 
Angelegenheit, als die Errichtung eines Bundes und die Entwer: 
fung feiner Verfaſſung⸗Acte iſt, fih mit umfaffender Pr 
fung über die einzelnen Beſtimmungen nicht ‚geänfert wer 


den Kann, fo lange man die DERREG des Ganzen nidt 
überfiebt. 

Geleitet von diefen ——— ‚ welde ber dieſſeitigen 
Mote-vom 16. d. zum Grunde liegen, hatte man nicht erwartet, 
dap dem bdieffeitigen Benehmen und jener Note Abſichten beyges 
legt werben könnten, melde man dieffeits fo wenig hatte, daß viek 
mehr das Gegentheil, nämlich Beförderung einer den Verhaͤlt⸗ 
niffen angemeffenen Bundes; Ulte, nach wohlerwogener Prüfung, 
daraus hervorgeht. Ä 

Die Unterzeichneten glauben daher, es ihrem allerhödyften 
Hofe, fih und der Wichtigkeit der Sache felbft fhuldig zu ſeyn, 


diefe Bemerkungen den in der Note vom 22. enthaltenen Aeuße⸗ 


rungen entgegen zu fehen; jie finden ſich daher auch verpflichtet, 
und durd die Lage der Sache berechtigt, die in der dieffeitigen 
Note vom 16. enthaltene Erklärung und Wuͤnſche bier zu 
wiederholen, die, wie jih Unterzeichnete fhmeiheln, eine 
entiprebende Wirkung haben werden, wenn fie ans dem Gefichte; 
'punfte betractet werden, von welchem man Fönigl. wuͤrttem⸗ 
bergifcher Seite bey deren Mittheilung ausging. 3 

Wien, den 24. November 1814. 2 

- Winzing etode. Linden, 





46. i 

Mote der großherzoglich-badiſchen und heffis 
fhen, dann berzoglihe naffauifhen Bevoll 
maͤchtigten, an den Staatsminiſter Freyherrn 
von Stein, als Vorſteher des oberſten Ver: 
waltung = Departements, enthaltend den Antrag 


auf ungefäumte Niederfhlagung der Kriegskoftene 


Liquidation ꝛc., datirt Wien den 21. Mov. 1814. 


Die neue Noem und Form, weldbe der Kriegskoſten— 
Lignidation, in Beziehung auf die desfalls aufgettellte Schuld: 
verfhreibung, gegeben werden wollen, die mit peremtoriichen 
Bedrohungen ausgeſprochene Cile, in welcher alle noch rüditäns 
dige Rechnungen vorgelegt werden follen, ſetzten Unterzogene in 


ben Falk, Sr. Excellenz dem Herrn Minifter Frhru von Stein 
Folgendes zu erklären: 

Die Schuldverfbreibung bat nah der Urkunde ihrer 
Entftehung keinen andern Zweck, ald die verhältnigmäßgige 
Gleichſtellung der Sriegsfoften unter denen der Schuld 
verfchreibung beptretenden Staaten, und bie aus der Haupts 
Schuldverſchreibung bervorgehende Specials Obligationen folk 
ten die Mittel zum Zwede feun; jede andere Abſicht, die frü- 
ber oder ipäter damit verbunden worden ſeyn mag, jede andre 
Verwendung, fo lange die limmidablen Kriegs: Präftationen nicht 
gedeckt find, ift auch dem Sinne und dem Wortlaut der Schuld» 
verihreibung fremd; jeder ipätere Vertrag miteinzelnen 
Staaten, welhe dem Dbligation s Spyiteme nicht bevgetreten 
find, eingegangen, und einen Untheil diefer Special: Obligatio- 
nen zufibernd, Fann ale den frühern Verträgen und den juribus 
quaesitis entgegen, wenigſtens in diefem Wege nicht realijirt wer⸗ 
ben; es liegt vielmehr in dem frübern Verträgen und in dem 
Geiſt der Schuldverichreibung felbit, daß, fo weit der Mebrbetrag 
ber liquidirten Kriegss Präftationen, im Nerbältnip der Einlage 
zur Schuldverſchreibung durch die Spectal » Obligationen nicht 
gededt: werden Fann, die verbündeten hoben Mächte ſelbſt 
Entihädigung leiſten werden. 

Die von dem Chef der Kiguidation: Commiffion, 
Herrn Grafen von Solms-Laubach, verlangten und bereits in 
deſſen Händen befindliben @enerals Heberfihten mögen 
fhon als zulänglibe Beweile dienen, daß wenigſtens Baden, 
Heilen und Nafſſan auf derartige fubfidiarifbe Entſchä— 
Digungen immer noch unwiderfprechliben Anfpruch zu machen 
‚haben, wenn auch bey einigen diefer Staaten viele Kaufenbe, 
bey dem andern ſogar Millionen noch in Conteſtation gezogen 
werden wollen. 

Aus diefen Vertrags» und That⸗Verhaͤltniſſen gebt das ıms 
verfennbare Reſultat bervor, daß das ganze Schuldver 
fhreibungsWefen, und mit diefem das ganze Liquida— 
tion » Weien, von felbft falle, wenn die betheiligten 
Staaten, deren Gleichjtellung damit bewirft werden ſoll, ers 
Klären, daß fie die Niederfhlagung der ganzen Schuld 
verfhreibung, jedwelber Entihädigung, welde von 
daher kommen fol, vorziehen, und daß fie jede Entihäbdis 
gung, welche in jedem Falle aus den Mitteln der hohen vers 


bündeten Mächte noch bethätigt werden muffte, ſowol nach: Ob? 
ald nah Wie? der Erhabenheit und dem allerhöchften Gutfinden 
der verbündeten Mächte mit vertranender Reſi snation Ba Sie 
wollen. 

Diefe Erklärung legen nun hiermit die J— 
im Namen ihrer hoͤchſten Committenten, welche ſowol nach dem 
Verhaͤltniß ihrer Einlage zur Schuldverſchreibung, als nach dem 
Uebermaß von Kriegs - Erlittenheiten die Majorität der de 
theiligten repräfentiren, in die Hände Sr. Ercellenz des 
Herrn Minifterd von Stein, mit dem Erſuchen, diefelbe, nach 
ihrem wahren Werth von Mechtlichkeit und Acht deutfcher Erges 
benheit, allerhoͤchſten Orts zu unterſtuͤtzen, und zur baldigen Ges 
wägrung, dad ift: zur gleihbaldigen Niederfhlagung 
der Kriegsfoften » Liquidation zu empfehlen. 

Es muß bey allen betheiligten Höfen die unangeneptußen 
Gefühlen erregen, daß _ 

A) man die Vorlage aller Rechnungen, deren Beſchleu— 
nigung das eigne Intereſſe der liquidirenden Staaten er; 
beifht, mit peremtorifben Terminen übereilen, 
und Unmödglichkeiten,, wie leiht ausführbare Dinge behan; 
dein will; 

B) daß man mwefentlibe Punkte der Liquidations 
Inſtruction, welde bereits allen Liquidanten zur Norm 
mitgetheilt und gleihfam ein Documentum commune ges 
worden ift, nun nod einmal abändern will; 

C) daf man die Präftationen an Truppen jener Staus 
ten, welche“dem Dbligation » Spftem nicht bepgetreten 
find, an diefelben verweifen will; da Württemberg 
anf die depfalljigen Anmwiürfe, die Baden und Heffen dabin 
gemacht haben, gar Feine Antwort ertbeilt, und Bayern 
die Zahlung der Spitalfoften in Ettenheim » Müns 


fter, weldes rein für bayerifhe Truppen etablirt war, _ 


ſchon beftimmt von der Hand gewieien hat; 

D) dag man fogar verſuchen wolle, die Spitalfoften von 
dem Jahr 1813, von der Liquidation der übrigen 
Präftationen in felbigen Sabre zu trennen, und fie, was 
durchaus nicht gefcheben fann, mit jenen von dem Jahr 1814, 
wofür eigne Fonds und eigne Beytrags-Normen beftimmt 
And, zu vermengen. > 
Diefe dem Recht, wie dem Anfchen der betheiligten Staaten, 


⸗ 


) 
Be — 136 — 
auch der Heiligkeit der.von ihnen mit verfochtenen beutfchen Sad, 
widerftrebenten Verſuche, gegen deren Verwirklichung man bier 
mit auf allen Fall feyerlich proteftiet,, find, offen zu gefteben, bie 
fecundäre Veranlaſſung, vorfiehender, einer baldigen ab 
lerhoͤchſten Entfhließung eben jo bedürfenden, als des allerböks 
ſten Bepfalls würdigen Erklaͤrung. 

Die Unterzeichneten benutzen dieſe Gelegenheit Sr. Exrcellen; 
dem Herrn Miniſter Frepherrn von Stein ihrer vorzuͤglicta 
Hochachtung zu verſichern. 

Wien, den 21. November 1814. 





47% 
ö | | 
Note wodurch die Bevollmaͤchtigten der Fuͤrſten 
von Hohenzollern-Hechingen und Hohen⸗ 
zollern-Sigmaringen, dem kaiſerl. koͤnigl. 
oͤſterreichiſchen Staats- und Conferenz⸗-Mi—⸗ 
niſter ꝛc., Herrn Fuͤrſten von Metternich, den 
Beytritt ihrer Committenten zu der Note 29 
deutſcher ſouverainer Fuͤrſten und Staͤdte vom 
16. Nov. 1814, erklaͤren, datirt Wien den 

24. Nov. 1814. 


Dem ſichern Vernehmen nah haben die Bevollmädtig 
ten deutfhber Staaten, in Beziehung anf die Xccefliond 
Verträge und auf den Art. 6 des Parifer Tractats, am 16.2. 
Mi; eine Erflärung abgegeben. 

Da das Geſammthaus Hohenzollern feine Bereit 
willigkeit zu denjenigen Mapregeln, welche Ihre Majeftäten ber 
Katjer von Defterreich und der König von Preußen, auf der 
Baſis aleiher Rechte, und einer volltändigen Reprä— 
fentation aller Bundesglieder in Vorfchlag bringen wer; 
den, an den Tag zu legen fich beeilt, und zugleich feine Mechte 
ebenfalls zu wahren fich verpflichtet findet; fo haben Unterzeichnete 
ben bejondern Auftrag erhalten, den Beptrit ihrer Comſmit⸗ 


un, 


tenten zu ber gedachten Erflärung biemit zu beurfunden, 
und des Herrn Fürften von Metternihb Durchlaucht unterthänig 
zu bitten, diefes, zur Kenntnig Sr. kaiſerl. koͤnigl. Majeftät zu 
bringen, zugleich aber die Verfiherung des vorzüglichften Nefpectes 


zu genehmigen. r 
Wien, den 24. Nov. 1814. 
! Don Seite Hohenzollern s Hechingen, z. 'y. Sramt. 


Don Seite Hohenzollern: Sigmaringen, U. Edler 
v. Kirchbauer. | 





48: 


Zwey, von dem Gefandten des ſchweizeriſchen Kan⸗ 
tond Bern dem Congreß in 2 Wien eingereichte 
Denkſchriften. 


Premier Memoire remis au Comité du Congres, par Mr. 

Zeerleder, Deput& de Berne, le 50. Novembre ıBı4. 

Vos Excellences! | 

Les ordres du gouvernement de Berne qui m’a envoye 
ici, sont avant toutes choses, de porter aux souverains qui 
ont acheve la delivrance de l’Europe, l’expression de sa re- 
connoissance. 

La Suisse se trouve par leurs genereux efforts delivree 
de Traites onereux, et d’une incertitude toujours croissante 
sur son existence. Quelque puisse etre le sort de ses preten- 
tions, Berne conservera & ces souverains une eternelle re- 
connoissance. 

La position de Berne est na dans les affaires de 
la Suisse, durant plusieurs siecles. Ce Canton qui formoit 
presque le + de la Suisse, passoit aux ‘yeux de la confedera- 
tion et de l’Etranger, pour un pay bien gouverne, heureux, 
prospere. Effectivement, il n’y existoit pas d’impots; la ju- 
stice etoit distribuee aveo impartialite; Thumanité re 
' etoit secourue. 

L’invasion frangoise a detruit cette opinion; la jalousie 
de plusieurs autres cantons s’est manifestee; ils ont abandonne 


— 1— 38 — 
Berne dans le moment du danger: Un gouvernement etsbli 
par la France a dissipe les ressources fruits de longues ec»- 
nomies. 

Lorsqu’ apres un elan de la nation pour retourner ä ses 
anciennes formes, son honneur et sa prosperite, Napoleos 
ordorima son Acte de mediation, le Canton de Berne se trourı 
partage en 5 Cantons; ce qui restoit de ses tresors, devoit 
servir a payer la detie de la Suisse entiere, Une Constitution 
ingenieuse, calculee peut-eEire pour affaiblır l’esprit national, 
mais menageant la prosperite interieure, maintint le repos 
pendant dix ans. 

Lorsque les armees alliees s’approcherent de la Suisse, il 
fut peut-etre juge necessaire de ne pas annoncer le dessein 
d’y penetrer. Leur cause trouva des amis dams les partisans 
de l’ancienne Suisse. La retablir semblait une consequence ne 
cessaire de leurs principes. Toutes les publications, surtout 
la proclamation du General en chef coufirmoient cette opi- 
nion. Des declarations particulieres plus positives encore, en 
donnoient l’assurance. 

Berne qui avait fait les plus grandes pertes, ceda & des 
invitations aussi conformes à sa situation. Mais & peine eut- 
elle retabli son ancien gouvernement, et Enonce ses preten- 
tions sur son ancienterriloire, que les Souverains allies erurent 
un systeme different plus propre a faire le bonheur de la Suisse; 
au lieu de Ja reunion des deux cantons separes, Berne ne de- 
voit recevoir de leur part aucune augmentation de terri 
töire. Elle fut obligee de les reconnoitre comme confederes; 
la jalousie de ses ennemis. trouva une satisfaction eclatante 
dans cette humiliation. Ä 

Il est vrai, que Ja generosite des Püissances lui a offert 
une indemnite; mais tant qu’il lui reste une ombred’esperance 
sur la reunion de .l’Argovie, pays lie avec Berne par mille 
rapports, elle n’a pu se resoudre à l’accepter. Ses amis en 
Argovie lui demandoient d’ailleürs de ne pas renoncer a eax. 
En attendant les esprits se sont aigris, une oflense en a oc- 
casionne une autre; et telle est aujourdhui la situation de 
Berne, que degue dans ses plus cheres esperances, elle ne 
doit peuletre attendre une existence que de sa propre energie. 

Je sgais qu’on nous reproche de ne pas assez considerer 
l’Ensemble, de ne songer qu'àa des avantages particuliers; 


— 


⸗ 


— 139 — 


mais nous n’avons aucun serment, aucun devoir direct envers 
la communaute suisse. Les Cantons sons des Etats souverains . 
lies ensemble par des traites, En est-il qui soyent;plus gene- 
reux, qui ayent le droit de nous reprocher de l’Egoisıne ? 
N’y a-til point d’interet et d’ambilion chez les gouvernans de 
V’Argovie, s’ils rejeitent l’idee de se retrouver: dans un ordre 
de choses, sous lequel leur peres ont vecu heureux, auquel 
leur pays doit sa prosperite ?. 

Je ne parlerai pas du Pays-de-Vaud. Son independance 
est reconnue. Cependant, ayant herite d’immenses proprie- 
tes de son ancien Souverain et ayant trouve le moyen de li- 
berer son territoire de toutes sortes de redevances foncieres, 
il refuse jusqu'a present tout hommage à oette verile; y a-t-il 
du desinteressement à rejetter le titre d’une cession legitime, 
au prixa ın sacrifice que des arbitres doivent fixer ? 


Il est d’autres anciens cantons qui ne peuvent supporter 
de tenir compte d’anciens droils, que parce qu'eux meme 
n’en ont pas à reclamer, 


Toute fois, Vos Exoellences, ilen est aussi, etil y a sur- 
tout dans la Suisse une nombreuse population, a amie de la jus- 
tice, qui desire son retour, et qui croit que tout ordre de 

'choses, qui n’aura pas cette base-lä, ne sera qu’ephemere. 


Pourguoi la justice exclusoit - elle les ameliorations ? 
Pourquoi ce qui a été d’un heureux resultat autre fois, ne 
produiroit- il desormais que des ronces et des epines? Nous 
pouvors changer ce qui demande a l’etre: ou est le regime 
qu’i ne se reläche par le tems? Ne peut-on pas rattacher le 
nouveau à l’ancien, sonserver ce qui est bon, mais rendre 
hommage et avoir egard à ce qui est juste ? 


Je sgais que Ies augustes Souverains ont fait exprimer ceite 
disposition par leurs Ministres,- et la Suisse peut encore eire 
heureuse, si par leurs conseils, ces principes sont suivis. 


Ces Principes seroient-ils contraires aux:interets des Puis- 
sances? J’ose affirmer que non. Cing objeis forment toutes les 
pretentions territoriales des anciens cantons. Les territoires 
reclames ne s’elevent pas ensemble au-dela da 120,000 ambs; ß 
quel seroit l’inconrenient de prendre ces pretentions en con- 
sideration, et de les satisfaire ? 

Ce n’est pas comme sujels que les habitans de ces can- 


— 140 — 


tons sont reclames. Ils doivent ötre assimiles en tout & Levr 
nouveaux freres; ils desirent en majeure partie ce changement. 

Tout tat de possession Ireposoit autrefois sur des fraites: 
Pas une pouce de terrain n’existoit en Suisse, pour lequel il 
ne pouvoit &tre produit le titre de transmission des Sowverain;s 
precedens. Tous les territoires actuels, excepte les parties 
reclamees, sont en possession de titres pareils en partie accor- 
des par les anciens Cantons pour encourager contre l’inva- 
sion eirangere, en partie resultant des reflexions sur les cir- 
constances changees, sur la difficulte de reunir de nouveau 
solidement et cordialement des territoires, dont une partie 
des habitans se sont separes.de leurs anciens Souverains par la 
plus exoessive ingratitude, et par la cause commune faite avec 
Vennemi. 

Que le tems tire son voile sur ces offenses, et une gene. 
ration nouvelle pourra oublier peut-etre, quels sontles hommes, 
et quelle est la partie de JaSuisse, ‘qui ya appelle tous les 
fleaux, et qui a voulu servir de pretexte a sa destruction. 

Les Puissances veulent toutes, que la Suisse soit indepen- 
dante et qu’elle puisse defendre cette independance. N’est il 
pas plus naturel d'en trouver les moyens la ou l’experience 
les indique, que la ou de vaines iheories voudreient la placer. 

Berne a prouve qu’elle vouloit cette defense; le sang du 
Bernois, de ceux de Schwitz et d’Unterwalden est le seul qui 
a coule lors de l’invasion frangoise, il est impossible que ce 
souvenir ne decide, dans le choix de ceux, auxquels on peut, 
avec surete, confier la garde de la Suisse. 

Croiroit-on Berne trop dans les interets d’une des Puis- 
sances voisines? Il est vrai qu’elle est attachee à cette maison 
röyale qui lui a toujours temoigne de la bienveillance, dont 
les malheurs ont ete contemporains et ont produit la source de 
ceux qu’eprouva Berne; mais la France conquerante, celle qui 
voudrait troubler P’Europe, qui voudroit asservir les autres 
nalions, cette France qui ne peut pas revenir, ne trouveroit 
à Berne, que le souvenir des outrages eprouves, du pillage 
de ses tresors, des oontributions imposees, de l’aneanlissement 
de son bonheur. . 

Möme autrefois, Berne a-t-elle donc ete outre mesure 
dans les intereis de la France? S’est elle jamais laisse aller 
a agir contre la maison d’Autriche, ou & convoiter ses pos- 


— 


sessions? N’a-t-elle pas oonfie ses economies & la loyauıe de 
la nation angloise ? 

Lorsque la Souverainete de Neufchatel a ie douteuse 
entre une maison frangoise et l’agent du Roi qui vient d’y 
rentrer glorieusement, n’a-t-elle pas employe son influence en- 
tiere pour l’auguste maison de Brandenbourg ? 

On peut dire peut ätre que les tems sont changes, que la 
forme du gouvernement de Berne, qui a produit cependant 
de beaux resultats pour le bonheur des peuples, . n’est plus 
pratiquable aujourd’hui. Quel plus sur moyen de corriger ce 
qu’il pourroit y avoir de trop exclusif, que d’y meler de nou- 
veaux elemens. Et si l’Argovie nous etoit rendue nous fe- 
rions sans doute l’acquisition d’un grand nombre d’hommes 
de merite et detalent. Mais la forme meme de notre gouver- 
nement n'est pas encore fixee; et j’ai ordre de mes superieurs 
de leur transmettre l’opinion de Vos Excellences sur la Con- 
stitution qu’elles Estimeront la plus convenable. 

L’Argovie est un territoire-qui a ete avec nous pres d’un 
siecle de plus que le Pays de Vaud. Il existe entre nous toutes 
sortes de rapports et de similitudes. Nousy avons des amis. 
S’ils se montroient ils seroient jettes dans des cachbts. Mais 
s’ils peuvent enancer librement leurs desirs, il n’y a pas de 
doute que leur nombre sera plus considerable qu’on ne le croit. 

On adit aussi que l’ancien Gouvernement de Berne n’existe 
plus, que celui d’aujourdhui n'a succede qu’au Gouvernement 
de la mediation. Mais, pourquoi les droits d’une communaute, 
d’une corporation seroient-ils autres que ceux d’un individu, 
d’une famille. L’ancien gouvernement de Berne a ete depos- 
sede par violence: la volonte des Puissances l’a retabli; tous 
les membres encore vivans y ont ete rappeles, il a ete re- 
compose, autant que cela a ete humainement possible; iln’a 
jamais renonce à l’Argovie, il n’a renonce au Pays de Vaud, 
qu’en dernier lien. 

Deux principes existent en Suisse; dans quatre canton ce- 
lui de l’ancien droit; dans d’autres celui unique de la Souve- 
rainete du peuple; et chez plusieurs nouveaux cantons cette 
souverainetee existe isolee, sans rapport & tout ce qui a pre- 
cede. Peut-on attendre d’elemens aussi differents une confe- 
deration sincere? L’honneur de ceux, qui encourages par les 
Puissances , ont mis en avant des pretentions fondees sur tout 


en 


ce qui les &tablit entre les hommes, peut-il &tre compatible 
avec un abandon total de ces pretentions; abandon qui serei 
sans doute encore impute à faiblesse ? 

Les pretentions territoriales de Berne se reduisent dom: 
äl’Argovie bernoise; d’apres le Pacte federal les arbitres dei- 
vent decider des restitutions pecuniaires quenous demandons au 
Pays: de Vaud. 

L’ordre de mon gouvernement n’est pas de provoquer 
une decision sur les.territoires, mais de representer que J’Etat 
de laSuisse paroit la rendre necesjaire. Dans les pays autre- 
fois suisses, quela genorosite des Puissances-veut lui restituer, 
il en est qui ont exprime leur desir d’etre reunis ä.Berne. Je 
suis charge de representer à VV. EE. à cet effet les requetes 
de la Prevöte de Montier et de Belleley. 1} s’y trourve joint 
quelques conditions que les habitans de cesterritoires desirent, 
sur lesquels on ne deliberera a Berne gu’ alors que les inten- 
tions des Puissances seront connues. L’on y espere que, soit 
. par consideration pour la renonciation du Pays de Vaud, soit 
par egard pour les veux des habitans, la reunion a Berne 
pourra ẽtre aprouvee, et je suis charge de la solliciter. 

Vienne, le 50. Novbr. ı8ı4. 

2 (Sıgne) Zeerleder. 


| 


! 


Socond Memoire de Mr. Zeerleder Depute de Berne. 


- Le Soussigne, Depute de Berne, ayant lieu decroire, que 
les dispositions relatives ä la Suisse vont &tre pörtees à la con- 
noissance et A la decision des Puissances intervenantes, prend 
la liberte de leur soumettre les representations respectueuses 
suivantes. | 

Si la tranguillite interieure de la Suisse a paru £tre un 
motif suffisant pour y confirmer la division territoriale etablie 
. par l’Acte de -Mediation de l’Empereur Napoleon, l'on ne 

 sgauroit se dissimuler que cette division a ete arbitraire et ne 
repose pas sur les principes de la justice. = 

Confirmee de nouveau, il importe sans doute, que ni la 
violence, ni l’intrigue ne puissent la renverser. 

Mais ce but bienfaisant seroit éludé, si cette division ter- 
ritoriale devoit former une condition permanente des bienfaits, 
que les Puissances destinent ala Suisse. 

Il seroit mẽme entierement contraire à son independance, 


— 143 — 


"si elle devoit ẽtre privee de la faculte de faire dans son ir- 
terieur tel changement, que des motifs, bien reconnus, du 
bien public etle voeu general feroient desirer. 

Plusieurs ministres membres du eomite special,’ ont par- 
tage l’opinion, qu’il n’y auroit nul inconvenient à expliquer par 
une clause positive, l’intention des Puissances. | 

Les conclusions respectueuses «du Soussigne, sont en con- 
sequence que, si l'Etat territorial aciuel des 19 cantons eteit 
confirme, il soit ajoute; ‚‚sans prejudice au droit des cantons 
„de faire les changemens territeriaux qu’ils jugeront leur ätre 
„avantageux, et qui auroient lieu par le consentement des 
„Parties. 

Le Soussigne assure positivement, qu’une explication pa- 
reille contribuera infiniment a faire adopter librement la de- 
termination des Puissances, et que, tout en adoucissant le 
refus, que paroissent devoir eprouver les anciens cantons, elle 
ne sera d’aucun danger pour les nouveaux. 

Le Soussigne al’honneur de presenter a Leurs Altesses et 
à Leurs Excellences les Ministres des hautescours intervenantes, 
V’assurance de son profond respect. 


(Signe) Zeerleder., 





49. 

Note der großherzoglih » badifhen Bevoll 
mädtigten an den k. k. oͤſterreichiſchen 
Staats: und Konferenz : Minifter ꝛc., Herrn 
Firften von Metternich, und eben fo an den 
Einigl. preußifhen Staatskanzler, Herin Fürs 
fien von Hardenberg wegen Einführung einer 
landftändifhen Verfaffung, datirt Wien den 


I. Dec. 1814 

Beyde endesunterzeichnete Bevollmäctigte Seiner füniglichen 
Hoheit des Großherzogs von Baden zu dem Friedens » Congreß 
zu Wien, haben die Ehre. Sr, fürftliben Gnaden folgende Ers 
klaͤrung mitzutheilen: 


2 

Daß Se. koͤnigliche Hoheit der Großherzog von dem innig⸗ 
ften Wunfch von jeher befeelt, alles Mögliche zur Wohlfahrt und 
für das Gluͤck Ihrer Unterthanen bepzutragen, Sich entichloffen 
haben, als dem Geift des Zeitalters angemeiien, 
eine ſtaͤndiſche Verfaffung in Ihren Staaten einzuführen, 
und fomit Ihren Unterthanen die Bewilligung der dire«— 
ten fowol als indirecten Steuern, die Mitaufficht auf 
deren Berwendung, die Theilnahme an der Geſetzge— 
bung und das Recht der Beihwerdeführung bey eintres 
tender Malverfation der Staatsdiener zu gejtatten, wels 
ce, im Einklange mit dem aus den Verhandlungen des Gons 
greſſes bervorgehenden Diefultaten, Ihre endlibe Bildung- erhals 
ten joll. 

Um jedoch hierin Feine Zeit zu verlieren, haben Se. koͤnigliche 
Hoheit bereits eine Commiffion ernannt, welche die auf jeden 
Sal den Localverhaͤltniſſen anpafenden Modalitäten im 
Vorſchlag bringen foll. 

Die Unterzeichneten ergreifen diefe Gelegenbeit ıc. 

Sehr. Marjchall von Biberftein,. 
Schr. von Berckheim. 





50. 
Erklärung in dem Parifer Amtsblatt CMoniteur 
universel) am 5. Dec. 1814., betreffend die 
Bereinigung Sadhfens mir Preußen. 


Le Journal de Bamberg contient l’article suivant sous la 
rubrique de Vienne, 9. Novembre. 

„Pendant que les gazettes allemandes annoncent comme 
decide le sort de la Saxe, et que ce pays, gouverne par une 
des plus anciennes maisons souveraines d’Allemagne, doit tan- 
töt appartenir tout entier au Roi de Prusse, tantöt la plus 
grande partie seulement, tandis que le reste, partage en pe- 
tites portions, passeroit a la branche Ernestine et a la maison 
d’Autriohe; le fait est qu’il n’a rien paru d’ofliciel a cet egard; 
nous pouvons m&me assurer le contraire à nos lecleurs, et 
nous croyons que le sort futur de la Saxe.est encore soumis & 

de 


ı 
* 


— 


— 145 — 

de serieuses reflexions et discussions diplomatiques, et que, si 
l’on calcule d’apres le nombre des puissances qui s’interessent 
au maintien de la Saxe, la balance est plutöt en faveur .de 
celle-ci. Il y a des principes generaux de droit public, qui 
sont reconnus par les hautes puissances du congres de Vienne:; 
elles ont d’avance renonce & tout systöme de pure: convenance 
ou d’interet personnel, et a toute espece d’usurpation. Tout 
changement dans le systeme politique actuel n’a d’autre but 
que le bien general et le maintien de l’equilibre; tout agran- 
dissement d’une puissance quelconque est le resultat de l’ac- 
cord unanime des autres puissances. La maison d’Autriche 
n’abandonnera point, sans les motifs les plus pressans, les 
droits d’'heredite dela maison de Saxe sur ce pays; les petites 
fuissances ont un interet qu’elles ne peuvent meconnöitre à 
soufenir ces droits, et la France veut, n’importe dans quelle 
vue, s’opposer egalement A un dämembrement de la Saxe; on 
pretend m&me savoir positivement, que le plenipotentiaire 
françois A remis une note extrömement forte a ce sujet. La 
Saxe ne peut cesser d’exister que par une sorte de necessite 
absolue, et peut-&ire verrons-nous se confirmer dans peu, le 
bruit generalement repandu ici, que la Saxe est retablie. Ce 
n’est que lorsque les rapports de la Pologıre et de la Saxe 
seront determines, que l'on pourra statuer avec quelque cer- 
titude sur le sort des autres pays conquis de l’Allemagne. On 
dit que le souverain d’un des plus grands etats de l’Europe a 
declare, par un sentiment d’equite gui lui est propre, qu’il 
'se retireroit de la partie de la Pologne qu’il oocupe, aussitöt 
que la Pologne entiere seroit reunie et formeroit un royaume 
independant , qui seroit gouverne comme tel par un Roi here- 
ditaire, choisi dans la nation polonoise. L’avenir qui deroule 
les evenemens, nous fera connoitre si ce oui-dire est fonde.* 
(Extrait de la Gazette Universelle — allgemeine Zeitung — 
du ı1. Novembre 1814.) 

— Au milieu de tant de bouleversemens et apres les inju- 
stices qu’un seul homme 4 voulues, et que tous les etats de 
lEurope ont tour-a-tour ou souffertes ou folerees, il est bien 
difficile que le congres de Vienne repare les ‚malheurs de 
vingt annees remplies de sang et de larmes, et que charge 
de la mission d’en preserver l’avenir, il acquitte toutes les 
deiteg du passc. Mais avant de se refuser au.devoir de 

Codex Diplomatious. (Eur. Unnal, 3315.) j ie 


redresser un tort, il doit demontrer aux contemporains et à la 
posterite la necessite qui aura commande un si grand sacrifice; 
etsi, force peut-etre de laisser subsister des injustices, le con- 
gres en commettoit Jui-meme, il sapperoit par les fondemens 
_ son propre ouyrage, et il perp£tueroit l’anarchie de l’Europe. 

Aussi la Saxe, qu’on disoit menacde de perdre son Roi et son 
existence politique, n’aura-t-elle point a craindre cetie inju- 
stice, precisement parce qu’elle n’est point encore commise; 
et l’eüt-elle ete, l’opinion generale proclame déjâ hautement 
le danger qu’il y auroit à la consacrer. 


Comment le congres sanctionneroit-il le droit de disposer 
de la Saxe conquise, lorsque le souverain legitime et ses suc- 
cesseurs n’y ont point. renonce, et que le peuple saxon rede- 
mande son antique dynastie? Un Roi qui, pendant pres de 
einquante ans, afait benir son administration; un Roi loyal et 
toujours elranger A l’ambition, heureux d’avoir, des le com- 
mencement de son regne repare les maux d’une longue guerre, 
et mallıeureux seulement pour avoir voulu eviter les maux de 
celle qui deja atteignoit sa capitale, merite-t-il d’etre depouille 
du patrimoine de,ses peres, lorsque ses sujels, victimes non 
de son erreur, mais de la fatalite, lui tendent les bras du mi- 
lieu de leurs ruines; et d’etre trait€ en criminel sans forme de 
proces et sans jugement, lorsque tous les autres souverains se 
sont reunis par une reciprocite de regrets, d’oubli et d’in- 
dulgence ? 


Il est un. souverain qu’au sein du malheur et de la resig- 
nation, la Providence a preserve de la contagion generale, 
qui, rendu à ses droits des l’aurore de la restauration euro- 
peenne, a pu Je premier se montrer eiranger a l’ambition et 
aux vengeances; et sorli de lilige par un traite qui servira de 
base a tous les autres, applique a son gouvernement les ma- 
ximes de magnanimite et de sagesse qui vont devenir la pro- 
priete commune du monde civilise. Ce souverain seul, peut- 
elre, seroit en droit de juger, et il absout le Roi de Saxe. 


Dira-t-on que ce jugement lui est commande par l’interöt 
de sa politique? Non, ce n’est pas la politique de la France 
qui le commande, c’est la politique de Y’Europe; et puisqu’on 
rend aux rois rarement la justice de les croire guides par des 
eonsiderations morales, considerons la question sous le rap- 


port de son influence dans le systeme d’equilibre general que 
le congres de Vierme est appele à etablır. 

On veut que Ja Prusse, reunie à l’Autriche, garantisse 
l!’independance de l’Allemagne, qu’elle soit forte contre la 
"France et forte contre la Russie. 

Comment Allemagne verröit.elle la garantie de son in- 
dependance dans la Prusse qui, par le seul droit de la force, 
se seröit einpäree de deux milliöns d’allemands, contre leur 
vau et au mepris de tous les sentimens qui les attachent a leur 
prince? Nous ne discutetons pas ici la question de savoir si, 
reunis à un grand Etat, ils seroient inieux proteges, imoins 
imposes ; plus libres et plus heureux. Il paroit au moins qu’- 
aveo tous ces avantages, les Saxons mettent en balance l'exi- 
stence nationale et les souvenirs par lesquels ils vivent dans 
P’histoirre. Hest dans le caractere allemand un attachement à 
de saintes habitudes dont la plus sainte est d’obeir a des princes 
particuliers. Que de fortes institutions resserrent la fede- 
ralion germanique; que ’identite de mul, de la langue, 


de la lilterature cree un esprit national, et Pindépendande de 


l’Allemagnie sera assuree: 

il est evident que le repos et la sürete de lAllemagne de- 
pendront desormais de Vunion de l’Autriche et de la Prusse. 
Sera-ce un gäge de cette union de voir ces deux puissances, 
nagueres rivales encore, se toucher par une löngue ligne de 


frontieres, tandis que la Saxe, intermediaire, afloibliroit le 


6ontact et adouciroit les frottemens ? 

Que dans le systeme general d’equilibre de l’Europe, la 
Prusse soit forte contte la France et contre la Russie, la France 
y. consent; mäis cette politique que ui supposent encore ceux 
qui se plaisent a confondre les teins et les interöts les plus dis- 
semblables, aimeroit sans döute à voir s’operer une reunion 
qui, semant la defiance et repandant les germes d’une longue 
discorde dans l’Allemägne entiere, pourroit faire naitre des 
Öccasions tres- prochaines peut-etre d’en profiter. 

La Prusse sans doute a besoin d’etre forte contre la Russie. 
Mais en ce moment une amitie personnielle lie les deux souve- 
rains; et si jamais ces heureux rapports devöient cesser, la 
Prusse seule, quielque forte qu’elle füt, ne le seroit point as- 
sez contre Ja Russie (uand un successeur du magnanime 
Alexandre voudroit disposer de la puissance et cet immense 


— 148 — 


Empire pour franchir les dernieres rivieres qui coulent vers 
Ja Baltique, ce seroit alors que, non un Etat isole, non l’Alle- 
magne seule auroit a se r&unir pour conserver l’equilihre et 
les libertes de l'Europe, et que l’ouyrage du congres de 
Vienne auroit & soutenir l’Epreuve da sa solidite. Mlais la 
Prusse irop foible contre la Russie, trop forte contre l’Alle 
magne, unie a celle-la aujourd’hui par l’amitie, et demaiz 
peut-etre par l’ambition ou par la crainte, ne presenteroit-elle 
aucun danger à celle-ci, lorsque, par l’incorporation de la 
Saxe, elle auroit afloibli la garantie et ses intentions et de son 
respect pour les principes du droit public? 

Ce sont ces principes qu'il importe aujourd’hui de con- 
sacrer. La morale des gouvernemens seule peut raflermir celle 
des individus, sans laquelle rien ne peut assurer le repos et la 
duree des Etats; et plus, dans cette epoque si pleine d’avenir, 
l’Europe civilisee tend à rapprocher ses differentes societes 
politiques d’un but commun de paix et de prosperite, plus elle 
observe avec sollicitude la conduite de ceux & qui elle a con- 
fie d’aussi grands interets. Que les membres du congres de 
Vienne, allies avec la France, soient charges de la legislation 
la plus solennelle, mais qu’aucun d’eux n’enfreigne d’avance 
les lois qu’il est appele a porter! 

Ces reflexions ont ete naturellement amenees par l’article 
de gazelte que nous venons.d’imprimer, et qui nous a paru 
d’autant plus interessant qu’il rassurera nos lecteurs contre 
d’autres nouvelles concernant la Saxe, auxquelles ils auroient 
pu etre tentes M’attribuer un caraciere officiel. Nous pensons 
aussi que les doleances d’un certain article de la Gazette « 
France ont ete prematurees, et que la Saxe et l’Europe n’oat 
pas encore besoin des consolations qu’elle s’est trop empresse: 
de leur prodiguer. j | | 





ST, 
Note des bevollmäctigten Abgeordneten vie 
ler deutſchen fürftlihen und grüflichen 
Haͤuſer, welche durch die rheinifche Bundes— 


— 19 — 


Here andern deutfchen Fürften untergeordnet 
wurden, an die kaiferlihsöfterreihifchen, 
föniglicy » preußifchen und Föniglid) » großbris 
tanniſch-hannoͤveriſchen erften Bevollmaͤch— 
tigten, datirt Wien den 7. Dec. 1814.45 betref⸗ 

fend die Rechtsverwahrung der erſten gegen die 
Note der bevollmaͤchtigten Abgeordneten 29 deutz 
fher unabhängigen Fürften und freyen Staͤdte 
vom 16. Mov. 1814. (Mro. 40. ©. 118), mit 
Beyfügung einiger Wuͤnſche in Abſicht auf die 
Fünftige Verfaffung des deutfchen Staatenbundes 
und der deutfchen Länder, 


Zur Kenntnis der fürfliden und gräfliben Häufer, deren 
legitimirter Geicaftsträger der Unterzeichnete zu ſeyn die Ehre 
hat, ift der Inhalt derjenigen Vorftellung gefommen, welde meh: 
tere vormalige Meichsftände und Souveraine des Nheinbundes 
unter dem 16. v. M. eingereicht haben. 

In fo fern diefe Vorftellung den Endzwed bat, Hoffnun 
gen und Wünſche für die aligemeine Wohlfahrt des 
deutſchen Vaterlandes auszuſprechen, fo wie ehrfurdte: 
volle Huldigungen für die mit Xorberen bededten allerhöcs 
ften Befreyer defielben darzubringen; fo find des Unterzeidhneten 
hohe Herren Mandanten ſowol ſchriftlich ald muͤndlich mit folchen 
Bethaͤtigungen fhon lange vorangegangen, für welde ihre unter 
allen Berhältniffen erprobten Gefinnungen bürgen. 

Menn aber, wie ed fcheint, In jener Vorſtellung befondere 
Vorrechte angeſprochen werden follen; fo hat der ilnterzeichnete 
aus druͤcklichen Auftrag erhalten, und es gebietet ihm heilige 
Pflicht, ehrfurhtvoll zu bemerfen, daß alle die Gründe, 
welche jene Vorrechte motiviren follen, für feine hoben Herren 
Mandanten noh unverfennbarer werden. 

Denn im 6. Artifel des Parifer Friedens werden nicht die 
Souveraine des Rheinbundes, weicher damals ſchon dur 
die Siege der von Gott gefegneten Waffen, fo wie durch darauf 
erfolgte feyerlihe Entſagungen aufgelödt war, fondern die 

J 


Staaten Deutſchlands genannt, Unter diefem find abe 
mehrere, welde vorhin ein Opfer des Miheinbundes wurden, au 
Geelenzahl weit anfehnliher, ald andere, welche während jener 
Schredengzeit in politiiher Hinficht glüdliher waren; und da bie 
Gefammtheit der fogenannten mediatifirten Gebiete weit über eine 
Million Seelen enthält, fo fann nach dieſem Maßſtabe dag Medt 
ihrer politifhen Nepräfentation unmöglich verfammt 
werden. Auf Alter und Glanz der Häufer können ferner di 
“ Unterzeichneten hohe Herren Mandanten auch groͤßtentheils gleidt 
Anſpruͤche gründen, 

Die Grundfäpe des allgemeinen Voͤlkerrechts abe 
gewähren vorzüglich des Unterzeichneten hohen Herren Mandans 
ten die allerfefteften Beruhigung » Gründe. Denn gerade aus 
diejen folgt ganz evident, Daß gefhloffene Verträge zum 
Praͤjudiz eines Dritten, welcher Darüber weder ges 
hört wurde, no dazu einwälligte, feinesweged gu 
reiben fünnen, 

Die allerhöchften verbündeten Mächte haben, ohne Zweifel 
in diefem Sinne, den in Frankfurt abgeitloflenen Acceffionss 
Verträgen die befannte Elaufel „für Deutihlands Wohl“ 
anzufügen geruhet. , Wollten alfo diejenigen vormaligen Sou— 
veraine des Rheinbundes, welche nur in deffen Gefolge und für 
deffen Dauer Oberherren eined Theils ihrer Mititände wurden, 
den befannten großmütbigen und gerechten Abjichten ber allerböd: 
fren verbuͤndeten Mächte offenbar zuwider, jenen Verträgen zum 
Praͤjudiz der hohen Herren Mandanten des Unterzeichneten einen 
‚ andern rechtswidrigen Sinn yunterlegenz jo haben bieielben ſie 
felbft, fo wie ihren Nachkommen und Untertbanen ſchuldig zu fer: 
geglaubt, durch unterzeichneten Bevollmächtigten dagegen ein 
feyerlihe Verwahrung hiemit einlegen zu lailen, 

So wie uͤbrigens des Interzeichneten hohe Herren Mandam 
ten ihr unerſchuͤtterliches Vertrauen auf Deutichlande Netter mm) 
Megeneratoren feither unter den härteften Prüfungen bewäbrt be 
ben; eben fo haben fie den Unterzeichneten beauftragt, auch in 
Unfehung der Herftellung’ einer glüdlihden Verfafinnz 
für das deutfhe Vaterland, welhe in einem mit conjtitw 
tioneller Macht anggerüfteten Dberhaupte ihre weſenlichſte 
Stüße finden dürfte, die Verfiherung diefer erprobten Gellnnn» 
gen ehrfurchtvol zu erneuern. Nur in dem Falle alſo, dag den 
yormaligen Rheinbunds⸗Souverainen, weldhe bie Eingangs ga" 


— 151 — ß 


dachte Borftellung unter dem 16. v. M. eingereicht haben, bey 
den Deliberationen über dieſe DVerfaflung eine Mitwir 
Zung verftattet werden jollte, glauben des Unterzeichneten bobe 
Herren Mandanten vertranen und boifen zu fünnen, daß alsdann 
ihnen gleihe Befugnif nicht verfagt werden wird. 


Stets von gleihem Hochgefuͤhl für das. Wohl des deutfchen 
MWaterlandes befeelt, treten fie übrigens allen, dieſes höchite Ziel 
ihrer Wünihe wahrhaft befördernden Vorfchlägen von ganzem 
Herzen bey. Don dieſem Gefihtspunfte ausgehend wagt daber 
der Unterzeichnete noch die dringende zur Erreibung des großen 
Zweds im Ganzen, fo wie für alle Betheiligte gleih wichtige 
Bitte, daß den Beſchluͤſſen über die deutihe Confti- 
tution unverzüglidh erecutiviihe Kraft bevgelegt, 
und dadurch dem jeßigen für Deutſchland eben fo 
verderblidben, als für defien innere Ruhe höhſt ges 
fäbhrlihen Zwiſchen-Zuſtand ein Ende gemacht wer— 
den möge. Unzertrenlich reibet fich hieran ber fernere gerechte 
Wunſch für Herftellung eines oberſten Reichs-Juſtizgerichts, 
wekbes allein die innere Freyheit, geieklibe Ordnung und Ruhe 
fihern kann. | J 

Endlich iſt auch der redliche Wunſch ſaͤmmtlicher hoben Com—⸗ 
mittenten des Unterzeichneten, daß dem biedern deutſchen Volke 
eine feſte, zwetkmaͤßige, über alle Taͤuſchung und nachtheiligen 
Einfluß erhabene landftändifhe Verfaſſung durch die alls 
gemeine Verfaſſung gewaͤhrt und garantirt werden moͤge. Sie 
werden es ſich zur beſondern Pflicht machen, dieſelbe in ihren Lan⸗ 
destheilen zu gruͤnden. 

Da alle dieſe, eben ſo ehrfurchtvolle als dringende, Bitten 
und Wuͤnſche auf Gerechtigkeit und aͤchten Patriotismus beruhen; 
‚fo ſchmeichelt fib der Unterzeichnete mit der Hoffnung,. daß ſolche 
zu Ew. rc. hohem Mohlgefallen gereihen werden. 

Geruhen Em. 15. die Verfiherung der unwandelbarften Vers 
ebrung zu genehmigen, 

Wien, den 7. Dec. 1814. | 

gr. v. Bärtner. 
bevollmädtigter Abgeordueter vieler fürftlicher 
und gräfliher Häufer zum Congreß. 





— 152 — 
52. 
Erwiederungs-Note der bevollmaͤchtigten Abs 
geordneten 31 vereinigter deutſcher ſouve— 
rainer Fuͤrſten und freyen Staͤdte, an 
ben koͤnigl. großbritanniſch-haundveriſchen 
erſten Bevollmaͤchtigten, Staats: und Cabineis 
Miniſter, Grafen von Muͤnſter, die Wieder 
einführung der Raiferwärde betreffend, ta 
tirt Wien den 20. Dec. 1814. 


Die‘ unterzeibneten Bevollmächtigten deutſcher Fürften umd 
freyer Städte haben die Ehre gehabt die von Sr. Excellen; 
dem koͤniglich⸗ großbritannifch » hannöveriichen Herrn Cabinetds 
Miniſter ‚und erſten Bevollmaͤchtigten am Congreß zu Wien, 
Grafen von Münfter, auf ihre Note vom 16. Nov. erlaffene 
gefaͤllige Anfwort am 25."deilelben Monats zu erhalten. Sie 
haben dur deren Inhalt die an Sr. Ercellenz fo allgemein vers 
ebrte Eigenſchaft des offenen deutiben Sinnes und patriotiſchen 
Eifers für das Wohl des gemeinfamen Vaterlandes aufs Neue bes 
ftätigt befunden, und erfuhen Diefelben, für die bereitwilige 
Mirtheilung Ihrer Anfihten ihren verbindlicfien Dank anzu— 
nchmen. Ä 
Sehr erfreulich ift ed gaeweien, -von Sr. Ercellenz die em 
neuerte Verfiherung zu erhalten, daß Gie in der Hauptface die 
Meinung teilen, daß nur durch die Wiederberftellung der 
Katferwürde, mit den durch die Zeitverhältniffe erforderlid 
werdenden Attributionen und Modificationen, die Der 
faffung des deutihen Bundes einen fivern Beſtand und eine im 
nere Haltung zur Wohlfahrt des Ganzen und aller Theile erbal; 
ten fünne. Ste finden fih über die Wichtigkeit diefer Anjicht um 
fo mehr beruhigt, als dem zufolge Se. tönigl. Hoheit der Prinz 
Megent der um die deutſche Sache fo hochverdienten großbritannis 
{hen Staaten damit gänzlich einverftanden find. Sie dürfen das 
ber Feinen Augenblid zweifeln, daß der Here Minifter Sr. Fönial. 
Hoheit fih zur Beförderung diefes gemeinfamen Wunſches ferner 
weit gern wirkfam beweifen werde; in diefer Hinfiht ermangeln 
fie nicht ſich über diejenigen Punkte, welche Se, Excellenz bep dem 


betreffenden Antrage noch zur Zeit unberuͤckſichtigt oder unerdrtert 
bemerkli gemacht haben, um defwillen in Folgenden näher zu 
äußern, um fich nicht dem Vorwurfe auszuſetzen, als fey in diefer 
für ganz Deutichland hoͤchſtwichtigen Angelegenheit etwas von ih⸗ 
nen verfäumt worden. 

Nah dem Inhalt Sr.. Ercelenz fehr geehrten Note, liegt die 
erfte Hauptfhmwierigkfeit der Wiederberftellung der 
Kaiferwärde nicht in den Worte des Pariſer Friedens felbit, 
fondern in den vorbergegangenen NMegoclationen, vers 
möge deren von andern Mächten Nüdiprahe darüber genommen 
worden, daß dDiefe Würde nicht wieder hergeitellt wer 
den ſoll. | 

Unbekannt mit diefet Negociationen , Fönnen die Unterzeichs 
neten zwar über felbige nicht mit Beftimmtheit urtheilen. Wenn 
fie aber auch vorausfegen möchten, daß man bie Idee einer Wies 
derherftellung.desrömifchsdeutichen Reichs, als mit ber gänzs 
lich veränderten Lage Europa's unvereinbar aufgegeben, und wenn 
fie auch glauben wollen, daß man felbft die Erneuerung der deuts 
ſchen Kaiferwirde übergangen, weil im damaligen Zeitpunft, ehe 
fih noch die nähere Beftimmungen über, die Erfordernife einer 
kaiſerlichen Autorität entwideln fonnten, diefelbe dem kaiſerlich 
dfterreichifchen Hofe nicht annehmlich geſchienen haben mag, und 
daß man dagegen nur die Miedervereinigung der unabhängigen 
deutfhen Staaten dur ein Köderativband berüdfichtiget babe; 
fo muͤſſen fie dob immer noch dafür halten, daß durch folde 
auswärtige Negoclationen, der inneren Einrid: 
tung des deutſchen Staatenbundes, und der daraus 
hervorgebenden Wahl eines Bundeshauptes, auch nicht 
‚einmal der Auszeihnung deifelben dur die kaiſerl. 
Würde, Fein Hindernif habe entgegen geſetzt wer 
den wollen noch mögen. 

Sie halten fi zu dieſer Vorausſetzung um fo mehr berechtigt, 
wenn fie kein wohlbegründetes Intereſſe finden, welches eine oder 
die andere der hohen contrahirenden Mächte gegen eine von den 
Theilnehmenden belichte. DBerfnüpfung des deutfhen Bundes, da 
feibe auf feinen Fall eine offenfive Stellung annehmen kann , has, 
ben werde. Vielmehr werden gewiß, eben fo wie Großbritannien 
auch die übrigen enropäifhen Mächte mit der fo angemeſſenen als 
edelmuͤthigen Erklärung einverftanden ſeyn, welhe Se. Majeftät 
der ruſſiſche Kaiſer und König von Preußen gleich bey dem Ans 


— 154 — 


nähern der verbuͤndeten Heere an bie deutſchen Grenzen unterm 
+73 f25. März 1813 gemeinicaftlih dur den Feldmarſchall Für 
‚ fen Kutuſow Smolenst, in dem aus dem Hauptquartier Ka 

liſch datirten Aufrufe, feperlich gegeben, und worin fie dem deut: 
{ben Völkern die Rüdkehr der Freyheit und Unabhangigkeit un 
die Wiedergeburt ihres ehrwürdigen Reiches ankündigen und ver 
fihern lieſſen, „daß die Geftaltung dieies großen Werkes, gan 
allein den Fürjien und Voͤlkern Deutſchlands anbeim gejtellt biei 
ben folte, damit fie aus dem uneinigen Geifte des deutſchen Bob 
tes defto verjüngter, Iebensträftiger, und in Einpeit gebaltener 
hervorgehen möge.“ 

Gewiß wird der kaiſerliche dfterreichifche Hof felbik, ven 
möge feines anerkannten deutihen Patriotismus, immter derjenis 
gen Einrihtung unter allen den Vorzug. geben, welde bleibende 
Ruhe und-Eintracht in Deutſchland am beften befeftiget, und wenn 

er um allen Schein eines einfeitigen Intereſſe in dem lebten gro 
Gen Kampf zu entfernen, und gefürdtete Schwierigkeiten zu bes 
feitigen,, in dem Augenblide der großen Entiheidung auf die Er 
tenftelle eines deutfihen Kaiſers für ih feinen Anſpruch ges 
macht hat, fo läßt fih do mit einem hoben Grade der Wahr 
fheinlichkeit annehmen, daß er das Haupt des deutichen 
Bundes wieder zu werden nicht ferner ablebnen dürfte, 
wenn er glauben kann, dadurch den Wunſch einer ibm gewiß ſeht 
werthen Natign zu erfüllen, und ed unter ſolchen Beftim 
mungen geſchiehet, daß er diefer Würde mit Kraft 
und Ehre vorfteben fann. 

Auf diefen Gründen ruhet die Ueberzeugung der Unterzeid: 
neten, daß die Verhandlungen, welde dem Pariſer Frieden vorher 
gingen, die Herftellung der Kaiferwärde, fobald dien 
von der Mehrheit. der Stellvertreter der deutiben Nation beliek 
wird, nodh immer zulaffen. Sogar der Befall und die 
Einftimmung der übrigen europaͤiſchen Mächte, in fo fern let: 
tere erforderlich feyn Fönnte, dürften dann nicht anftchen, wenz 
dabey noch erwogen wird, daß man feinen gan, neuen Zuſtand 
ber Dinge, fondern nur die Herftllung einer Form und Verfaſ⸗ 
fung begehrt, welde unter den anzunehmenden Werbefferungen 
vor der jetzt glädlich gehobenen ia Deutſchlauds wirt; 
li beftänden hat. 

Wenn beminah Fein äußerer Grund vorhanden fit, ber 
bie Erreigung einer Berfaflung in der gewuͤnſchten Art unmögli 


— 155 ve 


macht, fo fcheint diefelbe im Innern um fo leichter aus fuͤhr⸗ 
bar zu werden, ald die unterm 16. Nov. bemerklich gemachten 
Haupt » Attributionen der Kaiferwärde nicht von der Art find, 
um, wenn man ernfllih das Gute will, gegründeten Wideripruch 
befürchten zu laffen, ä 


Betrachtet man, wie ed die erflärte Abficht aller Theile iſt, 
die deutſche Nation als ein einig vereimtes Ganze, fo wird deren - 
Sefammtmwille auf dem Bundestage ausgeiprohen, und 
duch die kaiſerliche, demnächt näher zu beftimmende Sancs 
tion, allgemeines Geſetz, deffen Ausführung dem 
Kaifer obliegt, und wozu derfelbe vermöge feiner Mürde auch 
berechtigt it. Zu diefem Behuf würde ihm die gefegmäßis 
ge Difpofition über die, aus den Eontingenten ber 
Bundesglieder beftehende, und ſtets, fo viel für den 
Friedenszuſtand nöthig ift, bereit zu erhaltende Bundes.Armee 
anvertraut, theild um felbige nd augen dahin, wo Gefahr 
drohet, zu Dirigiren, damit bis zur Erllärung des Bundestages 
über Krieg und Frieden, die nöthige Vertheitlgung nicht vers 
abiäumt werde, theild aber auch um damit auf dem gefeßmäßigen 
Diege Drdnung im Innern zuerhalten, und den Befhläf; 
fen des Bundes, fo wie den Erfentniifen der oberſt— 
richterlichen Behörde, Kraft und Nachdruck zu geben. 
Eine ſolche Diipofition über die Bundes: Armee, dürfte zu ges 
gründeren Beforgniffen mögliben Mißbrauches um fo weniger 
Veranlaſſung geben, ald dur die Bundes: Acte ſelbſt die Au ss 
übung dieſer Befugniffe an conftitutionelle For 
men gebunden und daneben den mädhrigern Bundes 


ftaaten das wöthige Gegengewicht Ren werden , 


fonnte, 


In der volllommenen —— daß nach Theorie und 
Geſchichte ein bedentender Staatenbund ohne ein 
Oberhaupt dauerud nicht geknuͤpft werden könne, 
und daß der Groͤße und Ehre der deutſchen Nation, ſo wie ihrem 
allgemeinen Wunſche, die Verbindung der kalſerlichen Würde 
mit ber ihres Bundeshanptes am meilten entipreden 
werde, wiederholen die Unterzeichneten ihre Bitie, daß Se. Er; 
cellenz zur Erreibung des Zweckes, den Eie felbit am zuträglic: 
ften für das Wohl des gemeiniaman Vaterlandes anerfennen, 
Ihre Mitwirkung nicht entziehen wollen, und benugen dieſe 


— 


— 156 — 


Gelegenheit, um St. Ercellenz dem Herren Grafen v. Muͤnſter 
die Verfiherung ihrer hohen Verehrung zu erneuern. 
- Wien, den 20. December 1814. 
Graf von Keller, kurheſſiſcher Bevollmaͤchtigter. 
u. Leppel, zter kurheſſiſcher Bevollmaͤchtigter. 
v. Türkheim, großherzogl. heſſiſcher Bevollmaͤchtigter. 
v. Wolframs dorf, herzdgl. anhaltiſcher Bevollmaͤchtigter 
Schmidt⸗Phiſeldeck, hetzogl. braunſchw. Bevollmaͤchtigtet. 
Schmidt, Bevollmaͤchtigter der freyen Hanſe-Stadt Bremen. 
Danz, Bevollmächtigter der freyen Stadt Frankfurt. 
Grieß, Bevollmäctigter der fteyen Hanfe-Stadt Hambutg. 
Frhr.v. Frank, Fürfil. hohenzollern⸗heching. Bevollmächtigter. 
v. Kirhbauer, ZFürftinhohenzollern :figmaring. Bevollmaͤch 
tigter. 
Helwig, Bevollmächtigter von Lippe: Detmold. 
Hab, Bevollmädhtigter der freyen HanfesStadt Luͤbeck. 
: 9. Pleifen, Staats: Minifter und Bepollmaͤchtigter des Her⸗ 
zogs von Mecklenburg Schwerin. 
v. Oerzen, Staats-Miniſter und Bevolmädtigter des — 
zogs von Mecklenburg Strelitz. 


Bu — — Bevollmaͤchtigte des Herzogs von Naſſau. 


v. 

v. Wieſe, fuͤrſtl. reuſſiſcher Bevollmaͤchtigter. 

v. Gersdorf, 

v. Minkewitz, — 

v. Erfa, Bevollmaͤchtigte der Herzoge von Sachſen 
v. Baumbach, 


v. Fiſchler, 
v. Berg, fuͤrſtl. Schaumburg⸗, Lippiſcher und waldeckiſchet 


Bevollmaͤchtigter. 
v. Weiſe, fuͤrſtl. ſchwarzburg⸗, ſondershauſ. und ru 
v. Kettelhodt, dolftädt. Bevollmädhtigte. 


Anmerkung. Der großherzoglich. badifche Bevollmaͤchtigte bet 
diefe Note nicht unterzeichnet, 





— 17 — 


53 
Vorſtellung der fuͤrſtlichen Geſammthaͤuſer 
Solms und Wied, wegen Aufhebung ihrer 
Unterordnung unter Souveraine des vormaligen 
rheiniſchen Bundes, datirt Wien den 27. Des 
cember 1814. | 


Wenn das gemeinfame Intereſſe der durch den Rheinbund 
unterjochten Neicheftände erheifchte, gegen Die Eingaben mehrerer 
Mitglieder derfelben vom 16. Nov. ihre echte zu verwahren: 
fo wird diefe Mafregel für die Unterzeichneten duch ihre indivis 
duelle Zage noch befonders zum dringenditen Gebot. ° 

Die Ungerechtigkeit, aus welcher der Rheinbund hervors 
ging, zeint fib da in ihrer größten Vollendung, wo fie die alten 
reichsſtaͤndiſchen Geichlehter von Solms und Wied ihren 
Meihsmititänden von Heffen, und fogar Nafiau, unterwarf. 
Sie, beionders die letztern, nicht-einmal beruhigt bep der Eins 
raumung, welche ihnen ihr Bündnip über fremdes Eigenthum ges 
ftattete, haben felbft gegen diefe Norm die fchreiendften und 
gewaltthätigften Beeinträchtigungen an dem periönlihen und Eis 
genthumsrechte der Unterzeichneten und ihrer Untertbanen begans 
gen; Gemwaltftreihe, deren Wirkung in diefem Augenblid noch 
fortdauert, wo fi Deutichland der mwiedererrungen Freyheit rübs 
"men follte. . 

Dabin gehören alle Berfügungen, wodurch für die Unterzeich⸗ 
neten die Prärogative illüftrer Familien vertilgt oder beſchraͤnkt, 
die Rechte ber Gerichtsbarkeit, der Polizey und anderer Landess 
hoheits : Gerechtfame bis auf unbedentende Spuren entzogen, ihre 
Pevenien dur die Entreifung und Aufhebung der wichtigiten 
grund; und lebenherrlihen Einkünfte, wie durch erorbitante Bes 
fteurung, auf das Empfindlichfte geſchmaͤlert, und überhaupt die 
unvermeidlihe Erloͤſchung ihrer ganzen politiihen Eriftenz, der 
völlige Ruin in finanzieller Ruͤckſicht, vorbereitet wurde. 

Als Handlungen bloger Willkür und Folgen bes 
Rheinbundes konnten und können fie feine Rechte begrüms 
gen, Indem daher die Iinterzeichneten vor dem Throne der Mos 
narden, von welden fie mitihren Unterdrüdern ihr Recht erwar⸗ 
ten, fich und ihre Nachkommen von aller Mechtsve-—— 


— 


—“ 158 — 


bindlichkeit losſagen, und ſolche widerſprechen, welche et; 


wa daraus hergeleitet werden wollte, muͤſſen fie zugleich dagegen 
nicht nur ſaͤmmtliche, ihnen duch die Aufldfung des Aheinbundes 
wieder angefallenen Rechte, fondern auch ihre unbeftritienen 
Anfprüche auf den gebührenden Erſatz des dur Die gedachten 
Gewaltftreihe erlittenen Neriuftes feverlih referviren., 

Dahin gehört ferner die Einführung einer landftändiferr 
Verfaſſung, mit welcher die vormaligen Souvereine ven 
Naſſau in den fogenannten Souverainetäts ; Zanden immer 
noch fürfhteiten. 

Die Unterzeichneten, im lebendigen Gefühl der den aler— 
hoͤchſten Monarchen gewidmeten Ehrfurcht, aber au der Mexte, 
welche ihnen Geburt'nnd rehtmäßige Verfaſſung anwies, betrac: 
ten diefe Handlung ald eine Anmaßung, wodurch ben allerböchiten 
Abfichten vorgegriffen, und ihrer Wuͤrde zu nahe getreten wird. 

Sie widerſprechen alfo das Verhaͤltniß, welches hierdurch, 
nach aufgelösſstem Rheinbund, von Neuem im Geiſte der Unter: 
johung gebildet werden foll, und erklären für ih und ibre Nach 
fommen, daß jie nie Landftände dergürken von Neſſau 
werden weder koͤnnen noch wollen, fondern fih nur demmenigen 
unterwürfig glauben, was von den allerhoͤchſten Monarchen, nad 
Ihrer fo lant verfündeten Gerechtigkeit, tiber ihr fünftiges Schi 
fal befchloffen werben wird, 

Endli und vorzüglich gehört tod” dabin die grauſame 
Aushebung der Untertbanen zum bolländifcer 
Kriegsdienit, welche ſich eben dieje Fürften neh immer yu 
Schulden kommen laſſen. Man mag fie Öffentlih noch fo atıt zu 
beihönigen ſuchen: fie bleibt, was fie ift, der ſchmerzlichſte Eir 
geiff in die Freyheit des deutſchen Nolte, deſſen hoͤchſter Mube 
das lang entbehrte Bewußtſeyn ft, daß deutſches Blut nur für 
die Heilige Sache des Vatetlandes, nit fuͤr fremdes Geld um) 
Jutereſſe fließe; fie ſteht in einem gehaͤſſigen Streit mit dem Ge 
ste des Natlonal⸗Wehrtſtand-Sopſtems, auf weldes das deutid: 
Volk feine Eicherheit zu gründen gedenft; fie zertruͤmmert dir 
Rechte des Menfden, indem fie ibn zur Waare herabwärdigt. 

Die Unterzeihneten, denen det Zuftand ihrer troftisfen Us— 
terthanen eben jo nahe geht, als der ihrige immer unerträglicer 


‚wird, halten es für Pflicht, den Schuß der allerhochſter 


Monarchen gegen alle diefe Bedraͤngungen, der durch eine als 
lergerechteſte Weiſung fo leicht gewährt werden könnte, ehrerbie 


- 19 — 


tigft zu reclamiren, und indem fie Seine ꝛc. ganz gehoriamit 
bitten, dieſe ihre allerunterthänigfte Vorftelung und Verwahrung 
zur allerhöchiten Kenntnig zu bringen, und fie wohlwollend und 
nachdrücdlicit zu unterftügen, erfuchen fie Diefelben, die BERN 
zung ihrer beiondern Verehrung zu genehmigen. 
Wien, den 27. December 1814. 
Ferdinand, Erbprinz von Solms Braunfels, 
Namens feines Waters, ded Gefammts 
baufes Solms Nelteften. 
Auguſt, Für zu Wied, im Namen des Ges 
fammthaufes Wied, 


* 





54. 

Antwortſchreiben des koͤniglich-großbritanniſch— 
hannoͤveriſchen erſten Bevollmächtigten, 
Herrn Grafen von Muͤnſter, auf die unter 
dem 27. Dec. 1814. im Namen der Geſammt—⸗ 
bäufer Solms und Wied an ihn erlaffene 
Borftellung, datirt Wien den 6. Sam, 1815. 


Durchlauchtigſte Fürften, 
infonderd hoczuverehrende Herren! 


Ich habe die Note zu erhalten die Ehre gehabt, welche Em, 
hochfuͤrſtlichen Durchlauchten, Namens der Gefammthäufer Solms 
und Wied, unter dem 27 Dec. an mich gelangen zu laffen gefällig 
geweien ift. Hochdero Verlangen gemäß werde ich dieje an meinen 
allergnädigften Heren gelangen laffen. 

Ich bin indeflen im Voraus befugt, Namend St. königlichen 
Hoheit, des Regenten, zu jeder Erleichterung mitzuwirken, welce 
für die Fürften zu erlangen ſeyn wird, die unfhuldige Opfer 
des Rheinbundes geworden find, 

Ich habe die Ehre mit vorzüglider Hochachtung zu fepn, 


Ew. Durdlaudten 

Wien, den 6. Jan. 1815. ; 
ganz gehoriamfter Diener, 

Graf v. Münfter. 


mt — — 


— 160 — 


55+ 
Note des fürftlih =» oranifhen und naſſaui— 
ſchen Bevollmädtigten, Freyherrn von Ga- 
gern, an den Füniglidy : Bauneyertigen ers 
ften Bevollmächtigten, Herrn rufen v. Mün 
fier, ald individueller Nachtrag zu der 
an biefen, unter dem 20. Dec. 1814. vom den 
Bevollmächtigten der vereinigten deutſchen Für: 
ften und Städte erlaffenen Erwiederung + Note; 
(f. Rro. 52. ©. 152.) datirt Wien den 13. 


Jan. 1815. 

Die freundliche Erwiederung Ew. Excellenz vom 25. Nov. be; 
rechtigte und verpflichtete zugleich die Bevollmächtigten deutſchet 
Höfe und Städte, zur Fortfegung dieſer vertranlihen Aeuſſe⸗ 
zungen über den dermaligen und zufünftigen Zuftand unſers ges 
meinfchaftlihen Vaterlandes. 

In diefem auch von mie unterfhriebenen Erlaß vom 20. Dec., 
an defien Faſſung ich weiter feinen Theil hatte, war ed jedoch 
nicht thunlich, die Sache von. allen Seiten zu betrachten, noch zu 
entwideln, wie die Verhandlungen der fünf königlichen Höfe in 
unſern Augen erſcheinen muflten. Viele Fürften ſcheuen beftig 
oder bitter, die Abfihten mächtiger Staaten, oder die Hands 
lungweiſe ihrer Bevollmaͤchtigten zu befämpfen. Denn die 
nadte Wahrheit ſelbſt würde, wegen ihrer Stärfe, ſchon dieien 
Schein der Bitterkeit annehmen, und von ihnemeleiht verübelt 
werden. 

Mein anderer Standpunkt, ald Bevollmächtigter einer über 
Ihre künftigen Verhaͤltniſſe mit Deutſchland noch ungewiſſen 
Macht, die jedoch durch die Kraͤnkung des Naſſauiſchen Hauſes 
> betgeiligt ift, erlaubt mir jene Ruͤckſſichten bey Seite zu 


e 
— Um fo ofſener darf ih zu Em. Ercellenz ſprechen, da unſere 
politiſchen Anſichten im Weſentlichen harmoniren, der Drang 
der Umſtaͤnde allein Sie ſelbſt zur Theilnahme bewog; und Ihr 
rechtliher Sinn ſich im Laufe des Geſchaͤftes am meiſten be— 
waͤhrte. Mit lutzen Worten: Sie giengen dort ein, weil Sie 
nicht 


! — 161 — 

nit heraus bleiben Tonnten, mit dem durchſchimmernden Vor⸗ 
faße, Alles zum Beſſern zu wenden ; und darin will ih Sie beftärten. 

‚Wir find ſaͤmmtlich, jeder in feiner Sphäre, mit Pflichten 
anf diefen großen politiſchen Schauplag gefommen; mit den 
Pflichten, Ruhe, Ordnung, Vertrauen, Eintracht, Gerechtigkeit 
in Europa und in Deutſcland wieder herzuftellen, oder zu begüns 
ftigen. Wie tft es möglich, dag man hier‘ den ganz entgegenges 
festen Weg einſchlug, im Wideriprud mit allen verfündeten Abs 
fibten , mit den genährten Erwartungen, und den ——— 
Zuſicherungen des Pariſer Friedens! | 
Das ganze Wert des Congreſſes follte dahin — das 
falſche, angemaßte Recht des Staͤrkern in geſetzliches aͤchtes 
Recht und Gleichgewicht aufzuloͤſen. Und nur vermoͤge dies 
ſes Rechts des Staͤrkern, conſtituirten ſich alsbald fünf Höfe, 
am Geſetze den andern vorzuſchreiben und ſich eine Gattung von 
Oberherrlichkeit, Attribute, die ihr fehr ähnlich (eben, anzumaßen. 

Geſetzt fie hätten nichts ald das Gute bezweckt und hervor⸗ 
gebracht, fo wäre felbft das ein Eingriff in geariindete Befugniffe. 
Denn feinem Baterlande ein beſſeres Loos bereiten, gehört zu den 
herrlichſten Empfindungen, io wie zu den beiligiten Verpflichtuns 
gen, die Niemand dem Andern, fo lange feine geſetzliche Formen 
beftimmt find, vorzuenthalten oder zu erſchweren fich erlauben ſoll. 

‚Der Vorwand, daß dieie Abficht, wenn’ fie rein war, durch 
mehrere Theilbaber ericowert würde, mar theils unerfindlich, 
weil diefe Zahl fo groß nicht iſt, theils war jie, durch die Mepräs 
fentatton und Wahl nam Millionenzabl, ſehr leicht zu haben. 

Sobald fie ſich aber verfammelten, gingen fie augenfcheins 
lich, wie ed vorauszuſehen war, von ganz vericiednen Anjichten 
und Gejihtspunften aus, die etwas Gedeihlicheg niemals erwars 
ten liefen. 

Es mögen wohl Deutfche ſeyn, denen, tbeoretifch, die ftrenge 
Allein: Herricaft die liebte wäre, meil fie ihnen die ſicherſte 
fbien. Der Zweyp-Herrſchaft aber ift der Stab durchaus gebros' 
chen. Es iſt das gehäffigfte und gefährlichite, ein Wurzelübel in 
Europa, eine Spaltung unferer Nation, ein ewiger Saamen ber 
Dürger: Kriege, deren wir, einſchließlich des fiebenjährigen, im 
den letzten Jahrhunderten nur zu viele gehabt baben. Und den, 
noch nahm Alles die betrübte Tendenz zu eben dieſer Zwey⸗Hert⸗ 
ſchaft. Zum Beweis dürfen wir und nur auf das frühere Begins 
nen, auf die vier Stimmen gegen drey im Rath der fünf Könige, 

Godex Diplomaticus. (Eur. Unnal. 1815.) 11 


* 


auf den untergeſchobenen Sinn der Beytritts⸗Vertraͤge, und auf 
die nur zu deutlihe Note des Herrn Fürften yon ı Metternich 
vom 22. Det. abhin, an den Staats: Cauzler Fürften von Har⸗ 
denberg , beziehen. 

Defterreip beklagt in diefer Note zwar die Theilung 
in Nord: und Sud:Deutihlaud, indem es fie zuläflt, und 
die Graͤnzen bezeichnet. Aber ift es denn wirklih im Fall, fo 
ſchwere Opfer zu bringen? Und find wir im Fall ed zu leiden? 
Und können fi die Höfe von Münden, Stuttgart und Hannover 
über den Sinn — nein über fo Flare Worte — auch nur einen 
Augenblid täufhen? | 

- Sobald die Höfe zu Wien und Berlin ſehr einig waren; 
wo fit noch der Fall geweien, daß fie die andern nicht mit fich fort; 
geriffen hätten? Und worin liegt, durch das was jegt vorgeht, 
das Unterpfand dieſes Cinverftändnifles, auch nur für die nahe 
Zutunft? Worin die Hoffnung, wenn einmal erit ſolche Verhaͤlt⸗ 
nie der Scheidung zugelafien wären ?- Schon fagten die demagos 
giſchen und tumultuarifchen Blätter, unter dem Einfluß des einen 
Theils (MhHeinifher Merkur, Num. 100, vom 10. Aug. 1814) % 
„Das Baterland aber iſt am beiten dadurch beratben, wenn alle 
Kraft einftweilen in die Zwepheit-zufammen läuft, da die 
Einheit fpdätern Zeiten aufbehalten bleibt m. f. w.“ 

Und nun bey dem rechten Lichte betrachtet, was bedeuten 
fowohl in jener Note, als in den ı2 Artikeln, oder in den 13 
Protofofllen, was bedeuten — grammatifh und politiihb — jeme 
gleißneriihen Worte: „leiten, protegiren, erecutive 
 &ewalt und Einfluß haben?” Gie find ganz Öhne klaren 
Sinn und Begriff, denn fie beißen Alles oder Nichts. 

Der Vorwand der vormaligen Intanglichkeit des Reichs und 
feiner Verfaſſung if gänzlid nichtig. Vorerſt ift diefe Anzahl 
der Stände ungemein geihmolzen, und dann ift der Zeitraum zu 
kurz, als daß wir uns nidt der Begebenheiten unferer Tage 
volllommen erinnern follten. 

Wer find denn die Neihsftände, dieihre Pflicht nicht erfüllt 
haben? Wer war abtrünnig vor dem Bafeler Frieden? Haben nicht 
die Feſtungen dee mindermäctigen Fürfien, Philippsburg, 
Ehrenbreitſtein, auf das Aeußerfte und bis zum Aushungern 
fidy vertheidigt, während dem die der größern Staaten fielen, 
als fie kaum berennt waren; und Mainz felbft, dieſer Schlüffel 
bes Reichs, ohne Noth gegen Venedig dahin gegeben wurde? 


— 163 — 


Worin bedarf es einer Leitung? Werden kuͤnftig die Heſſen 
von Andern Tapferkeit und Waſſenuͤbung lernen? Baden von 
Württemberg, wie man die Völker beglüdt, und die Mens 


ſchen fhont? Iſt das Ober: Appellationgeriht zu Celle befler, - 


als das zu Cohn und Diez? Sollen wir im Naſſauiſchen 
erfahren, wie man den Forſt behandelt, den Weinftod pflegt, 
den Bergbau treibt ? Nein; denn man kommt weit und breit zu 
uns, um es zu lernen. Werden Andere die freven Städte 
über Handeldmarimen und die Führung ihrer Mefien unterrichten 
wollen? Es int fürwahr nur allyuleicht, der Sache ihre ſcherzhafte 
Seite abgewinnen. 


Verwechſelt man aber, im Spradgebrand, erecutive 


Gewalt — die an fib mit der monarbiiben im ganzen Um— 
fange einerlep ift — mit der Erecution oder bloßen Bollzies 
bung gerichtlicher Erkenntniſſe; wie leicht war das von jeher ges 


gen die Mindermäctigen, und wie ſchwer gegen .die Mäctigern? 


Wie wenig bat man’ in den Sigungen der fünf Höfe dafür ges 
forgt? Wie wenig haben fie ſich ernfilich mit gerichtlichen Einrich⸗ 
tungen befaflt? — Und wäre von dem Allen nur nicht die Frage : 
warum fo davon reden? Warum jene Worte, jene Zubereitung 
zum Mißbrauche? Warum fo viel Samen der Abneigung nnd 
der Zwietracht ?— Der einzige vernünftige Weg Andere zu leiten 
ift, ihr Vertrauen zu gewinnen, und das ift nit in Spfiem und 
Theorie zu bringen; man muß es ernſtlich wollen! 

Wäre jene Leitung etwas Heillames, warum widmeten fie 
ihre Vorforge nur den 4 Millionen, und fo wenig den übrigen 
weit zahlreihern? Was fchirmt die Bayern und MWürttemberger ? 
Dder find Mißbraͤuche dort nicht denkbar ? 


Weun die Contingente werden firirt, und ihre Inſpec⸗ 


tion — Aller über Alle, in den gehörigen Proportionen 
wird beliebt ſeyn, fo iſt ed damit genug. Gebt man weiter, und 
täumt dem Stärfern über den Shwädern conftitutionelle 
echte ein, fo ift militaäriſche Willkür und Unterdrüs 
@ung eine unausbleiblice Folge. Das oberftie Sommando 
wird foften, und bald die Steuerkaſſe, die damit verwandt 
it, und dieſe die ſtändiſche VBerſammlung, und endlich den 
Landesherrn ſelbſt nah ſich ziehen, oder zu unzähligen 
Handeln und Neibungen Anlaß geben, mie jede eingerdumte,: 
aber nicht definirte nn die fi unter fo übeln Aufpicien 
anfündigt, 


z — 104 — 
Wenn aber einmal der Krieg des Reichs oder des Bundes. 
ausgeiprochen ift, fo hat der eben gefcloflene gezeigt, wie leicht 
es ſey, dann Alle zu ihren Xeiftungen und zur Folge zu bewegen, 
Die anhaltiihen oder naſſauiſchen Anführer werden es nicht als 
ein Recht anfprechen, die öfterreichifhen oder preußiihen Heere 
zu befebligen. 

Oder ift unfer Verdacht und Beſorgniß gänzlich leer, um 
unerfindlih? Die koͤniglich württembergifhen Abftim 
mungen find zwar unftreitig an fih die tadelnswertheiten, 
umgefehrt aber auch die beften und treuberzigken n, weil fie 
am unummundenften fprecben, und die arriere- pensee in etwas 
im Voraus Angefündigtes verwandeln. 

Diefe Herren vermeinten im dritten Protofoll 

„daß die Zahl Fünf das fo wichtige Princip der Einheit 
nicht zeritöre.” 
Bor Kurzem haben und die cing directeurs zu Parks das 
vortrefflich gezeigt! Wenn wir in unferer Religion von der Dre v⸗ 
einigteit reden, fo nennen wir es demuͤthig ein Gebeimniß. 
Ben einer politiihen Fünfeinigkeit ſind uns aber die ſteyti⸗ 
{den Fragen wohl erlaubt. 
In demfelbigen Protokoll proteftiren fie.gegen die Feſt— 
fegung der Rechte der Unterthanen, fondern wollen die 
volle Souverainetät. 
"Man follte ja nicht eine Nation and und machen, das ieo 
‚gegen die erften Zwede. Wellen Zwecke? — damit wir ja mict 
wieder in die alten Fehler der Reichsverfaſſung verfallen, vermei 
nen fie, und ſprechen an: 
‚daß dem beftimmten Einfluß des Kreis » Oberften 
„eine die ausübende Gewalt in jedem Kreife vereinigende 
„Wirkfamfeit gegeben werde.‘ 

Die einenen Worte!! Hear him, hear him! _ 

Bey den: ausgeiprohenen vier Stimmen gegen drep, wi 
derfent fih Württemberg — als gegen eine Nachſetzung und 
Unterordnung — vergeflend des alten — : Quod ubi 
non vis fieri, alteri ne feceris. 

Der Marb der übrigen Stäude ſcheint ihnen enthehrlih — von 
dem Geſchäft der Kreis: Directoren fol nicht die Frage fepn, 
fondern von ihrem Rechte und Befugniß. — Kein Neid 
oder Bundesgericht wollten fie nicht haben; Landſt aͤnde 
zwar, aber nad eigner Art. 


— 165 — 


An dem vierten Protokoll erläutert es feine Anſicht immer 
mehr. Der Bund ſoll nur aus den fünf Koͤnigen beſtehen; 
die uͤbrigen Staaten aber nur als Kreismitglieder angeſehen 
werden, und damit man nicht laͤnger im Zweifel bleibe, wie das 
gemeint ſey, werfen fie ſchon die Bedenklichkeit in dem achten 
Protofoll auf: die Kreisverfammlungen fcheinen dem neuen 3us 
ſtand der Dinge nibt mehr anzupaflen, da die Kreife 
fi geößtentheild nur auf wenige Stände concentrirten. 

Nah dem fehsten Protokoll folen die Kreisdirekto— 
ren, wein fie ihre Schuldigfeit verabfäumen, oder übertreten, 
bey den vier andern angeklagt werden. Was würde man in Engs 
land fagen, wenn gegen den einen Minifter die übrigen feiner 
Gattung das judicium parium formiren folten, ohne andere Ber; 
antwortlichkeit! \ 

Die wichtigfte Wurttembergiſche politifhe Entdeckung, 
ift jedoch in der folgenden Note jenes ahtem Protokolls ents 
halten: 

„Die gegen Norden und OSſten befindlichen Kreife find 
„durch ihre Kändermafle ftark genug, um dem Zweck des 
„Bundes durch fchleunige Hülfe in dringenden Fällen zu 
„entipreben, Damit nun die gegen Werften vorliegenden 
„Kreiſe durb innere Kraft gleichfalls In den Stand 
„geießt werden, Widerfiand gegen Angriffe zu seiten, fo 
„wird es nöthig fepn, daß ein folder aus Ländern, welche 
„zuſammen eine Bevölferung wenigſtens von drey bis vier 
„Millionen Menihen enthalten, beſtehe.“ 
Und als lebte große erleuchtete Betrachtung, will es eine milis 
tärifhe Subordination in ihrem größten Umfange 
— die Verfügung von Mufterungen und Waffenübum 
gen! Im Badifhen ohne Zweifel, — denn wo fonft? — Zu 
Allem dem fehlt auch felbit der vernünftige Vorwand. 

In andern Beziehungen fpriht man fo gern von den.Fürften, 
ihren Perfonen und Fehlern, den Balken im eigenen Auge nicht 
ſehend, und gänzlich verfeblend, daß hier niht von der Gegen⸗ 
wart und dem Augenblide, jondern von der ganzen Zukunft, 
daß hier niht von den Herren, fondern von den Völkern die 
Rede ift, ihrer Ehre, Nubeftand, Unabhängigkeit; und wie ſehr 
es wahr ift, dag man nicht zwepen Herren dienen kann. 

Diefe Gefühle der Völferjchaften find ewig und permanent. 

Kaum iſt ein Monat verfioffen, als ein fehr beredter Mann unferer 


— 166 ac 


Zeit im franzoͤſiſchen gemeinen Rath der Deputirten fo fprad 

(Mr. Reynouard, seance du 4. Nov. ıBı4): 
„ne dans un pays depuis longtems assocje aux 'destims 
„de l’antique France, non par le ſuneste droit des 
„armes, mais par le veu libre du dernier comte de 
„Provence, par le consentement solemnel des citoyens, 
„et par l’acdeptation obligatoire du monarque francois, 
„non pour etre dependant, mais ala condition expresse 
„de n’etre point subalterne, je me souviens avec or- 
„gueil‘ etc. 

Entfinnen Sie fib, daß auch diefes Land einft zu unſerm 
Meichsverband gehörte! Darum meine Behauptung, daß eine 
aufribtige Mediatifirung für dieie Kölferibaften ungleich 
wuͤnſchenswerther ſey, als ein fo ſhwankendes VBerbält 
niß, womit ung bier gedroht wurde!! 

Solito inter accolas odio — ſagte von uns einer der kluͤg⸗ 
ſten Maͤnner auf der Erde und ftatt dieſes Unkraut auszutotten, 
wollen wir es in folder Maſſe ausſtreuen? Welchem Mißmuth, 
welchen Unordnungen oͤffnen wir Thür und Thote? Welden bucht 
trautigen Zuſtand bereiten wir allen Individuen, allen Familien 
fo vieler Milltonen, wenn erſt diefe Reibungen anfangen werden! 
Dummtöpfe und Verftodte werden fie heißen, die das allge 
meine Wohl verabfäaumen, hängen fie ihrem Landedsberrn nad 
alter Sitte an. Treuloſe und Verräther des Landes, wenn fie 
fi zu dem Leiter, Protector oder Kreisdirector binneicer. 
Wo wird Friede und jelbit haͤusliches Gluͤck meht in dieſen Pros 

vinzen zu finden ſeyn? Und welche Provinzen trifft das eben? 

Sawfen, Heffen, Mbeinländer, die an Bildung den meh 
ften der übrigen bey Weirem vorgeben, wenigſtens augeniheiniis 
fie biöher übertrafen. 

Solche Völker werden alfo gerechtfertigt eefcheinen, wenn fit 
zuverſicht lich ſolche Unbill verſeres und einen Aw 
griff gelaffen abwarten, 

Es iſt möglich, daß man ben dem politiihen Discuffionen zu 
Parts davon ausging, und daß Defterreic felbit entmeder 
tm Yerthum oder zu beiheiden war, oder and diefe Stimme 
der Dentihen minder wuflte. Wen wädhst. baraud ein Recht ın? 
Wo ift die Acceptation, wo die Beihränkung unferer linab: 
hängigteit? Warum wären die Mittel fo fhwer, fremden Nas 
tionen und ihren Monarchen die, Anfichten zu erläutern nnd zu 


rechtfertigen, wenn es ihnen wirklich Ernſt ift, Frieden und Ord⸗ 
nung auf die Erde zuruͤckzufuͤhren? Beweist ihnen das Mißlingen 
ber bisherigen Verſuche nicht ſchon hinlänglich die Nothwendigkeit 
jener einzigen vernünftigen Auskunft? 

Verbliebe aber auch diefer Zujtand, diefed unuͤberwindliche 
Hindernip, nun wohlan; fo giebt es noch beffere Mittel als 
diefed zwey⸗ oder fünffahe Directorium. „Dann mögen D efter; 
reih und Preußen ganz ausfcheiden, wie dann die Auss 
drüde des Parifer Friebensſchluſſes: „les etats de l’Allemagne 
„seront independans et unis par un lien federatif‘‘ — auf fie 
wenig zu paflen fcheinen. 

Oder laffen Sie und im rechten Mape alle heile nehmen, 
und nur die Proportionen fuhen! Durch biefe Proportionen 
räumt man viel, vielleicht zu viel ein, und die Schweizers Santone 
fennen fie nicht. 

Beydes fiud wahrfheinlihe Mittel, Dänemark und die 
Niederlande wieder zur Theilnahme zu bewegen, denen dieſes 
fuͤnffache Directorium, feiner Lieblichkeit wegen, gar nicht 
wird angemuthet, nicht angeboten werden. — Und das iſt fürs 
wahr ein fehr fiherer Probierftein ! | 

Meder einer, no fünf, noh Alle können jura singu- 
lorum befhränten noch angreifen. Sie Fönnen keinen Feftungs 
bau anbefeblen, ohne die Mittel zu vermwilligen, und mit diefen 
verhältnigmäßigen Mitteln wird in Feinerley Form irgend ein 
Widerſpruch erſcheinen, ohne zugleich etwas Beſſeres in Vorſchlag 
‚u bringen.“ 

Bon diefen mannihfaltigen Seiten bitte ih Ew. Ercels 
enz dieſen hochwichtigen Gegenftand zu betrafen, und daraus 
ıeue Stählung und Beftiguug Ihrer fruͤhern Weberzeugung zu 
hörfen. Niemand ift mehr geeignet, ald Ihr Hof, und Sie 
erfönlich, die Verwilligung zu übernehmen, und das Beſſere zu 
treiben, womit ih Em. Ercellenz meiner oft bewährten, ‚ganz 
orzuͤglichen Verehrung verfichere, , | 

Wien, am 13. Jan. 1815. | 
Freiherr v. Gagern. 





— 168 — 
56. | 
Memoire ber Bevollmaͤchtigten des ehemaligen 
unmitttelbaren deutſchen Neihsadels, 
enthaltend politiſche Gründe für Erhaltung 
des ummittelearen alten deutfhen Reichsadels, 
datire Wien den 28. San. 1815. 


$. 1. = 

Die geborfamft unterfertigren legitimirten Bevollmäd; 
tigten des immediaten Meihs : Adels in Deuticland 
haben bieber die Recht s gruͤnde, melde für die Zufiändigteit 
ihrer Sommittenten fpreben, Einem boben Congreß ausführlich 
vorzutragen die Ehte gehabt. 
Bey dem immer näher heranrädenden Augenblif der Ent: 
fbeidung des Scidfald von Deutſchland glauben fie auch noch 
verbunden zu feyn, einige nicht unerbeblihe politifhe Mo: 
tive für die Erhaltung des immediaten alten dent— 
ſchen Reichsadels binzufigen zu muüͤſſen, des feften und bel: 
leg Vertrauens, daß folbe, nah der Meikheit und den tiefen 
Einfinten des hoben Congreffes, einer Berädfihtigung gewiß 
nicht unmwerth werden gehalten werden. 

Diefe politifhden Gründe werden in nachfolgenden vier 
Säpen audeinander geſetzt und vorgetragen werden; 

I. der Zeitgeift erfordert nichts weniger als eine Unter; 

drüdung des Erbadeld, und eine Gleichftellung aller 
Stände; | 
‚ 1. die Fürften und die Staaten haben dur die bieberis 
ge Unterduͤckung bes Erbadeld nihts gewonnen, fondern 

im Gegentheil | 
III. gar viel verloren, und insbefondere ift ’ 

IV. nicht nur der Adel felbit, fondern au das Volk dur 
dieſe Unterdrädung demoralifirt worden. 


7 3% 
Sn dem erften dleſer Saͤtze foll bewiefen werden, 
daß der Zeitgeift die Unterdrückung des Erbabels 
eben fo wenig, als eine Gleichſtellung aller Stände 
verlange, 


— 190 — 


Der Zeitgeiſt ift die öffentlih ausgedruͤckte, allgemein ges 
fühlte Meinung und Anſicht von einer Sache. 

Dieier Zeitgeift it ſtets richtig, gut und edel; er 
Tann nie lUingeredtigfeit in Schuß, nehmen, mie Unterdrüdung 
predigen, denn er ift der Finger Gottes, und fräftig zeigte 
fi diefer Zeitgeift in dem legten blutigen Kampf um bie recht⸗ 
lihe Frevheit der Voͤlker. 

Hierin ift der Begriff eines Zeitgeiftes vollftändig aus; 
gebrudt. 

Ganz veribieden von diefem Zeisgeift ift der Parteigeift, 
der von Eigennuß, Verblendung, Unterdrückungſucht geleitet 
wird, und den man fehr oft mit dem Zeitneift verwerielt, Er 
ift aber von dem legtern dadurch febr leicht zu untericheiden, weil 
ihm das Attribut der Allgemeinheit durchaus feblt. 

Nirgende lauter, als in der franzöfiiben Revolution, hat 
fib dieſer Unterfchied zwiſchen Zeirgeift und Parteigeift ausges 
fprowen. 

Der leptere bat Thronen untergraben, die Unichuld gemors 
det, die Redlichen verfolat die Gerechtigkeit verſcheucht, die 
Gluͤcklichen unglüdlih gemact, die Kinder des Daterlandes vers 
trieben, alle Abſcheulichkeiten in Schuß genommen, ein ganzes 
Meer von Blut vergoffen, Tyrannei und Willfür auf den Thron 
geſetzt. | 

Erd nachdem diefer Partenaeift ausgetobt hatte, dann int ein 
gefegneter Zeitgeift erſhienen und hat das franzöfiihe Volk mit 
ihrer dermaligen milden und freven Regierung beglüdt. 

Menn der Partepgeift Alles zeritört, Alles unterdrüdt, 
Alles leidenſchaftlich vernichtet und zur unumfhränfteften Deſpo— 
tie führe, fo ſchützt hingegen der Zeitgeift das Eigenthum; er 
gebt ſtets mit der Gerechtigkeit Hand In Hand. er beglütft die 
Voͤlker. So ift ed 5. B. ein wahres Erforderniß des Zeitgeiftes, 
dag der Adel, in der gegenwärtigen Staatennoth, nicht 
fteuerfrei ſeyn und gewinnen joll, während dem Alles verliert 
und Alles verarmt. | 

Dies fühlt Jeder, und bier liegt das Prinzip der Allge⸗ 
meinheit Jedermann vor Augen. Der Erbadel fühlt dies felbft, 
und concurrirt frepmwilig, fo lange die gegenwärtige Noth 
dauert. Wie kann man aber munmebr dazu fommen, demiels 
ben außer ..diefed freymilligen Anerfenniniffes, auch noch 
feine übrigen Vorzüge und Auszeichnungen, und fein 


u — / 170 — 


ganzes politifhes und Firhlihes Eigentbum zu uch 
men? Wo tft nur ein fheinbarer Grund zu dieſem Verfahren 
Wie läft fith ſolches mit der Gerechtigkeit, felbft mit der Staets 
klugheit vereinigen? Und wird nicht hiedutch offenbar der Ver— 
wund des Zeitgeiftes zum Detmantel dee AuaNem Partengrb 
ſtes mißbraucht? 


Nach dieſen aufgeſtellten, und nicht zu mißkennenden Grm 
ſaͤtzen iſt es daher ſehr leicht, die ERBE Frage zu at 
ſcheiden 

Kein Zeikgelſt wird die ungerechte Unterdeäctung und Vertils 
gung eines ganzen Standes, mithin auch des Erbadels je verlan; 
gen tönnen noch verlangt haben; felbft die Regenten können ür 
nicht fordern. und fordern fie nicht, denn fie find weit entfernt 
einen Grundfaß aufzuftellen, ber laute lingerechtigfeit predigt und 
der zur reinen Defpotie führt. 


Der Regent kann nie vom’ Vartepgeift geleitet werben. 
Wenn ed daher aud in den verichiedenen Staaten die und da 
Mathgeber gibt, welche die Unterdrüädung und Zernihtung 
- des Erbadels anrathen, fo handeln dieje wider den Willen der 
Negenten, fie handeln wider die Grund » Marimen einer liberalen 
Megierung, fie rathen gegen das Intereſſe ihres eignen Daten 
landes, fie handeln in dem Sinne eines verwerfliden Partep 
geiftes, und der wahre Zeitgeift wipiitgt laut ihre Handlung 
weije. 
rüber oder fpäter werben unfeblbar dem erleucht eten Re 
genten die Augen gedffnet werden; er wird die Handlungen jei 
ner böfen Mathgeber beym Licht und Recht näher beurtheilen, 
und jede depfallfige Mißleitung ficher bereuen und ſchnell abäm 
dern; denn eine jede Handlung, die mit der Gerechtigkeit midt 
vereinbarlih ift, kann unmöglich haltbare Mefultate Lerwsr: 
bringen. 

Alles dies wird aber den Erbadel nicht abhalten, allentbai, 
ben demunerachtet die hoͤchſte Folgſamkeit nnd Unterwürfigkei 
gegen die Geſetze des Staats zu bethätigen, wenn fie ihm and 
noch fo. hart feinen; er hält fih verbunden, andern Ständen 
in dieſer Unterwürfigfeit und Folgſamkeit gegen die Gelege von 
anzugehen und um fo mebr ald Bepfpiel zu dienen , je mehr et 
heute noch die öffentlibe Meinung für fi bat, fo fehr man fie 
ihm auch zu entziehen ſucht, und. je allgemeiner das Bedauerr 


— 27T — 


der Redlichen iſt, welches ihm wegen des ihn betreffenden hatten 
Schickſals wahrbaft tröftet und aufrichtet. 

Dies Geſetz legt ihm das Princip der Ehre auf, welches ihn 
fo fett an den Staat bindet. Man bat ihm zwar den Glanz 
der Geburt genommen, und von allen Gelegenbeiten fib um 
den Staat verdient zu machen weggedraͤngt; allein das Verdienſt 
der größten Folgſamkeit und innigſten Anhänglichkeit an den 
Staat kann ihm feine menſchliche Gewalt entreißen. | 

‚Hierin liegt aber durchaus kein Anerkenntniß des ibm zuge: 
fügten Unrechts, feine Verzichtung auf feine Zuſtaͤndigkeiten; er 
fühlt fi vielmehr ſtreng verpflichtet, auf die Erhaltung der |eßs 
tern alle mögliche rechtliche Beharrlichkeit zu verwenden; ermuß 
die gegenwärtigen Stürme der Unterdrüdung mit felienfeftem 
großen Muth ertragen; die Morgenröthe des vorigen Gluͤcks wird 
und muß ibm früher oder fpäter wieder laͤcheln, und hierdurch 
erſt erfüllt er feine Pflichten gegen fich ſelbſt, gegen die Regenten 
und das Vaterland; die feinen Wohlſtand Eränfenden Stürnie 
werden und müfen vorübergeben, weil jeder Parteygeiſt früher 
oder fpäter in feinem eignen Meer von lngerechtigfeiten erſtiet 
wird, und nur die Gerechtigkeit ewig ſiegt. 


9. 4 
II. Der zwente bier aufgeftellte Grundfag iſt der: 
Die Fürften und die Staaten haben, durch die bie 
berige Unterdrüdung des Erbabeld, nichts gewonnen. 

Die Fürften haben zwar große VBefikungen als vormaliges 
Cinentbum ded Adels, und respective der Kirche, ihren 
Staaten einverleibt, und fie find dadurch mwirflib größer und 
mächtiger geworden; allein nicht reiher und glädlicder, 

Die Größe und Matt find relative Vegriffe, und fo lange 
bevde nicht fo independent find, daß fie für ſich felbft und ohne 
alle fremde Beyhuͤlfe beitehen können, fo baben fie immer den 
wuͤnſchenswerthen Grad von Hoheit, von Größe und Unabhängig: 
fett nicht erreicht, welder das Staatenglüd ausmacht. 

Dies möchte ſchwerlich bey denen Fürften der Fall ſeyn, die 
ſich in Deutfchland dur Wegnahme der geiftlihen und adelichen 
Güter vergrößert haben; reiher und glüdlier find die Staaten 
vollende ſicher nicht geworden; fie haben zwar große Beſitzungen 
und große Schäge, bejonderd aus den alten adelihen Erzftiftern 
und Stiftern gezogen; allein der Zufall hat gewollt, daß diefe 


l 


— 172 —: 


Schäge zum Theil zerftreuf find; daß viele Beſitzungen bereits 
in andern Händen fi befinden, und der Augenicein lehrt, da 
durch alle jene Koftbarkteiten und Kiegenihaften die Staatsfai: 
fen eber ärmer ald reicher geworben find. 

Niemand hat dur die bisherige Ummälzung gewonnen, au; 
fer einige Individuen, die die Kunft verfianden, ihren Parter 
geift für einen Zeitgeift auszugeben, und fo auf kurze Zeit dus 
Dhr der Megenten zu gewinnen wujlten. 

Die Fürften haben an ihrer Ruhe, an ihrer Zufriedenheit un 
endlih verloren; nie ift ihr Mille, das Volk glüdlih zu machen 
mehr getaͤuſcht worden; nie war ihre Exiſtenz precärer, als in 
dem eben abgelaufenen Zeitpunft, nie waren ihre Finanz» Möthen 
größer. 

Die Armeen haben Ströme von Blut für gerade entgegen 
ftehende Zwecke vergoffen , und der Deutihe muflte ben Deut: 
ſchen bekriegen; der Eivilftand wurde dur beftändiges Organis 
firen und Desorganifiren bins und bergeworfen, und in feinen 
Grundfägen irre, gemacht; fremde Gefepbüter haben das Volt 
gedrüdt; ungeheure Kriegslaften und eine allgemeine Themerung 
liegen noch fchwer beynahe auf ganz Europa. Bey den allerbrü: 
denditen Abgaben iſt nicht eine Staatsfafle ohne Deficit. und 
follte es daher nicht für den Erbadel eine unermeplid jhmerzbafte 
Empfindung ſeyn, wenn man denfelben fo auszieht, wie man ibn 
ausgezogen hat, fo unterdrädt und vernichtet, wie geicheben ift, 
während dem durch alle diefe großen Opfer durchaus nichts Gutes 
und Wohlthaͤtiges für irgend Jemand erzwedt wird? 

Die ganze Welt trauert und fühlt ſich unglücklich, und ie 
bem Augenblick diefer allgemeinen Galamität hat man den Erb 
adel auserfeben, ihn noch zehnfah unglüdlicer als alle übrigen 
Stände zu maden. 

ft es wohl möglih, dies mit den Grundjägen der — 
nen Staatsklugheit zu vereinigen? 

Der Partepgeift ipricht zwar, daß die Folgen diefer Unter 
druͤckung fih erit in der Zufunft mohlthätig äußern würden. 
Allein bliegegen walten große Zweifel ob; aus ungerehten Map: 
regeln entfteht nie was Gutes, wenigſtens nichts Haltbares. 

Dergleiben Unterdridungen find nur in einem fieberbaften 
und frampfhaften Staaten: Zuftand denkbar; fo bald der Zuſtaud 
der Genefung und der Ruhe wieder eingetreten ift, verlangt ganz 
unfehlbar die Gerechtigkeit, die fich früher verſchleyert zurädyog, 


br Eigenthum wieder zurüd, und das Truggebäude des Parteps 
weiftes, welches auf lauter Yllufion gebaut war, zerfällt in fi 
elbft. 

I. 5 

Man hat den Erbadel alle feine perfönlihe Vorzüge 
jenommen, man hat ihn den Bürgern und Bauern gleich 
jemact, man bat ihn der Jurisdictiom entfept, alles polis 
‚evlihen Einfluffes beraubt; man verhindert ihn, der 
Sreund, der Berather, der Bepitand, ber Unterſtützer 
einer Unterthanen zu fepn, man entzieht ibm einen gros 
ven Theil feines Einfommend, man erfhwert ibm den 
Bezug desjenigen, was man ihm übrig gelaffen hat, man made ' 
bn im Abgaben : Spitem den übrigen Untertbanen 
zleich, ja befteuert ihn gegen die übrigen Staatsangehörigen 
n mancen Ländern wohl doppelt, ja drepfach; und kann 
nan wohl mit Grund fagen, daf durch alle die Einrichtungen der 
Staat wirklich gewonnen habe? Sind die Staaten in dem Aus 
jenblick nicht aͤmer, al& fie je waren, und find die Unterthanen 
nicht in dem nämlichen Augenblid, mo jenes geichieht, mit ſechs⸗ 
achen Abgaben gegen die vorige Zeit beläftigt? 

Der Partengeift, nicht der Zritgeift, hat alle diefe Veraͤu⸗ 
yerungen herbeygeführt. Nachdem fie nun aber einmal ungläds 
icherweiſe da find, fo will der Adel frevmillig-die dermalen 
yeftehenden öffentlihen Laften mittragen helfen. 

Hiedurch ift alle Beichwerde befeitigt. Es it Nieman 
!ingefallen, fich je über die übrigen Prärogative des Adelftande 
zu befhweren; fie find Niemand läftig — Im Gegentbeil Vie 
en nuͤtzlich; man hat fie ibm ohne Grund und ohne alle Vers 
inlaſſung genommen; für die deutichen Staaten, die nie nnabs 
yängige Puiffancen werden konnen, find fie ganz gleichgültig; fie 
reten feiner Herrfhergewalt in den Weg, und doc hat man fie 
hnen genommen. 

Iſt ed wohl mit der Staatsklugheit, wir wollen nicht fagen 
nit der Staaten: Moral, vereinbarli, einen Stand, der fo virle 
Berdienfte aufzumeilen hat, der jo viele Jahrhunderte ausgeubte 
Prärogative in ruhigem und ungefiörtem Beſitz hatte, der ſelbſt 
n nenern Zeiten fo viel patriotifhe Opfer brachte, auf einmal, 
hne die mindefte Deranlaffung, obne allen Schein Rechtens 
ınd ohne pofitiven Nugen für den Staat, zu vertilgen, und farm 
ine Maßregel diefer Art in der Zulunft beftehen ? 


J — 174 — 


Der Partepgeiſt wendet hiergegen ein, daß alles dies dr: 
Uniformirung: Principe wegen gefhehen muͤſſe. 

Die Uniformirdt iſt zwar an ſich allerdings fchäßker: 
allein fie kann im ftrengften Sinn des Worte nur da mit Geret 
ftattfinden, wo allenthalben gleihe Rechte und gleiche Stand 
punfte iind. 

So ift 3. B. in den großen Öfterreihifhen und preasi 
ſchen Staaten durchaus feine Uniformität eingeführt, weil di 
gerechten Monarchen einem jeden Stand bep feinen woblermwerts 
. nen Gerechtiamen ungefränft und ruhig belaffen wollen, und dieie 

naͤmliche Uniformität ſollte jo umerläßlib notbiwendig in dea 
- mindermäcntigen Staaten des nun aufgelösten NRheinbundet 
fepn. der aus den verſchiedenartigſten Beftandiheilen zufammen 
gejegt iſt? - 

Die Uniformität kann und darf niemals das rechtmaͤßige Ci; 
gentbum der Einzelnen Eränfen und nie ald Zerſtoͤrungmittel dic 
fes Eigenthums gebraudht werden. Sobald fie dies thut, bört 
fie auf Staats zweck zu feyn, und artet in Staats mißbrauch 
aus. 2 

$. 6. 

IH. Der dritte Satz, welcher bier ſtaatswirthſchaftlich be 

leuchtet werden fol, ift der: 
daß der Regent und der Staat, durch die gänzliche Un 
terdrüdung des immediaten Neihsadels erg bedeu: 
tenden pofitiven Schaden leiden. 

Der Erbabel war bisher 

a) derjenige Stand, der den Glanz der Höfe unterbalta 

' muffte; dort baben viele altadelihe Familien ihr Wermögn 

großen Theile zur Ehre der Fürften verzehrt. 

Wird dieſer Adel nun vermoͤgenlos gemacht, fo tft es ibe 
unmoͤglich, diefe Stellen ferner auszufüllen, und die Fürften wer 
den die Nepräfentationen, welde der Erbadel bepberin 
Geſchlechte früher aus perfönliher Anbänglidfeit mt 
einem großen Koftenaufwand machte, theild unendlich the» 
rer bezablen muͤſſen, und theils werden fie gewiß nicht is 
umgeben ſeyn, wie es bie Würde ihres Standes erbeiidt. 

Verarmung zieht nothwendig ſchlechtere Kindererzie 
bung nad ſich; mithin wird es an den erſten Grundlagen ja 
diefer fernern Beftimmung fehlen, und das Gefühl feiner vorich 


— — 


lichen Vernichtung ohne allen Grund und Veranlaffung muß den 
Erbadel nothwendig von den Thronen zuruͤckſcheucden. 


b) Ganz der naͤmliche Fall tritt bey der Diplomatie ein; 
auch bier verlangen die Fürften mehr Aufwand, als die geyes 
benen Gehalte deden. " 


Viele reihsadelihe Familien haben fih auf Geſandſchaftspo— 
ten, der Ehre der Fürften wegen, von denen fie abgeichidt was 
en, in große Schulden geftedt; und wenn der Stand, dem eis 
gentlich dergleihen Mifjionen zum Theil ale eine wahre Laſt zus 
zejchieden waren, verarmt ift, jo werden entweder die Gejands 
'haftpoiten fehr Färglic ausgefüllt werden, oder dem Staat wers 
en bedeutende neue Erogationen nothwendig zumachen. 


c) Befonders bey dem Militair:- Stand, zu dem der Adel 
vorzüglich gehört , wird von Seite des Staats, ben allıı 
Subaltern : Stellen, in Anfehung der Gage, die größte Spar⸗ 
famfeit beobachtet. 


Ein junger Militär muß wenigftens in den erften 15 Jahren 
eines Dienſtes einen jährlichen bedeutenden Zufhuß von Haus zu 
einer Eriftenz erhalten. 

Ein armes Dfficier: Corps bleibt in der wiffenfhaftliben Bil; 
ung fowol, als in der Humanität und dem guten Weltton ims 
ner fehr weit zuruͤck, und die Unterdrückung des Adels muf das 
yer nothwendia auch auf die Armeen den allernachtheiligſten Eins 
Iuß haben, weil ed demielben an Mitteln fehlen wird, feine Kin⸗ 
ver in dieſer Carriere mit Ehren weiter zu bringen. 

Diefe dreyfachen Nachtheile für den Staat, die aus der ge; 
valtiamen Vernichtung des alten deutfhen Erbadeld bers 
orgehen, werden noch anſchaulicher, wenn man fie mit der Uebung 
er vorigen Zeiten vergleicht. 

Hatte ein Adeliber durch zu großen Aufwand am Hof feine 
Finanzen zerrüttet ; war er durch einen Gefandfchaftspoften ruinirt 
vorden, wurde er im Krieg zum Krüpvel gefchoffen, fo kehrte er 
mf feine Güter, oder feine Commende oder Prabende zu: 
üd, ohne daß der Staat nöthig hatte, fih nm ihn oder die Eeis 
ıigen zu befümmern ; und der anfangende junge Militär wußte nicht 
inders, als daß ihm feine Familie wenigſtens die doppelte Gage 
uf mehrere Jahre zuſchießen muflte, um feinen Stand mit Ehren 
u führen und bie möthige milltärifhe und Weltbildung. zu er⸗ 
alten, 


—— 


Die Vorzeit hat Bevſpiele aufzuweiſen, wo ganze Armeen 
der Fürſten von einzelnen reihsadeliben Seneralen ge 
raume Zeit aus eigenen Mitteln unterhalten wurden, wei 
ed dem Staat an Geld feblte. 

Alles dies wird künftig nicht mehr aus dem einzigen iehr 
natürliven Grund ftattfinden koͤnnen, weil die neuern Grurd— 
fäpe eines vorgeipiegelten Zeitgeiftes befonters ben immediw 
tenReichsadel zur bitterften Armuth verdammen. 


| 5. 7. 
‚Ein weiterer Nacht heil, der dem Staat dur die Inter 
drädung des Adels zugeht, ift der, 
daß ihm dadurch eine Hülfquelle in unvorbergs 
{ebenen Bedürfnifien und Unglüdsfällen ent: 
zogen wird, | 

Der Erbadel. feine Stifter, hatten fräber große Freu 
beiten, und befonders war die Eremtion von ben öffent 
lichen Laten ein fehr bedeutender Vortheil. 

Dieſer Vortheil aber war mehr ſcheinbar ald witklich, denn 
eben bierin lag ein Sparpfenning für den Staat, über den er im 
den Zeiten der Noth unbedingr diiponiren konnte. 

Mit Freuden waren der Adel und die Stifter erbötig, den 
Staat bev jeder Gelegenbeit zu retten, und bie großen 
Summen, die in den ebemalig deutiben Kalferfiaaten 
angelegt find, geben bievon einen ſprechenden Beweis. 

Nun ift Alles ganz anders. | 

Die Staatsängehdrigen find ſich alle gleöch 5% 
mat; fie tragen die ungeheuern Staatdlaften mit, wiewol us 
fheindaren, gleihen Echulrern; fie werden von der Laſt m 
druͤckt, und wenn neue Unglüdsfälle zu den gegenwärtigen fom 
men follten, io iſt in Deutichland Feine Huͤlfe denkbar weder a 
den Staats: Knilen, noch in dem Beutel der Untertbanen, weil 
alle aleich eriböpft find und weil feine Hülfe für unvorbergejchen 
neue Noth aufgefpart iſt. " | 

Iſt ed aber nicht eine der vorderſten Pflibten ber Staatk 
Flugbeit, fi ſolche Sparpfenninge für den Nothfall forgiam ja 
erhalten ? 

Ehedem waren die Stifter und die Klöfter die nativ 
liben Korn: Magazine der verfhiednen Staaten; jie babra 
Deutihland in den 17708 Jahren von dem Hungertodb gerettet; 

auq 


2 Ad = 


auch diefe Wohlthat ift verfhwunden, und es wird dem Staat 
große Anftrengungen und Aufopferungen koſten, wenn er ders 
gleihen Inſtitute herftellen will, die bey jenen Anftalten als ein 
gewöhnlihes Opfer der Menfhenfreundligkeit angefehen wur; 
den, welches fie dem Staat zu bringen fi gleihfam fchuldig er; 
achteten, 

$. 8 

IV. Nicht nur der Adel felbft, fondern auch das Volk, 
wird durch 

die gewaltfame Unterdruͤckung des Erbadels demoralis 
firt werden. 

Die Geſchichte hat einen Einflug an Großthaten aller Art, 
an Hingebungen für Fürften und Vaterland, an kaum glaublichen 
Aufopferungen für dad Volk aufzumweifen, welche die altadelihen 
Gefhblechter zieren. 

Dieſe Thaten waren bey Vielen theild der Grund des ihnen 
verliehenen Adels, theild haben fie ihren Geburtsadel ſpaͤter auf 
dieſe Urt geheiligt. 

Sie waren der Schuß der Thronen,, die Dolmetfher des 
Volls bey dem Negenten, die Pflanzfchule edler und erhabener 
Thaten, und die ihnen verlichenen Vorzüge und Auszeichnungen 
waren die Aufmunterung w fernerer. Bethätigung eined edlen 
Sinne. 

Nun fol auf einmal Alles, was die frühere Zeit befonnen ' 
und fpftematiih eingerichtet hat, dad fo laut anerfannte Verdienſt, 
die öffentlihe Dankbarkeit foll vernichtet, mit Füßen getreten,, 
die Belohnung der Tugend, der Tapferkeit, der Berdienfte um 
Fürften und Vaterland fol mit einem Federſtrich vertilgt ſeyn. 

Die Entziehung folder großen Vorzüge erzeugt mit der Ars 
muth zugleich uothwendig Verachtung, wenigſtens beym großen 
Haufen; und in diefer Berarmung, an bie ſich beionders die us 
gend ſchwer gewöhnen wird, liegt nicht felten, befonders wenu 
fie ſchnell auf die vorige Wohlhabenheit folgt, der Keim zu eis 
ner Menge moralifher Uebel, wie die Bepipiele mander Stans 
ten lehren. 

Wird aber nicht Jedermann die ganz natürliche Frage eins 
fallen: womit hat dee Erbadel diefe enorme harte Strafe 
verdient? 

Die Fürften fheinen zwar hierauf einen neuen Zuwachs 
yon mehr centralifirter Kraft zu bauen; aber werden fie 

Codex Diplomaticus. (Eur, Annal. 1815.) 12 


x 


ſich nicht eben dadurch den lauten Vorwurf von Ungerechtigkeit, 
don großem politiihen Undank, zuziehen, und fih einem alke 
meinen Mißtrauen ausfeßen ? 

aß’ beute dem Erbadel geſchieht, Fann morgen einen 
andern Stand widerfahren, und es gibt auf der Melt Fein 
reichhaltigere und wirklich nicht zu tadelnde Quelle des Mi 
trauens, ald den Mangel des Mefpects für das Eigenthum. 

Welch ein koftbares Kleinod ift fir den Negenten das öflen: 
liche Vertrauen? Es gibt feine unerſchuͤtterlichere Grundpfeiler dei 
Staats, als diefes Vertrauen; in ibm beruht die ganze Glüs: 
feligfeit der Niegenten, der Segen und bie -leihte MWirkfamteit 
der Regierung. . 

E83 wird nur einmal in der Welt verloren; jeder Preis d«i 
Verluſté iſt zu theuer, weil diejer Verluſt gewoͤhnlich unmieder 
bringlich ift. 

‚ Wenn au ſchon nunmehr ein Theil des Pöbeld bie Truͤm 
mer des Wohlſtandes der Adelihen vielleicht mit Wohlbepager 
bemerft; fo wird er dennoch über Eur; oder lang von dem Gedan: 
ten ergriffen werden: ift ed auch recht, daf man das Andenken 
des alten Verdienftes fo mißhandelt ? 

Der Haupt nachtheil der hieraus für den Erbadel folgt, ii 
die Unterdrüdung eines jeden edlen und großen 
Sinns; man nimmt ihm dur feine Sernichtung jede Mix 
lichkeit, fich ferner für den Staat und das Vaterland audın 
zeihnen, und der Zuftand der Knechtſchaft und Wera 
tung, In den er geftürzt worden ift, madt Ihn für die Zukur 
au jeden großen und edlen Thaten durchaus unfähig, indem ma 
ihm Gelegenheit und Mittel zugleich entzieht. 

Der neue Adel, der nun erit geihafen werden fol, um 
der ſo mächtig und eifr!g an der Unterdruͤckung des alten Ad 
arbeitet, wird, fobald er feine Abficht erreicht bat, und dazı # 
es nidit mehr weit, fi durh das Beyſpiel der Unterdritte 
fiber warnen laffen, und, wie ihon hier und da Beyſpiele zu le 
ten fheinen, mehr für fein pecuniäres Intereſſe, als fi 
Ehre, Kürft und Waterland arbeiten, " 

Das wahre Ehrgefühl, die reine Anhänglichfeit an da 
Thron, an die Familie der Fürften wird nicht fo leicht gejchaffen, 
als man glaubt, 

Hat doch der ganze neue Adel, den Napoleon mit! 
verſchwenderiſcher Frepgebigkeit ſchuf, ihn in bem kritĩſchen ds 





.- — — 
genblick des Ungluͤcks ganz verlaſſen, waͤhrend dem es dem koͤnig⸗ 
lichen Haus der Bourbons nie an treuen Anhängern aus den 
alten adeliben Gefhlehtern in Franfreih, die Alles, was ihs 
nen lieb.und theuer war, verlieffen und ihrem Könige folgten, 
fehlte? 

Dies iſt ber Unterſchied zwiſchen derneu geſchaffenen 
Ehre und derjenigen Ehre, die durch Generationen erhal— 
ten, durch Erziehung befeftigt, durch Bepfpiele erneuert, und 
— mehr als einen Tod dee Vorfahren beſiegelt worden iſt. 


$. 9. 

Man tönnte die obigen Anfi chten noh mit manden inte 
reifanten, Betrabtungen vermehren, wenn man bie 
Aufmerkſamkeit des hoben Eongrefles nicht durch Ju große Aus: 
führlichkeit zu ermäden befürhten müflte. 

So iſt z. B.der Erbadel, für den verlornen Weberrhein, 
an die Meichefürften ald Entichädigungzugabe geopfert worden, 
inſtatt dag dieſer Adel hätte felbft entſchaͤdigt werben follen: 
Man bag ihm Entichädigung verſprochen, aber kein Wort gehal⸗ 
sen; der Ueberrhein ift wieder erobert, und warum foll das uns 
chuldige und Äberfläffige Opfer fortdauern? 

Iſt es nicht die hoͤchſte Gerechtigkeit und Biligfeit, daß man 
em Geopferten wieder reftitnire, und ihm Alles das: wieder zus 
üdgebe, was er als Opfer verloren hat, nachdem der Grund oder 
ielmehr der Vorwand des Opfers wegfällt? — 

Nachdem die-Fürften dem Erbadel alle feine Vorzüge neh⸗ 
nen, und ihn dem gemeinen Manngleichftellen, mißbils 
gen fie nicht nur das, was. ihre Vorfahren mit Recht gethan 
aben, fondern fie verwandeln zugleich jeden Act der Gerechtig⸗ 
»it, der Großmuth und des Öffentliben Dankes ihrer Vorfahren 
ir den Adel, in eine ſchmachvolle Beftrafung, indem er weit 
luͤcklicher geweſen wäre, wenn er feine Vorzüge gar nicht gehabt 
ätte, ale daß er fie nun wie ein Ehrunmärdiger verlieren foll. 

Reicht wohl die Herrfhergewalt fo weit ruͤckwaͤrts in’ den 
staatsverhältniffen? Iſt es wohl räthlich, den ehrwärdigen Bes 
rrfcher der deutichen Nation ein ſolches Öffenes Dementi vor 
lem Voll zu geben? | 

Kein Staat kann ohne Adel beftehen, dies hat die 

'apoleontihe Megierung bewiefen, am ————— ein 
eutſcher Staat. ae 


Man vernichtet den Erbadel, um einen neuen peritw 
lichen Adel zu ſchaffen; follte die Frepheit, diel Gefeplicteit, 
die Unabhängigkeit, die das deutihe Voll und mit ihm der Eık 
adel im heiligen Kampf ertämpft hat, wohl hiezu berechtigen? 


6, 10, 


Durch alles bisher Geſagte, find num nachfolgende Grund 
fäpe der Staatsklugheit und Staaten: Moral feſtgeſch 
und duch Thatfahen unwiderſprechlich bewieien: 

1) Kein Zeitgeift kann die Unterdruͤckung des Erbadels ver 
langen. Er ſpricht 

2) blos Beyträge zu den Öffentliden Abgaben mr 
demfelben in der gegenwärtigen Noth an, bie ma 

ihm nicht verweigert. 

3) Nur der verwerfiihe Partengeift kann die Unterdrüdum 
bed Erbadels verlangen; diefer fann und wird aber nn 
fiegen, denn er ift 

4) ein unfauberer Geift der Ungeredtigfeit, der — 

Feind der Fuͤrſten und Thronen, welcher den erſtetn das Vers 

trauen des Volks, den — ihre Haltbarkeit taubt um 

zur Defpotie führt. 
Diefer Partevgeift kann ſich 
5) vermöge der Verwerflichfeit feiner Grundfäße, nur kurje 

Zeit erhalten; er wird ſchmaͤhlich untergehen, ml 

es ift daher | 

6) heilige Pflicht des Erbadels für Negenten und "vv 
terland, fi diefem Partepgeift mit aller ordentliwen 
geſetzlicen Feftigkeit entgegenzuftemmen, imden | 
bie nabe oder ferne unpartepiihe Zukunft Recht und Lis 
fiber beſchuͤtzen wird. 

7) Die Fürften werden erleuchtet einfehen , daß ibnen d 
willfürlibe Unterdrüdung des ſchuldloſen Erbadel 
gegen die Grundfäge des Rechts, weder Vortheil, noch & 

deihen, noch Segen bringen werde. 

8) Sie werden die Nechte des Adels für unveridährbart 
und unveräußerlihes Eigentbum wieder ancer 
fennen. Sie werden 

9) den großen Nactheil, ber ihnen daher ſowohl in ſtaet⸗ 

wirthſwaftlicher, als ftaatöflugbeitlicher Ruͤcſicht erwädusi 
un fehlbar früher ober ſpaͤter würdigen. 





| 


Sie werden 
10) die Ueberzeugung erhalten, daß ed mit der Klugheit richtis 
ger Staats: Marimen unvereinbarlich fep, um diefen Preis 
das Öffentlihe Vertrauen, als das höcyfte Kleinod 
der Regenten, zu verlieren. Sie werben 
11) jeden Schein, der zum Defpotismpe führen kann, klug ver: 
meiden, das Recht vom Unrecht, den Zeitgeift vom Par 
tepgeift richtig unterfheiden; demerften folgen, der 
Gerechtigkeit huldigen, den leßtern verachten und verwerfen; 
und jo werben 
12) die Gerehtfame des immediaten Neihsadels, 
die er bisher blos von der rechtlichen Seite vertheidigt 
bat, nunmehr auch durh neue Gründe der Philoſophie, 
der Staatswirthſchaft fo kräftig unterftüßt, daß an ihrer 
fihern und unfehlbaren Erhaltung gar Fein mos 
talifher Zweifel mehr übrig bleiben fann. 
Die gehorfamft Unterzeichneten ergreifen diefe Gelegenheit, 
fih zu beharrlihem hohen Wohlwollen abermal ehrerbietigft zu 
« empfehlen. | 
\  MWien, den 28. Januar 1815. 


57: 

Rechtsverwahrende — u. Bitte 
der, durch die rheiniſche Bundesacte, verſchiede— 
nen deutſchen Churfuͤrſten und Fuͤrſten als 
Standesherren untergeordneten vormaligen 
regierenden reichsſtaͤndiſchen Fuͤrſten und Ora: 
fen, betreffend ihre MWiedereinfeßung in die ih: 
nen entzogenen Rechte, und ihre Zuziehung zu 
der Berathſchlagung über die Fünftige deutfche 
Bundesverfaffung, datirt Wien, den 30. Ja⸗ 
nuar 1815. 


Je mäher der Zeitpunkt heranrüdt, wo dem beutfchen Volte 
die ernſte Frage gelöst werden ſoll, — um, welchen Preis das 


Blut feiner Söhne, die Thränen feiner Wittwen und Walien 
gefloſſen, fo mander ſchoͤne Theil des Privatvermögens Auf dem 
Altar des Baterlanded geopfert worden, — deſto gefpannter 
muß auch die Erwartung des hoben Adels von Deutiälad 
feun, welchen ein unbegreiflihes Verhaͤngniß bie hierhin, — bu 
dem tabellofeften Benehmen, bey den rechtlichſten Anfprücen, — 
von dem Genufle der fo lange erfehnten verfaffungmäßigen Frep 
heit graufam zuruͤckſtieß. 

Nicht, daß er an feiner gerechten Sache verzweifelte, — dieit 
wird am Ende doc fiegen! — aber weil er mit Erfiaunen wein . 
nimmt, daß das Syftem der Unterjobung und Deſpotie, 
im Angefihte der Monarhen, welche Gerechtigkeit und Be 
freyung verfündigt haben , fi immer freyer und lauter ausipridt. 

So ſcheinen einige Iandftändifhe Verfaifung- Ent: 
würfe, welche eine gewiſſe Publicität erhalten haben, im ibrer 
Tendenz geradezu und ganz beftimmt eben erwähnten laut ausge 
fprohenen gerechten Grundfägen unrechtlich entgegen geſetzt; ſo 
find die fortwährenden ungeregelten und ausfaugenden 
Steuerfyfteme, die gezwungenen, mit äußerer Härte 
eingetriebenen Anleihen; fo der empörende Mifbraudy der 
Militärgewalt, in der Abgabe deutfder Söhne an 
fremde Mächte, in einem Augenblide, wo langjährige und 
biutige Kriege die Bevölkerung Deutſchlands ohnehin fo fehr ver 
mindert haben, willfürlih und unerträglih; und diefed, wäh 
rend die höchften verbündeten Mächte fich bier verſammelt haber, 
um die Willtür des Defpotismus aus Deutichland zu verbannen 
und die Gerechtfame eines jeden Standes durch Entwerfung eine 
gerechten und dauerhaften Verfaſſung zu fihern. | 

Diefe und mehrere andere factifhe Eriheinungen find w= 
erklaͤrbar, wenn nicht die Acceffions Verträge ald Befchöniguns 
grund für diefelben angeführt werden wollten. Sie find eben ü 
große Mißdeutungen ded wahren Sinnes derjelben, als fie ben 
wörtlihen Inhalte der öffentlihen Proclamationen der verbündeter 
Mächte wideriprehen. 

Nicht nur im Namen 33. MM. des Kaifers von Rus) 
und Königs von Preußen zu Kalifh erlaffene Proclamation wer 
bieß Deutichlands Fürften und Völfern Ftepbeit und Unabbängis 
keit; das Eatferlich s öfterreichiiche Manifeft und alle in der Folsı 
etlaffene Proclamationen, felbit der Parifer Ftiedenstractat, wie 
berholten aufs Feperlichfie diefe Verheißungen. 


— 153 — 


Konnten diefelben wohl ausſchließend für die Fürften des 
Mheinbundes gemeint ſeyn, deſſen fhmählihe Ketten zerbro: 
chen find ? 

Soll der Kohn derjenigen, die ihre Anhänglichkeit an dag 
deutſche Vaterland und feine Verfaſſung, feit Jahrhunderten bie 
zum letzten Angenblid, mit ihrem Blute befiegelt, und buch 
die fhmerzlichiten Opfer und Leiden aller Art bethätigt haben, 
in der Fortdauer ihrer Unterdrüdung beftehen ? 

Sollte der fo laut ausgeiprohene Wunſch, und die unver 
jährte Anhaͤnglichkeit von 1,200,000 Unterthanen an ihre angeborne 
Herren keine Müdficht verdienen ? 

So ſehr es fchmerzt, bie jeßt diefe Fragen weder entfchies 
den, noch wenigſtens duch eine proviforiihe Verfügung 
den täglich fich erneuerten Bedruͤckungen endlich Schraufen geſetzt 
zu fehen; fo getroft die durch den Rheinbund unterjohten Reichs⸗ 
fände diefer Entiiheidung entgegen harren: fo verpflichtet halten 
fie fih doch ſaͤmmtlich, das eben angeführte Verfahren für Sache 
der Ufurpation, für Fortſetzung der Napoleon’fhen 
Unterjohung und Torannep zuerflären, und dagegen fich, 
ihren Nachlommen und Unterthanen ihre Rechte aufs. Geyer, 
lihfte zu verwahren. 

Und da es nicht allein Fein Verbrechen ſeyn kann, Katfer und 
Mei treu geblieben zu ſeyn, fondern diefer edle deutfhe Sinn 
von, den allerhöhften Monarchen, duch Vernichtung des Rhein⸗ 
bundes, in allen Proclamationen und Xcceffion: Verträgen, auf 
das Kantefte gebilligt worden iſt; fo bitten die Unterzeichneten 
in ihrem eignen, und im Namen ihrer abweienden fich mit ihnen 
in gleiher Kategorie befindenden Mitftände, ehrfurchtvollſt und 
dringendft die allerhöhften Monarchen, auch diefe für fie ſprechen⸗ 
den Rechtstitel zu berüdfihtigen, ihnen in der deutfchen 
Staatöverfafling ihre unveräuferliben Mepräfenta: 
tion⸗Rechte, duch geſetzliche oberjtrichterlihe Gewalt. geſchuͤtzt, 
zurüdzuftellen, und bey dem über die deutihen Angelegens 
heiten abzuhaltenden Berathungen fie im ihren Bevollmach⸗ 
tigten zuzuziehen. 

Wien, den 30. Januar 1815. 

Elifabeth, Fürftiin von Fürftenberg, geborne Fürftiin von 


Thurn und Tarid, Vormünderin, 
Landgraf von Fuͤrſtenberg. 


— 184 — 


€. G. Fuͤrſt von Metternich⸗Winneburg-Ochſenhauſen. 

Proſper Fuͤrſt von Sinzendorf. 

Carl Fuͤrſt von Croy, im Namen des Herzogs von Crov. 

Audwig Fuͤrſt von Hohenlohe⸗Bartenſtein, Feldzeugmei⸗ 
ſter, fuͤr alle Agnaten. 

Joſeph Fuͤrſt von Schwarzenberg. 

Alfred Fuͤrſt von Windiſchgratz. 

Frepherr von Vrints-Berberich für Ihre Durchlaucht Die Fürs. 
ftin von Thurn und Taxis. 

Ferdinand Erbprinz von Solms; Braunfels. 

Sriedrib Graf von Solms⸗Laubach. 

Alexis Erbaraf von Bentheim. 

- Graf von WaldbottsBaffenheim. 

Clemens Graf von Looz⸗Corswarem für den Herzog von 
Looz-Corswarem. | 

K. ©. Graf zu Dettingen und Wallerftein, als’dltefter 
Agnat des Hauſes Dettingen. 

Joſeph Altgraf yon Salm⸗-Reifferſcheid⸗Dick. 


58. 
Erinnerung: Note und vorläufige Erflärung 
ber Bevollmächtigten der 32 vereinigten um 
abhängigen deutfhen Fürften um 
freyen Städte, an bie Eaiferlih -öfterreichis 
{hen und Eöniglih -preußifchen erfien Be 
vollmächtigten, die Herren Fürften von Mer 
ternih und von Hardenberg, datirt Wien 
ben 2. Sehr. 1815. *) _ 


Seit mehrern Monaten find die Unterzeichneten, ber in dem 
Parifer Friedens » Tractat enthaltenen Aufforderung zu Folge, 





*) Man a biemit die Note derfelben Bevollmächtigten 
Nro. 38. ©. 111, | 





en 


bier anmweiend, und ſchon längft haben fie fich durch Worzeigung 
ihrer Vollmachten legitimirt. 

Bis zu dem gegenwärtigen Nugenbli haben fie fih jedoch 
Teiner einzigen förmliben Mittheilung von Seite der 
hohen deutihen Mächte, welche den Parifer Frieden unterzeichnet 
Haben, zu erfreuen. Diefe Thatſache genügt wohl, um jeden Vor⸗ 
wurf der Uebereilung zu entfernen, wenn die Unterzeichneten 
Ihren zur Zeit noch unbeantworteten, theild gemeinfhaftlic , 
theild von Einigen insbefondere, bereitd am 16. Nov. v. J. dar; 
gelegten Anträgen und Wuͤnſchen, mittelft der gegenwärtigen 
Note inhäriren, und dringend bitten: 


daß der deutſche Congreß, unter gehöriger Zuziehung als 
ler Theile des fünftigen Ganzen, nunmehr baldigit 
möge eröffnet, und auf demjelben die Gegenftände der 
Fünftigen deutſchen Verfaſſung mittelſt frever 
Berathung und Beſchlußnahme, moͤgen verhandelt 
werden. 


Die Unterzeichneten glauben zuverſichtlich, daß nur auf diefe 
Weiſe ein den Erwartungen Deutſchlands entiprehendes Neful; 
tat, fo wie überhaupt eine wahre, innige National s Berbindung, 
herbengeführt werden künne. Wie jede einfeitige Behandlung 
der Gegenftände an und für ſich ſchon wefentlich nachtheilig wer⸗ 
den muß, fo gilt ed vor allen Dingen die Einwirkung allge: 
meinen Vertrauens zur Sache, damit fie gedeihen, und 
zugleich aud den ſicherſten Buͤrgen ihres Beftandes in der eigs 
nen Gefinnung aller Theilnehmer finden möge. 


Die Berfammlung des deutihen Congreſſes fließt vorbe; 
zeitende Bearbeitungen des großen Gegenftandes felbft, und 
der einzelnen Zweige deffelben, durh Deputationen, welde 
durh Wahl aus felbigem hervorgehen, keineswegs aus. 


In dem Augenblit, wo fih alle Stimmen für die Einfuͤh— 
rung fändifher Verfaſſungen, in den einzelnen dentſchen 
Landen vereinigen, Tann man die Wahrheit ald allgemein 
anerkannt annehmen, daß das Gemeinwohl dur ein vielfei- 
tiges, allerdings nad angemeffenen Formen geregeltes Zus 
ſammenwirken beſſer geförbert werde, als durch das abge: 
fonderte Streben von Einzelnen, und daß das Gute und 
Rechte die Mehrheit allzeit am unmwiderftehlichften in Ans 
ſpruch nehme, wo Alles an Gemeinfamfeis erinnert. 


Endlich hoffen die Unterzeichneten durch ihre bisherigen Er: 
klaͤrungen dargethan zu haben, wie bey ihnen bereits über dir 
wejentlihften Punkte völlig Einigung ftattfinde, und du 
‚von Seite ihrer hohen Committenten gewiß freudig die Hand u 
Allem werde geboten werden, was in bem Bunde deutſcher Eier 
ten Einheit, Selbftfiändigkfeit und deutſche Frepheit 
begründen kann. Zuverfibtlih dürfen fie, dem zu Folge, it 
vollen Gewährung meer gerechten und billigen Anträge entgeges 
ſehen. 

Die ——— ergreifen %, 

Wien, am 2. Februar 1815. — — 


Anmerkung. 


Diefe Note iſt von denſelben Bevollmaͤchtigten znterfchrieben, 
wie die unter Nro. 38. abgedrudte Note vom 16. Nov 1814; 
nur mit dem Underſchied, daß 

1) die Unterfchrift des oraniensnaffauifden oder naffau: 
oranien s dieziſchen Bevollmächtigten, Freyhertn von Gagern, 
fehlt, dem Vernehmen nad) deswegen, weil der Fürft von 
Dranien unterdeffen auf feine deutſchen Belifungen, wer 
nigftens bedingungmeife, Merzicht geleitet babe; 

2) daß zwey großherzoglih:badifche Bevollmaͤchtigte, Erhr. 
von Marfhall;Biberftein und Frhr. von MEERONE: 
diesmal mit unterfchrieben haben; 

3) daß jest aub ein herzoglich Holbenbargiföer Beh 
mäctigter, Herr von Malzahn, mit unterfchrieben bat. ı 

aydap, was die Ordnung der Unterſchriften betrifft, bie 

Bevollmächtigten des Großherzogs von Baden zueri 

unterfhrieben haben; dann folgen die Unterfchriften der ber 

zoglihen, fürflihden und ftädtifhen Berolimäs 
tigten , indgefammt nah alphabetiiher Ordnung ihrer Hör 

. und Committenten; endlih ftehen ganz zulest die Unten 
foriften der Bevollmächtigten des Großberzogs va 
Heſſen und des Churfürfien von Hefien. 


- 137 r 


59. 

Mittheilung Note der Bevollmächtigten der 
32 vereinigten unabhängigen deutfhen 
Fürften und freyen Städte, an den fünig« 
lich⸗ großbrisannifc) s bannöverifhen erfien 
Bevollmächtigten, Herrn Grafen v. Münfter, 
datirt Wien den 2. Februar 1815. 


Die Unterzeichneten haben die Ehre, Sr. Ercellenz dem koͤnig⸗ 
Lich » geoßbritanniich s bannöverifhen Herren Staats: Minifter Gras 
fen von Münfter, in Folge ihrer frühern Mittheilungen, auch 
diejenige Note abſchriftlich zugeben zu laſſen, welde fie nunmehr 
weiter an die Herren Fürften von Metternih und von Harz 
denberg zu richten fich bewogen gefunden haben. 

Sp wie die Unterzeichneten von der Gerechtigkeit ihrer 
Anträge überzeugt find, fo rechnen fie num defto zuverfichtlicer 
auf die Fräftigfte Beförderung derſelben auh von Seite Er. Ers 
cellenz des Herren Grafen von Muͤnſter. 

Die Unterzeihneten ergreifen mit Vergnügen diefe Verau⸗ 
lafung, Sr. Ercellenz die DVerfiherung ihrer ganz vorzügligen 
Hochachtung zu ernenern, 

Wien, am 2. Febr. 1815. 

(Folgen dieſelben Unterſchriften, wie in der Anmers 

| fung zu voriger Nummer angezeigt ift.) 





' 60, 

Antwort des Föniglich- großbritannifch Hann de 
verifhen erſten Bevollmächtigten, Herrn Gra⸗ 
fen von Münfter, auf vorftehende Mittheilung- 
Mote, datirt Wien den 7. Febr. 1815. 


indem der Unterzeichnete den Herren Bevollmächtigten vers 
fhiedener Fürften und Stände für die unterm 2. d. M. ihm ges 
machte Mittheilung der von Ihnen den Herren Fürften v. Mets 
ternih und v, Hardenberg übergebenen Note feinen gehorfams 


— 188 — 


ſten Dank abſtattet, und dieſe Mittheilung als einen neuen Br 
weis Ihres ihm gegoͤnnten ſchaͤtzbaren Zutrauens anſieht, muf 
er ſich auf die Verſicherung beſchraͤnken, daß ihm nichts ermänid- 
ter ſeyn werde, als nach endlicher Beſeitigung derjenigen Hinder 
niſſe, von denen es den Herren Bevollmaͤchtigten ſelbſt nicht w 
bekannt bleiben können, daß fie die Fortſchritte in Wearbeitun 
der bdentihen WVerfaflung s Angelegenheiten verzögert haben, a 
Zeitpunft recht bald wieder eintreten zu fehen, wo es mög 
feyn wird, duch gemeinfhaftlide Beratung zu dem allgeme: 
gewuͤnſchten Zwed der Fefthaltung einer das Beſte der deutiden 
Nation begründenden Verfaffung gelangen zu können. 

Der Unterzeihhnete ergreift mit Vergnügen diefe Veran 
laffung, um den. Herren Bevollmächtigten die Verſicherung feiner 
ganz vorzugliben Hochachtung zu erneuern, 

Wien, den 7. Februar 1815. 
Graf von Münfer. 





61. 


Mote der Eöniglih » preußifhen Bevollmaͤch— 
tigten an den Faiferlih = öfterreihtifhen er 

ſten Bevollmächtigten, Herrn Fürften von Mer 
ternich, betreffend eine Einladung an die 3: 
vereinigten deutfhen unabhängigen Fürften um 
freyen Städte, den Conferenzen über die deur 

ſchen Angelegenheiten duch eine Deputation bey 
zumohnen, datirt Wien den 4. Febr. 1815. 

Des Heren Fürften von Metternich fürftlide Snaden wer 
den unftreitig die Note empfangen haben, in welcher die Benob 
mäcdtigten der deutihen Fuͤrſten und Stände unterm 21. De. 
darauf anfragen, daß der deutſche Congreß nunmehr baldigft moͤet 
eröffnet, und auf demfelben die Gegenftände der künftigen deus 


ſchen Verſaſſung, mittelft freyer Berathung und Beſchlußnahme, 
verhandelt werden. 


— 189 — 


Die Unterzeichneten haben bereits dem Herrn Fuͤrſten von 
Metternich muͤndlich ihren lebhaften Wunſch geaͤußert, daß nu n⸗ 
mehr die Angelegenheit der deutſchen Verfaſſung wieder 
in Berathung genommen werde, und ſie werden ſich die Ehre 
geben, St. fuͤrſtlichen Gnaden unverzüglich diejenigen Vorar— 
beiten mitzutheilen, welche fie zu diefem Entzwed entworfen 
haben, Sie find aber zugleih der Meinung, daß wenn es bie: 
ber Gründe geben konnte, aus welden eine Berathung unter 
wenigern Fürften vorgezogen wurde, dieſe jetzt, mo fi die 
Gefinnungen deutliher und auf eine in fehr vieler Ruͤckſicht er: 
freulichere Weile ausgeſprochen, und mande von einander abs 
weichende Anfichten ausgeglichen haben, hinwegfallen. 

Sie hegen daher die lebhafte Ueberzeugung, daß, im ge 
genwärtigen Augenblide, das Zuſammenwirken aller 
dentfhen Fürften und Stände nur wohlthätig für deu 
Erfolg ſeyn könne, und fie dürfen mit Recht vorausießen, dag 
aud dem kaiſerlich⸗ öfterreihiihen Hofe, wie dem ihrigen, 
vorzüglich daran gelegen ift, die Berfafiung, welche ganz 
Deutſchland aufs Neue innig vereinigen fol, mit fo viel mög 
lich in allen Puncten übereinffimmenden Meinun: 
gen hervorgehen zu laffen,. und ihr Dadurch eine noch wärmere 
Theilnahme ihrer künftigen Mitglieder zuzuſichern. r 

. Die Unterzeihueten ftimmen daher mit voller Ueberzeugung 
dafür, daß von dem Augenblide an, wo die Berathungen über 
die fünftige deutihe Verfaſſung wieder anheben werden, au 
Diejenigen deutſchen Fürften und Stände, welde bid- 
ber feinen Theil daran genommen haben, eingeladen werden 
mögen, denſelben dur eine von ihnen felbit gewählte, 
und mit gehöriger Vollmacht verfebene Depntation (da wohl 
nur durch dieſes, in der Note der Fuͤrſten bereits angedeutete 
Mittel Berathihlagungen unter einer jo großen Anzahl von Bes 
vollmaͤchtigten möglich wäre) bepzutreten. 

Indem fie den Heren Fuͤrſten v. Metternid ergebenft er: 
ſuchen, ihnen hierüber aud die Meinung des kaiſerlich-oͤſt e r⸗ 
reibifhen Hofes baldigft mitzutheilen, benußen fie diefe Gele 
genheit ıc. 


Wien, am 4. Gebr, 1815. 
i ⸗ Fuͤrſt v. Hardenberg. 


Frhr. v. Humboldt. 





— 100 — 
62. 


Antwort des kaiſerlich-oͤſter reichiſchen erſten 
Bevollmaͤchtigten, Herrn Fürften von Mett er— 
nich, auf vorſtehende Note der Eöniglich « preu- 
"if hen Vevollmaͤchtigten , datirt Wien dem 9. 


Februar 1815. 


Der Unterzeichnete hat die Ehre gehabt, die Note zu erhal: 
ten, weiche die Föniglihens preupifhen Herren Bevollmäd; 
tigten am Congreß, am 4. d. M., an ihn, in Beziehung auf die. 
deutfchen Angelegenheiten , erlaffen haben. Er theilt mit denfel: 
ben volfommen den Wunid, daß an der Begründung der Fünfs 
tigen deutichen Verfaſſung ohne weitere Verzögerung gearbeitet 
werden möge, und es bedarf wohl feiner neuen Verfiherung feis 
ner Seite, um die aufrichtige und lebhafte Theilnahme feines 
allerhoͤchſten Hofes an dieſen wichtigen Angelegenheiten au den 
Tag zu legen. 

- Was die Zuziehung derjenigen Fürften und Stände, welche 

bisher an den Berathungen feinen Theil genommen haben, bes 
trifft, fo iſt Unterzeichneter uͤberzeugt, daß eine Zuſammenwir⸗ 
kung aller deutſchen Stände zur Etreichung des ‚gemein; 
ſchaftlichen Zwecks, naͤmlich einer dem Bedüuͤrfniß aller deutſchen 
Staaten entſprechenden Verftaſſung, nicht nur möglib, fons 
dern unbedingt nothwendig fev, fo mie auch fein allers 
hoͤchſter Hof die einftweitige Berathung zwiſchen ‚den mächtigeren 
Ständen nur als eine Vorbereitn ng in dieſer Angelegenheit 
von jeher angeſehen hat. 

Indem der Unterzeichnete den von den koͤniglich⸗ preußiſchen 

Bevollmaͤchtigten ‘in Ihrer verehrlichen Note vom 4. d. M. am: 
gekuͤndigten Vorſchlaͤgen mit Vergnuͤgen entgegenſieht, benutzt er 
dieſe Gelegenheit, Ihnen die Verſicherung ſeiner aufrichtigen 
Hochachtung zu erneuern. 

Wien, am 9, Febtuar 1815. 

Fuͤrſt v. Metternich. 


— 


—— 


⸗ — 191 — 


| 63. £ 
Königl. Baier. Patent, die Vefißergreifung des 
Großherzogthums Würzburg berreffend. 

Mir Marimilian Sofeph, von Gottes Gnaden König 
von Baiern ꝛc. ıc. Entbieten Allen Geden, welche dieſes leien, 
oder lefen hören, Uniere Gnade und Unfern Gruß und fügen deus 
felben zu wiſſen: Da nad) einer zwiſchen Sr. Maj. dem Kaiſer 
von Deftreih und Uns gefchloffenen freundſchaftlichen Hebereinfunft, 
bas Großherzogtum Würzburg in feinem dermaligen Umfange und 
Gränzen, fo wie es von Sr. kaiſerl. Hoheit, dem Heren Großbers 
zog beieffen worden ift, nunmehr Uns, Unſern Erben und Nach—⸗ 
kommen dergefialt zugeeignet werden foll, daß daffelbe auf ewige 
Zeiten Uns angehören und bei Unferm Föniglihen Haufe und dem 
Königreibe Baiern verbleiben, auch Wir und Unfere Nachfolger 
darin alle ſolche Souverainetaͤtrechte, wie jie bisher dort ausgenbt 
worden find, oder welche nad der Ah der Souverainerät aus⸗ 
geübt werden fünnen, eben fo, wie in Unfern andern Staaten ge: 
ſchieht, befisen und ausüben follen, fo haben Wir befchloffen, nun 
mehr von genanntem Großberzogthum, allen feinen Orten, Zubes 
hörden und Zuftändigkeiten Beſitz nehmen zu laffen und die Regie— 
zung darin anzutreten, Wir thun folhes Fraft des gegenwärtigen 
Patents, und verlangen biernad von der Geiftlichkeit, dem Adel, 
den Zehenleuten, den Civil» und Militärbehörden, den Magiftra: 
ten der Städte und von fämtlihen Einwohnern und Unterthanen, 
weſſen Standes und Würde fie fepn mögen, hierdurch jo gnädig als 
ernftlich, daß fie fich Unferer Regierung unterwerfen, Uns von num 
an als ihren rechtmäßigen König und Landesherrn anfehen und er- 
fennen, Uns vollfommenen Gehorſam und alle Unterthaͤnigkeit und 
Treue erweifen, und fobald Wir e8 erfordern werden, die gewoͤhn— 
lihe Erbhuldigung leiften. Wir ertheilen ihnen dagegen die Ver 
fiberung, daß Wir ihnen mit landesväterliber Huld und Gnade 
allezeit zugethan ſeyn, allen Schuß angedeihen laſſen und über; 
haupt der Beförderung ihrer Wohlfahrt unermuͤdet Unfere Vors 
forge widmen werden. ‚Wir haben die Beſitznahme des gedachten 
Großherzogthums Würzburg Unferm Feldmarfchall, wirflihen Ges 
heimenrath, Nitter Unſers Hausordeng vom heiligen Hubert, Groß: 
frenz des Militär: Mars Jofephordene, des Civilverdienftordens 
der baierifchen Krone, des k. k. oͤſtreichiſchen St. Leopold, des fais 
ferl. rufjihen St. beat, : Nlerander: Newäfy: und des St. Ges 
orgen, dann bes königl, preußifchen ſchwarzen Adlerordeng, Koms 


\ 


mandeur des k. k. öftreihiihen Marien Therefienordens, Großoffi⸗ 
ier der der k. franzöfif. Ehrenlegion, Karl Philipp Fürften Wrede 
J———— und erwarten, daß ſaͤmtliche Einwohner und Unterthanen 
den durch ihn in Unſerm Namen ausgeſprochenen Anordnungen die 
ſchuldige Folge, leiſten werden. Wir ſetzen dabey feſt, daß alle gegen⸗ 
wärtig im erwähnten Großherzogthum angeftellten Beamte und Be: 
dienftete vor der Hand in ihren Funktionen verbleiben und ihre Amts: 
verrichtungen nah dem bisherigen Sefhäftsgange und den befteben: 
den Vorſchriften dergeftalt fortfeßen, daß fie Unferer Gnade und Uns 
fers fernern Vertrauens würdig bleiben. Zur Urfunde deffen baben 
Mir gegenwärtiges Patent eigenhändig vollzogen, und mit Unferm 
koͤniglichen Inſiegel beftärfen laffen. 

So' gegeben in Unirer Haupt: und Reſidenzſtadt München, am 
19. Yung, nad Ehrifti Geburt Im Eintaujend ahthundert und vier: 
zehnten, Unjerd Reichs im neunten Jahr, 

Mar Joſeph. Graf v. Montgelas, 

Auf koͤniglichem allerhoͤchſten Befehl | 

? der Generals Sekretär v. Banmüller. 


64 | 
Großherzogl. Würzburgifches. Regierung -Abtrittßs 
Patent. 


Bir Ferdinand, von Gottes Gnaden kaiſerlicher Prinz von 
Oeſtreich, Eönigl. Prinz von Ungarn und Böhmen, Erzberzog von 
Deftreih, Großherzog zu Würzburg und in Franfen Herzog xc.ıc. In 
Traft des zwiſchen Sr. kaiſerl. koͤnigl. apojtol. Mai. uud Sr. fönigl. 
Maj.von Baiern abgeſchloſſenen Vertrags vom. 3. Jun. 1.%. geht das 
von Ung zeitber bejeffene Großberzogtbum Würzburg an Se. Fönigl. 
Maj. von Baiern nber. Der Zeitpunkt für die wirflibe Abtretung 
dieſes Landes tft num angefommen. Wir machen daber dieſes bier; 
durch Unſern bisher getrenen Lehnleuten, Dienern, Mediaten, Kors 
porationen und fämtlichen Unterthanen des erwähnten Großherzog; 
thums befannt, und indem Wir fie ber gegen Uns aufgehabten Zebne: 
Dienſt- und Unterthans-Pflichten förmlich und feyerlich entbinden, 
auc damit anden neuen Negenten verweilen, wollen Wir die leßtere 
Uniter Regierungbandlungen in bemeldtem Großherzogthum mit 
Danfnehmiger Erkennung der Uns und Unferm Hauſe bewieſenen 
Treue, Unbänglichkeit und Gehorjam befchließen und koͤnnen vonder 
bewährten biedern Denfungart fämtliher wuͤrzburgiſcher Diener 
und Unterthanen mit vollem Rechte erwarten, daß fie Sr. Mai. dem 
Könige von Baiern und feinem königlihen Haufe mit gleiher Treue 
und Gehorſam ergeben ſeyn werden. ' 

Gegeben, Wien den 21, Juny, 1814. 

Ä Ferdinand, | 





Ä 65. 

Erklärung, unterm 18. Suny in London von 
Sr. Maj. dem König von Preußen audges 
ftelle, über die Verfaffung, Rechte und Frey: 
heiten des Fuͤrſtenthums Neufchatel. 


Wir Friedrih Wilhelm III, von Gottes Gnaden Kö: 
nig von Preufen-ic. Die Stege, welche die göttlihe Vorfehung 
Uniern Waffen verliehen hat, gewährten Unſerm Herzen die hoͤchſt⸗ 

‚angenehme Befriedigung, treue und geliebte Völker auf Immer 
an Unire Herrfchaft zu Inüpfen, welde -Unferm Haufe entweder 
mit Gemalt entriffen, oder, um größeres Unglück von ihnen 
abzuwenden, pon Uns abgetreten wurden. ine folhe Genugs 
thuung gewährt Uns vorzuͤglich die Ruͤckkehr der gluͤcklichen, ein 
Sahrhundert durch mit gegenieitiger Zuneigung zwiſchem dem Fürs 
ften und feinen Untertbanen beftandenen Merbältniffe. Ueber: 
zeugt, daß der Wohlftand, welchen euer Kunftfleiß und eure Ans 
firengungen einem von Natur wenig fruchtbaren Zande verfchafft 
haben, nicht allein. Folge einer väterlihen Verwaltung, fondern 
aucd einer wohlberechneten Verfaſſung und der durch Unfere Bor 
fahren zu verfchiednen Zeiten ertheilten Frevheiten- und Freplais 
{ungen waren, haben Mir eine Prüfung diejer letztern vorneh— 
men laffen, in der Abficht, denielben eine neue Gemwährleiftung zu 
ertheilen und nur in jolben Punkten darin Abänderungen vorzus 
nehmen, die mit den gegenwärtigen Vorſchritten der Eivilifation und 
mit den engern Berhältniffen, welche zwiſchen dem Fuͤrſtenthum 
und der fchweizerifhen Eidgenoflenihaft fratt finden werden, uns 
verträglich find; Wir haben demnab die gegenwärtige Erfläs 
rung ausgeftellt, welhe Wir treu zu halten und zu beobachten 
verheißen, und welcher alle Könige von Preußen, Unfere Thronfols 
ger, als fouveraine Fürften von Neufchatel, nachzukommen vers 
heißen werben, indem fie nach ihrer Thronbejieigung und in Ges 
mäßheit alter Uebung die gegenfeitigen Eide leiten. Wir erklaͤ— 
ten demnad): | | 5 

1) Daß Wir und Unſere Nachfolger, die Könige von Preus 
fen, unter Unferer anmittelbaren Herrichaft behalten werden das 
‚fouveraine Fuͤrſtenthum Neufchatel mit allen feinen Zubehören, 
Pertinentien, Domänen und Einfünften jeder Ars, um ſolches im 

Codex Diplomäticus. (Eur, Annal. 1815.) 13 


“feiner volltommenen Unabhängigfeit , Unveräußerlichfeit und Um: 
theilbarteit zu bebalten, ohne daß ſolches koͤnne verringert, ober 
zu irgend einer Zeit einem jüngern Prinzen als Leitgeding über 
laſſen, noch als Lehen oder Afterlehen, am wen es immer wäre, 
oder auf welche Weiſe ſolches geſchehen fünnte, übertragen werden. 


2) Die frepe Ausübung der protejtantifhen und der Farbolis 
{hen Religion, über bie Wir Uns fürmlih Unfere Obergemelt 
(notre droit de suprematie) vorbebalten , fol von Uns und 
Unfern Nacfolgern, ohne. Ruͤckſicht auf Wohnort, erhalten um 
geſchuͤtzt bleiben; die” proteftantiihe Religion unter der Zeitung 
und Gewalt der Verfammlung der Pfarrer und der Konjifterien. 
Wir beftätigen hier alle von jener Berfammlung (Compagnie) et: 
worbenen Rechte, und insbefondere dasjenige, die Pfarrer zu er 
nennen, fie in ihren Verrichtungen einzuftelen, zu entießen und 
abzuändern, und über Gegenftände, welde die Geiſtlichkeit be 
treffen, zu urtheilen. Die fatboliihe Rellgion ftebt in Allem, 
was Ordnung und Diseiplin betrifft, unter der Leitung und &e 
walt des Biſchofs von Lauſanne. 

3) Jeder Unterthan und Bewohner des Fuͤrſtenthums kann, 
ohne dadurch fein Buͤrgerrecht in diefem zu verlieren, nnd mit 
der Befugniß, jederzeit, warn er will, nad Haufe zurüctkehren 
zu koͤnnen: a) das Fuͤrſtenthum ungehindert verlaffen, zum Be— 
huf von Meifen fowohl, als für auswärtige Niederlafung; b) in 
Kriegsdienft einer fremden Macht Treten, wenn anders dieſe ſich 
mit dem Souverain, in feiner Cigenihaft ale Kür von Neufcha⸗ 
tet, nicht im Kriege befindet. Werbungen dürfen, ohne dafür er 
theilte Bewilligung des Färften, nicht fiatt finden. 


4) Der nicht Landesunterthan und im Fuͤrſtenthum amfäflig 
ift, kann keine Givils oder Militärftelle befleiden. Die Stele 
des Gouverneurs it von diefer Beſtimmung allein ausgenommen. 
Gleichmaͤßig find diejenigen von Staatsbedienungen ausgeſchleſ— 
fen, welche Aemter und Stellen im Dienft eines andern Fuͤrſten⸗ 
oder fremden Etaates befleiden. Die Patente der Staats beam⸗ 
ten, oder der Mitglieder der Gerichtsſtellen und Notarien, mit 
Ausnahme der Gerichtsboten, ſollen die Beſtimmung enthalten, 
daß dieſelben ihre Stellen ſo lange behalten werden, als ſie ſich 
wohl verhalten, ſo daß ſie nicht dürfen entſetzt werden, außer 
in Folge fattfam erwieſener Verbrechen, Verwaltunguntreue, 
ſchlechter Aufführung, oder offenbarer Unfähigkeit. Diefer Arti 


* 


! 


‚ Bel fol in Bezug auf das Militär diejenigen Ausnahmen erleiden, 


welche durd die Verbindung mit der Schweiz erforderlich werden. 

5) Die vollfommene und gänzlihe Handelsfrepheit: im Lande 
und auswärts wird den Unterthanen und Einwohnern des Fuͤr⸗ 
ſtenthums zugeſichert, ſoweit ſolche den Verpflichtungen nicht zu⸗ 
wider laͤuft, welche der Eintritt des Landes in den Bund der 


ſcdweizeriſchen Eidgenoſſenſchaft mit ſich führt. Wir behalten Uns 


das Recht vor, die erſorderlichen Polizepvorfchtiften zu ertheilen, 
An Hinfiht auf den Verkauf folber Gegenftände, welche die Si— 


— em 


N 
J 


cherheit des Staates gefährden Fönnten, und eben fo, im Fall das 
Öffentlihe Wohl ſolches erheiſcht, die Ausfuhr von Lebensmitteln, 
oder Gegenftänden erfier Nothwendigkeit, ju verbieten. 

6) Der wirklibe Status quo in Bezug auf Rechtsordnun⸗ 
gen und Verwaltung wird in allen feinen Theilen beftätigt, und es 
fol derjelbe anders nicht, als entweder durch den Willen des Fürs 
ften, oder durch das Geſetz, je nachdem es der Fall mit ſich bringt, 
verändert werden dürfen. Es foll insbefondere durch die Audien⸗ 
zen für die Aufftellung eines einzigen Appellationgerichte im Für 
ſtenthum gejorgt werben, 

7) Die Volizepordnungen gehen vom Fürften aus, und fol 
len unmittelbar im ganzen Stagt befannt gemacht und vollzogen 
werden, Die Bewilligungen, kraft welcher Korporationen oder 
Gemeinden die Polizey ausüben, bleiben jederzeit Unjerer Ober 
aufſicht unterworfen. | 

8) Wir beftätigen ausdruͤcklich das Uns zuftehende echt, 
Uns, fo oft wir es dienlich erachten, in den Verſammlungen aller 
Staatskorporationen ohne Ausnahme repräfentiren zu laffen. 

9) Kein Unterthan oder Einwohner des Fuͤrſtenthums barf 
in Verhaft gebracht werden in Neufchatel, ohne eim Urtheil der 
Duatre + Miniftrans und in den übrigen Gerichtsbezitlen, ohne 
ein durch wenigſtens fünf Richter an dem Gerichtshofe des Drtes, 
wo das Vergehen begangen war, unterzeichnetes Mandat. Wenn 


einer auf friiher That ergriffen, oder wegen eines fehr hohen Vers 


dachtes angehalten ward, ſo darf ein folder proviforifcher Ders 
haft nicht Sänger ald dreymal vier und zwanzig Stunden dauern. 


Nach Verfluß derfelben ſoll der Beilagte entweder frepgelaften, oder 
gefangen gefegt werden, infofern das Letztere durch den Getichts⸗ 
hof verfügt it. Das Vermögen eines Beklagten darf inter kei⸗ 
nerley Vorwand, ganz oder theilweife, weder eingezogen noch fes 


— 196 Eau » 
queſtrirt werden, ſo lange —— nicht richterlich nn und 
verfällt iſt. 

10) Keine Abgabe, oder neue Auflage, unter welbem Namen 
und Titel es feyn mag, darf anders ald vermöge eines Geſetzes 
erhoben werden; die allgemeinen Aenderungen, welbe man mit 
den gegenwärtig ichuldigen und bezahlten Abgaben vorzunehmen 
nöthig erachten möchte, follen gleichfalls durch Geſetze augeordnet 
werden. Diefer Artikel findet feine Anwendung auf Die durd 
Polizeyordnungen angeordnete LKeiftungen und Abgaben. 

11) Ale Untertbanen und Einwohner des Fürftentbume 
Neufchatel, obne Ausnahme, find von ihrem ısten bie in ihr 
softed Jaht waffendienſtpflichtig; fie fünnen aber in wirklichen 
Dienft zu feinem andern Zwed gerufen werden, als für die Er: 
haltung der öffentliden Ordnung, für die Landesvertbeidigung 
und für die Erfüllung der Vorkommniſſe, welche das Fürfiemtbum 
mit der Schweiz.verbinden. Die Milizen ftehen fünftig unter uns 
ferer alleinigen Oberaufſicht; fie follen von nun an nur einerlev 
Sahne und Kofarde haben, und jede diefem zuwider laufende Be; 
willigung wird hiermit ausdruüdlich von Uns aufgeboben. Wir 
behalten Uns vor, durch eine befondere Ordonanz Alles, was den 
Militärdienft betrifft, zu reguliren, und es follen die Beftimmungen 
berielben den Verhaͤltniſſen angepafit werden, welche Unfer Kür 
fienthum mit der ſchweizeriſchen Eidgenoſſenſchaft eingehen wird. 


| 12) Wir behalten Uns hinwieder vor, in Kraft einer mit Uns 

ſerm Fürftentpum Neufchatel zu fließenden Kapitulation, ein 
Bataillon Truppen in Sold zu nehmen, das zu Unferer Garde 
gehören und mit ihr gleihe Vorrechte genießen foll; ed wird dair 
felbe 400 Mann betragen und Unfer Gtaatsrath von Neufchatel 
bat Uns die dabey onzuftellenden Offiziere zur Genehmigung vors 
zuihlagen, mit Ausnahme des Kommandanten, defien Ernem 
nung Wir Uns felbit vorbehalten. Ueber die freymwillige Werbung 
und über die Bildung diefed Bataillons foll ein bejonderer Wer 
trag geſchloſſen werden. 

13) Das bewegliche und unbeweglihe Eigenthum der Korper 
Tationen, der Unterthanen und Einwohner darf durch Feinerlep 
Eingriffe verlegt werden. Wenn nach dem Befinden des Fürfien 
für Gegenftände öffentliben und allgemeinen Vortheils die Bers 
fügung über irgend ein Eigenthum nothwendig wird, fo fol dess 
bald mit dem Beſitzer gurlich unterhandelt und bey ſich ergebenden 


Trage — 


Schwierigkeiten eine gerichtlihe Schäßung bed Gegenftandes vor: 
jenommen werden. 

14) Um Unfern getreuen Unterthanen einen neuen Beweis 
Iniers Wohlwollens und Unferer Zumeigung zu ertheilen, haben 
Wir beihloffen, die allgemeinen Audienzen-(audiences generales) 
vieder als Gefeßgebende Behörde und Nationalverfammlung bers 
‚nftellen und die Stellvertrerung jedes Bezirks nach feiner. Wich⸗ 
igfeit und Bevölkerung feſtzuſetzen. Die Bildung und die Ats 
ribute der Audienzen ſollen in einem befondern, mit Unferer Uns 
erſchrift verſehen Reglement enthalten ſeyn. 

15) Alle Geſetze, Befteyungen, Frepheiten, wohlhergebrach⸗ 
e Uebungen, geſchriebene und nicht geſchriebene Urkunden und 
Bewilligungen, die der gegenwärtigen Erklaͤrung nicht zuwider 
aufen, find bepbehalten und beftätigt. 


Gegeben in 2 ondon, am 13. Brahmonat ded Gnaden⸗ 
ahrs 1314. 
(Untery ) Sriedeid Wilhelm, 
Der Fuͤrſt v. Hardenberg. 


Heutigen Tags, am 2. Heumonats ı814., In der im Schloß 
son Neufchatel gehaltenen Rathsverſammlung ift gegenwärtige 
öfiglihe Erklärung, in Gegenwartder Vaſallen, der Staatsbeam; 
en, der Deputirten, der Geiſtlichkeit, der Bürgerfchaften und Ges: 
neinden verlefen, und hernach in die Protokolle bes Mathe einges - 
chrieben und nah Form und Inhalt anerkannt worden. Ach, der 
Kanzler des Koͤnigs in feinem fouverainen Fuͤrſtenthume, wat das 
ep zugegen, — | 
(Unterz.) Sandgz : Travers. 





66. 
Koͤnigl. Bayer. Patent, die Abtretung der gefuͤrſte⸗ 
ten Grafſchaft Tyrol betreffend, 


Mir Marimilian Joſeph, von Gottes — König 
on Bayern x. ꝛ⁊c. In Folge einer mit des Kaiſers von Deflers 
eich Mai. getroffenen freundfchaftlichen Uebereinkunft, geht die 
von Und und Unjerm koͤnigl. Hauſe feirher- befeflene gefürfiete 


| | —.198 — 
Grafſchaft Tirol in dem Umfange und Grängen, wie ſolde u 


dem Preßburger Frieden an Uns gefommen ift, an Se. Majrkü 


dem Kaifer von Defterreich über. Wir eröffnen diefes bierdurs 
Unfern Lehenleuten, Dienern, Mediatforporatiosten und (dmmi: 
lichen Unterthanen des erwähnten Landestheiled, und indem & 
fie der gegen Und und Unſer koͤnlgl. Haus aufgehabten Lebens, 
Dienft s und Unterthans : Pfithten förmlich und feverlich entin 


den und damit an den neuen Megenten unbedingt verweifen, æ 


fließen Wir die legte Unferer Negierungbandlungen im gedee 
tem Randestheile mit der Werfiberung, daß Wir deſſelben m 
wohnern mit fönigliher Huld und Gnade in andern Wegen kw 
gethan zu bleiben jederzeit vermeinen. 

Gegeben in Unferer Haupt » und Reſidenzſtadt Münden, 
am ı9. Jun. nah Chriſti Geburt im Eintauiend achthundert zul 
vierzehnten, Unfers Reiche im Neunten Jahr. 


Mar Joſeph. Straf v. Montgelas. 


Auf Föniglichen allerhöchften Befebl 
der Generaliectetait d, Baumüller. 


/ 





; . 6% | 
Königl. Baier. Patent , bie Abtretung ber Worar 
bergifchen Herrfchaften betreffend. | 


Wir Marimilien Joſeph, von Gottes Gnaden Kin 
von Bayern ıc. 2c.. Yu Folge einer mit des Kaiferd von Deo 


reich Mai. getroffenen freundfhaftlihen Lebereiutunft geben 


von Und und Unſerm königl. Haufe feither beſeſſenen Vorariberr 
{hen Hereihaften in dem Umfange und Stänzen, wie folche m. 
dem Prefburger Frieden an Uns gelommen find, mit Ausnate 
des Amtes Weiler, an Se. Majeftät den Kaifer von Dejterri 
über. Wie eröffnen diefes hierdurch ıc. ꝛc. 


(Alles Uebrige ift mit dem vorigen gleihlautend). 





68. = 
lebergabs = Patent des Großherzogthums Wuͤrz⸗ 
burg an Bayern. 


Wir Heinrib XIII. von Gottes Gnaden fouverainer Fürft 
Reuß, Graf und Herr von Plauen, Herr. zu Graiz, Cranichfeld, 


Hera, Scleitz und Lobenſtein sc. ıc., des koͤnigl. ungariſchen St, 


Stepbansordens Großfreug, kaiſerl. koͤnigl. oͤſterreichiſcher Ges 
ıerels Feldzeugmeifter und Inhaber eines Faijerl. Lönigl. Liniens 
Infanterie s Megiments ıc. ıc. General » Gouverneur der Groß: 
yerzogtbümer Würzburg und Franffurt, fo wie des Fuͤrſtenthums 
Dienhurg. Nachdem durch die von Ihro Faiierl. Fönigl. apojiolis 
ben Majeſtät von Defterreich ausgeftellte allergnädigite Vollmacht 
Il. d. Wien den 20. Juny 1814 Une der allerböhfte Auftrag ers 
heilt worden ift, daß an Idrto kaiſerl. königl. apoſtoliſche Mai. 


wi Defterreih von Sr. kaiſerl. fönigl. Hoheit dem Erzherzoge 


Zroßherzoge von Würzburg zur freuen Diepofition abgetretene 
Sroßherzogthbum Würzburg, do wie daſſelbe von Sr. kaiſerl. 
dnigl. Hoheit befeffen worden ift, zu übergeben, demnädft aber 
ın den von Seite Sr. Majeftät- des Königs von Bavern dazu 
ehoͤrig bevollmaͤchtigten Herrn Kommiſſaͤr nah dem Wortlaute 
nd in dem Sinne des ziventen Artifeld bed am 3. Jun. a. o. 
n Paris abgeſchloſſenen Staatsvertrags zu übergeben; und nadhs 
vem zur Uebernahme deflelben von Sr. Mai. dem ‘Könige von 
Bavern der königl. baveriihe Herr General: Feldinariball, wirt; 
ine Geheimerath, Ritter des St. Hubertsordens, Großfreuz 
es Militärs Mar: Jofepbsordens, des Civilverdienftorbend der 
averiſchen ‚Krone, ded kaiſerl. koͤnigl. ofterreihtihen St. Leo—⸗ 
olds⸗ des kaiſerl. ruſſiſhen St. Andreas-⸗, St, Alexander⸗ 
Newsky, und des St. Georgen, daun des koͤnigl. preußiſchen 
chwarzen Adlerordens, Kommandeur des kaiſerl. koͤnigl. öfters 
eichiſchen Marien-Thereſienordens, Großoffiziers der köoͤnigl. 
ranzöfiihen Ehrenlegion ıc. Karl Philipp Fuͤrſt Wrede fuͤrſtl. 
Znaden ernannt worden iſt, endlich auch die großherzoglich wuͤrz⸗ 
urgiſchen Hofs, Civil- und Militair-Staatsdiener ſowohl, als 
Laſallen und Unterthanen, derjenigen Dienſt-, Unterthans⸗ und 
ehnspflichten, mit welchen ſie Sr. kaiſerl. koͤnigl. Hoheit ver: 
vandt und zugethan waren, bereits in Hoͤchſten Gnaden entbuns 
en und entlaflen worden find, wie das unterm heutigen erlaffene 


* 


und öffentlich befannt gemachte Entlaffungpatent bewährt, fo ews 
flären Wir hiermit feyerlih und öffentlih, fraft aufbabender al 
lergnädigfter kaiſerl. koͤnigl. Vollmaht, und in Gemäßbeit der 
uns weiter eröffneten allerhoͤchſt kaiſerlicher Willensmeinung , im 
Namen und wegen Zhrer kaiſerl. tönigl. apoftoliiben Majeitär, 
daß das Großherzogthum Würzburg, fo wie daflelbe von Er. 
kaiſerl. königl. Hoheit dem Erzherzog Großherzog beieffen worden 
it, von St. Faiferl. Fönigl. apoſtoliſchen Majeſtaͤt übernommen, 
und unter nachfolgenden Bedingungen an Se. Majeftät den Koͤ— 
nig von Bayern andurch übergeben worden ſey: 1) daß die auf 
dem Großherzogthume Würzburg fpeciell bypotbezirte Eraste: 
ſchulden an die Krone Bayern übergehen; daß 2) die Krone Bapern 
nicht nur diejenigen Staatsdiener, welde zur innern Vermal: 
tung gehören, inſoweit diefe Beamte in Fonigl. baverifben Staats; 
dienften bleiben wollen, fo wie die aus der innern Verwaltung 
des Großherzogthums herrübrenden Penfionen, fondern aub übers 
banpt und and befonderer Müdficht alle diejenigen geilliben und 
weltliben Hof:, Eivils und Militärbeamte und Diener übernimmt, 
welche aus der großherzoglih Wurzburgiſchen Hof: und Staate: 
kaſſe befoldet waren und in koͤniglich bayerifhen Dienften bleiben 
wollen, desgleihen die auf großherzogl. würgburgiis,e Hofe und 
Staatslaffen angewieienen Penfionen ; daf 3) denjenigen Indivi⸗ 
buen, welche aus dem Großherzogthume Würzburg auswandern wol 
len, fürfich felbftund für ihre Familien ſechs Fahre zur Veräußerung 
ihrer Güter und Fahrniſſe eingeräumt werden, fie jedoch während 
diefer Zeit den dafiir gelösten Betrag ohne Abzug in dad Ausland 
abführen können; daß endlich 4), nahdem Ge. k. k. apoſtoliſche 
- Majeftät die Verbindlichkeit übernommen haben, vom 3. Junp 
an gerechnet, binnen Tahresfrift die auß dem Großherzogthume 
Würzburg gebürtigen no in allerböchften Dienften frehenden 
Militdrindividnen in ihre Heimath zu entlaflen, es aleihwohl den 

Dffizieren und Soldaten frenftehen folle, in kaiferl. fönigl. Diem 
ften zu verbleiben, und fie deswegen weder in Hinficht Ihres Mer 

moͤgens, noch ihrer im Lande bleibenden Familten, einen Scha— 

den oder Nachtheil erleiden follen, So wie wir nun das Groß: 

berzogthum Würzburg auf oben erwähnte Art und uyter vorftes 

benden Bebingungen, kraft der abgeichloffenen Staatsverträge, 

Namens und aus Allerhoͤchſtem Auftrage Sr. kaiſerl. Fönigl. apoſto⸗ 

liſchen Majeftät ſowohl übernommen, als anden Herrn bevollmäd: 

tigten Kommiſſaͤr Sr. Majeftät des Könige von Bapern übergeben 


haben ; als wird ſolches andurch feyerlih und öffentlich Fund 
gemacht. — 
Wuͤrzburg, den 28. Sun. 181% 
Heinrib XIII. Neuß, 
tegierender Fürft von Graiz, kaiſerl. koͤnigl. 
er Öfterreichiiher Generals Feldgeugmeifter. 





69.» 
Kaiſerlich Deſterreichiſches Uebernahms⸗ — von 
Tyrol, vom 24. Juny 1814. 

In Folge einer zwiſchen Sr. kaiſerl. und koͤnigl. apoſtoliſchen 
Majeſtaͤt und Sr. Mafeſtaͤt dem Könige von Bayern abgeſchloſſe— 
nen Uebereinkunft kehrt der bisherige koͤniglich bayeriihe Autheil 
Tyrols mit Ausnahme des Amtes Nils, und Vorarlberg mit Auss 
nahme des Amtes Weiler unter die Herrfchaft des Haufes Oeſter⸗ 
reih zurüd. Se. Majeftät der Kaiſer, mein allergnäbdigfier Herr, 
haben. mid zur Uebernahme diefer Länder in dem Umfange, wie 
fie mit der Krone Bayerns vereinigt worden find, und unter den 
erftgenannten Ausnahmen zu bevollmäctigen geruht. Der ches 
malige königlich bayeriſche Antheil von Tyrol bilder demnach vom 
heutigen Tage an, fo wie Norarlberg vom 24. dieſes, wieder eis 
nen ungertrennlicen Tbeil der öfterreihtifhen Monarchie, mit der 
es ein. halbes Jahrtauſend hindurch ‚unter dem befondern Schnee 
der Vorſehung glüdlich verbunden war. Indem ich hierdurch Fund 
gebe, daß ih Namens Sr. faiferl. und koͤniglichen Majeftät die 
genannten Länder in Beſitz nehme, zeige ich zugleich an, daß die 
feyerliche Befinergreifung und Huldigung der gefammten, nuns 
mehr wieder vereinigten, gefürfteten Grafichaft Tprol nebft Wors 
arlberg, nah Eingang der betreffenden Allerhoͤchſten Patente dems 
nächft erfolgen wird. 

Junsbruck, den 24. Jun. 1814. 

Sr. tälierl. und koͤnigl. apoftolifhen Majeftät 
proviforiicher Landeschef in Tyrol, und 
des kaiſerlich- öfterreichtichen Leopold : Or: 
bend ; Ritter v. Roſchmann. 


— 9202 — 


7°. 

Kaiferlih Defterreichifched Uebergabs + Patent des 
Fürftenthums Afhaffenburg an Bayern, vom 
26. Juny 1814. 

Nachdem das Fuͤrſtenthum Aſchaffenburg vermög 1lebereis 
kunft unter den hohen Maͤchten an Se. kaiſerl. koͤrigl. Maichit 
übergegangen, von Allerhoͤchſtdenſelben aber vermittelſt Staat⸗ 
vertrag vom 3. Juny 1814 an Se. koͤnigl. Maj. von Bapern ab 
getreten worden ift; als werden fämmtlihe zur innern Vermad 
tung des Furftenthums gehörende, ſowohl geiftlihe als mweltlict 
Staatsdiener, desaleichen fämmtlihe Unterthanen und Vaſalen 
ibrer bisherigen Dienfte, Unterthands und. Lebens: Pilichten ar- 
durch feperlich entlaffen. Der Unterzeichnete erfüllt dabey die an: 
genchme Pflicht, ſaͤmmtlichen zum Fürftenthum gehörigen Staate⸗ 
dienern für ihre, während der Civil» Dermaltung des Oro6ßber: 
zogthums .geleiftete Dienfte, bezeugte Treue und Mitwirfung 
zut Sache Deutſchlands feine ganze Zufriedenpeit zu bezeugen. 


Aſchaffenburg, den 26. Junp 1814. 
ee Joh. Alopf. Frhr. v. Hügel. 





| ‚7 - 
Declaration, die Eroͤffnung des Wiener Kongreſſes 
betreffend, vom 7. Suly 1814. 

"Die wichtigen MWerbandlungen de engliiden Parlaments 
und die Unmöglichfeit, : daß der zu dem Miener Kongres be 
ſtimmte erfte Staatsiefretär der auswärtigen Geſchaͤfte ſich ver 
der gänzlihen Beendigung der Parlamentsjikungen aus Euglend 
entfernen fünne; nicht minder der Drang ber Gefhäfte, weld: 
Se. kaiſerl. Majeftät von Rußland verhindert haben warden , Id 
ten Aufenthalt fern von Ihren Staaten in Erwartung der Erif 
‚ uung des Kongrejied noch duch Wochen zu verlängern, baben, 
vermög officieller, aus England eingelangter Nachrichten, Die de 
felbR verfammelten Monarchen und Kabinette. bewogen, die Eröf: 
nung des Songrefies, welche im Laufe des Monats Auguſt in 


— 203 — 


Wien ſtatt finden ſollte, auf dem 1. October dieſes Jahrs feſt⸗ 
zuſetzen. Die ſtete Vereinigung der verbündeten Monarchen, 
welche als die Grundlage des gluͤclichen Ganges des beendigten 
Krieges anzufehen iſt, wird auf die endlihe Ausgleichung der eus 
ropälichen Angelegenheiten denfelben erwünfhten- Einfluß haben. 
Ee. Faiferlich ruffifbe Majeftät, welde den 22. Juny London 


verlaffen haben und fi Aber Holland, den Rhein aufwärts, nah 


Karlörube und dann durch Preußen nab St. Peteröburg begeben; 
werden nach einem dreywoͤchentlichen Aufenthalte Ihre Mefidenz 
abermals verlaffen und fib nah Wien verfügen, woſelbſt Hoͤchſt ⸗ 
fie vor Ende Septembers eintreffen werdet. Alle proviioriich 
befegten Länder bleiben bis zu dem Verfügungen des Kongreiled 
in ihren gegenwärtigen Verhaͤltniſſen. 


x 





72. IJ | 
Mote der bevollmächtigten Kommiſſarien der allüirtert 
Mächte an den Prinzen Chriftian Friedrich von 
Dänemark, den Abtritt des Koͤnigreichs Norwegen 
an Schweden betreffend, v. 7. July 1814. 


Unterzeichnete, jeder von Seiten feines Hofes beauftragt, 
mit einer ganz: befondern Sendung: an Se. königlibe Hoheit, - 
haben .die Ehre Höchftdenfelben folgende offizielle Erklärung zus 
zuftellen; die Abtretung Norwegens, vermöge des Kieler Fries 
denstraftats, ift von den vier mit Schweden alliirten Mächten 
garantirt worden. Diefer mac einer gefunden Politif genehmigte 
Beſchluß tft unwidertunid. Die hohen Alliirten betrahten Nors 
wegens Bereinigung mit Schweden als eine der Grundlagen des 
neuen Gleichgewichtsſpſtems, ald eine Entjchädigung, an deren 
Stelle etwas Andres angenommen werden fann. Die während 
der legten Zeiten in Norwegen ftatt gebabten Begebenheiten, det, 
Miderftand gegen die Beſchluͤſſe Europens, der Vorſatz Sr. koͤnigl. 
Hoheit, fih an die Spige der Wideripenftigen zu fielen, büben 
die mit Schweden alliirten Mächte bewogen, die nöthigen Mittel 
zu ergreifen, diefe Vereinigung zu bewirten. Zu diefem Zwecke 
haben fi Unterzeichnete bey Sr, Fönigl. Hoheit eingefunden. 


— 204 — 


Es iſt ihnen aufgetragen, Hoͤchſtdieſelben von dem uͤblen Einbret 
zu benachrichtigen, welchen Ihr Benehmen auf ihre zefp. Monar: 
den gemacht / hat und zugleich Sie aufzufordern, innerhalb ber 
Gränzen Ihrer heiligſten Pflihten zurüädzufebren und bejiimmt 
zu erflären, daß, im Kal Sie ſich weigern würden, dem allgeme 
nen Wunſche Curopens nahzufommen, welcher Sie nach Därs 
mark zurüd ruft, ein unglüdlier Kampf im Norden ausbrede 
und man gezwungen ſeyn wird, durch die Gewalt ber Waffen m 
erzwingen, was nicht dur den Weg der Güte zu erreichen war. 
Deswegen ftehen die Armeen des Generald von Bennigfen un 
ein preupiiches Truppenforps zur Diepofition Schwedens. Ein 
fo it eine allgemeine DBlofade Norwegens mit Gropbritamir 
verabredet. Zu gleicher Zeit ift der König von Dänemark gegeı 
Die Monarchen, welche ben Kieler Traftat gerantirt haben, bist: 
geſtellt und zwar zuerit über die Nichtbefolgung ſeines Willens 
von Seiten feiner ehemaligen-Untertyanen. In Felge deſſen be: 
ſchloß Se. daͤniſche Majeftät, mit Unterzeichneten gemeinſchaftlich 
zu wirfen und dem Prinzen, welder als KronsErbe undjin der 
Eigenfhaft des erſten Unterthans ein Muſtet ded Geboriams 
feon follte, zu befehlen, zuruͤck zu kehren; indem er durch feiner 
längern Aufenthalt in Norwegen, ald geborner Däne, ſich dei 
Aufruhrs ſchuldig machen würde. Unterzeihnete finden ſich dahet 
veranlaſſt, zu erklaͤren, daß fie nicht Vermittler zwiſchen Schwt 
den und Norwegen find, ſondern vielmehr Waffenherolde, derer 
Pflicht es iſt, darauf zu dringen, daf der von ihren Monarder 
garantirte Traftat von Kiel nad feinem ganzen Inhalte in Ev 
fülung gehe. Sr. föntgl. Hoheit des Prinzen Chrifian befamnt: 
Denfungart, die Geradheit feiner Abfichten,, die allgemeine U 
tung, deren dad Morwegiihe Volt in Europa genießt, und bi 
Wuͤnſche, beyde Reiche ohne Blutvergiefen zu vereinigen, babıı 
inzwiſchen die Unterzeichneten bewogen, einen Bergleich vor 
fhlagen, welcher, mie leicht begreiflich it, nicht in dem Sim: 
ihrer Inſtruktionen lieat. Sie haben eg ſich dabey angelegen ſer— 
lafen, Sr. koͤnigl. Hoheit einen Ausweg ofen zu laflen, ein« 
hohen Poften aufzugeben, auf welden Sie unglüdiide Beitum 
ftände geieht haben, zuuleich aber auch Alles zu vermeiden, mi 
auf’den Charakter Sr. Eönigl. Hoheit und des norwegiſchen Mol 
ein nahtheiliges Licht werfen könnte. Se. Hoheit der Yrin 
Chriſtian Friedrih bat erklärt, daf er fib ohne die Sunimmarı 
des Reichstages anf nichts einlafen Tönne, Um denſelben ja 


\ 


Mathe zu ziehen, flug er einen Waffenſtillſtand vor. Unter⸗ 
zeichnete beeifern fi, diefen Vorfchlag anzunehmen, aber unter 
nachftehenden Grundlagen: 1) Se. Eönigl. Hoheit der Yrinz 
Shriftian verbinden fi gegen den König von Schweden und defs 
fen Bundsgenoſſen, alle Rechte wieder In die Hände der Nepräs 
fentanten der Nation nieder zu legen, welche diefe ihm anvers 
traut hatten, und feinen ganzen Einfluß bey dem Volle aufzubie- 
» ten, um bie Vereinigung Norwegens mit Schweden zu bewirken, 
2) Die Norwegiſchen Truppen follen das Gebiet zwiſchen dem 
Glommen und der ſchwediſchen Gränze räumen, fo wie die Walls 
fiich » Jnfeln, ferner die Feitung Friedrihsftadt mit der Gitadelle, 
Friedrihshall und Königswinger; das Land foll neutral und die 
Feftungen von den ſchwediſchen Truppen beiegt werben. 3) Waͤh⸗ 
rend die Feftungen auf diefe Art beſetzt ‘bleiben, fol die Seeblo⸗ 
fade von Chriftianta, Bergen und Chriftianfand aufgehoben wer; 
den.. Hierauf verlangen Unterzeichnete eine fategorifche Antwort. 


Chriſtiania, den 7. July 1814. 
(Die Unterſchriften der vier Kommiſſarlen.) 





73. 
Friedens-Traktat zwiſchen Daͤnemark und Preußen, 
vom 25. Auguſt 1814. 


m Namen der hochheiligen und untheilbaren Dreveinigfeit. 
Se. Maj. der König von Dähemark und Se. Mai. der König von 
Preußen, gleich bejeelt von dem Wunſche zwijchen Ihren reſpek⸗ 
tiven Staaten Friede, Einigfeit und gutes Vernehmen, die uns 
glüdlicherweiie unterbrochen worden, wieder. herzuftellen, haben 
deshalb ernannt und bevollmäctigt, nemlih Ge. Mai. der König 
von Dänemark den Herrn Chriftian Heinrich Augufi Grafen von 
Hardenberg» Meventlow, Hofiägermeifter, Kammerberrn, 
Großfreu; und Dannebrogsmann, und Se. Mai. der König von 
Preußen den Staatslangler Fürften v. Hardenberg, Großfreug 
und Ritter mehrerer Orden, welche nah Auswechslung ihrer 
Vollmachten, die gut und in gehoͤriger Ordnung befunden worden, 
über folgende Artikel übereingefommen find : 
1) Soll künftig Friede, Freundicaft und gutes Benehmen zwi: 
ihen Sr. Maj. dem Könige von Dänemart und Sr. Maj. dem Könige 


— 200 — 


von Preußen herrſchen. Die beyden hohen kontrahirenden Theil⸗ 
werden die größte Sorgfalt darauf wenden, zwiſchen Ihren rei. 
Staaten und Untertöanen eine volllommene Harmonie zu erhalten 
und Alles forgfältig vermeiden, was die jo glädli wieder berw: 
ftellte Einigkeit verlegen Fünnte. 

2) Alle-Verbältniffe, die zwiſchen Dänemark und Preufen m 
Ihren reip. Unteribanen ftatt fanden, follen, von bem Tage kr 
Unterzeichnung diefes Traktats an zu tehnen, auf den Fuß wicht 
bergeftellt werden, auf welchem fie fih.vor dem legten Kriez 
befanden. 

3) Um den Handelsverhältniffen gwifchen beyden Ländern eine 
größere Ausdehnung zu geben, werden IJ. MW}. unverzäglid 
einen Handeldtraftet abſchließen, der fi auf gegenfeitige ver 
tbeilbafte Beftimmungen gründet, 

4) Die hohen Fontrahirenden Theile beftätigen alle Bejtim 
mungen der proviforifhen Uebereinkunft, die am 2. Junp zu Parie 
unterzeichnet worden und infonderheit Diejenigen, welche feih 
fegen, daß die Neflamationen, welche ihre reip. Unterthanen fos 
wohl gegen die danifhbe ald gegen die preußiihe Negierung ma; 
chen konnten, der Prüfung und Entiheidung einer vermiichter 
Kommiſſion zu übertragen find, welde fih zu dem Ende unmit 
telbar nach der Unterzeichnung des gegenwärtigen Traktats in Su 
penhagen zu verfammeln hat. 

5) Da Ge. Mai. der König von Daͤnemark Norwegen ar 
Schweden abgetreten bat, fo werden Ee. Mai. der König vor 
Preußen, im Verein mit Schweden, Rußland und England, 
Ihre bona officia anwenden, um Sr. Maj. dem Könige vor 
Dänemark, außer Pommern, welches Ihnen von Schweden aba 
treten worden, eine anderweite paffende Entſchaͤdigung zu ver 
ſchaffen. | 

6) Gegenmwärtiger Traktat foll ratifiziet und bie Natificattones 
in Zeit von ſechs Wochen, vom Tage der Unterzeibnung an zu 
rechnen, oder früher, wenn es angeht, ausgewecfeit werben. Zer 
Beglaubigung deffen haben wir Untergeichnete, Kraft unirer Bob 
machten, gegenwärtigen Traktat unterzeichnet und bejiegelt. 

Berlin, den 25. Aug. 1914 

(Unterz.) Karl Auguft, Fürft v. Hardenberg. 
8.9.9.Sraf Hardenberg Reventiom 





74 


Königl. Haunoͤveriſches Patent die Organiſirung 


ber Hannöverifchen Landſtaͤnde betreffend, vom 

2. Auguft I8I4. \ 

Die Grundfdge, nad welchen feit Jahrhunderten linfere Bor: ' 
fahren ihre Staaten regierthaben, werden Unfern Unterthanen eine 
völlig berubigende Buͤrgſchaft geweſen fenn, dap Wir niemals die 
Abſicht hegen konnten, die gewaltfame Ummälzung der 
deutfben Neibesverfaffung zu benupen, um ihre 
Rechte zu ſchmaͤlern. Seit der Beireyung des. Kurfürfiens 
thums vom Keinde haben die friegerifhen Umſtaͤnde in Deutfchland 
und die jtäte Gegenwart fremder Heere eine regelmäßige Berathung 
mit Unſern getreuen Ständen um fo weniger zugelaffen, als obnes 
bin die zu ergreifenden Mapregeln keinen Aufichub verftatteten und 
felbige größtentheild Verfügnngen betrafen, deren Ausführung 
nach dem gemeinfamen Schluß der verbündeten Hauptmächte unabs 
änderlih war. Dennoch haben Wir Und, wo es thunlich war, 
mit den Ständen einzelner Provinzen über Landes 
angelegenheiten beratben. Obwohl ed nun vor der zu 
Hoffenden glüdlihen Beendigung des in Wien zu haltenden Kon— 
greſſes an einer allgemeinen Staatsverfafiung mans 
gelt, und die dafelbft zu faffenden Beſchlüͤſſe auch auf die Innern 
Merhältntffe Sr. Maieitär deutſcher Staaten von wichtigem 
Einfluß feon muͤſſen, fo haben Wir es doc nicht länger verichieben 
wollen, mit den gefammten Ständen berielben uͤber einzelne Ge⸗ 
genftände in gemeinichaftliche Weberlegung zu treten. Es liegt in 
ber Natur der Sade und die Erfahrung bat ed bewährt, daß die 
ſtaͤndiſche Konkurrenz bey Fragen, die allgemeine Landesangelegen⸗ 
heiten betreffend, durch die Trennung der einzelnen Kandicaften 
fehr erſowert wird, und daß diefe Trennung einen unvermeidliden 
Zeitverluſt veranlaflt. Bey eintretender Verſchiedenheit der Meis 
nungen iſt ohnehin ein allgemeiner Beſchluß der Stände bisher 
unmöglich geweſen, theild weil den Mepräfentanten einzelner Pros 
vinzen uͤberall fein Mecht zuftand, über die Berhältniffe der übris 
gen Provinzen des Landes zu deliberiren, theils weil eine Stim⸗ 
menmebrheit unter völlig von einander abgeſonderten Saudichaften 
nicht eintreten konnte. . 


Dev diefer Trennung haben eben fo viele verihiedene Steuer, 
ſyſteme und Landesihuldenadminiftrationen ftatt gefunden, als 
Landſchaften vorhanden waren. Einzelne Provinzen deffelben Lan; 
des Haben als getrennte Länder behändelt werden müfen, und es 
ift auf dieſe Weiſe der freye Verkehr der Untertbanen bier und de 
geftört. Die veränderten Zeitumftände und der während der feind 
lichen Beſetzung des Landes gefunfene Wohlitand der Unterrbanen 
erfordern eine verbeilerte Organiiation des Landes. Wir beabfik: 
tigen keineswegs, die Verbeſſerung deffelben, in fo fern fie gegen 
feitige Rechte und Verbindblihfeiten des Landes 
beren und der Unterthbanen in fi fait, abzuändern. In 
diefer Ruͤckſicht wollen wir die frändiihe Verfaflung in den einzel 
nen Provinzenunteretwa nötbigen oder rathſamen Modificationen 
bepbehalten. Wie aber die Rechte der proviſoriſchen Stände auf 
ihre Provinz eingeichräntt find, die Landesherrliche Autorktät fich 
Dagegen über das Land im Ganzen erfiredt und diefes nach glei: 
en Grundfäßen regiert werden muß, fo halten Wir Uns feit über: 
zeugt, daß Unſere getreuen Unterthanen es ald eine Wohltbat und 
als einen Beweis von Zutrauen anfehen werden, wenn Wir, wie 
biemit geſchleht, verordnen, daß künftig alle allgemeinen 
gandesangelegenheiten, info fern fie nad der bisher bes 
fandenen Verfaſſung einer Berathung mit den Etänden bedurf: 
ten, einer Verſammlung von Landftänden aus allen Provinzen vor 
gelegt und von derjelben zum Schluß gebradt werden follen. Die 
vorerwähnten Zeitumftände und felbfi die Ungewißheit über 
Die Ausdehnung der Landesgränze lallen ed nicht zu, 
fon jent eine. endlihe Beſtimmung über die Art det Konfurren; 
zu diefer allgemeinen Verſammlung eintreten zu laffen. Wir wol 
len deswegen für dieſesmal feitiegen, daß aufeinem, am 15. Der. 
diefed Jahrs zu Haunover zu haltenden, allgemeinen Landtag fämt; 
lihe Stände aller zum Kurfürftenthum nunmehr gehörenden Stass 
ten ſich durch Deputicte, nach der anliegenden Liſte, verfammeln 
amd erwarten, daß dieje Depntirte mit hinlänglihen Vollmachten 
ihrer Kommittenten verſehen erfheinen, um über die zur Frage 
fommenden Gegenftände abzufiimmen, ohne weiter einer Inſttuc⸗ 
tion zu bedürfen. Wie denn überhaupt die gewäblten Perfonen 
ald Stände des Landes und nicht ale Delegirte einer einzels 
nen Provinz oder Korporation angeieben werden ſollen. Um ben 
Stiftern, bey der eingeichränften Zabl ihrer Mitglieder, Gele: 
genheit zu geben, Perjonen zu wählen, denen fie ihr ganzes Zus 
frauen 


| 


— 200 — 


trauen ſchenken koͤnnen, fo wollen Wir ihnen verſtatten, ihre Des 
putirten frey zu wählen, ohne auf ihre eignen Mitglieder 
eingeſchraͤnkt zu ſeyn. Auch die Städte ſollen in dieſer Ruͤcſicht 
ein freyes Wahlrecht, nach Maßgabe ihrer eigenthuͤmlichen Ver⸗ 
faſſung, ausuͤben und keinesweges an die Perſonen ihres Syn⸗ 
dikus, oder ihrer Magiſtrate gebunden ſeyn. Wir behalten Uns 
vor, nah Beendigung des Wiener Koöngreſſes und 
nachdem dieſer erjte allgemeine Landtag geichlofen fepn wird, über 
die Art der Nepräfentation, über die Beſtimmung der Wahl des 
Präfidenten der Verſammlung, fo wie der Deputirten, eine nds 
bere Beftimmung ergehen zu laffen; für diefesmal werden die vers 
fammelten Deputirten aus ihrem Mittel einen Präfidenten, einen 


‚Generaliynditus und einen Sefretär erwaͤhlen. 


Earltonhoufe, 12. Aug. 1814. 
George, 9. R. 


* mg: 
Denkfhrift der veputirten Mitglieder der 
fäcularifirten Erzs, Doris und andern 
geiftlihen Stifte in Deutfchland, auf beys 

* Seiten des Rheins. 


Der Laͤnderverluſt, den das deutſche Reich durch den fran⸗ 
zoͤſiſchen Revolution⸗Krieg gemacht hat, war belanntlich im Jahr 
1803 bie, Veranlaſſung zur Saͤculariſirung der deutſchen 
Bisthümer, Doms und anderer Stifter, mit deren 
Belipungen diejenigen Fuͤrſten entſchaͤdigt wurden, bie die ihrigen 
auf dem linfen Rheinufer eingebüpt haben. 

Für den Unterhalt.der Individuen, welchen die Säcularis 


ſirung den Beſitz und Genuß des feir- fo vielen Jahrhunderten 


unverfebrt bewabhrten Erbtheild der Kirche entzog, wurde in dem 
Hauptſchluſſe der Reichsdeputation vom 25.. Februar 1803, dur 
Beſtimmung ihrer Sufentationen in den 99. 48 — ss Fürs 
forge getroffen. 

Diefe Beltimmungen des Reichsdeputation⸗ Haupiſchluges 
erhielten. in der Folge, nach völliger Auflöfung des Reichsder⸗ 
bandes, im zweyten Artilel des rheiniſchen Bundesvertrags vom 

Codex Diplomatious. (Eur, Annal. 1815.) 14 


12. Jul. 1806, durch welchen fonft alle Reichsgeſetze für nichtig 
grklärt wurden, die ausdruͤckliche und völlige Beltdtigung. 

Dbgleih dermal ein glüdlicher Umſchwung der politifhen Ber: 
hältniffe der deutichen Nation den Beſitz der ihr durh den Ru 
volntion » Krleg entriffenen Lander auf dem linfen Rheinufer 
zurüdgeftelt bat, fo finden ſich doch bisher die ſaͤmmtlichen Indi⸗ 
viduen, welche im Johr 1803 ihre politifhe Exiſtenz zum Opfer 
bringen mufften, noc in dem naͤmlichen Verhältniffe, wie im jener 
Epoche, wo thre perfönliche Suftentation von der Reiche s Depw 
tation feitgefeht wurde. | 

Die Auflöfung des rheinifhen Bundes, deſſen Acte die neueſte 
Garantie der Suſtentation-Rechte deutiber Biſchöſe, 
Prälaten und Mitglieder der Doms und andern Stifter emtbielt, 
macht ed nunmehr zur Sicherftellung der Rechte diefer Indivi⸗ 
Duen ‚dringend wotrhwendig, daß alle diesfällige Beſtimmungen 
bes Meichsdeputation: Schluffes, von 1803, inderneuen Bun: 
des: Acte der deutihen Staaten ald verbindendes Geſetz au: 
dbeüdlib beträftigt werden. | 

Da mehrere Laͤnder und Belikungen, auf denen dieie Sus 
frentationen haften, jeßt neuerdings ganz oder zum Theil neuen 
Herren zufallen, fo tritt das Beduͤrfniß ein, ‚durch befondere 
Beitimmungen fürzuforgen, daß hiedurch die Suftentationen 
keine Stodung noch Schmälerung erleiden, 

Durch die Wiedervereinigung des linfen Nheinufers mit 
den Ländern deutiher Nation gelangt diefe auch wieder zu dem 
Beſitz derjenigen Linder und Suͤter, die den daſelbſt beitandenen 
Erz⸗ und Bisthämern, Domfapituln und andern Stiftern ange: 
hörten. Mithin fällt nunmehr der Grund und das Beduͤrfnij 
jener Suftentation: Kafje hinweg, bie in Gemäßheit des 
$. 75. des Meichsdeputation : Hauptfchluffes für den nöthigen Uns 
terhalt der geiftlihen Mitglieder und der Dienerſchaft der auf dem 
linken Rheinufer beftandenen Stifter aus den Bepträgen 
der Doppeltpräbendirten ded rechten Mheinufers mar 
gebildet und bisher von dem Fürften Primas verwaltet worden, 
In einigen Staaten Deutichlands tft feit geraumer Zeit.von den 
Mitgliedern der fäculariiirten Stifter eine willkuͤrlich beſtimmte fo: 
genannte Staats⸗-Reſidenz ganz gegen den Sinn des Reichs⸗ 
deputations Schlufes unter der harten Bedingung gefordert wer: 
ben, daß im Falle der Nichterfüllung dieſer Forderung ein nam⸗ 
hafter Theil ber Suftentation werde zurädgehalten werden. Mans 


— 211 — 


ches Individuum, welchem die Erfuͤllung dieſer Forderung durch 
die Verhaͤltniſſe unmoͤglich war, muſſte ſonach eine betraͤchtliche 
Schmaͤlerung der Suftentation, welche ihm dad Geſetz zuſicherte, 
erleiden, weil ed zu Handhabung feines Rechtes des hohen Schutzes 
entbehrte. 

Auch find Hier und da die Suftentationen nicht nur mit außers 
ordentlichen, fondern auch mit jährlich wiederkehrenden Steuern 
und Abgaben belegt worden, obgleich fie nah. dem Sinne des 
Neichödeputation » Hauptichluffes davon frey bleiben follten, ins 
dem die Steuern und Abgaben fhon in demjenigen Zehntel des 
ebevorigen ganzen Einfommens begriffen find, welches der neue 
Befiner, gemäß $. 53, bey Negulirung der Suftentation zurüds 
behalten hat, und weil überdies bey der Berechnung des reinen 
Einfommens alle Laften und Beſchwerden in Anſchlag gebracht 
worden find. 

Ueberhaupt befanden fi die Mitglieder der. fäcularifirten 
Stifter, jeit der Auflöfung des Reichsverbandes, In der unanges 
nehmen Lage, daß fie den willfürlichen Beeinträchtigungen ihrer 
gefeplich beftimmen Suſtentationrechte, nichts ale den todten Buchs 
ftaben des Geſetzes entgegenftellen konnten, hingegen zu wirklicher 
Abwendung folher Beeinträchtigung einzig die Gnade des dabey 
intereffirten Souverains anflehen, nicht aber an den Richters 
ſtuhl eines unpartepiihen Schutzherrn fi wenden durften. 

Die bier dargeftellten wahren Verhältniffe der Mitglieder 
fäcularifirtee Stifter in Deutihland werden hinreihend ihren 
Wunſch und Antrag rechtfertigen, daß in die Urkunde des 
neuen Bundesvertrags der deutihen Nation nahfiehens 
de Beftimmungen möchten aufgenommen werden. 

1)-Die in dem Neihsbeputation sHauptihluffe vom 
25. Febt. 1803 ausgefprochenen Grundfäge, in Betreif der 
ehemaligen geiſtlichen Neichsftände und fammtlicher Mitglie⸗ 
der der fäcularifirten Erz:, Doms und andern Stifter im 
deutſchen Reiche, werden ihres vollen Inhalts als allgemein 

verbindendes Geſetz beftätigt. Das Oberhaupt des deut; 

{hen Bundesvereind wird ermaͤchtiget, Allen und Jeden in 

diefer Hinfiht den wirffamften Schu zu verleihen. 

2) Wo die Befigungen eines fAcularifirten Erzs oder Bisthume, 
Domcapituls oder auch andern Stifte, unter verſchiedne Her 
zen vertheilt wurden, foll derjenige Souverain, der bis— 
ber die Suitentation zu leiften hatte, auch biefelbe noch fort 


— GIG — 


hin fo lange zu leiſten verbunden ſeyn, bis zwiſchen Den neuer 
Theilnebmern eine Uebereinkunft, über den von jedem fün! 
tig zu übernehmenden Antheil an der ungeibmälerten Suiten 
tation der betreffenden Individuen, abgeichloffen und zur Aus 
führung gebracht ſeyn wird. 


3) Wann und wo immer die Befigungen der fäcularifirten Pis 

thuͤmer und Stifter In andere Hände fommen, follen de— 
durch die reichsſchluß⸗ oder vertragemäßigen Suftentationen 
niemals einen Stilftand, noch den mindeften Abbruch leide 
dürfen. 


4) In Zukunft foll feine Staats: Mefidenz von den Peri« 
nen, bie eine (olde Suftentation genießen, mehr gefordert 
werden dürfen, fondern es joll einem Jeden jeine Suftentatior 
ungeſchmaͤlert verabfolgt werden, fofern er ſi Lil ch nicht in einen 
Staate aufhält , der mit dem deutihen Staatenbunde fi in 
Kriegs zuſtande befindet. 


5) Steuern und Abgaben ſollen von den Suftentatione: 
feine mehr erhoben und abgezogen werden. 


6) Die Suftentationen fämmtliher Mitglieder der fdcnls 
rifirten Stifter auf dem linken Rheinufer follen künfti 
von den neuen Beſitzern der betreffenden Kinder, Güte 
und Gefälle, nad Verhaͤltniß übernommen werden, und is 
mit hat die Suftentationg:Caffe, wozu die diefleir rbei 
nifhen Doppeltpräbenbdirten beytragen mujften, ſo wir 
diefe Beptraͤge, gänzlih aufzubdren. 


Die Mitglieder der fäcnlarifirten Stifter find Deutfche, find 
Mitbürger des jetzt mit göttlibem Bepſtande befrepten Water 
landes. Schon dies gibt ihnen hinreichenden Anſpruch, an den 
Fruͤchten des Sieges deutiher Nation Theil zu nebmen, men: 
auch ganz davon abgefeben würde, daß fie, ale die Opfer der wich 
jährigen ſchmaͤhligen Unterdruͤckung Deutichlande , durch fremde 
Gewalt, nad ber Befreyung deſſelben befondere Ruͤckſicht verdie⸗ 
nen; daß endlich die Nachkommen der edeiften und verdienteſten 
Geſchlechter des Vaterlandes, daß die naͤchſten Verwandten beric: 
nigen fi unter ihnen befinden, die mit rübmlicher Anftrengung 
zur Herftellung der Unabhängigkeit — Nation und ihrer 
Fuͤrſten mitgewirkt haben. 


— 
J ER 2 1 3 — 

Die Unterzeichneten haben die Ehre die gegenwaͤrtige Denk⸗ 
ſchrift dem erlauchten Congreß der hohen verbuͤndeten Mächte im 
allerehrerbietignen Vertrauen vor Augen zu legen. 

(Folgen die Untetſchriften.) 





| 76. 
Patent des Herzogs und des Fürften von Naffau ” 

die Organifirung der Kandftände, betreffend, vom 

2. Sept. 1814. | | 


Wir Friedrih Auguſt, von Gotted Gnaden fonyerainee 
Herzog zu Naſſauꝛc., und Wir Friedrib Wilhelm, von Got— 
tes Gnaden fouverainer Fürft zu Naflau ıc., find während ber 
vorübergegangenen unglüdliben Zeit fremder Oberherrſchaft in 
deutfchen Landen, bey fortdauernden Bedriüitungen der Gewalt in 
auswärtigen Staateverhältniffen, wodurch Wir mit Lafern Unters 
thanen und Angehörigen in gleibem Maße, wie alle deutſche Stans 
ten , gelitten baben, ftetd und immer bedacht geweien, bie nad 
dem Rathſchluß der göttlihen Vorſehung Uns anvertraute um bes 
ſchraͤnkte Negterungwirkfamfeit, fammt dem Recht der Geſetz⸗ 
gebung, dahin zu verwalten, daß in diejer fchwierigen Lage, fo 
weit es die Umftände erlauben, nicht allein die bürgerliche Frey— 
heit Unferer Unterthanen moͤgliohſt gefihert und die politifche Gleich; 
beit derielben vor dem Geier aufrecht gehalten, fondern auch der 
Grund zu einer fünftigen, auf dieien beyden Stühpunften ruhens 
den Derfaffung gelegt wurde, deren volle Ausbildung Wir, im zus 
verfichtlihen Vorgefuͤhl einer nahen gluͤckliceen Veraͤnderung in 
den gefpannten europdifhen Staatenverhältniffen, mit dem Eins 
tritte derfelben erwarteten. Bon diefer Abficht ausgebend und von 
folhen Beweggründen geleitet, haben wir bis hierher die volllom⸗ 
menfte Duldung religidfer Meinungen und freye Uebung jedes 
Gottesdienftes in Unfern Landen gehandhabt, (nah dem Geiſt 
bes Edikts vom 14. Sept. 1809), eben fo bie freye Aeußerung 
politifher Meinımgen, foweit auswärtige Staatsruͤckſichten nicht 
eine Beſchraͤnkuna verlangten. Mir haben in Landesherrlihen 
Editten Unfern Unterthanen und Staatsangehörigen den freven 
Abzug mit. Ihrem Vermoͤgen, nad erfüllter Militärpflicht,, in alle 


\ 


— 1145 — 


Diejenigen Staaten zugeftanden, wo gleihe Azugsfrepheit iu 
Unfer Staatsgebiet geftattet wird (Edilt vom 912 Det. 1810); 
Wir haben die Leibeigenihaft von Grund aus in Unſerm Heros: 
thum getilgt. (Edikt vom ı. Jan. 1808 und vom 1/3. Sept. 1812); 
den Frohn⸗ und Dienſt⸗Zwang, unter Schabloshaltung der Dim; 
herren, gelöst (Edift vom 1/3. Sept. 1812), körperlihe Züdls 
gung ald Strafmittel abgeftellt (Edikt vom 26/28. Dec. 189), 
erbliche Vorrechte für höhere Staatsämter nicht anerfannt, viel 
mehr aus allen Ständen zu den oberften Civil⸗ und Militärftellen 
berufen, wer und dazu tuͤchtig eribien. Die Tuftlzpflege wurde, 
unabhängig von und, durch die angeordneten Juſtizbehoͤrden vers 
waltet; Wir haben Unſern Landesberrlihen Fiskus den Gr 
rihtshöfen untergeordnet (Edift v. 11. Nov. 1806) und uns des 
Rechts, angeftelte Staatömänner nah Willfür zu entlaffen, be 
geben (Edikt vom 3/6. Dec. 1811). Wir haben die freye Benun; 
zung des Grundeigenthumg unter den Schuß fhirmender GSeſetze 
geitellt; das Recht der Wildbahn (Edit von ı7/21. Map 1811) 
und alle den Anbau des Bodens ftörende Meidgerehtfame (Edikt 
vom 7/y. Nov. 1812) bid zur Unſchaͤdlichleit beihräntt; die Ab 
löfung der Zehnten, Grundbelafiungen und Servituten vorbs 
reitet, fo wie die Vertheilung gemeinheitliher Allmenden im Bor 
aus erleihtert; endlich für die Einführung einer völligen Gemwerb: 
frevheit vorbereitende Mafregelu getroffen (Edikte vom 1ofı4. 
Gebr. und vom 1/3. Sept. 1812; mehrere hierauf fich beziehende 
Vollziehungsgeſetze). Wir haben keine Abgaben von Unfen Unter: 
thanen erhoben, außer für Bedürfniffe des Staats; wir haben 
verordnet, daß ein Teber dazu beutrage, nad dem Maßſtabe feis 
nes reinen Einfommens (Edift vom Iofız. Febr. 1809 und med 
rere Nachträge, namentlib vom 14/16); daß einzelnen Stände 
oder Perfonen Feine Befreyungen davon forthin belaffen werben 
(Edikte vom 10/14. Febr. 1809 und pom 6/9. Oct. 1809); Wir ba; 
ben in dringenden Finanzangelegenbeiten Domainen Unfers Hau 
ſes zum Vortheil der Staatstafle veräußert, indem-td Uns nicht 
als eine Uufopferung erihien, was von Unjerm Familiengut zur 
Wohlfahrt des Landes verwendet wurde. Wir waren belohnt dur 
das Bewußtſeyn, zum öffentlihen Wohl Unſere Megierungrehte 
fo zu verwalten, durch die oft und in ungweifelhaften Aeußerungen 
zu Unferer Kenntniß gelommene treue Anhaͤnglichkeit Unferer Uns 
tertbanen ; weniger nicht durch dem glüdlichen Erfolg Unſerer Bes 
mühungen, worin die Uns Angehörigen, in manderley ſchwie⸗ 


rigen Berhältniffen, Schuß und weſentliche Wortheile, mit Aus⸗ 
zeichnung fogar, nicht felten gefunden haben. Der ſchoͤnſte Lohn 
aber wurde Uns zu Theil, als Wir Und dur die Wirkungen dies 
fer Verwaltungweiſe in ben Stand gefept fahen, dem großen 
Bund gegen die von unbegränztem Ehrgeiz verfuchte Aufrichtung 
einer Alleinherrihaft in Europa mit der ganzen Kraft-des Unferer 
Regierung untergebenen deutſchen Staatsgebiets bepzutreten (Edikt 
vom 16. Nov. 1813), und als Wir in dem ruhmwuͤrdigen Eifer 
Unferer Untertbanen für. des gemeinfamen deutfchen Vaterlandes 
MBiederherftellung zur Frepheit und Unabhängigkeit, Mittel fans 
den, ein Mebreres jogar für diefen großen Zweck aufzubieten, als 
Uns nah ben abgefchloffenen Verträgen zu leiften oblag. (Edikt 
vom 4/5. Dec. 1813). Wir haben Unſern Unterthanen bey andern 
Beranlaffungen öffentlih dafür gedanft und erneuern auch jetzt 
gern diefen Ausdrud unjerd Gefühls. Sie haben ihr Recht auf 
eine felbftftändige und ehrenhafte Stellung unter den verwandten 
Stämmen des deutihen Volkes im künftigen deutfhen Staatens 
verein fi befeftigt,, und Wir finden Uns bewogen, bie Anerfens 
nung diefes Rechts durch die dauerhafte Begründung einer eigens 
thuͤmlichen Verfaſſung noch mehr ihnen allenthalben zu verfibern. 
Wir haben den Augenblick erlangter Befreyung von dem Ueber⸗ 
gewicht fremden Einfinffes dazu benutzt, die im Gefolge des aufs 
gedrungenen Kontinentalipitems bey Uns notbwendig gewordenen 
Beihräntungen des Handels und einiger Gewerbe wieder aufzus 
heben (Edit vom 13/21. März 1814 und mehrere Minifterials 
betanntmachungen); die Anftalt allgemeiner Bewaffnung, mit 
Unterdrüädung der bey dem frübern Militaͤrſpſtem beftandenen 
Militärs Difpenfationtaren,, auf eine feſtbeſtimmte und bleibende 
Weile in Unferm Herzogthum einzuführen (Edikt vom 20/21. Jan. 
1814); auch die vormalige Freyheit des Buchhandels und der Drus 
@erprefien, mit Beichräntung des Nachdrucks zum Vortbeil deut⸗ 
ſcher Schriftfteller und Verleger jedoch, Unfern Unterthanen zu; 
ruͤck zu geben (Edift vom 4/4 May 1314). Die fortdauernde Wis 
Kung dieſer Geſetze und konftitutionellen Einrichtungen fteht unter 
dem erbabenen Schuß der verbündeten Mächte, nach deren weiſen, 
das Wohl der Nationen befeftigenden Beſchluͤſſen, ihnen von 
außen die beruhigende Gewaͤhrleiſtung dee mit Gerechtigkeit vers 
einten Stärke auch forthin verbleiben wird. Es iſt alfo nur übrig, 
Alem, was für die Einführung einer liberalen, den Beduͤrfniſ⸗ 
fen Unferer Zeit und Unferes Staates entiprechenden Berfaflung in 


u ° — 216 — R 


Unſerm Herzogthum entweder fchon geſchehen iſt, oder noch erfor 
derlich ſeyn wird, auch eine gleichkraͤftige Gewaͤhrleiſtung im Im 
nern zu geben, welche Wir in der unverweilten Errichtung 
von Zandftänden gefunden zu haben glauben dürfen. Inden 
Wir Unfern Landitänden die Bewahrung jener ausgeführten 
Grundlagen fowohl, wie die weitere Ausbildung einer folchen ci 
‚genthümlihen Landesverfaflung übertragen, überlaflen Wir Ins 
‚der Hoffnung, diefelben gegen den Mechfel aller Dinge, welchen 
geſetzliche inrihtungen in rein monarbifhen Staatsformen, 
mebr wie anderwärts unterworfen find, nah Möglichkeit auf dies 
fer Seite fiher geftellt zu haben. Außerdem werden Wir von der 
Abficht geleitet, den Standes: und Grundheren Unſers Herzogs 
thums, deren vormalige unmittelbare Reichsgebiete im Lauf der 
Greigniffe unfrer. Oberherrlichfeit und Negierung untergeben wor: 
den find, eirien verhältnißmäßigen Einfluß auf die eigenthümliche 
Gefepgebung und Verwaltung Unſers Staats als erblibes Vor 
recht zuzuficern und auf. diefe Art ihnen einen verfaſungmaͤßigen 
Mirknungfreis zu eröffnen, in welchem fie für des Landes und ibrer 
vormaligen lntertbanen Woblfahrt thätig ſeyn lünnen und wos 
durch billige Anſpruüche befriedigt werden, ohne die zum Flor Um 
ſers vereintgten Herzogthums erforderliche und Unfern ſaͤmmtli— 
Ken Untertbanen, in gleibem Maße wobltbätige- Einheit in der 
Randesgefengebung und Dereinfahung der Verwaltung und Mer 
waltungformen zu ftören, deren glüdlibe Folgen ih Alle, wie Wir 
ſehnlichſt wünfhen und hoffen, in den kommenden rubigeru Zeiten 
noch mehr erfreuen werben, als bisher unter minder günftigen 
äugern Verhältniffen geſchehen konnte. 
Hiernach haben Wir beichloffen und verordnen, wie nachfolgt: 
$. 1. Die Landftände Unfers Herzogthums find zufammenge 
ſetzt aus Mitgliedern der Herrenbank und Landesdeputirten, welche 
in abgefonderten Sigungen fih verfammein, Die Mitglieder der 
Herrenbank werben von Uns anf Lebenszeit oder erblih ernannt, 
die Landesdeputirten aber, von den Vorſtehern der Gelſtlichkeit 
und den hoͤhern Lehranftalten, von .den begätertften Landeigen⸗ 
thuͤmern und von den Inhabern größerer Gewerbe, in dem mweir 
tee unten beftimmten Verhaͤltniß und in Gemäßpeit ber darüber 
ertheilten Vorſchriften erwaͤhlt. 
$. 2. Die politiſche Stellung Unſerer Banbdftände im Allgemeis 
nen und im Beſondern, fo wie aud die vollftändige Bezeichnung 
desjenigen Antheils, den Wir ihnen an allen Zweigen der Geſetz⸗ 


= 317. — 


. gebung einräumen können und werden, hängt mit von den zu ers 
wartenden nähern Beftimmungen Unferer und Unſers Herzogtbums 


— 


Verhaltniſſe zu dem künftigen Gefammtverein der deutſchen Stag⸗ 
ten ab. Borläufig alſo, und bis zur hiernächſt erfolgenden nach⸗ 


‚ träglihen Verordnung, erklären Wir hiermit und veriprechen für 


- — = - — -. = 


Uns und Unſre Megierungnacfolger unabänderlib und für alle 
Zufunft verbindlih, daß Wir die Sicherheit des Gigenthums und 
Die perfönliche Freyheit unter die mitwirfende Gewaͤhrleiſtung Un⸗ 
ferer Landftände ſtellen. Sie follen darüber wachen und darauf zu 
balten befugt ſeyn, daß die freye Wirkſamkeit der oberiten Juſtiz⸗ 
behörden niemals befchränft werde, daß willfürliche Verhaftungen 
ohne rechtliches Verfahren, nach den beſtehenden Geſetzen, nie und 


auf keine Weiſe ſtatt finden, auch daß keiner Unſerer Unterthanen 


— 


— 


Den — — — — — — — 


jemals ſeinem gewoͤhnlichen Gerichtſtand und durch die Geſetze 
vorher beſtimmten ordentlichen Richter durch anferordentliche 
Mafregeln entzogen werde. Zu dem Ende legen Wir fofort Uns 
fern Landitänden nachfolgende Rechte bep: 

1) Ohne ihre Einwilligung foll an den, in dem Eingang des 
gegenwärtigen Edikts erwähnten, die Aufrechthaltung der bürs 


gerlichen⸗ und Gewerbefrepheiten, fo wie die Gleichheit der Abs 


gaben bezwedenden Gejege und Einrichtungen, weder von Une 
noch von linfern Niegierungnachfolgern, zur Beſchraͤnkung der da; 
rin beftimmten Rechte jemals einige Abänderung verfügt werden. 
Weberdies ſollen wichtige, das Eigenthum, die perfönliche Freyheit 
und die Werfaflung betreffende neue Landesgeſetze nicht obne den 
Math und die Zuftimmung der Landftände eingeführt werden. 
2) Sie können Und Vorfhläge zu Abanderungen befiehender 
und Einführung neuer Geſetze übertreiben, allgeineine und bes 
fondere Beihwerden einzelner Landestheile oder Unterthanenklaf- 
fen Uns vortragen, und. fordern, daß gegen Uniern. Staatsminifter, 
fo wie auch gegen Landesfollegien, wegen beftimmter Befchuldiauns 
gen eine Anterfuhungtominiffion angeordnet werde, wenn diefe 
Beichuldigungen auf beiceinigten Angaben beruhen, daß von ih: 
sen Verlegungen der.bier oben unter Neo. 1) angeführten und 
fogleih bier nachfolgend über die Abgabenerhebung und Verwen⸗ 
dung feſtgeſetzten Berfaflungbeftimmungen verfügt, oder zugelai: 


' fen werden, oder aud, daß ſie ſich Kolufionen,, oder verbotene 


Annahme von Geſchenken erlaubt, oder bey ihren Untergebenen 
zugelaflen haben. Dergleichen Vorfhläge und Beihmwerden Fön: 


men von jedem einzelnen Mitgliede der Herrenbank und der Lanz 


— 218 — 


desdeputirten während der Sitzungen Ihrer — iz 
trag gebracht werden. Die Anträge werden in jeder Abrbelum 
beionders erörtert und darüber abgefiimmt. Sie koͤnner Is 
aber nur alsdann vorgelegt werben, wann fie die Zuſtimmusz vr 
Mehrheit in jeder Abtheilung erhalten haben. Auf gleide & 
werben die von Uns ben Landitänden zum Gutachten und Bein 
mung mitzurheilenden Gefeßedvorichläge in jeder Abtbeilung » 
fonders diskutirt und daruͤber abgeftimmt, fo daß nur die füri 
‚zäblende Stimmenmehrheit in jeder einzelnen Abtheilung dir S: 
fimmung der Landitände beurfundet. Herrihen getbheilte Me 
nungen in benden Abtheilungen, fo wird die Bereinigung deriche 
durch eine von jeder Abtheilung in gleiher Anzahl zu erwaͤhler 
Deputation verfuht, melde unter den beyden Präfidenten zuſer 
men tritt. Bey nicht fkattfindender Vereinbarung behalten gi 
Uns die Landesherrlihe Entiheidung bevor. 

+3) Alle von den Unterthanen zu erbebende direfte und inbi 
gelte Abgaben follen von der Mehrheit Unferer Landfidnde, so: 
bey die einzelnen Stimmen nah gefchebener befonderer llmfrage 
in beyden Abtheilungen zufammen zn zählen find, im Voraus be: 
willigt werben, alle direkte Abgaben für den Zeitraum eines ab 
zes, die indirekten nach Gutfinden auf ſechs Jahre hinaus. 2ı 
bem Ende ift das Bedürfniß des fommenden Jahre, fammt den 
wahricheinliben Ertrag der zu erhebenden Abgaben in genaun 
und vollfiändigen Weberfichten ihnen vorzulegen, auf gleiche an 
auch die gefhehene Verwendung der früber von ben Landſtieden 
zu angegebenen Staatsbedürfniffen bewilligten Abgaben ibnes, 
unter geftatteter Einſicht der geführten Rechnungen, mit dem Be 
lege derfelben nachzuweiſen. 

4) Die Landitände koͤnnen während ihrer jeweiligen Sigum 
geit Vorftellungen und Bittſchriften von einzelnen Untetehana 
fomwol, wie au von Gemeinden, annehmen. Sole muͤſſen fchrir 
lic) an die Präfidenten beyder Ubtheilungen eingeichidt werden. 

$. 3. Wir werden die Landftände alljährlich zwifdhen dem ı 
Januar und 1. April und fonft im Kaufe des Jahres, fo eft w 
Uns erforderlich fheint , außerordentlih verfammeln,, bebalta 
Uns aber dad Recht vor, ihre Sitzungen nad Gutbefinden zu m 
terbrechen, au die Verſammlung der Landbesdeputirten gänzlis 
aufzuldfen und eine anderweite Wahl derfelben anzuordnen. Cie 
jede eigenmächtige Sufammenkunft der Berfammlung der Yandı 
fände, oder einer von ihren -Abtheilungen, one Unfere vorgängit 


——— Wi u ie TED 3 — u — 


| — 219 — 
Einladung, iſt unerlaubt und was darin verhandelt oder beſchloſ⸗ 


fen werden follte, für null und nichtig zu achten. Bey ben ordent⸗ 


lichen und auferordentlihen Werfammlungen ber Landitände wers 
den Wir zu den Sigungen jeder Abtheilung Kommiſſarien abords 


nen, welche an allen Berbandlungen Antheil nehmen, ohne jedoch 
‚ bey den Abftimmungen zugegen zu ſeyn. Die Handhabung der 


Innern Polizey der Verfammlungen bleibt ihnen felbft überlaſſen, 
nah Maßgabe einer Ordnung jedoch, die im Lauf der erſten 
Sitzung zu entwerfen und Uns zur Genehmigung vorzulegen iſt. 
Während der Verfammlung der Landitände kann Fein Mitglied 
ohne Zuftimmung der Abtbeilung,- wozu ed gehört, aus irgend 
einem Grunde, oder Veranlaſſung zu gefänglicher Haft gebracht 
werben. 

$. 4. Geborne Landſtaͤnde und Mitglieder der Herrenbant 
find alle Prinzen Unſers Haufes nach zurüdgelegtem ein und zwan⸗ 
zigften Jahre ihres Lebensalterd. Sodann ertheilen wir die Lands 
ftandfchaft zur Herrenbanf als eim erbliches, mit dem Beſitz der in 
Unferm Herzogthum beftehenden Standesherrichaften verbundenes 
Borrecht, den fürftlihen Häufern von Anhalt» Bernburg Schaums 
burg, von Solms» Braunfeld, von Wied: Neuwied. von Wieds 
Runkel und von Solms⸗Lich, fodann den gräfliben Familien von 
Waldbott⸗Baſſenheim und von Walderndorf, emdlic dem Herrn 


. gürften von der Leyen, wegen ber Grundherrlicteit zu Fachbach 


und Nievern, dem Heren Fürften von Hapfeld wegen der Grunds 
herrſchaft Schönftein‘, und dem Frepheren von Stein wegen ber 
Herrſchaften Frucht und Schweighanfen, famt übrigen von Unferm 
Gejamthaus zu Leben tragenden Stammgütern. Die jeweiligen 
Häupter diefer fürftlihen, gräflihen und frepherrlihen Familien 
und Innhaber der bemeldeten Standesgebiete und Grunbherrs 
ſchaften find erbliche Landftände in Unferm Herzogthum und ges 
borene Mitglieder der Herrenbanf. Sie haben das Recht, den 
Berfammlungen der Lanbdftände, vom Eintritt in das fünf und 
zwanzigfte Lebensjahr an, perfönlic beyzuwohnen und können fich 
nah Gutfinden auch durd befonders dazu abgeorbnete Bevoll⸗ 
mächtigte darin vertreten laffen. Gleiches Vertretungrecht fteht 
ben Vormündern unmündiger Familienbäupter zu. Doch müffen 
ihre ftellvertretenden Bevollmächtigten in unfern Landen angefeflen 
ſeyn und mindeftend dem Frepberrnftand angehören, auch das 
fünf und zwanzigfte Lebensjahr zuruͤkgelegt haben. Außer diefen 
Morgenandten werden Wir noch andere Mitglieder der Herrems 


— 220 — 


bank auf Lebenszeit oder mit dem Mecht der Wererbung nad Un; 
ferm Gutfinden und vorher eingebolten Gutachten der ſchon befte 
benden Mitglieder ernennen, mit der Einfchränfung jedoch, def 
Dieielben zum deutfchen Fürftens Grafen: odet Frepherrnftand au 
hören und’ wenigſten zweyhundert Gulden zu jedem Grundfteuer: 
fimplum in Unſerm Herzogthum beytragen. Kein Mitglied der 
Herrenbanf kann fi durch ein anderes Mitglied in der Werfanum; 
bung vertreten laffen, oder ihm die Führung feiner Stimme über 
tragen. 

$. 5. Die Berlammlung der Zandftände von der Herrenbant 
findet gleichzeitig ftatt mit der Verſammlung der Landesdepntir: 
ten und an dem nämlicen Drt. Die Einladungfhreiben werden 
Mir den Mitgliedern unmittelbar yufertigen, den Präfidenten aber 
für die Dauer jeder Sitzungzeit aus ihrer Mitte ernennen. Die 
allgemeinen Gigungfoften find * Unſerer Staatslaſſe zu bes 
ſtreiten. 

$. 6. Die Verſammlung der Lanbesdeputirten beftebt aus 
zwep und zwanzig Mitgliedern, bev deren Wahl die hier nachfol⸗ 
genden Worihriften zu beobachten find. Die Jnipektoren der evans 
gelifch slutheriichen und der reformirten Geiftlikeit, fodann die 
Landdechanten der Fatboltiben verfammeln fih an einem beſtimm⸗ 
ten Tage unter dem Morfig eines von Uns bierzu abzuordnenden 
Kommiffarius, auf deflen vorgängige ihnen zuzufertigende Einlas 
dung. Eine jede diefer Wablverfammlungen erwählt Einen ans 
desdeputirten; auf völlig gleihe Art die Vorſteher der hoͤhern 
Lehranftalten Einen und Alle in der ızten bie ı6ten Gewerbs 
ſteuerklaſſe kataſtrirten Gewerbbeſitzer drey Landesdeputirte, aus 
ihrer Mitte. Die Koſten der Meile zur Wahlverſammlung find 
den geiftlichen Juſpektoren, Landdechanten und Rektoren der Lehr: 
anftalten zu vergäten. Die Landeigenthuͤmer, welche zu jedem 
Grundfteuerfimplum wenigftens fieben Gulden und darüber ber: 
tragen, erwäblen funfzehn Landesdeputirte aus ihrer Mitte nnd 
unter denjenigen Gutseigenthuͤmern, die zu jeden Grundſteuerſim⸗ 
plum wenigftend ein und zwanzig Gulden und darüber beptragen, 
auch das fünf und zwanzigfte Lebensjahr zur gelegt haben. Ze 
dem Ende find die Wablmänner dur Einladung des von Uns zu 
ernennenden vorfißenden und dirigtrenden Kommiffarius mach der 
vorgeweienen ‚Abtheilurg. Unfers Herzogthums in Steuer: Nevis 
frondiftrifte, in den fünf. Hauptorten derfelben, nämlich in Wied: 
baden, Limbung, Ufingen, Ehrenbreitftein und Hachenburg zu vers 


— 421 — 


fammeln und von ihnen die Wahl dergeſtalt zu vollzlehen, daß 
die Wahlverfammlung zu Wiesbaden vier, eine jede der Wahls 
verfammilungen zu Ufingen, Limburg und Ehrenbreitftein drey und 
jene zu Hachenburg zwey Landesdeputirte zu ernennen bat. m 
allen Wablverfammlungen ohne Unterſchied enticheider die abfolute 
Stimmenmehrheit der anweienden Mitglieder. Abweſende koͤn⸗ 
nen ihe Stimmrecht an einen Andern nicht übertragen. Die Abs 
ſtimmung über geeigenibaftete Kandidaten zu Zandesdeputirten 
wird fo oft in der Verſammlung wiederholt , bis die abfolute 
Stimmenmehrheit für einen jeden Einzelnen entichieden it. Die 
MWabl der Landesdeputirten gefcieht für die Dauer von fieben 
Jahren. Nach Ablauf derjelden wird zur neuen Wahl gefchritten, 
wenn nicht etwa früher eine außerordentiihe Auflöfung der Lan⸗ 
desdeputirten s Berfammlung von Uns verfügt worden ift. Die 
abtretenden Landesdeputirten find in jedem Fall wieder wahlfähig. 

$. 7. Die Reiſekoſten nebft Taggebühren für die Dauer der 
Sitzungzeit und für die Tage ihrer Gegenwart am Ort der Ver⸗ 
fammlung follen den Zandesdeputirten ohne Unterſchied aus Unfrer 
Staatskaſſe vergütet, und der Betrag der Letztern, nah angehörs 
tem Gutachten der Landftände, im Laufe der erften Sithungzelt 
von Uns beftimmt iverden.. Gleichermaßen find.die allgemeinen 
Sigungfoften der Landesdeputirten: Berfammlung- aus Unjerer 
Staatskaſſe zu beftreiten, 

$. 8. Die Kandesdeputirten verfammeln fi auf die ihnen. 
von Unſerm dirigirenden Staatsminifterium zufommende Einlas 
dung am beftimmten Drt und Tag. Den Prajidenten ihrer Vers 
fammlung werden Wir für eine jede Sitzungzeit aus drev von ih⸗ 
nen Uns vorzuſchlagenden Mitgliedern ernennen. Nur die Stims 
men der in einer Sigung anweſenden Landesdepntirten werben 
gezählt; Abweiende können ſich durch Andere nicht vertreten laſſen. 

6. 9. Die Sißungen der Landkände find nicht öffentlin; 
doc können diefelben durch Stimmenmehrheit die öffentlihe Bes 
fanntniahung ihrer Verhandlungen im Ganzen und. Einzelnen, 
mittelt Abdruck und Bertheilung von fünf und zwanzig Erem⸗ 
platien, an jedes ihrer Mitglieder „ verorinen. Auch ſind nah 
bem Ermeſſen der Stimmenmehrheit in den Verſammlungen ſach⸗ 
gemäße Auszüge aus Ihren Sikung : Protofollen durch das .allaes 
meine \ntelligenzblatt zur öffentlichen Kenntniß zu befördern. 

6, 10. Die gegenwärtige Edifalverordnung foll von Um cm 
nachgeſetzten Staateminifterium dergeftals in Vollziehung gebracht 


— 0222 — 


werden, daß bie erfte Verſammlung der Landſtaͤnde im nähe 
Yommenden Jahre itatt finden fann. Mögen Unfre Untertbeamer 
aller Stände und Klaflen darin einen neuen Beweis Unſers zu; 
begrängten Zutrauens zu ihrer treuen Anbhänglichleit und vaters 
ländifhen Gefinnung wahrnehmen und Unſer unwandelbares reis 
nes Beſtreben erkennen, Bürgerglüd und Wohlftend in Lmjerm 
Staatsgebiet auf ſichern Grundlagen und dauerhaft zu befeftigen. 
Gegeben zu Bibrih, am iſten und zu Schloß Engerd, am 

aten Sept, 1814. 

Friedrich Auguſt, Kürft zu Naſſau. 

Friedrich Wilhelm, Herzog zu Naſſau. 

vi. Sehr. v. Marſchall. 


7: | | 

Note, welche die Minifter von Wien, Gt. Peters- 
burg und St. James, die H. H. v. Shraut, 
v. Krudener, in Abwefenheit des Grafen von 
Capo d’Iftria und Addington in Abwefen 
beit des Herrn Staffotd» Canning, unterm 
25. Dct. 1814 den Depntirten des Wallis, 
ehe diefelben nad) Haufe Eehrten, zuftellten. 


Die Unterzeichneten bevolmädtigten Minifter und außeror⸗ 
dentlihen Gefandten haben in den von den H. H. Deputirten des 
Wallis ihnen zur Prüfung überreichten Alten die Kragen, welche 
auf die allgemeine kandesorganifation Bezug haben, von denjenis 
gen unterfhieden, die von untergeordneter Natur find, oder oͤrt⸗ 
liche Intereflen betreffen, und unter den erftern haben fie hinmwies 
der diejenigen, welche fih auf die Verfaffunggrundlagen beziehen, 
von denen unterſchieden, welche die Entwidlungen eben dieſet 
Grundjäge betreffen. Wenn es in den Abfichten der boben ab 
liirten Mächte liegt, die Maglitrate eines freven Volks in der 
Dispofition feiner politifhen Geſetze feineswegs zu beſchraͤnken, 
fo können jedoch die Miniſter derſelben, in Gemaͤßheit der Theil⸗ 
nahme, welche ſie fuͤr die Wohlfahrt des Walliſerlandes hegen 


= 223 — 


und mit befonderer Ruͤckſicht auf die Vereinigung deffelben mit der 
ſchweizeriſchen Eidgenoflenichaft, die unter ihrer Zeitung ftatt fin 
den foll, teinesweas gleichgültig dem Nefultat jener Diskuffionen 
entgegen feben. . Sie haben dem Wallis den deutlichftien Beweis 
ihres: Wohlwollens dadurch gegeben, daß fie duch das Organ der 
Unterzeihneten die Köfung einiger Hauptichwierigkeiten, worüber 
das Land gerheilt ift, zu; Stande bringen halfen. 
+ Eine fo freundichaftlihe auf zwey oder drey wefentliche Punkte 
beſchraͤnkte Dazwiſchenkunft, die darneben verftändigen und wohls 
denfenden Männern jeden erforderlihen Spielraum läfft, um uns 
ter fich jelbft and dich gemeinfames Cinverftändnig die Anwens 
dung und Entwidelung der für das gemeine Beſte wohlthätigen 
Grundfäge zu machen, muß ohne Zweifel zutrauenvoll aufgenoms 
men werden. Der erſte Punkt, über den ſich die verſchiednen Theile 
bes Wallis nicht verfiändigen konnten, betrifft die Landeseintheis 
lung in ihrem DVerhältniß zur National; Stellvertretung. Die Mis 
nifter haben die Gründe in reiflihe Erwägung gezogen, welche zu 
Begruͤndung der Vorrechte des Ober: Wallis find aufgeftelt 
worden. Wenn ehrwürdige Erinnerungen der alten Ordnung der 
Dinge ihr Anfehen nicht überall verloren haben, fo mögen fie 
jedoch die Rechte nicht aufwiegen, die dad Unter: Wallis feit 
ſechs zehn Fahren erworben bat. Die Bevdlferung diefer Abtheilung, 
ihre anerfannte Frepheit, die demofratiihen Grundjäge, auf wels 
chen die ganze Verfaſſung beruht, erheiihen ein billigeres Ver⸗ 
haͤltniß der Zahl. und Eintheilung der Zehnden (dixains). Die 
Minifter können darum nicht anſtehen, zu erklären, daß das Bes 


gehren des Ober⸗Wallis, die fieben ehevorigen Zehn⸗ 


den beyzubehalten und dem Unters Wallis nur drep einzurdus 
men, durchaus unzuläjjig ift. Sie würden glauben, die dem vors 
mals herrſchenden Landestheile fhuldige Rüdfiht mit der dem 
ftey gewordenen Theil gebübrenden und von ibm angerufenen 
Gerechtigkeit zu vereinen, wenn fie den nachfolgenden Vorfchlag 
machen: die fünf obernZehnden von Conche, Bregur, Vietze, 
Barogne und Lori, welche zufammen 18,850 Seelen zaͤh⸗ 
lien, würden in ihrer gegenwärtigen Ausdehnung verbleiben. Die 
Gentralzehnden Sion und Siere, deren Bevölferung auf 15,163 
Einwohner anfteigt, würden in drey eingetheilt, deren Bevoͤlke⸗ 
rung in ein richtigeres Verhaͤltniß mit jener der obern Zehnden 
zu ftehen fäme, Das Unter: Wallis endlich mit einet Bevoͤl⸗ 
ferung von 29,514 Seelen würde in fünf Zehnden eingetheilt, 


— 


Auf diefe Weile erhielten die fünf oberu Zehnden in der Nu 
tional⸗ Stellvertretung gleiben Untheil mit den untern Zehaden 
obgleich ihre Bevölkerung um 11,000 Seelen weniger beträgt zal 
die deep Central⸗Zehnden würden ein Geichgewicht erhalten (üen- 
draient la balance). Die bezüglich auf dieje leutern vorgeieis 
‚gene Veränderung würde beynebens den Vortheil gewähren, di 
Stadt Sitten, (Sion) in eine ihren hergebrachten ariftofratiidır 
Cinrihtungen günftigere Lage zu verfegen und den Einjluf, mei 
chen fie in ihren Zehnden unftreitig audüben joll, zu erleichtern, 
Würde die alfo eingesichtete-Stellvertretung angenommen, je bil 
ten die Minifter dafür, man fünnte, um der Landesgewohndeiter 
moͤglichſte Rechnung zu tragen, den Grundfag der folleftiven U 
fiimmung beybehalten; fo nämlih, daß jeder der Drepzebı 
Behnden bey der Tagſatzung eine Stimme bätte. Im bieie 
Hinfiht find die Minifter der Meinung: es würde für die Cem 
tralorganijation des Wallis die Aufftellung eines permanente 
Staatsrathed überaus vortheilhaft fepn. In Ermanglung eine 
ſo wuͤnſchenswerthen Behörde koͤnnte man inzwiſchen, da bie 
Republik kein Bedenken trägt, der Perion ded Grand-baillif 
eine ſehr ausgedehnte Gewalt zu übertragen, fih darauf beichrän 
fen, diefer Magiftratur mehr Konfiftenz, zu geben. Ste {cblagıs 
zu diefem Ende vor: 1) demjelben zwey Statthalter (vier 
baillifs) beyzuordnen, die aus den Landesabtheilungen gemih 
würden, denen der Grand- bailtif nicht angehört; fo dei, 
wenn diefe erſte Magiftrats » Perfon aus einem der fünf eben 
Zehnden gewählt werde, von dem beyden Statthaltern ber viw 
aus den Genttal:Zebnden, der andre aus den untern Schade 
und jo umgelehrt, genommen werden müllte. 2) Zu beſtimme 
daß beude Statthalter, fo wie der Grand-baillif ſelbſt, a 
Hauptort der Nepublif wohnen, oder daß wenigſtens der Lege 
gehalten ſeyn fol, jene für die Berathung aller wichtigen & 
fhäfte einzuberufen. Bey diefen Berathungen würden Inpmwinae! 
die Statthalter nur fonfultative Stimmen haben und die Entien 
dung jtinde dem Grand-baillif zu. Da diefer für zwep Ya 
gewählt wird, fo fönnte von den, Statthaltern jeder währen? — 
- nes Jahres, Im Fall von Abwejenheit oder Krankheit, feine Sul 
verſehen. Endlich glaubt man, es werde zwedmäßig ſeyn, 
zwey Statthaltetn vereint eine Stimme in der Tagiakung ei 
räumen; die verloren gienge, fo oft fie getheilter Meinung 
So würden dann insgeſammt 16 Stimmen fi ergeben; bie 





3 


zehn der Zehnden, jene des Grand-baillif, die Stimme der 
Statthalter und jene des Biſchofs. Im allen durch die Berfafs 
fung der Sentrals®ewalt übertragenen Gefhäften würde die abs 
folute Stimmenmehrheit enticheiden. Dies find- die allgemeinen 
Anſichten, die, nah dem Befinden der Minifter, der politifchen 
Drganifation des Wallis zum Grund gelegt werden folten. Es 
wird ihnen Vergnügen machen, zu vernehmen, daß die Herren 
Deputirten mit ber -Weberzeugung, daß ſolche richtig find, und mit 
der Abſicht, folhen Eingang zu verfhaffen, nah Haufe kehren, 


Zuͤrich, den 23. Oct. 1814. 
(dolgen die Unterichriften). 


— — — 


ns 78 


Note des Koͤnigl. Franzöfifhen Minifterd von 
Talleyrand, an bie Schweizerifche Geſandt⸗ 
ſchaſt. Die politifhe Drganifatlon der Schweiz 
" betreffend, vom. 16. Oct. 1814. 


Den 53. Nov, erhielt die Schweizerifce Geſandtſchaft zu Wien 
eine vom 265 Det. datirte Note des Fürften von a 
folgenden Inhalts? 


Es habe Se. Mai. det adiis von Frankreich, da, sufolge des 
Friedens vom 30. Mäp 1814, die paciscirenden Maͤchte die po⸗ 
litiſche Organiſation, welche die Schweiz ſich unter den Auſpizien 
der alliirten Maͤchte und gemaͤß der mit ihnen vor jenem Friedens⸗ 
ſchluſſe uͤbeteingekommenen Grundlagen gegeben hat, gewaͤhrlel⸗ 
ſten ſollen, den Herrn Herzog von Dalberg zu den Konfes 


renzen mit den in Wien befindlichen —— — | 
beauftragt, 


Codex Diplomatieus. (Eur. Unnal. 1815.) | 15 


— 226 — 


eo. 
79. 

Note des Raiferlich: Ruffifhen Bevollmächtigten, bie 
küuͤnftige Verfaffung Deutfchlands betreffend, vom 
2. November 1814. 


Der Unterzeichnete hat St. Maj. den Kaiſer, feinen erbeis 
men Monarchen, über die Mejultate in Kenntniß geſetzt, melde 
fid aus den Konferenzen in Hinfiht der künftigen Berfaffung 
Deutichlands darfiellen. Se. Kaiferl. Mai. haben mir Vergmis 
gen erfehen, dab. von Seite Defterreih, Preußen und Haunever 
am 14. Dctober ein Plan zu einer Bundesverfaffung vorgelest 
wurde, welcher ganz mit den Grundfägen der Gerechtigkeit und 
bes geſellſchaftlichen Verbands für dag Wohl der Einzelnen um 
das Intereſſe Europas übereinftimmt, indem er das Necht, über 
Krieg und Frieden zu beftimmen, die Streitigkeiten unter den 
Fürften zu entfheiden und über die allgemeinen Iutereffen zu 
wachen, dem Bunde überträgt, aud für die Errichtung von Land: 
ftänden forgt, welche, garantirt durch den Bund, Frepheit und 
Eigenthum befhägen. IJ. MM. der Katfer von Rußland um 
König von Preußen haben zu Kaliſch dem 13/25. Maͤrz 1813 bie 
Aufloͤſung des Rheinbundes, fo wie aub Ihren Beyftand dafür 
erklärt, daß die deutihen Fuͤrſten und Wölfen wieder ihre Frer⸗ 
heit und Unabhängigkeit ersingen. Die Fortihritte der alliirten 
Maͤchte haben die Befteyung Deutſchlands zur Folge gehabt. Beps 
gritts: Verträge fiherten den deutſchen Fürften ihre Erhaltung zu, 
ohne jedoch etwas über ihr Verhaͤltniß im Innern feſtzuſetzen. 
Der Allianz » Vertrag zu Chaumont und der Pariſer Frieden 
Tractat jegten feft, daß Deutichland ein Bundesftaat ſeyn fol. 
Die deutſchen Fürften werden ohne Zweifel in dieſem Grundfage 
einen neuen Beweis der Sorgfalt der alllirten Mächte gefunden 
haben und daher die Nothwenbigfeit anerfennen, ein Spitem zu 
errichten, welches jie vor jedem Unbeſtand und den nachtheiligen 
Folgen eines ifolleten Zuftaudes bewahrt. Nur in einem ſolchen 
Spitem kann Europa die Garantie der innern Ruhe Deutichlands 
finden, folglid aud damit die Hoffnung, daß deffen Kräfte low 
zentriert unter einer Direction lediglih für das allgemeine Veſte 
verwendet, alle noch vorhandene Neibungen befeitigt, Mißbraͤu⸗ 
Ken vorgebeugt, die Verhaͤltniſſe des Adels beftimmt und alle 
Gattungen Rechte durch Eräftige, weiſe und liberale Einrichtungen 


vv 27 - 

beihägt werden. Diefe Grundfäge finden fi in ihrer ganzen 
Stärke und Reinheit in dem von den Kabinetten Wien, -Berlin 
und Hannover vorgelegtem Plane. Ge. Mai. der Kaifer von 
Rußland kann Daher nur feine volllommene Beyſtimmung mit dem. 
Entſchluſſe bezeugen, dieſes Prolekt durch feine Intervention zu 
unterſtuͤhen, wenn die Umſtaͤnde ſolche fordern würden. Der Uns 
terzeichnete iſt beauftragt, dies nicht nur zu verſichern, ſondern 
auch über die Mittel der Annahme mit dem — zu berathen. 


Das Intereffe, welches Europa an biefer fhönen und edlen 

- Gabe nimmt, tft fo bedeutend, daß man keine andere, als fehr 

wohlthätige, der Wichtigkeit des Gegenſtandes entfprehende Res 
fultate erwarten darf, 


Wien, den 1. Nov. 1814 
i r Neffelrode 


) — SH 5 Suite 


80 
Writtifche VPieklamutien zu Genua, vom 1 Des 
cember 1814. | 


Nachdem die von Er. Ercellenz dem Lord William Bentinf 
unterm 26. April d. 3. ernannte proviforifhe Regierung Ihre Ges 
walt in meine Hände niedergelegt hat, darf ich nicht fäumen, der 
felben biermit öffentlich zu bezeugen, daß alle ihre Arbeiten auf 
eine gute Nerwaltung und auf dad Gluͤck ihrer Mitbürger gerid: 
tet waren. Da ih nun von St. koͤnigl. Hobeit dem Prinzen Mes 
genten von Großbrittanien den Befehl erhalten habe, der Ents 
fheidung des Wiener Kongreffes zufolge, kraft wels 
qer die Herrſchaft des genuefiiben Staats Sr. Maieftdt dem 
Könige von Sardinien Übertragen wird, derjenigen Behoͤrde, 
welche Se. Majeftdt dazu befiimmen werden, die Regierung dies 
ſes Staats bis zum Abſchluß eines Definitivtraltats 
zu übergeben; fo befehle ich hiermit fämmtlichen Ginwohnern des 
bisherigen genuefifhen Staats, den jest beftehenden adminiftras 
tiven Muntzipal s und rihterlihen Behörden den ſchuldigen Gehor⸗ 
fam zu leiften, bis die weitere Willensmeinung Sr. Mai. an mic 
gelangen wird. Ich bin überzeugt, daß die gute Ordnung und 
Muhe, die ich an der genuefiihen Nation, während meines Auf⸗ 
enthalte im ihrer Mitte, fo fehs bewundert Habe, auch keinen 


— 28 — 


Augenblick geſtoͤrt werden wird, und kann bey dieſer Gelegrateit 
verſprechen, daß ſowol in Folge der zu ihren Gunſten im der Ci 
ſionakte beſtaͤtigten Privilegien, die naͤchſtens publigirt werden 
foden, ale durch die vaͤterliche Regierung ihres Königs, ihr Kst 
tiges Gluͤc auf ale Weije geſichert worden iſt. 

Genua, den 27. Der. 1814. 


ee (Unter) Sohn P. Dalepmpti, 
RR: der englifhen Trapn 
Er im — Ge— 





81. 

Note' des koͤniglich⸗franzoͤſiſchen Bevollmächtigten, 
Herrn Fuͤrſten Takleyrand, an ben kaiſerlich⸗ 
oͤſterreichiſchen Bevollmaͤchtigten, Herrn Fuͤrſten 

Metternich, die kuͤnftige Beſtimmung - über 
Sachſen und Polen betreffend. 


ch habe mich beeifert, deu Abfihten Sr. f. k. Maiefkät 
entfprehen, welde das Schreiben ausdrüdt, womit mich Er 
Fürftl. Gnaden beehrten, und es iſt von mir die fonfibentick 
Note, welche Sie am 10. diefes Monats an Se. Fürfil. Sraden 
den Staatskanzler Zürften von Hardenbirg fandten und mir 
officiel mittheilten, Sr. koͤnigl. Majeftdt zur Kenntnip gebraci 
, worden. 

Um das Bergmügen des Königs an den in diefer Note aus 
gedrüdten Entf&lüffen zu verbirrgen, genügt mir die Vergleichen 
derjelben mit den Befehlen, welde Se. Majeftät Alterhöcptden 
Gefandten bey dem Kongreife ertheilt haben. 

Sranfreih hatte Reine Abfihten, von Ehrgeiz oder perie=s 
hem Jutereſſe geleitet, dahin zu bringen. Wieder in die Sur 
feiner alten Grenzen verſetzt, gedachte ed nicht ferner diefe zur 
weitern ; gleich dem Meere, weldes nicht über fein Geftabe aus 
bricht, ald wenn ed durb Stürme aufgewiegelt würde. 

Seine Kriegsheere, mit Ruhm bededt, tragen fein Berl 
gen mehr nah neuen Eroberungen. DBefreit-von jener Unterbrb 
Aung, von welcher Frankreich minder das Werkzeug als das DOpir 


geweien, glüdlich, feine rechtmäßigen Negenten und mit ihmen die 
Ruhe wieder erlangt zu haben, welche es für ſtets verlorem zn has 
ben fürditen Fonnte, hatte es nichts zu reflamiren, Feine Anfprü- 
‘he, die e8 machen wollte. Es hat deren feine gemacht und wird 
deten feine machen. Doc blieb ihm der Wunſch uͤbrig, daß das 
Werl feiner Wiederherftellung für gang Europa, fo wie für fi 
ſelbſt vollendet würde, daß überall für immer der Nevolutiongeift 
ſchwaͤnde, daß jedes gefenmäßtge Recht geheiligt würde und daß 
jede Ehrſucht, ‘oder jedes ehriichtige Unternehmen‘, ſowohl feine 
Beurtheilung,- als ein immerwährendes Hinderniß in einer wider: 
ſprechenden Erklärung und einer förmlihen Gewaͤhtleiſtung jener 
nämlihen Prinzipien fände, von welchen die Revolution nur eine 
lange und unfelige Vergeffenhett gemefen. Franfkteichs Wunſch 
muß der jedes europätfchen Staates fenn, der ſich nicht felbit vers 
blendet, Ohne eine ſolche Ordnung der Dinge ann ſich keiner 
einen einzigen Augenblick feiner Zukunft verſichert halten. 
Nie-bot fi ein edlerer Zweck Europas Herrſchern dar, nie 
that ein Reſultat fo north, und nie fonnte man die Erlangung defs 
selben ſo fehe hoffen, als In einem Zeitpunfte, wo die gefammte 
Chriftenheit zum erſtenmal berufen ward, einen Kongreß zu 
bilden. 
Vielleicht wire man bereitd vouſtandig za demſelben gelaugt, 
wenn, wie der König gehofft, der Kongreß ſofort bey feiner Ver⸗ 
fammlung, indem er-die Grundfäge aufftellte, den Zweck beſtimmt 
und den einzigen Weg vorgezeichnet-hätte, der zu demfelben fuͤh— 
ren konnte. Ohne Zwelfel würde mim alsdann wohl Feine Mächte 
ſich einen Vorwand' haben ſchaffen ſehen, um zu zerſtoͤren, was 
nur dieſe Erhaltung zum Zwecke haben kann. Zuverlaͤſſig, als der 
Vertrag vom 30. May wollte, daß das wichtige Reſultat der Kon⸗ 
greß⸗Operationen ein weſentliches Gleichgewicht und nur Cine 
Maſſe bilden ſollte, um fodann nad gewiſſen Berhältniffen vet 
theilt zu werden, ſo beabſichtigte er damit, daß jede rechtmaͤßige 
Dynaſtie entweder erhalten, oder wieder hergeſtellt, daß jedes 
geſetzmaͤßige Recht reſpektirt wuͤrde und daß die erledigten Laͤnder⸗ 
bezirke, d. h. ohne Souveraͤne, den Grundſaͤtzen des politiſchen 
Gleichgewichts gemäß, vertheilt werden ſollten, oder was das 
naͤmliche iſt, mach den Erhaltunggrundſaͤtzen der Rechte eines je 
den Einzelnen und der Ruhe Aller. Cs wäre überdies ein ſehr 
feltfamer Irrthum, wenn man als einziges Element des Gleis 
getvichtes die Zahlenverhaͤltniſſe betrachten wollte, welche die pos 


— 230 — 


Utiſch en Arithmetiker angeben. Athen, ſagt Montes quien, deſa⸗ 
in feinem Junern dieſelben Streitkräfte fowohl, während es mi 
fo vieler Schmach diente. Es zählte zZofM. Bürger, als es die 
Griechen gegen die Perfer vertheidigte, ald ed mit Sparte um die 
Dberherrihaft ſtritt und als ed Gicilien angriff; es zählte dere 
zo/M. als Demetrius Phalerius fie zählte. — 

: Das Gleihgewicht wird alio nichts weiter als ein inhaltleeres 
Wort fepn, wenn man nit von jener ephemeren und täujchenden 
Stärke, welche die Leidenſchaften erzeugen, fonbern von der wahr 
baften moraltihen Kraft abitrahirt, die in der Tugend befiekt. 
Im Verhaͤltniſſe aber von Voll zu Voll ift Die erfie Tugend: GSe— 
rechtigteit. 

Durchdrungen von dieſen Grundſaͤtzen, hat der König feine 
Geſandten als unabänderlihe Richtſchnur vorgefhrieben, vor Al 
lem zu ſuchen, was Recht iſt, ſich In keinem Falle davon zu ent 
fernen , und aus welcher Rüdfiht ed auch ſeyu möge, nichts jı 
unterzeichnen, in nichts zu willigen, was ihr zuwiderlaufen möchte, 
and in der Ordnung rehtmäßiger Kombinationen ih an diejenigen 
zu halten, welche am Lräftigften zur Feſtſehung und Handhabum; 
eines wahren Gleichgewichts beytragen loͤnnen. 

Unter allen Fragen, welche auf dem Kongreffe verhandelt wer | 
den follen,, betrachtet der Aönig als die erfte, die größte, als bie 
aus ſchließlichſt Europäifhe und außer Vergleichung mit jeder am 
dern, die von Polen; wenn es ihm möglich geweien wäre, eben 
fo ſehr zu hoffen, als er es wuͤnſchte, daß ein Wolf, welches durch 
fein Altertbum, feine Zapferkeit, feine Europen weiland erwie⸗ 
fenen Dienite und durch fein Unglück des Intereſſes aller übrigen 
Mölter fo würdig, wieder in den Beſitz ſeiner alten und vollftän 
digen Inabbängigfeit geſetzt werben loͤnnte. 

Die Theilung, welche es aus der Zahl der Nationen ftris, 
war das Boripiel zu den Zerrüttungen, welde Europa erlitter 
bat; als aber die Macht der Umftände, felbft über die edelften ml 
großmäthigften Stimmungen der Souveräne-obfiegend, denen bie 
ehemaligen polniſchen Provinzen unserworfen find, die Frage 
über Polens Schickſal bis auf eine bloße Theilungs und Grenzen 
Angelegenheit herabgebracht batte, worüber die drey babep inte; 
zeffirten Mächte miteinander diskutirten und an welcher, vermoͤge 
ihrer vorhergegangenen Verträge, Franfreich theilnahmlos gedlie⸗ 
ben; fo blieb diefem letztern, nabdem es ſich geſchehenermaßen 
erboten, die billigſten Forderungen zu unterſtuͤtzen, nur der Wunſch 


— au. = = 


z- 


übrig, es möchte zufrieden fepn, * es ſelbſt zu ſeyn, wenn es 
zufrieden wäre. 


Die Frage wegen Polen Fonnte hierauf, nicht nur für Sranks 


reich, fondern für Europa, an fih jenen Vorzug nicht mehr haben, 


melden fie in der obigen Vorausſetzung gehabt hätte. Die Frage 
wegen Sachſen ift die wichtigſte und erfte von allen geworden, 
weil es gegenwärtig Feine andere gibt, wobey die beyden Grunds 
fäge von Rechtmäßigkeit und Gleichgewicht zugleih und in einem 
fo hohen Grade gefährdet werden, als durch die über diefes König: 
reich vorhabende Verfügung, 


Um biefe Verfügung als rehtmäßig anzuertennen, muͤſſte 
man für wahr halten, daß über die Könige gerichtet werben loͤnne, 


— — — — daß fie verurtheilt werden fünnen, ohne ver: 


nommen worden zu fepn, ohne fi haben vertheidigen zu können, 
daß in ihre Verurtheilungen nothwendig ihre Familien und ihre 
Völker mit verwidelt find, daß die Konfiscirung, welche die aufs 
geklärten Nationen aus ihren Gefeßbühern verbannt haben ‚im 
ı9ten Jahrhunderte durch das allgemeine europdiiche Recht gebei: 
ligt fen, — — — — — — — — — — — — 
daß die Voͤlker keine Rechte haben, welche von denen ihrer Sou⸗ 
veraͤne unterſchieden find, — — — — — — — — 
— — — — daß fie unter dem bloßen Naturrecht unter eins 
ander leben und daß dasjenige, was man in der ganzen Welt das 
Staatsrecht nennt, es ſey überhaupt oder zum Theil durch das 


Herkommen gebildet, weldes die Stelle der unter den Nationen 


— 


Europens geltenden Geſetze vertritt, die man beſtaͤndig allgemein 


und wechſelſeitig gegeneinander beobachtete, keine Vorſchrift für 


fie ſep; re 

Europa aber, dem ſolche Lehrſaͤtze fo vieles Unheil verurfeih, ; 
fo viele Thränen und Blut gefoftet, hat nur zu theuer das Recht 
erfauft, fie zu verabſcheuen und zu verwänfchen. Sie erregen 


gleichen Abihen zu Wien, Petersburg (Berlin), Paris, London, 


— 


Madrid und Liſſabon. Die Art, wie man uber das Koͤnigreich 


Sacdhſen zu verfügen gedacht hat, würde verderblich ald Bevipiel, 


es auch noch durch ihren Einfluß auf dad allgemeine europaͤiſche 
Gleichgewicht ſeyn, welches in einem gegenfeitigen Verhaͤltniß 
zwiſchen den Streitkraͤften des angreifenden und. des vertheidigen⸗ 
den Theiles verſchiedner politiſcher Körper beiteht. Sie wuͤrde 
ſie auf zweyfache, ſehr erhebliche Weiſe verletzen. 


— 232 — 


Einmal, indem fie gegen Böhmen eine ſehr ſtarke Angrifts 
macht ſchafft und fomit die Sicherheit vom ganzen Reich bedrobt: 
denn. die befondere Wertheidigungmaht Böhmens muͤſſte ver: 
haͤltnißmaͤßig verftärkt werben und würde ed nur anf often der 
allgemeinen Vertheidigungmaht ber üfterreihiihen Monardi: 
werden können, An Defterreihs Sicherheit aber ift Europa y 
viel gelegen, um nicht die beiondere Beſorgniß des Königs pr 
erregen, 

Epdänn würde, Indem im Schoße des germaniſchen Körper 
und zwar für eines feiner Mitglieder, eine gegen die Vertheid 
gungmacht aller übrigen unverhältnißmäßige Angriffs macht en 
ſtuͤnde, was jene in eine ſtets drohende Gefahr verjegen und zwin 
‚gen müfte, auswärtige Hülfe zu ſuchen, die Vertheidigengmazt: 
aufgelöst feun, welche nad dem allgemeinen Spftem des eurs: 
paͤiſchen Gleichgewichtes der Gefammtlörper bieten foll, und die cr 
nur durch die innere Eintracht feiner Glieder erhalten kann. 

Sranfreih kann wie Defterreih mit Wahrheit fagen, daß es 
gegen Preußen Fein Gefühl von Eiferſucht oder Erbitterung Heat, 
und daß es, gerade weil es ihm ein aufrictiges Intereſſe zuträgt, 
nicht wünfchen kann, es anfcheinende Vortheile erhalten zu ſeher, 
welche, erlangt, nur gefährlih für GCuropa, ihm felbfit früh oder 
ſpaͤt Unheil bringen würden, Möge Preußen Alles erhalten, was 
es rechtmäßig erhalten kann. Nicht nür wird Frankreich nicht dei 
gegen fepn , fondern es vielmehr am Erften gut beißen, daß nidt 
mehr bie Sprache von dem ſey, was ber König von Preußen 
von Sachſen dem Könige von Sachſen abtreten wird; — — 
— — — — —— — vemm aber die Frage if, was der 
König von Sachſen dem Könige von Prenfen von Sachſen ab 
treten fol und werh, um Preußen vollitändiger eine Eriftenz wie 
der zu; geben, die.jemer von 1805 gleich -fommmt, AUbtretungen vor 
Eeiten. des Könige von Sachſen nothwendig find, fo wird ber 
König: von Franfreic am erſten diejen Fürften zu ſolchen zu ver 
mögen fuchen, welche die Intereilen Defterreiche und Deutfchlands 
geſtatten können umd welche in diefem Punkte das allgemeine In⸗ 
terefie Europens bilden, 

Eure Fuͤrſtl. Gnaden feinen mir das richtige Größen: Maf 
in den desfalliigen Tabellen. angegeben zu haben, welche ibrer 
Note beygefügt waren... Se. königl. Majeftät, unabänderlich dahin 
entſchieden, felbft nicht durch Ihr Schweigen die Ausführung von 
Planen zu fanktioniren, die gegen ben König von Sachſen und 


# 


das Königreih Sachſen entworfen werden, Tondern gern dee 
Meinung, daß diefe Plane Züge irgend eines Irrthums oder 
einer Taͤuſchung find, welche bey einer genauern Prüfring ſchwin⸗ 


den werden, voll Vertrauen zur perfönlihen Redlichkeit und Ges 


finnungen Sr. Majeftät des Königs von Preußen, der auch das 
Unglüd gekannt hat — im Bewuſſtſeyn alles deſſen, was der Eins 
fluß Sr. Majeftät des Kaiſers von Rußland vermag und was man 
berechtigt ift, von allen den edeln Eigenfchaften gu erwarten, die 
ihn auszeihnen, — überzeugt endlid, dag man nie an einer ges 
zechten Sache verzweifeln muͤſſe, verzweifelt Sie nicht an der von 
Sadfen. Sie wird noch minder an derjelben verzweifeln, indem 
fie vernimmt, daß Se. Majeftät der Kaiſer von Oeſterreich, mits 
telſt eines Seiner würdigen Entſchluſſes, deren Vertheidigung 
laut übernommen und erklärt hat, daß cx fie nie verlaffen werde. 
(Hate) Fuͤrſt v. Talleprand. 





82. | 
Mote ded Koͤnigl. Preußifhen Staatskanzlers Fürs 
ften v, Hardenberg. vom 20. Dec, 1814. 
Der unterzeichnete Staats; Kanzler Sr. Maj. des Königs 
von Preußen, welchen Se. Mai. der Kalfer ‚von Nupland mit 
einer Unterredung über die zu treffenden Uusgleichungen in Hins 


fiht. des Herzogthmus Warſchau zu beehren beruht hatte, beeilte 
ſich, die Reſultate derfelben dem Herrn Fuͤrſten v. Metternich 


mitzutheilen. Um einen fo hoͤchſt wichtigen Gegenftand nicht dem 


ſchwankenden einer. mündlichen Unterredung auszuſetzen, glaubte 
er dasjenige unterzeichnen zu müflen; was er in der beygefünten 
Note vom 2. December, (Nro. 1.) anzuführen fich veranlaflt fab; 
Am 10. Dee. erhielt ervondem Herrn Fürften Metternich die Ant⸗ 
wort (Neo. 2.) mit den bepgefügten Tableaus Neo. 29. u. 34. *). 
Der inhalt derfelben muffte in Hinficht alles deffen, was Sach⸗ 
fen betrifft, um fo unerwarteter fepn, als er mit den bisherigen 
mündlichen und ſchriftlichen Erflärungen, insbefondere auch dem 
bier beyliegenden Schreiben des Herm — (Nro. 3.) nicht im 
Einktlange ftehet. Wermöge beflelben, fo wie des am den Lord 


‚*) Die Beplagen find noch nicht offiziell befannt worden. 


— 234 — 


Caſtlera gh unter dem naͤmlichen Datum mit ganz gleichen € 
Härungen erlaffenen Schreibens (Pro. 4.) gab der — Hof unli 
gewiſſen Bedingniffen feine Einwilligung zu der Einverleibung za 
ganz Sachſen mit dem Königreih Preufen. Der Unterzeichnct 
fühlte fih daher duch die veränderte Spradhe um fo mehr e 
troffen, ald man fi in allen Neuerungen nur auf den Rath e 
fhränft hatte, einen Theil Sachſens feinem bisherigen SGouveris 
ald Ausgleihung » Mittel zu Zufriedenheit aller Theile zu üben 
laffen, während man jezt 4/5 von Sachen erhalten und nur ge 
trennte Parzellen, melde beyläufig ı/5 betragen, an Preuse 
überlaffen will. Der Unterzeichnete befchräntte fih am. zı. De 
cember auf einige Bemerkungen mit dem Zuſatz, daß er ſich it 
die Nothwendigkeit gefeßt fehe, von dem Könige, feinem erhabener 
Herrn, ganz genaue Verbaltungs Befehle einzuholen, ebe er id 
in eine weitere Erklärung einlaflen künne. Inzwiſchen wurde dod 
von dem Herrn Fürften zu erkennen gegeben, daß man Das vor 
un angebotene noch nicht als das leute Wort anzujeben habe 

— — Bor Allem war nöthig, das ZTableau zu: be 
richtigen, welches der Note vom 10. December beygefügt war, 
Zu diefem Zwed übergab man eine genaue Daritellung (Mro 5.), 
welche vollitändig beweist, daß, anftatt nah obigem Tablear 
Preußen einen Ueberſchuß gegen den Stand von 1505 zu geben, 
Daffelbe nah dem dortigen Kalkul, über 1,200,000 Seelen weni 
ger Im Verhaͤltniß zu dem Stande von 1805 erhalten würbe. 

Gegenwärtig kommt es hauptſaͤchlich auf die Entſchluͤſſe in Hin⸗ 
fiht Sachſens an. Die ftärtiten Gründe fteben einer Serflüädlung 
dieied Staats entgegen — das Wohl und die Wünfbe der Nu 
tion, welche fih+täglich lauter ausfpreden, das Wort Sr. Mai. 
bes Kaiferd von Rußland und das Staats Intereile Preußens, 
fo wie felbt Europas. Man bat bis jezt den Geſichts⸗Punkt fehs 
gebalten, daß Preußen zu Erhaltung des Gleichgewichtes und der 
Ruhe ftarf feyn muͤſſe. Man will, daß es einen folben Umfang 
bilde, um fi vertheidigen zu können und nicht in die Lage verſetzt 
zu werden, daß es, zu Erhaltung der für feine Vertheidigung um 
ensbehrlihen Kraft, nah Zuwachs fireben muß. 

Die Verträge fihern ibm überdies die Zahl der Einwohner, 
welche esim Jahr 1805 hatte, zwar ohne Ruͤcſicht auf die Stärke 
der Befipungen, zu; aber fie verfihern ihm doch einen in allen Be: 
ziehungen geographiſch gerunderen Staat. Die Gerechtigkeit fors 


7 


dert für daffelbe laut eine Verſtaͤrlung, welde derjenigen aͤhnlich 
iſt, die alle Alllirte und fo viele andre Staaten erhalten haben, 
Woher kann man biefem Allem Genüge thun, wenn es nicht durch 
ganz Sacſen geſchieht? | 

Es möchte wohl in jeder Hinficht raͤthlich ſeyn, für den Ads 
nig von Sachen und feinen Nachfolger ein andres Etabliffement 
zu begründen, Seine fernere Eriftenz in Sachfen zeigt einen Zus 
ftand von Unannehmlichkeiten, der ihm felbft nicht befriedigend 
fepn kann, für ihm im Gegentheil mehr läfig und prefär werden 
muß. Seine Befigungen wären immer zufammengedrudt, von 
den zwey Nachbarn Defterreih und Preußen. Die bepbehaltenen 
Einwohner wären nothwendig in fteten Verbindungen mit dem 
abgetretenen, wodurch Unannehmlichkeiten und Unzufriedenheiten 
‚anterhalten würden — auf gleihe Mrt nachtheilig für die Gous 
veränd, wie für ihre Unterthanen. Es würde fi ein Sitz von 
Intriken und Kabalen bilden, ber ftets die innere Ruhe beyder 
Staaten, ia fogar die gute Harmonie bedrohen könnte, welche 
ſtets zwiſchen Defterreih uud Preußen fortdauern muß. 

Der König von Preußen bat, unter wenig bedeutenden Bedin 
gungen, Münfter, Paderborn und Korvey mit 310,000 Einwoh⸗ 
nern angeboten, um das fragliche Etabliffement für das Königl. 
Saͤchſifche Haus berzuftellen. Wenn das nicht zureichend feinen 
follte,, fo hat der Unterzeichnete den Auftrag, eine noc viel bes 
trächtlichere das Doppelte betragenbe Beſitzung aufdem linfen Rheins 
ufer in Vorſchlag zu bringen, in welcher fi eine fehr angenehme 
zu einer Reſidenz vorzüglich geeignete Stadt befinden wuͤrde. 
— — — — — — —  Suremburg müde 
eine Veſtung des ganzen: deutſchen Bundes werden. 

Indem Schreiben vom 22. October bat der Herr Fürft im 
Namen feines erhabenen Souveräns unter gewiſſen Bedingniffen 
in die Vereinigung ganz Sachſens mit Preußen eingemwilligt. Gr 
beihräntte fid nur darauf, fein Verlangen zu eröffnen , dag man 
einen Theil des Koͤnigreichs Sachſen, welcher an Böhmen gränzt, 
für den bisherigen Sonverän deffelben erhalten möge. Man ents 
mwidelte die Unmöglichkeit, diefem Verlangen zu gemigen. Man bot 
den Befiß eines, beträchtliben Landes an, deſſen Einwohner fi 
zu der nämlihen Meligion, mie der König befennen, vermöge 
deflen er in der Macht unmittelbar. nah Baden folgen und auf 

„ welhem Lande eine Stimme in dem erften Bundesrathe haften 
würde; defien age auch nicht geeignet iſt, es zu einem Gegen; 


* 


— 230 — 


ftende ewiger Eiferſucht zwiſchen Defterseih und Preußen pa! 
ben und das alfo gewiß in ‚jeder Hinſicht der Erbaltung rin 
Cheils von Sachſen, der weniger fiber und unabhängig ik, m? 
zuziehen wäre. 

Es fep mir erlaubt, die Bedingniſſe zu beleuchten, mir 
welhen Ee, Majefät — — — Allerhoͤchſtdero Sufıimman 
gegeben haben: 

1) daß diefer Gegenftand mit den — Territ oriat⸗ Arlu⸗ 
chungen Deutſchlands in Verbindung bliebe, in Hinfiat md 

der Se. Mejeftät dad volllommenſte Gleichgewicht dedth 
fluſſes, zw welchem Delterreib und Preußen, in Hinik 

Deutſchlands berufen werden möchten, als Grundlage amic 

und zwar in einer folben Art, daf das Soſtem der Dei 

reihifhen und Preußjihen Vertheidigung nice auf eine di 

refte Art von Einem anf den Andern eingreifen könne. Selr 

aber die Gleichheit des Schutzes, oder Einſtuſſes von zmu 
deutfchen Mächten. zu exiſtiren -aufbören. ſo würben Eı. 

Majeſtat die Linie am Main mir Einſchluß Mainz, als mars: 

wendig für die Vertheidigung des füdlihen Dewtiblande und 

die Sicherheit ihrer Monarchie anfehen , daher der Lauf dei 

Maind und der Mofel, ald die füdliche Vertheibigung : Lirt 

betrachtet und hiernach die Territorials Thetle- zu beftimman 

wären, melde ald Entihädigungs und Anusgleichung-Mitte 
für Fürften des noͤrdlichen und ſadlichen Demi diene 
fönnten, 

2) Inter dem auöträttihen Vorbedalt der noch — ber: 
den Mächten zu treffenden Einrichtungen in Hinfiht bei 
Gränz: Punktes der Befeftigung einiger Pläge, der Handels 
Verhäitmiffe und ber freven Schifffahrt auf der Cibe. | 

3) Haben Se. Majeftät auch auf wechfelieitige -Unterftäten 
und volltommene Ginheit der bepden Sue in Hinſicht de 
polniſchen Punktes gezaͤhlt. 

ad 1) Mas den erſten Punkt betrifft, fo laͤfft ib Preuie 
ganz und gar in alle Anjichten nnd Grumdfähe Sr. Mojektät » 
Kaiſers ein. Es überläfft mit aller Bereitwilligteit an Dejterr 
den Einfluß und die in Frage befangene Einrichtungen is 
auf. dem linfen Mainz, ale: dem rechten Mofelellfer, obme # 
biebey in eine Erörterung einzulaffen , ob die Feftung Mainz mes 
zu Vertheidigung des Nordens oder Südens Deutſchlands gebir 
Die Nothwendigleit, fie für das gemeinfchaftlihe Vaterland a 


* 


— 3 —. 


erhalten, iſt ſo einlenchtend und durch die Stimmen der meiften 
Sürften ausgeſprochen, daß Preußen, weldes nie die Abficht hats 
te, feine Bejigungen durch diefen Plak zu vermehren, keinen ans 
dern Geſichtspunkt hat, als denjelben wie eine gemeinfchaftliche 
Bormaner des Bunde anzufehen und ihn nicht einem einzelnen 
Staate, der einen Theil des Bunde ausmacht, abgetreten zu fes 
ben. Diefe Feftung fey bewacht dur die Bundes; Truppen und 
unterhalten auf gemeinſchaftliche Koften. 


ad 2) Was. den zweyten Punkt betrifft, fo iſt die Verbind⸗ 
lichkeit übernommen worden, Dresden nicht zu befeftigen. 

Dem Unterzeihneten tft unbefannt, von. weldem andern 
Grenzpunfte oder Plage noch die Frage feun könnte; — allein 
die zu übernehmenden Verpflichtungen in Hinſicht Dresdens, in 
Hinfiht der Handels: Nerhältniffe von wechſelſeitigem Inſereſſe, 
fo wie der freyen Schifffahrt auf der Elbe, unterliegen feinem 
Anſtande. | 


! : , ’ 

ad 3) In Hinfiht des dritten Punktes hat Preußen ohnehin 
nah Möglichkeit foviel bepgetragen, dag man hoffen kann, ihn 
auf eine befriedigende Meife geendet zu fehen. Der Unterzeichs 
nete kennt. mit Ausnahme — — Beine beutjche Macht, welche 
ſich gegen die Vereinigung: ganz Sachſens mit Preußen erklärt 
hätte. - Jene will,den Föderativ: Bund nicht auf einer Grundlage 
errichtet wiſſen, welche, wie. durch die Einverleibung eines der 
vorzüglideren Staaten Deutſchlands, für ihre. eigene Sicherheit 
fo bedrohend werden könne, Mar aber die Sicherheit der Eris 
ſtenz Deutichlands und feiner Mitglieder nicht weit mehr dadurd 
bedrohet, daß der König von Sachen hartuädig, bie zu dem 
legten Augenblide, der Sache. des Feindes anhängig blieb ? Se, 
Mai. der König von Preußen zaͤhlt darauf, daß Se. Mai. der 
Kaifer, ‚der Einverleibung Sachſens mit Preußen beyftimmen 
und ſowol dem Könige von Sachſen, ald den Mitgliedern feiner 
Familie, die Vortheile darftellen werden, welde für fie mit dem 
angebotenen Etabliffement auf bem linfen Rheinufer verbunden” 
find. Se. Majeſtaͤt wuͤnſchen nichts fehnlicher,, ald Ihrer Seits 
Alles bepzutragen, was die innige Verbindung unter den großen 
alliirten Mächten zu Erreihung des wichtigen Zweckes, fir wel: 
hen man fein Dpfer fparte, erhalten kann; andrer Seits kann 
auch Se. Majeftät feinen Einrichtungen bentreten, welde Preußen 
allein ein bleibendes Opfer auflegen würden. — .— — — 


— 2383 — 


— — Ge. Majefät reflamirt dasjenige, worauf Werträgud 
Kraft s Unfttengungen gerechten. Aufpruh geben. — — — 


Buena (Folgt die Unterfgrift). 





| 83- 
Patent des Königs von Sardinien, die Behk 
nahme von der Republik Genua betreffend, ver 


20. Dec. 1814. 

Victor Emanuel, von Gottes Gnaden König von Ser 
dinien, Cypern und Gerufalem, Herzog von Savopen und Ge 
nua, Zürft von Piemont Ic. Da die Einverleibung des Gebich 
der Republid Genua mit Unfern alten Staaten Uns die heilige 
und angenehme Pflicht auflegt, Unfere Sorgfalt der Woblfahr 
Unfrer neuen Unterchanen zu widmen ıc., fo haben Wir beſchloj⸗ 
fen, einen bevollmädtigten Kommiflär gu ernennen, der Unfre 
neue Staaten in Befig zu nehmen, Unfre Perfon daſelbſt vorzu 
fielen und Unfre Befehle zu vollziehen bat. Ueberdies wolle 
Wir eine Delegation unter dem Vorſitze diefed Kommiſſaͤrs ve 
ordnen und aus Männern zufammenfegen, welche durch Ciafie 
ten, Weisheit, Erfahrung und Kenntniß des Landes das 5w 
trauen deffelben verdienen können, Diefe Delegation fol fi wi 
den Anlegenheiten und Beduͤrfniſſen Unſrer neuen Untertbanrm vo 
(däftigen und Uns Mittel vorfchlagen , deren Wohl zu befdrberz 
was Unſre Fürficht in diefer Hinſicht wird beſchloſſen haben, me) 
len Wir alsdann dem Kommiflär mittheilen, damit er es m» 
- börlge Vollziehung fege. Um gleich bey diefer erſten königliee 
Amtshandlung Unfern Völtern einen Beweis Unirer Sunelgrn 
durch eine Wahl zu geben, die ihnen das größte Zutrauen in De 
fere Reglerung einflößen muß, ernennen Wir zum Haupte der * 
nigliben Delegation Unfern bevollmädtisten Konuniffäar, dv 
Mitter Ignaz Thaon di S. Andres © di Nevel, Grafen m 
Pratolungo, Generals Lieutenant Unfrer Armee, und zu Mirzb 
dern derfelben den Generalmajor und Geſchwaderfuͤhrer, Grar 
Georg Undrea des Geneys; den dirigirenden Eenater » 
Getechtigteitrathe von Aleßandria, Ritter P. Vinzenz, Ferner! 
bie Caſteluovo; den Maschefe P. Pallaricini; Dom, Demarı 





8. Carbonara; den Grafen Eg. Sanfont; Kajetan Dlandini und 
den Marcheſe A. Sarron di S. Bommaſo als Generalfefretär. 
Wir wollen jedoch, daß (die proviforiihe Regierung ausgenommen, 
Die nothwendig mit der Einverleibung anfhört) alle andere bürgers 
liche, gerichtlihe und militärtihe Behörden in ihren bisherigen 
Amtshandlungen fortfahren und in den bisherigen Geſetzen und 
Einrichtungen Feine Neuerung vornehmen, bis Wir die darin 
nöthigen Abanderungen entfhieden haben werden. Unterdeſſen 
aber wollen Wir die Privilegien, die Unfer väterlihes Herz Uns 
bereits diftirte, hiermit nemerdings bejtätigen und fie zu dem 
Ende hier ausdrüdlih anführen: 

.. I) die Benuefer werden in Allem Unfern übrigen Unterthas 
nen gleich gehalten; fie werben als folbe zu allen bürgerlichen, 
gerichtlichen, militärifhen und diplomatifhen Memtern der Mos 
narchie zugelaffen und ohne Nachtheil der ihnen unten zugeſicher⸗ 
ten Privilegien, denfelben Geſetzen und Anordnungen mit allfäls 
ligen Milderungen unterworfen feun; der genuefifche Adel ſoll wie 
jener aus andern Cheilen dee Monardle zu allen großen Hofs 
würden und Hofämtern zugelaffen werden. 

2) Die gegenwärfig in den genuefiihen Truppen dienenden 
Militärs werden den königlichen Truppen einverleibt werden. Die 
Dffigiere und Unteroffigtere behalten ihre Grade. 

3) Dad Wappen von-Genua wird in das königliche aufgenom⸗ 
men und feine Farben werden Unſrer Flagge eingereiht. 

4) Der Frephafen von Genua wird unter den nämlihen Eins 
richtungen, die unter der vorigen Megierung beftanden, wieder 
bergeftellt. Dem Durchzuge der Waaren durh Unſte Staaten, 
aus oder nach dem Frephafen, toll alle Erleichterung angedeiben, 
mit Beobachtung jedoch der nöthigen Vorſichten gegen den Vers 
kauf oder Verbrauch diefer Waaren im Innern, Sie werden blos 
den gewöhnlichen Durhgangs :30U bezahlen. 

5) Im Sprengel jeder Intendantfchaft wird ein Provinzials 
tath von 30 Gliedern errichtet, welche aus der Rolle der 300 am 
hoͤchſten Beſteuerten jedes Sprengeld auszumählen find. Sie wer 
den das Erftemal von Uns ernannt und auf gleihe Art alle zwey 
Fahre zum Fünftel erneuert. Die vier erften Fünftel werden übes 
den Austritt looſen. Die Bildung diefes Nathes wird von Uns 
beitimmt werden. Der Vorfigende (den Wir ernennen), kann 
außer den Gliedern des Rathes gewählt werden, wird aber in die: 
fem alle keine Stimme haben. Die Glieder find erſt vier Jahre 


— 240 — 
nach ihrem Austritte wieder wählbar. Der Kath wird ſich blos 


mit den Beduͤrfniſſen und Ungelegenheiten“der Gemeinden dei 


Sprengels, in foweit fie auf deren innere Verwaltung Bezug bu 
ben, befhäftigen und nur zu dem Ende Vorftellungen machen 
fönnen. Der Rath wird fi jährli im Hauptorte der Anten: 
dantichaft zu der Zeit und für fo lange verfammein, ald Wir te 
ftimmen werden; außerordentlihe Verfammlungen werben Bü 
in jedem Nothfale einberufen. Der Intendant der Provinz oda 
fein Stellvertreter wird den Verfammlungen nothwendig als ir 
fer Kommiſſaͤr bepwohnen. So oft die Staatsbedürfniffe neu 
Auflagen erheifhen, werden Mir ale Provinzialräthe in einer Uns 
beliebigen altsgenuefiihden Stadt vereinigen und deren Borfiger 
ernennen, Sollten Wir ihn außer der Nerfammlung nehmen, iv 
wird er feine Stimme haben. Wir werden dem Senat von Se 
nun kelne außerordentlihen Steuer s Edifte eher zur Eintragum 
ind Buch zuſchicken, als bis fie von der allgemeinen Berfammiun; 
der Provinzialeäthe genehmigt worden find. Die Mehrheit Eine 
Stimme gibt den Ausſchlag ſowol in den einzelnen, als in Du 
vereinigten Mäthen. 


6) Das Marimum der Steuern, fo Wir im Etaate von Ge 
nua einheben wollen, ohne die Werfammlung det Provinzräthe zu 
befragen , fol nie deren Verhältniß in Unfern übrigen Landen 
überfbreiten.. Die dajelbft eingetriebenen Stenern werden zu bie 
{em Maße gebracht werden, mit Vorbehalt der Milderungen, dir 
Uns die Liebe zu Unfern genuefiichen Unterthanen eingeben fönnte, 
und mit Nüdficht auf das, was auf die direkten und indirelter 
Steuern bereits geſchlagen worden fepn kann. Da Mir folder 
geftalt das Masimum der Steuern feitgefegt haben, fo werben 
Wir bey jedem neuen, oder auferorbentlihen Etaatsbebärfnif, 
die Zuftimmung der Provinzräthe einholen, fowol für die Sum 
men, die Wir vorzufclagen erachten werden, als für die Art bet 
Auflage, die fie verihaffen fol. 


+) Die Staatsichuld, fo wie fie unter det — fran zoͤſiſche⸗ 
Reglerung beſtand, iſt garantirt. 


3) Die Civil⸗ und Militärpenfionen, die geſetzlich vom Staate 
verlieben wurden, werden allen gennefiihen in Unſern Staaten 
wohnhaften linterthanen bepbehalten werden; eben fo und unter 
gleicher Vorausſetzung die Penfionen, melde Welts oder Klofter: 
geiftlihen von - Geſchlechtern ertheilt und von der franz 

ſiſchen 


— 241 — 
ſiſchen Regierung an genueſiſche une unter dem Titel von 
Hülfgeldern gereicht wurden. 

N 9) Genua wird einen oberjten Gerichtehof mit den naͤmlichen 
Vorrechten und unter derſelben Benennung eines Senates ev 
halten, wie jene von Turin, Savoyen und Nizza beſtehen. 


10) Die Gold: und Silbermünzen des alten genuefifhen 
Staated, die noch im Umlaufe find, werden mit den piemontefis 
ſchen in allen öffentlichen Kaſſen angenommen werden. 


11) Die Aushebungen der Provinzfoldaten werden in Ge⸗ 
nua's Gebiete nicht ſtaͤtker ſeyn als in Unſern uͤbrigen Staaten. 


12) Der Seedienſt wird dem Landdienſt gleichgeſetzt. Eine 
Kompagnie genueſiſcher Leibgarde wird die vierte Unſrer Garden 
bilden. 

13) Wir werden in Genua einen Gtadtrath (corpo di cittä) 
errichten, der aus 40 Adelichen, 20 von ihren Einkünften lebens 
den oder frepe Künfte ausübenden Bürgern und zo der vorzügs 
lichiten Handelsleute beftehen wird. Das Erfiemal ernennen 
Wir zu den Stellen, die in der Folge erledigten werden vom 
Stadtrarh felbft unter Morbehalt unfrer Genehmigung beſetzt. 
Diefer Körper wird von Uns feine beiondere Einrichtung in Hins 
ſicht auf Vorfig und Verkheilung des Arbeit erhalten, Die Nors 
fiper werden den Titel Syndiker annehmen und aus den Glies 
dern des Stadtrathed gewählt werden. Wir bebalten Uns das 
echt vor, eine ausgezeichnete Perfon zum Vorſitz zu ernennen, 
fo oft Wir es für dienlih erabten. In den Wirfungfreis des 
Stabdtrathes gehören: die Verwaltung der EStadteinfünfte; die 
niedere Stadtpolizey und die Aufſicht über die öffentliben Wohl 
thätigkeitanftalten der Stadt. Ein fönigliher Kommiſſaͤr wird 
ben Verfammlinngen und Berathiclagungen des Stadtraths beys 
wohnen. Die Glieder diejes Körpers werden befondere Kleidung 
und die Spndifer das Vorrecht haben, die Zimerra oder Toga, 
wie der Vorſitzende des Gerichtähofes, zu tragen. 


13) Die Univerfität von Genua wird aufrecht erhalten und 
gleiher Trepbeiten, wie die von Turin, genießen. Wir behalten 
Und vor, ihren Nothöurften zu ſteuern und nehmen- dieje Anftalt, 
fo wie die übrigen Anstalten für Unterricht, Erziehung, fchöne 
Willenfbaften und Menicenliebe, die beybebalten werden, in 
Unfern Schuß. Es werden fortdanern die Freppläße, den linfre ° 
genuefifche Unterthanen auf Negierungfoften im Lpreum geniefs 

Codex Diplomaticus. (Eur, Annal. 1815+) 16 


fen, unbefhadet Unferm Rechte, fie den Verfügungen zu ter 
werfen, die Wir für nöthig erachten. 

15) Wir werden Genua fein Handelsgericht und feine fm 
delstammer bepbehalten,, mit denfelben Befugniffen, weldi ic 
beyden Anftalten gegenwärtig befigen. 

16) Wir werden insbefondere die Lage der gegenmwärtign 
nuefifden Beamten in Erwägung ziehen. 

‘ 17) Wir werden allen Vorſchlaͤgen über die Mittel, die de. 
von St. Georg wieder herzuſtellen, geneigte Gebör verkin 
Wir befehlen, dag Gegenwaͤrtiges verfündigt und beobastet no 
de ic. Hieran geſchieht Unfer Wille.‘ Turin, dem 30. Dee. 15. 
Unfter Regierung im ızten Jahre, 

(Unter) Bictor Emanuel 
Patori. — Brea. — Em 





8% 

Rede ©r. Excellenz des General⸗Gonvernenr 
Fuͤrſten Repnin, als er bey Uebergabe de 
Gouvernements des Koͤnigreichs Sachſen « 
8. Novbr. 1814. zu Dresden feine Abſchied— 
Audienz gab. 


Ein zwifhen Rußland und Preußen geſchloſſener Berttx 
dem auch Defterreih und England beygetreten find, legt Eu 
ſens künftige Verwaltung in die Hände Sr. Mai. des 
von Preußen. So iſt es denn das Letztemal, meine Herren, > 
ich unter Sie trete, als der, welden Alerander beanftragte, v 
Ihre Wohlfahrt zu wachen und Ihre, der heiligen Sache der 
heit Europens gewidmete, Anftrengungen zu leiten. QWlled, m 
ich in der Erfüllung diefes Ehrenvollen Berufs zu wirken verme 
te, verbanfe ih den biedern Sachen. Ich fand nur 5300 Bir 
Truppen, aber Ihr Enthufiasmus, Ihr aͤcht deutiches Herz, it 
bie Nation ſchnell beym erften Aufrufe unter die Waffen und 
nen des kurzen Seitraums von drey Monaten waren 43000 rt 
theild mit den fiegreihen Phalangen Wleranderd und Frier' 
Wilhelms wirklich vereinigt, theild auf dem Wege, zu hmm | 


— 21413 — 


ſtoßen. Die öffentlihen Kaflen waren erſchoͤpft. Nur der ums 
eigennügigen Baterlandsliebe des Handelsftandes, welcher vers 
trauungvoll zu wiederholten Malen dem Gouvernement beuftand, 
verdanfe ich es, daß ich die Verwaltung dieſes dur den Krieg 
verheerten Landes habe unternehmen und fortführen, aud den 
öffentlihen Kredit bewahren und das PrivatsCigenthbum vor einer 
drohenden Gefahr-fiber ftellen können, indem ich die Kaffenbils 
lets nicht nur zu erhalten, fondern auch ihren bis auf die Hälfte 
herabgeſunkenen Werth bis beynahe gut Höhe des Nominalwerths 
zu bringen vermochte. Dank ſey es dem Eifer und ber unermüs 
deten Chätigteit der Landes; und Provinzialbehoͤrden, daß in eis 
nem kurzen Zeitraume von ſechs Wochen, dur zahlreiche Mas 
gazine der Unterhalt von 466,600 in ihr Vaterland zuruͤckkehren⸗ 
den Kriegern gelihert und dadurch einzelne, für das Land eben 
fo wie für die Mannszucht nachtheilige, Kequifitionen vermieden 
wurden. Auch bie adptungmwerthen Landbewohner verdienen mei⸗ 
nen Dank. Dutch ihren regen Erwerbfleiß, ihre unermädlichen 
Anftrengungen, find die traurigen Spuren des Kriegs größten: 
theils verwifht, die Felder wieder beftellt und die Dörfer aus der 
Aſche erhoben worden. Mie könnte ich ungerührt bey ſolchen Er⸗ 
innerungen bleiben! Meine Dankbarkeit für Sie wird nur mit 
meinem Dafeyn aufhören! Ich preife Gott und danfe meinem 
Kaifer , daß ih, während diefed merkwürdigen Jahres, an der 


Spige eines Volkls, wie des Ihrigen, ftand! Dennoch wurde zus 


weilen unfer gegenfeitiges Verhaͤltniß getruͤbt. Laſſen Sie mid 
hierüber mit der Freymuͤthigkeit, die ih mir zum Verdienſte mas 
che, zu ihnen fprehen. Vom Anfange meiner Amtsführung ums 
gaben mih Männer von Achter Vatetlandsliebe. Im Bewußtfepn 
der beften Abficht und durchdrungen von der Ueberzeugung der 
Nothwendigkeit, arbeiteten fie an mehreren Werbeflerungen; ges 
meinfhaftlih befämpften wir einige Meinungen, einige einzelne 
Rüdfihten; fie ale Sachien hatten hierbey ein größeres Verdienft, 
das Schickſal ihres Baterlandes war damals noch nicht eutſchieden. 
In einer ruhigen Zutunft fordere ih Ihre Rechtlichkeit auf, über 
mid und meine adhtungwerthen Kollegen zu entiheiden. Zu eis 
ner Zeit, mo das, duch eine lange Reihe von Drangialen nies 
dergedrüdte und durch die, der gemeinichaftliben Sache bereits 
dargebrachten, Opfer eriböpfte, Sachſen feine Anftrengungen niit — 
denen der übrigen deutſchen Voͤller vereinigen follte, um den aufs 
ferordentlihen Kriegsaufwand zu, beftzeiten, die Hofpitäler zu vers 


8 


— 244. —— 


ſorgen, Waffen und die zum Unterhalt der Herre erforderlic: 
Gegenftände herbey zu ſchaffen, waren nur zwey Mittel vorm 
den , entweder einer Klaffe der Staatsbürger — der Handelnk: 
‚und Gewerbtreibenden — eine: Kriegsfteuer aufzulegen, ar 
biefe Kaft auf das gefammte Eigenthum zu vertbeilen. Ss w 
fand die Gentralftener. Ihre Gerectigfeit mag urtbeilen, ! 
nicht das letztgedachte Mittel zu: ergreifen war? Wier und x 
halbe Million an Staatspapieren und der größte Theil der Ser 
jumwelen waren ind Ausland gebracht und dadurch fo viel Zablın 
und Pfandmittel der Megierung entzogen worden. Meine % 
ftellungen dagegen blieben unbeadtet. Die Folge davon war: ki 
Berringern und CEinzieben einiger Jahrgehalte, eine meinz 
Herzen ſchmerzliche Maßregel, welde mir aber die Pflicht m) 
das Staatsbebürinig geboten. Endlih, meine Herren, fomz: 
ich auf den Gegenſtand, welcher Sie am meiften befümmert bi. 
die Ungewißheit über das Schidfal Ihres Vaterlandes und ii 
2008 eines Fuͤrſten, deffen Vorſorge ein halbes Jahrhundert bir: 
durch Ihr Schidial anvertraut war. Es war Ihrer würdig, di: 
Leiden der lepten Sabre zu vergeffen und ſich nur der friedlichen 
und ruhigen Zeiten einer. g5jährigen Negierung, während weihr! 
früher geichlagene Wunden geheilt wurden, zu erinnern. Dei 
Ungläd eines Privarmannes rührt jedes fühlende Herz, aber dei 
Mißgeſchick eines Fürften hat etwas Heiliged, welddes dad & 
muͤth hinreißt und begeiftert. Ich werde fie alfo nibt tabein de 
Gefühle, weldbe Sie an den Tag gelegt baben. Und wenz is 
einigen Schritten, zu denen man fi verleiten ließ, emtaegen in 
wirken bemüht war, fo ſuchen Sie-den Grund davon einmyia \ 
meiner gewiſſen Ueberzeuguug, daß nur dad vollfommenke Dr 
trauen und die nnbegrängte Ergebung in die Beichlüfe der dod⸗ 
verbündeten Mächte ihre Wohlfahrt ſichern und Sachſen vor de 
Unglüde der Zerſtuͤckelung bewahren könnten. Eine giädhs 
Zukunft ſchließt ih vor Ihnen auf. Sadfen bleibt Sacyien m 
feine Gränzen unangetaftet. Cine liberale Verfaſſung mwird Y 
Selbititändigfeit des Staats und die Wohlfahrt jedes Cimzein 
ſichern; und unter dem mächtigen und väterliden Shuße Fr: 
drich Wilbelms und Seiner Nachlommen, wird Ihr Ba 
land nicht mehr, wie fonjt in jedem halben Jahrhunderte, » 
Verwuͤſtungen des Kriegs auegeſetzt ſeyn. Mit dieſer tröäniie« 
Ueberzeugung übergebe ich die Regierung ihres Landes den 
den des von Sr. Mai. dem König von Preußen ernannten Ger 


ralgouverneurd. "Friedrih Wilhelm, diefer gerechte und edle, 
im Mißgeſchick hochherzige, im Gluͤck großmütbige König; be⸗ 
ſchaͤftigt ſich von nun an mit Ihrem Wohl, Seine mähtige Hand 
wird Sie ſchuͤtzen. Er bar ein Recht auf Ihre Liebe und Auf Ihs 
ten unbeihränften Geborfam. Meinem erhabenen Monarchen 
werden Sie nie gleichgültig fenn; indem Er Sie.den Händen Sei: 
nes Freundes übergibt, weiß Er, daß Ihre Wohlfahrt begrüns 
det if. Mon diefer Stunde an bin ich durch Dienftverhältnife 
nicht mehr: mit Ihnen verbunden ; aber die Bande der. Freund, 
ſchaft werden dauern fo lange ald mein Leben. Mein Ruhm, mein 
Gluͤck wird ſeyn, Ihre Achtung verdient zu haben und ſtets unter 
Ahnen Freunde zu finden. Sachſen! Erinnern Sie fih zuweilen 
deifen, der Ein Jahr lang einer der Ihrigen war. — 


‚anmyın' 


Patent des Churfürften von Heſſen-Kaſſel, vom 
27. Dec. 1814.,. die Kerficllung der vorigen 
Verfaſſung betreffend. | 

Bon Gottes Gnaden Wilhelm ıc. Nahdem nah stetig 
errungenen Frieden nunmehr die Hinderniſſe größtenrbeils befiegt 
find, die es und bis jept unmöglich machten, eines theild Unfern 
geliebten Unterthanen eine größere Erleichterung als bisher ges 
ſchehen konnte, der durch die erforderlihen Staatsbedürfniffe noth⸗ 
wendig gewordenen Abgaben angedeihen- zu, laſſen; auderntheils 

Uns mit Unfern getreuen Ständen über die wichtigſten Landes; 

Angelegenheiten zu berathen; finden Wir Uns, um keinem weis 

tern Zweifel über Unfere Willensmeinung Raum zu geben und 

um, foviel ed in Unfern Kräften ftedt, die Wunde zu heilen, bie 

ein fiebenjähriger verhängnißvoller Zeitraum Unſern Unterthanen 

flug, aus eignem Antriebe bewogen, unmittelbar Folgendes feft; 
zufeßen und zu verordnen : 

Es ift nämlich Unfer ernfter Wille und fefter Entihluß, daß 

1) mit dem 1. Januar E. J. in Unfern Staaten diejenige 

Verfaſſung wieder hergeftellt werde, welche im Jahre 1806 fos 

wohl binfichtlich der ritterſchaftlichen und landſchaftlichen auf Petri: 

und Martints Tag fäligen Steuern, ald and) der ftändigen und 
unftändigen —— beſtand. 


— 246 — 


2) Die milden Stiftungen und Kirchen, bie Geiftiän m 
Schullehrer follen jedoch von gedachtem Zeitpunkte am, berikm 
im Jahr 1806 verfaflungmäßig zngeftandenen Immunut mı 
jenen Abgaben um fo mehr ſich zu erfreuen haben, als bei: 
nußung yon Grundftüden, Zinfen, Zebenten und Gefähn vı 
Geiſtlichen und Schullehrern ftatt eines firen Befolbungtheit o 
gewieſen ift, mithin im Fal einer Beiteuerung, der Staat im! 
zu einer Entſchaͤdigung berielben, als bey eintretender Etui: 
zung der. Fonds der milden Stiftungen und Kirchen, in das =: 
tel zu treten verpflichtet if. 

-3):Da die Geſetze aller Art, wenn ein günftiger Erfel " 
begleiten fol, den Zeiten und Sitten angepaßt werben mia 
unb es einer der erften Grundfäße einer vernünftigen Stan 
miniftration und eines gerechten Abgaben + Epftems iſt, bafıl 
che Laſten mit gleihen Schultern getragen werden; fo foler i 
jenigen Korporationen und einzelnen Untertbanen, melde nie 
unter ber Kathegorie der sub 2) Ermwähnten begriffen find, geie 
auch, daß diefelben im Jahr 1806 eine Immunität genoſſen di 
ten, zur Konkurrenz herangezogen werden. In Berütfiätigun 
jedoch, daß einem großem Theile dieſer Staats: Glieder im der € 
genſchaft als Bafallen beipndere Verpflichtungen obliegen und d 
den, während des ufurpatoriihen Beſitzes Unferer Staaten ur 
bie eremten Guͤter gefertigten, Steuern⸗Auſchlag nicht feitrn 
Borwurf, der Webereilung und Ungerechtigleit trifft ;- fo felr 
nachdem vorher überall die fogenannten Sulagd« Heller, weise bie! 
duch ‚für die Zukunft gänzlich aufgehoben und abgeſchafft merke 
abgefekt worden, gedachte Korporationen und einzelnen Stax: 
Glieder, als Beſitzer ehemaliger eremter Güter, zu den Stan 
Laften mit zwen Drittheilen desjenigen Antbeild fonfurriren, ı 
dem diefelben fuͤr dieſes Jahr zut Kontribution gefegt werden &ı 
Diele Abgabe fol ald ertraprbindre Ariegsftener, eine Beſtimme 
bie dieſelbe ohnehin ſchon für diefes Jahr hatte, im dem folgen‘ 
srhoben werden. | 

4) Die Frohnden und Dienfte follen zwar im Ullgemm 
nad dem Maßſtab, nach welchem fie Uns im Jahr 1806 geim 
wurden, wieder eingeführt werben; es ift jedoch bierbep wer «l 
Dingen der Flor und das Interefle des Aderbanes zu beräfi 
tigen und dieſes mit wohlbergebrahten Rechten in eine Das &: 
bes Ganzen bezweckende Hebereinftimmung zu bringen, mpeber 
ſich aͤbrigens von ſelbſt verfteht, daß dieſe Reiftungen mie ccm 


nad einem gewiſſen Anfchlag von dem zu verhaltenden Steners 
Kapital zuvor abgezogen, der Reſt aber nur zum Merhalt ges 
fhrieben und hiernadh der Kontributions Betrag regulirt werde, 


5) Den Leihes Erbleihes und Landfiedelgütern, welche nach 
der Verfaſſung des Jahrs 1806 und nach dem Inhalt der Erb⸗ 
leihebriefe, von Entrichtungen der Kontribution und Steuern bes 
freyt waren, wird auch diefe Immunität für die Zukunft zuges 
fanden, es fey denn, daß der zu enttichtende geringe Kanon 
mit dem wahren Ertrage in einem zu großen Mißverhältniß ſtehe, 
in welchem Fall Wir Uns auf den Antrag der Behörden Unſere 
befondere Entiheidung vorbehalten. _ 

6) Die Landes s Schulden: Tilgung » Steuer, deren Beſtim⸗ 
mung fchon der Name ausdrüdt und die zur Erhaltung nnd Sis 
cherung des öffentlichen Kredits nothwendig ift, fol auch für das 
fünftige Jahr, jedoch als eine ertraorbinäre Steuer dergeftalt er; 
hoben werden, daß gegen deren Entrichtung feine Art von Steuer; 
Sreyheit geltend gemacht werden kaun. Es foll aber die Zweck⸗ 
mäßigteit des Anſchlags, nach welchem bdiefelbe in diefem Jahr 

ı erhoben worden ift, genau geprüft und dem vorgängig bie des; 
ı halb zu treffenden Abänderungen zu Unferer Genehmigung eins 
„ berichtet werden. 


H 7) Ale übrigen Abgaben, melde ein fiebenjähriger Deipos 
tismus auflegte, und die der ehrwürdigen Verfaſſung Unſerer 
« Staaten fremd find, werben hierdurch gänzlich abgeſchafft und 

ı aufgehoben. 


$ 8) So gewiß es fih auch erwarten läfft, daß die Beichlüffe 
9 des in Wien glüdlich begonnenen Kongrefles auf die Innern Vers 
„ hältniffe der deutihen Staaten und insbejondere auf die land; 
& ſtaͤndiſche Verfaſſung von bedeutenden Einfluß ſeyn werden; fo 
st foR dennoch die durch die bisher ftatt gefundenen Friegeriichen Um⸗ 
‚# gehungen und durch die Nothwendigfeit einer fhnellen und ener⸗ 
‚# giichen Regierungweiſe verzögerte 3yfammenberufung der Lands 
ftände, nicht länger ausgefegt bleiben, Wir wollen daher, daß 
„lauf den 1. März k. 5. der engere Landtag zufammentreten fol, 
‚n und ernennen ee zu Unfern Kommiflerien zum Erften: Uns 
‚fern Etats; Minifter v. Schmerfeld und zum Zweiten Unfern 
is Geheimen Regierung Rath Haßenpflug. : 
# Da ijebod bey den veränderten Zeitverhältniffen die Gründe 
ww wegfallen, welche in vergangenen Jahrhunderten den Stand der 
al 


* 4 248 — 


Bauern als Leibeigene von jedem Antheil an landſchaftlichen St: 
handlungen aueſchloßen, fo wird dieſer Klaſſe Unterthaner de 
Recht hiermit eingeräumt, zu dem bevorſtehendem Landta Do 
putirte zu wäblen und abzuſenden. Die Eintheilung nad da 
Strömen, fo wie die Wahl der Depntirten, wozu jedoch ber iv 
faſſung Kundige genommen werden follen, beſtimmt ſio ie 
als möglich nach den für die Stände vorhandenen Worjcrifter. 


9) Die zu Megulirung verfchiedener adminifirativer Sen 
ftände niedergefegte Kommiffion hat ihre Arbeiten zu beitim 
nigen, damit diefelben bey dem bevoritehenden Landtag bemi: 
werden koͤnnen. 


Damit nun diefe Unfere, lediglich das Wohl Unjerer Ur 
thanen bezweckenden, aus eigener Anregung getroffenen Te 
gungen, alebald in Vollzug gefegt werden; haben Unſere natır 
festen Behörden eine jede, fo weit es fie angeht, fofort Das Ni 
thige allenthalben zu verfügen. 


Urkundlich Unferer eigenhändigen Unterfcrift und bepgedrud: 
ten Kurfürftlihen geheimen Infiegeld. So geibeben, Kaſſel 
den 27. Dec. 1814. | 

| (Unter) Wilhelm & (L.$ 


86. 


Keie PR (uuediauf rten) Fuͤrſten und Ge: 
fen, dem Kongreß im Dec. 1814 uͤberreicht. | 


Zur Kenntnif der ürftlichen und Gräfliben Haͤuſer, dern 
legitimirter Gefhäftsträget ber Unterzeichnete zu ſeyn die Cr 
bat, ift der Inbalt derjenigen Vorftellung gelommen , we 
mehrete Relos ſtãnde und vormalige Eouveräne des Rbeinbder 
‚unter dem 16. v. M. elttgeretcht haben. Inſofern die Worfekn 
den Endzwed hat, Hoſſnungen und Wuͤnſche für die alarm“ 
Wohlfahrt des deutſcheu Naterlandes auszuſprechen, fo mir & 
furchtvolle Huldigung für die mit Lorbern gefrönten allerbier- 
Befreyer deifelben datzubringen; fo find dee linterzeihmeren bir 
Mandanten, fowohl mündlich als ſchriftlich, mit Berhärigune 


u 249 — 


vorangegangen, für welche ihre, unter allen, Verhaͤltniſſen er · 


probte Geſinnungen buͤrgen. Wenn aber, wie es ſcheint, in jener 
Vorſtellung beſondere Vorrechte angeſprochen werden ſollen, ſo 
hat der Unterzeichnete ausdrüdlicen Auftrag erbalten und es ges 
bietet ihm heilige Pflicht, ehrfurchtvoll zu bemerfen, daß alle 
jene Gründe, welche jene Vorrechte motiviren follen, für feine 
boben Herren Mandanten noch unverfennbarer werden, Denn 
im sten Artikel des Parijer Friedens werden nicht die E:ouveräne 
des Jiheindundes, der damals ſchon durch die Siege der von Gott 
gejegneten Warten, fo wie durch darauf gefolgte feyerlihe Entjas 
gung aufgelöst war, fondern die Staaten von Deutichland genannt, 
Unter diefen find aber mehrere, die vormals ein Opfer des Rhein⸗ 
bundes wurden, an Seelenzabl weit aujehnlicher als andere, 
welhe während jener Schredengzeit in politifher Hinficht glüds 
licher waren, und da die Geſammtheit der jogenannten mebiatis 
firten Gebiete weit über eine Million Seelen enthält, fo fann 
nach dieſem Maßſtab das Recht ihrer politiihen Mepräjentation 
unmöglih verfannt werden. Auf Alter nnd Glanz der Häufer 
können ‚ferner des Unterzeichneten hohe H. H. Mandanten, auch 
größtentheils gleibe Aniprüäcde gründen, Die Grundfäge des alls 
gemeinen Mölferrechtd aber gewähren vorzüglich des Unterzeich— 
neten hoben H. H. Mandanten die allerfeſteſten Beruhigunggrun— 
de; denn gerade aus diefen folgt evident: „daß geſchloſſene Ders 
„träge zum Praindizeines Dritten, der darüber weder gehört wur⸗ 
„de nod dazu einmwilligte, keineswegs gereichen können.’ Die 
allerhöchften verbünderen Mächte haben ohne Zweifel in diefem 
Sinne den in Frankfurt abgefblofenen militäriihen Acceffionvers 


trägen die befannte Klaufel für Deutichlande Wohl eben fo ger. 


recht ald weile anzufügen geruht. Mollten alſo diejenigen vors 
maligen Souveräne des Rheinbundes, welche nur in deflen Ge 
folge.und nur für deilen Dauer DOberherren eines Theils ihrer 
Mitftände wurden, den befannten großmüthigen und gerechten 
Abſichten zumwider, ienen MWerträgen, zum Prajudiz der hohen 
H. H. Mandanten des Unterzeichneten,, einen andern rechtswidri⸗ 
gen Sinn unterlegen; fo haben diefelben ſich felbit, ihren Nach⸗ 

fommen und Unterthanen jhuldig zu fenn geglaubt, durch unten 
zeichneten Bevollmächtigten dagegen eine feyerlihe Verwahrung 
einlegen zu lafien. So wie übrigens des lnterzeichneten hohe 
H. H. Mandanten ihr unerfhürterlibes Vertrauen für Deutſch⸗ 


lands Netter und Negeneratoren feither unter den härteften Prüs 


* 


fungen bewährt haben; eben fo haben fie den Unterzeichneten ke 
auftragt, auch in Anfehung der Herftellung einer glüdlichen Sr 
fafung für das deutſche Vaterland, welche in einem mit tonär 
tutloneller Macht ausgerüfteten Dberhaupte ihre wefentliche Sit: 
finden dürfte, die Verfiherung diefer erprobten Gefinnungen div 
furhtvol zu erneuern. Nur in dem Zall alfo, daß den vorm 
ligen Reichsbundsſouveraͤnen, bie die Eingangs gedachte Vorſch 
lung unter dem 16. v. M. eingereicht haben, bep den Delibrts 
tionen über dieſe Verfaflung eine Mitwirkung gejtattet werder 
ſollte, glauben des Unterzeichneten hohe H. H. Mandanten ses 
trauen und Hoffen zu fönnen, daß alddann Ihnen gleiche Befugnf 
nicht verfagt werden wird. Stets von gleibem Hochgefübl für dat 
deutfche Vaterland befeelt, treten fie übrigens allen, dieſes hit 
fie Stiel ihrer Wünfhe wahrhaft befördernden, Borichlägen vs 
ganzem Herzen bey. Mom dieſem Geſichtspunkt ausgehend, wagt 
ber Unterzeichnete noch die dringende, zur Erreibung des großen 
Zwecks im Ganzen, fo mie für alle Betheiligte glei wichtige 
Bitte; „daß den Beſchluͤſſen uber die deutiche Konftitution uns 
verzüglich erefutive Kraft beygelegt und dadurch dem jehigen, für 
die Wohlfahrt Deutfchlands eben fo verderblichen als für defien 
Ruhe böcftgefährlihen Zwifhenzuftande ein Ende gemadt wer 
den möge.“ Unzertrennlich reiht fih hieran ber fernere gereäte 
Wunſch für Herftellung eines oberften Bundesgerichts, welds 
allein die innere Frevheit, geieglihe Ordnung und Ruhe figern 
fann. Endlich ift ed auch der Wunſch fämmtliher H. H. Kommit 
tenten des Unterzeichneten, daß dem biedern deutichen Belt 
eine feite, zwedmäßige, über alle Taͤnſchung und nadhtheiligen 
Einfluß erhabene, landesftändifbe Verfaſſung dur die allgemein: 
Konftitution gewährt und garantirt werden möge. Sie werden ti 
fih zur befondern Pflicht, machen, diefe in ihren Zandesgebietes 
zu begründen. Da alle diefe eben fo ehrfurchtvollen als dringen 
den Wuͤnſche und Bitten auf Gerechtigkeit und dhtem Patriotigz 
beruhen; fo ſchmeichelt fi der Unterzeichnete mit der Hofnmma, 
daß folhe zu Euer ıc. hohem Wohlgefallen gereihen werden. 
Gernhen Euer x, ı7. | 


5. v. Gärtner, 





87- 


Patent bes Königs von Mürttemberg, die land⸗ 
ftändifhe Verfaſſung betreffend. 


Wir Friedrih, von Gottes Gnaden König von 
Württemberg, fouveräner Herzog in Shwaben und 
von Ted ıc. 1. entbieten allen Unfern lieben und getreuen Dies 
nern, Vafallen und Unterthanen, Unſte Föniglihe Gnade, Bon 
dem Augenbli@ an, als gebieterifhe politiſche Werhältniffe die 
Staatsveraͤnderung vom Jahre 1806 herbepgeführt hatten," faßs 
ten Wir den feſten Entfhluß, Unſerm Königreihe, fobald der 
Drang der Umftände aufgehört haben und ein fefter Stand ber 
Dinge eingetreten ſeyn würde, eine feiner innern und dußern 
Lage, den Mechten der Einzelnen und den Beduͤrfniſſen des 
Staats angemeflene Verfaſſung und ftändifche.Nepräfentation zu - 
geben, Die Ausführung diefes Entſchluſſes verzögerte-fih durch 
die nachherigen Zeitereigniffe, welche die Vornahme einer folden 
weientlihen Grundeinrihtung der ganzen Staatsorganifation nicht 
räthlih machen konnten. Erſt die im vorigen Jahre eingetretene 
Veränderung in den öffentlihen Angelegenheiten konnte dieſen 
Unferm landesväterlihen Herzen fo angelegenen Wunfch der Aus; 
führung näher bringen und Wir würden daher, gleich nah Abs 
ſchluß des Parker Friedens, diefelben in Erfüllung gefeht haben, 
wenn nicht yon dem zu vollftändiger Berichtigung des allgemeinen 
Friedens beſchloſſenen Kongreffe in Wien Abänderungen in den ins 
nern und dußern Werbältniffen des Königreichs zu erwarten ges 
weſen wären und es daher zweckmaͤßiger gefchienen hätte, die Aus⸗ 
führung auf die Nefultate jenes Kongreſſes auszufegen. Indels 
fen haben Wir gleih anfangs, in den zu Behandlung, ber deuts , 
fen Angelegenheiten ftatt gehabten Konferenzen, den zu Wien 
verfammelten Spuyeräns Unfern feiten Entſchluß und Abſicht der 
Einfuͤhrung einer Ständeverfaflung im Koͤnigreiche erklärt. Da 
aber die Endreiultate dieſes Kongreſſes nicht fo fchnell, ald Wie 
in Beziehung auf jene Abſicht gewuͤnſcht hätten, herbepgefuͤhrt 
werden konnten, fo finden Wir Uns bewogen, Unferm Volke diefe 
ihm beftimmte Wohlthat num nicht länger vorzuenthalten und das 
durch öffentlih zu beweiſen, daß nicht eine Außere Nothwenbigs 
feit, oder eine gegen Andre eingegangene Verbindlichkeit, fondern 
‚bios die feite Ueberzeugung von dem Beduͤrfniſſe einer angemefr 


ſenen ftändifhen Verfaſſung für das weſentliche Intereſſe is 
Staatd und der Wunfh ling geleitet haben, auch bierdurh mus 
fiebenzehn ſtürmiſchen Jahren, in welden die Borfebung Ir 
und Unfer Reich erbalten bat, das Glüdf Unfers Volkes für tn 
tige Generationen dauerbaft zu begründen. Wir baren zu iu 
Ende die Grundzüge einer’ folben Verfaſſung, worin bie 5» 
fammenfegung der Etände, der ihnen zufommende Antheil a 
der Geſetzgebung und der Beiteuerung,, das Recht, ihre Bitte 
und MWünfhe vor dem Throne niederzulegen, fo wie allgemein 
und wefentlihe Rechte und Verpflidtungen der Untertbanen v 
ftimmt werde, entworfen, und eine Kommiſſion von Staatsbienen 
aus verfchiedenen Klaffen der Nation > -verihieden nah Stan, 
Amtsverbältniffen, Meligionbefenntniß und Güterbefiß, mir dem 
Auftrage niedergefest, das Ganze nach feiner boben Wichtigke 
in die forgfältigfte VBeratbung zu zieben und den biernab reifie 
ausgearbeiteten Entwurf einer Nepräfentativs Werfaflung für das 
Reich Uns zur Genehmigung vorzulegen. Die von Uns janftios 
nirte Verfaſſungurkunde werden Wir fodann ber ftändiisen Mes 
praͤſentation, welche Wir auf den 15. März dieied Jahres bier zu 
verfammeln gedenken, übergeben, fie beſchwoͤren und in volle Aus⸗ 
übung feßen laſſen. Es gereicht Uns zur wahren landesväterlikrn 
Freude, diefe Unſre Gefinnung und fefte Willensmeinung Unjern 
lieben und getreuen Unterthanen hierdurch zu verkuͤnden, inden 
Wir Uns verfihert halten, daß fe in diefen Anordnungen un 
Einrichtungen den fprechendftien Beweis Unfrer unermüdeten für 
forge für ihr dauerndes Gluͤck erfennen und auch fünftig ibre mm 
ter allen Veränderungen der Zeit unverrüdte Treue und Unhins 
lichkeit an Uns und Unſer Regentenhaus bewähren werden. Se— 
geben unter Unſerer böchfteigenbändigen Unterſchrift und beyee 
dructen königliben Inſiegel, in Unſerer önigliben Nefiden; ze 
‚ Stuttgart, den 11. Tan. im Jahre Chriſti Cintaufend achthunder 
und fünfzehn, Unſter koͤniglichen Regierung im Zehnten. 
(L.$S) Friedrich. 


Der Minifter des Innern, Staats: und Konferens 
Minifter, Graf v. Reiſchach. 


AdMandatum Sacrae Regiae Majestatis proprius; 
Minifter: Staatsieftetär, Frhr. v. Vellna gel. 


—[— 


= 28 — 


88 

S hreib en des kaiſerlich-oͤſterreichiſchen Staats⸗ 

und Conferenz: Minifters, auch Minifters der 

auswärtigen Angelegenheiten, Herrn Fürften von 
Metternich, an die Frau Fürftin von Iſen— 
burg, wegen Aufhebung der bisherigen Abhäns 
gigkeit des Fürftenthbums Sfenburg von 
dem General: oupernement zu Frankfurt; datirt 
MWien den 15. Febr. 1815. 
Durchlauchtige Fürftin! 

Es gereicht mir zum Mergnügen, Euer Liebden anzeigen zu 
koͤnnen, daß die Fatferlic « öfterreihiihe Negierung einverftändlid 
mit der Föniglich preußifhen, dem von Hochdenſelben gejtellten 
Anſuchen wegen Aufbebung der bisherigen Abhängig: 
keit der fürftlih-ifenburgifhben Landesverwaltung 
von dem General:Gouvernement zu Franffurt, um 
beihadet jedoh der möglichen Beſtimmungen deg 
Kongrefieg, zu willfahren befchloflen habe, und daß darüber 
das Nöthige an den Freiherrn von Hügel ergebet. 

Ew. Liebden werden, wie ih mir fhmeichele, überzeugt fenn, 
daß es mir böchft angenehm war, zu diefer von Ihnen gewünfchten 
Maßregel bevzutragen, und bey diefer Gelegenheit die Verſiche— 
zung der vollfommenen Verehrung genehmigen, mit der ich die 
Ehre babe zu ſeyn 

Wien 15. Februar 1815. 

Ew. Kiebden 
gehorfamfter Diener. 
Fürft von Metternich, 
an Ihro der Fran Fuͤrſtin von Iſen⸗ | ! 
burg Liebden, zu Wien, 


89. 

Pro Memoria des Herr Grafen von Ber 
tind, an die 32 Vereinigten teutfchen unabhaͤn⸗ 
gigen Fürften und freyen Städte, um als fow 
verainer PVBefißer von Sun und Kniphau— 
fen, in den Verein derfelben aufgenommen zu 
werden, datirt Wien den 20, Febr. 1815. 


P. M. 


Auf Veranlaſſung der in der koͤniglich⸗ preußifchen Note vom | 
4. d. M. enthaltenen Vorihläge, alle deutihe Fürften und 
Stände, die bisher noch feinen Antheil an den Berathungen 
über die künftige Verfaſſung des deutichen Baterlandes genom— 
men hatten, fobald dieje Berathungen wieder anheben würden, 
einzuladen, daran mittelit einer durch Sie felbft aus Ihrer Mitte 
zu erwählenden Deputation Theil zu nehmen. 

und da bereits zuvor ſich bier ein hochanſehnlicher Werein 
von Fürsten und Ständen gebildet, um, in Gemäßheit des 
Pariier Friedens, ihre durch deffen fechsten Artikel anerfannte 
Unabhängigkeit, und den ihnen zufommenden Antheil an den Be 
ratbungen über die künftige deutihe Verfaſſung zu behaupten und 
in der in diefem- Sinn verfaßten Rote vom 16. November v. 
%. allgemeine Grundfäge aurgeftellt bat, die mit den Gejmnun: 
gen und Anfichten des Unterzeichneteun völig übereinftimmen; 
| glaubt derſelbe nicht länger anftehen zu dürfen, in feiner 
Eigenſchaft ald Befiger der freien fouverainen Herrlic 
keit San und Kniphaufen, feine Bepftimmung hiermit ber: 
geftalt zu erklären, ald wenn gedachte Note auch in feinem Na— 
men unterichrieben und übergeben worden wäre. 

Demnach bat Unterzeichneter die Ehre, Ew. Ercellenzen und 
allerieits bochguverehrenden Herrn Bevollmächtigten obenbenanz; 
ter vereintgter Fürften und Stände zu melden, daß er nicht nur 
zu foͤrmlicher Beſtaͤtigung diefed Beytritts, fondern auch zu ferne 
zer Theilnahme an dem künftig von diefem verehrlihen Berein 
nöthig zu erachtenden Schritten Jemand zu bevollmädhtigen Wil 
lens iſt. 





Welches Unterzeichneter, fo wie die Berfiherung feiner aller 
volfommenften Hohadtung, zu genehmigen bittet 
Wim, den 20, Gebr. 1815. Ä 
| W. F. Graf von Bentind, 
des h. x. R. Graf und Souverain 
von Inn und Kniphauſen. 
Aufſchrift. 
An Ihre Excellenzen und allerſeits hochzuverehrende Herren 
Bevollmaͤchtigte des hochauſehnlichen Vereins deutſcher Fuͤrſten 
und Staͤnde, in wien 
le ® 


— — —— — 


90. 

Note des Bevollmächtigten vieler deutſchen fürftlis 
chen und graͤflichen Haͤuſer, welche durch die 
rheiniſche Bundes⸗Akte andern Fuͤrſten unters 
geordnet wurden, Herrn Geheimenraths von 
Gaͤrtner, an die Herren Bevollmaͤchtigten der 
allerhoͤchſten verbuͤndeten Maͤchte, betreffend eine 
koͤniglichwuͤrtem bergiſche Verfügung wegen 
Einführung landſtaͤndiſcher Verfaſſung; 
datirt Wien den 27. Februar 1815. 

(Mit einer Beylage.) 


Die anltegende Verfügting des Minifteriums zu Stutt 
gart liefert einen neuen Beweis, mie höcft nöthig die bereits 
mehrmal erbetene Entſchließung des hohen Kongreſſes über bie 
voreiligen würtembergifhben Kandtags- Anordnungen 
ift. Es fol, Juhalts derfelben, nicht von Begutahtung und 
Berathung der Stände, fondern nur von definitiven Be 
ſtimmungen der hoͤchſten Staatsgemwalt, und von Auhö— 
tung des Beſcheids über die Obliegenheit der Stände, die 
Mede ſeyn. 

Die von Napoleon unterdrädten Reichsſtaͤnde, welche jest, 
mit eben fo großem Rechte als ehrfurchtvollem Vertrauen, ihre 


— ⸗56 — 


Herſtellung hoffen, glauben es der Ehrfurcht für die allerhoͤhſten 
Mächte, fo wie der Pflicht für fih, ihre Familien und -Unteribs 
nen ſchuldig zu ſeyn, ſolchen willtürlihen Geboten nicht zu haldi⸗ 
gen, fondern von der allgemeinen Konftitution die Be 
ſtimmung ihres künftigen Schickſals zu erwarten. 

Indem alfo der Unterzeichnete die Verſicherung der tiefiten 
Ehrerbietung erneuert, entledigt er fi jet des Auftrags, um 
eine beruhigende Verfügung über diefe eben fo folgemreicbe als 
dringende Angelegenheit, wiederholt auf das Alerangelegentligie 


zu bitten. Mien, den 27. Febr. 1815, 
H. v. Gaͤrtner. 


Beylage 

Dem Herrn Fürften Carl Ludwig von HobenlohesLangens 

burg wird auf die Eingabe vom 3.d. M. zuerfennen gegeben, 
daß dem Geſuch des Herrn Fürften um Mittbeilung der in dem 
koͤniglichen Manifeſt berührten Grundzüge einer tändifcben 
Verfaſſung aus dem Grunde von Seiten dee königlihen Mini 
fteriums nicht Statt gegeben werden Fönne, weil diefer, der weis 
tern Bearbeitung einer befondern Kommiſſion übergebene, noch 
nicht definitiv genehmigte Entwurf den Fönigliden Minijterien 
noch nicht fommunicirt worden ift, daß aber vor Eröffnung ber 
Verhandlungen in der Ständeverfammiung,. den Ständen die Bes 
fimmungen der Fünftigen Verfaffung werden Öffent 
lich befannt gemadt werden. 

Da fomit den Mitgliedern der Stände: Verſammlung von den 
durch ſie zu übernehmenden Obliegenheiten zur gehoͤrigen Zeit die 
Eroͤffnung gemacht werden wird; ſo wuͤnſcht das loͤnigliche Mini⸗ 
fterhim des Innern einer beſtimmten Anzeige von dem Etſcheinen 
des Herrn Fuͤrſten entgegenſehen zu koͤnnen. 

Stuttgart, den 9. Febr. 1815. 

Koͤnigliches Miniftertum des Innern. 
Graf von Reiſchach. 
Dem Herrn Fürfien Carl Ludwig 
von Hohenlohe-Langenburg. 


91. 


— 1257 — 


91. 

Note des bevollmaͤchtigten Abgeordneten vieler deut⸗ 
ſchen fuͤrſtlichen und graͤflichen Haͤuſer zc. ꝛtc., 
Herrn Geheimenraths von Gärtner, 'an bie 
Herren Bevollmächtigten der allerhöchften verbüns 
deten Mächte, betreffend zwey koͤniglich- würte 
tembergifche Erklärungen wegen Einführung 
landſtaͤndiſcher Verfaſſung; datirt Wien den 5. 
März 1815. Mit zwey Beylagen. 
Der Unterzeichnete hat bereits in mehrern Noten die peins 


liche Lage ehrfurchtvoll vorgeftellt, in welche viele feiner Herren 
Sommittenten durdy die, In ihren Grundzügen befannt gemachte, 


und am 15. März bereits zur Ausführung beiimmte landftäns 


diſche Verfaſſung von Württemberg verieht worden find. 

Um eines Theil die unverleglihe Ehrfurcht für die, zu Ne: 
generation der Verfaſſung des deutihen Vaterlandes bier verein; 
ten, allerhöchften Mäcte zu bethätigen, und um andern Theile 
jeden Schritt zu vermeiden, welcher Stoff zu Mifdeutungen oder 
zu beunruhigenden Folgerungen darbieten koͤnnte, bat bee linters 
zeichnete, Namens feiner Herren Eommittenten, mehrmal bereite 
um desfallfige Verhaltung⸗Vorſchrift gebeten. 

Die von Sr. Maieftät dem König von Württemberg, 
durch dad Minifterium des Innern an die’ Fürften von Hohen 
lohesLangenburg und Hohenlohe: Fagitberg inzwiſchen 
erlaffenen , hier anliegenden, Berfügungen find aber von fols 
chem auffallenden Inhalte, daß der Umnterzeichnete fi einer auds 
fuͤhrlichen Aeußerung darüber enthalten zu müflen glanbt. Er 
beihräntt ſich alfo darauf, zu bemerfen, daß diefelben ſowohl mit 
ber eigenen Aeußerung Sr. Majeftät des Königs, in der am 11. 
Jaͤnner diefed Jahres im Staatsrathe gehaltenen Rede, als auch 
mit Artifel 6 des Parifer Friedens, und mit dem ganzen Zwed 
des deutſchen Staaten » Bundes, geradezu In Widerſpruch ſtehen. 

Indem demnach Uuterzeihneter um gerechte Beherzigung der 
eben fo ſchuldloſen ald bedrängten Lage feiner Herren Committen⸗ 
ten wiederholt auf das Inftändigfte bittet, ftellt er lediglich dieſer 

alerhöhften Behörde anheim, was Sie bey diefen Verhaͤltniſſen, 


Codex Diplomaticus, (Eur, Annal. 1315.) 17 


— 258 — 


zu Behauptung Ihrer Würde, in ihrer Weisheit zu befchliefen 
tathſam finden wird. N den 5. März 1815. 
Fr. v. Gärtner, 


Beylagen. 
Nro. 1. 


Bey dem koͤniglichen Miniſterium des Innern lief dag Scari 
ben des Herren Fürfien von Hohenlohe sLangenburg, bi 
bedingte Erklärung betreffend, unter weiber derſelbe bep dar 
biernächit zu eröffnenden Ständeverfammlung alldier erſcheinen zı 
können ſich beglaubigte, richtig ein, und der Unterzeichnete ver: 
fäumte es nicht, dem König feinem Heren daſſelbe pflitmäßs 
vor Augen zu legen. 

Er wurde fofort beauftragt, dem Herrn Fürften zu eröffnen, 
daß man fib auf Refervationen fo wenig, wie auf vorläufige Ver 
fiherungen einlaffen fönne; der Zwed der Zufammenberufung de: 

-GStände auf den 15. März fey zunaͤchſt, die Berfaffungsur 
kunde erft zu publiciren; von einer Beſchwoͤrung berie 
ben von Seiten der Stände, fey nicht die Rede, und könne Diet 
Vorausfegung nur auf einer mißverftandenen Auslegung der in 
dem Manifet fih darauf beziehenden Stelle beruhen. Sm der 
Hauptſache aber ſey der Herr Fürk ganz irrig daran, zu 
glauben, daß die Wiener Verhandlungen in dem für bie 
deutfchen Angelegenheiten ftatt findenden Comite irgend einen 
Einfluß aufdte Beſtimmung der Verfaſſung im Innern ber 

ſouverainen Staaten Dentſchlands, oder der Verbältniffe zwiicen 
dem Souverain und Unterthanen, haben werden. Ak 
darauf zielenden direkten und indireften Schritte, um einen foldsen 

Einfluß hervorzubringen, ſeyen, ald dem Zweck und dem Gegen 

ftand der Geſchaͤfte des Comite entgegen, von der Hand gewie 
fen worden. 

Der Parifer Traftat, als die einzige Richtſchnur für 
das Somite, beftimmen einzig und allein die Feftießung des lien 
federatif zwifchen den fonverainen Staaten Deutſchlands, in Be 
ziehung auf die änKern Merhältniffe und unter fih, zum aut 
‚ fließenden Zweck feiner Verhandlungen. Dadurh wurden ale 
übrigen Gegenftände fremdartig und davon ausgeſchloſſen.“ Wer 
einee Einmifhung zwifben Herren und Unterthanen, 
koͤnne indbefondere aber um fo weniger die Rede fepn, ald St 


\ 


/ 29 — 

Majeſtaͤt Ihre vorhin ſchon allgemein atetfänhte Souverainetaͤt 
Buch feperliche Staatsverträge mit fämmtlihen al 
liirten Mäditen; und durch den Parifer Traktat felbft garan,: 
tirt worden ſey: aud würden Se. töniglihe Majeftät eine ſolche 
unbefugte Einmiſchung in feinem Falle dulden, und 
fi hierauf eben fo wenig einlaffen, als ſich Geſetze oder Bes 
dingungen vorſchreiben laffen. 

Durch Verleipung einer BirileStimme, für feine Per⸗ 
fon ſowohl als feine Familie, hätten Se. Maieftät dem Herrn 
Fürften einen gewiß ſchaͤtzbaren Vorzug einzurdumen die Mbficht 
gehabt. Wolle nun der. Herr Fürft, aus Mißverſtand oder Nichts 
anerfeitnung des Werths der Landftandichaft, davon keinen Ge 
brauch maden, fo hänge es lediglidy von ibm ab, bey dem Akt 
der Conſtituirung der Stände nicht zu erſcheinen; Se. Majeſtaͤt 
hielten aber die perſoͤnliche Anwohnung bey diefer Handlung für 
weſentlich nothwendig, und wer fidh davon entfernt halte, hätte 
für fih und feine Familie die fi von ſelbſt ergebenden Folgen 
zu erwarten, Stuttgart, ben 19. Febr. 1815. 

Mintftertum des Innern, 
Gtaf von Reifad.. 


Niro. if. 


Das Antwortihreiben des Herrn Fürften von Hohenlohe, 
Jagſtberg vom 13. d., mwodurh das demielben übertragene 
Praͤſidium bey ber Stänbeverfammlung abgelehnt wird, bat 
ber Untergeihnete, feiner Pflicht gemäß, dem König feinem Herrn 
zur Einſicht vorgeleat, und fofort den Auftrag erhalten, dem 
Herrn Füriten zii erwiedern, daß, Indem Ge. koͤnigliche Maje: 
ſtaͤt demſelben, und für feine Brande, Feine Viril-Stimme 
bätten geben können, Allerhöcftdiejelben dem Hertn Fürſten ben 
ehrenvöllen Vorzug ber Priäfidenten:Stelle,. als einen 
ausgezeichneten Beweis bes alerhönften Wohlwollens, zugedacht 
gehabt haben, | | 

Da nun der Here Fürft, and einem ganz irrigen Wahn, 
davon feinen Gebrauch machen, und alio gar nicht erſcheinen 
wole, ſo hänge dieſes zwat von Ihm ab, jedoch ziehe dieſes den 
Deriuft jenes Vorrechts nach ſich, indem Ge, königliche 
Majeſtaͤt Sich bereits durch dieſe Weigerung veranlaift gefehen 
hätten, anderwärtige Werfügungen zu treffe, 

Im Mebrigen ſey ber Zweck der Zuſammenberufung bee 


— 260 — = 


Stände, aufden 15. März, zunaͤchſt, die Berfammlung jr 
conſtituiren, und ihr die von Sr. Majeſtaͤt feſtgeſetzte Ver 
faffungurfunde -erft zu publicirem, und ſeye von mu 
Beſchwoͤrung derfelben von Seiten der Stände, gar midi hr 
Rede, darin aber liege ein. großer Irrthum vor, wenn de z 
Fürft glaube, daß die Wiener Verbandluugen in bean 
die deutſchen Angelegenheiten Statt findenden Comite, ing 
einen Einfluß auf die Beflimmung der Werfaffung im Jaazırı 
der ſouverainen Staaten Deutfblande , oder der Verbältnik 
zwiſchen dem Souverain und Unterthan, baben mern 
Alle darauf zielenden, direkten und Indireften Schritte, um em 
ſolchen Einfluß bervorzubringen, feven, als dem Zwed und im 
Gegenfiand der Geſchaͤfte des Comité entgegen, von der Ha 
gewieſen worden. 

Der Parifer Traktat, als die einzige Richtſchnut F 
das Comité, feße einzig und allein die Feftftiellung des lien ik 
deratif zwiſchen den ſouverainen Staaten Deutihlande, in Be— 
ziebung auf die außern Merhältniffe und unter ib, zum aus 
fhließenden Zwed feiner Verhandlungen. Dadurch würden alle 
übrigen Gegenftände fremdartig und davon ansgeihlcfien, int: 
befondere könne von einer Cinmifhung zwiſchen Herrn m! 
Untertbanen um. fo weniger die Rede fepn, ald Sr. Majekii 
Ihre vorhin ſchon allgemein anerkannte Souverainetät dur 
feterlihe Staatsverträge mit allen alltirten Mies 
ten und durch den Parifer Traktat felbit garantirt worden im. 
Zudem würden auch Se. königlihe Majeſtaͤt eine ſolche nahe 
fugte Einmifhung in feinem Falle dulden, um 
hierauf eben fo wenig einlaffen, als ſich Geſetze oder Pedingn 
gen vorſchreiben laſſen. Stuttgart, den 19. Febr. 1815. 


Minifterium des Innen 
Straf von Reiſchag. 


N 





92. 
Note der kurfuͤrſtlich-heſſiſchen — 
vollmaͤchtigten, an die kaiſerlich-oͤſt — 
ſchen, koͤniglich⸗preußiſchen und Föniglic 


— 0261 — 


großbritannif hen Herren —— 
die Fuͤrſten von Metternich und Harden— 
berg, und den Herzog von Wellington, da: 
tive Wien den 11. März 1815, betreffend die 
Vindikation der im Fahr [810 von Napoleon 
an Heſſen⸗ Darınftadt gegebenen vier hanauis 
ſchen Aemter, und den eventuellen Widers 
ſpruch des KRurfürften gegen Abtretung des übriz 
gen hanausmünzenbergifhen Landes an 


Baiern. 

La maison electorale de Hesse à peine dedommagee, en 
ıBo2, de ses pertes sur la rive gauche du Rhin, privee depuis 
1806 jusqu’en ı815 de toutes ses possessions, a sans doute les 
titres les plus legitimes pour être entierement indemnisee en 
consequence des eflets ruineux.d’une aussi longue et injuste 
usurpation. Dans celte conviction, les soussignes plenipoten- 
tiaires de Monseigneur l’Eleoteur, ne peuvent que se referer 
au memoire remis le 29. Novembre de l’annee derniere a S. A. 
le Prince de N. N. 

Si l’etat actuel de l’Allemagne n ’offre point à S. A. S. Elec- 
"torale la perspective d’un dedommagement complet‘, il ne doit 
du moins exister aucun doute sur le plein eflet a attendre de 
. Son traite d’acce-sion a la grande alliance, traite qui garantit 
a l’Electorat de Hesse toutes ses anciennes possessions, inclusi- 
vement la restitution des quatre baillages detaches de la prin. 
cipaute de Hanau en 1610. Oette restitution a ete particuliere- 
ment reclamee par la note, qu’en date du ı5. Fevrier les sous- 
signes addresserent & S. A. le Prince de N.N. 

En revendiquant iteratirement les quatre bailla- 
ges de Hanau, l’Electeur compte, comme de raison ,. sur la 
conservation de tout le pays de ce nom, qu’une reunion de 
plusieurs motifs lui rend particulierement cher. Un des prin- 
cipaux est le grand prix que l’epoque actuelle donne aux temoi- 
gnages evidens du sincere attachement par lequel des sujets 
fideles recompensent l’amour paternel deleur ancien souverain. 
Les soussignes, malgre les bruits qu’ils entendent de tout cöte 


des vues d’acquisition generalement attribuces & Ia Cour 4ı 
Munio sur Hanau, craindraient de se rendre eoupables d’an 
injuste defiance en admettant un seul instant le soupgon,, qu’au. 
eune des ‚puissances alliees depuis deux ans paur la protectics 
et la regeneration de l’Allemagne veuille reellement faroriser 
de pareils desseins. 

C’est cependant contre toute suite quelconque qui pour. 
rail ẽtre donnce au Plan suppose à la Baviere, que les sous; 
nes plenipotentiaires, qui connaissent exactement non seuleme 
l’aversion generale de leur Souverain pour toute idee d’echane 
de provinces hessoises, mais aussi son affection particulier 
pour la ville et la principaufe de Hanau, ne peuvent se dispen 
ser de protester eventuellement en son nom de la maniere lı 
plus solemnelle par la presente, qu’ils ont l’honneur d’adresser 
a S. A. le Prince N. N. avec l’assurance de leur plus hauı 
eonsideration. Vienne ‚le rı. Mars 1815. 

Le comte.de Keller. Le baron de Lepell 


er 


» 93 | 
Erklärung der zu Wien, theils perfönlich theils 
durch Bevollmächtigte verfammelten acht Mädy 
te, weldye den Warifer Frieden unterzeichnet has 
ben, oder ihm beygerreten find, betreffend Na— 
poleon Buonaparte’s Einfall in Frankreich; 
datirt Wien den 13. März 1813. 


Declaration. 

Les puissances qui ont signe le traite de Paris, reunies en 
congres à Vienne, informees de l’Evasion de Napoleon Buona- 
parie et de son eniree à main armce en France, doivent à leur 
propre dignite et a l’interet de l'ordre social une declaration 

des sentimens que oet evenement leur a fait eprouver. 
En rompant ainsi la convention-qui l’avoit etabli & l'isle 
@ Elbe Buonaparte detruit le seul titre legal auquel san exi- 
stence se frauvoit attachee. En reparoissant en France, aveo 
des projeis de trouhles et de houleversemens, il s’est prive 


— 263 on 


lui-möme de la protection des lois, et a manifeste, à la face 
.de l’univers, qu'il ne sauroit y avoir ni paix ni treve avec lui. 
Et quoiqu’intimement persuades, que la France entiere, 
se ralliant autour de son souverain legitime, fera incessamment 
rentrer dans le neant ceite derniere tentative d’un delire crimi- 
nel et impuissant, ‚tous les souverains de l’Europe,, animes de® 
m&mes sentimens et guides par les mömes principes, deolarent, 
que si, contre tout caloul, il pouvoit resulter de cet evene. · 
ment un danger reel queleonque, ils seroient pröts a donner au 
Roi de France et & la nation frangoise, du & tout autre gou- 
vernement attaque, des que la demande en seroit formee, les 
secours necessaires pour retablir la tranguillite publique, et & 
faire cause commune a. tous ceux qui entreprendroient de 
la compromeitre. 


Les puissances deolarent en consequence que Napoleon 

“ Buonaparte s’est place hors de relations civiles et sociales, et 

que, comme ennemi et perturbateur du repos da monde, il 
s’est livre à la vindicte publique. ! 

Elle declarent en mẽme tems, que fermement resolues de 
maintenir intact le traite de Paris du 30. Mai 1614 et les dispo- 
sitions sanctionnees par ce traite, et celles qu’elles ont arretees 
ou qu’elles arr&teront encore pour le oompletter et le consoli- 
der, elle emploieront tous leurs moyens et reuniront tous leurs 
efforts pour que la paix generale, objet des veux de l’Europe, 
et but constant, de leur travaux ne soit pas troublee de nou- 
veau, et pour la garantir de tout attentat qui menaceroit de 
replonger les peuples dans les deserdres et les malheurs des 
revolutions. 

La presente declaration, inseree au protocole du congres 
reuni A Vienne dans sa seance du ı5. Mars ıBı5, sera rendue 
publique. 

Fait’et certifie .veritable par les plenipotentiaires des huit 


puissances signataires du traite de Paris. A Vienne, le 13. 
Mars ı8ı5. 


Suivent les signatures dans Tordre alphabetique des cours. 
Autriche. Espagne, 
Le prince de Metternich. P. Gomez Labrador. 
Le baron de Wessenberg. 


r 





In France. Prusse. 

Le prince de Talldyrand. Le prince de Hardenber;z. 
Le duc de Dalberg. Le baron de Humbola:. 
Latour du Pin. | 

Le comte Alexis de Noailles, Russie. 

Grande - Bretagne. Le comte de Rasoumonw.shy. 
Wellington. C lancarty. Le comte de Stackelberz, 
Cathcart. Stewart. Le comte de Nesselrode. 

Portugal. Suede. 

Le comte de Palmella. Löwenhielm. 

Saldanha, 

Lobo. - 

94. 


Denkſchrift derjenigen deutſchen fürftlichen 
und gräflichen Häufer, welde durch die rhei— 
niſche Bundes: Akte andern deutfhen Fürften als 
-Standesherrn untergeordnet wurden; Datirt 


Wien den 15. März 1815. 

Das Gefudy, worüber die durch den Rheinbund unterjochten 
deutfchen Reichsſtaͤnde die Entſcheidung des hoben Kongreſſes er; 
warten, ihre Herftellung nämlich in Verbindung mit der Herſtel⸗ 
lung der Verfaſſung des deutihen Materlandeg, gehört zu denen 
Gegenſtaͤnden, weiche an ſich gar feine Ausführung und Verthei— 
digung bedürfen: deun Naturs, Voͤller- und Staatsredt, Bil: 
ligfeit, vorherige garantirte und durch einen Beftand mehrerer 
Jahrhunderte geheiligte Verfaſſung, die Sicherheit der Eriften; 
aller übrigen mindermädtigen Staaten, endlih die Stimme bes 
Nolte, und die vorhin fo tief herabgewuͤrdigte, jeßt glorreich auf; 
erftaudene Würde der Nation, ſprechen Jaut dafür. * 

Wollte man den mitten im Frieden Völkerrechtswidrig ger 
gründeten Zuftand der Unterjochung von mehr ale 70 ſchuldloſen 
reihsftändifhen Haͤuſern, im feiner gehäfligen Form und Der 
zeichnung fortbefteben laffen ; ſo würde dies ein ewiges Denkmal 
für den Zeitpunkt ſeyn, deſſen jeder gute Deutige nur mit Web; 
much gedeufen Fann! Doch hinweg mit diejen kief_beusenden und 


N 


— 265 — 


erſchuͤtternden Erinnerungen. Vernichtet iſt, Gottlob! dieſe Schres 
ckenszeit, und fie wird Deutſchlands Wuͤrde niemals wieder bes 
flecken, den Boden unferes Baterlandes niemals wieder mit Blut 
traͤnken, fo lange die geheiligten Namen Franz, Alerander 
und Friedrih Wilhelm mit Weisheit und Gerechtigkeit in 
einen Lorberfranz verſchlungen find, und die deutihe Nation den 
. hohen Beruf fühlt, mit ihrem Boden auch ihre rechtmäßigen Lan⸗ 
desherrn und eine fie beglügende Verfaſſung zu vertheidigen. 
Staatsmänner, deren Namen man nur mit Ehrfurcht und 
Dankbarkeit nennen kann, haben ihrer Gerechtigfeitliebe und Hus 
manitaͤt ein ſchoͤnes Dentmal durch die Aeußerung gegründet: 
„Gleichheit der Fürften kit jedem wahren Deutihen theuer und 
„‚beilig; er will die Rechte der Nation vorzüglih in den Rechten 
„ihrer Fürften ehren. Nur möchte man freplic gern unter den 
Farſten alle ehemaligen Reichsſtaͤnde, auch diejenigen, welche 
„nicht durch deutſche Acht, nicht weil ſie dem Vaterlande in ſeiner 
„Noth nicht beygeſprungen waren, ſondern durch fremde Gewalt 
„aus ihrem Kreiſe geſtoßen wurden, darunter mit begriffen wiſſen.“ 

In gleichem Geiſte haben andere Staatsmaͤnner, auf welche 
die deutſche Nation hoffnungvoll ihr Vertrauen fügt, ſich aus⸗ 
geſprochen und bewaͤhrt. 

Alſo die Frage: ob für die fo genaunten mediatiſirten Meise: 
ftände nah neunjährigen herben Leiden die Stunde der Befrey; 
ung jeßt fchlagen foll? kann in jedem Falle für gerecht und güns 
ftig entfchteden angefehen werden. Darüber find Staatsmänner, 
Gelehrte und Nation im Einklange, und hier und da erhebt nur 
noch der Egoismus dagegen feine widrigen Mißtoͤne. Dahinges 
gen ift die Frage, wie foll dad, den fogenannten mediatifirten 
Reichsſtaͤnden zugefügte tief kraͤnkende Unrecht wieder gut gemacht 
werden? noch immer nicht enticieden; obgleich das fonft befreyte 
Deutfhland den Jahrestag der Schlaht von Leipzig bereits vor 
mehrern Monaten feverte. Doch hat dad Vertrauen jener uns 
glüdlihen Staatsopfer zu den Allerhoͤchſten Vefreyern und Res 
generatoren Deutichlands und zu deren gepriefenen Staatsmaͤn⸗ 
nern nicht einen Augenblick gewankt; denn wie fönnten diejenigen 
zagen, welche bey diefen nur um Gerechtigkeit bitten ? 

Ganz unndtbig würde ed daber auch fepn, über diefe eben 
fo einfache als einleuchtende Sache noch etwas Weiteres zu fagen, 
wenn der Verfaſſer fich nicht verpflichtet achtete, über die vorbes 
merkte Frage; wie Tonnen und müfen die unterdrüudten Reichs⸗ 


— 1266 — 


fände bergeftelt, und mit ber neuen Konftitution auf eine würd: 
Art verbunden werden? in dem Moment, wo deren fo folgenzeie 
Entfheidung naht, noch einige Worte Allen benen ans Her jı 
legen, welchen Deutſchlands Wire, Wohlfahrt und innere Ich: 
theuer find, 

« Die Frage, ob diefe Herftellung mit dem DBeftande des deu: 
(den Vaterlandes vereinbarlic fepy? könnte man zwar ganz eimiss 
fo beantworten; wenn überbaupt die konjtitutionelle Selbfiftäntie 
feit mindermächtiger Stände, und fo wie ſonſt die Eriftenz de 
Meihsftädte für vereinbarlib damit gehalten wird, warum fol «i 
denn die Eriftenz anderer Reichsſtaͤnde gleiher Kathegorie acır 
nicht ſeyn? 

Eden fo einfach würde ſich die Frage: wie bie Herjtellung iı 
unterdrücdten Meichsftähde geſchehen könne? von ſelbſt dahin b: 
antworten: durch Gleichſtellung mit andern, zufällig nicht unten 
drüdten Reichsſtaͤnden, mit welchen jene nad dervorigen allein rei 
mäßigen Sonftitution feit Jahrhunderten auf gleiber Stufe fanden. 

Auch ift der Verfaſſer überzeugt, daß difienigen mindermät 
tigen Reichsſtaͤnde, welche durch ihren VBeptritt zum Nheinbund 
ſich nur erhalten, nicht auf Koften ihrer Mitftände vergrößert b« 
ben, eine ſolche Herftellung ihrer Neihsmitftände ſelbſt wüniden, 
und darin die weientlichfte Verfiherung ihrer künftigen Griften; 
finden würden, 

Doc ift Die Sache zu wichtig, als daß fie nicht einer nohmali 
gen reiflichen Prüfung bier unterworfen werden follte. 

Das Salus publica suprena lex esto haben bie vormals 
mals mebiatifirten Reichsſtaͤnde ftets bewährt, und ihr Hauptbe: 
vollmächtigter hat in denen eingegebenen Noten feyerli erklärt: 

daß fie allen denjenigen Verfügungen, welde die Allerhöcir 

verbündeten Monarchen in ‚der dermalen wictigiten aller Ge 
fbicht » Perioden zu Deutſchlands allgemeinem Wohl in einer 

Konftitution auszufprehen geruben wollen, fih mit Ebrfurdt, 

Dankbarkeit und Vertrauen unterwerfen, und zu allen dene 

Dpfern, welche die wahre Wohlfahrt des deutſchen Baterlar 

bes im Ganzen erfordern möchte, redlich bereit ſeyen; dahingt 

gen wohl mit Recht vorausſetzten, daß alle Stände gleicher Ku 
thegorie und Größe au gleiche Opfer bringen, und gleiche fon 
ftitutionelle Nechte erlangen würden. 

Jeder Unbefangene erkennt in diefer Erklärung zuverlaͤſſig aͤch⸗ 
ten Patriotismug, im Geiſte der Billigkeit und Gerechtigkeit ausı 


— 267 — 


geſprochen, Dem warum ſollen die Reichsſtaͤnde, welche vorhin 
ein Opfer der Unterjochung Deutſchlands wurden, auch jetzt wieder 
dem befrepten Deutſchland allein Opfer bringen? welche doc ſo 
partiell gebracht, zum eigentlichen und wahren Wohle des Vater⸗ 
landee nichts Enticheidendes beptragen, und hoͤchſtens zur individu⸗ 
ellen Begünftigung einiger vormaligen Souveraine bes Rheinbuns 
des dienen könnten,  * 

Die wahre Wohlfahrt Deutſchlands erfordert geoße, alle deut; 
fhe Staatsbürger glei umfaflende und gleich verbindende Maß: 
regeln; fie-erfordert vor Allem, Herftellung des vorigen, mit ber 
Nationalität fo innig verſchmolzenen Nectezuftandes; fie erfor 
dert Abfteßung derjenigen Mängel der vorigen, fonft fo vortreil- 
lihen, MBerfaflung, welche die deutſche Nationalkraft In militäri: 
ſcher Hinficht laͤhmte, und daher die äußere Sicherheit des Vaters 
landes gefährdete; fie erfordert überhaupt diejenige Umgeftaltung, 
welche der mit blutigem Finger winfende, nicht mißverftandene, 
fondern mit dem Scarfblid geſchichtlicher Beobachtung richtig er 
griffene Zeitgeift gP Jietet, 

Kann aus allen diefen Prämiffen die Behauptung einiger - 
Selbſtſuͤchtigen gerechtfertigt werden, weil mehrere Neichsftände 
das Ungluͤck gehabt baben, durch einen Bund, zu welchem die Ges 
ſchichte kein Geitenftüd liefert, mitten im Frieden ihre Selbſtſtaͤn⸗ 
digkeit zu verlieren, fo müffen fie auch jetzt, — ungeachtet dadurch 
nicht die Wohlfahrt des Waterlandes befördert, fondern nur einis 
gen Mirftänden ihr ungerebtes Verlangen gewährt werden würde — 
wieder einem politiihen ZTobesihlunmer geweiht bleiben ? 

Vernunft, Billigkeit und Gerechtigkeit muͤſſen eine folde, eben 
ſo bizarre als für dad Ganze verderblihe, Behauptung unmwillig 

von ih ſtoßen; denn io kann wohl eine zur hroniihen Krankheit 
gewordene Selbſtſucht, aber wahrlich nicht aͤchter Patriotismus 
argumentiren! 

Dieſer kann und muß vor allen Dingen nur Herſtellung einer, 
für alle gute Deutſche gleich erfreuliben, gerehten und energis 
ſchen, der vorigen möglicft äbuliben Verfaſſung wünfhen; einer 
Verfaſſung, welche vorzüglich die Militärfräfte und alle Zweige 
ber Staatsverwaltung, die damit ald Mittel zum Zweck in unzers 
trennliher Verbindung ftehen, mehr concentrirt, beffer organifirt, 
und zur Aufrechthaltung der aͤußern ‚Sicherheit denſelben eine 
fchnellere Kraftaͤußerung verſchafft. 

Dieſer heilige Zweck kann nicht durch einzelne Aufopferungen 
welche der Vergroͤßerungſucht einiger, in dieſer Beziehung immer 


— 268 “.. 


noch Fein bleibender Staaten etiva gebracht werden, ſondern mr 
dadurch erreicht werden, wenn Heine Staaten fih dem grefen 
Mächten Deutſchlands militäriih anfchliegen, deren Schuß gmie: 
Gen, und mit diefer Schu: Macht durch ihre Landeshberrn nis 
Innigſte verbunden, für Sepn oder Nichtſeyn kämpfen. Nicht Un: 
terwerfung, welche nicht allein zweclos, pie jelbit zmedwibr; 
erniedrigt; nicht Unterjochung, welde al& wahre Chrenfache einer 
ewigen Keim für Unzufriedenheit gründen müſſte; fonderm eine fter 
willige politiſch militaͤriſche Schugverbindung der mindermädhtiger 
Stände mit den großen Mächten; das ift ed, mas der dentid: 
Patriot wüniben fann, und was jeder mindermädtige Etend, in 
Gefolge der neueſten außerordentlihen Zeitereigniffe,, felbft win 
fen muß. 

Diefe Schußverbindung muß aber, wenn fie moralifch ift, iv 
wie Völker: und Staatsrechtlich deſtehen, und cin unauflöglide: 
Band für gemeinfchaftlihe Wohlfahtt gründen fol, eine frepmilix 
Derbindung feyn; fie muß auf vertragsmäßiger Zuſtimmung Defien 
beruhen, weldyer dadurch einen gewiffen Chen ffiner fonftttutionel 
len Rechte, der Öffentlichen Wohlfahrt und feiner darauf beruhen; 
den eignen Sicherheit, zum Opfer bringt. 

Sollen alſo ſolche Verhaͤltniſſe in diefer Beziehung dermalen 
bier Fonjtituirt werden; fo erfordert allerdings das rechtlide Der: 
haͤltniß eben fo als die unverlennbare Würde der Sache, daß bir 
jenigen, welche ein ſolches Opfer bringen follen, darüber, fo mie 
aber die Merfaflung im Ganzen, mit ihren Wemerfungen juvor 
förmlich gebört werden, und fodann ihre frepwillige Zuftimmung 
erflären. Dadurch wird ſich die Gründung der neuen Verfaſſung 
fehr vortheilhaft umd beruhigend, von der Stiftung des Rheinbun; 
des untericheiden, welcher den zu Schlachtopfeen erfehenen Stan 
den ungehört das Todesurtheil publicirte. 

Es ift demnach um fo weniger zu bezweifeln, daß Großmuth 
und Gerechtigkeitliebe über jede Oppofition gegen die Zulaffung der 
vormals mediatifirten Neichsitände zu den Verhandlungen über bie 
deutfch® Konftitution fiegen werden, als die Reicheftädte ebenmioht 
darüber gehört werden follen, und man gar nicht daran zweifeln 
fann, daß, nahdem der Mbeindbund vernichtet ift, den nur durch 
denfelben und für deffen Dauer politiih getödeten Neihbeftänden, 
bermalen eine Mepräfentation am fünftigen Bundestage wieder 
veritastet werden wird, 

Bey einer . frepwilligen politiſch — Anſchlie⸗ 


x 


Be 


Fung mindermähtiger Neichöftände an die Staaten großer Machte 
möflten denn folgende Hauptgrundſaͤtze feſt beſtehen: 

J. Die fhügende Macht erkennt für die Schußverwandten 
bie in der Konftitution dur den Bund zuerkannte und garantirte 
perfönlie Unmittelbarkeit. 

II. Der Schußherr erkennt für die Schupverwandten das 
gleihmäßig Eonftitutionell verfiherte Eigenthum ihrer Fürftenthüs 
mer, Grafs und Herrichaften, mit allen daraus fließenden Rech—⸗ 
ten und Renten. 

I, Es wird überhaupt ben Schußverwandten Fein anderes 
Opfer zugemuthet, ald welches der einzige reine Zweck, die Wohls 
fahrt des Daterlandes erheiſcht, und welches in der allgemeinen 
deutſchen Konftitution fo genau beftimmt und bezeichnet wird, daß 

IV. niemals eine ertenfive Interpretation Statt finden fann, ' 
fondern in allen niht namentlih und fpeciell ald Ausnahmen bes 
zeichneten Fällen, die Negel für die Beſchuͤtzten bleibt. 

V. Nies dies unter Verbindung mit der Konftitution im 
deren engitem Umfang und unter Garantie der Gefammtheit des 
deutfhen Etaatenbundes. Es ſey vergönnt, jeden diefer einzelnen 
Grundfäge in feinen Motiven und Folgerungen etwas näher zu 
zergliedern. 

In Anfebung des erften, nämlih Erhaltung der perfünlichen 
Unmittelbarleit, enthält felbft die Nheinbundes: Akte Feine ent- 
gegnende Beftimmung ‚ und nur der geſetz- und rechtelofe Zuftand, 
welcher Kolge derfelben war, konnte eine Ausdehnung bis zu dieſem 
Grade der Ilnterjohung bewirken. Sonſt enthält die ältere deuts 
fhe Verfaſſung mehrere Bepfpiele, daß deutfche Reichsſtaͤnde mit 
größern Staaten in engere Verbindung traten, deren Gefeße an; 
nahmen, und einen Beptrag zu Unterhaltung des Militärs zahl, 
ten, ohne deswegen Siß und Stimme auf den Reichs- und Kreis: 
Tagen zu verlieren. Es ift dieſes ein unverdußerlihes Vorrecht 
ber Reichsftände, welches ſolchen maͤchtigen Schutzherrn eben ſo 
wie dem Ganzen wohl nägen, aber niemals ſchaden kann. 

In Gefolge diefer Motiven farm man alfo wohl mit völligen 
Grunde annehmen, daß den vormald mediatifirten Reichsſtaͤnden 
wieder ein verhaͤltnißmaͤßiger Antbeil an der deutſchen National 
Nepräfentation-geftattet, und dabey wie billig die vorige Mobdalis 
tät der rechtmäßigen Verfaflung zum Grunde gelegt werden wird, 
Findet dieſes aber in Anfehung ded Bundestages Statt, fo wird es 
in Anſehung der Kreistage um fo weniger einem Bedenlen unters 


* 


worfen ſeyn. Es folgt ferner fowohl hieraus, ald aus den folge 
den Grundſaͤtzen, daß die Schußverwandten vor wie nach auf 
Prädifate: Bundesftände, Donate, tegierende Herren u.i.m. 
Anfprucd haben, 

Die felbfeftändige Autonomie, frey von Sinmifhung und ®e 
ftätigung eines Oberen, tft nicht minder ein daraus fließende, 
köftliches, und zu Erhaltung des Familienglanzes gast; umentbeir 
liches Recht. Der Staat felbft ift dabey intereffirt, dieſes Riet 
zu gewähren und aufrecht zu erhalten; denn ohne daffelbe würd:: 
feine Schußverwandten bald nicht mehr zu einer ihrem Standpunk 
angemeſſenen Erifteng qualifiziet, und nit mehr im Stande jen:, 
fowobl dem Bunde ald dem ſchuͤtzenden Staate das zu leiſten 
was Zweck ber Schußverbindung ift, 

Es folgt eben ſo daraus das Recht, durch feines leiden a 
peinlihen Fällen gerichtet zu werden; ferner in perfönlien File 
der Gerihteftand vor dem Bundesgericht: mogeyen dann in Mes] 
fahen (vorbehaltlich der Appellation an das Dbergericht des Ar: 
ſes, und der Prlihtentlaffung der Richter für ſolche Fälle) das Su 
richt der zweyten Inftanz det Schutzverwandten chen ſo jetzt wieder 
für fompetent erflätt werden könnte, ald ſolches fonfi in Deutie 
land verfaffunggemäß wat. 

Perſoͤnliche Frepheit zu allen Handlungen, welche dem Zmedı 
der Konftitution nicht mwiderftreben, verfteht ſich dabep für bie 
Schußverwandten und deren Familien wohl von felbft. Dieie: 
Bundes zweck kann aber Fein anderer ſeyn, ald Erhaltutig der äufe: 
ten Ruhe und Unabhängigkeit, und bie Sicherung der verfaſſung 
mäßigen Rechte jedes Einzelnen, fo wie des Gatten. Daß mil 
biefem gefegnetem Zwede bes Bundes Alles, was ald erläutern 
de Bepipiele unter dem eriten Grundſatz bemerkt worden tft, nict 
im Widerfpeuch ftehet, vielmehr verhältnifmäßig förderlich Daft 
ift, kann einem unbefangenen Urtheile nicht entgehen. Eben fo dr 
recht und zweckmaͤßig iſt der zweyte Grundiaß: dab den beſchüͤtzten 
Ständen von dem ſchuͤtzenden Staat das Eigenthum ihrer Fürſten 
thümer, Graf; und Herribaften, nebſt allen dataus fließenden 
Befugniffen zu verfiber fe. 


Diefer Grundſatz ſteht mit dem vorbemerften Bundesjwede 
nicht im geringften im Widerſpruch; er iſt vielmehr ganz dazu geı 
eignet, um Herrn und lintertbanen tim ſo viel inniger und fefter 
au das Interefie des hängenden Staats zu knuͤpfen, ia es ift div 


— 271 — 


ı fer Grundſatz, die nengebildete Gouverainetät abgerechnet, ſogar 
„ im der rheiniihen Bundes; Ucte bepbehalten worden. 


m 


Auch aus diefem-Hauptgrundjag folgen viele wichtige Nefuls 
tate, deren ich hier nur einige anführen will. Die Beihüsten 
bleiben 3. ®. hiernach unbezweifelt Landesherren, und behalten 
die innern Negierungredte dem allgemeinen Bundes: und Staatseı 


. Zwed allein untergeordnet. Sie haben in Anfehung jedes Mechts 


und Einfommens, welches für den Bundes: Zwed an den Schußs 


herren nicht namentlich und ausdruͤcklich überlaffen wird, die Vers 
muthung für fig, Der vitiofe Beſitz des Rdeinbundes konnte nies 
mals ein entgegengeiehtes Recht begründen: kann alfo noch mes 
niger jezt, nad, feperliher Entſagung auf diefen Bund, dafür 
angeführt werden. Die Belege, Verfügungen, ober durch bös 
here Gewalt veranlafften Verträge, welche während der Dauer 


des Rheinbundes, unter manderley Vorwand, folhe aus dem 


Landes⸗Eigenthum fliegende Nechte und Reuten entweder ſchmaͤ⸗ 
lerten, oder ohne vollkommene Entfhädigung ganz entzogen, 
muͤſſen jetzt ihre Kraft. verlieren. 

Alles dies find Grundfdge und Folgerungen, welhe mit dem 
Bundes;weck in der innigften Harmonie fteben; denn ohne fie 
Kann die innere Ruhe und Zufriedenheit nicht beftehen, melde 
die maͤchtigſte Stüße und Kraft der Staaten bildet. 


Der zte Grundfaß, daß ben mindetmäctigen Ständen, wel | 


| he einem mächtigen Schußheren für den Zweck des Bundes fich 


anſchließen, keine mweitern Verzichte und Opfer angefonnen mwers 
den koͤnnen, als diejenigen, welche diefer Zweck bedingt und ers 
heiſcht, folgt aus der Natur der Sache. 

Der Beihägte würde alſo 

A. der fhägenden Macht einen Beytrag an Mannfchaft zu 
dem ftehenden Heere und zur Landwehr, nach dem in Gefolge 
der allgemeinen Conſtitution Lingeführten Mapftabe zu liefern 
haben. 

B. Einen Bestrag an Geld zur Unterhaltung diefes Contins 
gents; deffen Beſtimmung man von der künftigen allgemeinen 
Sonftitution hofft. 

C. Sowohl in diefer Hinfiht, ald zum Zwede engerer Der: 
bindung für die allgemeine Wohlfahrt, fönnten die Schutzver⸗ 
wandten, als geborne und verpflichtete ausiclieplihe Wertreter 
ihrer Unterthanen, das Reptaͤſentation⸗Recht ihrer Tesritorien, 
Angehörigen und Unterthanen ausüben, 


D. Auqh in Anfehung anderer gemeinnüsigen Landesaniıl 
ten koͤnnten und wuͤrden fie fib billig manchen Einridgtun 
der ſchuͤzenden Macht anfhließen, umd felbit EIER 
dazu beptragen. 

E. Aſſimilitung des beihägten Landes, mit der. Gefepgebui 
der Schub: Madıt. 

F. Unerfennung der zten Inftanz nad den Grundſaͤtzen vr 
Conſtitution. 

Der Zweck sub A) könnte mit einer gewiſſen Ruͤckſicht ir 
die Schutzverwandten, ſolchergeſtalt fuͤglich erreicht werden, ki 
denenſelben erlaubt würde, eine beſtimmte Anzahl Dtefruten ı 
ihrem Lande auszuheben, jedoch mit ber Pfliht, dDabep ganz nis 
den allgemeinen Eonfcription » Öefegen zu verfahren. 

Ad B) Der Geldbeptrag zu Unterhaltung diefed Contingerte 
in Friedengzeiten könnte füglich auf ein ber Schuß: Macht, der pi 
ſtellenden Truppenzabl angemeffen, zu zablendes Averiionalaus 
tum beſtimmt, deffen Nepartition und Erhebung aber dem fdxt: 
verwandten Landesherrn überlaffen werden. In Ariegszeiten mi 
ren die Beichlüffe der Bundes: VBeikmmiung und die darauf g 
gründeten Verfügungen der ſchuͤzenden Macht, Maßſtab der u 
ftungen, deren Vollziehung jedoch ebenfalld dem Landeshert 
bilebe. Diefe werden alddann es fowohl ihrem eignen wahre 
Intereſſe, ald denen wenigitend dermalen febr veränderten Ver 
bältniffen in Dentibland wohl angemeſſen finden, ihre Lntertio 
nen bey den beffallfigen Steuerleiftungen durh einen ungemei 
fenen Beytrag aus ihren eignen Mitteln zu unterftüsen. €is 
jeder Schupverwandter, welcher der Vorthelle eines großen Etauti 
und der Wohlthaten einer gerechten und humanen Derfaflung iı 
Friedenszeiten fich erfreut hätte, würde überhaupt durch Danfber 
feit und eignes Intereffe aufgefordert, für den Bund im Ganzen, 
und für die Schuh : Macht insbefondere, Gut und Blut zu wagen, 
bey drohender Gefahr bereit ſeyn. | 

Ad C) Können die Schupverwandten zwar für ihre Verior 
niemals Landftände werden; denn ihre periönliche Unmittelbarkeit 
mit allen daraus fließenden Folgen, ift ein unveräuferlibes Rect 
nach welchem felbft ihre fpäteften Nachkommen noch aus jedem 
politifchen Grabe, ihre nah Gerechtigkeit ftrebende Hände empe: 
fireden müflten. Sie muͤſſen alio Bundes: und Kreidftände fern 
und bleiben. Sobald fie aber in Anfehung der Gefeßgebung un) 
vieler semeinnůtzigen JInſtitute, ferner in Anſehung der Militär 

und 


) 
L 


und Steuer : Verfaffung der ſchuͤtzenden Macht. fih anfchließen, 
fo müffen fie berechtigt ſeyn, ihre dabep fo hoc intereffirten Uns 
tertbanen, bey Kreistagen und anderm -Berjammlungen felbft _ 
oder durch einen ihrer Abgeordneten, wach deren wefentlide 
Rechte ſchützenden Grundfägen,, vertreten zu laffen. Dieſes 
werden fie alsdann mit Treue und Gewiffenhaftigfeit bewirken; 
Nur das allgemeine Wohl des deutichen Vaterlandes ift ihr 
Wunſch, das Biel ihrer Befirebungen. Wo fie dazu wirken koͤn⸗ 
nen, da find fie gern thätig, und daß fie in diefem Kalle und 
für bieſen Zweck auch patriotiihe Opfer bereitwillig bringen, 
haben fie duch ihr bisherige Benehmen , durch ihre beſcheidenen 
— und durch ihre freywilligen Erbietungen für das 
allgemeine Wohl, hinlaͤnglich bewieſen. 

Ad D. Bietet ein großer Staat von mehrern Millionen im 
Anfehung der öffentliben Sicherheit; und Sanitdt: Anftalten ıc, 
allerdings große : Hülfmittel und Mortbeile dar, melde mans 
chem kleinen Lande nah der Natur dee Sache nicht eigen fepn 
koͤnnen. Ge größer alfo die Schuß > Macht ift, deſto größer find 
die Vortheile, welche ihre Verhaͤlfniſſe in biefer und anderer 
Hinfiht barbieten. Eben daraus folgt aber aub, daß bie im - 
Rheinbund conftituirte Verbindung verfhiedener minder mächtis 
gen Gebiete mit andern eben fowohl minder mächtigen, dem der: 
maligen wahren Zwede des deutfhen Bundes nicht allein nicht 
entiprechen ‚Tann, fondern auch in Anſehung der perſoͤnlichen 
Verhältniffe durchaus unverträglih if. Begeben fich hingegen 
minder mächtige Stände unter den engern Schuß großer Mädys 
te; fo ift es alsdann rathſam und felbft Priht-für fie, dem 
größern Landes, Iuftituten der Schuß: Macht ſich anzuſchließen, 
und zu deren Beftand einen verhältnifmäßigen Beptrag zu leiften, 

Ad E. Eben fo werden fie es als einen weſentlichen Vor⸗ 
theil für ſich und fuͤr ihre Unterthanen anſehen, die Geſetzge⸗ 
bung der ſchuͤtzenden Macht an die Stelle des bisher geltenden 
roͤmiſchen oder gemeinen Rechts einzuführen. Dies folgt auch 
zum Theil ſchon and der Verbindung mit der dritten Inſtanz. 
Sedboh iſt e6 damit keineswegs unvereinbarlib, vielmehr mit 
jeder Rechts-Verfaſſung verträglih, dap auch Landes; und Drtds 
katuten und einzelne unfer der Reichs-Vexfaſſung gerichtlich ans 
erfannte, oft fehr tief in dad Privat: Eigenthum eingreifende Ge; 
wohnheiten, mwenigftens fo lange mit dem Vorzuge, welchen ib: 
nen die vormalige Reichs⸗ und Landes + Berfallung gewährte, 

Codex Diplomatieus. (Fur, Annal. 1815.) 18 


beftehen fönnen, bis tuhigere Seiten und mehr conjolidirte Be: 
faſſung einft ein allgemeines deutſches Geſetzbuch gewähren. 

©, Ad.F. Die Anerkennung der dritten Inſtanz bep der Stut- 
Macht beruhet überhaupt noch auf der Vorfrage, ob Deutieim 
wieder Kreife, und mit diefen Kreisgerihte erhält ?_ Diele 
ſcheint freylich in vieler Hinficht sehr wuͤnſchenswerth. Im je 
dem Falle wäre es aber wohl billig, und der Analogie der m 
tigen Verfaſſung entiprechend, den mindermädhtigen Ständen ds 
Praͤſentation⸗Recht zu dem Geriht dritter Inſtanz zu verfier 
ten. Auf’ zofM. Seelen könnte ein Präfentation + Mect radi 
citt, und zu dem Zwecke dad: Aufammenzähien einer größen 
oder geringern Seelenzahl verftattet werden. Sowohl der leid 
teren Unterhaltung, als der zwedmäßigeren Organijation um 
angemeſſenen Chätigkeit wegen, wäre ed übrigens zu wir 
fen, daß ald Minimum für die Bildung eines ſolden Geriat 
dritter Inſtanz eine Seelenzahl von soofM. Seelen angenom: 
men und feftgejegt würde, 

| In unzertrennlicher Verbindung mit diefem Gegenftande fie 
ben die Gerichte zweyter Inſtanz, deren Befugniß felbit dir 
eheintiche Bundes: Acte ohne alle Ausnahme und Beichränfun 
ihren Opfern zuerfannte. 

Es ſcheint dabey allerdings wohl, als werde ein beftimmter 
Umfang von Gebiet, und eine gewiffe Zahl von Untertbanen er: 
fordert, um ein zu Ausäbung der Gerichtebarkeit in zwepter 
Inſtanz geeignetes Gericht bilden zu köͤnnen. Diefer Maßftab 
iſt jedod für diefen Fall nit unbedingt richtig, denn nidt ie: 
ten hat ein Furt oder Graf, deſſen Land nur 1ofM, Seelen 
hat, von Domainen ıc. mehr reines Cinfommen, und ift im der 
Lage die Staatsdiener beffer zu befolden, als ein anderer ba 
20/fM. Seelen. Auch ſpricht die Erfahrung unter der älter 
Verfaſſung gegen die Nothwendigfeit eines folben Mafftabes, 
denn noch jetzt eriftiren mehrere, unter dem Mheinbund für eine 
geringere Vopnlation gegründete, Gerichte zweyter Inftanz in 
zwedmäßiger Form. “Billig würden fodann nicht allein mebrer: 
Kinien eines Sefammthaufes, fondern auch mebrere fürftliche und 
gräflihe Hänfer, deren Beſitzungen mit einander in Greny 
verbindung ftehen, ein ſolches Gericht gemeinfchaftlich errichten 
können. 

Eben fo Fann es Feinem Zweifel unterworfen fepn, daß bie 
Landesherrn an ihre Zuftiz » Collegien Promotoriales und andere 


in die Juſtiz nicht eingreifende Weifungen erlaffen können, Die 
Dberanflicht der dritten Inſtanz bleibt ja dabep immer vorbehal- 
ı ten. Gnblich verfteht es fich wohl von felbft, daß ſolche Gerichte 
‚ allein den Kamen deflen oder deren führen muͤſſen, melde ſie 
gründen, welche anch die Richter anjtellen und befolden. Eimer 
großen Schuß: Macht wird ed ohnehin fehr gleichguͤltig fepn, ob 
in der Bezeichnung des Gerichte ihres Namens mit Br wird, 
oder nicht. 

So wie num die Juftlz in zweyter Inſtanz —— 
hoͤrig organiſirte eigne Behoͤrden der Landesherrn verwaltet wer⸗ 
den muͤßte, eben ſo koͤnnte auch die Landespolizey durch deren 
Regierungen verwaltet werden. Mehrere Fuͤrſten und Grafen, 
deren Gebiete zuſammenhaͤngend ſind, koͤnnten auch in dieſer Hin⸗ 
ſicht ſich verbinden. Jedoch, wie ſich von ſelbſt verſteht, alles 
nah den Geſetzen des Bundes und aſſimilirt den organiſchen 
Einrichtungen der Schutz-⸗Macht. Als Mapftab hierbey könnte 
wohl dienen, daß auf die Schutzmacht diejenige hoͤchſte Negies 
rung s und Poligepgewalt überginge, melde fonft Kaifer und 
Meih, fodann die Kreife übten, alled Webrige alles müßte den 
ſchutzverwandten Landesheren unter ber neuen Conftitution eben 
fo, wie unter der deutfben Reichsverfaſſung verbleiben, 


Beſtimmt hat man bier alfo der ſchuͤzenden Macht alle bie _ 


jenigen Rechte und Gewalt beygelegt, welche der Bundes zweck 
erbeiiht. Ale diefe Befugnife und Mittel für die Wohlfahrt 
ded Ganzen zu wirken, in möglicft ftarfen und kraͤftigen Händen 
vereint. zu fehen, muß Jeder wuͤnſchen, deflen Vaterlandsliebe 
nicht von Egoismus, gleich einer Ihönen Blume vom Unkraut 
unterdrüdt ift. ‚Sobald man alles über diefe Grenzen hinaus: 


gebt, und von einzelnen Ständen, oder gar von einzelnen Indi⸗ 


vlduen eines Standes willkürlich Opfer fordern will, welde der 
Allgemeinen Wohlfahrt völig fremd, und zur Erreichung des 
Bundeszwecks durchaus nicht erforderlich, find; fo verleht mau 
die Gerechtigkeit, würdigt die heiligften National⸗Zwecke zu lee⸗ 
rem Vorwand herab, und legt den Grund zu ewiger Unzuftie—⸗ 
denheit. Deßwegen bat man. oben sub IV. bemerkt, daß. ein® 


ertenfive Interpretation der Opfer, welhe mindermäctige Stäns 


be der allgemeinen Mohlfart bringen, - niemals Statt finden 
dürfe, fondern in allen nicht namentlich und fpeciell ald Ausnah⸗ 
men bezeichneten Fällen, die Regel vor wie nach für die beicüßs 
ten Stände bleiben muͤſſen. In dieſer Hinfichr it, um jeder 


* 


— 276 — 


Sonteftation und jeder Willkuͤr in Zukunft vorzubeugen, fo m 
um das Sort der mindermäctigen Stände zu ſichern, kein ander 
Mittel übrig, ald daß in Anfehung aller Rechte und Menten, ii 
Regel für die Landesheren ausgeiprocen wird, und nur ausnabes 
weile der ſchuͤzenden Macht diejenigen Befugnifle zugewiefen me 
den, welche namentlich und ipeciell ald zu Erreihung des Bunder 
zwecks unentbehrlich bezeichnet werden. Go ift 3. B. Das Berhält 
niß des Haufes Heſſen-Rheinfels- Mothenburg gegen Churbeien. 
Was Shurheifen ald Oberherr der fogenannten Rorhenburgiidr 
Quart ſich nicht ausbrädlih ‚vorbehalten hat, Das alles mir: 
felbft von den. rühmlichft befannten Churheſſiſchen YJuftizgerictn 
ohne weiteres Heffen : Rothenburg zuerfannt. Sobald man it 
bierbey auf. ein Specialifiren. deflen, mas die mindermäctigr 
Stände behalten follen, einlaſſen wil, fo ift ed unmoͤglich, rät: 
fihtlih der Verſchiedenheit der Verfaſſungen vollftändig zw ſert 
Es würde alfo mwenigfiens der Willfür einzelner Staatddime 
Raum gelaffen, welde auch bey dem beiten Willen und den grei; 
mütbigften Abſichten des ſchuͤzenden Staats, bier und da mid 
ganz zu vermeiden ſeyn möchten. Alſo micht durch ſolche, fer 
mißlihe und unvollftändige Specialifirungen , fondern nur durs 
fefte, umfaflende, über jede Migdeutung der Hofpubliciften ev 
habene, Grundfäge ann bier geholfen, nur auf diefem Mesr 
kann beglüdender Schuß, Zufriedenheit, Sicherheit des Cigen 
thums, und innere Ruhe für die Zukunft gegründet werben. 

Solche Grundſaͤtze wären 3. B. 

1) Fuͤr die Landesherrn, welchen in der Conſtitution das 
Eigenthum ihrer Fuͤrſtenthuͤmer oder Grafſchaften mit allen tu 
raus berzuleitenden Ausflüffen verfihert iſt, foll in allen Fällen, 
und für alle, dem Schutzherrn in der Eonftitution als Audnabme 
namentlich nicht zugewiejenen Befugniſſe, die Regel ferner ven: 
bleiben; fo daß in allen ſolchen Faͤlen, ſowohl von Staates als 
Zuftizbehörden für fie interpretirt, und fie, „bis zum Beweis, 
daß die Ausnahme in der Eonftitution buchftäbli begründet iſt, 
bey dem Belize und dem echte jener Befngniffe geihüst wer 
den follen. 

2) Jene für die Schutzherren namentlich conftitutirten Aus 
nahmen abgerechnet, ſteht alſo den Landesherrn übrigens der 
Genuß aller Rechte zu, welche fie unter der deutſchen Reichsper⸗ 
faflung auf ihren Befigungen ausübten, diefelben mögen nun zu 
den Regalien geredhnet werden oder nicht. 


4) Ueberhaupt wären alfo die Jahre 1300 und 1805 ale 
Normal: Jahre des status quo anzunehmen‘ Was damals in 
die Kaflen der Landesherrn floß, muß auch ferner in dielelben 
fließen. Diefe Renten berubten auf Verfaflung, auf Geſetzen, 
auf Verträgen und Landes: Meceffen, auf Reichsgerichtlichen 
Entfcheidungen u. f. f., alfo auf lauter Titeln, welche jede Bes 
ſchwerde und jeden Mißbrauch ausihliefen. Warum wollte man 
gegen eine Erfahrung. von mehr als einem Jahrhundert Alles 
umgeftalten? und einer Nenerungfucht frühmen, melde aus ber 
Buͤchſe Pandorend, aus dem Lande Hervorgegangen ift, deſſen 
Bluͤck, Nude und Moralität durch ſolche Umformungen wahrs 
ich nichts gewonnen haben! Billig find dagegen allerdings mans 
perlev Stipulationen zum Beſten der Schuß : Macht, 5.8. das 
Borkaufs s Net In Aniehung der Bergwersproducte, welche zu 
Münz: Metallen geeignet find; alfo Gold, Silber und Kupfer. 
Wollte man dieſes Vorfaufs: Recht weiter ausdehnen, fo würde 
mech diefe, zum Weſen des Staats nicht gehörige, — 
re Induſtrie offenbar leiden. 


Eben fo ginge auch aus dem Begriffe des garantirten Lan⸗ 
es-Eigenthums hervor, daß die Kandesherren die Lands und 
Wafler- Zölle, welche fie in den Normal» Jahren befeffen haben, 
erner beziehen würden. Allerdings müßten fie bey der Anwen; 
yung dieſes Rechts den höhern allgemeinen Staats: AUbfichten, 
Ruͤckſichten und Normen der Schub : Macht folgen, auch wenn 
s Grenz: Zölle find, ſolche allenfalls abtreten, jedoch nur ges 
en vollfommene Entihädigung. Doch man geht gegen die Abs 
icht diefer Darftellung der wahren Verhaͤltniſſe zu fehr ind Des 
ail über, Nur Grund ; Prinzipien wollte man aufftellen; nur 
yie aufrichtige VBereitwiligkeit der vormals mediatifirten Reichs⸗ 
Stände, ſich jeder gerechten, allgemeinen und gleihförmigen 
Berfügung zu Deutihlande Wohl zu unterwerfen, wollte man 
viederbolt betheuern. 


Eind Biefe Verfügungen allgemein, für alle Reichs : Stände, 
welche unter der alten einzig rechtmäßigen Gonftitution auf gleis 
het Stufe fanden, auch jegt wieder glei; find fie da, wo fie 
Dpfer erbeifhen, fhonend, beftimmt, und über jede ber öffent: 
ihen Wohlfahrt nicht allein fremde, fondern ald die innere Ruhe 
törend, hoͤchſt ſchaͤdliche Willkür erbaben; dann bleibt, wie ich 
ben sub V. bemerkte, nur noch der Wunſch übrig, daß die cons 


— 128 — 


ſtitutionelle Garantie eine ſolche gerechte Verfaſung ns 
ſpaͤteſten Nachkommen ſichern moͤge. 

Der Deutſche, welchem feine alte Verfaſſung mit Redt der 
war, und welcher in feinem Kaiſer Franz einen Bateı 
und verebete, Kann fi nicht von dem Gedanken Iren," 
Allerhoͤchſt deſſen geialbtem Haupte wieder bie beutide Se 
krone, und in diefer die HerfteBung der Würde der Natin k 
die Gegenwart, verbunden mit ber. fiherften Bürgidlt Ft" 
Zukunft zu erbliden. 

Gluͤcklich werden ſich dann alle, und doppelt glüdiid u. 
fi diejenigen preiien koͤnnen, welche in Friedtich ilkele In 
Gerechten, in Zukunft noch ihren ‚befondern Säugberm mei" 
und an den allgemeinen Anordnungen einer Regierung Zi" 
men koͤnnen, melde ſich dutch Weisheit, Confequeny m" 
marität auszeichnet. 

Der Bundestag wird dann die Conftitution im Gm®* 
führen und bewachen, und bey einem wohl organifirtea Ian“ 
gerihte wird jeder Stand für Klagen über verlegte mi 
Recht und Schuß finden. 

Einer folben Cönftitution werden die im Abeinkmt “ 
ihre Einwilligung anfgeopferten Reichsſtaͤnde mit fiche 8 
wiligfeit jedes, durch Das Wohl des Waterland hit 
nah dem Maßſtab einer gerechten Gleichheit geforderte 5° 
bringen; fie werden von feinem ihrer Mitftände in Bra © 
weifen aͤchter Vaterlandsliebe übertroffen werden; few 
großen Monarchen, melde aufer der allgemeinen Garen 
ganzen Bundes fie und ihre Untertanen noch unter Lt 
fondern Schutz nehmen wollen, thätig beweiſen: daß pie 
dem Grade fähig find, Dankbarkeit, Ehrfurcht und Ink" 
digung darzubringen, als fie unfähig waren und ſtets IM ⸗ 
den, unverdiente Kraͤnkungen, perſoͤnliche Herabwichc 
nnd Vernichtung ihres und ihrer Unterthanen Woblſie J 
nechtiiher Erniedrigung ohne empoͤrtes Gefühl zu et 

Möge eine gluͤcliche Zukunft die tiefen Wunden Welt " 
che die vergangenen neum Jahre ihrem, ihrer Familie und ” 
thanen Wohlftand geſchlagen haben! 

Wien 15. März 1815. 


— — — — 


‘ 


. 095. \ / 
Betrachtung über die (unter Niro. 93. abgebrudite) 

Erklärung der aht Mächte, Napoleon Buor 

naparte’s Einfall in Frankreich betreffend. " 

Um die feperlibe Erklärung ber Mächte über Buonapars 
te's leutes Unternehmen vollftändig zu würdigen, muß man fie eins 
mal aus dem Standpuulte des Rechtes, das einer ſolchen Maß; 
regel zum Grunde lag, und dann aus dem Standpunfte der Ge 
Finnung, in welder fie beiblofen wurde, beurtheilen. 

Das Recht war ‚unzweifelhaft... Buonaparte hatte durch 
feine Entſagung-Acte, umd duch den mit den verbündeten 
Maͤchten am 11. April 1814 abgefhloflenen Tractat, auf die Sou: 
perainetät über Sranfreich, Stalien, und ſaͤmmtliche von ihm 
seherrihte Länder fürmlih Verzicht geleiftet. Seine Ruͤckkehr 
sah Frankreich, an der Spiße eines bewaffneten Haufeng, 
yob die Rechte, welche jener Tractat ihm verliehen hatte, 
ruf, indem durch feine eigene, freye und überlegte That ber 
Bertrag gebroden und vernichtet wurde, und fonnte ihm feine 
treuen Rechte gewähren, weil aus einem offenbaren Verbrechen 
eine entipringen können. Er ift alfo im firengften Sinne be6 
Worts recht: uhd geſetzlos geworden, gehört ber bürgerli- 
ben und gefelfhaftliden Ordnung nit mehr an, und hat fich 
elbſt dem Bann überliefert, welchen die unmittelbaren Theiluehs 
ner an dem Traktat von Paris, im Namen aller übrigen euros 
aãiſchen Mächte, mit voller Befugniß, und unter lauter Bep⸗ 
immung aller Zeitgenoflen, über ihn ausgeſprochen haben. — 

Die Geſinnung, aus welder diefe Mafregel hervorging, 
+ binreichend gerechtfertigt und gepfleien, wenn man erwaͤgt, 
aß es die nämlihe war, der Europa: feine Befreyung, ber 
rofe Bund, in welchen fpäterhin Frankreich felbit, von aͤhnlichen 
bſichten befeelt, eintrdt, feinen Urfprung, und das gegenwärs 
se Zeitalter feinen ganzen Ruhm und Glanz verdanft. Die 
ztüfter und Genoflen ded Bundes durften bey einem Unterneh- 
sent, das dem Nefultate ihrer glorreihen Siege und der durd 
‚ viele Anftrengungen und Opfer gefiherten Ruhe der Menſch⸗ 
sit Troß zu bieten fhien, fo wenig auch davon zu befürchten 
on mochte, nicht das Stilihweigen beobahten. Nicht gegen 
Imonaparte’s perfönliche Mittel und Kräfte — gegen den erften, 


— 


wenn and noch fo ohnmaͤchtigen Verſuch; fein verhafftes Spk 
wieder empor zu bringen, war ihre Grflärung gerichtet. & 
felbft, ein weienlofer Schatten, kann Europa nicht mebr zittern 
machen; dab er auch nur die Mube von Frankreich ermmilis 
und dauerbaft ftören follte, balt Niemand, der mit den inne 
Verhaͤltniſſen dieſes Landes, der heutigen Stimmung feiner ?r 
wohner und den Huͤlſmitteln, die feiner Megierung zu Gem 
fteben, mehr oder weniget vertraut ift, für möglid. Der &ü 
aber, der in dieſem neuen Krevel athmet, darf nie mit Bereb 
fung uͤbergangen, muß, fo oft er fi in Thaten ausfpridt, v 

den Richterſtuhl von Europa gezogen, und feperlich gebren) 
markt werden. Ueberdies hat man viele Gründe, zu glaube 
das eitle Gerüchte von eingebildeten Mißvertändnifen zwils« 
den großen Höfen der erfie Anlaß zu Buonaparte's unſtunize 
Verſuche geweien find. Es war daber der Würde der zu Wier 
verfammelteh Sonveraine und Minifter vollfommn 
angemeſſen, dutch einen offenen und Ehrfurcht gebiefenden Sant 
die Welt zu überzeugen, daß, die Grundfäge von 1813 und 180 
feinen Augenblick aufgehört haben, die oberfte Richtichnur ihr⸗ 


Verfahrens zit ſeyn, und daß fie, feft entichloflen, ihr Werf jı 


vollenden , zu befeftigen, und aufrecht zu halten, Jeden, der de 
Bllgemeinen Frieden von Europa durh neue Mevols 
onen oder neue Kriege bedrohen wollte, als einen gemeinihait 
lichen Feind, mit gemeinfhaftliden Waffen zu befämpfen berek 
find. 

Aus dieſem Gefiätspunfte betrachtet, wird bie Deklaration 
von +3. März, wenn die unmittelbare Veranlaſſung derfelber 
auch jetzt bereits vouftändig gehoben, und an Buonaparte erfül 
fepn follte, was er jeldft Aber ſich verbängt hat, Doc als cin 
wöürdiges Denkmal in der Geſchichte der Zeit befteben, und dem 
Geiſte des Congreffes, der Eintraht, und dem boben Eim 
der Eouveraine, und der Meisheit ihrer Miniſter zur bleiben 
den me gereichen, 


| | 96. 

Patent wodurd der fouveraine Fuͤrſt der 
Niederlande feine Annehmung der koͤnig— 
lihen Würde und des Titels König der 
Niederlande, Prinz von Dranien Naf 
ſau Herzog von Luxemburg zc. bekannt 
macht; datirt Haag den 16. März 1815. 


Nous Guillaume, par la grace de Dieu, Roi de Pays-Bas, 
prince d’Orange- Nassau, duc de Luxembourg, etc. 


A tous ceux qui les presentes verront, salut! Les veux 
unanimes des puissances assemblees au congres de Vienne 
s’eloient à peine prononces pour la reunion de tous des Pays- 
Bas sous une autorite commune, que les; habitans des pro- 
vinoes belgiques nous temoignerent à l’envi leur joie sur ceite 
importante mesüre et leur. desir de nous voir elendre sur eux 
le pouysir supräme que l’amour des Hollandois nous avoit pre- 
cedement confie, | 

. Profondement touches de oes temoignages, ‚nous aviong 
sependant resolu de diflerer tout changement dans les relations 
existantes jusqu’a l’epoque ou les deliberations du congres 
eussent ete complettiement terminees, et ou ses decisions au- 
roient pu ẽtre exeoutees dans leur ensemble. Mais les eve- 
nemens inaltendus qui ont lieu dans un etat Voisin, nous en- 
gagent A nous departir de cette resolution, Ils nous prescri« 
vent de repondre au zele de nos spjeis par un empressement 
analogue, et d& ne laisser aucun d’eux dans l’incertitude sur 
ses devoirs et sur nos intentions. C'est lorsque de nouvelles 
difhicultes semblent se presenter dans le lointain; c’est au mö- 
ment ou renait pour tant de peuple$ le triste souvenir d’une 
domination etrangere, qu’il devient plus urgent de constituer 
V’etat dont la politique de ’Europe entiere a considere l’exi- 
stence comme necessaire & la tranquillite et à la surete ge- 
nerale. | | 

Animes par le suffrage des plus puissans souverains, nons 
confiant en cette noble passion pour la liberte civile et l’in- 
dependance qui, de tout-tems, a oaracterise les Belges, plus 


— 


— 282 — 


forts encore des preuves multipliees d’attachement que ns 
recevons de toutes parts, nous prenons aujourd’hui le scepie 
en main dans l’unfque but de faire servir notre gouvernenen! 
au bien-&tre de tous ceux qui y sont soumis, et de leu w- 
surer la jouissance tranquille de tous les biens de la concır 
et de la paix. 

Et comme nous voulons que lenom möme du nouvel cu 
offre son premier gage de l’ünion intime et. fraternelle w 
doit regner parmi tous nos sujets, nous avons juge & prope 
de declarer, comme nous deolarons par ces presentes, qe 
tous les pays. y apparlenant, forment des à present le Ray 
aume des Pays- Bas,pour etre ainsi possedes par nous et px 
nos legitimes successeurs d’apres le droit de primogeniture: | 
et que nous prenons pour nous-m&mes et pour les princes gu | 
inonteront apres nous sur le tröne, la dignite Royale et) 
titre de Roi; en ajoutant cependant ä ce dernier celui de Ds 
de Luxembourg & cause des relations particulieres que cetı 
province est destinee a avoir aveo l’Allemagne. 

Mais quelque convenables que puissent paroitre ces & 
mohstrations, eu egard A l’etendue territoriale des Pays-Ba 
et à la civilisation de leurs nombreux habitans, nous ne nos 





. eroyons pas moins obliges de prendre soin que le nom que, 


dans toutes les vicissitudes de la fortune, nous avons toujoun 
porte avec honneur:et sous lequel nos ancetres ont rendu tam 
de services a la cause de la liberte, ne vienne à s’eleindre 
et a disparoitre. A ces causes, nous voulons et ordonnon: 
que desormais l’heritier presomptif du royaume des Pays-Baı 
prenne, porte et conserve le fitre de prince d’Orange; et now 
V’accordons par ces presentes & notre cher fils aine avec ımı 
satisfaction d’autant plus vive que nous sommes convaineus, 
qu’il en saura maintenir l’antique eclat par l’accomplissemen: 
sorupuleux de ses devoirs comme notre premier sujet et comne 


le souverain futur de la nouvelle monarchie: et par son cou 


rage, et um devouement sans bornes, toutes les fois qu'il 
s’agira de veiller aux droits de sa maison et a la sürete du ter- 
ritoire hospitalier et paisible des Pays- Bas. 

Vous tous, compatriotes, quihabitez ce territoire, ouvre: 
vos ceurs Al’espoir et à la confiance! les elemens du bonheur 
public se trouvent en vos propres mains! Devoues ala patrie, 
ünanimes et exempts de tout esprit’ de rivalite,: vous sere: 


ıssez forts, pour ecarter les dangers qui pourroient vous me- 
tacer. L.’Europe contemple votre reunion aveo interet et 
ienveillance. La loi fondamentale, deja obligatoire pour un 
rand nombre d’entre vous, subira bientöt les modifications 
wi doivent la mettre en harmonie avec les interets et les 
'@ux de tous. C'est la que vous trouverez cette garantie de 
a religion & laquelle nous attachons tous le plus haut prix. 
)es institutions bienfaisantes favoriseront, sous la benediction . 
ivine, le developpement,, de tous genres d’industrie et la re- 
aissance de vos arts jadis si celebres. Et si vos sentimens et 
os eflorts repondent a ceux que votre Roi vous consacre au- 
»urd’hui de la maniere la plus solennelle et la plus irrevo- 
able, la splendeur, qui vous attend, sera pendant plusieurs 
ecles l’heritage d'une reconnoissante posterite. 


Faitäla Haye, le ı6. Mars 1815. 
Guillaume, 


97. | 
Note des Herrn Geheimen: Rashe von Gärtner, 
als Bevollmaͤchtigter vieler deutfhen Fürften 
und Grafen, die durch den rheinifchen Bund 
andern deutfchen Fürften als Standesherren 
untergeordnet wurden, an die Herren Ber 
vollmaͤchtigten der allerhöchften verbündeten Maͤch⸗ 
te, betreffend. die Befchleunigung einer deutfchen 
Staats- und Bundesverfaffung, insbefondere die 
Miederherfiellung des Rechtszuftandes von 1806, 
und die Errichtung eines allgemeinen höchften Ges 
richtes; datirt Wien den 21. März ıg15. 
Als im Jahr 1813 der erfehnte Zeitpunkt der Befteyung des 
terjohten DVaterlandes nahte, haben diejenigen Reichsſtaͤnde, 


[che ein Opfer des Niheinbundes geworden waren, es auf das 
eue, ſowohl durch Geduld in fortwährenden Leiden, als durch 


& — 284 Be 

frevmwillige Erbietungen und möglichfte Aufopferungen, tbätig w 
wieſen, daß die Rettung und das Wohl des Waterlandes iu 
hoͤchſte Ziel ihrer Wuͤnſche ift. 

Die dermalige unvermuthete Erfheinung — im Frl ; 
reich, und die darans folgende gegründete Veforgniß ber Rıw 
tvendigkeit eines neuen Krieged gegen Mevolution = Wuth m | 
Raubgier, hat ihren Achten Patriotismus wieder in gleiden 
Grade entflammt. Mit diefem unauslöfhliben Hochaerühl fr 
deutibe Freyheit, Sicherheit und Nationalität, verbinden & 
aber auch den gerechten Wunſch, daß ihnen wenigjtens durd von | 
läufige, gerechte und wefentlihe Welfaflungpunfte im Anfebım | 
des Nermögens die Möglichkeit wieder gewährt, und in Are 
hung des conftituttonellen Einfluſſes derjenige Standpuntt wie | 
der angewiefen werden möge, welche vereint allein fie mm: 
Stand jeßen können, für die ihnen gewiß heilige Sate in m 
audgezeihneten Grade zu wirfen, zu welchem fie durch ihren % 
triotismnd und durch ihren Stand fi berufen achten. 


Die Pflicht fürs Vaterland, von welcher fie fo ganz durd 
drungen find, gebietet ihnen dabey, durch Unterzeikneten, üben | 
Hauptbevollmaͤchtigten, eben fo ehrfuͤrchtvoll als dringend vorks | 
len zu laffen: daß Deutfchland größtentheild erfhöpft umd ven 
arme ift; dag alio neue Opfer allerdings fehr ſchwer fallen mi | 
fen, daß In manden Staaten die Untertbanen, leider! im de 
ſchmetzlichſten Oppofition mit den Negterungen leben; daß de 
Geift, welcher im Jahr 1813 der heiligen Sache den Sieg ver: 
fhaffte, hier und da in eben dem Grad vermindert ijt, ald dir 
darauf gegründeten Hoffnungen unerfüllt blieben; daß dieſes de 
ſonders da der Fall iſt, wo nach Entſagung auf den Mheinbun 
deifen Folgen bisher noch fortbeftehen. . Alles diefes ind mein 
riſche, hoͤchſt folgenreihe Thatſachen. Was belebte aber im Yak 
1813 die Deutfchen aller Stände und jedes Alters zu ſolac 
Thaten, zu folben außerordentlihen, mit Freude dargebrachte 
- Spfern? Ganz unverfennbar nur der Haß gegen ihre Unterjochet 
und die Hoffnung, für fih und ihre Nahlommen eine gerecht 
geficherte, alle Stände gleich beruhlgende, und dem Achten Ne 
tionalgeift entfprehende Conſtitutlon wieder zu erringen. 


Der erfte mächtige Beweggrund lebt im dem Buſen jedes un 
verdorbenen Deutſchen fort, und iſt bey ber erneuerten Gemit 
beit, daß wenn je Napoleon wieder feinen ehemaligen Einfiuf is 


— erlangen ſollte, Deutſchland niemals Friede, Ruhe 
und Wohlſtand hoffen kann, zu noch lebhafterer Ueberzeugung 
gediehen. In Anſehung des zweyten Beweggrundes aber muͤſ⸗ 
fen fie aus obenbemerkten Gründen beſorgen, daß derſelbe ders 
‚malen nicht fo wie im Jahr 1813 wirken wird. 


Wird aber für ale Deutfhen der Rechtszuſtand, auf 
welchem vor 1806 ihre innere Ruhe und ihr Wohlſtand beruh⸗ 
te, wiederbergeftellt; werden auf bieje allein dauerhafte 
Baſis die Grundzüge einer alle gleih beglüdenden Verfaſſung 
‚gegründer; wird diefe Werfaflung fofort möglichft In Thätigfeit 
‚geießt, und durch organiiche Inftityte, insbefoudere durch ein 
sallgemeines höhftes Zuftiz s Gericht gefihert; dann 
‚werden alle Deutſche zufrieden ſeyn, und fi In dem Wunſche 
vereinigen: daß die deutihe Kriegsmacht, auf welcher die äußere 
Sicherheit beruht, nebft allen Mitteln zu dem wichtigften Zwede 
der Vaterlande : Vertheidigung, In möglichft Rarten Händen vers 
einigt ſeyn möge. 


In frohen, glüdlihen, einer ſolchen Verfaſſung treu erges 
venen Unterthanen werden dann alle rechtmäßigen und gerechten 
Regierungen ihr eignes Gluͤck, ihre unverleglihe Sicherheit und 
den fhönften Kohn der Weisheit und Gerechtigkeit finden. 


Indem ber Unterzeichnete mit\der einlenchtenden Bemerkung 
schließt, daß die gerehten Anfprüde feiner Herren 
 Sommittenten mit allen diefen aͤchten National⸗Zwecken nicht 
im Geringften im Widerfpruh, vielmehr damit ald befördernde 
Mittel in der innigften Verbindung ftehen, fühlt er ſich gluͤcklich, 

die Verfiherung feiner unwandelbarſten Verehrung hierbey er⸗ 
neuern zu fonnen. 
} 
Franz v. Gärtner; 
Bcheimer: Rath und bevollmadtigter Abgeordneter 
des. größten Theils der dur den Rheinbund 
mediatifieten Reichsſtaͤnde. 





— 1286 — 


98. 


Note der Bevollmädtigten der vereinigten fonver: 
nen Fürften (mit Ausnahme Badens) und frua 
Städte Deutſchlands, andiefaiferl.-öfterreis: 
ſchen undkönigl.spreuifhenerften Herrn %: 
vollmächtigten, betreffend theils die Bereitwilligt: 
ihrer Committensen zu angemeſſener Militan 

Leiſtung bey den durh Buonaparte's Einfall i 
Frankreich eingetretenen widrigen Verhaͤltniſt 
theils ihr Begehren einer ungefäumten, rex 
mäßigen Fortfeßung der mefentlihften Grur! 
lagen einer deutfhhen Bundes Verfaffung; de 
tive Wien den 22. März 1815. 


Die unterzeichneten Bevollmächtigten der vereinigt 
Fürſten und freven Städte Deutſchlands finden in ben « 
genwärtigen Zeitbegebenheiten eine dringende Weranlaffung ein 
ftimmig zu erflären, daß ihre Committenten auch ihrer Ext 
vollfommen bereitwillig fepn werden, mit aller Anftreugmsi 
buch eine, ihrer Bevölkerung und ihren ſonſtigen Kräften an 
gemeflene Militair-Leiftung zur endliken Wiederberielun; 
der Ruhe und Ordnung in Europa, und zur Sicherung der I: 
abhaͤngigkeit Deutſchlands mitzuwirken. 

Zugleich aber können fie nicht umhin, bey der entſcheite 
den Wichtigkeit für die Befoͤrderung des gemeinfamen große 
Zweckes, den lebhaften Wunfd zuerneuern, bi 
Deutfhland nunmehr wegen feiner Zukunft, durch eine en) 
liche und fefte Vereinigung beruhigt werden möge. 

Sie beziehen fih defmwegen auf ihre Noten vom 16. Ve. 
v. J. und 2. Febr. d. J. nach ihrem ganzen Inhalt, und trası 
demnach wiederholt darauf an, daß unverweilt die weſert 
linften Grundlagen eines, die Rechte aller Tpeil: 
fibernden, Bundesvertrags in gemeinfame VBerachung « 
nommen, ein folber Mertrag bier wirflib abgefchlofier 
und in demfelben nicht blos das rechtliche Verhältnis de 


— 237 — 


Bunbdesgenoffen unter fih im. Allgemeinen beſtimmt, 
ınd ihre Selbftftändigfeit und Integrität garantiert, 
ondern auch zu gleiher Seit den deutſchen Staatsbür 
‚ern eine freye, geordnete Verfaffung, durch Ertheis 
ung gehöriger ftaatsbürgerliherXKechte gefihert werde, 


ze mehr die deutihen Fürften und Völker fo zu der 
ollen Weberzeugung gelangen, daß die bereits dargebrachten 
»pfer, fo wie die neuen Anfirengungen, für ihre hoͤchſten 
nd theuerſten Intereffe geleiftet und erheiſcht wers 
en, — um fo viel mehr werben fie mit Vertrauen und Freus 
igfeit, mit Kraft und Muth einen neuen Kampf beginnen. 


Die Unterjeihneten erwarten dem zufolge mit vermehrter 
uverſicht, daß in einer ungefäumten Zufammenberus 
ung der bier anwefenden Bemäctigten deutfher Staaten, die 
)ropofitionen zu den weſentlichſten Grundlagen des Bundesvers 
tags. zur Berathung vorgelegt, fo wie aud die ihrigen ge 
oͤrt, erwogen, und zu folhem Beſchluß gebracht werden, damit 
lsdann die Bundesverfammlung unverzüglih an dem ſchicklich 
heinenden Ort anberaumt, und die Behörden in Thaͤtigkeit ges 
‚pe werden. 

Die Unterzeichneten erfuhen noch Se. ıc. ꝛc., ben Inhalt 
egenwärtiger Note zur Kenntniß Sr. kaiſerl. Majeſtaͤt (Er. 
dnigl. Majeftät) zu bringen, und bezeugen dem Herrn Fürs 
en 2c. auch bey dieſer Gelegenheit ihre verehrungvollen Ges 
nnungen. ER: ’ 


Wien, den 22, März 1815, 


99. 


tote de koͤniglich -hanndoͤveriſchen erſten 
Herrn Bevollmaͤchtigten, Grafen v. Muͤnſter, 
an die Herren Bevollmaͤchtigten der vereinig— 
ten ſouverainen Fuͤrſten und freyen 
Städte Deutſchlands, worin derſelbe fein Ein: 


— 288 — 


verſtaͤndniß mit ihrer Mose vom 22. März 18 
erklaͤrt; datirt Wien den 29. März 1815. 


Indem der Unterzeichnete die von den Herren Bevollmi 
tigten verfhiedener deutihen Fürften und freven Städte ibm ı 
term 23. d. M. gemachte Mittheilung einer, vom benfelben > 
Herrn Fürften v. Metternih und v. Hardenberg unter 
22. März übergebenen, Note als einen ihm ſchaͤtzbaren Ben: 
des Zutrauens gegen ihn erkennt, kann er nieht unbezeugt lafr 
daß er mit den in -felbigen aufgeftellten Grur 
fägen, und auf die Befhleunigung einer feften den 
ſchen Bundesverfaffung geridteten Anträgen, a: 
das Vollkommenſte einverftanden ift, und daber ger 
feiner Seite nah Möglichkeit dazu mitwirten wird, daß die 
Anträge baldigft in Erfüllung geben mögen. 

Der Unterzeichnete ergreift mit Vergnuͤgen dieſe Geles« 
heit um den Herrn Bevollmaͤchtigten die Bezeugung feiner m. 
güglihften Hochachtung zu erneuern, 

Wien, den 29. März 1815. | 
C. Sraf v. Münfter, 





100. 


Note der Herren“ Bevollmächtigten der verei 
nigten fouverainen Fuͤrſten und freye 
Städte Deutſchlands, an den königlich = grof 
britannifch > bannöverifchen erften Heren VBervol 
Mächtigen, wodurch fie demfelben ihre Mok 
vom 22. März mittheilen; datirt Wien den 22 
März ı8ı5. 


Die Unterzeichneten haben bie Ehre, Sr. Excellenz dem 
niglich⸗ großbritannifh- hannöverifhen Here Stastemini 
Grafen v. Münfter diejenige Note abichriftlih zugeben 
laffen, weldbe fie nunmehr weiter an die Heren Fürften v. Me 
sernich und v. Hardenberg zu richten fich bewegen gefundd 

| baten 


ſaben *); und wiederholen ihren früher geaͤußerten Wunſch, daß 
Se. Excellenz ben in jener Note enthaltenen Anträgen durch Ihre 
räftigfte Mitwirkung foͤrderlich ſeyn, und fich zu diefem Zweck mit 
bnen vereinigen wollen, 

Zugleich beehren fi die Unterzeichneten zu bemerken, daß 
ie in gleiher Abficht ſowohl dieſe leztere Note, als auch jene 
ruͤheren, nunmehr auch an die Föniglien Höfe von Baiern 
nd Württemberg haben gelangen laſſen; und fie ergreifen 
mit Vergnügen diefe Veranlafung, Sr. Ertellenz dem Herrn 
Srafen von Münfter die Verſi icheruue ihter TERN Ge⸗ 
ſinnungen zu erneuern. 


Wien, den 22. Maͤrz 1815. 


4 Pr tn 


101. 


Note der Bevollmaͤchtigten det vereinigten 
fouverainen Fürften und freyen Städte 
Deutfchlands, an die Föniglid) » baierifchen 
und wärttembergifchen Herren Bevollmaͤch— 
tigten, wodurch dieſen die Note Nr, 98. ©, 286. 
imitgetheilt wird; datirt Wien d. 23. März ıgı5. 
: Sr, fürftliben Gnaden (Ihren Ercelenzen) dem Heren Feld: 

marihall Fürften v. Wrede (den Herren Staateminiitern Gras 

fen von Winzingerode und Freyherrn v. Linden) ift ohne 

Zwetfel nicht unbekannt geblieben, da und aus welchem Grunde, 

die unterzeichneten Bevollmächtigten der vereinigten Fürften und 

freyen Städte Deutſchlands fi veranlaſſt gefunden baten, den 
hochverehrlichen Mintjterien der kaiſerlich söftetreinifhen 
und koͤniglich⸗preußiſchen Höfe durch ihre unterm 16. Nov. 

v. J. und 2. Febr. d. J. erlaſſene, und hiebep abſchriftlich anges 

ſchloſſenen Noten den Wunſch zur baldigſten Abſchließung bet 

deutſchen Bundesvereinigung, und daß fie zu den deßfallſigen Bes 
tathungen zugezogen werben aa zu erfennen zu geben. 


+) Diefe Note vom =2. März 1815 fiehe ©. "286. se. 9. 
Codex Diplomaticus. (Eur. Unnal. 1815+) 19 


! 


’ / 


Da die gegenwärtigen Creigniffe die baldigſte Adi; 
bed Bumdesvertrags, uud das daraus hervorgehende welbumen: 
Einverftändnig ſaͤmmtlicher deutihen Staaten noch dringeae ja 
machen ſcheinen; fo haben die Unterzeichneten heute die chat 
lich angebogene Note erlaffen, und beehren fi, folde Er =i 
lihen Gnaden (Ihren Ercellenzen) vertrauensvoll mitzutkein 
indem fie Diefelben einladen, fib mit ibnen ;u wa 
großen und unaufſchieblichen gemeinſchaftlichen Werte ju min 
nigen, und übrigens die Verſicherung ihrer verehrungek 
Gefinnungen anzufügen. 


Wien, den 23. März 1815. 
Folgen die Unterfchriften mit Ausnahme Babe. 


| (Sine gleihe Mittheilung erging an den koͤniglich⸗- harı> 
verifihen Bevollmädtigten.) 


— 


102. 
Alliaunz-Tractat, geſchloſſen zu Wien am :: 
Maͤrz 1813, zwiſchen Defterreih, Rußland 
England und Preußen, mit Einladungz 
alle Mächte von Europa, demfelben beyzutten 


Au nom de la tres-sainte et indivisible Trinite. 


Sa Majeste le Roi de Prusse et S. M. le Ro: du Royasz 
uni de la Grande- Bretagne et d’Irlande ayanı pris en ce 
deration les suites, que l’invasion en France de XNaps. 
‚ Buonaparte et la situation acluelle de ce Royaume peu 
avoir pour la surete de l’Europe, ont resolu, d’un coa=“ 
accord avec S. M. l’Empereur de toutes les Russies et $ ' 
l’Empereur d’Autriche, Roi de Hongrie et de Boheme, dx 
pliquer a cette circonstance imporlante les principes consac 
par le trait& de Chaumont. En consequence, ils sont c- 
venus de renouveler par un traité solemnel, signe separen! 
par chacune des quatre puissances avec chacune des {ro ; 
tres, V’engagement de preserver, contre toute atteinte, Fırl 
des choses si heureusement retabli en Europe, et de — 


miner les moyens les plus efficaces, de mettre cet engagement 
a execution, ainsi que de hui donner dans les circonstänces pre- 
sentes toute l’extension qu’elles reclament imperieusement. 

A cet effet S. M. le Roi de Priüsse a nomme, pour dis: 
cuter, conclure et signer les conditions du present traite avee 
S. M.le Roi des Royaumes de la Grande-Bretagne et d’Irlande 
le Prince de Hardenberg, Son chancelier d’eiat etc., et le 
Sieur Charles: Guillaume Baron de Humboldt , ministre d’etat 
de‘ Sa dite Majeste etc., S. M. le Röi du Royaume -wni de la 
Grande-Bretagne et d’Irlunde, ayant homme de Son cöte le 
Sieur Arthur Wellesley, Duc, Marquis et Conıte Wellington; 
Marquis Doura, Vioomte Wellington de Talavera et Welling-. 
ton, et Baron Doura de Wellesley, Pair du Parlement etc; 

Les dits plenipotentiaires, apres avoir echange leurs plein- 
pouvoirs, trouves eh: bönne et due forme; ont ärrete les ar- 
ticles suivants; 

Ä Art! Ih 

Les hautes püissances contractantes 6i:dessüs denommees- 
s'engagent solemnellement & reunir les moyens de-leurs-etats 
respectifs, pour maintenir, dans toute leur integrite, les con- 
ditions du traite de paix; conclu & Paris le 50. mai 1814, 
äinsi que les stipulations arrötees et signees au Congrés de 
Vienne, dans le but de completer les dispositiöns de ce traite, 
de les garantir contre toute alteinte, et particulierement contre 


les desseins de Napöleon Buonaparte. Ä cet eflet, Elles s’en- 


gagent à diriger; si le cas l’exigeoit, et dans le sens de la 


 declarution du ı5. mars dernier de concert et de commun at- 


vord, tous leurs efforts contre lui et contre tous ceux, qui se 
seroient deja rallies a sa ſaeuon ; ou s’y réuniroient dans la 
suite; äfın de les forcer A se desister de ce projet, et de les 
imeltre hors d’etat de troubler A l’avenir la tranquillité de ’Eu- 


rope et la paix generale, sous la protection de laquelle les 


f 
5 


droits, la liberte et l’independance des nations venoient d’ etre: 
places et assures. 
‘ Art. 11. 

Quoiqu’un but aussi grand et aussi bienfaisant ne permelträ 
pas yu’on mesure les möyens destines pour l’atteindre; &t que 
les hautes parties contractantes soienit resolues d’y consacrer 
tous ceux, dont d’apres leur situation respective elles potr- 
ront disposer, elles sont neanmoins convenues de tenir cons: 


tamment en campagne, chacune cent-tinguante- mille hou 
au complet, y compris pour le moins la proportion dur 
xzieme de cavalerie el une juste proportion d’artillerie, u 
oompter les garnisons, et de les employer activement et 
concert contre l’ennemi commun. 

Art. Ill. 

.Les hautes parties contractantes s’engagent reciprea 
ment a ne pas poser les arnes que d’uncomınun accord. 
avant que l’objet de la guerre designe dans l’art. I. du pres 
traite n’ail été alteint, et tant que Buonaparte ne sera ı 
mis absolument hors de possibilite d’exeiter des troubles ei: 
renouveler ses tentalives, pour s’emparer du pouvoir supra 
en France. 

Art. IV. 

Le present traite etant principalement applicable au: « 
Constances presenies, les stipulations du trait& de Chaums 
et nammement celles contermes dans l’art ı6., auront de = 
veau toute leur force et vigueur, aussitöt que le but ach 
aura ele alleint. 

f Art. V. 

Tout ce qui «est relatif aux commandement des arme 
aux subsistances etc., sera regle par une convention pw‘ 
culiere. 

Art. VI. 

Les hautes parties contractantes auront la facult d’a 
cröditer respeclivement aupres des generaux commandaı 
leurs armees, des ofhiciers, qui auront la liberte de com 
spondre avec leurs gouvernemens , pour les informer des er 
nemens militaires et de tout ce qui es€ relatif aux operatiu 
des armees. 

Art, VII. 

Les engagemens stipules par le present traite ayant pet 
but le maintien dela paix generale, les hautes parties contra 
tantes conviennent entr’elles d’inviter tvutes des puissance: i 
l’Europe & y acceder. 

. Art. VI. 

Le present traite etant uniquement dirige dans le but 4 
soutenir la France ou tout autre pays envahi contre les enin 
prises de Buonapärte et de ses adherens, S. M. Chretiex: 
sera specialement invitee a y donner son adhesion et à iar 


* 


onnotſtre dans le cas oü elle devroit requerir les forces stipu- 
ees dans l’art. II., quel secours les circonstances lui un 
ront d’apporter a "Yobjet du present traite. 

Art. IX. 

Le present traite sera ‚ratifie, et les ratifioations en seront 
'changees dans deux mois, ou plutöt si faire se peut. En foi 
le quoi les plenipotentiaires respectifs l’ont — et ont 
‚ppose le cachet de leurs armes. s 

Fait a Vienne, le 25. mars de l’an de grace 18135. 

Signe: Le Prince de Hard nberg. 
(L. S.) 
Le Baron de Humboldt. 
(L. 5.) 
Wellington. 
(L. 8.) 


Unmerfung. 

Yie mit Rußland und Oeſterreich gefKloffenen Traktate 
ſind mit dem vorſtehenden durchaus gleichlautend, mit Aus— 
nahme der Namen und Titel derjenigen Perſonen, welche 
darin anders zu benennen ſind. BE 





103. 

Note der koͤniglich⸗ preußiſchen Herren Bevoll⸗ 
maͤchtigten, an die Herren Bevollmaͤchtigten der 
vereinigten ſouverainen Fuͤrſten und 
freyen Städte Deutſchlands, worin ſie den, 
in deren Note vom 22. März geaͤußerten, Gefin- 
nungen und Anträgen ihre Zuftimmung geben, 
fie zu vorläufiger Befprehung einladen, und den 
mit Rußland und England gefhloffenen Alkanzs 
Zractat mittheilen; datirt Wien d. 29. März 1815 


Die unterzeichneten Congreß «Bevollmächtigten Sr. Majeftät 
es Königs von Preußen haben die Note Ihrer Ercellengen der 


Herzen Bevollmächtigten der vereinigten Fürften und freven Stäbte 
Deutichlande vom 22. d. M. ungeſaͤumt zur Kenntniß des Königs 
ihres Herrn gebradt, 

Se, Königl, Majeftät finden die in derielben enthaltene En 

Härung der Füriten; 
„zjur.endliben MWiederberfiellung der Rube und Ordnung ix 
„Europa und zur Sicherung der Inabbäugigfeit Deutilands 
„mit aller Anſtrengung duch eine der. Bevölkerung ibre 
„Staaten und ihren ſonſtigen Kraͤften angemeflene Kriegk 
„leiſtung mitwirken zu wollen‘, | 
eben fo fehr den Selinnungen und der vaterländiicen 
Denktungsart berjelben entſprechend, ale den drim 
genden Umjtänden der gegenwärtigen Lage bet 
Dinge angemeffen, und tragen daher den Uncerzricmeten 
auf, den Herren Bevollmaͤchtigten, weldbe jene Note au fie as 
richtet haben, zu erfennen zu geben, daß hie dieſes Anerbieten 
mit Vergnügen annehmen, und die vereinigten Füriten und freuen 
Städte Deutihlande, in Uebereiuftimmung mit dem kai 
ſexrlich öſterreichiſchen Hofe, einladen, den NWerpdim 
dungen bevautreten, welche Preußen und Oeſterteich am 
des im Abſchrift anliegenden Allianz: Lraliats mit Ref 
land und England zur Wiederhoritelung der Ruhe und gu 
feslihen Ordnung in Europa eingegangen iind, und an melden 
auch die übrigen Mächte Theil nehmen werden, Um zu dieſen 
Endzweck die fürzeften Mittel zu wählen, ſcheint es den Maͤch— 
ten am angemeflenften, die im Jahre 1313 in Framffurt ges 
ſchloſſenen Wertrage, mir den durch die Umſtaͤnde nothwendiz 
gewordenen Veränderungen, in militäriiher Hinſicht jet 
Grundlage anzunehmen, 

Der mir der Erklärung der Fürften zugleich geäuferte Wunuid 
daß aub Deuſchlande jetzt, wegen jeiner Zukunft, durch eime 
feſte Verfaſſung berubigt werden möge, wird von dem 
koͤniglichpreußiſchen Hofe in gleibem Maße gedegt. 
Seit dem Unfange bes Gongreffes find feine Bemuͤhungen babia 
gegangen, eine Die äugere Inabhängigteit undden innern 
Rechts zuſtand Deutihlands fihernde Vereinigung zu Stande 
zu bringen; und nichts verbürgt jo fehr das Gelingen dieſes Bes 
firebeng, als die fih in der Norte ihrer. Bevollmächtigten aufs 
fprechende Geflunung der Farrften, die zur Wiederherſtellung der 
Nude noͤthlgen Anfigengungen eng:an die Gründung 


Des Bundes anfhließen, fie bundesmäßig begin: 
nen, und ihnen duch den Bund jelbft eine erhöhete Wich— 
tigkeit für Dentſchlands Völker geben zu wollen. 

Die Unterzeichneten erflären daher den Herren Bevollmaͤch— 
tigten mit Vergnügen, daß fie durchdrungen von der Nothwen— 
Digfeit, den deutfhen Bund gleih jezt wirklich zu 
ſchließen, und, wenn aud die nähere Ausführung rubis 
gern Zeiten vorbehalten bleiben müflte, doch über feine weſent— 
kiben Grundlagen .übereinzufommen, bereit find, unge 
fdumt in gemeinfame Berathung über diefen Gegenjtand 
einzujhen. 

Ueber ‚eine Art und Form nun, wie die beyden, in der 
Note der Herren Bevollmächtigten und in gegenwärtiger Ant 
wort berührten Angelegenheiten ohne Zoͤgerung betrieben werden 
Fönnten, wünſchen die Unterzeichneten fih vorläufig mit den 
Herren Bevollmächtigten zu beſprechen, und laden fie daher 
ein, einige aus ihrer Mitte zu erwählen, welche ſich zu 
dieſem Endzwecke mit den betreffenden Hoͤfen in Verbindung ſetzen 
koͤnnen. 

Die Unterzeichneten erneuern den Herren Bevollmächtigten 
bey diefer Gelegenheit die Werfiherung ihrer volltommenften 
Hochachtung. 

Wien, den 29. März 1815. 


Für v. Hardenberg. Humboldt, 
Erhalten am 30. März. 
Straf Keller. 


Aufſchrift. 
An Ihre Excellenzen, die Herren Bevollmaͤchtigten der ver 
Pe Fürften und freyen Städte Deutſchlands. 


Anmertung. 
Cine völlig gleihlautende Note an diefelben Herren 
Bevollmädtigten erfolgte auch von Seite des Faiferlich » öfters 
reichiſchen Herrn Bevollmächtigten, Herrn Fuͤrſten von Mer 


ternich. 


2 / 


[ 


— 206 — 
184. 
Bemerkungen uͤber den als Leitfaden der Ver— 


handlungen mitgetheilten Verfaſſung-Entwurf, 
welcher vom Fuͤrſten Metter nich in Der Kow 


ferenz vom 16. Oktober 1814. in Öegemmar 


der Eönigl. Preußifhen, Baierſchen, Wuͤrttem⸗ 
bergifhen und Handverifhen Minifter verleſen 


ward, | 
‚ (Siehe Nro. 21. ©. 72. des Cod. Dipl.) 
(Dom 8. baterifhen Minifterium eingegeben) 
Der königlich: baterifhe Bevollmäctigte hat fid beeilt, St 
Majeftät dein Könige feinem allergnädigften Herrn über jene © 
genftände, weiche in der Sikung vom ıöten zur Eprabe kamen, 
und vorzüglich des kaiſerl. oͤſterreichiſcher und königl. preugiite 
Eeitd entworfene Projekt zu einer künftigen deutihen Bunder 
Merfaffung, betreffen, Vortrag zu erjlatten. 
Se. Moeieftät haben Ihrem Bevollmächtigten ſchon frühe 
ſolche ausgedehnte Inftructionen tiber den Beptritt zu einer, wie 
es Allerhoͤchſt Ihnen ſchien, zmedmäßigen, fowohl die Regenten, 
welche den künftigen deutiten Bundesſtaat bilden follen, als ihre 
Voͤlter befriedigenden Verfaſſung gegeben, bap es Ihnen jhmerp 
io fällt, mehrern Puntten des in der Sitzung vom 16ten vor 
gelegten Entwurſes nicht beytreten zu fünnen, — 
1) Bey dem Entwurf des F. 1. wunſchen S. M. der Köntz 
von Baiern, daß der Ausdrud aufgenommen werden möse 
‚die Stasten Deutſchlands mit Anbegriff Oeſterreichs und 
„Preußens bepde für Ihre bier genannten Lande N. N: 
„vereinigen fich 7A 
2) Ben dem 6, 3. wo die Worte vorfommen innere &b 
berung der verfaffungmäßigen Rechte jeder Elaile 
der Nation kommt zu erwähnen, daß diejer Ausdruck zu einer 
mannigfaltigen Auslegung Anlaß geben kann. &.M. der König 
glanben nicht Ihren Untertbanen, über die Ste unbedingte durd 
ältere und neuere Verträge änerfannte und gefiberte Regierung 
rechte ausüben, das Recht einer Berufung an den Vundesrath 
einräumen zu koͤnnen, nachdem die Baieriche Regierung die yon 


* 


— 2977 — 


ihr niedergeſetzten Gerichtshoͤfe als die Stellen anerkennt, welche 
auch gegen ſie ſelbſt in Rechtsgegenſtaͤnden entſcheiden, und ihre 
Urtheile vollziehen können, Sie unterwirſt ſich, wie ſchon mels 
rere Faͤlle vorliegen, dem Ausſpruch ihres oberſten Serihthofes; 
von diefem kann feine Berufung mehr ftatt haben. 

3) Unter Bezug auf die obige Erinnerung folgt, das das 
Baieriſche Gouverwement nicht gefinnr ift, ſich der Ausübung ie 
gend eined Negierungrechtes zu begeben, welches der S. K. M. 
durch die heueften Verträge garantirten Souverainetät anbängt, 
und welhes Bayern bisher rechtmäßig ausgeübt hat. Ä 

: 4) Iſt man koͤnigl. baverifher Seite vollfommen damit eins 
verftaunden, eine deutſche Bundesveriammlung, welche aus den 
Mächten des dermalen fich conftituirt habenden Ausſchuſſes bes 
ftehen dürfte, zu bilden. Ehe man fich über die angeiragene Dil: 
bung eines aus den übrigen Ständen befiehen follenden zwey⸗ 
gen Rathes erklärt,. muß man ſich nähere Aufklärung erbitten, 
welchen Zweck dieier zweyte Rath haben, und aus welchen Glies 
bern er beſtehen folle. 

5) ©. M. der König von Balern’glauben, daß die zwep 
Stimmen, die jowohl Defterreich ald Preußen in dem Math der 
fünf Kreis⸗Oberſten fi vorzubehalten wünfhen, Anlaß zu man 
sen Fünftigen Irrungen geben könnten. Ohne fih dermalen über 
die Wichtigkeit der Gründe, welche die Herren Bevollmaͤchtigten 
diefer bepden Höfe in der Sitzung vom Isten vorzutragen die 
Güte hatten, oder in ben Beweis ihrer Nicht » Wictigfeit eins 
zulaffen, glaubt man Eöndgfih baieriiher Seits vorſchlagen zu 
müflen, daß jedem der Kreis » Oberjten gleiche Stimme zu Theil 
werden folle. 

Der Bundes » Rath dürfte vielleicht nicht. darauf Ruͤckſicht 
nehmen, was Defterreich und ‚Preußen an Streitkräften zur Ber: 
theidigung der Unabsängigteit ded deutihen Bundes mehr oder 
. weniger bentragen wollen.’ Baierm ir nad Defterreich und Preu— 
ben der mächtigfte deutihe Staat, Mollte man das Marimum, 
was dieſer zur Vertheidigung der deutihen Unabhängigkeit bey: 
tragen kann, auch als den Maßſtab annehmen, wornah Defter; 
reich nnd Preußen’ mit ihren Streitträften dazu bentragen follen, 
(indem beyde legtern Mächte fo weit ruͤckwaͤrts liegende Staaten 
haben, daß der deutiche Bundesſtaat ſolche nit einmal wohl 
rätih als vervollftändigenden Theil des deutſchen Bundeskoͤr⸗ 
276 annehmen lann) fo wird and der Natur der Sache and der 


— 298 — 


Grund zu einer von diefen beyden Höfen gemünfcten Bi 
der Stimmen zerfallen, wenn auch gleich die übrigen dainn 
glieder des Bundes, ihrer geringeren Streitträfte um, 
gleiche Stimmen erhalten. Es ift zwar Fönigl, preufiitn 
zu Begründung des vom mehrgedachten benden Höfen grins 
Wunſches, der Satz aufgeftellt worden, Defterreid un Te 
concurrire mit größern Wolkss folglich auch mit größe em 
Fräften zur Bundes Sache. Iſt diejer Grundſatz ridtis Tl 
ihn au Baiern gegen die übrigen zwey Mitftände ie It 
nehmen fönnen, um aus gleiher Urſache aud vor im 
Stimmen zu verlangen.  Dermalen, mo es davon bukk ’ 
dem heiligen Grundfaß auszugeben, dem deutiden bacs 
Ruhe, Unabhängigkeit und Zufriedenheit der Wölter zu ver“ 
dürfte bev Begründung des die deutfchen Staaten wiki” 
oberſten Ausſchuſſes Alles vermieden werden, mad and = 
meintliches Uebergewicht, Reibung oder Mipperand mise 
kann. I 
Ans den Worten, welche in dem $. 5. des Eu 
16ten Lit. a) enthalten find, koͤnnte die Auslegum var“ 
werden, daf die den Ausſchuß und den Bundesrat vr 
Könige fi des Rechts begeben, Gejandte an fremd it r| 
nennen, und von andern Höfen anzunehmen, ein gel, 
unmittelbar den koͤniglichen Rechten anbängt, und nid ug? 
werden fann. Auch bierin würde die, Oſterreichlſchet J 
ſchet Seits für ſich gewuͤnſchte Stimmenmehrheit den Art” 
ſtaͤnden nachtheilig ſeyn. a. 

6) Ueben den $. 6. muf man fi Fönigl. baierti! wi 
eine nähere Aufflärung erbitten, berührt jedod im Bon — 
daß man fi auch hierin auf den letztern Beſitſtand und J 
faufigen jüngern Altanzs Verträge berufe, und von dei ei } 
Dinge, wie fie damald waren, und jetzt find, nicht MT 
fönne, F 

7) Duͤrfte ein ausſchließliches Directorlum bey DM * 
rath nicht dem Zwecke eines freyen und gleichen Verhaltuiſc 
ſprechen. s P 

Würde ein alle Jahr abwerhfelndes Directotium MI 
den, fo möchte dem Einwurf der zu oft eintretenden un“ 
vorgebeugt werden koͤnnen. 


8) Der 5. 8. des Entwurfs erheifht vor lem M 


führlihe Mittheilung deffen, was fowohl ad Lit, a, b, c, d, 
als dem Nachtrag diefed $. verftandeh wird, Ä 
9) Der $. 9. ſcheint gleihmäßig nod nicht ganz die Aus⸗ 
behnung feines Sinnes erhalten zu haben, daher auch Fönigl. 
baieriſcher Seite darüber noch nicht volllommen bevftimmend fich 
geäußert werden Farin. 

10) Ad $. 10. koͤmmt man auf das zuruͤck, was ad 5. $ 2. 
und 3. vorläufig erinnert worden. 

11) Haben S. M. der König von Baiern ſchon früher bes 
ſchloſſen, Ihren Staaten eine Ihrer Würde, Ihren dußern und 
innern Verhaͤltniſſen angemeſſene, und geeignete Verfaflung zu 
geben, halten es daher nicht für zweckmaͤßig über dad Marimum 
oder Minimum der einem oder dem andern Stand zu ertheilenden 
Rechte den Fünftigen Bundesrath ausſprechen zu laflen. 

12) ad $. ı2. Raͤumen S. M. der König von Baiern S.M, 
dem Kaifer von Defterreih und S. M. dem König von Preußen 
volltommen das nemlihe Recht ein, auf welches Fönigl, baterifher 
Seite $. 11. Anſpruch gemacht wird. — 





‚, 1905. 

Bemerfungen über den als Leitfaden ber Vers 
handlungen mitgetheilten VBerfaffung » Entwurf, 
weldher vom Fürften Metternich in der Kon- 
ferenz vom 16. Dftober 1814 in Öegenwart 
der Eönigl, Preußifhen, Baierſcher, Württems 
bergifchen u. Handverifchen Minifter verlefen ward, 

(Siehe Nro. 21, ©. 72. des Cod. Dipl.) 


 (Bom koͤnigl. wärttembergifhen. Miniperium 
kingegeben). 

Ad ı) Die Theilnahme Defterreiche und Preußens am deut; 
(den Bunde möchte duch Bezeichnung der dazu beftimmten dent; 
{ben Staaten beyder Mächte genauer auszudruͤcken und allenfalls 
darauf Ruͤckſicht zu nehmen ſeyn, dag von jeder derſelben nur eine 
— der Bevdlferung der übrigen Kreiſe gleichlommende Vollks⸗ 
menge hiezu beygezogen werde, 


Ad 2) Der Ausdruck: ‚innere Sicherung der verkeimufi 
gen Rechte jeder Klaffe der Nation‘ welde als zwepteriuf dr 
Bundes angegeben wird, bedarf no einer ausführlihen mir 
flimmtern Erflärung, indem 

a) dasjenige, was unter verfaffungmäfigen Medten min 
den wird, erft noch an Hand geben muß: ob und mie weit ie 
zweyte Zweck des Bundes mir dem erften und Hauptjmf = 
bindung fommt und fodann am paflenditen ansgebrauft se 
kann. 

Diefe Ertlärung würde nh 

b) befonders auch die Worte: „„Klafe” und „Natiea" m- 
tern, indem der genannte erſte Zwed des Bundes onıiehir == 
bie fcheinbar im Ausdrud liggende Abficht ipricht, aus vers“ 
nen Voͤlkerſchaften z. B. Preußen und Bayern jo zu im" 
Nation ſchaffen zu wellen. 

Ad 3). Wollen unter dem Ausdruck: egieren ⸗Keac 
ohne Zweifel die Souverainetät: Rechte verſtanden werde. |: 
jedoch bevde nicht gleichlautend, fondern die RegierungdArdte =. 
mehr ald Ausflug der Sonverainetät: Nechte zu beiradtm m) 
möchte der Ausdruck: „DOberberrihaft”, „Umabbängisfeit", : 
ftimmter, auf jeden Fall aber bey fünftiger Nedaction ent > 
wurfs ꝓvedmaßig ſeyn zu bemerken, daß unter dem amil” 
Ausdrud die fonften mit dem Wort Souverainetät ; rau > 
zeichnete Rechte veritanden werden, indem Se. Königl. Wa ©“ 
feft überzeugt halten, daß an feine Schmälerung oder In 
Zung der Allerhoͤchſtdenſelben big jeßt zugeftandenen, anf tw 
ten und Anerfenntniffen beruhenden Souyerainetät s Medir \ 
dacht werde. 

Ad 4) Was Sr. Koͤnigl. Maj. früber von diefem Ylır 
Allgemeinen befannt geworden war, fcheint bier nicht - mac ien' 
ganzen Umfang zu Grunde zu liegen. 

So wenig indeffen gegen die 

ad a) erwähnte Eintheilung in Kreife an und für fih em 
zu erinnern tft; fo dürfte doch bey näherer Beftimmung dr 
ben ſehr darauf zu fehen ſeyn, daß mit derfelben nicht die & 
dien der ehemaligen deutihen Meike + Verfaflung wieder ke‘ 
geführt werden, der man fich hier nähert. 

Gegen die viele erfahrene Nachtbeile diefet Nerfafımg mr 
man auch nur dadurch fi ſchuͤzen, daß dem 

ad b) beftimmten Einfluß der SKretdoberften eine — die = 


\ 


— 301 — m 
bende Gewalt in jedem Kreis vereinigende Wirkſamkeit geges 
m wird. 

Gegen ben Regreß an ben Bund felbft, wenn einer oder der 
ndere der Kreis⸗Oberſten feine Gewalt zu ſehr auszudehnen vers 
ichte, iſt an fich nichts einzuwenden, wenn nicht dur die im 
genden Artikel feſtgeſetzte Umgleichheit der Stimmen mande Bes 
enklichleiten in der Anwendung entftehen könnten, 

Diejen ſowohl als der Möglickeit einer zweckwidrigen Eins 
iſchung des Bundes in die Diſſidien der Kreis⸗Oberſten und uͤbri⸗ 
en Staͤnde zu begegnen, wuͤrde daher zugleich mit den naͤhern 
zeſtimmungen jener Kreis: Eintheilung einer der Feen weitern 
3erathung : Gegenftände werden. 

Ohne Disceptationen über bloße Worte erbepführen zu wols 
n, fcheint auch die Benennung „Kreis-Oberſten“ der ebemals 
erfömmlichen Benennung ‚‚Kreid : Directoren” um fo mehr weis 
ſen zu müffen, als die erfte nur ein annexum der leßtern war. 

Ad 5) Oeſterreich und Preupen find für die größere Aus; 
ehnung von Staaten, mit welchen fie an den Bund und deffen 
aften Theil nehmen, auch dadurch entichädigt, daß fie als größere 
Staaten leichter und. öfter In-den Fall kommen, die Kbrigen Bus 
eds Staaten zur Theilnahme an einem fie betreffenden Krieg zu 
eranlaffen. Inſofern möchte es kaum befriedigend feyn, dem — : 
us Verdopplung ihrer Stimmen entftehenden Mißverhältnig da: 
urch zu begegnen, daß fie am Bund, wie ad 1) vorgefchlagen wor⸗ 
en, nur mit. einer den übrigen Kreiſen gleihlommenden Molke: 
ahl Theilnehmen und dagegen auch nur einfahe Stimmen führen. 

Wenn indeflen gegen die Zahl der Kreife zu Sieben und Ihre 
Bertheilung unter die fünf angeführten Souveraind nichts einge: 
endet wird, fo fheint doch die beftändige Anwendung einer ge 
‚oppelten Abſtimmung bey Defterreih und Preußen für die mit 
inzelnen Stimmen begabte Bayern, Württemberg und Hammover 
u einer fo nachtheiligen Stimmen Mebrheit, und daraus entire 
yenden Nachſetzung und Unterordnung führen zu muͤſſen, daß der 
Bunſch entfiehen muß, diefem jelbit für blos mögliche Faͤlle ab» 
helfen. | 

Sollte hiezu das oben Vorgefhlagene nit paſſeud gefunden 
verden; jo wäre vielleicht als ein Ausfunftmittel anzunehmen, 
venn in allen Fällen, wo Defterreih und Preufen auf der einen 
Seite, und die drey andern Stimmen ald diffentirend auf der 
indern fi befänden, letzte zuſammen eine überzählige Stimme 


erhielten, wodurch paritas entſtuͤnde, welcher zu begeanen Kur: 
fhläge zu erwarten ſtehen. Die ad a) angegebenen Gegenkinde, 
als ausübende Gewalt, Vertretung gegen Auswaͤrtige, Entiteis 
dung uͤyer Krieg und Frieden dörften noch eine ausführlicgere Be: 
fiimmung erwarten laſſen, um ſich darüber zu erflären. 

Ad 6) Wenn indejlen der Kath der Stände, (mobey Sit 
jedoch Se Königl, Mai. ausdrüdlih den Beſitzſtand ud dr 
auf Verträgen beruhenden Stand der Dinge von dem Allerhödis 
diefelbe zurüdzutreten nicht gemeint ſeyn können, vorbebalten) 
überhaupt genehmigt werden ſollte / fo ſcheint unrüdfihrlie alter 
oder neuer Häufer die Bevölkerung von 100,000 Seelen zu ge 
fing angenommen und folde wenigftend auf 300,000 gejegt wet: 
den zu muͤſſen. Ohne 

‚ad.a) noch zur Zeit die Modificationen genduer zu kennen, 
nuter welchen der Entwurf dieſen Rath der Stände an ſich und in 
Beziehung aufden Rath der Kreis;Oberfien vorſchlaͤgt, kann zwar 
zur Zeit die Unentbehrlichkeit deſſelben nicht befriedigend bBeu: 
theilt werden; woch mehrere Zweifel dringen ad b) in Beziehung 
auf den Nutzen eines die Verfaſſung Immer meht von der zu 
ſuchenden Einfachheit und darauf beruhenden Shnellfraft emtfer 
henden Ständerath auf. 

Die dem Nath der Stände ugefsledene | in zwey Kammer 
zu behandelnde Beſtimmung der geſetzgebenden Gewalt uud be 
allgemeinen auf innere Wohlfahrt gerichteten Anordnungen börftı 
überhaupt und wenn aud) ein folder Kath beftehen joe, jo au 
bedingt noch nit angenommen werden können. 

| Ad 7) Scheint mit Biligfeit. der Turnus im Directorio ev 
wartet werden zu koͤnnen; das Dirertorium im zmepten Math 
wenn folder Statt findet, ſcheint ebenfalls -abwechfelnd den dar 
in Sitz habenden Kreis ; Oberfien zuftehen zu müſſen. 

‚Ad 8) ad a) Müpten die Mittel diefe Aufträge zu beieran 
und wie weit fih ſolche erfireden dürften, genau beſtimmt mer 
den. Im Allgemeinen ift über die Mubrit des 5. 8. die Bemm 
tung zu machen, daß det Ausdruck „Geſchaͤft““ ald unpafient I 

echt oder Befugnig abzuändern fey: 
ad c) Bedarf ausdruͤcklich einer beftimmtern Ausfühmz; 
befonders über den Ausdruck Kreiswefen. 

ad d) Dieje Verfügung fteht zu genau mit der Bildung ü 
tier zwepten Kammer in Vereinigung, um fich hierüber, ebe bi 
erſte ensichieden, auch nus modificies äußern zu Fönnen, 


— 808 —* 

‚Der Nachſatz dieſes 9. enthält mehrere Aufſtellungen, welche, 
wie oben angeführt, noch auf nicht geſchehenen Beſtimmungen 
beruhen, ſo, daß bis ſolche feſtgeſetzt worden, nichts weiter hier⸗ 
uͤber geaͤußert werden kann. 

Ad 9) Der erſte $. beſchraͤnkt dergeſtalt die Rechte der Eous 
veraind, daß ihnen durch benielben nicht einmal die Befugniife 
zu verbleiben iheinen, melde die ehemaligen Wahl: Capitulatios 
nen den Kurfürften beftimmten, und fo unverkennbar es ift, daß 
die Gelegenheit, den Bund in Privat: Fehden hineinzuziehen, mögs 
lichſt vermieden werden muß, fo könnte diejed etwa durch Renun⸗ 
ciation auf die Benbülfe des Bundes herbeygeführt werben, ohne 
deßfalls die Selbfiftändigteit der Staaten zu beeinträchtigen. Im 
Anſehung der Theilnahme an answärtigen Krtegen der im. Bund 
ftehenden zugleih außer Deutſchland Länder beſitzenden Staaten 
müffte wohl ausdrüdlich bedungen werden, daß dem Bunde nie 
eine Theilnabme an Kriegen außerhalb den Gränzen der Bundes: 
ſtaaten zugemuther werden darf, indem deffen Beſtimmung auss 
drüdlich nur auf Sicherftellung der ihn ausmahenden Staaten 
gerichtet ift. 

Ad 10) Der Anfang dieſes $ fheint mit allen Souverainetäts 
Rechten In einen folhen Wideripruch zu fommen, daß wenn au 
gleich auf das Bekriegung-Recht unter den Mitgliedern des Bun: 
des Verzicht geichieht, demunerachtet die Nieberfehung eines Tri 
bun-is, weldes unter anderm Namen den Neichshofrath oder das 


Kammergericht wieder herbepführen müffte, nicht damit zu verei⸗ 
nigen waͤre. 


Was Auſtraͤgal⸗Gerichte betrifft, fo wäre gegen diefe nichts 
zu erinnern, | 


Ad ı1) Wenn auch die allgemeine Verbindlichkeit jedem 
Staate des Bundes eine ftändiihe Verfaſſung zu geben, aner: 
kannt werden bürfte; fo kann doch die Beftimmung eines Min:- 
mum, als die Rechte jedes Landesheren ktaͤnkend, unmöglich zuge: 
Laflen werden, fondern muß nothwendig die Einleitung und Aus. 
fuͤhrung diefer Verfaſſung jedem Staate jelbft zu uberlaffen fen. 

Ad 12) Kann in einem Staats Vertrag nie von Verhältnifien 
Einzelner und Unterthanen gegen ihre resp. Staaten, zu denen 
fie gehören, die Rede ſeyn, und muß alles dahin Abzielende notb⸗ 
wendig atıd denielben hinmegbleiben. Noch weniger möchten die 
angetragene Erceptionen ‚und verihiedene Behandlungweiſe zu 


/ 
I 


— 304 a 


Gunften einiger Mitglieder des Bundes zugeftanden werden ie 
nen; übrigens berufen Sih Ee. sönigl, Maj. auf die imf. ıı 


defchehene Verwahrung: 
} 





: 10906. 

Entwurfeines Bunbesvertrags der fonberainn 
Fuͤrſten und freyen Staͤdte Deutſchlande, 
| enthaltend die wichtigften Grundſaͤtze der Bur 
desverfaffung, deren weitere Ausführung, je we 
. die Abfaffung der_organifchen Gefeße des Bw 
bes, einer nachfolgenden Berathſchlaguug ver 
behalten bleiben fol. Vorgelegt von dem Eönix 
lich = preußifhen Herren "Bevollmächtigten, 

im Anfang ded Aprils 1815. 
Die fouyerainen Fürften und freyen Staͤdte Deutſchlande 
bie erftern mit Ihren Majeftäten dem Kaifer vvn Defterreih un 


den Königen von Preußen, Dänemarf und der Niederlande für 
ihre deutichen Beſitzungen, dDurhdrungen von dem lebhaften & 


fühle, dab es weſentlich nothwendig ift, fih in einen allgemeo 


nen Dund zu vereinigen, daß darauf hauptſaͤchlich die äufer: 
und innere Sicherheit, Unabbhängigfeit umd .. 
bes gemeinfamen deutſchen Vaterlandes berubt, um 
daß nur ein folder Bund den allgerheinen Wünfben und Erwe 
tungen der deutihen Nation entipriht, und die Ruhe und de 
Frieden Europa’s dauerhaft ſicher ſtellt, allein zugleich überzeni! 
daß eine fo große und wichtige Angelegenheit nur bey reifer m 
ungeſtoͤrter Berathſchlagung vollendet, in dem gesenwärtiaen 3: 
genblick abe“ wo die Nothwendigfeit; der Gefahr zuvotzulsmmer 
welbe Deutihland und Europa durch bie unrebtmäßige Bemeli, 
welche ſich in Frankreich der Regierung bemächtigt bat, bebroit 
die allgemeine Aufmerkſamkeit und die vereinigten Kräfte auf n 
nen aͤußern Punkt binrihtet, nur im Allgemeinen iv 
ihloifen und feftgeftellt werden kann, find mit eimamııt 
fhbereingefommen, den Bundesvertrag zwar gedenmwärn 
wirklich abzuſchließen, und indem fie ihre Wereinigung fürmiit 
u u2: 





4 


— 305 — 


und feyerlih ausgeiprohen, die Grumdfäge zu beftimmen, 
auf welchen derielbe beruhen fol, die weitere Ausführung 
dieſer Grundfäge aber, und die Abfaflung der organiſchen 
Heiege des Bundes auf-eine genau zu beitimmende Weife 
aahbfolgender Berathung zu Aberiaffen. 

In Gemäßbeit dieier Uebereintunft, haben Ni e zu ihren Bes 
yollmächtigten ernannt, nämlich 

Se. Majeftät der Kaifer von Defterreich u. r w. 
velche Bevollmädtigte, nachdem fie ihre in glaubwürdiger Form 
zusgejtellten Vollmachten gegen einander ausgewechſelt, . 
Punfte mit einander verabredet — 

$. 


Die Fürften und freyen Fass: deren Bevollmaͤchtigte 
dbiefen Vertrag unterzeichnen, vereinigen fib zu einem: beftändis 
aen, auf die Erhaltung der Selbſtſtaͤndigkeit und der dußern und. 


innern Sicherheit Deutſchlands, und die Inverlerbarfeit feines 
Gebiets abzwedenden Bund, welher den Namen des deutſchen 


führt, und treten überall, wo jie in ihrer aan, handeln, . 


unter dieiem Namen auf. 
> 


Alle Mitglieder des Bundes find einander als unabhängige 


Staaten glei, und weder eine durd die VBundesverfaflung bes 


ſtimmte Verſchiedenheit einzelner Rechte, no ein von dem Bunde 
ertbeilter, vorübergebender oder beitändiger Auftrag tann eine 
Ungleichheit unter ihnen begründen Auch können ihre Negies 
rungrecte, in fo fern fie nicht durch die Landerverfaflung näher 
beftinnmt find, durd den Bund feine andere Einihranfung erfabs 
ren, als in die fie felbft durd Eingehung der Bundes; Alte ges 
willigt haben. 

Dagegen verſprechen fie, dieſe letztere unverbruͤcblich zu hal⸗ 


— 


ten, und allen verfaſſungmaͤßig genommenen Beſchlüſſen des 


Bundes unbedingte Folge zu leiften, 


$. 3. \ ; 
Die Angelegenbeiten des Bundes werden beforgt durch eine zw 
gewiſſen Zeiten regelmäßig, oder dur außerordentlih zufammens 
fommende Bundesverfammlung und einen beftdändig zuſam— 


menbleibenden Vollziehungrath, die fidh-zu einander, wie 


zwey Kammern derielben repräientativen Verſammlung, verhalten, 

Der Bollziehungrath beſteht and einigen wenigen, durch vie Buns 

dedurfunde von der Gejammtbeit der deutihen Stände ein für 
Hodex Diplomaticus. (Eur. Annal. 1815.) 20 


— 306 — 


allemal dazu beauftragten Fuͤrſten, welchen einige andre Bundes⸗ 
mitglieder wechſelnd dergeftalt zugeordnet werben, daß feines 
von dem Rechte, daran Theil zu nehmen, ausgeſchloſſen bleibt. 
Ihm gebührt die Leitung des Bundes und deſſen Vertte— 
. tung bey auswärtigen Mächten, fo wie Alles, was jur 
ausübenden Gewalt gehört; die gefepgebende dagegen 
theilen bepde mit einanker, und geſetzlice Verfügungen, 
allgemeine Cinrihtungen, und Bewilligung von Bey 
trägen zu Veitreitung der Bundesfoften, können nur durs 
die Bundesverfammlung felbit beicloffen werden. Die 
Moliftredung der Bundesſchluſſe geſchieht durch einzelne 
Mitglieder derjelben , vermöge von dem Vollziebungratb ertdeil 
ter beftimmten Aufträge, wenn die künftigen organtfden Geſetze 
nicht Kreife ımd Kreisvorſteher als beitändige dem Bunde durs 
Verantwortlichteit verhaftete Beauftragte derjelben aufftellen. 


9. 4 

Alle Mitglieder des Bundes verſprechen, fowohl gang Dentier 
land, als jeden einzelnen ihrer Mitftände, gegen jeden wider 
rechtlichen Angriff einer auswärtigen Macht in Schuß zu nehmer, 
und alle ihre Kräfte und Mittel zu vereinigen, um denjenigen, 
deſſen Rechte oder Geblete verlegt worden wären, Sicherheit 
und Genugthbuung zu verfhaffen, aud in diefen Fallen, ie 
wie überhaupt in jedem Bundestriege, einfeittg mede 
Srieden uoh Waffenftilltand zu fhliefen. Sie garım 
tiren einander außerdem. ihre ſaͤmmtlichen, unter dem Bunde 
begriffenen Beſitzungen, dergeftalt, daß bey einem durch den 
Bund abzufhließenden Frieden über feinen Theil des Gebiets eines 
Bundesglieves, ohne Inziebung des lehtern, und ohne mögliei 
verbälmigmäßige Entiwädigung deflelben, verfügt werden fanı. 
Sie verpflichten fib endlich, Leine Verbindungen mit an 
wärtigen Mächten einzugehen, die gegen den ganzen Bund, 
oder einzelne Mitglieder dejlelben gerichtet wären, oder ihnen ge 
fährlih werden Fünnten, diefe Verbindungen mögen auf Krieg 
oder Frieden, oder auf Subſidien, oder was immer für eime 
Hülfleiftung Bezug baden. - (Diefer fo gefafte Artifel, ift von 
Bayern und Württemberg fon, AugeROmmnEn ; ſiehe Pto⸗ 
totoll der neunten Sitzung.) 


$. 5 
Die Vereinigung der Streitkräfte des Bundes geſchieht durch 
Stellung angemeflener Contingente. Wenn dieſe nicht ftarl 


— 307 — 


genug find, um fir fich eine Heeresabtheilung zu bilden, fo wer: 
Den fie an eines der Heere der größern Kriegsmäcte Deutics 
lands. unter der Dberauffiht und Leitung des Bundes; und 
vermittelft einer zwedmäßigen Erganifation angeichloffen. Mit 


der Stelung der Eontingente ift der Beytrag der Kriegsbes 


bürfniffe verbunden, und für die Sicherheit des deutiben Ges 
biers wird dur die Anlegung und Unterhaltung von Bundes 
feftungen geforgt. 

. $. 6. 

Alle Mitglieder ded Bundes verpflichten fib, ben Maßregeln 
Kolge zu leiften, welche der Bund verfaflungmäßig zu Erbaltung 
oder Herftellung der innern Nude ergreift. Sie verſprechen über: 
Died, einander unter feinerley Vorwand zu befries 
gen, fondern die Entibeidung ihrer Streitigfeiten mis Verzicht; 
Leitung auf ale Selbſthülfe einer zwedmäßig einzurichtenden 
Auſtraͤgal⸗JInſtanz, und in fo fern dieielben durch dieje nicht 
beygelegt wüßden, dem Bunde anheim zu ſtellen. 


. 7. 


Tür dieſe Faͤle, fo wie für jede andere verfaſſungmaͤßige Des 


ſchwerdefuͤhrung bev dem Bunde, ordnet derielbe jih ein Buns 
desgericht bey, am deffen Beſetzung alle a verhältnißs 
N Antheil nehmen. 

$. 8. 

Ale Mitglieder des Bundes verpflichten fi, in ihren Etaa⸗ 
ten für eine unparteviſche Gerechtigkeit pflege Sorge zu tras 
gen, und jeden willfürliben Eingriff in die Nechte der Perfon und 
des Eigenthums zu verhindern. Im diefer Abſicht beftimmen fie 
hiermit ausdrädliih, daß die Richter in Klagen gegen den 
!andesherrn in demjenigen, mas die Entiteidung der Sache 
betrifft, ihres als Untertban, oder ſonſt im irgend einer andern 
Eigenſchaft, feiner Perlon geleiteten Eides entbunden ſevn follen, 
auch fein Michter anderd, als durch förmlich geſprochenes lrtheil, 


feines Richteramts entießt werden kann. Auch begeben fih dies 


jenigen , deren Belißungen nicht eine Moltezabl von 300,000 
Seelen erreiben, des Rechts einer eigenen dritten Inftanz, 
und verfpreben, ſolche nach den Beitimmungen der Bundeeges 
ſetze zu bilden und anzuerkennen, jedoch deraeftalt, daß ed vers 


wandten Fürften: Stämmen und den freven Städten vorbehalten 


bleibt, die Bevölterung ihrer Befigungen zufammenzuzäblen. 


a, 308 — 


. 9 
In alen deutihen Staaten wird die beftehende landfäm 
diſche Verfaffung erhalten, oder eine neue eingeführt, das 
mit den Landitänden dad Recht der Bewilligung neuer Etenern, 
der Berathung über Landesgeſetze, welche Eigenthum und pen 
fonlihe Freyheit betreffen, der Beſchwerdefuͤhrung über Verma, 
tungsmißbräuche, und der Wertretung der Verfaſſung und der 
aus ihr berfliegenden Rechte Einzelner zuſtehe. Die einmal ver; 
faffungmäpig befiimmten Rechte der Landſtaͤnde werden unter den 
den Schuß und die Garantie des Bundes geftelt. Ales 
Einwohnern zum deutſchen Bunde gebörender Provinzen, mird 
von den Mitgliedern des Bundes, durch die fünftige Urkunde 
deffelben, das nur durch die allgemeine Pflicht der Bundesvertkeis 
bigung befchränfte Meat der Auswanderung in einen andern 
deuitihen Staat, des Uebertritts in fremde deutſche © 
vil oder Militär:Dienfte, und der Bildung auf frem 
den deutfchen Univerjitäten, fo wie uneingehtränfre Ne 
ligionslebung und Preßfrepheit zugefibert. Diefe ſchließt 
aber keineswegs die MWerantwortlihkeit der Verfaſſer, Werlese 
und Druder ſowohl gegen den Staat, ald gegen Privatleute, un) 
zwedmäßig polizeiliche Anſtalten auf periodiihe oder Flugfchriftra 
aus. Die Rechte der Schriftfteller gegen den Nachdruck, werden 
durch ein allgemeines Gefes gegen den Nachdruck gefichert. 
(: 10. 

Die jo bilfig und vortheilhaft, als es die Umſtaͤnde erlauben, 
zu beftimmenden Rechte der ehemaligen, durch die Stiftung des 
Nheinbundes und jeit diejer Zeit mittelbar gewordenen 
NReihsftände, werden durch ausdrüdlibe Uebertragung in 
die organiſchen Geſehe des Bundes unter die Garantie deifelben 
geſtellt. 

$. 11. 

Die katholiſche Religion in Deutſchland wird, unter 
der Garantie des Bundes, eine fo viel ald möglich gleichfoͤrmige 
zufammenhängende Verfaffung erhalten. 

$. 12. 

Die Fortdauer der auf die Nheinfchifffahbrt8:-Dectroi 
angewiejenen Renten, wird ausdrüdlid garantirt. 

Jr Abſicht des, dem Haufe Thurn und Taxis zuftehen 
den Poſtrechts, follen diefem da, mo ihre Poiten abgeibaft 

‚wären, Entihäbigungen ertheilt werden. 


$. 13. 
Die zur TEE Ri Abgeordneten werden fih uns 
mittelbar in $ranffurt an Main verfammeln. Ihr erſtes 
Geſchaͤft wird die Abfaflung der Grundfäge ſeyn, welche von als 
len Fuͤrſten zu ratificiren find. 
$. 14. 
Die Matificationen dieſes zn find in möglichft kurzer 
grift auszumecjeln. 


Sa geihehen Wien, u. f. w. 





| 107. 
Acte du Congres de Vienne, signe le g. Juin 
1815. 


Les puissances qui ont signe le traite conclu a Paris le 30. 
mai 1814, s’etant reunies a Vienne, en conformite de l’artiole 
32. de cet acte, avec les princes et etats leurs allies, pour com- 
pletter les dispositions du-dit traite, et pour y ajouter les ar- 
rangemens rendus neeessaires par l’etat dans lequel l’Europe 
etoit restee & la suite de la derniere guerre, desirant mainte- 
nant de comprendre dans une transaction commune les diffe- 
rens resultats de leurs negociations, afin de les revätir de 
leurs ratifications reciproques, ont autorise leurs plenipoten- 
tiaires a reunir dans un instrument general les dispositions d’un 
interet majeur et permanent, et a Joindre a vei acie, comme 
parties integrantes des arrangemens du congres, les traites, 
sonventions, deolarations, reglemens et autres acies parlicu- 
liers, tels qu'ils se trouvent cites dans le present traite. Et 
ayant les susdites puissanoes nomme plenipotentiaires au con- 
gres, savoir: \ 
(Suivent les noms et titres des ——— range 

dans l’ordre alphabelique des cours). 


Ceux de ces plenipotentiaires qui ont assiste à la clöture 
des negociations, apres avoir exhibe leurs pleinspouvoirs, 
trouves en bonne et due forme, sont convenus de placer dans 
le dit instrument general, et de munir de leur signature com- 


mune les articles suivans. j 


— 310 — 


I. POLOGME. 
Art. ı. 

Reunion du duche de Varsovie a lEmpire de Russie. 

Le duche de Varsovie, à l’exception des provinces et dis 
tricts dont il a ete autrement dispose dans les articles suivamı, 
est reuni à l’empire de Rusie. Il y sera lie irrevocabk- 
ment par sa constitulion, pour etre possede par S. M. l’Empe- 
reur de toutes-les Russies, ses heritiers et ses successeuri 
perpetuite. $.M.l. sereserve de donner à oet elat, jouissazt 
d’une administration distincte, l’extension interieure quelle j«- 
gera convenable, Elle prendra avec ses autres titres celui de 
Czar, Roi de Pologne, conformement au protocole usite e 
consacre pour les titres altaches & ses autres possessions. La 
Polonois, sujets respectifs de la Russie, de l’Autriche et de lı 
Prusse, obtiendront une representation et des institutions n= 
tionales, reglees d’apres le mode d’existence politique que cha- 
cun des gouvernemens auxquels ils sppwlsnnen! jugera utile 
et convenable de leur accorder, 


"Art, = 
Limites du grand-duche de Posen. 

La partie du duche de Varsovie que $.M. le Roi de Prasse 
possedera en taute souverainete ei proprieie pour lui et ses 
successeurs, sous le titre de grand-duche de Posen, sera cam- 
prise dans la ligne suivanie: / 

En partant de la frontiere de la Prusse orientale au villa- 
ge de Neuhof, la nouvelle limite suivra la frontiere de la Pru:- 

se ocoidentale, telle qu’elle a subsiste depuis 1772 jusqu’a la 
paix de Tilsit, jusqu’au village, de Leibitsch, qui appartiendra 
au duche de Varsovie; de la il sera tire une ligne qui, en lais- 

.sant Kompania, Grabowice et Szytno a la Prusse, passe la 
Vistule aupres de ce dernier endroit, de l’autre cöte de la ri 
viere qui tombe vis-a-vis de Szytno, dans la Vistule, jusqu's 
V'ancienne limite du district de la Netze ‚aupres de Gros- 
Opoczko, de maniere que Sluzewo appartiendra au duche, ei 
Przvbranowa, Holfaender et Mazicjewo à la Prusse. De 
Gross-Opoczko on passera par Chlewiska, qui restera à la 

Prusse, au village Przybyslaw, ei de la par les villages Piaski, 
Chelmoe, Witowiczki, Kobilinka, Woyczya, Orchowo, jus- 


— 311 — 


qu’a la ville de Powidz. De Powidz.on continuera pat la ville 
de Slupce jusqu’au point du, confluent des rivieres Wariha et 
Prosna. De ce point on remontera le cours de la riviere Pros- 
na jusqu’au village Koscielnavies, a une lieue de la ville de Ka- 
lisch. La, laissant a cette ville (du cöte de la rive gauche de 
la Prosna) un territoire *n demi-cercle mesure sur la distance 
qu’il y a de Koscielnavies a Kalisch, on rentrera dans le cours 
de la Prosna, et l’on continuera a la suivre en remonlant par 
les villes Grabow, Wieruszow, Boleslawiec, pour terminer 
la ligne pres du’village Gola à la frontiere de la Silesie, vis-A- 
vis de Pitschin. | 
Art. 53. . 
Salines de IWVieliczka. 


S.M.I.R. A. possedera en toute propriele et souverainete 
les salines de Wieliozka, ainsi que le territoire y appartenant. 


Art. 4. 

Frontieres entre la Gallicie et le territoire Russe. 
| Le Thalweg de la Vistule separera la Gallicie'du territoire 
de la ville libre de Cracovie. Ilservira de même de frontiere 
entre la Gallicie et la partie du ci-devant duche de Varsovie 
reunie aux elats de $. M. l’Empereur de toutes les Russies,. 
jusqu’aux environs de la ville de Zawichost. De Zawichost 
jusqu’aux Bug, la frontiere seche sera determinde par la ligne 
indiquee dans le traite de Vienne de ı809, aux rectifications 
pres que, d’un commun accord ‚.on trouvera necessaire d’y 
apporter. La frontiere a partir du Bug sera retablie de ce cö- 
te entre les deux empires, telle qu’elle a ete avant le dit traite. 


Art. 5. 
Restitution des cercles de Tarnopol etc. etc. à !’ Äutriche. 
S. M. V’Empereur de toutes les Russies cede a $. M. I. R.A. 
les distriets qui ont ete detaches de la Gallicie orientale en ver: 
tu du traite de Vienne de ı80g, des oercles de Zloczow,, Brze- 
zan, Tarnopol et Zalesczyk, et les frontieres seront retablies 
de ce cöte telles qu’elles avoient ete avant l’epoque dudit traite. 


Art. 6. 
Cracovie declarde ville libre. 


La ville de Cracovie avec son territoire sera ehvisager & 
perpetuite comme cite libre, independante, et striotement neu. 


tre, sous la protection de la Russie, de l’Autriche et de la 
Prusse. 

Art. 7. 
Limites du territoire de Cracovie. 


'Le territoire de la ville libre de Cracovie aura pour fror- 
tiere, sur la rive gauche de la Vistule, une ligne qui, co= 


-"imengant au village,de Wolica, a l’endroit de l’embouchure 


d’un ruisseau passera par Clo, Koscielniki jusqu’a Czulice, de 
sorte que ces villages sont compris dans le rayon de la yilk 
libre de Cracovie; de-la, en longeant les frontieres des villa- 
ges, continuera par Dzickanovie, Garlice, Tomoszow , hat- 
niowise, qui resteront egalement dans le territoire de Cra«- 
vie, jusqu’au point ou commence la limite qui separe le dı 
trict de Krzeszovice de celui d’Olkusz; de la elle suivra cette 
limite entre les deux districts cites pour aller aboutir aux fr= 
_ tieres de la Silesie prussienne. 


Art. 8. 
Privileges accordes ä Podgorze. 


$.M. T’Emperbur d’Autriche voulant contribuer en parti 
eulier de son cöte à oe qui pourra faciliter les relations de 
commerce et de bon voisinage entre la Gallicie et la ville r- 
veraine de Podgorze, accorde a cette ville les privileges d'un: 
ville libre de commerce ‚ tels qu’en jouit la ville de Brody. 
Cette liberte de commerce s’etendra a un rayon de 500 toisei, 
a prendre de la barriere des faubourgs de la ville de Podgorze. 
Par suite de cette concession perpetuelle, qui cependant n 
doıt point porter atleinte aux droits de souverainete de S. MN 
J. R. A. les douanes autrichiennes ne seront etablies que dam 
des endroits situes au dehors dudit rayon. IIn’y sera form: 
du même aucun etablissement militaire qui pourroit menacr 
la neutralite de Cracovie, ou gener la liberte du commer« 
dont 5. M. I. R. A. veut faire jouir la ville et le rayon & 
Podgorze. 


Art. 9. 
Neutralite de Cracovie. 


Les cours de Russie, d’Autriche et de Prusse s’engagent i 
respecter et a faire respecter en lout tems la neutralite de ia 
ville libre de Cracovie et de son territoire; aucune force ar 


— 313 — 


mee ne pourra jamais y ẽtre introduite sous quelque pretexte 
que ce soit. 

En revanche, il est entendu et expressement stipule qu’il 
ne pourra être accorde dans la ville libre et sur le territoire de 
Cracovie aucun asile ou protection à des transfuges, deserteurs 
ou gens poursuivis par la loi, appartenant aux pays de l’une 
ou l’autre des hautes puissances susdites, et que sur la deman- 
de d’extradition, qui pourra en ötre faite par les autorites com- 
petentes, de tels individus seront arretes et livres sans delai, 
sous bonhe escorte, a la garde qui sera chargee de les recevoir 
à la frontiere. ' 


Art. ı0. 
Constitution, acadedmie et &vechd d& Cracovie. 


Les dispositions sur la constitution de la ville libre de Cra- 
covie, sur l’academie de cette ville, et sur l’evöche et le cha- 
pitre de Cracovie, telles qu 'elles se trouvent enoncees dans les 
art. 7, 15, ı6et ı7 du traite additionel relatif A Cracovie, an- 
nex& au present traite general, auront la m&me force et valeur 
que si elles etoient textuellement inserees dans cet acte. 


Art. nı. 
Amnistie generale. 


(4 


Il y aura amnistie pleine, generale et parliculiere, en 
faveur de tous les individus de quelque rang, sexe ou condi- 
tion qu’ils puissent ötre. 

Art. 12. 
Sequestres et confiscations lev6s. 


Par suite de l’article precedent, personne ne pourra a l’a- 
venir &tre recherche ou inquiete en aucune maniere, pour 
cause quelcongue de participation directe ou indirecte, a quel- 
que epoque que ce soit, aux evenemens politiques, oivils et 
militaires en Pologne. Tous les proces, poursuites ou recher- 
ches seront regardes comme non avenus; les sequesires ou con- 
fis.ations provisoires seront leves, et ilne sera donne suite à 
aucun acle provenant d’une cause semblable. 


Art. ı3. 


Exception. 


Sont exceptes de ces dispositions generales à l’egard des 
confiscations, tous les cas ou les édits ou sentences prononces 


\ 


— 314 — 
en dernier ressort auroient deja regu leur entiere exkeim, 
et n’auroient pas ete annules par des evenemens sub 


Arı. 14. 


f Libre navigation des rivieres. 


Les principes etablis sur la Jibre navigation des fee € 
canaux dans loute l’etendue de l'ancienne Pologne, as i* 
sur la frequentation des ports, sur la circulation des pres 
tions du sol et de l’indusirie entre les diflerentes provinges pe 
‚ lonoises, et sur Je commerce detransit, tels qulils se troures 
enonces dans les art. 24, 25, 26, 38 et 29 du traile enire lh 
triche et la Russie, et dans les art. 32, 25, 24, 9ı DE 
du traite entrela Russie et la Prusse, seronl inrariables@" 
maintenus. 


“ 


IL ALLEMAGNE. 


Art, ı5. 
. Cessions. de la Saxe & la Prusse. , 
S. M. le Roi de Saxe renonce à perpeuite, ar 
que pour ses descendans et successeurs , en faveur de she 
Roi de Prusse, & tous ses droits et pretentions sur les pror® 
ces, distriets, territoires ou parlies de territoires du roya" 
de Saxe ci dessous designes; S. M. le Roi de Pruse P? 
ra ces pays en loute souverainele, et avec {ou les drei 


ıata > % ® ' gu 

propriete, et les incorporera à sa monarchie. Les er 

et territoires ainsi cedes seront separes du reste du — — 
re enirt 


Saxe par une ligne qui formera à l’avenir.la frontie j 
deux territoires de Saxe et de Prusse, de sorte que touk | 
sera au-dedans des limites tracees par oeite ligae, # P 
dra a S. M.le Roi de Saxe, et que ce monarque —— n 
contraire a tous les districts et territoires qui, etant sl 
delä de cette ligne, auroient pu lui-appartenir — 
Cette ligne partira de la frontiere de Boheme Er w* 
dans les environs de Seidenberg, et suivra le ruisseäl 
tich jusqu’& l'endroit ou il tombe dans la Neisse. De ul 
elle se dirigera vers le cercle d’Eiden, en passant enire i 
rilz qui tombe ä la Prusse, et Bertschofl qui reste # er gi 
elle suivra la frontiere septentrionale du cercle d’Eigen - 
l’angle situe entre Paulsdorf et Obersohland; ar dar 
teint la frontiere qui separe les cercles de Görlitz e! de 


— 315. — . 
tzen, de sorte que le haut, le bas et le moyen Sohland, O- 
lisch et Radewitz restent à la Saxe. 

La grande route de poste entre Görlitz et Bautzen sera 
prussienne jusqu’ä la frontiere des deux cercles ci - dessus. 

. La ligne suit la frontiere du cercle jusqu’a Dubranke, elle 
franchit les hauteurs a la droite du Löbau, de sorte que ce 
ruisseau restera a la Saxe avec ses deux rives et les endroits 
qui y sont situes jusqu’a Neudorf, y compris oe village. 

La ligne passe la Spree et l’Eisternoire; Lisca, Hermsdorf, 
Ketten et Solchdorf restent à la Prusse. 

De l’Elster noire pres de Solchdorf on tirera une ligne 
droite jusqu’a la frontiere de la seigneurie de‘Königsbruck pres 


' Grossgräbchen. Cette seigneurie reste äla Saxe, et la ligne 


suit la frontiere septentrionale de ceite seigneurie jusqu’a cel- 
le du baillage de Grossenhayn dans les environs d’Ortrand. 
Ortrand et la route de vet endroit a Mühlberg par Märzdorf, 
Stolzenhayn et Gröbe!n, avec tous les lieux qu’elle traverse, 
tombent à la Prusse, de mahiere qu’aucune partie de cette rou- 
te ne reste hors du territoire prussien. Depnis Gröbeln, la 
frontiere ira jusqu'à l’Elbe en passant par Fichtenberg, qui 
tombe à la Prusse, et suivra celle du bailliage de Mühl- 
berg. 

De l'Elbe jusqu’a la frontiere da chapitre de Mersebourg 
la ligne sera fixee de maniere que les bailliages de Torgau, 
Eilenbourg et Delitsch passent a la Prusse, oeux d’Oschatz, de 


_ Wourzen et de Leipzig restent a la Saxe. La ligne suivra les 


frontieres de ces bailliages, en coupant neanmoins quelques 
enclaves et demi-enclaves. La'route de Mühlberg & Eilen- 
bourg sera toute entiere sur le territoire prussien. 

De Podelwitz, qui fait partie du bailliage de Leipzig et 
reste a la Saxe jusqu’a Eyltra, egalement saxon, la’ligne cou- 
pera le chapitre de Mersebourg, de maniere que Breitenfeld, 
Hänichen,, le grand et le petit Dolzig, Markranstädt et Knaut- 
Nauendorf restent a la Saxe, Modelwitz, Skeuditz, le petit 
Liebenau , Schköllen ‚et Zietschen passent ala Prusse. 

De-la, la ligne traversera le bailliage de Pegau entre 
te Flossgraben et l’Elster-blanche. Le premier, & partir du 
point ou il se separe de l'Elsier- blanche au-dessous de la 
ville de Crossen, faisant partie du bailliage de Haynsbourg‘, 
jusqu’au point ou il se reunit a la Saale au-dessous de Mer. 


— 316 — 


sebourg, appartiendra a la Prusse avec ses deux rires e dın 
tout son cours entre ces deux elats. 
Du point ou la frontiere atteint le chapitre de Zeit,rl! 
la suivra jusqu’a celle du pays d’Altenbourg pres de Lu 
Il n’est rien dechange aux limites du cercle de Neu! 
qui,passe tout,entier a,la Prusse. 
Les enclaves du Voigtland dans le pays de Res, u 
Gefäll, Blintendorf, Sparenberg et Biankenberg, san #* 
‚prises dans la portion de la Prusse. 


Art. ı6. 
Titres & prendre par S. M. le Roi de Prust. 

Les provinces et districts du royaume de Sare qui pa 
sous la dominatıon de S. M. le Roı de Prusse, seront —RX 
sous le nom de duche de Saxe, et S. M. ajoutera aà van 
ceux de Juc de Saxe, landgrave de Thuringe, margtene } 
Deux- Lusaces, et comte de Henneberg. $.M. WM! 
Saxe continuera a porterle titre de margrave de I Bor 
Lusace. $. M. continuera de même, relativemente @ * 
de ses droits de succession eventuelle sur les post | 
branche Ernestine, à porter ceux de landgrave de Thur“ 
et comte de Henneberg. 


Art. ı7. — 
Garantie de la Russie, de Angleterré. de [ Autriche 
s la France. 

L’Autriche, la Russie, la Grande - Bretagne et Ih * 
garantissent à S. M. le Roi de Prusse, ses descendan . 
cesseurs, la possession des pays designes dans Yart. 1 
toute propriete et Souverainete. 


Art. 18. 

Renonciation de T Autriche aux droits de su! 
‚ Lusace. » — 
S. M. I. R. A., voulant donner a S. M. le — 
une nouvelle preuve de son desir d’ecarter vr ah 
testation future entre Jes deux cours, renonce, pour PM 
successeurs, aux droits de suzerainete Sur les margfl! e 
Ja Haute et Basse-Lusace, qui lui appartiennent en * 
de Roi de Bohöme, en aulant que ce} droits en ” 

partie de ces provinces qui a passe sous la domina 


erainett * 


— 317 — 
'M. le Roi de Prusse, en vertu du traite conclu avec S. M. le 
Roi de Saxe à Vienne le ı8. mai ı8ı5. ‘ 

Qpant au droit de reversion de S. M.]J. et R. sur ladite 
partie des Lusaces reunie à Ja Prusse, il est transfere à la 
maaison de Brandebourg actuelleinent regıante en Prusse, S. 
M. L. R. A.se reservent pour elle et ses successeurs la faculte 
‚de rentrer dans ce droit dans le cas d’extinction de ladite mai- 
«son regnante. 

5. M. I. R. A. renonce egalement, en faveur de S. M. 
Prussieune,, aux districts de la Boh@me enclaves dans la partie 


‚de la Haute-Lusace, cedee par le traite du ıB, ‚mai ı815 a S. 


M. Prussienne, lesquels renferment les endrpits Gunterdorf, 


' Taubentranke, Neukreischen, Nieder - Gerlachshein, Winkel 
‘et Ginkel, avec leurs territoires. | 


Sach 3 9. 
Renonciation reciproque aus droits de feodalite. 
S. M. le Roi de Prusse et $. M. le Roi de Saxe, desirant 


‚ ecarter soigneusement tout .objet de conlestation ou de discus- 


sion future, renoncent, chacun de son cöte, et reciproque- 
menten faveur l’un de l’autre, a tout droit ou pretention de 
feodalite qu’ils exerceroient ou qu’ils auroient exerce au délà 
des frontieres fixées par le present ıraile. 


Art. 20. 
LibertE d’emigration et d’exportation de fonds. 


S. M. le Roi de Prusse promet de faire regler tout ce qui 
peut regarder la propriete et les interets des sujets respertils, 
sur les principes les plus liberaux. Le present article sera 
particulierement applique aux rapports des individus qui con- 
servent des biens sous les deux dominalions, prussienne et sa- 
xonne, au commerce de Leipzig, et à tous les autres objets de 
la möme nature; et pour que la liberte individuelle des habi- 
tans, tant des provinces cedees que des autres, ne soit point 
genee, illeur sera libre d’emigrer d’un territoire dans J’autre, 
sauf l’obligation du service militaire, et en remplissant les’ 
formalites requises par les lois. Ils pourront egalement expor- 


ter leurs biens sans etre sujets à aucun droit d’issue ou de de- 
traction (Ab zugsgeld). 


— 318 — 


Art. 2i. 
Propriet&s des dtablissemens religieuæ et d’instructio« 
publique. 
Les communautes, corporations et etablissemens religie: 
et d’instruction publique qui existent dans les provinces et di 
stricts cedes par $. M.le.Roi de Saxe ala Prusse, ou damır 
provinces et disiriets qui restenta S. M. Saxonne, consem 
ront, quel que soit le changement que leur destination peise 
subir, leurs proprietes, ainsi que les, redevances, qui leur 
appartiennent, d’apres l’acte de leur fondation, ou qui et 
ete acquises depuis par eux, par un titre valable devant ie 
lois sous les deuk dominations prussienne et saxonne, sans ja 
Y'’administration et les reven.s a percevoir puissent Etre mol«- 
tes ni d’une part ni de l’autre, en se conformant toutefois zu 
lois, et en supporlant les charges auxquelles toutes les propr» 
tes ou redevances de la meme nature sont sujeites daus le ter- 
ritoire dans lequel elles se trouvent. 


Art. 23 
J Amnistie generale. 


Aucun individu domicilie dans les provinces qui se trox- 
vent sous la domination de $. M. le Roi de Saxe ne pour, 
non plus qu’aucun individu domicilie dans celles qui passentps: 
le present traite sous la domination de S. M. le Roi de Pruss, 
‚etre frappe dans sa personne, dans ses biens, rentes, pen- 
sions et revenus de tout genre, dans son rang et ses dignites, 
ni poursuivi, ni recherche en aucune fagon quelconque pour 
aucune part qu’il ait pu politiquement ou militairement pren- 
dre aux evenemens qui ont eu lieu depuis le commencemeni 
de la guerre terminee par la paix conclue a Paris le 30 mai 
ı8ı4. Cet article s’etend egalement à ceux qui, sans être de 
micilies dans l’une ou dans l’autre partie de la Saxe, yauro 
. entdes biens- fonds, rentes, BemEons ou revenus, de quel- 
que nature qu’ils soient. 
I ' Art. 23. 
Designation des provinces dont la Prusse reprend possession. 
S. M. le Roi de Prusse etant rentre, par une suite de 
la derniere guerre, en postessioh- de plusieurs provinces et 
territoires qui avoient ete cedes par la psix de Tilsit, il est 
reconnu et declare par le present arlicle, que S. M., ses heri- 


tiers et successeurs possederont de naguveau, comme au-para- 
vant,:en toute propriete et souverainete, les pays suivans; 
savoir: v I 

La partie de ses anciennes provinces polonoises designee 
& l’article 2 ; la ville de Danzick et son territoire, tel qu'il a 
ete fixe par le traite de Tilsit; le cercle de Cottbus; la Vieille- 
Marche; la partie du cercle de Magdebourg sur la rivo gauche 
de l’Elbe, avec le oercle de la Saale; la principaute de Hal- 
berstadt, aveo les seigneuries de Derenbourg et Hassenrode; 
la ville et le territoire de Quedlinbourg, en reservant les 
droits de S. A. R. Mme. la princesse Sophie - Albertine de 
Suede, abbesse de Quedlinbourg, conformement aux arrange- 
‚mens faits en 1805; la partie prussienne du comte de Mansfeld 
la partie prussienng du comte de Hohenstein; J’Eichsfeld; la 
ville de Nordhausen avec son territoire; la ville de Mühlhau- 
sen avec son territoire; la partie prussienne du district de 
'Treffurt avec Dorla; la ville et le territoire d’Erfart; la partie 
prussienne du comte de Gleichen; la seigneurie inferieure de 
Kranichfeld; la seigneurie de Blankenhayn; la principaute 
de Paderborn avec la partie prussienne des bailliages de Schwa- 
lenberg, Oldenbourg et Stoppelberg, et des jurisdictions (Ge- 
richte) deHagendorn et d’Odenhausen,, situes dans le territoire 
de Lippe; le comte de Marck aveo la partie de Lippstadt qui 
'y appartient; lecomte de Werden; le comte d’Essen; la par- 
tie du duche de Clöves sur la rive droite du Ahın avec la ville 
et forteresse de Wesel, la partie de ce duche, situee sur la 
‚rive gauche, se trouyant comprise dans les provinces specifices 
a V’article 25; le chapitre secularise d’Elten; la principaute de 


Munster, c’est-ä&-dire la partie prussienne du ci-devant evö- 
che de Munster; la prevöte secularisee de Cappenberg; le 


‚somte de Tecklenbourg; le comte de Lingen, à l’exception de 
la partie cedee par l’article 27 au royaume d’Hanovre; la prin- 


cipaute de Minden; le comte de Ravensberg; le chapitre se- 


‚eularise de Herford; la principaute de Neufchätel avecle comte 
de Valengin, tels que leurs frontieres ont été rectifides par le 
traite de Paris et par l’article 76 du pregent traite general. La 

'meme disposition s’etend aux droits de souverainete et de suze 

'rainete sur le comie de Wernigerode, & celui de haute proteo- 

'tion sur le comte de Hohen-Limbourg et ä tous les autres 

droits ou pretentions quelcongues que S. M. prussienne a pos- 


I 


1 


— 320 — 


sddes et exerces avant la paix de Tilsit, et auxguel er: 
point renonce par d’autres traites, actes ou conventiom 
u Art. 24. 
Possessiöns prussiennes en-dega du Rhin. 

S.M. le Roi de prusse reunira & sa monarchie a All 
magne, en-dega du Rhin, pour être possedes par elle ei s 
 successenrs, en toute Propriete et souverainete, les payı = 
vans, savoir: Ä 

Les provinces de la Saxe designees dans l’arice ı' 
l’exception des endroits et territoires qui en sont eedes & 
vertu de l’article 39 à S. A. R. le Grand Duc de Saxe-Weisz 
les territoires ced®s à laPrusse par S. M. Britannigue Ra’ 
Hanovre, par l’article 29; la partie du departemen! de ei 
et les lerriloires y compris, indiques à l’article 40; la vlt ® 
Wetzlar et son territoire, d’apres l’article 42; le grand-dac 
dr Berg, avec les seigneuries de Hardenberg, Breik, Si" 
Schoeller et Odenthal, lesquelles ont deja appartenu andıt &i 
che sous la domination Palatine; les districts du ciderm' 
cheveche de Cologne, qui ont apparlenu en dernier DE 
grand duchc de Berg; le duche de Westphalie, ainsi gel 
ete possede par S. A. R. le Grand Duc de Hesse; le eomie 
Dortmund; la prirfcipaute de Corvey; les district med 
specifits a l’arlicle 35; les anciennes possessions de la J 
de Nassau-Dietz ayant ete cedees à la Prusse par s.M.® 
des Pays-Bas, 'et une partie de ces possessions ayant ile ec 
gee contre des distriets appartenans à LL. AA. SS. les dee! 
prince de Nassau; S. M. le Roi de Prusse possedera en b 
souverainet£ et propriete, et reunira a sa monarchie: 

ı. La principaute de Siegen avec les bailliages de Burb« 
et Neukirchen, à l’exception d’une parlie renfermant !%" 
habitans, qui appartiendra aux duc et prince de Nast 

2. Les bailliages de Hohen-Solms, Greifenstein, be 
fels, Freusberg, Friedewalde, Schonstein, Scheendert: 
tenkirchen, Altenwied, Dierdorf, Newerbourg, Lit — 
merstein avec Engers et Heddesdorf, la ville et territoire (0 
lieue, Gemarkung) da Neuwied, la’ paroisse de Hama an 
tenant au bailliage de Hachenhourg, la'paroisse de Horbav“ 
faisant partie du bailliage de Herbach et les parties de be 
liages de Vallendar et Ehrenbreitstein, sur la rive dr" 
Rhin, designes dans la convention conclue entre S. Mu 


ee Yin, 


de Prusse et LL. AA. SS. les duc et prince de Nassau, annexee 
au present traite. ‘ 
Art. 26. 

Possessions prussiennes sur da rive gauche du Rhin. 

$.M. le Roi de Prusse possedera de meme, en toute propriete 
et souverainete, les pays situes sur Ja rive gauche du Rhin et 
compris dans la frontiere ci-apres d-signee. Cette fronliere com- 
mencera sur le Rhin aBingen; elle remontera de-la le cours de 
la Nahe jusqu’au confluent de cette riviere avec la Glan, puis la 
Glan jusqu’au village de Médart au-dessous de Lauterecken; les 
villes de Kreuznach et de Meisenheim avec leurz banlieues ap- _ 
partiendront en entier a la Prusse; mais Lautere:«ken et sa ban- 
lieue resteront en dehors de la frontiere prussienne. Drpuis la 
Glan, cette frontiere passera par Medart, Merzweiler, L»ng- 
weiler, Nieder- et Ober-Fenkenbach, Elleubach, Creunchen- 
born, Auswiller, Cronweiler, Niederbrambach, Burbach, 
Boschweiler, Heubweiler, Hambach et Rintzensberg, jus 
qu'aux limites du canton de Hermerskeil; les susdits endroits 
seront renfermes dans les frontieres prussiennes, et apparl'en- 
dront avec leurs banlieues a la Prusse. De Rintzensberg 
jusqu’a la Sarre, la ligne de demarcatlion suivra les limites 
cantonnales, de maniere de les cantons de Hermerskril et 
Conz, le dernier toutefois & l’exception des endroits sur la 
rive gauche de la Sarre, resteront en entier à la Prusce, 
pendant que les cantons Wadern, Merzig et Sarrebourg se- 
ront en dehors de la frontiere prussienne. Du point ou la 
limite du canton de Conz, au-dessous de Gomlingen, traverse 
la Sarre, la ligne descendra la Sarre jusqu’a son embou:hure 
dans la Moselle, ensuite elle remontera la Moselle jusqu'à 
son confuent avec la Sure, celle-ci jusqu’a 'l’embouchure de 
l’Our, et l’Our jusqu’aux limites de l’ancien departement de 
l’Ourte. Les endroits traverses par ces rivieres ne serot 
partages nulle part, mais appartiendront avec leur banlieue 
a la puissance sur le terrain de laquelle la majeure partie 
de ces endJroits sera situe. Les rivieres elles-memes, en tant 
qu’elles forment la frontiere, appartiendront en commun aux 
deux puissances limitrophes. Dans l’ancien departement de 
l’Ourte, les cing cantons de Saint-Vith, Malmedy, C-onen- | 
bourg, Schleiden et Eupen, avec la pointe avancee du canton 
d’Aubel, au miti d’Aix-la-Chapelle, appartiendront a la Prusse, 

Codex Diplomaticus. (Europ. Annal. 1815.) 21 


et la frontiere suivra oelle de ces cantons de maniere qu’une 
ligne tiree du midi au nord, coupera ladite pointe du canton 
d’Aubel, et se prolongera jusqu’au point de contact des trois 
anciens departemens de l’Ourte, de la Meuse-Inferieure et de 
la Roör; en partant de ce point, la frontiere suivra la ligm 
qui separe oes deux derniers departemens jusqu’a ce quell: 
ait atteint la riviere de Worm (ayant son embouchure dams la 
Roör), et longera cette riviere jusqu’au point ou elle touche 
de nouveau aux limites de ces deux departemens, poursuivra 
seite limite jusqu’au midi de Hillensberg, remontera de la vers 
le nord, et laissant Hillensberg à la Prusse, et coupant le can- 
ton de Sittard en deux parties a peu pres egales, de maniere 
que Sittard et Süsteren restent a gauche, arrivera & l’ancien 
territoire hollandois; puis suivant l’ancienne frontiere de «e 
territoire jusqu’au point ou celle-ci touchoit & l’ancienne pr» 
eipaute autrichienne de Gueldres, du cöte de Ruremonde, et 
se dirigeant vers le point le plus oriental du territoire hollan- 
dois au nord de Swalmen, elle continuera a embrasser ce ter- 
ritoire. Enfin.elle va joind:e, partant du point le plus orier- 
tal, cette autre partie du territoire hollandois, ou se trouve 
Venloo; elle renfermera cette ville et son territoire. De la 
jusqu’a l’ancien frontiere hollandoise pres de Mook, situe au- 
dessous de Genep, elle suivra le cours de la Meuse & une dis. 
tance de la rive droite, telle que- tous les endroits qui ne sont 
pas eloignes de cette rive de plus de mille perches d’Allema- 
gne, appartiendront, avec leurs banlieues, au royaume des 
Pays-Bas, bien entendu toutefois, quant a la reciprocite de ce 
principe, qu’aucun point'de la rive de la Meuse ne fasse partie 
du territoire prussien, qui ne pourra en approcher de huit 
cents perches d’Allemagne. Du point ou la Iıgne qui vient 
d’eire decrite atteint Fancienne frontiere \hollandoise jus- 
qu’au Rhin, cette frontiere restera pour l’essentiel telle 
qu’elle etoit en 1795, entre Cleves et les Provinces- Unies. 
Elle sera examine par la commission qui sera nommee in- 
cessamment par les deux gouvernemens pour procéd-r à la 
determination exacte des limiles, tant du royaume des Pays- 
Bas que du grand-duche de Luxembourg, designees dans les 
articles 66 et 68, et cette commission reglera, a l’aide d’ex- 
perts, tout ce qui concerne les constructions hydrotechniques 
et autres points analogues, de la maniere la plus equitable et 


* 


” 


la plus conforme aux interöts mutuels des etats prussiens et des 
Pays-Bas. Cette meme disposition s’etend sur la fixation des 
limites dans les districts de Kyswaerd, Lobith, et de tout le 
territoire jusqu’ä Keckerdom. Les endroits Huissen, Mal- 
bourg, le Limers avec la ville de $Sevenaer et la seignedrie 
de Weel, feront partie du rovaume des Pays-Bas, et S. M. 
Prussienne y renonce a perpetuite pour elle et tous ses des- 
cendans et successeurs. 8, M. le Roi de Prusse, en réunis- 
sant à ses etats les provinces et distriets designes dans cet 
article et le precedent, entre dans tous les droits, et prend 
sur lui toutes les chärges et tous les engagemens stipules par 
rappott à ces pays detaches de la France, dans le traite de 
Paris du do. mai 1614. Les proviners prussiennes sur bes 
deux rives du Rhin jusqu’au-dessus de-la ville de Cologne, 
qui se trouvera encore comprise dans oet arrondistement, 
porteront le nom de grand-duche du Bas- — et S. M. en 
prendra le titre. 
Art. — 
Royaume d’Han»vre. 

$. M. le Roi du royaume-uni de la Grande-Bretagne et 
d’Irlande, ayant substitue A son ancien titre d’electeur dw 
Saint- Empire Romain celui de Roi d’Hanovre, et ce titre. 
ayant ete reconnu par les puissances de ’Europe, et par les 
princes et villes libres d'Allemagne, les pays qui ont com- 
pose jusqu’ici l’electorat de Brunswic Lunebourg, tels que 
leurs limites ont ete reconnues et fixees pour l’avenir par les 
ärticles suivans, formeront dorenavant le royaume d’ Hanovre. 

Art. 29. 
Cession de la Prusse au Hunovre. 

$.M. le Roi de Prusse cede a $. M. le Roi du royaume- 
uni de la Grande-Bretagne et d’Irlande, Roi de Hanovre, 
pour e&tre possedes par S. M. et ses successeurs en toute 
propriete et souverainete: 

ı. La principaute de Hildesheim qui passera sous la do- 
mination de S. M. avec tous les droits et toutes les charges 
avec Iesquelles ladite principaute a passe sous la domination 
prussienne. 

2. La ville et le territoire de Goslar. 

5. La principaute d’Ost-Frise, y compris le pays dit le 
Harlingerland, sous les conditions reciproquement stipulees A 


s 

article 50 pour la navigation de l’Eıms et le commerce par le 
port d’Emden. Les etats de la principaule conserveront leurs 
droits et privileges. 

‘4. Le comt& inferieur (Niedere Grafschaft) de Lingen et 
la partie de la principaute de Munster prussienne, qui est »- 
tuce entre ce comte et la partie de Rheina-Wolbeck occupe: 
par le gouvernement hanovrien. Mais comme on esi convens 
que le royaume de Hanovre obtiendra par cette cession un 
agrandissement renfermant une population de 22,000 ames, et 
que.le comte inferieur de Lingen et la partie de la princ- 
paute de Munster ici mentionnes pourroient ne pas repondre 
a cette condition, S. M.le Roi de Prusse s’engage & faire eien- 
dre la ligne de demarcation dans la prineipaute de Munster 
autant qu’il seroit necessaire pour renfermer ladite population. 
La commission que le gouvernemens prussien et hanoyrie 
nommeront incessamment pour proceder a la fixation exacie 
des limites, sera specialement chargee de l’execution de ceue 
disposition. 

$S.M. — renonce à perpetuite, pour elle, ses de: 
cendans et $uccesseurs, aux provinces et territoires mentionne 
dans le present artiole, ainsi qu'à tous les droits qui y sont 
relatifs. 


Art. 28. 

“ Renonciation de la Prusse au chapitre de Saint-Pierre 

| a Noerten. 

S. M. le Roi de Prusse renonce & perpetuile, pour lui, 
ses descendans et successeurs, à tout droit et pretention quel- 
conque, que S. M. pourroit, en sa qualite de souverain de 
l’Eichsfeld, former sur le chapitre de Saint-Pierre, dans le 
bourg de Noerten, ou sur ses dependances situces dans le ter- 
ritoire hanovrien. 

Art. 29. 
Cessions du Hanovre ü la Prusse. 
$.M. le Roi du royaume-uni de la Grande-Bretagne et 
d’Irland, Roi de Hanovre, cede a $.M. le Roi de Prusse, pour 
ötre possedes en toute propriele et souverainete, par lui et ses 

successeurs: j 

ı. La partie du duche de Lauenbourg, situee sur la rive 
droite de l’Eibe, avec les villages Junebourgeois situes sur la 


J 


— 3235 — 

m&me rive; la partie de ce duche situee sur la rive gauche, 
demeure au royaume de Hanovre. Les etats de la partie du 
duche qui passent sous la dominalion prussienne, conserveront 
leurs droits et privileges, et-nommement ceux fondes sur le 
reces provincial du ı5 septembre ı702, confirme par S. M. le 
Roi de la Grande-Bretagne, actuellement regnant, en date du 
1. juin 1765. 

2. Le bailliage de‘Klotze. 
3. Le bailliage d’Elbingerode. 

4. Les villages de Rüdigershayn et Genseteich. 

5. Le bailliage de Reckeberg. 

S. M. Britannique, Roi de Hanovre, renonce à perpetui- 
te, pour elle, ses descendans et successeurs, aux provinces et 
districts compris dans le present article, ainsi qu’a tous les 
droits qui y sont relatifs. 


Art. 30. 


Navigation et commerce. 


S. M. le Roi de Prusse et S. M. Britannique, Roi de Ha- 
novre, animees du desir de rendre entierement egaux et com- ' 
inuns a leurs sujets respectifs les avantages du commerce de 
I'Ems et du port d’Emden, oonviennent à cet egard de ce 
— suit: 

. Le gouvernement hanovrien s’engage à faire executer 
à ses CR dans les annees de ı8ı5 et 1616, les travaux 
qu’une commission mixte d’ experts, qui sera nommee imme- 
diatement par la Prusse et le Hanovxe, jugera necessaires 
pour rendre navigable la partie de la riviere de l’Ems, de 
la frontiere de la Prusse jusqu’a son embouchure, et d’entre- 
tenir, apres l’execution de ces travaux, constamment cette 
partie de la riviere dans l’etat dans lequel les dits travaux 
V’auroient mise pour l’avantage de la navigation. 

2. Il sera libre aux sujets prussiens d’importer et d’ex- 
porter par le port d’Emden toutes les denrees, productions, 
marchandises quelconques, tant naturelles qu’artificielles, et 
de tenir dans la ville d’Emden des magasins pour y deposer 
les dites marchandises durant deux ans, à dater de leur ar- 
rivee dans la ville, sans que ces magasins soient assujelis à 
une autre inspection que celle à laquelle sont soumis ceux 
des sujets hanoyriens eux-memes. 


— 326 — 


3. Les navires prussiens, ainsi que les negocians prur 
siens ne paieront pour la navigation, l’exportation ou l’iwpor- 
tation des warchandises, ainsi que pour le magasinage, d’au- 
tres peages ou droits quelconques, que ceux auxquels seront 
tenus les suwiets hanovrıens eux memes. Ces peages et droit 
seront regles d’un commun accord entre la Prusse et le Ha 
novre, et le tarif ne pourra &tre change ensuite que d’um com- 
mun accord. Les prerogatives et libertes specihees ici, s’eien- 
dent egalement aux sujets hanovriens qui navigueroient sur la 
partie de la riviere de PEins qui reste à S. M. Prussienne, 

4. Les sujets prussiens ne seront point lenus de se servir 
des negocians d’Enden pour le trafic qu'ıls font par ledit 
port, et il leur sera lıbre de faire le negoce avec leurs mar- 
chandises à Enden, soit avec des habilans de ®ette ville, soit 
avec des etrangers, sans payer dJ’autres droits que ceux aur- 
quels seront soumis les sujets hanovriens, et qui ne pourront 
etre hausses que d’un commun accord, 

$. M. le Roi de Prusse, de son cöte, s’engage a accorder 
aux sujets hanovriens la libre navigation sur le canal de la 
Stecknitz, de maniere qu’ils n’y seront tenus qu’aux memes 
droits qui seront payes par les habitans du duche de Lauen- 

bourg. $. M. Prussienne s’engage en oulre d’assurer ces avar- 
tages aux sujets hanovriens, dans le cas que le duche de Lauen- 
bourg füt cede par elle a un autre souverain. 


Art. 32. 
Routes militaires. 
$. M. le Roi de Prusse et S. M. le Roi du royaume - uni 
de la Grande Bretagne et d’Irlande, Roi de Hanovre, consen- 
tent mutuellement A ce.qu'il existe trois routes milıtaires par 
leurs etats respectifs, savoir! ı. Une de Halberstadt par le 
pays de Hildesheim a Minden, 2. Une seconde de la Vieilie 
Marche par Gifhorn et Neustadt a Minden. 3. Une troisieme 
d’Osnabrück par Ippenbüren et Rheina a Bentheim. Les deux 
premieres en faveur de la Prusse, et la troisieme en faveur du 
Hanovre. | 
Les deux gouvernemens nommeront sans delai une com- 
mission pour faire dresser d’un commun — les reglemens 
necessaires pour les dites routes. 


— 27m 
Art. 32. 
Territoires mediatiges. 

Le bailliage de Meppen, appartenant au duc d’Aremberg, 
ainsi 4ue la partie de Rheina-Wolbeck, appartenant au duc 
de L.ooz-Corswaren, qui, dans ce moment, se trouvent provi- 
soirement hanovrien, seront places dans les relations avec le 
royaume d’Hanovre, que la constitution federalive de l’Alle- 
magne reglera pour les territoires mediatises. 

Les gouvernemens prussien et hanovrien s’etant neanmoins 
reserve de convenir dans la suite, s'il etoit necessaire, de la 
fixation d'une autre frontiere par rapport au comte apparte- 
nant au duc de Looz-Corswaren, les dits gouvernemens. char- 
geront la commission qu’ils nommeront pour la delimitation de 
la partie du comte de Lingon cedee au‘\Hanovre, de s’occuper 
de l’objet susdit, et de fixer definitivement les frontieres de la 
partie du comte appartenant au duc de Looz- Corswazaren, qui 
doit, ainsi qu’il est dit, Etre occupee par le gouvernement ha- 
novrien. 

Les rapports entre le gouvernement d’Hanovre et le comte 
de Bentheim resteront tels qu’ils sont regles par les traites 
d’hypotheque existans entre S. M. Britannigue et le comte de 
Bentheim, et apres que les droits qui decoulent de ‘ce traite, 
seront eleints, le comie de Bentheim se trouvera, envers le 
royaume d’Hanovre, dans les relations que la constitution fe 
derative de l’Allemagne reglera pour les territoires mediatises. 

Art. 33. 
Cessions a faire au duc d’Oldenbourg. 

$. M. Britannique, Roi d’Hanovre, afın de concourir au 
vou de S. M«Prussienne de procurer un arrondissement de 
territoire convenable a $. A. S. le duc, d’Oldenbourg, promet 
de lui ceder un district renfermant une population de cinq 
mille habitans. ö 

Art. 34. 
Grand-Duc d’Oldenbourg. 

S. A. S. le duc de Holstein-Oldenbourg prendra le titre de 
Grand-Duc d’Oldenbourg. 

Art, 55. 

Grands-Ducs de Mecklenbourg-Schwerin et Strelitz. 

L. A. S. les ducs de Mecklenbourg-Schwerin et de Meck- 
lenbourg-Strelitz prendont le titre de grands-ducs de ——— 

bourg-Schwerin et Strelitz. 


— 328 — 


Art. 56. 
Grand-Duc de Sazxe- Weimar. 
S. A. S.le duo de Saxe-Weimar prendra le titre de Grand. 


Duc de Weimar. 
Art. 39. 
Cessions de la Prusse au Grand-Duc de Sare-MWeimar. 

$. M. le Roi de Prusse ced-ra de la masse de ses eiats, 
tels qu'ils ont ete reconnus par le present traite, à S. A. R.le 
Grand Duo de Saxe Weimar, des districts d’une population de 
cinquante mi'le habitans, ou contigus, ou voisins de Ja prin- 
cipaute de Weiinar. 

S. M. Prussienne s’engage egalement à ceder a S. A. R. 
dans la partie de la principaute de Fulde, qui lui a ete remise 
en vertu des mömes stipulations, des distriots d’une"population 
de vingt-sept mille habitans. 

$. A. R. le Grand Duo de Weimar possedera les susdits 
districts en toute sowverainete et propriete, ei les reunira & 
perpetuite à ses etats acıuels. 

Art. 58. 
Determination ulterieure des pays ü ceder au grand-duc 
de Weimar. 

Les districts et territoires qui doivent etre cedes à S. A. R. 
le Grand Duc de Weimar, en vertu de l’article precedent, se- 
ront determines par une convenlion parliculiere, et S. M. le 
Roi de Prusse s’engage à conclure celie convention, et a faire 
remetire à S. A.R. les susdits distriets et territoires dans le 
terme de deux mois, à dater de l’echange des ratifications du 
traite conclu #Vienne le ı. juin 1815 entre S. M. Prussienne 
etS. A. R. le Grand-Duc. 

Art. 39. 
Possessions à remettre immediatement. 

S. M. le Roi de Prusse cede toutefois, des a present, et 
promet de faire remettre a S. A. R., dans le terme de quinze 
jours, a dater de la signature du susdit traite, les districts et 
territoires suivans, savoir: La seigneurie de Blankenhayn avec 
la reserve que le bailliage de Wandersleben, appartenant a 
Unter-Gleichen, ne soit point compris dans celte crssion. La 
seigneurie inferieurr (Niedere Herrschaft) de Kranichfeld, les 
coınmanderies de l'ordre teutonique Zwätzen, Lehesten et 


- 


a — 

Liebstädt, avec leurs revenus domaniaux, lesquelles faisant 
partie du bailliage d’Eckartsberg, formant des enclaves dans 
le territoire de Saxe-Weimar, ainsi que toutes les autres encla- 
ves situees dans la principaute de Weimar, et appartenant au- 
dit bailliage; le bailliage de Tautenbourg, à l’exception de 
Droizen, Horschen, Wethabourg, Wetterscheid et Möllacheich, 
qui resteront a la Prusse. Le village de Remsla, ainsi que 
ceux de Klein-Brembach et Berlstedt, enclaves dans la prin- 
cipaute de Weimar, et appartenant au territoire d’Erfurt. La 
propriete des villages de Bischofsroda et Probsteizelle, encla- 
ves dans le territoire d’Eisenach, dont la souverainete appar- 
tient deja à S. A. R. le Grand-Duc. La population de ces dif- 
ferens districts entrera dans’ celle des 50,000 ames, assurde à 
S. A. R. par l’art. 50, et en sera decomptee. 


Art. 40. . 
Cession du ci-devant departement de Fulde à la Prusse. 


Le departement de Fulde, avec les territoires de l’ancienne 
noblesse immediate qui se trouvent compris actuelfement sous 
Vadministration provisoire de ce departement, savoir: Mans. 
bach, Buchenau, Werda, Lengsfeld, mais a l’exception des 
bailliages et territoires suivans, savoir: les bailliages de Ha- 
melbourg avec. Thulba et Saleck, Brückenau avec Motten, 
Salmünster avec Uerzell, et Sannerz, de la partie du bailliage 
de Biberstein, qui renferme les villages de Batien, Brand, 
Dietges, Findlos, Liebharts, Melperz, Ober-Bernhardt, Saif- 
ferz et Thaiden, ainsi que du domaine de Holzkirchen, enclave 
dans le grand-duche de Wurzbourg, est cede a S. M. le Roi 
de Prusse, et la possession lui en sera vemise dans le terme de 
trois semaines, à dater du ı. juin de cette annee. S. M. Prus- 
sienne promet de se charger, dans la proportion de la partie 
qu’elle obtient par le present article, de sa part aux obliga- 
tions que tous les nouveaux possesseurs du ci-devant grand-du- 
ch« de Francfort auront a remplir, et de transferer cet engage- 
ment sur les princes avec lesquels S. M. feroit des echanges ou 
cessions des districts et territoires Fuldois, 


Art. 41. 
Domaines de la principaut6 de Fulde. 


“ Les domaines de la principaut€ de Fulde et du comte de 
Hanau, ayant ete vendus sans que les aoquereurs se soient ac- 


= de > 


quittes jusqu’ici de tous les termes du paiement, il sera nomme 
per les princes, sous la domination desquels passent lesdit: 
pays, une commission pour regler, d’une maniere uniforme, 
ce qui est relalif à cette affaire, et pour faire droit aux recla- 
mations des acquereurs des dits domaines. Cette commission 
aura particulierement egard au traile conclu le 2. decembre 
1815 A Francfort, entre les puissances alliees et S. A. R. l’elec- 
teur de Hesse, et il est pose en principe, que si la vente des 
domaines n’etoit pas maintenue, les sommes deja payees seront 
restituces aux acquereurs 'qui ne seront obliges de sortir de 
pgssession que lorsque celte restitulion aura eu son plein et 


entier eflet. 
Art.. 4a. 
Wetzlar. 
La ville de Wetzlar avec son territoire passe en toute pro 
priete et souverainete a S. M. le Roi de Prusse. 


Art. 43. 
Pays mediatises dans lancien cercle de Westphalie. 


Les districts m&diatises suivans, savoir: les possessions 
que les princes de Salm-Salm et Salm-Kyrbourg, les comtes 
denommes les Rhein- und Wiligrafen, et le duc de Croy ont 
obtenus par le reces principal de la deputation extraordinaire 
de l’Empire du 25. fevrier 1605, dans Pancien cercle de West- 
phalie, ainsi que les seigneuries d’Anholt et de Gehmen, les 
possessions du duc de Looz-Gorswaren qui se trouvent dans le 
möme cas (en autant qu’elles ne sont point placdes sous le 
gouvernement hanovrien), le comte de Steinfurt appartenant 
au comte de Bentheim, le comte de Recklingshausen apparie- 
nant au duc d’Aremberg, les seigneuries de Rheda, Gutersloh, 
et Grenau, appartenant au comte de Bentheim-Tecklenbourg, 
le comte de Ritiberg appartenant au prince de Kaunitz, les 
seigneuries de Neustadt et de Gimborn, apparlenant au comte 
de Walmoden, et la seigneurie de Hombourg, appartenant aux 
princes de Sayn-Wittgenstein Berlebourg, seront places dans 
les relations avec la monarchie prussienne, que la constitution 
federative de l’Allemagne reglera pour les territoires media- 
lises. I 

Les possessions de l’ancienne noblesse immediate, encla- 
vees dans le territoire prussien, et nommement la seigneurie de 


— 331 — 

Wildenberg dans je grand-duche de Berg et la baronie de 
S:hauen dans la principaule de Halberstadt, appartiendront a 
la monarchie prussienne. | 


Art. 44. | 
Dispositions relatives au grand-duche de Wurzbourg et ä la 
priueipaute d’Aschaffenbourg en faveur de la Baviere. 


S. M. le Roi de Baviefe possedera pour lui, ses heritiers 
et ses successeurs, en foute propriete et souverainete, le grand- 
duche de Wurzbourg, tel’qu’il fut possede par S. A. I. l’Ar. 
chiduc Ferdinand d’Autriche, et la principaute d’Aschaffen- 
bourg telle qu’elle a fait partie du grand-duche de Francfort, 
sous la denomination de departement d’Aschaffenbourg. 


Art. 45. ‘ 
Sustentation du prince Primat. 


A l'égard des droits et prerogatives et de la sustentation 
du prince Primat, comme ancien prince ecolesiastique, il est 
arıete: " 

ı. Qu’il sera traite d’une maniere analogue aux articles 
du reces, qui, en ı805, ont regle le sort des princes seoulari- 
ses, etä ce qui a ete pratique a leur egard. 

2. ll recevra a cet effet, à dater de ıer juin ı8ı4, la 
somme de cent milie florins payables par trimestre, en bon- 
nes especes sur le pied de vingt-quatre florins au marc, com- 
me rente viagere. Cette rente sera acquittee par les souverains 
dans la domination desquels passent des provipces ou districts 
du grand-duche de Francfort, dans la proportion de la partie 
que chacun d’eux en possedera. 

3. Les avances faites par le prince Primat de ses propres 
deniers a la caisse generale de la principaute de Fulde, telles 
qu’elles seront liquidees et prouvees, lui seront restitaees a lui 
ou ses heritiers ou ayant cause. Ceite charge sera supportee 
proportionnellement par les souverains qui possederont les 
provinces et districts qui forment la principaute de Fulde. 

4. Les meubles et autres objets qui pourront @tre prouves 
appartenir a la propriete particuliere du prince Primat, lui 
seront rendus. 

5. Les serviteurs du grand-duche de Francfort tant civils 
et ecclesiastiques, que militaires et diplomates, seront traites 
conformement aux principes de l’article 59 du reces de l’empire 


N 


— 332 — 
du 25 fevrier 1603, et les pensions seront payees proportionel- 
lement par les souverains qui entrent dans la possession des 
etats qui ont forme ledit grand-duche, a dater du ıer jan 


ıBı4. 
6. Il sera sans ddlai etabli une commission dont lesdit 


souverains nommeront les membres, pour regler tout ce qui 
est relatif a l’execution des dispositions renfermees dans le pre- 
sent article, 

7. Il est entendu que 'en vertu de cet arrangement toute pre- 
tention qui pourroit etre elevee envers le prince Primat, en: 
qualite de Grand-Duc de Francfort, sera eteinte, et qu'il me 
pourra eire inquiete par aucune reclamation de cette nature. 

A rt. 46. 
Ville libre de Francforb, 

La ville de Francfort avec son territoire tel qu’il se tro= 
voit en 1803, est declaree libre, et fera partie de la ligue ger- 
manique. Ses institalions seront basees sur le principe d’une 
parfaite egalite de droits entre les differens cultes de la reli- 
gion chretienne. Cette egalite de droits s’etendra à tous les 
droits civils et politiques, et sera observee dans tous les rap- 
ports du gouvernement et de l’administration. Les discussion 
qui pourront s’elever, soit sur l’etablissement de la constitution, 
soit sur son mainlien, seront du ressort de la diete germanigue, 
ei ne — eire decidees que par elle. 

U Art, 47. 
— du Grand-Duc de Hesse. 

S. A. R, le Grand - Duc de Hesse obtient en echange da 
duche de Westphalie, qui estcedea S. M. le Roi de Prusse, 
un territoire surla rive gauche du Rhin, dans le departement 
du Mont-Tonnerre, comprennant une populatiön de 140,000 
habitans. S. A. R. possedera ce territoire en loute sourerai- 
nete et propriete; elle obtiendra de möme la propriete de la 
partie des salines de Kreutznach situee sur la rive gauche de 
a Nahe; la souverainete en restera à la Prusse. 


Art. 48. 
J Hesse - Hombourg. 
Le landgrave de Hesse -Hombourg est reintegre dans Is 
possessions, revenus, droits et rapports politigues dont il a 
die prive par suite de la confederation rhenane. 


— 333 — 


Art. 4g. 
Territoires }eservds pour les maisons d’Oldenbourg, de Saxe- 
Cobourg, de Mecklenbourg - Strelitz, et de Comte de 
Pappenheim. 


Il est reserve dans le ei-devant departement de la Sarre, 
sur les frontieres des etats de S. M. le Roi de Prusse, un dis- 
trict comprenant une population de soixante-neuf mille ames 
-dont il sera dispose de la maniere suivante: Le Duo de Saxe- 
Cobourg et le Duc d’Oldenbourg obtiendront, chacun un ter- 
ritoire comprenant vingt mille habitans ; le duc de Mecklen- 
bourg - Strelitz et le landgrave de Hesse- Hombourg, chacun 
un territoire comprenant dix mille habitans; et le comte de 
Pappenheim un territoire comprenant neuf mille habitans. Le 
territoire du comte de Pappenheim sera sous la souyerainete 
de S. M. Prussienne. 


Art. 50. 
Arrangement futur relativement à ces territoires. 


Les acquisitions assignees par l'article precedent aux duos 
de Saıxe-Cobourg, Oldenbourg, Mecklenbourg -Strelitz, et 
au landgrave de Hesse- Hombourg, n’ctant point contiguös &_ 
leurs etats respectifs, L. M. ’Empereur d’Autriche, V’Empe- 
reur de toutes les Russies, le Roi de la Grande -Bretagne et 
le Roi de Prusse promettent d’employer leurs bons offices à l'is- 
sue de la presente guerre, ou aussitöt que les circonstances le 
permettront, pour faire obtenir par des echanges ou d’autres 
arrangemens aux dits princes les avantages qu’elles sont dispo- 
sees à leur assurer. Afın de ne point trop multiplier les ad- 
ministrations des dits districts, il est convenu qu’ils seront pro- 
visoirement sous l’administration prussienne au profit des nou- 
veaux acquereurs. 


Art. 51. 
Pays sur les deux rives du Rhin remis a ! Autriche. 


Tous les territoires et possessions, tant sur la rive gauche 
du Rhin dans les anciens departemens de la Sarre et du Mont« 
Tonnerre, que dans les ci-devant departemens de Fulde et 
de Francfort, ou enclavees dans les pays adjacens, mis a la 
disposition des puissances allices par le traite de Paris du 50. 
mai 18:4, dont iln’a pas eie dispose par les articles du presen 


— 334 — 


traite, passent en toute souverainete et propricte sous la do- 
mination de S. M. l’Empereur @’Autriche. 
Art. 53. 
Isenbourg. 

La principaute d’Isenbourg est placee sous la souverainet: 
de S. M. l.et R. A., et sera envers elle dans les rapports que 
la constitution federative de l’Allemagne reglera pour les etais 
mediatises. 

Art: 55. 
Confederation, germanique. 

Les princes souverains et les villes libres d’Allemagne, en 
comprenant dans cette transaction L. M. ’Empereur d’Autriche, 
les Rois de Psusse, de Danemarc et des Pays-Bas, et nomme 
ment l’Empereur d’Autriche et le Roi de, Prusse pour toutes 
celles de leurs possessions qui ont anciennement appartenui 
V’Empire germanique, le Roi de Danemarc pour le duche de 
Holstein, le Roi des Pays-Bas pour le grand-duche de Lu- 
xembourg, etab!issent entr’eux une confederation perpetuelle 
qui portera le nom de confederation germanique. 


Art. 54. 
But de la confederation germanique. 

Le but de cette coufederation est le maintien de la sürete 
exterieure et interieure de l’Allemagne, de l’independance et 
de l’inviolabilite des etats confederes. 

Arı. 55. 
Egalite des membres de la confederation. 

Les menıbres de la confederation , comme tels, sont egaux 
en droits; ils s’obligent tous egalement à maintenir l’acte qui 
constitue leur union. 

Art. 56. 
Diete feddrative. 

Les affaires de la confederation seront confiees à une diete 
federative dans laquelle tous les membres voteront par leurs 
plenipotentiaires soit individuellement, soit collectiivemen!, de 
la maniere suivante, sans prejudice de leur rang. Autriche ı, 
Prusse ı, Baviere ı, Saxe ı, Hanovre ı, Wurtemberg ı, 
Bade ı, Hesse: Electorale ı, grand-duche de Hesse ı., Dane- 
marc pour le Holstein ı, Pays-Bas pour le Luxembourg ı, 


Br — 


maisons grand-ducale et ducales de Saxe ı, Brunswic et Nas- 
sau ı, Mecklenbourg-Schwerin et Strelitz ı, Hoistein- Ol- 
denbourg, Anhalt, et Schwarzbourg ı, Hohenzollern , Lich- 
tenstein, Reuss, Schaumbourg- Lippe, Lippe, et Waldeck ı, 
les villes libres de Lubeck, Francfort, Breme et Hambourg ı; 
total 17. 
Art. 57. 
Presidence et propositions 4 faire a la diete. 


L’Autriche presidera la diete f£derative. Chaque etat de 
la confederation a le droit de faire des propositions, et celui 
qui preside est lenu a les meitre en deliberation dans un espa- 
ce de tems qui sera fixe. 


Art. 58, 
Assemblee generale de la diete. 


Lorsqu’il s’agira d’une loi fondamentale a porter ou de 
changement à faire dans les lois fondamentales de la confede- 
ration, de mesures à prendre par rapport à l’acte federatif 
meine, d’institutiones organiques ou d’autres arrangemens d’un 
interet commun à adopter: la diete se formera en assemblee 
generale, et dans ce cas la distribution des voix aura lieu de 
la maniere suivante, calculee de l’etendue respective des etats 
individuels. L’Autriche aura 4 voix, Prusse 4, Saxe 4, Ba- 
viere 4, Hanovre 4, Wurtemberg 4, Bade 5, Hesse electo- 
rale3, grand-duche de Hesse5, Holstein 5, Luxembourg 3, 
Brunswic 2, Mecklenbourg-Schwerin 2, Nassau 2, Saxe-\Vei- 
mar ı, Saxe-Golha ı, Saxe,Cobourg ı, Saxe - Meinungen ı, 
Saxe Hildbourghausen ı, Mecklenbourg -Strelitz ı , Holstein- 
Oldenbourg ı, Anhalt-Dessau ı, Anhalt-Bernbourg ı, An- 
halt-Cöthen ı, Schwarzbourg- Sondershausen ı, Schwarz- 
bourg - Roudolstadt ı, Hohenzollern - Hechingen ı, Lichten- 
stein ı, Hohenzollern -Sigmaringen ı, Waldeck ı, Reuss bran- 
che ainde ı, Reuss branche cadette ı, S.haumbourg Lippe 
ı, Lippe ı, la ville libre de Lubeck ı, la ville libre de Franc- 
fort ı , la ville libre de Bröme ı, la ville libre de Hambourg 
1; total 69 voix. 

La diete en s’occupant des lois organiques de la confede- 
ration, examinera si on doit accorder qurlques voix collecti- 
ves aux anciens etats de l’Empire mediatises. 


/ 


pourra ni prejudicier a aucun des membres ni etablir un 


Art. 59. 
Pluralit€ de voix, permanence et ajournement de la dus: 
La question, si une aflaire doit Etre discutee en asun)'e 
generale, conformement aux principes ci-dessus elablis, un 
decidee par l’assemblee ordinaire a la pluralite des voir Li 
meme assemblee preparera les projets de resolution qui d 
vent etre portes a l’assemblee generale, et fournira a elka 
tout ce qu'il lui faudra pour les adopter ou les rejelter. (a 
decidera par pluralite des voix tant dans l’assemblce gas 
que dans l’assemblee ordinaire , avec la difference Llehs 
que dans la derniere il suffira de la pluralile absolue, und 
que dans l’autre, les deux tiers des voix seront necesar 
pour former la pluralite« Lorsqu’il y a parile de roin dan 
l’assemblce ordinaire, le president decidera la question; # 
pendant chaque fois qu'il s’agira d’acceptation, ou de cup 
ment de lois fondamentales, d’institutions organiquss, de dreii 
individuels ou d’aflaires de religion, la pluralite des wos æ 
suffira ni dans l’assemblee ordinaire, ni dans l’assembler gene- 
rale. La diete est permanente; elle peut cependanl lorıque 65 
objets soumis a sa deliberation se trouvent termine, rijeu 
ner à une époque fixe, mais pas au-drlä de quatre mois. Tr 
tes les Jdispositions ulterieures relatives 3 ’ajournementetäler 
pedition des affaires pressantes qui pourroient survenif p⸗ 
Fajournement, sont reservees ala diete, qui s’en occopeti hu 
de la redaction des lois organiques. 
Art. 60. 
Ordre & suivre par les votans. 
Quant a l’ordre dans lequel voteront les membres de I 
confederation, il est arrete que tant que la diete sera orcpf 
de la redaction des lois organiques, il n'y aura aucune ng ! 
cet egard, et quel que soit l’ordre que l'on observers, z. 
f 
cipe pour l’avenir. Apres la redaction des lois organge# 
la diete deliberera sur la maniere de fixer ces objets par" 
regle permanente pour laquelle elle s’ecartera le moins pasıbl 
de celles qui ont eu lieu & Vancienne diete, ei notamat# 
d’apres le reces de la deputation de l’Empire de ıBo3. .L* 
dre que l’on adoptera n’influera d’ailleurs en rien sur le rı& 
de la presöance d-s membres de la confederation hors de I 
rapports avec la diöte. i 
An. 6" 


se Er — 
Art. 61. 
Siege de la diete, 


La diete siegera a Francfort sur le Mein. Son oüverture 
est fixee au ıer Septembre ı8ı5. 
Art. 62. 
Redaction des lois fondamentales et des institutions orga- 
nigues. 


Le premier objet atraiter par la diete, apres son ouver- 
ture , sera la redaotion des lois fondamentales de la confedera- 
tion et de ses institutions organiques relativement & ses rap- 
ports exterieurs, militaires et interieurs. \ 


Art. 635. 


Guerre et paix. 


Les etats de la oonfederation s’engagent à defendre non- 
seulement l’Allemagne entiere, mais aussi chaque etat indivi- 
duel de l’union, en oas qu’il füt atiague, et se garantissent 
mutuellement toutes celles de leurs possessions qui se trouvent 
dans oette union. Lorsque la guerre est declarde par la confe- 
deralion, aucun membre ne peut entamer de negociation par- 
ticuliere avec l’ennemi, ni faire la paix ou unarmistice sans le 
consentement des autres. Les membres de la confederation, 
en se reservant le droit de former des alliances, s’obligent ce- 
pendant anecontraoter aucun engagement qui seroit dirigecontre 
la sürete dela confederation ou desetatsindividuels quilacompo- 
sent. Les etats confederes s’engagent de même à ne se faire la guer- 
re sousaucun pretexteetäne point poursuivreleurs differends par 
la force desarmes, mais ales soumeltre a la diete. Celle-ci essaye- 
ra moyennant une commission lavoie de mediation; siellene re- 
ussit pas ei qu’une sentence juridique devienne necessaire, il y 
sera pourvu par un jugement Austregal (Austregel- Instanz) 
bien organise, auquel les parties liligeantes se soumettront 
sans appel. 


Art. 64. 


Les articles compris sous le titre de dispositions particu- 
lieres dans l’acte de la confeddration germaniquet, tel qu'il se 
trouve annexe en original, auront Ja m&me force et valsur que 

s’il etoient textuellement inseres ici. 
Codex Diplomaticus. (Eur, Annal. 1315.) 23 


4 


HI, ROYAUME DES PAYS-BAS ET GRAND-DUCHE DE 
LUXEMBOURG. 


Art. 65. 
| Royaume des Pays-Bas, 

Les aneiennes provinces unies des Pays -Bas et les ei -de- 
vant provinces belgijues, les unes et les autres dans les limites 
fixees par l’arlicle suivant, formeront conjointement avec les 
pays et territoires designes dans le meme article; sous la sou- 
verainete de S. A. R. le prince d’Orange- Nassau, prince sou- 

' verain des provinegs-unies, le royaume des Pays- Bas, here- 
ditaire dans l’ordre de succession deja etabli par l’acte de con- 
stitution des dites provinoes-unies. Letitre et les prerogati- 
ves de la dienite royale sont reconnus par toutes les puissan- 
ces dans la maison d’Orange - Nassau, 


Art. 66, 
Limites du Royaume des Pays- Bas. 

La ligne comprenant les territoires qui composent le 
royaume desPays-Bas, est determinee de la maniere suivante. 
Elle part de la mer, et s’etend le long des fröntieres de la 
France du cöle des Pays-Bas, telles qu’elles ont ete reciifiees 
ei fixees par l’arlicle 5 du traite de Paris du 30 mai 1614 jus- 
qu’a la Meuse, et ensuite le long des memes frontieresjusgu’aux 
anciennes limites du duche de Luxembourg. De\lä elle suit la 
direction des limites entre ce duche et l’ancien eveche de Lie- 
ge, jusqu’a ce qu’elle rencontre (au midi de Deiffelt) des limi- 
tes occidentales de ce canton, et de celui de Malmedy jus- 
qu’au point ou oelte derriere atteint les limites entre les an- 
ciens departemens de l’Ourte et de la Roer; elle longe ensuite 
ces limites jusqu’& ee qu’elles touchent à celles du canton ci- 
devant frangois d’Eupen dans le duche de Limbourg, et en 
suivant Ja limite occidentale de ce canton dans la direction du 
nord, laissant A droile une petite partie du ci -devant canton 
frangoisıd’Aubel, se joint au point de contact des trois anciens 
departemens de l’Ourte, de la Meuse-inferieure et de laRoer; 
en partant de ce point, la dite ligne suit celle qui separe ces 
denx derniers departemens jusques-lA ou elle touche à la 
Worm (riviere ayant son embouchure dans la Roer), et longe 
eelie riviere jusqu’au point ou elle atteint. de nouveau la limi- 


\ J 


— - 7, — 


te de ces deux départemens, poursuit oelte limite jusqu'au mi- 
«di de Hillensberg (ancien departement dela Roër), remonte 
de la vers Je nord, et laissant Hillensberg a droite et cou- 
pant le canton de Sittard en deux parties a peu pres egales, 
de maniere que $ittard et Süsteren restent A gauche, arrive & 
l’angien territoire hollandois, puis laissant ce territoire a gau- 
che, elle en suit la frontiere orientale jusqu’au point ou oelle- 
ci touche a l’ancienne principaute autrichienne de Gueldres, 
du cöte de Ruremonde, et se dirigeant vers le point le plus 
oriental du territoire hollandois au nord de Swalmen, conti. 
nue à embrasser ce territoire, 


Enfin elle va joindre, en partant du point le plus oriental, 
eeite autre partie du territoire hollandois, ou se tronve Ven- 
loo, elle renfermera cette ville et son territoire. De là jusqu’ 
A l’ancienne frontiere hollandoise pres de Mook, situe au-des- 
saus de Gennep, elle suivra le cours de la Meuse, a une di- 
stance de la rive droite, telle que tous les endroils qui ne 
sont pas eloignes de cette rive de plus de mille perches d’Alle- 
magne (Rheinländische Ruthen) appartiendront, avec leurs 
banlieues , au royaume des Pays-Bas, bien entendu toulefois, 
quant A la reciprocit€ de ce principe, que le territoire prus- 
sien ne puisse, sur aucun point, toucher ala Meuse, ou's’en 
approcher a une distance de huit oents perches d’Allemagne. 


Du point ou la ligne qui vient d’ötre decrite, alteint l’an- 
cienne frontiere hollandoise jusqu’au Rhin, cette frontiere res- 
tera pour l’essentiel telle qu’elle etoit en 1795, entire Cleves 
et les Provinces-Unies. Elle sera examinee par la commission 
qui sera nommee inoessamment par les deux goßvernemens de 
Prusse et des Pays- Bas, pour proceder ala determination ex- 
acte des limites, tant du royaume des Pays-Bas que du grand- 
duch® de Luxembourg, designees dans les articles 66 et 68, et 
cette commission reglera, à l'aide d’experts, tout ce qui con- 
cerne les constructions hydrotechniques et autres points analo- 
gues, de la maniere la plus equitable et la plus conforme aux 
interets mutuels des etats prussiens et de ceux des Pays-Bas. 
Cette même dispasition s’etend sur la fixation des limites dans 
les districts de Kyfwaerd,,' Lobith, et de tout le territoire jus- 
qu'à Mekerdom. Les enclaves Huissen,-Ma!bourg, le Limers 
aves la ville de Sevenaer et la seigneurie de Weel, feront par- 


tie du royaume des Pays-Bas, et S. M. prussienne y renonse 
à perpetuite pour elie ei tous ses descendans et successeurs. 


Art. 67. 
Grand-duche de Luxembourg. 


La partie de l’ancien duche de Luxembourg, comprise dan 
tes limites specifices par lartiele söivant, est egalement cede 
au prince souverain des Provinces -Unies, aujourd’hui Rc 
des Pays-Bas, pour \etre possedee & perpetuite par lui 
ses successeurs en toute propriete et souveraineie. Le sot 
verain des Pays-Bas ajoutera à ses titres celui de Grand-Du 
de Luxembourg; et la faculte est reservee & S. M. de farı 
relativement à la succession dans le grand-duche, tel arrang 
ment de famille entre les princes ses fils qu’elle jugera co 
forme aux interels de sa monarchie, et & ses intenlions paté 
nelles. Le grand-duche de Luxembourg servant de compen: 
tion pour les principautes de Nassau-Dillenbourg, Siegen, H 
damar et Dietz, formera un des etats de la confederation g« 
manique, et le prince, Roi des Pays-Bas, enirera dans le s} 
teme de cette confederation comme Grand-Duc de Luxembou' 
avec toutes les prerogatives et privileges dont jouiront les : 
tres princes allemands. La ville de Luxembourg sera consi. 
rde sous le rapport militaire comme forteresse de la confede 
tion. Le Grand-Duc aura toutzfois le droit de nommer 
gouverneur et commandant militaire de cette forteresse, sa 
l’approbation du pouvoir executif de la confederation, et sc 
telles autres conditions qu'il sera juge necessaire d’etablir 
conformite de la constitution future de ladite confederation. 


Art. 68. 
Limites du grand-duche de Luxembourg. 

Le grand-duche de Luxembourg se composera de tout 
territoire situe entre le royaume des Pays Bas, tel qu'il a 
designe par Varticle 66, la France, la Moselle jusqu’a l'« 
bouchure de la Sure, le cours de la Sure jusqu’au conflu 
de l’Our, et le cours de cetle derniere riviere jusqu’aux lim 
du ci-devant canton frangois de Saint-Vith, qui n’appartien 

‘ point au grand-duche de Luxembourg. 
(Die Fortfegung- im nächften Jahr.) 


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